Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

6. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 11. Dezember 2019

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

6. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode     Mittwoch, 11. Dezember 2019

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 11. Dezember 2019: 10.11 – 22.07 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 50/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 87/A der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeige­setz 2005 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 46/A der Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsge­setz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landes­vertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzge­setz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpen­sionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 24/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das VKI-Finan­zierungsgesetz 2019 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 94/A der Abgeordneten Mag. Andreas Hanger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzen­gesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundes­amt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßord­nung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von ge­gen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 2

8. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Leoben um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger

9. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (42/A)

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, geändert wird (51/A)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (53/A)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 ge­ändert wird (83/A)

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsge­setz (B-VG) geändert wird (100/A)

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über den Rechnungshof (Rechnungshofgesetz 1948 – RHG) geändert werden (102/A)

16. Punkt: Wahl von Ausschüssen

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 20

Ordnungsrufe ................................................................................................  64, 128, 128

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 17 und 18 d.B. gemäß § 44 (2) GOG ..................................................................................................... 63

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    63

Verlangen der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dr. Stephanie Krisper, Kolle­ginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG auf Einsetzung eines Un­tersuchungsausschusses betreffend „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)“ ..... 92

Verlangen gemäß § 33 Abs. 4 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ......................................................................................................................................... 92


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 3

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 235

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 238

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 239

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 241

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 242

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 243

Zuweisung des Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an den Geschäftsordnungsausschuss ..................................................................................... 245

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 130

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka ...................................................................... 244

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 245

Aktuelle Stunde (2.)

Thema: „Stopp der Gewalt an Frauen!“ ................................................................... 20

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 21

Bundesministerin Mag. Ines Stilling ...................................................................  23, 38

Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ................................................................................. 25

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 26

Herbert Kickl ................................................................................................................. 27

Mag. Meri Disoski ......................................................................................................... 29

Henrike Brandstötter ................................................................................................... 31

Mag. Michaela Steinacker ............................................................................................ 32

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 34

Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 35

Bedrana Ribo, MA ........................................................................................................ 37

Michael Bernhard ......................................................................................................... 38

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (3.)

Thema: „Die großen Herausforderungen der neuen Europäischen Kom­mission“               40

RednerInnen:

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 40

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ............................................. 42

Elisabeth Köstinger ..................................................................................................... 45

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 47

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 48

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 49

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 51

Mag. Martin Engelberg ................................................................................................. 52

Julia Elisabeth Herr ...................................................................................................... 54

Dr. Susanne Fürst ........................................................................................................ 55

Michel Reimon, MBA .................................................................................................... 57

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 58

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 20

Ausschüsse


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 4

Zuweisungen .........................................................  60, 202, 209, 212, 219, 223, 228, 245

16. Punkt: Wahl von Ausschüssen .............................................................................. 228

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Umsetzung notwendiger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel“ (110/A)(E) ............................ 130

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ....................................................... 133

Bundesminister Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA .................................................... 137

Debatte:

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 139

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 141

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 142

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 146

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 148

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 150

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 151

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 152

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 154

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 156

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 157

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 158

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 160

Peter Wurm ................................................................................................................. 161

David Stögmüller ........................................................................................................ 162

Entschließungsantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufsrechts“ – Ablehnung      145, 164

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 110/A(E) ............................... 164

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 50/A der Abgeordne­ten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (12 d.B.) ...................................... 63

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 87/A der Abgeord­neten Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (13 d.B.) .................................................................................................................. 63

RednerInnen:

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 64

Karl Mahrer, BA ............................................................................................................ 67

Peter Wurm ................................................................................................................... 79

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 81

Alois Kainz .................................................................................................................... 83

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 84

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 85

Bundesminister Dr. Wolfgang Peschorn .................................................................. 89


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 5

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 92

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 94

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................... 95

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 96

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ...................................................................... 98

Nurten Yılmaz ....................................................................................................  100, 109

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 101

Klaus Köchl ................................................................................................................. 102

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 103

Karl Nehammer, MSc ................................................................................................. 105

Herbert Kickl ............................................................................................................... 106

Michel Reimon, MBA .................................................................................................. 109

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“ – An­nahme (3/E) ...............................  66, 110

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlinge – Integration vor Zuzug“ – Ablehnung ..................................................  82, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen“ – Ablehnung  87, 110

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 12 d.B. ........................................................ 110

Annahme des Gesetzentwurfes in 13 d.B. ................................................................... 110

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 46/A der Abgeord­neten Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsge­setz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonen­gesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzge­setz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (9 d.B.)                  111

RednerInnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 111

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 114

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 119

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 121

Christian Lausch ........................................................................................................ 122

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 123

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 124

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 125

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 127

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Angleichung des öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor“ – Ablehnung  112, 130

Annahme des Gesetzentwurfes in 9 d.B. ..................................................................... 129


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 24/A der Abgeordne­ten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 erlassen und das Kartell­gesetz 2005 geändert wird (10 d.B.) ...................................... 164

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 94/A der Abgeordne­ten Mag. Andreas Hanger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird (11 d.B.)                164

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 164

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 166

Peter Wurm ................................................................................................................. 167

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 168

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 169

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................. 171

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 172

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 173

Philip Kucher .............................................................................................................. 174

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“ – Annahme (4/E)                                                  170, 175

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 10 d.B. ........................................................ 175

Annahme des Gesetzentwurfes in 11 d.B. ................................................................... 175

6. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 84/A der Abgeord­neten Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Ge­setz aufgehoben wird (8 d.B.) ............................... 175

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 176

Peter Haubner ............................................................................................................. 177

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 178

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA .................................................................................... 180

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 181

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................... 181

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 182

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 184

Erwin Angerer ............................................................................................................ 186

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Alois Stöger, diplŏmé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung einer Ein­hausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding“ – Ablehnung                                                                                                                183, 188

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger, Hermann We­ratschnig, MBA MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung einer Ein­hausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding in ökologischer, ökonomischer und technischer Hinsicht“ – Annahme (5/E)  185, 188

Annahme des Gesetzentwurfes in 8 d.B. ..................................................................... 188

7. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 7

zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßord­nung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden (14 d.B.)                        189

RednerInnen:

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 189

Bundesminister Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner ...................................................... 190

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 190

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 191

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 191

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 192

Dr. Christian Stocker ................................................................................................. 193

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 194

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 195

Annahme des Gesetzentwurfes in 14 d.B. ................................................................... 195

8. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Leoben (Zl. 5 St 330/19i) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger (17 d.B.) ........................................................................................................................ 196

Annahme des Ausschussantrages in 17 d.B. ............................................................... 196

9. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsan­waltschaft Graz (Zl. 25 St 124/19x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (18 d.B.) ........................................................................................................................ 196

Annahme des Ausschussantrages in 18 d.B. ............................................................... 196

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geän­dert wird (42/A) ........................... 197

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 197

Christoph Zarits ......................................................................................................... 197

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 198

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 200

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 200

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 201

Zuweisung des Antrages 42/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales (nach erfolgter Wahl dieses Ausschusses) .............................................................................................................. 202

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, geändert wird (51/A) ..................................................................................................... 202

RednerInnen:

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 202

Johann Singer ............................................................................................................ 203

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 204

Mag. Philipp Schrangl .......................................................................................  205, 208

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 206

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................. 207


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 8

Zuweisung des Antrages 51/A an den Ausschuss für Bauten und Wohnen (nach erfolgter Wahl dieses Ausschusses) .............................................................................................................. 209

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (53/A) .............................................. 209

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 209

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 210

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 211

Yannick Shetty ............................................................................................................ 212

Zuweisung des Antrages 53/A an den Geschäftsordnungsausschuss ........................ 212

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988 geändert wird (83/A) ..... 213

RednerInnen:

Mag. Dr. Petra Oberrauner ........................................................................................ 213

Andreas Minnich ........................................................................................................ 214

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 215

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 215

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 216

Maximilian Lercher ..................................................................................................... 218

Zuweisung des Antrages 83/A an den Finanzausschuss (nach erfolgter Wahl dieses Ausschusses)     ............................................................................................................................. 219

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (100/A)      ............................................................................................................................. 219

RednerInnen:

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 219

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 220

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 221

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 222

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................ 223

Zuweisung des Antrages 100/A an den Verfassungsausschuss (nach erfolgter Wahl dieses Ausschusses)      ............................................................................................................................. 223

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über den Rechnungshof (Rechnungshofgesetz 1948 – RHG) geändert werden (102/A)               ............................................................................................................................. 224

RednerInnen:

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 224

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 225

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 226

Christian Lausch ........................................................................................................ 226

David Stögmüller ........................................................................................................ 227

Zuweisung des Antrages 102/A an den Verfassungsausschuss (nach erfolgter Wahl dieses Ausschusses)      ............................................................................................................................. 228


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 9

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 61

4: Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mit­gliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits

5: Protokoll zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für inter­nationale Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung über den Amts­sitz des Fonds

6: Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965

7: Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Kommunikation (ECO) Den Haag, den 23. Juni 1993, geändert in Kopenhagen am 9. April 2002 und in Kopenhagen am 23. November 2011

15: Luftverkehrsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Par­tei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei

16: Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaa­ten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Partei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwi­schen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei

Berichte ......................................................................................................................... 60

Vorlage 6 BA: Monatserfolg Oktober 2019; BM f. Finanzen

Vorlage 7 BA: Bericht gemäß § 67 Abs. 4 BHG 2013 über die Ergebnisse des Beteiligungs- und Finanzcontrolling zum Stichtag 30. September 2019; BM f. Fi­nanzen

III-66: Sonderbericht betreffend „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Men­schen mit Behinderung“; Volksanwaltschaft

III-70: Bericht betreffend Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Reihe BUND 2019/46; Rechnungshof

III-72: Bericht betreffend System der Finanzzielsteuerung im Gesundheitswe­sen – Reihe BUND 2019/47; Rechnungshof

III-73: Bericht betreffend Disziplinarwesen der Bundesbediensteten – Rei­he BUND 2019/48; Rechnungshof

III-74: Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018; Bundesre­gierung

III-76: Bericht über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleramtes 2018; Bundesregierung

III-77: Sozialbericht 2019; BM f. Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 10

Anträge der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung notwendiger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel (110/A)(E)

Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Alma Zadić, LLM, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (111/A)

Peter Haubner, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vorsorge für das Finanzjahr 2020 getroffen wird (Gesetzliches Budgetprovisorium 2020) und das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022 geändert wird (112/A)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung Finanzierung qualitätsvoller sexueller Bildung an Schulen (113/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps mit Großbritannien nach dem Brexit (114/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Durchführung einer Kin­derkosten-Erhebung (115/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung „Aktions­plan Frauengesundheit“ (116/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gewaltschutz­maßnahmen statt Rückschritte zu Lasten gewaltbetroffener Frauen und Kinder“ (117/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend die österreichische Ent­wicklungszusammenarbeit (118/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blutspende (119/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mehr Treffsicherheit bei Bildungskarenz (120/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen (121/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einstufung der gesam­ten Hisbollah als terroristische Organisation (122/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend entschlossenes Auftre­ten Österreichs gegen die Einschränkung von Pressefreiheit und Einschüchterung von Journalist_innen in Serbien und Montenegro (123/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung aus einer Hand für Gewaltschutzmaßnahmen (124/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert wird (125/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (126/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 11

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert wird (127/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Tätigkeit der Klubs der wahlwerbenden Par­teien im Nationalrat und im Bundesrat erleichtert wird (Klubfinanzierungsgesetz 1985 – KlubFG), geändert wird (128/A)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (129/A)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung von Schutz­zonen rund um VLT-Automatensalons an die landesgesetzlichen Regelungen (130/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Klimatrans­parenzgesetzes inklusive Klimabudget (THG-Budget) (131/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über Ausweitung und Anpassungsmöglichkeiten in der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge (132/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiwilliges Kulturjahr (133/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mittel für eine faire Entlohnung von Kunstschaffenden (134/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine rasche Erarbeitung eines umfassenden UrheberInnenvertragsrechts (135/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Absicherung des nichtkommerziellen Rundfunks (136/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 geändert wird (137/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (138/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend armutsvermeidende Mindest­sicherung (139/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Prinzipien der gesetzlichen Pensionsversicherung (140/A)

Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Petra Steger, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurtei­lung von Antisemitismus und der BDS-Bewegung (141/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps mit Großbritannien nach dem Brexit (142/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine gemein­same Außenpolitik der EU für den Frieden (143/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kleine Direktwahl der Landes- und BundesschülerInnenvertretung“ (144/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 12

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klima-, Natur- und Umweltschutz stärker im Schulunterricht verankern (145/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege (146/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des österreichischen Ta­bakmonopols und fairer Nichtraucherschutz für unsere heimische Gastronomie (147/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenersatz durch Gewalt­täter im Gesundheitswesen (148/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend fristgerechte Vor­lage der Außen- und Europapolitischen Berichte (149/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (150/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lootboxen – Ver­steckte Gefahr und Suchtpotential in Computerspielen (151/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 (UstG 1994) geändert wird (152/A)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend zeitgemäße Grundlagen für Energieinfrastrukturverfahren (153/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausnahme von der ALSAG-Bei­tragspflicht für anfallende Geschiebematerialen rund um Schutzbauten (154/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausnahmslose Befreiung von jeglichen Abgaben – insbesondere Altlastensanierungsbeitrag – bei Unwetter- oder Ka­tastrophenereignissen (155/A)(E)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird (156/A)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Le­bensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbrau­cherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG) geändert wird (157/A)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Kastrationspflicht für alle Kat­zen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden („Freigängerkatzen“) (158/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird (159/A)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung einer umfassenden „Bio-Wende“ in der österreichischen Landwirtschaft (160/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (38. KFG-No­velle) (161/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 13

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweite Registrie­rungspflicht für Home Sharing (162/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder meh­rere Bundesländer erstrecken, geändert wird (163/A)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (164/A)(E)

Hermann Weratschnig, MBA MSc, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach (165/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer neuen Strafbestimmung zu „Upskirting“ und dem Verbot, Nacktfotos ohne das Wissen oder die Einwilligung der Betroffenen anzufertigen (166/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (167/A)

Klaus Köchl, Elisabeth Köstinger, Erwin Angerer, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Opfer der schweren Unwetter in Kärnten aus dem Katastrophenfonds (168/A)(E)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend einheitliche Regelungen für die Hundehaltung (169/A)(E)

Zurückgezogen wurde das Verlangen auf erste Lesung binnen drei Monaten über den Antrag der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG) geändert werden (29/A) (Zu 29/A)

Anfragen der Abgeordneten

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Bericht über dubiose Agrarförderungen (188/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erlaubnis eines Glückspieltempels in unmittelbarer Nähe von Ju­gendeinrichtungen (189/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend eine rechtsextremistische Veranstaltung im Semriach 2019 (190/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend gemeinsames Personalmanage­ment (191/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend das Projekt „Grundkompetenz ab­sichern“ (192/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Umsetzung von Entschließungsanträgen (193/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 14

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend Ticketsystem für Investitionszuschüsse zu Photovol­taik-Anlagen und Stromspeichern (194/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung von Entschlie­ßungsanträgen (195/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt betreffend höchst einseitige Bericht­erstattung über die DDR (196/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Forderung der Datenhoheit für Fahr­zeugbesitzer (197/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Causa Casinos Chatprotokolle (198/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „das Grundrecht auf Daten­schutz gemäß § 1 Abs. 1 DSG im Spannungsverhältnis zu Art. 4 Z 1 DSGVO“ (199/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Abhaltung eines Kulturjahres Österreich-Türkei im Jahr 2020 (200/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Umsetzung von RH-Empfehlungen: Prüfung von politischen Bildungseinrich­tungen (201/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Redaktionsgeheimnis für Blog­gerInnen (202/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt betreffend Missstände in der Ballett­akademie der Staatsoper (203/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Schulentwicklung (204/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend An­schaffung von neuem Interieur für das Bundeskanzleramt (205/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Austro Control – Aufsichtsratsbesetzung mit schiefer Optik (206/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend FPÖ, Glock, Austro Control & Waffenli­beralisierung (207/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentli­chen Dienst und Sport betreffend atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (208/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (209/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 15

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (210/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffent­lichen Dienst (211/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Atypisch Beschäftigte im Öf­fentlichen Dienst (212/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (213/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (214/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (215/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (216/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (217/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (218/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (219/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gesamtkosten des Projektes „Berittene Polizei“ (220/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Budgetvollzugsbericht – Ein­nahmen aus Gerichtsgebühren (221/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Pflegeregress (222/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Vize-Landespolizeidirektor außer Rand und Band am Polizeinotruf: „I werd ih­nen die Wadl virerichten!“ – weil dieser seinen Namen nicht kennt (223/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Intervention bei Betriebsprüfungen (224/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Zukunft der Kulturforen und der österreichischen Aus­landskulturpolitik (225/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Betriebsprüfungen (226/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 16

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Gefährdung der Unabhängigkeit der Bundes­wettbewerbsbehörde (227/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Auswirkungen der EZB-Niedrigzins-Politik auf die Veranlagungen der Arbeiterkammern (228/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend herrisches Verhalten eines stv. Landespolizeidirektors (229/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend „Schwächung der Bundeswettbewerbsbehör­de (BWB) zulasten der SteuerzahlerInnen und KonsumentInnen“ (230/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Betriebsräte bei Post und Telekom (231/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Bericht des Hauptverbandes der SV-Träger gem. § 31 (13) ASVG (232/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fa­milien und Jugend im Bundeskanzleramt betreffend Indexierte Familienbeihilfe (233/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Müllimporte nach Österreich (234/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Gletscherverbauung in Tirol (235/J)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Beziehungen Österreichs zu Südtirol (236/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend „beunruhigende Sachverhalte beim Polizeinotruf im Speziellen, sowie der Notruf insgesamt im Allgemeinen“ (237/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Gesamtkosten des Projektes „Berittene Polizei“ (238/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (239/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt betreffend Atypisch Beschäftigte im Öffent­lichen Dienst (240/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Euro­pa, Integration und Äußeres betreffend Aufenthalte von Devin Nunes und Rudy Giuliani in Österreich (241/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Aufenthalte von Devin Nunes und Rudy Giuliani in Österreich (242/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Sicherheitsbericht 2018 (243/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 17

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheitsbericht 2018 (244/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Emissionsreduktionen durch Anpassungen des Tempolimits (245/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Folgeanfrage: Pensionskon­to: Warum zunehmend niedrigere Gutschriften bei jüngeren Geburtsjahrgängen? (246/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend Luftraumüberwachung in Österreich (247/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Pfandsystem für Kunststoffflaschen (248/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Auswirkungen der EZB-Niedrigzins-Politik auf die Veranlagungen der Wirtschaftskammern (249/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Causa „Ideenschmiede“ und „Goldschatz“ der FPÖ (250/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Pensionen: Ausgleichszula­ge (251/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Umweltbelastung durch Kunstrasensportplätze (252/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend nachlässiger Umgang der ersten Instanz in Asylverfahren (253/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Taxikosten (254/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt betreffend Taxikosten (255/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Taxikosten (256/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt betreffend Taxikosten (257/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Taxikosten (258/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Taxikosten (259/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Taxikosten (260/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Taxikosten (261/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 18

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend Taxikosten (262/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Taxikosten (263/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Taxikosten (264/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Taxikosten (265/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Ta­xikosten (266/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, In­tegration und Äußeres betreffend Taxikosten (267/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Überschreitet die Arbeiter­kammer Salzburg mit parteipolitischen Inseraten die Grenzen des Arbeiterkammer-Ge­setzes? (268/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Negativzinsen für Sparerinnen und Sparer (269/J)

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffent­lichen Dienst und Sport betreffend 15 Mio. € Spielgeld für Strache – persönliches Spe­senkonto oder Bau eines Sportmuseums? (270/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Einstellung des Personenverkehrs auf der Bahnstrecke Haiding–Eferding (271/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz eines Bundestrojaners (272/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Einsatz eines Bundestrojaners (273/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort betreffend futurezone Award 2019 (274/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Masterplan Digitalisierung (275/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend LehrerInnenbewertungs-App (276/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend erstmalige Anwendung der Zugangsregelun­gen im Kontext einer kapazitätsorientierten, studierendenbezogenen Universitätsfinan­zierung (277/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeskanzlerin betreffend Zu­satz zu Basler Übereinkommen bzgl. Plastikmüllexport (278/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 19

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Spesenausgaben von Heinz-Christian Strache als Bundes­minister (279/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Stand des unendlichen Ver­fahrens zum Meinl-Anlagebetrug (280/J)

Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Mautbefreiung des Teilstückes der A25 zwi­schen Knoten Wels-West und Auf-/Abfahrt Wels-Ost (281/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Postenvergabe im BMVIT (282/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen (2/AB zu 14/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen (3/AB zu 165/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (4/AB zu 20/J)

des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (5/AB zu 99/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen (6/AB zu 203/J)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen (7/AB zu 16/J)


 


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10.11.22Beginn der Sitzung: 10.11 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

10.11.23*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf etwas verzögert – nach einer Stehpräsidiale, um noch einige Punkte zu klären – die 6. Sitzung des Nationalrates eröffnen.

Ich darf Sie alle noch einmal herzlich begrüßen, auch die Gäste auf der Galerie und die Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten!

Das Amtliche Protokoll der 5. Sitzung vom 26. November 2019 ist in der Parlamentsdi­rektion aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger und MMMag. Dr. Axel Kassegger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mittei­lung gemacht:

Herr Bundesminister für Landesverteidigung Mag. Thomas Starlinger wird durch die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Dr. Bri­gitte Zarfl vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, die sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Frau Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein wird ab dem frühen Nachmittag durch Herrn Vizekanzler Dr. Clemens Jabloner,

Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA durch Herrn Bundesminister für Finanzen Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA und

Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung Mag. Dr. Iris Rauska­la durch Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Elisa­beth Udolf-Strobl vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie immer von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III bis 19.15 Uhr übertragen wird; anschließend wird die Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

Es wird auch wieder ein Fotograf im Auftrag der Parlamentsdirektion unterwegs sein.

10.13.07Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema


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„Stopp der Gewalt an Frauen!“

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte. (Abgeordnete der SPÖ tragen Buttons mit der Aufschrift „Stopp der Gewalt“; Abgeordnete der Grü­nen tragen Buttons mit der Aufschrift „Stoppt Gewalt an Frauen“.)


10.13.21

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder Mensch hat das Recht auf ein selbstbestimmtes, ein unabhängiges und vor allem auch ein si­cheres Leben, auf ein Leben ohne Gewalt. – So weit, so gut; ich glaube, jeder in die­sem Raum kann diesem Satz zu 100 Prozent zustimmen. (Die Rednerin stellt eine Ta­fel mit der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 www.gewaltschutz­zentrum.at × Polizei: 133“ auf das Rednerpult.)

Das Einzige, was dem widerspricht, ist die Zahl 34. – Es haben 34 Menschen seit Jah­resbeginn 2019 ihr Leben verloren, die alle eines gemeinsam haben: Sie alle sind Frauen, nicht mehr und nicht weniger. 34 Frauen wurden in Österreich seit Jahresbe­ginn ermordet.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die allermeisten dieser 34 Morde im familiären Umfeld passiert sind, und das ist nicht meine Meinung, sondern die Statistik belegt das und spricht eine klare Sprache; sie bestätigt: Das größte Risiko für Frauen in Bezug auf Gewalt ist ihr eigener Partner. 92 Prozent – 92 Prozent! – der Frauenmorde geschehen im engsten familiären Kreis, im engsten sozialen Umfeld. Das sage nicht ich, das sagt nicht die Sozialdemokratie, weil wir andere Gründe ausschließen wollen, nein, das sagt das Innenministerium; das ist eine Statistik, die im Ministerium aufliegt.

Wenn wir immer wieder Berichte in der Zeitung lesen, im Fernsehen, im Radio hören und sehen, dann lassen sie uns nicht unberührt. Viel zu oft passieren diese furchtbaren Gewalttaten an Frauen; erst gestern wurde wieder über einen Frauenmord in Niederös­terreich in der Zeitung berichtet. Immer das Gleiche: Jedes Mal, wenn eine Frau ermor­det wird, herrscht zumindest für eine kurze Zeit helle Aufregung, Empörung, Betroffen­heit. Das Problem ist nur: Diese Betroffenheit hält nur sehr kurz an und bald ist es mit der Aufmerksamkeit für dieses aus meiner Sicht sehr, sehr wichtige Thema wieder vor­bei. Das können wir nicht hinnehmen, das werden wir nicht hinnehmen und das dürfen wir nicht hinnehmen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir müssen auch hinsichtlich unserer Sprache vorsichtig sein, dahin gehend wie wir darüber sprechen, welche Bezeichnung wir für einen Frauenmord verwenden. Wenn wir von Frauenmorden lesen, dann ist oft von Beziehungsdramen oder eskaliertem Trennungsstreit die Rede. Trifft das die Sache? – Nein. Benennen wir es, wie es ist: Es sind Morde, gezielte Morde an Frauen oder auch an Mädchen. Mord ist die drama­tischste Ausprägung von Gewalt überhaupt, da gibt es nichts darüber.

Gewalt an Frauen ist leider kein Einzelfall, es sind nicht wenige Fälle, von denen wir hier sprechen. Auch diesbezüglich spricht die Statistik für Österreich eine ganz klare, aus meiner Sicht viel zu klare und deutliche Sprache: Im Jahr 2018 wurden von der Polizei mehr als 8 000 Betretungsverbote verhängt – in einem Jahr 8 000! – und in Ge­waltschutzzentren, in den Interventionsstellen für Frauen mehr als 18 000 Opfer be­treut, geschützt und begleitet. Die Schlussfolgerung ist klar: Die allermeisten Opfer sind weiblich, die allermeisten Gefährder sind männlich.

Wir haben 16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen hinter uns, gestern war der letzte davon. Jedes Jahr vom 15. November bis zum 10. Dezember sollen genau diese Ak­tionstage gegen Gewalt an Frauen auf dieses Thema aufmerksam machen, das kein


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frauenpolitisches, sondern ein gesamtgesellschaftliches Thema und Problem ist. Diese Aktionstage lenken den Scheinwerfer genau dorthin, wo dieses Problem am häufigsten auftritt: in den Familien, in den eigenen vier Wänden, dort, wo es verborgen ist. Das ist die Tücke, das ist das Heimtückische an diesem Problem, denn dadurch bleibt es sehr lange unentdeckt, dadurch bleibt es vor uns als Gesellschaft oder Nachbarn einer sol­chen Familie sehr lange versteckt.

Warum bleibt es so lange unentdeckt? – Wegen der Angst: Die betroffenen Frauen haben Angst, Angst um ihr eigenes Leben und sehr oft auch Angst um das Wohl ihrer Kinder, die meist auch in diesen Familien leben. Sie haben Angst davor, Hilfe zu su­chen, meist haben sie auch Angst davor, überhaupt einen Arzt, eine Ärztin aufzusu­chen, weil diese ja dann auf diesem Wege auf die Gewalt in der Familie aufmerksam werden könnten. Es ist diese Angst, die Frauen auch daran hindert, so früh wie mög­lich den Weg aus der Gewalt zu suchen.

Diese Aktionstage gegen Gewalt an Frauen machen deutlich, dass Gewalt gegen Frauen kein privates Problem ist, nein, es ist auch kein Problem der Frauen allein, es ist eine gesamtgesellschaftliche Problematik, mit der wir es da zu tun haben. Diese Ta­ge machen darauf aufmerksam, dass Gewalt gegen Frauen unser aller Problem ist, uns alle etwas angeht – und deswegen, sehr geehrte Damen und Herren, dürfen wir al­le hier nicht wegschauen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber es sind genau wir alle hier und darüber hinaus natürlich die damit Befassten, die diese betroffenen Frauen, ihre Kinder und Familien spüren und wissen lassen müssen, dass sie nicht alleine sind und dass wir sie nicht alleine lassen, dass es Hilfe und einen Ausweg aus ihrer Situation gibt. Deshalb machen wir heute einmal mehr darauf auf­merksam, dass es eine Telefonnummer gibt, die bisher leider viel zu wenigen bekannt ist, nämlich die Nummer der Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555. Das ist nicht irgendeine Telefonnummer, sondern ein Anruf dort kann ein Türöffner aus einer Ge­waltsituation sein. Das kann für Frauen – egal welchen Alters und egal, in welcher Si­tuation die jeweilige Frau ist – der erste Schritt aus einer Situation sein, aus der sie sich selbst nicht befreien können. Damit kann einfach einmal die Tür einen Spalt ge­öffnet werden.

Ich selbst war als Frauenministerin in vielen Frauenzentren, und in einem davon hat mir eine 75-jährige Frau berichtet, dass sie es erst nach 50 Jahren gewaltvoller Ehe durch die Hilfe von Frauenschutzzentren und Interventionsstellen geschafft hat, aus dieser jahrzehntelangen Gewalt herauszukommen. – Es ist nie zu spät, und diese Te­lefonnummer kann der erste Schritt hinaus sein! Wir dürfen nicht wegschauen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir alle im Hohen Haus sind gefordert, Maßnahmen betreffend Gewalt gegen Frauen zu setzen, um entschieden gegen dieses gesellschaftliche Problem aufzutreten. Dabei müssen wir uns die Frage stellen, wo Gewalt gegen Frauen denn eigentlich beginnt. Beginnt sie nicht auch dort, wo Frauen zu wenig verdienen und damit eine ökonomi­sche Ungleichheit beziehungsweise ökonomische Abhängigkeit entsteht? – Ja, auch dort beginnt Gewalt gegen Frauen. Beginnt Gewalt nicht auch dort, wo die Selbstbe­stimmung der Frau über ihren eigenen Körper infrage gestellt wird? – Doch, auch dort beginnt Gewalt gegen Frauen. Beginnt diese Gewalt nicht auch dort, wo sich viel zu oft die Zuschreibung sexistischer Rollenbilder in unserer Gesellschaft findet? – Auch dort beginnt Gewalt gegen Frauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dabei geht es nicht nur um körperliche Gewalt. Wir sprechen hier auch von psychi­scher Gewalt, wir sprechen auch von Hass im Netz; davon sind viel zu viele Frauen – meist sind es Frauen – betroffen. Wir müssen Frauen stärken, wir müssen sie schüt­zen, wir müssen ihre Unabhängigkeit stärken, um sie vor Gewalt zu schützen. Jede Frau und jedes Mädchen hat ein gewaltfreies Leben verdient, und wir sind dafür ver-


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antwortlich, das sicherzustellen, und zwar durch gerechte Einkommen für Frauen, durch ganztägige Kinderbetreuung in ganz Österreich, die es Frauen ermöglicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und ihre eigene ökonomische Situation abzusi­chern, und durch wichtige Präventionsmaßnahmen im frauenpolitischen Bereich.

Es geht darum, den Opferschutz mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszubauen, Frauen- und Gewaltschutzeinrichtungen endlich mit jenen finanziellen Mitteln auszu­statten, die sie brauchen, um die betroffenen Frauen zu schützen, zu begleiten und zu unterstützen. Das ist unsere Aufgabe. Auch im Bereich der Justiz brauchen wir Rich­terInnen und StaatsanwältInnen, die besser mit diesem Thema umgehen können.

In diesem Sinne, sehr geehrte Damen und Herren, halte ich fest: Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dieses geht uns alle an und betrifft uns alle. Wir alle sind gefordert, wir dürfen keine Frau alleine lassen! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße Frau Bundesministerin Stilling und darf ihr das Wort erteilen. – Bitte.


10.24.02

Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Ines Stilling, betraut mit der Lei­tung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angele­genheiten für Frauen, Familien und Jugend: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Ga­lerie! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Es ist ein gutes Zeichen, dass das wichtige Thema Gewaltschutz heute wieder auf der Tagesord­nung im Nationalrat steht und dass sich das Parlament bereits in den letzten Monaten intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.

Das eigene Zuhause und Beziehungen sind die gefährlichsten Orte für Frauen in Ös­terreich. Wir wissen, dass jede fünfte Frau in Österreich Gewalt erlitten hat. Das heißt, Gewalt betrifft eine von fünf Frauen in Ihrer Nachbarschaft, eine von fünf Frauen, die ihre Kinder jeden Tag in den Kindergarten oder in die Schule bringen, eine von fünf Frauen, mit denen Sie zusammen arbeiten, und eine von fünf Frauen, die jetzt gerade vor dem Fernsehgerät sitzen, und das in einem Zuhause, das eben leider nicht sicher ist.

Genau an diese Frauen und Mädchen möchte ich mich heute richten und ihnen Fol­gendes sagen: Sie sind nicht alleine mit dieser Erfahrung, Sie sind vor allem nicht schuld an dieser Erfahrung, und Sie brauchen sich dafür auch nicht zu schämen! (All­gemeiner Beifall.)

Sie können Hilfe in Anspruch nehmen, und bitte tun Sie das auch! Die österreichische Frauenhelpline steht Ihnen rund um die Uhr, jeden Tag im Jahr, kostenlos und anonym zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir auch ein enges und großes Netz an Gewalt­schutzeinrichtungen, das für Sie da ist. Dieses Netz an Gewaltschutzeinrichtungen konnten wir im Herbst auch noch etwas enger knüpfen, wir können nun auch flä­chendeckend in ganz Österreich Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen, die Opfer von sexueller Gewalt sind, anbieten. Die MitarbeiterInnen in diesen Gewalt­schutzeinrichtungen und an der Helpline leisten hervorragende Arbeit, auch an den bevorstehenden Feiertagen und in den Ferien. Über 15 000 Frauen konnten in diesen Gewaltschutzzentren auch heuer wieder dabei unterstützt werden, ein gewaltfreies Leben zu beginnen. Zögern Sie bitte nicht, sich auch an diese Stellen zu wenden!

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch allen MitarbeiterInnen in den Gewaltschutzzen­tren und Beratungsstellen ein ganz großes und aufrichtiges Dankeschön sagen! (Allge­meiner Beifall.)


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Ihre Arbeit als MitarbeiterInnen in diesen Beratungseinrichtungen ermöglicht es vielen Frauen, aus einer Gewaltbeziehung auszubrechen. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass die Ressourcen in diesen Einrichtungen sehr knapp sind. Seit zehn Jahren wurde das Frauenbudget nicht erhöht. Dass dies nicht ausreicht und dass es mehr Geld für Gewaltschutz braucht, zeigt auch, dass hier im Nationalrat im Herbst ein gemeinsamer Entschließungsantrag für mehr Budget in diesem Bereich eingebracht und einstimmig beschlossen wurde, wofür ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ganz herzlich danke!

Lassen Sie mich betreffend diesen budgetären Mehrbedarf noch Folgendes festhalten: Die Aufstockung des Frauenbudgets um 4 Millionen Euro ist unbedingt und zwingend erforderlich, um die Gewaltschutzeinrichtungen und die Beratungsangebote aufrecht­zuerhalten.

Darüber hinaus braucht es aber neben diesen 4 Millionen Euro auch insgesamt mehr Mittel in anderen Kompetenzbereichen, wie etwa im Sozial- und im Bildungsbereich sowie im Bereich der Justiz und der Polizei, um beispielsweise die Opferschutzgruppen in den Spitälern zu stärken, um umfassende Prozessbegleitung für Frauen und Kinder zur Verfügung stellen zu können, um opferschutzorientierte Täterarbeit ausbauen zu können und um bundesweit flächendeckende Informationsarbeit leisten zu können. Obwohl wir nämlich flächendeckende Unterstützungsangebote für Gewaltbetroffene in Österreich haben, ist es leider auch ein trauriges Faktum, dass viele gewaltbetroffenen Frauen oft nicht wissen, wohin sie sich wenden können und dass es entsprechende Hilfe für sie gibt.

Wir sollten daher alle gemeinsam Anstrengungen unternehmen, um betroffene Frauen auf die zur Verfügung stehenden Angebote hinzuweisen. Dafür braucht es aus meiner Sicht eine breit angelegte bundesweite Informationsoffensive, für die es derzeit kein Budget gibt. Daher appelliere ich an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordne­te, und auch an die nächste Bundesregierung, für diese unabdingbare Informationsar­beit und für einen effizienten Gewaltschutz in allen Bereichen die nötigen finanziellen Mittel sicherzustellen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Bitte denken Sie bei den kommenden Budgetberatungen und bei den Verhandlungen im Nationalrat, bei welchen verständlicherweise viele Begehrlichkeiten und Notwendig­keiten aus den jeweiligen Fach- und Politikbereichen vorgebracht werden, an Vorfälle wie jene in Kitzbühel, in Kottingbrunn oder zuletzt in Mistelbach! Der bereits erwähnte gemeinsame Beschluss aller Fraktionen hier im Nationalrat stimmt mich zuversichtlich, dass es in Zukunft mehr finanzielle Ressourcen für den Bereich der Gewaltprävention und des Opferschutzes geben wird.

Finanzielle Mittel sind das eine. Das andere ist aber, dass wir alle gemeinsam, jede und jeder von uns, einen Beitrag leisten können, um Stopp der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu sagen. Gewalt geht uns alle etwas an. Schauen wir nicht weg! Schauen wir nicht weg, wenn in unserer Umgebung eine Frau Gewalt erfährt. Schauen wir nicht weg, sondern fragen wir nach, rufen wir die Polizei, holen wir uns Unterstüt­zung bei Beratungseinrichtungen!

Alle Frauen und Mädchen, die uns jetzt zuhören und die Gewalt ausgesetzt sind, möchte ich noch einmal ermutigen: Holen Sie sich Unterstützung, damit Sie bei einem Weg aus der Gewalt heraus unterstützt werden, damit auch Ihr Zuhause für Sie und Ihre Kinder wieder sicher wird! Sie sind nicht alleine, und ich verspreche Ihnen: Wir lassen Sie nicht alleine! (Allgemeiner Beifall.)

10.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke.


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Ich darf darauf hinweisen, dass alle folgenden Redner nur mehr eine Redezeit von 5 Minuten haben.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Juliane Bogner-Strauß. – Bitte.


10.30.22

Abgeordnete Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Gestern endete die Kampagne Orange the World gegen Gewalt an Frau­en. 16 Tage lang wurde weltweit darauf aufmerksam gemacht, dass noch viel zu viele Frauen und Mädchen von Gewalt betroffen sind und dass wir gemeinsam etwas dage­gen tun müssen. Vor allem müssen wir, und das haben auch meine Vorrednerinnen schon erwähnt, dieses Thema endlich aus der Tabuzone holen.

Österreich hat sich heuer zum dritten Mal beteiligt, und ich möchte mich ganz herzlich bei allen OrganisatorInnen bedanken. UN Women Austria, Soroptimist International Austria, das Ban Ki-moon Centre for Global Citizens und He for She Graz haben da großartige Arbeit geleistet. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kucher.)

In der Kampagne ging es heuer darum, in Österreich Opferschutzgruppen sichtbar zu machen. In ganz Österreich wurden 130 Gebäude beleuchtet, davon 60 Krankenhäu­ser. Der Opferschutz ist zentral, und die Institutionalisierung der Opferschutzgruppen war ein wichtiger Schritt in Österreich.

Für viele von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen sind Gesundheitseinrichtungen die erste Anlaufstelle. Ich möchte hier den Opferschutzreport erwähnen, der zeigt, dass in Wien 27 Prozent aller von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen zuerst in eine Gesundheitseinrichtung gehen. Dort erfahren sie Unterstützung von Fachpersonal, das sensibilisiert ist, das geschult ist, von Fachpersonal, das weiß, wohin es schauen muss, und die Opfer erhalten eine großartige medizinische und therapeutische Be­handlung. Es geht aber vor allem auch darum, eine Spurensicherung sicherzustellen, damit die Opfer dann vor Gericht und bei einer Anklage eine Verurteilung erreichen können. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Opferschutzgruppen für ihre wertvolle Arbeit bedanken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Wir haben es bereits gehört, die Zahlen sprechen Bände: In Österreich ist jede fünfte Frau beziehungsweise jedes fünfte Mädchen von Gewalt betroffen. Wenn man die europäischen Zahlen anschaut, so muss man feststellen, dass sogar jede dritte Frau betroffen ist. Das heißt, wir müssen einfach mehr tun, um diese Frauen und Mädchen aus der Gewaltspirale herauszuholen.

2018 gab es 41 Frauenmorde, 2019 zählen wir bis vorgestern 34. Was mich wirklich sehr betroffen macht, ist, dass ein Frauenmord in den Medien oft nur mehr eine kleine Randnotiz ist und oft auch nicht als Frauenmord, sondern als Familiendrama darge­stellt wird. Es ist daher Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Frauen, wenn sie von einer Gewaltspirale betroffen sind, aus dieser Gewaltspirale he­rausfinden. Noch besser wäre es, wenn Frauen und Mädchen überhaupt nicht mehr von Gewalt betroffen wären.

Wir haben in der letzten Regierungsperiode viel getan: Wir haben ein Gewaltschutzpa­ket geschnürt, wir haben den Ausbau der Beratungsstellen betreffend sexuelle Gewalt auf Schiene gebracht und wir haben eine Screeninggruppe eingerichtet, die beleuchtet hat, wo die Morde stattfinden und warum sie stattfinden. Daraus können wir Schlüsse ziehen und in weiterer Folge Rahmenbedingungen schaffen und gute und zukunfts­trächtige, ganz, ganz wichtige – sage ich jetzt einmal; für alle wichtige, für die Gesell­schaft wichtige, für die Frauen und Mädchen, die davon betroffen sind, wichtige – Ini­tiativen setzen, damit weniger Frauen und Mädchen von Gewalt betroffen sind.


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Wir haben es schon gehört, und ich bitte Sie alle darum: Lassen Sie uns hinschauen und nicht wegschauen!

Vorgestern gab es wieder eine Randnotiz in der Zeitung, dass eine Frau nach fünf Jahren endlich der Gewalt ihres Mannes entkommen ist. – Wie kann es sein, dass fünf Jahre lang niemand bemerkt, dass diese Frau von Gewalt betroffen ist? Keine Nach­barin und kein Nachbar hat hingesehen? – Ich finde, das darf es nicht geben, da braucht es einfach mehr Zivilcourage. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte Sie daher bitten: Machen wir es gemeinsam – wir gemeinsam hier im Par­lament, über die Parteigrenzen hinweg –, machen wir Österreich zu einem besseren und sicheren Platz für Frauen und Mädchen, damit sie nicht von Gewalt betroffen sind! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hei­nisch-Hosek. – Bitte.


10.36.21

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Frauenministe­rin! Ich möchte mich zu Beginn bei allen Fraktionen sehr, sehr herzlich dafür bedanken, dass wir dieses Schild (auf die auf dem Rednerpult stehende Tafel mit der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 www.gewaltschutzzentrum.at × Polizei: 133“ zeigend), diese Telefonnummer, die Leben retten kann, während der gesamten Aktuel­len Stunde hier auf dem Rednerpult stehen lassen, dass wir dieses Zeichen setzen, damit wir gemeinsam auch dokumentieren, dass diese Helpline, die seit über 20 Jah­ren besteht und über die in unterschiedlichsten Sprachen Frauen in Not beraten wer­den, 365 Tage im Jahr rund um die Uhr – das wurde schon gesagt – erreichbar ist.

Wir haben ein weiteres Zeichen gesetzt – die Frauenministerin hat es erwähnt –: Alle Fraktionen haben mehr Geld für Gewaltschutz gefordert und beschlossen.

Jetzt muss ich aber leider ein bisschen kritisch werden: Wir könnten diese Themen schon längst in den zuständigen Ausschüssen besprechen, aber diese Ausschüsse gibt es leider nicht. Es war bisher nicht möglich, dass ein Gleichbehandlungsaus­schuss, ein Justizausschuss – also Ausschüsse, die sich mit Materien, die Frauen und das Leben von Frauen, die Gewaltschutz betreffen – ihre Arbeit aufnehmen, weil sie noch nicht konstituiert wurden. Es sind – und jetzt muss ich das Wort in den Mund neh­men – die Verzögerungen, die diese raschen Entscheidungen verhindern. Verzögerun­gen können diese Entscheidungen verhindern und behindern und dadurch können auch die Lebensumstände von Frauen nicht verbessert werden – nur das habe ich an die Grünen gerichtet gemeint und sonst keine Form der Kritik hier anbringen wollen. (Beifall des Abg. Leichtfried.)

Ich möchte, dass wir in den Ausschüssen diskutieren. Ich möchte, dass wir im Gleich­behandlungsausschuss nicht nur Gewaltschutzthemen diskutieren, ich möchte endlich das Frauenvolksbegehren diskutieren – das war auch noch nicht möglich. Ich möchte gerne über Themen diskutieren, die das Arbeitsleben von Frauen betreffen, die den Kinderschutz betreffen, die die Unterhaltssicherung betreffen. All das war noch nicht möglich, weil verhindert wurde – durch die Verhandlungen, behaupte ich jetzt, durch die ÖVP in erster Linie, habe ich gehört –, dass wir hier Ausschüsse konstituieren, weil noch nicht sicher ist, wer welches Ressort erhalten soll. Das ist doch das Unwichtigste, wenn es um Frauen und ein besseres Leben für Frauen in Österreich geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäu­ser nennt immer drei Bereiche, die wichtig sind, um das Leben von Frauen zu schüt-


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zen, um Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt zu setzen: die Polizei, die Justiz und all die vielen wunderbaren Frauen in den Frauenberatungseinrichtungen, in den Inter­ventionsstellen gegen Gewalt, in den Gewaltschutzzentren, die ÄrztInnen, aber auch die Wissenschaft, die mithilft, dass Frauen hier ein gutes Leben leben können.

In den Frauenberatungseinrichtungen – es sind weit über 100 in Österreich –, in den Gewaltschutzzentren weiß man am allerbesten, was Frauen brauchen. Wenn aber den Einrichtungen Geld entzogen wird, wenn weniger zur Verfügung steht, wenn Frauen unter Umständen drei Wochen, sechs Wochen, acht Wochen oder drei Monate länger auf einen Termin warten müssen, dann kann auch das über das Leben von Frauen entscheiden. Nur das habe ich gemeint: dass wir hier in diesem Hohen Haus endlich aufhören sollten, diese Verzögerungen zu akzeptieren, damit Ausschüsse arbeiten können, damit wir hier Entscheidungen treffen können, Entscheidungen für die Frauen in diesem Land.

Ich glaube, dass es ganz wichtig ist – und das wurde von Pamela Rendi-Wagner ge­sagt –, dass wir Frauen Existenzängste nehmen: Angst vor Wohnungslosigkeit, Angst, dass der Unterhalt nicht mehr fließt und die Kinder am Ende des Monats kein Essen mehr bekommen, nämlich kein warmes Essen – ich meine da wirklich ein Mittagessen zu Hause, das sich manche alleinerziehenden Frauen nicht mehr leisten können.

Ich möchte den Antrag, den wir wiederholt eingebracht haben, nur ganz kurz erwäh­nen: Es braucht mehr Geld, es braucht mehr Prävention, es braucht eine gute Ausstat­tung für die Opferschutzgruppen in den Krankenhäusern und für die Prozessbeglei­tung. Es braucht auch eine Verpflichtung für die Richter und Richterinnen, sich weiter­zubilden.

Herr Klubobmann Kickl, Sie werden nach mir sprechen: Das, was Sie leider sofort, als eine der ersten Maßnahmen, abgeschafft haben, waren die Fallkonferenzen. (Abg. Kickl: ... wieder eingeführt!) Das Screening ist gut: Wir wissen jetzt, dass es fast immer zu Hause passiert. 92 Prozent aller Verbrechen an Frauen, Morde an Frauen passie­ren in den eigenen vier Wänden. Diese Marac-Konferenzen – so nennen wir sie – ha­ben nicht mehr stattgefunden, und Sie haben dann ein Screening in Auftrag gegeben, das uns das bestätigt, was wir schon gewusst haben. (Abg. Kickl: Ah so!)

Letzter Satz, Herr Präsident: Ich möchte mich ganz, ganz herzlich bei der Frauenminis­terin bedanken, weil sie es durch Umschichtungen geschafft hat, dass wir in allen Bundesländern Fachberatungsstellen für von sexueller Gewalt Betroffene einrichten konnten, dass sie den Dialog mit den NGOs, der davor zwei Jahre lang eigentlich nicht stattgefunden hat, wieder aufgenommen hat und dass die Finanzierung der Meldestelle für Hass im Netz, die unter Pamela Rendi-Wagner eingeführt wurde und die auch so wichtig ist, für das nächste Jahr finanziell sichergestellt ist. – Herzlichen Dank im Sinne der Frauen! (Beifall bei der SPÖ.)

10.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Kickl. – Bitte.


10.42.24

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesminister! Ich möchte mit der Gemeinsamkeit beginnen: Ich glau­be, wir sind uns alle hier in diesem Hohen Haus einig, dass wir Gewalt generell und natürlich auch Gewalt gegen Frauen verurteilen, dass sie für uns alle verabscheuungs­würdig ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage aber auch gleich dazu, dass jemand, der in dieser Art und Weise straffällig wird, damit zu rechnen hat – und das ist unsere Sicht der Dinge –, dass ihn die volle


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Härte des Gesetzes trifft, und ich denke, dass wir, wenn ich zu dieser Erkenntnis kom­me, nicht mehr auf ungeteilte Gemeinsamkeit stoßen. Ich blicke hier vor allem auf den linken Flügel, denn die SPÖ, die heute hier so tut, als wäre ihr der Schutz und die Si­cherheit der Frauen ein so wichtiges Anliegen, vergisst dabei, dass sie einem funda­mentalen Fehler unterliegt. – Der fundamentale Fehler in Ihrer Ansicht besteht nämlich darin, dass Sie sonst immer Vertreter eines Modells der Kuscheljustiz sind, was aus unserer Sicht der falsche Zugang ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das Erbe eines gewissen Christian Broda, dessen Ungeist hier noch über dem linken Sektor schwebt, und seines Traums (Abg. Heinisch-Hosek: Der größte Refor­mer war das! Schämen Sie sich! – Zwischenruf der Abg. Yildirim) einer gefängnislo­sen Gesellschaft – eigentlich eine Utopie, von der ich meine, dass sie an der Wirklich­keit beinhart zerschellt ist, auch wenn Sie das noch nicht zur Kenntnis genommen ha­ben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben vorhin die Statistik bemüht, die Zahlen für die Jahre 2018 und 2019 sind genannt worden. Man muss halt ein wenig genauer hinschauen, und ich nenne nur die letzten beiden Fälle, also die Mordfälle 34 und 33 in diesem Jahr. Einmal war es ein Staatenloser, der in Mistelbach zugeschla­gen hat – ein Messermord, eine Frau wurde erstochen. Beim Fall Nummer 33, Tatort Wien Favoriten vor zwei Wochen, war es ein 62-jähriger Afghane, der zugestochen hat, und das Opfer ist eine 50-jährige Frau und fünffache Mutter. Das ist etwas, was Sie uns jetzt in der Darstellung dieser Fälle verschwiegen haben. Ich glaube aber, dass das auch von einer entsprechenden Relevanz ist und eine entsprechende öffentliche Wahrnehmung verdient.

Ich rede in diesem Zusammenhang jetzt nur von Mordfällen, also quasi von der Spitze der Kapitalverbrechen, aber man kann das durchdeklinieren: Sie können sich genauso gut die Sexualdelikte von der Vergewaltigung abwärts anschauen. Sie können sich die Körperverletzungen anschauen. Sie können die seelische Gewalt und andere Mecha­nismen der Unterdrückung und Entwürdigung unter die Lupe nehmen – da ist es dann schon lohnenswert, die Kriminalstatistik genauer anzuschauen.

Ich nehme nur eine Gruppe heraus, und zwar die Afghanen. Ich weiß nicht, ob es nicht erwähnenswert ist, dass von den afghanischen Tatverdächtigen 84 Prozent Asylwerber sind. 84 Prozent der afghanischen Tatverdächtigen sind Asylwerber. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Jetzt frage ich mich: Was hat das zu bedeuten, wenn Leute, die zu uns kommen (Zwischenruf des Abg. Kogler) und unseren Schutz suchen, dann in die­ser Art und Weise straffällig werden? – Da läuft etwas in die falsche Richtung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie es in Relation setzen und die Zahl der afghanischen Asylwerber insgesamt hernehmen, dann kommen Sie auf die Relation, dass von 1 000 afghanischen Asylwer­bern 300 Tatverdächtige sind. Jetzt sage ich nicht, dass die Österreicher keine Verbre­chen begehen – um Gottes willen, das wäre blanker Unfug, und das ist schlimm ge­nug –, aber wir haben da eine Relation von 1 000 zu 23. 1 000 zu 300 und 1 000 zu 23, das sind ganz, ganz andere Dimensionen.

Auch ein Ergebnis der Screeninggruppe, von der Sie gesprochen haben, das Sie aber verschweigen, ist, dass 50 Prozent der Täter bei den Fällen, die dort untersucht wor­den sind, keine österreichischen Staatsbürger sind. (Abg. Schellhorn: Na, reden wir über die anderen 50 auch!) Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, deswegen sage ich es Ihnen ja. Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, deswegen haben Sie mich damals auch an den Pranger gestellt, als ich dafür gesorgt habe, dass in der öffentlichen Be­richterstattung auch diese Fakten genannt werden, weil die Österreicherinnen und Ös­terreicher ein Recht darauf haben, das zu erfahren und dass hier nicht ein Schweige­kartell betreffend diese Dinge gebildet wird. (Beifall bei der FPÖ.)


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Es ist zu einem großen Teil importierte Gewalt (Abg. Kogler: Das ist schon der größte Teil ...!), da muss man die Dinge beim Namen nennen. Was ist jetzt zu tun? Was ist zu tun? – Das Gewaltschutzpaket mit vielen wichtigen Maßnahmen ist schon angespro­chen worden: Anzeigepflichten sind ausgeweitet worden, es gibt das Annäherungsver­bot, die Fallkonferenzen sind eingeführt worden, und die Institutionen, die wir abge­zogen haben, haben wir deshalb abgezogen, weil sie ineffizient waren, und wir haben sie durch effizientere ersetzt – das sage ich auch einmal dazu.

Das ist eine Komponente. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Leute, die bei uns bereits den Asylstatus haben, dann, wenn sie straffällig werden, diesen Asylstatus selbstverständlich wieder verlieren – und nicht erst dann, wenn sie ein Kapitalverbre­chen begangen haben, wie die derzeitige Rechtslage es vorsieht. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja ein Witz, dass man geradezu darauf warten muss, dass aus jemandem, der zunächst einmal zuschlägt und handgreiflich wird, dann am Ende ein Mörder wird, da­mit man überhaupt einmal darüber nachdenken kann, ob man ihm den Asylstatus ab­erkennen kann. Das ist auch eine Diskussion, die wir hier einmal führen sollten, ob in diesem Fall die Menschenrechte nicht die Falschen schützen, nämlich die Täter und nicht die Opfer. Unsere freiheitliche Position ist immer die, dass die Opfer zu schützen sind und nicht die Täter. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Es braucht also die Komponente der Prävention, es braucht aber auch harte Strafen. (Abg. Schellhorn: Reden wir mal über den FPÖ-Gemeinderat in Kitzbühel!) Es braucht auch harte Strafen. Das ist auch ein Akt der Gerechtigkeit gegenüber den Opfern, und es versteht kein Mensch, wenn Belästiger, wenn Schläger, wenn Vergewaltiger von der Justiz mit Glacéhandschuhen angegriffen werden. Dafür fehlt der Bevölkerung jedes Verständnis. Da ist einmal ordentlich in den Schmalztopf hineinzugreifen, damit diese Leute auch das bekommen, was ihnen zusteht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss: Ja, mit linken Träumereien à la Broda, mit Resozialisierungsfantasien, deren Erfolg wir am Beispiel Jack Unterwegers eindrucksvoll bestätigt bekommen ha­ben, wird man nicht weit kommen und auch die Sicherheit der österreichischen Frauen nicht erhöhen können. Von Rot und Grün habe ich mir nichts anderes erwartet; dass die ÖVP jetzt auch in diese Richtung umzufallen beginnt, ist für mich ein wenig ent­täuschend und gehört auch in die Kategorie Wählerverrat. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


10.49.20

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, ich bin schon irritiert über die Bemerkungen zu Beginn Ihrer Rede. Die Vorgangsweise bei der Konstituierung der Ausschüsse ist zwi­schen allen Fraktionen akkordiert (Abg. Heinisch-Hosek: Für fünf Ausschüsse, nicht alle!), und da jetzt zu versuchen, einen Konnex zwischen Koalitionsverhandlungen und Frauenmorden herzustellen, ist völlig indiskutabel und inakzeptabel. Das weisen wir zurück und da bin ich auch persönlich enttäuscht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn wir über Gewalt an Frauen sprechen, dann reden wir über Beschimpfungen, über Bedrohungen, über sexuelle Belästigung, über sexualisierte und psychische Ge­walt, sowohl in der realen als auch in der digitalen Welt. Die Zahl wurde vorhin schon genannt: Im Laufe ihres Lebens erfährt jede fünfte Frau körperliche oder sexuelle Ge-


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walt. Vergangenen Sonntag wurde eine Frau in Niederösterreich von ihrem Partner er­stochen – das war der 34. Frauenmord im laufenden Jahr in Österreich!

In Österreich werden europaweit die meisten Frauen von Männern umgebracht. Gewalt gegen Frauen kennt viele Facetten, aber weder Einkommensunterschiede noch soziale Zugehörigkeit, geographische Grenzen, Herkunft oder Religion.

Nein, Kollege Kickl, patriarchale Haltungen und patriarchale Denkmuster, Gewalt als Konfliktlösungsmethode werden nicht importiert. (Beifall bei den Grünen. Abg. Bela­kowitsch: Doch!)

Gewalt an Frauen wird nicht importiert, Männer verletzen und Männer töten Frauen überall. In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner umgebracht.

„Die Zeit“ hat jeden dieser Morde aufgeschrieben. Ich zitiere aus der Dokumentation: „Er bringt sie [...] ‚durch stumpfe Gewalt gegen den Hals‘ um [...]. Er versteckt die tote Frau zunächst in einer Mülltonne, steckt die Leiche am nächsten Tag in Brand. Er habe seine Freundin immer wieder geschlagen und bedroht, auch gewürgt, sagen deren Fa­milienmitglieder aus.“

Ja, diese Schilderung macht sprachlos und betroffen, aber ich sage Ihnen Folgendes: Mit Sprachlosigkeit und mit Betroffenheitsrhetorik kommen wir nicht weiter, sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen. Für Sprachlosigkeit, für Betroffenheitsrhetorik sind wir nicht gewählt worden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen im Bereich der Gewaltprävention und des Gewaltschutzes besser werden, das sagen uns die Expertinnen und Experten aus der Justiz und auch aus der Verbre­chensopferhilfe. Sie alle haben das im Herbst von der letzten Regierung beschlossene Gewaltschutzpaket, das mit 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, massiv kritisiert, und ich teile diese Kritik. Auch Zahlen wie zum Beispiel die folgende unterstützen diese Kritik: In 44 Prozent der Frauenmorde war gegen den Täter bereits ein Betretungsverbot ver­hängt worden. Im Bereich der Gefährdungserkennung und auch der präventiven Täter­arbeit ist somit offensichtlich akuter Handlungsbedarf gegeben.

Ich mag das noch einmal akzentuieren: Prävention vor Bestrafung, damit Gewalt erst gar nicht passiert. Strafverschärfungen bei Gewalt- und Sexualdelikten werden nämlich nicht zu einer Reduktion selbiger führen. Was wir stattdessen dringend brauchen, ist eine deutliche Aufstockung – das wurde heute schon erwähnt – der Budgetmittel für den Gewaltschutz und auch für die Gewaltprävention. Dabei dürfen wir auch beson­ders vulnerable Frauengruppen wie Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte nicht vergessen, denn im Unterschied zu Frauen, die in Österreich ein dichtes soziales Netz haben und die Sprache ausreichend beherrschen, wissen Migrantinnen und geflüchte­te Frauen oft gar nicht, wo und wie sie Hilfe bekommen können.

Wir müssen auch mit Nachdruck dort ansetzen, wo wir strukturelle Rahmenbedingun­gen für gleiche Bezahlung und für ökonomische Unabhängigkeit schaffen, denn einer der Gründe, warum Frauen in gewalttätigen Beziehungen bleiben oder in solche zu­rückkehren, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Partner. Deshalb unterstütze ich die Teilnahme Österreichs an der Zeitverwendungsstudie des EU-Statistikamts Euro­stat mit Nachdruck, denn sie macht den ökonomischen Wert unbezahlter Arbeit sicht­bar und ist damit auch eine Voraussetzung für eine faktenbasierte Gleichstellungspoli­tik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da gibt es jetzt Kopfschütteln bei der FPÖ, die ja bekanntlich die Teilnahme an dieser Studie ablehnt. Mit Gleichstellungspolitik haben Sie es ja nicht ganz so, das sieht man auch an Ihrem Parlamentsklub. Fünf von 30 Abgeordneten sind Frauen, und das ist Ih­nen anscheinend egal. Mir, sehr geehrte Damen und Herren, uns Grünen sind Gleich-


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stellung und Gewaltschutz aber nicht egal, das sind zentrale Anliegen für uns. Das war so, das ist so und das wird auch immer so sein  und das weiß auch jede und jeder, die oder der heute hier in diesem Plenarsaal sitzt.

Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem, das auf patriarchale Machtverhält­nisse und stereotype Geschlechterrollen zurückzuführen ist, und wenn wir die Ursa­chen für Gewalt gegen Frauen ernsthaft bekämpfen wollen – und das ist hoffentlich un­ser gemeinsames Ziel hier –, dann müssen unsere Maßnahmen darauf abzielen, frau­enfeindliche Strukturen aufzubrechen und diese zu verändern, denn jede Frau, jedes Mädchen hat das Recht darauf, ihr Leben eigenständig zu leben, ohne dabei Angst zu haben. Machen wir uns gemeinsam für dieses Recht stark! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte.


10.54.22

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher oben auf der Galerie, daheim vor den Bildschirmen und Tablets! Diese Woche hat ganz normal begonnen. Eine Frau wurde von ihrem Partner mit einem Küchenmesser erstochen. Sie ist  und man kann es nicht oft genug sagen  das 34. Todesopfer allein in diesem Jahr! Das bedeutet, dass durchschnittlich alle zehn Tage eine Frau durch die Hand jenes Mannes stirbt, der vorgibt, sie zu lieben. Diese Frauen werden erschossen, erstochen, erstickt, angezündet und totgeprügelt, und das am für Frauen gefährlichsten Ort der Welt: in ihrem eigenen Zuhause.

Meine erste Rede als neue Frauensprecherin von NEOS halte ich also zu einem Thema, über das wir leider immer noch sprechen müssen, nämlich Femizide, also Mor­de an Frauen. Wir müssen diese Morde in ihrer Brutalität begreifen, weil nur so klar wird, wie groß das Problem von Gewalt an Mädchen und Frauen in Österreich eigent­lich ist. In keinem europäischen Land ist der Anteil weiblicher Opfer bei Tötungsdelik­ten so groß wie in Österreich.

Frauenmorde werden auch oft nicht als das bezeichnet, was sie eigentlich sind. Sie werden Familientragödien oder blutige Einzeldramen genannt, so als ginge es dabei einfach nur um blutige Einzelschicksale oder individuelle Akte, die, so tragisch sie auch sein mögen, leider nicht zu verhindern sind.

Hinter diesen Geschichten steckt aber ein Schema. Männer glauben noch viel zu häu­fig – und das quer durch alle Kreise der Gesellschaft –, dass sie über Frauen verfügen können, und das hat langfristige Folgen. Gewalt zerstört das Leben ganzer Familien und Gemeinschaften, und sie trifft auch nachfolgende Generationen. Derzeit müssen Opferschutzeinrichtungen wie die Feuerwehr von einem Brand zum anderen rasen, löschen und wieder weiterfahren. Um aber nachhaltig zu helfen, müssen die Einrich­tungen die Opfer langfristig und breitflächig betreuen können, zum Beispiel auch die Kinder von Gewaltopfern, damit sich die Traumata nicht über Generationen weiterzie­hen.

Wie also kann die Arbeit von Gewaltschutzeinrichtungen verbessert und erleichtert werden? – Da ist ganz klar: Die Finanzierung von Opferschutzeinrichtungen und prä­ventiven Angeboten muss auf neue Beine gestellt werden. Derzeit ist die Situation so, dass sich die Einrichtungen einfach im Förderdschungel verlieren und praktisch auch nicht planen können, wie es eigentlich weitergeht.

Wir NEOS haben deshalb eine Anfrageserie an sechs unterschiedliche Ressorts einge­bracht und abgefragt, wie hoch die jeweiligen Förderungen im Bereich des Gewalt-


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schutzes sind. Eines der Ergebnisse: Insgesamt wurden im Jahr 2018 von fünf unter­schiedlichen Ressorts über 12 Millionen Euro an Förderungen für Projekte, Vereine und Organisationen ausgegeben.

Das Problem der Einrichtungen ist aber, dass sie ihre Anträge meist an mehrere Minis­terien stellen müssen, und dazu kommen auch noch diverse Förderstellen auf Landes-, Bezirks- und Gemeindeebene. Die Förderungen selbst sind oft zeitlich begrenzt, und das führt wiederum zu einer überbordenden Bürokratie auf der einen und einer man­gelnden Planbarkeit für Opferschutzeinrichtungen auf der anderen Seite. Um effektiven Gewaltschutz und bestmögliche Betreuung für Opfer von Gewalt sicherzustellen, muss die Finanzierung daher übersichtlicher, transparenter und planbarer werden, denn nur so kann gewährleistet werden, dass Gewaltschutzeinrichtungen vorausplanen und ef­fektiv arbeiten können.

Das sicherzustellen und damit Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu reduzieren ist Aufgabe der Politik. Die Abwicklungen von Förderungen seitens des Bundes sollten deshalb von einer Stelle ausgehen, die dann auch für Kohärenz in den Förderungen sorgt. Dafür kämpfen wir NEOS, und wir bringen heute auch einen entsprechenden Entschließungsantrag dazu ein.

Ich möchte bei diesem wichtigen Anliegen an alle Kolleginnen und Kollegen appel­lieren, allen voran an die ÖVP und an die Grünen, dass sie diesen wirklich wichtigen Punkt essenziell in ihre Verhandlungen aufnehmen, damit wir eine wirksamere Präven­tionsarbeit, nachhaltigere Täterarbeit und einen besseren Opferschutz ermöglichen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


10.59.08

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Lassen Sie mich bitte zuallererst in Richtung SPÖ festhalten: Wir haben ein voll funktionsfähiges Parlament! (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. – Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben uns im Konsens darüber verständigt, dass alle Vorlagen vonseiten der Re­gierung und alle Initiativanträge, die wir einbringen, im Budgetausschuss diskutiert und gegebenenfalls beschlossen werden. Es ist ganz klar – so wie auch in der Vergangen­heit üblich –: Erst das Bundesministeriengesetz legt die Ressorteinteilung fest.

Erst dann, wenn dieses Bundesministeriengesetz in Kraft beziehungsweise beschlos­sen ist (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), wissen wir, welche Zuständigkeiten es für welche Ausschüsse gibt. Daher findet die Konstituierung peu à peu, nach und nach, statt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Alle wichtigen Funktionali­täten des Parlaments können entsprechend gut ausgeübt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Vorrednerinnen haben von diesem tragischen Fall der letzten Woche gesprochen. Ich darf als Allererstes und zuvorderst der Familie und den Angehörigen mein tiefstes und herzliches Beileid ausdrücken, denn diese Situation ist schwierig und bedarf all unseres Mitgefühls. Es macht mich fassungslos, dass Menschen bei kleinen Vergehen und Unstimmigkeiten in der Familie keine andere Möglichkeit sehen, als zu Messern zu greifen und zuzustechen, Men­schen zu morden. Unser erklärtes Ziel ist und muss es sein, Menschen vor Gewalt zu schützen; vor allem Frauen und Kinder sollen in Österreich keine Angst haben.

Wir haben im September das Gewaltschutzpaket verabschiedet und gute Maßnahmen getroffen. Frau Kollegin Disoski, es geht nicht nur darum, Strafen zu erhöhen bezie-


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hungsweise Strafmaßnahmen strenger zu machen. Ganz im Gegenteil, wir haben un­ter der Führung von Ex-Staatssekretärin Karoline Edtstadler unter Beiziehung von aus­reichend Experten ein ganzes Bündel an Maßnahmen verabschiedet. Gemeinsam mit den wichtigsten Experten – Juristen, Ärzten, Psychologen, Therapeuten, VertreterIn­nen von verschiedensten Organisationen, von Opferschutzeinrichtungen und Gewalt­schutzzentren – haben wir Verschiedenstes auf den Weg gebracht.

Zum Beispiel: Frauen können mittlerweile ihren Namen und ihre Sozialversicherungs­nummer ändern, damit sie von ihren Peinigern, von den Gefährdern, nicht gefunden werden. Wir haben das Betretungsverbot erweitert; es ist nicht mehr nur ein Betre­tungsverbot betreffend den Kindergarten oder den Arbeitsplatz der Frau, sondern es ist ein Annäherungsverbot, egal wo sich die gefährdete Person aufhält. Das ist eine gute Maßnahme, die auch wirklich greift, damit die Betroffenen ihr Leben zumindest mit ei­nem besseren Sicherheitsabstand gut leben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben – das erachte ich als allerwichtigste Maßnahme – durch die Einrichtung der neuen sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen die optimale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationen gestärkt. Was bedeutet das? – In Zukunft werden Polizei, Opferschutzeinrichtungen, Staatsanwaltschaften und Gemeinden je nach Fall­konstellation kooperieren und die notwendigen Schutzmaßnahmen für die Menschen, die gefährdet sind, auf den Weg bringen. Wir haben die Fallkonferenzen bei der Polizei angesiedelt, weil es um eine klare Verantwortung, um eine klare Zuständigkeit geht, und wir haben geregelt, dass der Austausch von Daten möglich ist. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: einerseits gerade in diesem Bereich den sensiblen Datenschutz zu ge­währleisten, andererseits aber so viele Daten auszutauschen wie nötig, damit die Si­cherheit der Menschen durch die Maßnahmen gewährleistet werden kann.

Wir haben uns des Weiteren auch der Täter angenommen. Das Kapitel Arbeiten mit den Tätern ist ein ganz wichtiges Element, denn letztendlich geht es doch darum, dass Gewalt erst gar nicht entsteht und Prävention wirksam ist. Meine Damen und Herren, was bewirkt denn letztendlich, dass nicht so viel Gewalt entsteht? – Es geht um bes­sere Bildung und es geht um bessere Kommunikation, damit die Menschen in die Lage versetzt werden, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Bei Konflikten heißt es hinzuschauen, nicht wegzuschauen, egal ob in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis, überall.

Lassen Sie mich daher bitte folgende Feststellungen treffen – ich glaube, das müssen wir alle immer wieder unmissverständlich klarmachen –: Frauen sind keine Objekte, die man besitzen kann oder auf die irgendjemand einen Anspruch hat. Stehen wir dazu! Frauen sind in Beziehungen gleichberechtigte Partner und treffen freie Entscheidun­gen, und diese Entscheidungen sind gewaltfrei zu akzeptieren. – Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Meine Damen und vor allem Herren hier im Hohen Haus, bitte stehen Sie mit mir zu diesen Aussagen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frauen- und Kinderschutz muss uns etwas wert sein, auch in finanzieller Hinsicht. Ich stehe dazu und werde mich in den Verhandlungen bemühen, diesen finanziellen Rah­men für die Sicherheit zu schaffen, und zwar mit voller Kraft, zum Schutz der Rechte, zum Schutz von Frauen und Kindern, damit die traurigen Statistiken in Zukunft der Ver­gangenheit angehören. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Mon­tessorischule Unterwaltersdorf recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herz­lich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste ist Frau Abgeordnete Yildirim zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.05.30

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Stopp der Gewalt an Frauen – ein wichtiges Thema, ein leider nicht enden wollendes Thema. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben hier einige wichtige und sehr richtige Themen und Argumente vorgebracht. Lassen Sie mich aber ein, zwei Punkte aufgreifen, die mich schon sehr betroffen gemacht haben, vor allem bei der Rede des Abgeordneten Kickl!

Ich möchte an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass Christian Broda, der 19 Jahre lang Justizminister dieser Republik war, ein sozialdemokratischer Justizminister, diese Gesellschaft modernisiert und für Frauen sicherer gemacht hat. Sehr geehrte Damen und Herren, Christian Broda hat vor über 30, 40 Jahren etwas sehr Visionäres getan, das meine VorrednerInnen zu Recht immer wieder angesprochen haben, nämlich die Prävention zu thematisieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gewaltprävention, sehr geehrte Damen und Herren, ist Opferschutz. Ja, ich bin dafür, dass jeder Täter die volle Härte des Gesetzes spüren soll, aber so hart kann kein Gesetz sein, dass ein Straftäter, wenn er entlassen wird, nicht vielleicht doch zum Wie­derholungstäter wird. Deswegen ist ganz wichtig, was wir von einem großartigen Vi­sionär und Europäer, wie es Christian Broda war, in Erinnerung behalten sollten: dass Prävention und Resozialisierung, sehr geehrte Damen und Herren, in der Strafhaft, im Vollzug ganz, ganz wichtig sind, damit eine Tat nicht wiederholt wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Degradieren wir so wichtige Bereiche nicht zur „Kuscheljustiz“! Opferschutz bedeutet Täterarbeit.

Es wurden heute auch viele Zahlen und Statistiken genannt. Wer sind denn die Ge­walttäter? – Diese lebensbedrohlichen Gewalttaten werden leider, leider im größten Ausmaß von Männern verübt.

Sie, Herr Abgeordneter Kickl, waren maßgeblich beteiligt, während Herr Abgeordneter Kurz zu den Zeiten seiner Bundeskanzlertätigkeit viel beschäftigt und nicht anwesend war. Was mich wirklich empört, ist, dass er bei einem so wichtigen Thema, bei dem es um Gewaltschutz geht, nicht anwesend ist. Ich hätte mir erwartet, dass Herr Kurz hier sitzt, sich das anhört, sich vielleicht zu Wort meldet und erklärt, warum denn diese vor über zweieinhalb Jahren versprochenen 100 Schutzplätze nicht geschaffen wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum müssen wir heute hier diese 34 Morde thematisieren? – Wie viel mehr hätten wir tun können, wenn Sie nicht mit Ihrer populistischen Law-and-Order-Politik Zeit ver­schwendet hätten! Wie viele Leben hätten wir vielleicht retten können! Wie viele von Gewalt betroffene Frauen hätten wir schützen können, wenn wir hier endlich Prioritäten gesetzt, nicht nur Schlagzeilen gemacht hätten, sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir Taten gesetzt und Geld investiert hätten!

Es bringt nichts, das beste Gesetz schützt nicht vor Gewalt, wenn wir den Beratungs­einrichtungen, wenn wir der Justiz und wenn wir den Justizanstalten nicht die entspre­chenden Mittel zur Verfügung stellen, ihnen keine Ressourcen geben und ihnen beim Vollzug ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht behilflich sein können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

Die Screeninggruppe hat zutage gebracht, dass 50 Prozent der Täter nicht österreichi­sche StaatsbürgerInnen sind. – Mit Verlaub, wer auch immer welche Tat verübt hat, mir ist die Herkunft egal, mir ist wichtig, dass jede Tat verhindert werden kann.

Aber weil Sie doch so darauf herumreiten – Afghanen, Asylwerber –: 9 Prozent der Tä­ter waren Afghanen, Asylwerber! – Schrecklich! Ich möchte das auf gar keinen Fall ent­schuldigen, aber ich möchte auch, dass Ihnen das Leben und die Unversehrtheit der


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afghanischen Frauen ebenfalls ein Anliegen ist. Es sollte Ihnen darum gehen, jede Frau hier zu schützen. Wir wissen, dass solche Taten nicht mit härteren Gesetzen zu verhindern sind, sonst dürfte es ja in Ländern, in denen es die Todesstrafe gibt, gar keine Straftaten geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal appellieren, den Frauenberatungseinrich­tungen, den Opferschutzeinrichtungen die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie wissen, dass das Gewaltschutzpaket nicht nur von Opferschutz- und Beratungseinrich­tungen kritisiert wurde, Sie wissen, dass sich auch Rechtsanwender wie die Justiz, Staatsanwaltschaften und Gerichte dagegen ausgesprochen haben.

Ich glaube, das Thema ist viel zu wichtig, um daraus populistisches Kleingeld zu schla­gen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir endlich handeln und hier seriöse Politik für den Schutz von Frauen und Kindern in diesem Land machen und tatsächlich umsetzen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Brandstötter.)

11.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


11.11.23

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen! Ja, Gewalt an Frauen ist ein ganz ernstes Thema. Ich möchte das Thema ein bisschen ausweiten, weil heute dau­ernd von Gewalt an Frauen und Mädchen gesprochen wird: Auch Buben sind Opfer von Gewalt. Ich würde sagen, Gewalt an Frauen und Kindern ist ein Problem, das uns wirklich alle betrifft, meine Damen und Herren.

Wenn ich jetzt gegen Ende dieser Debatte eine Analyse machen darf, stelle ich fest, dass heute vielfach von Machtpositionen der Männer, von einem Patriarchat, das hier gelebt wird, gesprochen worden ist – aber, meine Damen und Herren von der linken Reichshälfte, das sind jene Gesellschaftsgruppen, das sind jene Bevölkerungsgruppen, die Sie in das Land hereinholen, und zwar aktiv. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Da kön­nen Sie jetzt noch so sehr herumjammern, dass das alles nicht wahr ist – na, die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. Natürlich gibt es weit mehr ausländische Täter, Gewalttäter, als es inländische Täter gibt – allein schon bezogen auf die Zahl derer, die sich im Land befinden.

Kurz zu meiner Vorrednerin, die die afghanischen Frauen schützen möchte: Da bin ich schon bei Ihnen, aber die Frage ist, wie viele afghanische Frauen denn in Österreich leben. Genau da haben wir das Problem. Es wurden ja vor allem die Männer in das Land hereingelassen. Sie alle sind ja am Westbahnhof gestanden und haben auch noch applaudiert, als die gekommen sind. Und was ist danach passiert? – Die Welle der Gewalt ist angestiegen.

Ich erinnere an Silvester 2015, nicht nur an die Geschehnisse in Köln; das ist natürlich überhaupt um die Welt gegangen. Wir hatten die gleichen Probleme in Wien, wir hatten große Probleme in Innsbruck und in Salzburg. Das waren durchwegs Asylwerber, die damals zu Gewalttätern geworden sind – zu Gewalttätern an jungen Mädchen und Frauen. (Abg. Kogler: Das ist falsch!) Das ist nicht zu akzeptieren, das muss man auch ansprechen. Und genau vor diesem Problem stehen wir. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie sich jetzt herstellen und sagen, das sei Ihnen egal, jeder Täter sei einer zu viel, da gebe ich Ihnen recht, jeder Täter ist einer zu viel. Betreffend jene aber, die man hereinholt, muss man doch, bitte schön, einmal seine Politik hinterfragen, meine Da­men und Herren von der SPÖ und von den Grünen: Ist es die richtige Politik, dass man auf der einen Seite die Grenzen für alle öffnet und diese Ausländer-rein-Politik betreibt,


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wenn man auf der anderen Seite sieht, dass es damit große Probleme gibt? Es gab bis jetzt 34 Morde, das ist die Spitze des Eisbergs. Hoffen wir, dass es dabei bleibt und dass keiner dazukommt!

Es gibt jedoch täglich Vergewaltigungen, Raubdelikte, Körperverletzungen, und da zeigen die Statistiken ganz, ganz massiv in eine Richtung. Das wissen Sie, meine Da­men und Herren, und da nützt es nichts, wenn Sie eine Kopf-in-den-Sand-Politik ma­chen und sagen: Es gibt auch Österreicher, die Verbrecher sind! – Ja, die gibt es, jede Gesellschaft hat inländische Verbrecher, aber es ist doch nicht notwendig, uns auch noch welche reinzuimportieren. Reden wir über genau dieses Problem! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie können wir dieses Problems denn Herr werden? – Es ist gut, dass es Hotlines gibt, es ist auch gut, dass es Frauenhäuser gibt, aber, meine Damen und Herren, jetzt so zu tun, als wäre Geld die einzige Möglichkeit, ist nicht richtig. Es wurde heute schon der Fall einer Frau erwähnt, die fünf Jahre lang geschlagen worden ist, und fünf Jahre lang hat es niemand bemerkt. Ja warum bemerkt es denn niemand? – Weil Frauen alles un­ternehmen, um das zu verbergen, weil es eben niemand gerne zugibt und sagt: Ich bin in einem Abhängigkeitsverhältnis, in einer sexuellen Abhängigkeit, in einer finanziellen Abhängigkeit!

Es ist aber – und das müssen wir auch immer wieder laut sagen – anzumerken: Es gibt in Österreich für jede Frau die Möglichkeit, sich finanziell zu befreien. Es gibt ein aus­gesprochen gutes Sozialsystem in Österreich, das keine Frau auf der Straße stehen lässt. Es ist wichtig und richtig, einmal zu sagen, dass es auch da die Republik ist, die alle Frauen auffängt. Da war keine böse schwarz-blaue Regierung, die die Armut ge­schaffen hat, sondern jede Frau wird auch weiterhin jene finanzielle Unterstützung für sich und ihre Kinder bekommen, die sie braucht.

Sie haben Panikmache betrieben, Sie haben gesagt: Ach, die Armut wird steigen, die Alleinerzieherinnen werden alle verhungern! – Das passiert nicht, sondern jede Frau in Österreich darf sich sicher sein, dass sie eben nicht finanziell abhängig ist. Es ist ganz wichtig, das auch zu betonen: Frauen, die in einer gewalttätigen Beziehung leben, ha­ben die Möglichkeit, wenn sie es schaffen, sich zu trennen – und da liegt jetzt das Pro­blem: wenn sie es psychisch schaffen, das müssen sie schaffen; nicht die finanziellen Fragen sind das Problem, es ist oftmals die psychische Abhängigkeit vom Partner, die sie daran hindert und die sie hemmt –, dass sie nicht finanziell abhängig sind. Es ist unsere Aufgabe als Politik, aber auch die Aufgabe jedes Einzelnen, diesbezüglich ein Bewusstsein zu schaffen und zu schauen, ob es vielleicht niederschwellige Möglichkei­ten in der Umgebung gibt.

Die Gesundheitseinrichtungen wurden schon erwähnt. Es sind Schulen, wo Gewalt oft­mals entdeckt wird. Es sind die gesamtgesellschaftlichen Einrichtungen, wo man auf der einen Seite vielleicht manchmal mehr hinschauen muss, auf der anderen Seite aber auch vorsichtig mit Vorverurteilungen sein muss, denn oftmals haben natürlich auch Lehrer Angst, etwas zu sagen, weil es vielleicht ein falscher Verdacht ist. Also da muss man auch wirklich niederschwellige Möglichkeiten schaffen.

Was mich an dieser ganzen Debatte aber ein bisschen irritiert: Wir stellen uns hierher, wir beklagen ein Patriarchat, das in Österreich so furchtbar ist, und gleichzeitig fordern wir nur Geld. Damit werden wir es nicht schaffen. Wir haben es in den letzten Jahr­zehnten so nicht geschafft. Wir wissen, dass die finanziellen Zuwendungen für Frauen­beratungseinrichtungen in den letzten Jahren sukzessive gestiegen sind – und trotz­dem ist die Gewalt mehr geworden.

Ich würde mich Kollegin Steinacker gerne anschließen, in der Hoffnung, dass sie we­niger wird, ich sage Ihnen aber, die Gewalt an Frauen wird mehr werden. Das kommt


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jetzt nicht daher, weil ich hellseherische Fähigkeiten habe, sondern weil ich weiß, dass wir auch weiterhin Gewalttäter in unser Land hereinlassen, dass schon sehr viele hier sind, die in den nächsten Monaten und Jahren zuschlagen werden; und dann wird es hier wieder eine Diskussion geben, in der Sie beklagen werden, wie schlimm das nicht alles ist, aber gleichzeitig hinterfragen Sie niemals Ihre eigene Zuwanderungspolitik, ob es wirklich die richtigen Leute sind, die Sie ins Land hereinholen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ribo. – Bitte.


11.17.42

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jede Gewalttat ist eine zu viel, ich glaube, da sind wir uns alle hier – hoffentlich – einig. Es wurden bereits von vielen – mit Ausnahme meiner Vorrednerin – wichtige Punkte erwähnt, aber ich möchte die Diskussion um ei­nen Themenbereich erweitern, nämlich um Gewalt an älteren Menschen und insbe­sondere an älteren Frauen, denn eines ist klar: Gewalt endet nicht mit zunehmendem Alter.

Auf ältere Menschen, Frauen, aber auch Männer, trifft das Gleiche zu wie auf jüngere Frauen, nämlich: Der gefährlichste Ort in Sachen Gewalt und Misshandlungen sind die eigenen vier Wände, ist das eigene Zuhause, weil es in Österreich noch immer so ist, dass zwei Drittel aller hilfsbedürftigen Menschen von Familienangehörigen zu Hause gepflegt werden.

Eine geschlechtersensible Betrachtung ist aus mehreren Gründen wichtig. Im Alter gilt das Gleiche: Frauen werden häufiger Opfer von Gewalt als Männer. Frauen werden älter als Männer und sind dadurch auch gebrechlicher und hilfsbedürftiger. Während Frauen ihre Partner und Ehemänner oft zu Hause pflegen, werden diese dann selbst in externen Einrichtungen gepflegt.

Leider ist das Thema Gewalt an älteren Personen und eben insbesondere an älteren Frauen nach wie vor ein Tabuthema. Das Schweigen ist vielleicht auch damit verbun­den, dass in diesem Fall Frauen auch oft die Täterinnen sind, denn: Wer pflegt nahe Angehörige zu Hause? – Frauen. Welche Personengruppen sind in Pflegeberufen, in sozialmedizinischen Berufen tätig? – Frauen.

Neben der Gewalt in den eigenen vier Wänden dürfen wir aber auch die Gewalt in Alters- und Pflegeheimen nicht vergessen. Ich erinnere da an Kirchstetten oder an die Vorfälle in Graz.

Es ist statistisch bewiesen, dass Frauen dadurch, dass sie länger leben, auch 80 Pro­zent der HeimbewohnerInnen ausmachen.

Diese Vorfälle, die ich jetzt erwähnt habe, sind die, die an die Öffentlichkeit gekommen sind. Wie viele dieser Vorfälle werden aber nie an die Öffentlichkeit kommen? – Viele, ganz viele!

An dieser Stelle ist es mir auch ganz wichtig, Folgendes zu sagen: Den vielen enga­gierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege gebührt mein größter Respekt! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.) Diese Personen leisten unter keinen einfachen Bedingungen hervorragende Arbeit. Nicht diese Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, auch nicht die Angehörigen und vor allem und natürlich nicht die Menschen, die gepflegt werden, sondern die Politik ist verantwortlich dafür, da für Verbesserungen zu sorgen. Es liegt an uns hier, dafür zu sorgen, dass diese Men­schen in Würde altern können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)


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Das Schlüsselwort ist Wille. Ja, es braucht einen Willen, aber es braucht auch Mut. Es braucht Mut, um diese großen Reformen, die in der Pflege notwendig sind, anzugehen. Wir alle hier können uns auf eine Politik einigen, wir können genug finanzielle Mittel, genug Geld in die Hand nehmen und im Bereich der Pflege für bessere und menschen­würdigere Rahmenbedingungen sorgen.

Diese Menschen, von denen ich rede, sind unsere Mütter, unsere Großmütter, unsere Großväter. Sie haben dieses Land aufgebaut. Wir sind diejenigen, die davon profitie­ren, wir haben das Glück, dass wir in einem der schönsten und reichsten Länder der Welt leben, und das haben wir auch diesen Menschen zu verdanken. Unsere Aufgabe ist es, auch etwas zurückzugeben. Das haben sie verdient. Sich zu empören, wenn wieder ein neuer Skandal aufkommt, reicht nicht.

Wir haben es heute schon gehört: Sich zu empören reicht nicht aus. Wir müssen handeln, angefangen bei Präventionsarbeit bis hin zu besseren Ausbildungen für die Pflegekräfte. Die Expertinnen und Experten haben ihre Hausaufgaben gemacht, sie haben ausreichend Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet. Jetzt liegt es an uns, diese auch umzusetzen. Wir müssen es tun! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

11.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist noch einmal Frau Bundes­minister Stilling. – Bitte.


11.22.46

Bundesministerin im Bundeskanzleramt Mag. Ines Stilling, betraut mit der Lei­tung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angele­genheiten für Frauen, Familien und Jugend: Bezug nehmend auf die Ausführungen der Abgeordneten Belakowitsch möchte ich, um etwaigen Missverständnissen vorzu­beugen, nur kurz festhalten, dass es aufgrund der budgetären Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren nicht möglich war, die Förderungen für Frauen- und Mäd­chenberatungsstellen zu erhöhen. Das heißt, diese sind seit vielen Jahren zumindest auf Bundesseite gleichgeblieben. Es gab also leider kein Budget, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre, da eine Budgeterhöhung zu gewähren. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

11.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Bernhard zu Wort. – Bitte.


11.23.19

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte einen ganz anderen Aspekt in die heutige Debatte einbringen, einen, der aus meiner Sicht noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, nämlich nicht nur die Frage der häuslichen Gewalt, sondern auch, was es für die Familie bedeutet, wenn ein Gewalt­verbrechen stattfindet, wenn Gewalt zum Alltag gehört und die Kleinsten unserer Ge­sellschaft betroffen sind, sprich Kinder.

Es geht um Kinder, die damit aufwachsen, für die es selbstverständlich ist – im Nor­malfall ist natürlich die Mutter betroffen –, dass Gewalt ausgeübt wird, dass psychische Gewalt ausgeübt wird, dass Gewalt eine Art von Kommunikation ist. Was löst das in einem Kind aus? – Das löst einerseits natürlich eine große Unsicherheit aus. Das löst einen großen emotionalen Stress aus, das löst ein Gefühl von Angst, von Ohnmacht aus. Mitunter löst es auch ein Gefühl von Schuld aus – ungerechtfertigterweise na­türlich, aber in diesem Kind greifen sehr, sehr viele Gefühle Platz, die ein Kind norma­lerweise nicht haben sollte.


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Wir sprechen nicht von ein, zwei, drei Kindern pro Jahr, die das vielleicht betrifft – und selbst das wären zu viele! –, sondern alleine im Zusammenhang mit den Gewaltver­brechen, die uns bekannt sind, sprechen wir von 5 347 Kindern, die im Jahr 2018 als Zeugen genannt worden sind. 5 347 Kinder haben in irgendeiner Form eine Aussage darüber machen müssen, dass jemand in der Familie – in den meisten Fällen der Va­ter, der Lebensgefährte, der Partner der Mutter – gewalttätig war.

Die Frage ist: Wie gehen wir in einer solchen Situation vor? Unabhängig davon, dass wir jeden Mord und schwere Gewalt verurteilen und auch verhindern müssen, so wir können, müssen wir uns auch damit beschäftigen, wie es den Kleinsten in unserer Ge­sellschaft geht.

Opferschutzeinrichtungen, Kinderschutzzentren, Interventionsstellen, aber auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft und die Volksanwaltschaft haben gemeinsam schon sehr häufig klare Forderungen gestellt, was es braucht, um für diese Kinder wirklich eine gute Betreuung, eine gute Begleitung gewährleisten zu können. Sie haben be­klagt, was derzeit in Österreich alles fehlt. Es gibt einen erheblichen Personalmangel, die Anzahl an Personen, die derzeit quasi von der Republik und von den Ländern zur Verfügung gestellt wird, reicht einfach nicht aus, um die Kinder ausreichend zu be­treuen. Es gibt einen erheblichen finanziellen Mangel und es gibt keine einheitlichen Ausbildungsstandards in der Kinder- und Jugendbetreuung.

Jetzt frage ich mich aber – das ist ja kein neues Thema, das ist nichts, das uns heute zum ersten Mal beschäftigt –: Was hat denn die letzte türkis-blaue Regierung ganz konkret getan, außer dagegen zu wettern, was uns Herr Kickl vorhin wiederum sehr eindruckslos gezeigt hat? (Heiterkeit der Abg. Krisper.)

Ganz konkret hat man Folgendes gemacht: Man hat einerseits die Budgetmittel weiter gekürzt, man hat 1 Million Euro von den Familienberatungsstellen weggenommen – 1 Mil­lion Euro! –, das bedeutet – man hat das auch nachgerechnet – pro Jahr 18 518 Bera­tungen weniger. Andererseits hat man die Kinder- und Jugendhilfe verländert. Wenn man von allen Stellen hört, dass es einheitliche Standards in der Ausbildung und in der Definition, wie man mit den Kindern arbeiten soll, braucht, und wenn man gleichzeitig hört, dass das verländert wird, dann weiß man, was das bedeutet: Es wird keine ein­heitlichen Standards geben. ÖVP und FPÖ haben darüber hinaus dafür gesorgt, dass es weniger Beratungen gibt.

Tatsächlich reden wir da nicht von viel Geld, sondern wir reden von 1 Million Euro für die richtigen Maßnahmen.

Was es abgesehen von der Betreuung der Kinder bräuchte, ist ganz klar: Wir bräuch­ten eine entsprechende Sensibilisierung bei der richterlichen und staatsanwaltlichen Ausbildung. Es geht um die Frage, wie man mit Kindern, die Zeugen eines Gewaltver­brechens an ihrer Mutter wurden, umgeht. Es gibt da Skurrilitäten, die wirklich unver­ständlich sind. Es gibt beispielsweise keinen Rechtsanspruch auf Prozessbegleitung, wenn ein Kind Zeuge eines solchen Gewaltverbrechens wird und nicht selbst Opfer ist, also nur Zeuge ist. Das bedeutet, ein Kind, das in ein Gerichtsverfahren geschubst wird, in dem es einem enormen emotionalen Stress ausgesetzt wird, weil es gegen den eigenen Vater oder gegen den Lebensgefährten der Mutter aussagen muss und auch nicht klar ist, wie es danach weitergeht, wird nicht einmal entsprechend begleitet. Das muss man sich einmal vorstellen!

Es ist daher ganz klar, dass wir NEOS, sobald der Familienausschuss und der Jus­tizausschuss konstituiert sind, unsere Verbesserungsvorschläge einbringen werden, weil wir glauben, dass es besondere Aufmerksamkeit nicht nur im Kampf gegen Ge­waltverbrechen braucht, sondern auch betreffend die Begleitung von Kindern, die sol­che Verbrechen gesehen haben.


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Ich möchte daher mit Folgendem abschließen: Sie wissen, dass wir Liberale sehr oft von Freiheit sprechen. Ich glaube – gerade wenn ich jetzt an diese Kinder denke –, dass Angst der größte Feind der Freiheit ist, deswegen ist mein ganz konkreter Aufruf an unsere parlamentarische Arbeit hier und heute: Sorgen wir dafür, dass Kinder frei von Angst aufwachsen können! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.)

11.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

11.28.55Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Die großen Herausforderungen der neuen Europäischen Kommission“

Ich darf zur Debatte den Bundesminister für Äußeres herzlich begrüßen.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


11.29.16

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Wir haben die heutige Aktuelle Europastunde bewusst mit dem Titel „Die großen Herausforderungen der neuen Europäischen Kommission“ versehen. (Der Redner legt die Tafel mit der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 www.gewalt­schutzzentrum.at × Polizei 133“ umgedreht vor sich auf das Rednerpult.)

Warum haben wir sie mit dieser Überschrift versehen? – Weil innerhalb der Europäi­schen Union die einzelnen Mitgliedstaaten vor großen Herausforderungen stehen und es die Europäische Union als Gemeinschaft zunehmend mit Nachbarn zu tun hat, die komplizierter und herausfordernder werden.

Was meine ich damit? – Mit Abstand der wichtigste und wirtschaftlich stärkste Mitglied­staat der Europäischen Union, Deutschland, hat eine Bundesregierung, die durch den Niedergang der SPD zunehmend mit sich selbst beschäftigt ist.

Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in der Europäischen Union; Präsident Emmanuel Macron will eine notwendige Pensionsreform umsetzen und ist damit kon­frontiert, dass nach den Gelbwesten jetzt auch Hunderttausende andere Demonstran­ten auf die Straße gehen. Er will, wie er gesagt hat, eine gerechte Pensionsreform um­setzen. Privilegierte Gruppen, die vorzeitig in Pension gehen können, wie die Eisen­bahner, sehen das nicht ein. Diese Pensionsreform wird erst heute präsentiert, aber schon am Wochenende war Frankreich zum Stillstand gekommen.

In Italien haben wir die neue Regierung gerade erst einmal 100 Tage – eine Regierung, die von zwei Parteien, die bisher eigentlich Erzfeinde waren, gebildet wird. (Abg. Kickl: Das steht euch auch noch bevor!) Das Einzige, das diese Regierung zusammenhält, ist die Angst vor der Lega und vor Matteo Salvini. Die Regierung streitet jetzt schon, weil sie erstmals gemeinsam etwas umsetzen muss, nämlich das Budget – wahrlich keine leichte Aufgabe. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber kehren wir vor der eigenen Tür!) – Nein, das müssen wir schon sehen! (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, natürlich, aber die schwierige ... zu besprechen!)

Von der Leyen hat es nicht einfach – und der Rat kommt in dieser Woche noch zusam­men –, wenn die nationalstaatlichen Regierungschefs solche Steine im Rucksack ha-


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ben. Das hat die österreichische Regierungschefin nicht; Österreich ist in einem ande­ren Zustand! Das sage ich Ihnen schon, Frau Abgeordnete. (Beifall bei der ÖVP – Neu­erlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das ist der große Unterschied: Wenn unser Regierungschef in Brüssel ist, dann waren wir in der Vergangenheit nicht davon geplagt und werden es auch in Zukunft nicht sein, dass eine in Wirklichkeit so zer­strittene oder so geschwächte Regierung in Brüssel am Tisch sitzt. (Abg. Meinl-Re­isinger: Jetzt ist es ...! Jetzt wird es wirklich spannend!)

Oder schauen Sie sich Spanien an, wo man vier Mal innerhalb von vier Jahren gewählt hat! Dann gibt es noch ganz andere Fragen, die man sehr ernst nehmen sollte: Die Journalistenmorde in Malta oder bei unserem Nachbarn, der Slowakei. Darüber kann man nicht einfach hinwegturnen, da verstehe ich die Menschen. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Wer tut denn das?) – Nein, wir sollten das nicht tun, sondern wir sollten einfach die Probleme sehen (Abg. Kogler: Genau!), die wir innerhalb von Europa haben, wenn es um Rechtsstaatlichkeit geht, wenn es um Korruption geht, und wir müssen bei uns im Land alles tun, dass wir uns da positiv abheben. Das ist es, was ich Ihnen sagen möchte, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger – Beifall spendend –: Da kann man nur klatschen! – Abg. Kogler: ... in Europa?)

Warum sehe ich das so? – Weil auch außerhalb von Europa die Herausforderungen größer werden. Die Türkei hat sich in den letzten zehn Jahren weiter von der EU ent­fernt – und auch Russland. Vielleicht war vor wenigen Tagen in Paris eine Gegenbe­wegung zu sehen; ganz sicher bin ich mir nicht. Ich habe unmittelbar vor meiner Rede die Möglichkeit gehabt, mit dem ukrainischen Botschafter zu reden, der hier im Haus war. Der sieht einen Hoffnungsschimmer. Mehr als 12 000 Menschen haben in unserer unmittelbaren Nähe in diesen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine das Leben verloren.

Ein Nachbar, der für uns zunehmend wichtig wird, ist Afrika, und da vor allem Nord­afrika. Auch dort ist von Demokratie eigentlich wenig zu sehen. Rund um uns herum sind autoritär geführte Staaten, und die, die geografisch weiter weg liegen, kommen, wenn ich an China denke, näher, sind nicht nur wirtschaftlich mitten in Europa, sondern versuchen, auch politisch auf die Weiterentwicklung der Europäischen Union Einfluss zu nehmen. Auf der anderen Seite haben sich die USA, unser wichtigster Partner welt­weit, mit dem jetzigen Präsidenten relativ weit von Europa entfernt.

Das ist der Rahmen, den die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Arbeit vorfindet. Ich war gestern und vorgestern in Brüssel. Von der Leyen hat ihre Schwerpunkte in einer interparlamentarischen Gruppe vorgestellt, und ich bin optimis­tisch, was diese Kommission betrifft, weil sie mit ihren Arbeitsschwerpunkten sehr, sehr nahe bei dem ist, wovon wir immer reden, nämlich diese Europäische Union näher zu den Bürgern zu bringen.

Was sind ihre Arbeitsschwerpunkte? – Der erste Schwerpunkt, und das spüren die Menschen ganz deutlich, ist, im Klimaschutz etwas zu erreichen. Ich habe heute bei unserer EU-Hauptausschusssitzung mit Kollegin Köstinger, die lange im Europaparla­ment war, gesprochen, und sie hat mir gesagt, in den neun Jahren, in denen sie in Brüssel war, hat sie ein Mal eine Sondersitzung miterlebt. Heute Nachmittag gibt es wieder eine solche Sondersitzung des Europäischen Parlaments, weil von der Leyen das Klimathema so wichtig ist und sie es an die Spitze ihrer Agenda gesetzt hat. In „Meine Agenda für Europa“ nennt sie das: „Ein europäischer Grüner Deal“.

Der zweite Schwerpunkt – hoffentlich nicht zu spät; manche sagen, das ist nur mehr ein Match zwischen China und den USA – ist die Digitalisierung. Es ist ganz wichtig, dass wir da nicht ins Hintertreffen kommen. (Abg. Kogler: Schreiben wir die Von-der-Leyen-Rede ins Regierungsprogramm hinein!) – Die Rede ist zu wenig, Kollege Kogler!


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Ich glaube, das Entscheidende ist, wie die nächste Bundesregierung als starke Regie­rung von der Leyen da unterstützen kann. Von der Leyen braucht starke Regierungen und insbesondere starke proeuropäische Regierungen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!) Und auch ohne Mithilfe der Grünen, Kollege Kogler, haben wir im letzten Regierungs­programm festgeschrieben, dass wir ein verlässlicher und aktiver Partner der Europäi­schen Union sind. So haben wir die letzte Bundesregierung gesehen und so sehen wir auch die nächste. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie das auch so sehen, ist es umso einfacher, da zu konkreten Ergebnissen zu kommen. (Abg. Kogler: Sie haben nicht hineingeschrieben, dass Ibiza eine Vulkanin­sel ist! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Eine andere Vulkaninsel, weit weg von uns, hat jetzt die Öffentlichkeit mehr beschäftigt, und auch auf Ibiza ist ein Vulkan ausgebrochen, aber ein politischer.

Ich sage Ihnen, es ist nicht unser Problem, proeuropäisch an die Sache heranzuge­hen – proeuropäisch heißt für uns aber, dass die richtigen Schwerpunkte gesetzt wer­den. Das Neue – etwas, was ich von Jean-Claude Juncker nicht gehört habe – ist, dass Ursula von der Leyen davon spricht, dass sie die Europäische Union – und sie nimmt das Wort in den Mund! – zu einer Weltmacht machen möchte. Sie möchte sie dadurch zu einer Weltmacht machen, indem wir mehr Glaubwürdigkeit erhalten, wenn es um Klimafragen geht, wenn es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit geht.

Sie möchte in einer Zukunftskonferenz grundsätzlich darüber diskutieren, wie es in Eu­ropa weitergehen soll. Ich habe sie gestern direkt gefragt, ob sie auch die national­staatlichen Parlamente miteinbinden möchte. – Mich hat es gefreut, dass sie ganz klar gesagt hat, sie will nicht nur die nationalstaatlichen Parlamente miteinbinden, sondern sie muss das tun, denn sonst hat das Projekt keine Chance, erfolgreich zu sein. Wol­len wir nämlich die Europäische Union bei den großen Herausforderungen, die ich an­gesprochen habe, näher zu den Bürgern bringen, müssen auch wir hier im Haus uns stärker mit europäischen Fragen beschäftigen, weil sie uns natürlich auch unmittelbar betreffen, und der Green Deal, den sie an der Spitze ihrer Tagesordnung hat, ist ein ganz wichtiger Punkt.

Ich hoffe sehr, dass von der Leyen die Europäische Union offen halten kann. Was mei­ne ich mit offen halten? – Dass Frankreich doch zustimmt, dass die Westbalkanstaa­ten, dass Südosteuropa eine realistische Beitrittsperspektive bekommen. Die Enttäu­schung bei diesen Staaten ist riesengroß. Seit 2003 haben wir – damals hat es noch Mazedonien geheißen, jetzt heißt es Nordmazedonien – Nordmazedonien immer wie­der vertröstet. Jetzt ist endlich dieser Namensstreit beigelegt worden und wir schlagen vorerst die Tür zu. Dabei geht es nicht um den Beitritt, es geht einmal darum, Beitritts­verhandlungen aufzunehmen.

Für uns, für Österreich und auch für die neue Bundesregierung, ist es ganz wichtig, al­les zu tun, dass diese Europäische Union für neue Mitglieder offen bleibt, und alles zu tun, dass die Europäische Union wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt. Mit diesem Pro­gramm von von der Leyen kann das gelingen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die ÖVP-Frauen aus der Steiermark, an der Spitze die Landtagspräsidentin, recht herzlich hier im Hohen Haus begrüßen. (All­gemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Außenminister. Das Wort steht bei ihm. – Bitte.


11.40.27

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M., betraut mit der Leitung der zum Wirkungsbereich des Bundeskanz­leramtes gehörenden Angelegenheiten für EU, Kunst, Kultur und Medien: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und


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Herren! Vielen Dank für die Gelegenheit, dass ich heute zu Ihnen zum Thema „Die großen Herausforderungen der neuen Europäischen Kommission“ sprechen darf. Seit 1. Dezember haben wir nun tatsächlich eine neue Kommission mit Ursula von der Ley­en an der Spitze, und morgen tagt zum ersten Mal der Europäische Rat unter dem neuen Ratspräsidenten Charles Michel. Das heißt, nun können wir endlich mit der Ar­beit beginnen – und Arbeit gibt es tatsächlich genug.

Ursula von der Leyen und ihr Team haben wiederholt öffentlich erklärt, keine Zeit verlieren zu wollen und vom ersten Tag an eine neue Dynamik erzeugen zu wollen. Das ist positiv, denn Europa braucht neue Dynamik und Europa braucht neuen Schwung. Die Erwartungen sind groß, und die Liste der Herausforderungen ist wahrlich lang. Schon in den ersten 100 Tagen will die Kommission wesentliche neue Vorschlä­ge präsentieren. Beginnen – wir haben es auch gerade gehört – wird sie damit heute und noch dazu zu einem der zentralen Zukunftsthemen unserer Zeit: dem Klimawan­del.

Die Kommission legt heute als erstes großes Vorhaben ihren Vorschlag für den Green New Deal vor. Das soll eines der Leuchtturmprojekte der ersten 100 Tage dieser Kom­mission werden und ist zu Recht auch das dominierende Thema bei der kommenden Tagung des Europäischen Rates. Die Staats- und Regierungschefs der EU sollen sich klar hinter das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 stellen. Österreich unterstützt dieses Ziel voll und ganz. Klar ist aber auch, dass wir diese Zielsetzung nicht allein erreichen können. Nur im Verbund mit unseren Partnern in der EU sind wirkungsvolle und nach­haltige Maßnahmen im Klimabereich möglich. Die schwierige Diskussion, die wir letz­ten Juni im Europäischen Rat hatten, hat uns aber auch allen gezeigt, dass die Maß­nahmen, die im Klimabereich gesetzt werden müssen, so gestaltet sein müssen, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten nicht einschränken.

Meine Damen und Herren, das Ziel der Klimaneutralität 2050 wird nur mit und nicht gegen die Wirtschaft erzielt werden können. Neben den Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes wird auch entscheidend sein, dass Europa zum Vorreiter in Klima­technologie und Klimainnovation wird. Der Übergang zur Klimaneutralität sollte dabei nicht nur als Herausforderung gesehen werden. Wie der kommende Europäische Rat ausdrücklich festhält, birgt er auch großes Potenzial – Potenzial für Wachstum, für neue Geschäftsmodelle, für neue Jobs und für technologischen Fortschritt. Diese Chance sollte genützt werden.

Österreich wird sich aktiv in die Arbeiten auf europäischer Ebene einbringen. Ein Schwerpunkt dabei wird natürlich auch die Förderung erneuerbarer Energien sein. Gerade in diesem Bereich aber stehen wir vor einer besonderen Herausforderung, denn es ist kein Geheimnis, dass viele Mitgliedstaaten auf dem Weg zur Klimaneutra­lität ganz ausdrücklich auf Nuklearenergie setzen. Unsere Haltung dazu ist ganz klar: Atomkraft ist und bleibt für uns keine sichere oder nachhaltige Form der Energiege­winnung. Das ist eine ganz klare rot-weiß-rote Haltung und Linie, die ich erst gestern wieder in Brüssel deponieren konnte. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, die nächste Herausforderung betrifft die Weiterent­wicklung der Europäischen Union selbst. Die Europäische Kommission wird noch im Dezember das Konzept für eine Konferenz zur Zukunft der EU vorlegen. Diese Kon­ferenz soll nächstes Jahr beginnen und bis 2022 laufen. Wir sind uns, glaube ich, alle einig: Die EU darf nicht versteinern, sondern muss in der Lage sein, sich weiterzuent­wickeln. Vieles geht dabei auch ohne Vertragsänderungen, ganz klar, aber es ist sicher richtig, diese nicht gleich von vornherein auszuschließen. Bürgernähe, Effizienz, Ent­scheidungsfähigkeit, Demokratie, das sind die Schlagwörter, die zu nennen sind. Wir


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können und sollten zum Beispiel bei den Europawahlen nicht für Spitzenkandidaten werben, um dann am Ende völlig andere Personen auszuwählen.

Die Konferenz zur Zukunft der EU bietet eine Chance, Verbesserungen vorzunehmen, und wir sollten diese Chance nützen. Erfolgreich wird dieser Prozess aber nur sein, wenn einerseits im Vorhinein ganz klare Rahmenbedingungen festgelegt werden und andererseits dieser Prozess auch inklusiv ist und auf Augenhöhe gestaltet wird. Die Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaften, die nationale Parlamente müssen von Anfang an Teil dieses Prozesses sein, nicht nur die EU-Institutionen.

Das nächste große Zukunftsvorhaben der Kommission betrifft die Erweiterung – ein Thema, das uns besonders am Herzen liegt. Wie Sie wissen, ist es im Oktober leider Gottes nicht gelungen, einen positiven Beschluss zur Eröffnung der Beitrittsverhand­lungen mit Nordmazedonien und Albanien zu erzielen. Das ist aus unserer Sicht ein schwerer strategischer Fehler. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

Die Nichtentscheidung stellt den Ruf der Europäischen Union als ernstzunehmenden Partner in der Region infrage und könnte dazu führen, dass sie Schritt für Schritt ihren Einfluss in der Region verliert. Das können wir nicht zulassen. Unsere Haltung dazu ist ganz klar: Ohne die Länder des Westbalkans ist das europäische Projekt schlicht und ergreifend unvollständig. Da geht es um unsere unmittelbaren Sicherheitsinteressen, aber auch um die Glaubwürdigkeit der EU als Akteur, der in der Lage ist, Sicherheit und Stabilität zu exportieren, statt Unsicherheit und Instabilität zu importieren.

Es gilt jetzt, rasch wieder ein positives Momentum zu erzielen. In diesem Sinne wird die Kommission im Januar einen Vorschlag für eine Reform des Beitrittsprozesses vorlegen. Damit reagiert sie auf eine Forderung Frankreichs, das den Beschluss im Ok­tober blockiert hatte und eben solch einen Vorschlag gefordert hatte.

Österreich wird sich bei diesem Prozess aktiv beteiligen und aktiv einbringen, aber es ist aus unserer Sicht ganz wesentlich, dass dieser Prozess, dieser Reformprozess, nicht als Verzögerungstaktik missbraucht wird. Das haben wir auch in einem Brief an die Kommission klargelegt; einem Brief, der mittlerweile immerhin von 14 anderen Mit­gliedstaaten unterstützt wird. Wir haben uns bereit erklärt, konstruktiv und sachlich in eine Diskussion über Verbesserungen des Erweiterungsprozesses einzutreten – Ver­besserungen sind immer möglich –, aber dies nur im Verständnis, dass das mit einem grünen Licht zur Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Alba­nien einhergeht. Es geht jetzt darum, sicherzustellen, dass die EU am Ende auch Wort hält und dass die jüngsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang nur ein Schlag­loch und nicht ein Stoppschild auf dem Weg des Westbalkans Richtung EU sind.

Die Diskussion rund um die Erweiterungspolitik steht aber auch symbolhaft für ein anderes Thema, das immer wieder als Vorwurf in Richtung Europäische Union formu­liert wird: Die EU sei international kein Player, sondern lediglich ein Payer. Europa ist zwar der größte Handelsblock der Welt, der größte Binnenmarkt der Welt und der größte Geber von humanitärer Hilfe der Welt, es gelingt uns aber tatsächlich oft nicht, das auch in außenpolitisches Kapital umzumünzen.

Die Europäische Kommission hat sich vorgenommen, das zu ändern, und das ist natürlich zu begrüßen. Wir müssen die vorhandenen Möglichkeiten und Instrumente noch viel besser nützen. Eine erste Diskussion am Anfang dieser Woche mit dem neu­en Hohen Vertreter Josep Borrell mit den EU-Außenministern war schon sehr vielver­sprechend. Das sind natürlich insgesamt nur kleine Schritte, erste Schritte, aber das Ziel ist klar: Europa soll besser in der Lage sein, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen und seine Interessen und Werte international effizient zu vertreten.


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Sehr geehrte Damen und Herren, zu den großen Herausforderungen der neuen Kom­mission zählt natürlich auch die Sicherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfä­higkeit der Europäischen Union. Im Frühjahr will die Kommission dazu neue Strategien für die Bereiche Digitalisierung, Industrie und Wirtschaftsstandort vorlegen. Das ist auch dringend notwendig: Europa braucht neue Impulse, um im globalen Wettbewerb seine Position als Wirtschaftsraum und Handelsmacht wahren zu können. Laut einer rezenten Studie kommen heute nur mehr 15 Prozent der wertvollsten Unternehmen der Welt aus Europa; 2009 waren es noch 27 Prozent. Das heißt, innerhalb von zehn Jahren hat sich unser Anteil fast halbiert.

Es geht um die langfristige Sicherstellung unseres Wohlstandes, unserer Arbeitsplätze, unserer Sozialsysteme, kurz: um das europäische Lebensmodell. Damit Europa auch in Zukunft Weltspitze ist, muss man Innovation stärken, in Forschung investieren und Überregulierung beseitigen, und dabei dürfen wir auch nicht davor zurückschrecken, unsere Wettbewerbsregeln neu zu denken.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Liste der Herausforderungen ließe sich natürlich noch fast unendlich ausdehnen: Migration und Sicherheit, die Beziehungen zu USA, China, Russland, sehr wichtig ist aber auch die Wahrung unserer Werte auch im In­nenverhältnis der Europäischen Union. – Bei all diesen Themen ist aber ganz wesent­lich: Diese großen Herausforderungen kann niemand in Europa allein lösen!

Das trifft auch auf uns zu. Für ein kleineres Land wie Österreich, das inmitten des Kon­tinents liegt und das vom Export abhängig ist, ist die europäische Integration schlicht und ergreifend alternativlos. Gerade deshalb darf uns die Entwicklung auf europäischer Ebene auch nicht gleichgültig sein und gerade deshalb muss und wird sich Österreich auch in Zukunft einbringen und einen aktiven und positiven Beitrag leisten.

Die EU hat schon in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass sie den Mut und die Gestaltungsbereitschaft hat, wenn es darauf ankommt. Ich bin zuversichtlich, dass uns das auch in Zukunft gelingen wird. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

11.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Köstin­ger. – Bitte.


11.50.37

Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen herzlichen Dank an Herrn Bundesminister Schallen­berg für die sehr guten Ausführungen zur heutigen Aktuellen Europastunde, aber vor allem auch ein herzliches Dankeschön für sein umsichtiges Engagement in den letzten Monaten auf internationaler und vor allem auch auf europäischer Ebene. Ich glaube, wir haben uns alle von ihm sehr, sehr gut vertreten gefühlt – herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Aktuelle Europastunde könnte aktueller nicht sein, da die neue Kommissionsprä­sidentin Ursula von der Leyen heute ihr Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre vorstellt und sie ein Thema ganz zentral in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt, nämlich die nachhaltige Transformation Europas.

Wir haben in Österreich und in nahezu allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor allem das Thema Klimawandel und Klimaschutz als eine der zentralen He­rausforderungen unserer Zeit auf der politischen Agenda, und dem wird jetzt auch die Europäische Kommission in Form des Green Deals, den Ursula von der Leyen vor­stellt, Rechnung tragen. Das ist gut und richtig, dass die Europäische Union da wirklich auch mit gutem Beispiel vorangeht.


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Bei uns in Europa, in der Europäischen Union zählt das Thema Klimaschutz mittler­weile zu den Topprioritäten. Wir sehen aber vor allem, nicht zuletzt auch bei der ge­rade stattfindenden Klimakonferenz in Madrid, dass viele Länder da viel zögerlicher agieren und dass Länder wie die USA, die weltweit eine der Hauptemittenten sind, aus dem Pariser Klimavertrag austreten.

Wir müssen aber vor allem auch in Österreich unseren Beitrag leisten, das steht völlig außer Frage. Ich glaube, dass wir vor allem die große Chance haben, zu zeigen, dass Klimaschutz keine Belastung sein muss, sondern dass man mit einem intelligenten Umbau unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems Klimaschutz wirklich auch zu einem Modell der Zukunft und vor allem eben auch zu einem Modell des Wohlstands machen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Europa ist ein wichtiger Player im Kampf gegen den Klimawandel. Wir haben vor allem auch unter unserem Ratsvorsitz gezeigt, dass die großen Stellschrauben in Europa zu suchen und zu finden sind. Es stehen jetzt Vorschläge wie beispielsweise ein europäi­scher CO2-Mindestpreis oder auch die Frage nach CO2-Zöllen, die europaweit für Im­porte eingehoben werden können, auf der Tagesordnung: Das sind genau die richtigen Schalthebel, die wir bedienen müssen; diese Bereiche müssen wir vor allem auch aus österreichischer Sicht absolut unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben auch in den Monaten der EU-Ratspräsidentschaft versucht, das sehr klar umzusetzen. Die europaweite Reduktion des CO2-Austoßes bei Autos ist ein solches Beispiel. Es ist uns in monatelangen Verhandlungen gelungen, für Neuwagen 37,5 Prozent weniger CO2 vorzuschreiben. Das bringt für den Klimaschutz in Europa eine effektive Einsparung von 180 Millionen Tonnen CO2. Das Gleiche gilt für Lkws, da wird die Reduktion bis 2030 rund 30 Prozent betragen, das sind rund 54 Millionen Ton­nen CO2, die aktiv durch die neuen gesetzlichen Regelungen, die wir während unseres Ratsvorsitzes geschaffen haben, eingespart werden können.

Ein ganz besonders großes Anliegen war uns aber der Vorrang für erneuerbare Ener­gie in Europa. Der Umbau unseres Wirtschaftssystems wird nur funktionieren, indem wir erneuerbaren Energien den Vorrang geben; und auch das konnten wir in unserem Ratsprogramm umsetzen.

Wir sehen aber auch in diesem Bereich, dass andere Staaten in und vor allem auch außerhalb Europas einen ganz anderen Weg gehen. China, Afrika, Asien – in allen Ländern werden neue Kohlekraftwerke errichtet. Während wir in Österreich heuer das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet haben, baut China beispielsweise derzeit gerade ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 37,5 Gigawatt. Das entspricht ungefähr dem gesamten Kohlestrom der Bundesrepublik Deutschland – nur um da eine ungefähre Einschätzung zu ermöglichen.

Wir sind da in Österreich einen komplett anderen Weg gegangen. Wir haben vor we­nigen Wochen 450 Millionen Euro für den Ausbau von erneuerbarer Energie in Ös­terreich zur Verfügung gestellt. Dafür noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus, die diesen Antrag entsprechend mit unterstützt haben, damit wir den Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich mas­siv vorantreiben können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das letzte Thema, das ich noch ganz kurz ansprechen möchte, bezieht sich auf etwas, auf das wir sehr genau aufpassen müssen. Wollen wir CO2-neutral sein, dann darf nicht über die Hintertür der Weg für einen Ausbau von Atomkraftwerken geebnet wer­den. Das ist die große Gefahr, die in diesem Green Deal schlummert. Darauf werden vor allem wir als Volkspartei ein wachsames Auge haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.56



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfraustellvertreter Ab­geordneter Leichtfried. – Bitte. (Abgeordneter Leichtfried stellt die auf dem Redner­pult liegende Tafel mit der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555 www.gewaltschutzzentrum.at · Polizei: 133“ wieder auf. – Beifall bei der SPÖ.)


11.56.29

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Diese Tafel kann man meines Erachtens schon für einen Tag stehen lassen, das ist nichts Schlimmes, Herr Kollege Lopatka, das muss man nicht abmontieren. (Abg. Lopatka: Das ist das Lieblingswort der SPÖ: abmontie­ren!)

Herr Kollege Lopatka und auch Frau Kollegin Köstinger, Sie haben das Wort Glaub­würdigkeit sehr oft bemüht und jetzt klimapolitisch das Grüne vom Himmel herunter erzählt. Ich habe nur eine Frage an Sie, an die Damen und Herren von der ÖVP: Wenn Klimapolitik so wichtig ist, dann sagen Sie mir, wieso eigentlich die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament mit Ausnahme von Othmar Karas bei der Abstimmung ge­schlossen gegen die Ausrufung des Klimanotstands gestimmt haben! Geschätzte Da­men und Herren, erklären Sie mir das bitte! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Geschätzte Damen und Herren, die neue Kommissionspräsidentin hat von einem Neu­anfang gesprochen. Dieser ist dringend notwendig, weil Europa einen Wandel braucht. Viele Menschen vertrauen diesem Europa nicht mehr und es ist wahrscheinlich die Europäische Kommission vor allem als Taktgeber gefordert, da gegenzusteuern. In vie­len Bereichen müssen Weichen umgestellt werden. Schaffen wir die Trendwende in der Klimapolitik? Wird es ausreichend Zukunftsjobs in Europa geben? Zahlen die Großkonzerne endlich Steuern? – Man könnte noch zig derartige Problemfälle aufzäh­len, die entstanden sind, weil Europa zu sehr auf falsche Prioritäten gesetzt hat.

Zusammenfassend kann man aber sagen, warum die Menschen mit diesem Europa, mit unserem Europa unzufrieden sind: Europa hat das Wohlstandsversprechen für alle Bürgerinnen und Bürger nicht eingehalten. Das muss man ganz, ganz klar sagen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist immer größer geworden, und es hat sich eine Ent­wicklung ergeben, die Menschen in unserem Land, in ganz Europa unzufrieden macht. Möchte man das ändern – und das müssen wir gemeinsam ändern –, dann muss man mit handfesten Dingen, die die Menschen spüren, mit kleinen Dingen, die aber große Wirkung haben, anfangen.

Ich frage Sie, wie ein Bauarbeiter in der Südsteiermark dazu kommt, dass er von Fir­men, die europäisches Recht so weit ausnützen, dass bei uns Lohn- und Sozialdum­ping stattfindet, unter Druck gesetzt wird. Solch ein Bauarbeiter in der Südsteiermark versteht dann die Europäische Union nicht. Sie hätten es in der Hand gehabt, das ab­zudrehen, aber Sie haben in der alten Ibizakoalition das Gegenteil gemacht. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Wie kommen die Buchhandlungen, die Konditoreien, die kleinen Geschäfte, der Würstelstand dazu, mehr Steuern als Amazon, Google und alle anderen zu zahlen? –Das ist auch etwas, das geändert werden muss, und zwar schleunigst geändert wer­den muss, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Allein aus Österreich verschieben Konzerne über 4 Milliarden Euro auf legalem Weg in Steueroasen, um keine Steuern zahlen zu müssen. Dem österreichischen Finanzminis­ter entgehen jedes Jahr fast 1 Milliarde Euro an Steuereinnahmen, und das gehört ge­ändert. Dann passiert es endlich einmal, dass die Europäische Kommission, die bis jetzt nicht immer eine Vorreiterin in Fragen der Steuergerechtigkeit war, eine Initiative startet, dann passiert das endlich einmal! Es wird endlich vorgeschlagen, dass die Mit-


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gliedsländer die Steuerleistungen der großen Konzerne endlich melden müssen, damit man sieht, wo gezahlt wird und wo nicht gezahlt wird. Und was macht Österreich? – Österreich stimmt dagegen; und das ist noch dazu die entscheidende Stimme, sodass das nicht geschieht, geschätzte Damen und Herren. Das ist nicht Europapolitik, wie wir sie uns vorstellen. Das ist nicht Europapolitik, die den Menschen in Europa nützt. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, es ist auch nicht Europapolitik, die den Menschen nützt, wenn wir Österreicherinnen und Österreicher einmal Vorreiter in den Bereichen Umweltschutz, Schutz der Menschen, Schutz unserer Landschaften sind, indem hier eine große Mehrheit das Pflanzengift Glyphosat verbietet, die Europäische Union nichts dagegen hat und dann das eigene Bundeskanzleramt versucht, das abzudre­hen. (Abg. Doppelbauer: Macht halt ein gescheites Gesetz!)

Wir haben die Chance, das heute zu ändern. Wir haben die Chance, einem Antrag zu­zustimmen, der das ändert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich fordere Sie auf: Nützen wir das gemeinsam und machen wir in Österreich mit diesem Pflanzengift heute end­gültig Schluss! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bösch. – Bitte.


12.01.59

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freiheitliche bekennen uns zu einer kontinuierlichen und konstruktiven Weiterentwicklung der Europäischen Union, ganz nach den Prinzipien, wie wir sie in dem Halbjahr unserer Präsidentschaft, als wir auch Teil der österreichischen Bundes­regierung waren, festgelegt und formuliert haben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, wir haben damals gemeinsam mit dem Regierungspartner die grobe Linie festgelegt, die Union möge sich um die großen wichtigen Dinge küm­mern und die Mitgliedsländer um die kleineren, für die sie zuständig sind und bei denen sie auch in der Lage sind, wirkungsvolle Maßnahmen zu setzen. Wir haben diese Linie nicht verlassen, wir werden sie weiter beibehalten. Wir sehen jetzt durch die neue Kommission auch die Chance eines Neuanfangs.

Wir können aber die Euphorie, wie sie von einigen Vorrednern geäußert worden ist, nicht teilen, weil wir über die Politik der neuen Kommission noch nicht genug wissen, um klar beurteilen zu können, in welche Richtung sie geht. Allein der Widerstand da­gegen, einen Fachbereich „Schutz unserer europäischen Lebensart“ zu bezeichnen, macht uns stutzig. Mit welchem Geist soll die Politik auf europäischer Ebene in den nächsten Jahren betrieben werden (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ), wenn der Schutz der europäischen Lebensart nicht ein wesentlicher Grund dafür sein soll, dass die Europäische Union erstens überhaupt besteht und zweitens überhaupt Politik macht?

Die Klimafrage ist entscheidend. Wir erkennen das an, wir müssen aber darauf po­chen, dass wir diesbezüglich nicht in eine Hysterie verfallen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Herr Bundesminister, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie hier von einem intelligenten Klimaschutz und auch davon, dass die Maßnahmen in diesem Bereich die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nicht zerstören dürfen, gesprochen haben. In diese Richtung, glaube ich, sollten wir als Republik Österreich weitergehen, indem wir die politischen Maßnahmen im Klimabereich mit Hausverstand unterstützen.

Aufgrund der Klimadebatte ist das Thema der illegalen Migration in den Hintergrund getreten – nach unserer Vorstellung vollkommen zu Unrecht, weil diese Bedrohung


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nicht vorbei ist, sondern in den letzten Jahren sogar angewachsen ist. Wir haben im Rahmen unserer Regierungsbeteiligung vor allem durch die Minister Kickl und Kuna­sek auch versucht, diesbezüglich Maßnahmen vorzuschlagen, die sicherstellen, dass die Europäische Union in der Lage ist, die Außengrenze zu sichern. Wir sehen aber keine rezenten und effizienten Maßnahmen, die einen glaubwürdigen Schritt in diese Richtung erkennen lassen.

Wir müssen davon ausgehen, dass wir im Jahre 2019 – und das ist von der Europäi­schen Union selbst dokumentiert worden – bereits 50 000 illegale Zuwanderer mehr zu verzeichnen haben als im Jahr davor, dass wir dieses Jahr insgesamt die halbe Million – 500 000! – überschreiten werden und dass nach wie vor das Faktum gegeben ist, dass zwei Drittel dieser Zugewanderten abgewiesen werden, weil sie keinen ausrei­chenden Asylschutz haben.

Meine Damen und Herren, das sollte uns nach wie vor wachrütteln. Wir sollten die Be­drohung, die in der Nachbarschaft der Europäischen Union lauert, erkennen: Ich denke da vor allem an die Regionen Türkei und Naher Osten, aber auch an Nordafrika. Diese Massenimmigration droht Europa nach wie vor, sie droht, auszubrechen, und wir sind aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, um sie zu bewältigen. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wegen der nicht effizienten Politik der Union zum Schutz der Außengrenzen sind die Mitgliedsländer gezwungen und aufgefordert, den Schutz ihrer Grenzen sicherzustel­len. Die FPÖ hat immer wieder, und nun auch in der beginnenden Legislaturperiode, Anträge gestellt, die in die Richtung gehen, dass Polizei und Militär ausreichend ausge­rüstet und aufgestellt sein müssen, um diesen Herausforderungen begegnen zu kön­nen.

Meine Damen und Herren, wir alle müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Ent­wicklung der Europäischen Union im Wesentlichen davon abhängt, wie wir diese Kar­dinalfrage, nämlich den Stopp der illegalen Massenzuwanderung, lösen werden. – Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Werner Kogler. – Bitte.


12.07.12

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Abfolge der Redner entsprechend der Stärke des Wahl­ergebnisses bei der Nationalratswahl bedingt es, dass ich meistens nach Abgeord­neten der FPÖ zum Reden komme, und dadurch kommt immer das ganze Konzept durcheinander; deshalb bin ich vor meinen Reden schon immer so verwirrt. Ich möchte jetzt aber einmal eines in aller Deutlichkeit klarstellen: Wenn es um Klimaschutz geht und wenn es um die neue Kommission der Europäischen Union geht, dann ist das des­halb gut, weil die Kommissionspräsidentin das Thema absolut voranstellt.

Ich nehme nun positiv zur Kenntnis, dass mein Vorredner Bösch immerhin gemeint hat, dass der Klimawandel, die Klimakrise – ich weiß nicht, zu welchem Wording Sie sich da dann durchringen werden – als Phänomen anerkannt wird. Das war ja nicht immer so. Jetzt sage ich Ihnen – damit wir gleich einmal zur Sache kommen, weil es nämlich schon bald langweilig wird; viele kritisieren ja, dass die Verhandlungen zu lange dau­ern –, was der Unterschied ist, ob Grün oder Blau in Regierungsverhandlungen ist: Es ist nicht so lange her, dass Klimawandelleugner in der Regierung herumgehockt sind. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stögmüller: Chemtrails!) Wir erinnern uns an die Strache’schen Grönlandperlen; das ist doch völlig absurd! Die Grönlandperlen kann es geben, wenn die Weltpolitik so weitermacht, denn dann wächst in 50 Jahren in Grön­land wirklich Wein; dann ist es aber tragisch, weil dann nämlich eine Milliarde Men-


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schen in den Küstengebieten abgesoffen sind. Der Unterschied ist, ob da etwas weiter­gehen soll oder nicht.

So, kommen wir zu etwas Erfreulicherem, zur Europäischen Kommission und zu Frau Präsidentin von der Leyen! Sie ist ja nun nicht wirklich ein grünes Parteimitglied. (Die Abgeordneten Wurm und Ernst-Dziedzic: Noch nicht! – Heiterkeit bei den Grünen.) – Ja! „Noch nicht“, der war gut; möglicherweise. Das muss man der FPÖ ja lassen, man kann immer wieder noch blödeln. Man weiß zwar nicht, ob das gut ist, aber man kann es. (Heiterkeit bei den Grünen.) Sie haben ja die Pointe noch gar nicht gehört, Sie müssen ja noch nicht lachen! Es kann natürlich sein, dass die Frau Kommissions­präsidentin dann, wenn sie als Schwarze oft genug in die Zentrale der Europäischen Union fährt, als Grüne zurückkommt – ein Innviertler Schicksal. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

The Green Deal – früher Green New Deal – ist eine gute Sache. Das ist eine gute Sa­che, weil es mehr oder weniger darum geht, die zentrale Überlebensfrage der Mensch­heit in den Mittelpunkt der Aufgaben der Europäischen Union zu stellen und damit end­lich wirtschaftliche Vernunft – jawohl, als Erstes –, die ökologische Wende und den so­zialen Ausgleich, den man dazu braucht, zu verbinden. Im Übrigen – ja, ich habe von der ÖVP dazugelernt, und zwar echt und ehrlich – braucht es für diese Sache auch ei­nen regionalen Ausgleich, weil sich verschiedene Maßnahmen unterschiedlich auswir­ken. Primär geht es aber darum, dass wir endlich Wirtschaft, Umwelt und die soziale Absicherung unter einen Hut bringen; ja, das geht! (Beifall bei den Grünen.) Wenn das nämlich nicht geht – wir wissen ja nicht, was wir auf diesem Globus zusammenbrin­gen –, dann gibt es gröbere Probleme.

Betreffend die Migrationsfrage kann ich ernsthaft an meinen Vorredner anknüpfen: Sie ist mit Sicherheit ein Problem, weil sich kein Kontinent der Welt damit leichttut – nur zur Einordnung und Orientierung: auf anderen Kontinenten ist es noch viel schwieriger als in Europa –, und die Fluchtursachen massiv zunehmen werden, wenn da nichts weiter­geht.

Jetzt bin ich wieder bei dem, was Sie schon oft von mir gehört haben: Ja, wir werden es von Wien, von Österreich aus alleine nicht schaffen; das ist schon klar. Die Union hat dabei eine zentrale Aufgabe, und sie kann es. Wir auf diesem Kontinent sind in­novativ genug und wirtschaftlich stark genug, um da etwas weiterzubringen. Aus die­sem Grund sollten wir Vorreiter werden und sollten alle Länder einen Beitrag leisten.

Frau von der Leyen gibt die richtige Richtung vor (Zwischenruf des Abg. Wurm), da können wir uns für Österreich gleich etwas abschneiden. Es reicht die Zeit gar nicht, um herunterzudeklinieren, wie gescheit es wäre, das, was Frau von der Leyen sagt, bei uns auch zu machen. Ja, wir werden jetzt anfangen, das in den Regierungsverhand­lungen zu vertreten (Abg. Kickl: Was haben Sie denn bisher gemacht?), weil diesbe­züglich, wie Sie den Medien entnommen haben, der Leuchtturm noch nicht ganz auf­gebaut worden ist. Wir müssen ein Grubenlicht herausziehen, damit da endlich einmal etwas weitergeht; das meine ich ernst. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb ist es doch so vernünftig, Frau von der Leyen nicht nur zuzuhören, wie Kol­lege Lopatka richtig gesagt hat, sondern die Zielsetzung, bis 2030 50 bis 55 Prozent der Emissionen zu reduzieren – in Österreich wird es vielleicht ein bisschen weniger, aber nicht allzu viel weniger sein –, auch in ein Regierungsprogramm hineinzuschrei­ben.

Das Maßnahmenbündel: Wir brauchen die CO2-Bepreisung, wir brauchen die Regu­larien – je nachdem mehr oder weniger – und wir brauchen die Investitionen für eine Energiewende, eine Verkehrswende und eine Agrarwende. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.) In diesen drei Bereichen sollte etwas weitergehen.



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Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt bitte den Schlusssatz formulieren.


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Ich schließe ab: Wenn wir nicht kapieren, dass in einer Marktwirtschaft die Preise und die Kostenwahrheit entschei­dend für den ökonomischen Erfolg und in diesem Fall den ökologischen Erfolg sind, dann haben wir Marktwirtschaft nicht verstanden. (Beifall bei den Grünen.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Beate Meinl-Rei­singer. – Bitte.


12.12.58

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herr Kollege Lopatka, ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich Sie bei Ihrer für mich nicht ganz klaren Rede durch meine Zwischenrufe aus dem Konzept gebracht habe. Mir hat ein Herr Gerhard Stierschneider geschrieben, dass er das nicht sehen möchte, sondern dass ich mich darauf konzentrieren solle, wozu ich befähigt sei, nämlich auf das Kinderkriegen. Ich will damit nur zum Ausdruck bringen, dass ich jetzt vom Rednerpult aus auf Ihre Rede und darauf, warum ich glau­be, dass sie vielleicht ein bisschen visionärer hätte sein sollen, Bezug nehmen werde.

„Die großen Herausforderungen der neuen Europäischen Kommission“ ist der Titel die­ser Aktuellen Europastunde. Ich möchte das ein bisschen erweitern, nämlich auch auf die Herausforderungen, die sich aktuell in der Europapolitik für die nächste Bundes­regierung ergeben. Mir erscheint es sehr wichtig, dass wir uns als österreichisches Parlament in einer Phase – und deshalb habe ich gesagt, Herr Lopatka, „kehren wir vor der eigenen Tür!“ –, die ich als nicht ganz stabile Zwischenphase bezeichnen würde, darüber unterhalten, welche Rolle eigentlich Österreich und österreichische Politiker in der zukünftigen Weiterentwicklung der europäischen Politik einnehmen wollen.

Ich glaube, dass der Prozess der Kommissionsbildung jetzt einmal abgeschlossen ist, ist gut, und dass die Kommission ans Arbeiten geht, ist auch gut. Wir stehen tatsäch­lich vor großen internen wie externen Herausforderungen, die ich ganz kurz skizzieren werde.

Interne Herausforderungen: Großbritannien ist gerade mitten in einem Wahlkampf, der Brexit steht vor der Tür – das ist eine große interne Herausforderung, die wir zu lösen haben. Sie haben auch ein paar andere Herausforderungen angesprochen, in Zusam­menhang mit der italienischen Regierung, selbstverständlich auch mit den immer stärker werdenden populistischen, nationalistischen Kräften und auch mit den wirklich eklatanten Problemen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, liberale Demokratie und Grund- und Freiheitsrechte in anderen Staaten. Das sind ganz große interne Heraus­forderungen.

Externe Herausforderungen brauche ich, glaube ich, gar nicht zu nennen. Abgesehen davon, dass die geopolitische Sicherheitslage höchst instabil ist, sind die Vereinigten Staaten mit Donald Trump an der Spitze in vielerlei Hinsicht kein verlässlicher Partner mehr für Europa. Was wir über viele Jahrzehnte hinweg als Kräfte, als Gewichte in der Welt gekannt haben, hat keine Gültigkeit mehr. China wurde auch schon angespro­chen; China ist nicht nur in wirtschaftlicher, aber vor allem auch in wirtschaftlicher Hin­sicht eine große Herausforderung, auch und gerade für Europa. Dahinter steht ja sehr wohl, wenn Sie so wollen, eine Art Systemstreit, der noch nicht ausgefochten ist.

Ich möchte selbstbewusst sagen, dass wir als NEOS, als österreichisches Parlament, als Österreich und auch als Europa da einen sehr selbstbewussten Weg gehen sollten, diesen Weg Europas betreffend die Grund- und Freiheitsrechte, die Marktwirtschaft,


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die liberale Demokratie, die Menschenrechte und auch den sozialen und ökologischen Ausgleich weitergehen sollten und uns nicht durch neue weltweite protektionistische oder autoritäre Tendenzen verwirren lassen sollten.

Die Rechtsstaatlichkeit wird sicherlich ein großes Thema sein, denn wir können nicht zuschauen, wie gegen EU-Verträge verstoßen wird. Wir können nicht zuschauen, wie die Unabhängigkeit der Justiz beschnitten wird. Wir können nicht zuschauen, wie die Medienfreiheit in unseren Nachbarländern beschnitten wird. Wir können nicht zu­schauen, weil es, meine sehr geehrten Damen und Herren, um unsere Werte geht. Eu­ropa ist eine Wertegemeinschaft, und die basiert auf liberalen Freiheitswerten. (Beifall bei den NEOS.)

Ich begrüße es sehr, dass die Europäische Kommission den European Green Deal als das entscheidende Projekt für die nächsten Monate ausgerufen hat, ich halte das für ganz essenziell. Ich freue mich auch sehr, dass der Antrag der Liberalen im Europäi­schen Parlament, den Klimanotstand auszurufen, angenommen wurde. Jetzt ist der Notstand einmal auf dem Papier da, sozusagen beschrieben, das heißt aber noch nicht, dass Maßnahmen folgen werden. Ich setze große Erwartungen in die Europäi­sche Kommission, dass dieses Thema jetzt angegangen wird, um das Ziel, die Erwär­mung unter 1,5 Grad zu halten, wirklich zu erreichen.

Wir müssen allerdings schon darauf achten, welche Maßnahmen wir da setzen. Ich möchte einen Punkt herausgreifen, den ich als kritisch ansehe, nämlich die Geldpolitik. Wir haben in den letzten Jahren mit der Niedrigzinspolitik eine sehr expansive Geld­politik erlebt, die natürlich den Konsum sehr stark angeheizt hat. Jetzt von einer angeblich neutralen Geldpolitik zu einer grünen Geldpolitik überzugehen, mit dem Ef­fekt, das auszuweiten und weiterzuführen, halte ich für sehr schwierig, denn da geraten mehrere Ziele in Konflikt miteinander, nämlich einerseits Konsumsteigerungen und an­dererseits wirksamer Klimaschutz. Wenn Sie so wollen, ist der beste Klimaschutz auch diesbezüglich eine harte Währung und damit natürlich auch mehr für die Bürgerinnen und Bürger Europas, die sich vielleicht wieder etwas aufbauen können, was in Nied­rigzinszeiten - -


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende, Sie müssen den Schlusssatz formu­lieren.


Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Der Schlusssatz ist: Es geht auch um die Haltung der nächsten Bundesregierung. Wenn Österreich wirklich ein europäischer Player sein möchte, dann erwarte ich mir mehr als das Bekenntnis, dass man als Regierung proeuropäisch ist, dann erwarte ich mir, dass man die He­rausforderungen dieser Zeit auch löst, indem man ein Bekenntnis zu einem höheren Budget abgibt und in Zukunft wirklich eine Rolle bei der Weiterentwicklung von Europa spielt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.19.04

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Außenminister! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Gäste! Für mich ist ja eine EU-Diskus­sion eigentlich immer eine, bei der ich das Gefühl habe, dass wir parteipolitische Ha­keleien ein bisschen hintanstellen könnten. Wenn ich meinen Vorrednern so zuhöre, habe ich aber den Eindruck, dass man es nicht ganz lassen kann. Da wird die Regie­rung der letzten zwei Jahre offenbar für Entwicklungen verantwortlich gemacht, die ja viel langfristiger sind, die in eine Zeit zurückreichen, in der es nach meiner Erinnerung


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Bundeskanzler gab, die von einer anderen Partei – just von der, von der jetzt die Kritik kommt – stammten.

Ich erinnere mich noch an das Bonmot, demzufolge es Bundeskanzler gab, die mit ihrer Meinung nach Berlin gefahren sind und dann mit der Meinung von Bundeskanz­lerin Merkel zurückkamen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich bin sehr froh, wenn Se­bastian Kurz Österreich demnächst wieder im Europäischen Rat vertritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Nachdem es schon einige Redner aus meiner Partei gegeben hat, will ich nur ein paar ergänzende Themen ansprechen: Das eine, das mir immer wieder am Herzen liegt, ist der Brexit, nicht nur der Brexit an sich, sondern die Frage: Wie geht es danach weiter? Wir haben die Diskussion eigentlich schon satt – das merkt man deutlich –, vergessen dabei aber mitunter, dass uns die große Aufgabe erst noch bevorsteht.

Wenn der Brexit vollzogen wird – und davon müssen wir ja nun ausgehen –, dann kommt die große Aufgabe auf uns zu, die Beziehungen zu Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied neu zu gestalten. Das ist, wie ich es sehe, eine viel größere Aufgabe als jene, den Austrittsvertrag zu verhandeln. Das heißt, es geht um ein umfassendes Frei­handelsabkommen, für das es bisher noch kein Vorbild gibt; wir wollen tatsächlich möglichst enge Beziehungen zu Großbritannien – und umgekehrt auch –, und gleich­zeitig müssen wir natürlich darauf bestehen, dass es für ein Nicht-EU-Mitglied nicht die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft geben kann. Das heißt, das ist eine große Herausfor­derung.

Das Thema Westbalkan ist, glaube ich, ausführlich diskutiert worden. Es geht – das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen – überhaupt um die Frage der Nachbar­schaft. Zumindest ist es für meine Generation, für mich selber so, dass wir oft die his­torischen Verbindungen und auch die Nähe zu diesen Ländern einfach aus den Augen verlieren.

Ich erzähle dazu immer die Anekdote, dass der Pilot, als ich zum ersten Mal in die Geburtsstadt meiner Mutter geflogen bin, nach Lemberg – das heutige Lwiw in der Uk­raine –, beim Losfliegen gesagt hat, dass die Flugzeit von Wien nach Lemberg gleich lang sei wie nach Altenrhein in Vorarlberg. Das heißt, es ist auch eine Bewusstseins­bildung notwendig, nämlich dahin gehend, wie nahe uns die Länder im Osten bezie­hungsweise am Balkan, am Westbalkan, sind, dass das dort auch so wahrgenommen wird, aber auch dahin gehend, dass es sehr positiv aufgenommen wird, dass wir uns für sie, für ihre Beitrittsperspektive einsetzen; und das sollte auch wirklich fortgesetzt werden. Ich denke, dass wir da als Politiker, auch hier im Parlament, gefordert sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Last, but not least sind mir als Sprecher für Entwicklungszusammenarbeit natürlich die Beziehungen der EU zu Afrika, zu den afrikanischen Ländern, ein persönliches Anlie­gen. Schon während unserer EU-Ratspräsidentschaft gab es das EU-Afrika-Forum, und es ist äußerst wichtig, dass wir an dieser Partnerschaft weiterarbeiten, an einer Partnerschaft auf Augenhöhe, und letztlich auch da wieder, ähnlich wie am Westbal­kan, dafür Sorge tragen, dass wir die Position der EU gegenüber Großmächten wie China, Russland und den Golfstaaten, die dort ganz vehement und manifest ihre Inter­essen vertreten, stärken. Dabei – auch das ist mir besonders wichtig – müssen wir aber auf die Einhaltung von Mindeststandards besonders achten, Mindeststandards, was Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Frauenrechte betrifft, und uns dazu bekennen, dass die menschliche Sicherheit ganz unmittelbar mit Friedenssi­cherung verknüpft ist.

Abschließen möchte ich damit, dass ich sage: Jeder Mensch hat ein unveräußerliches Recht auf Leben und freie Entfaltung, und dafür wollen und sollten wir weltweit die Vo-


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raussetzungen mitgestalten. Die EU sollte dabei die treibende Kraft für Frieden sein, aber auch für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte.


12.24.59

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Da­men und Herren! Heute präsentiert die EU-Kommission ihren Klimaschutzplan, der uns in eine klimaneutrale Zukunft führen soll. Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, was so viel bedeutet, wie dass in 30 Jahren nur mehr so viele CO2-Emis­sionen ausgestoßen werden dürfen, wie wir selbst speichern können, also durch Bäu­me oder durch unseren Boden. Dieses Ziel, meine Damen und Herren, müssen wir schlicht und einfach erreichen, wenn wir langfristig eine Zukunft für alle Menschen in der Europäischen Union schaffen wollen, die auch eine intakte Umwelt garantiert.

Das bedeutet: Ja, die prinzipiell erklärte Absicht und die derzeitigen Überschriften der neuen Europäischen Kommission klingen gut und vielversprechend. Wir wissen aber alle, durch Überschriften allein wird noch kein Gramm CO2 eingespart, kein Klima ge­rettet. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, was es letztlich braucht, ist der Mut zu wirklicher Veränderung. Es braucht einen wirklichen Green New Deal, einen großen Umbau unserer Gesellschaft, der nicht nur Klimaschutz, sondern auch ein Recht auf Arbeit und soziale Gerechtigkeit ver­spricht. Klimaschutz darf kein Elitenprogramm sein, sondern muss die Interessen der vielen vertreten; die Interessen derjenigen, die sich nicht von der Klimakrise freikaufen können, die nicht wie eine Regierung oder ein Unternehmen ganz einfach gewisse Zertifikate zukaufen können, wenn die CO2-Bilanz wieder einmal schlecht ausschaut; die Interessen jener, die sich da nicht befreien können und die schon jetzt unter der Klimakrise leiden und das in Zukunft noch viel mehr tun werden, also die Interessen derjenigen, für die die Klimaziele gar nicht schnell genug erreicht werden können.

Es gibt aber eben auch andere Interessengruppen, die zwar klein sein mögen, aber doch milliardenschwer, und diese Interessengruppen stehen seit Jahren bewusst auf der Bremse, weil sie vom derzeitigen System im wortwörtlichen Sinne profitieren. Schauen wir uns beispielsweise den Bereich Verkehr an: Auch die Automobilindustrie in Deutschland hat sich bereits zu den neuen Klimaschutzplänen der Europäischen Kommission zu Wort gemeldet, und zwar richtet uns der scheidende Chef des deut­schen Branchenverbandes aus, man dürfe jetzt nicht noch höhere Klimaziele formu­lieren. Das ist übrigens eine jener Branchen, die sich eine der größten und millionen­schweren Lobbys in Brüssel leisten und seit Jahren gegen strikte Regulierungen vor­gehen.

Angesprochen auf die eigene Verantwortung wird mit den Regeln des Marktes argu­mentiert: Die Entscheidung für den Klimaschutz liege ja letztendlich nicht beim Kon­zern, sondern bei der Konsumentin und beim Konsumenten – und die Verantwortung anscheinend auch gleich mit dazu.

Ob das stimmt, will ich anhand eines konkreten Beispiels zeigen – keine Sorge, ich bleibe beim Thema Verkehr –: Ein großes Problem in der Europäischen Union ist der Flugverkehr. Wie wir wissen, ist dieser 50 Mal schädlicher als der Zugverkehr, und trotzdem steigen die Zahlen. Doch auch da richtet man uns aus, es sei die Schuld der Bürger und Bürgerinnen, die das Flugzeug und nicht den Zug wählen. Doch stimmt das? – Wohl kaum, wenn der Flieger fünfmal so schnell ist wie der Zug und zehnmal weniger kostet, wenn also Zugreisen für eine durchschnittliche Familie derzeit nicht einmal leistbar sind.


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Ich habe vergangene Woche bei meiner Anreise zur Klimakonferenz in Madrid selbst wieder einmal gesehen, was Zugfahren im Jahr 2019 leider noch immer bedeutet: Für eine Zugfahrt braucht man 30 Stunden, sie kostet mehrere Hundert Euro. (Abg. Kickl: Aber eigentlich hätte man gar nicht hinfahren müssen!)  Natürlich muss man hin­fahren, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst meint; Sie nicht, Herr Kickl, ich schon! (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: Wieso? Sie kriegen das aber so auch mit, oder?)

An dieser Stelle sei deshalb angemerkt, dass die Verantwortung nicht länger ständig auf Konsumenten und Konsumentinnen abgewälzt werden soll, sondern dass – und das fordere ich ein – an anderer Stelle angesetzt werden soll: Wieso wird in puncto Steuern im Flugverkehr nichts unternommen, während im Bahnverkehr so stark ange­setzt wird? Wieso gibt es beispielsweise keine Kerosinsteuer, keine Mehrwertsteuer auf Ticketpreise für Flüge ins Ausland? Wie kann es sein, dass die Löhne beim Flug­personal seit Jahren gedrückt werden, um ein billiges Flugangebot zu schaffen? Wieso fehlen EU-weit Investitionen für leistbare Schnell- und Hochgeschwindigkeitszüge, wenn diese in anderen Teilen der Welt längst üblich sind? – All das ist politischer Wille und all das muss mit einem Green New Deal enden. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Damit komme ich auch schon zum Schluss. Genau das bedeutet für mich ein Green New Deal: mit einem Konzept von Just Transition dafür zu sorgen, dass niemand auf der Strecke bleibt, dass wir alle in einer CO2-neutralen Zukunft unsere Arbeitskraft im Rahmen einer Beschäftigungsgarantie zur Verfügung stellen können, dass die Mecha­niker und Mechanikerinnen von heute die umweltfreundliche Mobilität von morgen auf­rechterhalten, dass technikbegeisterte junge Menschen eine neue Art der Energiever­sorgung garantieren können und dass durch Investitionen in Forschung, in neue In­dustrien auch ganz neue Jobs entstehen.


Präsidentin Doris Bures: Den Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Das fordern wir von einem Green New Deal: ein Investitionsprogramm, das Arbeitsplätze schafft und die Umwelt rettet. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort. – Bitte.


12.30.52

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, der großteils leeren Worte sind jetzt genug gewechselt: alternativlo­ser Klimaschutz, Klimapanik, Green Deal, Zukunftskonferenzen, zu denen die Men­schen zu Tausenden mit dem Flugzeug hinpilgern. – Ich darf Ihnen aus der Antarktis bestellen, dass dort die tiefsten Temperaturen seit ihrer Messgeschichte herrschen, dort ist man ganz außer Rand und Band – so viel zur globalen Erderwärmung. Aus der Arktis darf ich Ihnen von den Eisbären bestellen, dass es ihnen durchaus gut geht, dass ihre Anzahl stabil ist. Wovor sie sich aber wirklich fürchten, ist die Liberalisierung der Jagdbeschränkungen, denn da werden sie dann wirklich von Menschenhand nie­dergemetzelt, das möchten sie nicht.

Wir wissen schon alle, was hinter diesem großen Thema der Klimapanik steckt: Es soll Panik geschürt werden, um Regelungen zu ermöglichen, die zu normalen sicheren, friedlichen Zeiten nicht möglich sind. Diese Regelungen dienen dann aber nicht einem sinnvollen Klimaschutz, einem sinnvollen Umweltschutz und Heimatschutz – diese Agenda sollen sie nicht verfolgen –, sondern es geht da um eine Einschränkung der Freiheit, der Sicherheit und des Wohlstands der EU-Bürger.


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Es gibt einen einzigen Leuchtturm, dem sich die neue EU-Kommissionspräsidentin Ur­sula von der Leyen widmen soll, der bis jetzt finster wie der Eiffelturm ist, wenn er nicht beleuchtet ist: Das ist das Stichwort Schengen. Wir gehen da zurück auf die Grün­dungsverträge der EU, es geht um sichere, geschlossene Außengrenzen. Schengen hat die große Reisefreiheit ohne Grenzkontrollen im Binnenraum bedeutet. Das war immer nur die eine Seite der Medaille, die zweite Seite waren immer geschlossene, si­chere Außengrenzen: keine Grenzkontrollen im Inneren, dafür Verlegung des Grenz­schutzes an die Außengrenze.

Im Schengener Abkommen ist noch wortwörtlich die Rede von der „Verhinderung der unerlaubten Einreise von Personen“ aus Drittstaaten. Da kann man nur mehr bitter auflachen – wir wissen alle, wie es gekommen ist: Hunderttausende spazieren bei uns ein und aus, wie es ihnen passt, kommen völlig unkontrolliert, ungesteuert zu uns, suchen sich ihren Lieblingsmitgliedstaat aus – wo es die meisten Sozialleistungen gibt –, und die EU – leider –, die Kommission und ihre Institutionen, sorgen dafür, dass wir diesen Ansturm nicht bewältigen können, sondern dass wir ihn eigentlich über uns ergehen lassen müssen.

Besondere Unterstützerin dieses Kurses ist die langjährige Wegbegleiterin und Freun­din der neuen EU-Kommissionspräsidentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ja in Zeiten des größten Ansturms 2015 dann auch behauptet hat, man könne Grenzen doch gar nicht schützen – eine unglaubliche Aussage einer deutschen Bundeskanzle­rin, die noch dazu ihre Kindheit in der DDR verbracht hat. Die haben das ganz gut ge­konnt, die Grenzen zu schützen, so gut, dass nicht einmal ihre Bürger – die eigenen Bürger – das Land verlassen konnten.

Ursula von der Leyen war damals übrigens Verteidigungsministerin und hätte beim Grenzschutz oder bei der Bewältigung des Ansturms durchaus behilflich sein können, war da aber mehr mit anderen drängenden Problemen in der deutschen Bundeswehr beschäftigt, so wie etwa mit Uniformen für schwangere Rekrutinnen, mit der Frage: Passen schwangere Rekrutinnen auch in Panzer?, und so weiter. Das waren die wirk­lich dringenden Dinge. Sie hat damit die deutsche Bundeswehr der Lächerlichkeit preisgegeben; der Preis dafür wird jetzt noch gezahlt.

Die EU muss alles tun, um die Außengrenzen zu schützen, sie muss alles tun, um die illegale Migration zu stoppen, das ist alternativlos. Nur dann wird die EU in der Welt re­spektiert und geachtet: wenn sie fähig ist, ihre Grenzen zu schützen. Nur das ist alternativlos. (Beifall bei der FPÖ.) Nur dann kann man ein Big Player sein und nur dann wird man eben wirklich ernst genommen und kann die Macht der Sprache aus­üben.

Es müssen Rückführungsabkommen mit den afrikanischen und asiatischen Herkunfts­staaten geschlossen werden, das geht wirklich nur mit Druck der gesamten EU. Die müssen ihre Bürger ohne Wenn und Aber zurücknehmen, ansonsten werden Finanz-, Handels- und Visahilfen an diese Länder gestoppt. Man hat da genug Druckmittel. Das Asyl muss auf den ursprünglichen Sinn der Flüchtlingskonvention zurückgeschraubt werden: Asyl für Personen, die individuell verfolgt werden, so lange, wie die Bedrohung andauert; Asyl im nächsten sicheren Nachbarland – und nicht um die halbe Welt flie­gen und sich da ein Land aussuchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle darüber hinausgehenden Hilfeleistungen und Leistungen, die von der Flüchtlings­konvention nicht verlangt werden, stehen im freiwilligen Ermessen der Mitgliedstaaten. Die können das schon machen – Frau Merkel kann weiterhin alle Welt nach Deutsch­land einladen, solange sich die Deutschen das gefallen lassen –, die Mitgliedstaaten dürfen aber von der EU nicht zu diesen sämtlichen Leistungen gezwungen werden: massenhafter Familiennachzug, Bleiberecht, Asyl und Lehre – also alles eigentlich nur


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Erfindungen der Judikatur und der EU-Institutionen, die von der Flüchtlingskonvention nicht verlangt werden. Alle hereinzulassen und von den Mitgliedstaaten dann die Um­verteilung und die Aufnahme zu verlangen, das ist niederträchtig und rechtswidrig. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren.


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (fortsetzend): Es gilt: Wenn dieser Komplex geregelt ist – wir haben jetzt auch einen neuen Budgetkommissar, der ehemalige Novomatic-Vorstand Johannes Hahn wird das sicher gut bewältigen, dass er da genügend Geld zur Verfügung stellt, um diese erste riesig große Herausforderung zu bewältigen, die aber Verpflichtung gegenüber den EU-Bürgern ist - -


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, wir haben eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (fortsetzend): Dann kann man sich den anderen He­rausforderungen widmen.

Mein Schlusssatz: Ursula von der Leyen, Klimaschutz – ja, sie soll nicht so viel herum­fliegen, sie soll in Brüssel bleiben, soll sich einarbeiten in ihre Materie, dann braucht sie nicht so viele Berater und - -

12.37


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, wir haben die Geschäftsordnung und die Regelungen hinsichtlich Redezeit gemeinsam beschlossen, und daher ist es auch wichtig, dass wir uns gemeinsam daran halten. (Beifall bei der FPÖ für die das Redner­pult verlassende Abg. Fürst.)

Herr Abgeordneter Michel Reimon, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.


12.37.26

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle­gInnen! Ein Klimaschutzprogramm einer Kommission mit einer konservativen Kom­missionspräsidentin ist sicher nicht der grüne Traum, aber trotzdem ist dieses Pro­gramm ambitioniert, gut und insoweit einmal voranzutreiben, dass es Unterstützung verdient. Es ist traurig, dass man aus dem Rat hört, dass die Regierungen schon wie­der zu schrauben beginnen und da etwas weghaben wollen, dort etwas weghaben wollen und das Ganze wieder nach unten kriegen wollen. Das ist nicht das, was ich mir von Regierungen erwarten würde, und schon gar nicht das, was ich mir von einer österreichischen Regierung, auch nicht von der zukünftigen, erwarte.

Wenn diese Kommission ein ambitioniertes Klimaprogramm fährt, dann hat sie in Zu­kunft die volle Unterstützung der österreichischen Regierung zu haben, dann muss Ös­terreich mit aller Kraft dahinterstehen. (Beifall bei den Grünen.) Was wir nicht brau­chen, ist, dass da und dort, auch durch Österreich, wieder etwas weggeschnitten wird.

Wenn andere Regierungen zu blockieren beginnen, wenn andere Regierungen auf die­ses Klimaprogramm Druck machen und es unterwandern wollen, dann erwarte ich mir von einer österreichischen Regierung, dass sie da Widerstand leistet und dass sie auf solche Regierungen dann Druck macht und sagt: Nein, wir können das nur gesamt­europäisch machen und wir setzen uns dafür ein, wir stehen hinter einem solchen Programm, wir wollen es sogar noch verstärken und wir lassen nicht zu, dass es unter­miniert wird!

Ich spreche konkret die ungarische Regierung und die polnische Regierung und auch einige andere Regierungen in Südosteuropa an, die einfach nicht wollen, dass es am­bitionierte Klimapolitik gibt. Die Polen wollen ihre Braunkohle noch 20 Jahre abbauen. Das wird es in einer Europäischen Union so nicht spielen, und ich erwarte mir da eine starke Position der österreichischen Bundesregierung – auch der nächsten.


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Schauen wir, wie das funktioniert. Es ist ja möglich, dass demnächst zwei proeuro­päische Parteien in einer österreichischen Bundesregierung sitzen, die sich dann pro­europäisch einbringen und versuchen können, das konstruktiv voranzutreiben. Viel­leicht geht es dann besser, als es in der Vergangenheit gegangen ist, besser, als es in den letzten zwei Jahren gegangen ist, als Österreich keine konstruktive Rolle gespielt hat; denn es reicht nicht, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen und zu sagen: Ihr verhaltet euch destruktiv!

Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das ich als Europaabgeordneter intensiv mitbekommen habe, als sich Österreich wirklich in genau diesem Sinn mies verhalten hat: Alle 28 Re­gierungen haben sich auf Liechtenstein draufgekniet, weil in Liechtenstein Stiftungen zum Verstecken von Steuerhinterziehungen genutzt werden. Diese Stiftungen mussten an die europäischen Regierungen melden, wenn Staatsbürger dort Geld gebunkert ha­ben. Es wurde lange Druck auf Liechtenstein ausgeübt, bis die nachgegeben haben und es hieß: Alle Finanzämter in der Union werden informiert.

Wer verzichtet – drei Tage bevor es in Kraft tritt – als einziges Land darauf, darüber informiert zu werden? – Österreich. Wenn man jetzt in Zukunft über Österreich geht und sein Schwarzgeld in Liechtenstein bunkert, ist man in der gesamten Europäischen Union wieder sicher. Das haben wir gemacht. Das wurde in den letzten beiden Jahren nicht repariert, dieses Loch ist immer noch offen. Wer so mit seinen Partnern und Partnerinnen in der Europäischen Union umgeht, wird vielleicht keine konstruktive Rol­le spielen. Ich erwarte, dass das in Zukunft anders – und besser – wird und dass wir uns um solche Maßnahmen kümmern. (Beifall bei den Grünen.)

Frau von der Leyen hat auch erklärt, dass der europäische Rechtsstaat und der Schutz des europäischen Rechtsstaates besondere Anliegen für sie sind, und man muss sa­gen, das ist besonders unterstützenswert. Sie hat die ungarische und auch die polni­sche Regierung da noch einmal extra hervorgehoben – auch in diesem Fall Problem­fälle. Auch da verdient sie unsere Unterstützung, auch da hat Österreich in Zukunft den Kurs zu ändern.

Es sitzt hier ein ehemaliger Innenminister – ah, er kommt (in Richtung des sich zu sei­nem Sitzplatz begebenden Abg. Kickl) –, der vom Rednerpult aus eine gesamte Volks­gruppe unter Generalverdacht stellt, droht und tut, als ob das alles Verbrecher wären. (Abg. Kickl: Dann haben Sie mir nicht zugehört!) Es ist gut, dass in der Zeit, als er Innenminister war, eine Europäische Kommission darauf geschaut hat, dass der Rechtsstaat geschützt wird – und das wird auch in Zukunft so sein.

Wenn andere Regierungen mit euch so umgehen würden, wie Sie mit Volksgruppen umgehen, würden sie sagen: Man muss eigentlich davon ausgehen, dass alle Freiheit­lichen irgendwann einmal auf der Anklagebank landen und wegen Korruption hinter Gitter gehen, also beschuldigen wir sie alle gleich einmal von vornherein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hauser: ... mal Statistik aus ...! – Zwischenruf des Abg. Stefan.) – Davor seid ihr von der Kommission geschützt. Seid froh, dass sie mit euch so umgeht! (Abg. Kickl: Schauts einmal zu eurem Verhand­lungspartner! Schau einmal genau nach, wennst dich traust!) Seid froh, dass es den europäischen Rechtsstaat gibt! (Beifall bei den Grünen.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


12.41.54

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Da die Europäische Union ja insbesondere ein Ort der Rechts­staatlichkeit, der Freiheit und des Rechts ist, möchte ich vielleicht gleich vorweg sagen,


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dass das heute ein Tag der Freude für die Freiheit, für die Bürgerrechte und auch für den Parlamentarismus in Österreich ist. (Abg. Kickl: Für die organisierte Kriminalität ist das ein Freudentag!)

Der Verfassungsgerichtshof hat gerade verlautbart, dass nach einer Drittelbeschwerde der Abgeordneten der NEOS und der SPÖ der Bundestrojaner und die Kfz-Kennzei­chenerfassung als verfassungswidrig aufgehoben wurden. (Beifall und Jubelrufe bei den NEOS sowie Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist in erster Linie eine Absage an die umfassenden Überwachungsfantasien der Herren Kurz, Sobotka und Kickl und in zweiter Linie ein fulminanter Erfolg für die Frei­heit, für die Bürgerrechte der Menschen in Österreich und für unsere Demokratie. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich möchte mich an der Stelle insbesondere bei all jenen bedanken, die die letzten drei Jahre mitgeholfen haben, denn so lange hat dieser Kampf gegen Herbert Kickls Über­wachungsfantasien gedauert – wobei er ihn kurzzeitig ja auch einmal selbst gekämpft hat, bis er dann seine Meinung geändert hat –: Das sind ganz, ganz viele Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter aus dem NEOS-Parlamentsklub, das waren NGOs, das waren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und das war, gemeinsam mit uns NEOS, die Fraktion der SPÖ, damals federführend Hannes Jarolim, der hier leider nicht mehr Ab­geordneter ist. Ich möchte noch einmal ein ganz großes Danke sagen, weil dieser Tag der Freude für die Freiheit und für die Rechtsstaatlichkeit in Österreich etwas ganz Be­sonderes ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Um auf das konkrete Thema der Europäischen Union und die Herausforderungen zu­rückzukommen: Eine große Frage ist ja, ob man sich zuerst eher mit den inhaltlichen oder mit den strukturellen Fragen beschäftigt. Ich bin der Meinung, man muss sich mit beiden Fragen gleichzeitig beschäftigen, denn viele Änderungen der institutionellen Fragen werden auch dazu führen, dass man die inhaltlichen Fragen leichter wird be­antworten können.

Die Vertragsänderung von Lissabon ist jetzt knapp zwölf Jahre her, das heißt, wir ha­ben etwas zu hinterfragen, und Ursula von der Leyen hat mit ihrem Zukunftskongress etwas vorgeschlagen, das ich grundsätzlich sehr positiv finde. Wir NEOS haben immer schon eine breite Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in einem Konvent gefordert, um dort auch die Frage zu stellen, in welche Richtung die Europäische Union denn ge­hen soll.

Es gibt ein paar Dinge, die mir dabei besonders wichtig sind: In erster Linie geht es darum, dass das Europäische Parlament, das ja eigentlich ein sehr umfassendes Ar­beitsparlament ist, endlich die Rechte bekommt, die es auch haben sollte, nämlich das Recht, Gesetzesinitiativen voranzutreiben. Das Europäische Parlament ist die Institu­tion, die direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt ist, und dementsprechend ist es eigentlich absurd, dass man ihm diese Rechte vorenthält.

Wenn ich von direkt gewählten Institutionen spreche: Ich glaube, dass man sich auch darüber Gedanken machen sollte, ob man nicht auch andere Institutionen direkt wäh­len können sollte. Gerade das sehr unwürdige Schauspiel in den Hinterzimmern von Brüssel im Zusammenhang mit der Bestellung von Ursula von der Leyen hat wieder gezeigt, dass es wichtig wäre, dass man den Kommissionspräsidenten oder die Kom­missionspräsidentin auch direkt von den Bürgerinnen und Bürgern wählen lässt.

Wichtig ist die Frage, und das ist von unterschiedlichen Fraktionen schon angespro­chen worden, ob sich das Europäische Parlament endlich darauf einigt – das Parla­ment tut es ja an und für sich, es scheitert in der Regel am Rat –, dass es nur noch einen Sitz hat und nicht mehr zwei. Nicht nur in Zeiten des Klimawandels, sondern


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auch betreffend Fragen der Effizienz ist es nicht nachvollziehbar, wieso einmal im Monat Tausende Menschen von Brüssel nach Straßburg pendeln müssen und damit einerseits viel Geld verprassen und andererseits auch das Klima nachhaltig schädigen. Genau dieses Beispiel zeigt wiederum exemplarisch, wo die Europäische Union umfas­senden Aufhol- und Änderungsbedarf im institutionellen Bereich hat, nämlich in der Frage des Einstimmigkeitsprinzips.

Sind es bei der Frage des Single Seat die Franzosen, die sagen: Wir wollen das nicht!, sind es bei anderen Fragen andere Länder, die sagen: Ich blockiere da und setze ein Veto ein, damit nichts weitergeht! – Gerade bei Fragen betreffend schwerwiegende Grundrechtsverletzungen, bei schwerwiegenden Verletzungen der Grundwerte der Eu­ropäischen Union ist es auch so, dass ein Land dem anderen die Mauer macht und das Einstimmigkeitsprinzip dementsprechend echte Sanktionen unmöglich macht.

Natürlich sind solche tiefgreifenden Vertragsänderungen sehr komplex und werden viel Zeit brauchen, ich glaube aber, dass an diesen tiefgreifenden institutionellen Reformen kein Weg vorbeiführt. Wir stehen vor großen Herausforderungen in Europa, sei es der Klimawandel, sei es das Thema Rechtsstaatlichkeit oder sei es auch – und damit kom­me ich auch schon zum Schlusssatz – die Frage, wie wir es in Zukunft schaffen kön­nen, Grund- und Freiheitsrechte umfassend und nachhaltig zu gewährleisten, damit diese Überwachungsfantasien von ÖVP und FPÖ, denen der Verfassungsgerichtshof heute eine klare Absage erteilt hat, eben auch in Zukunft nicht weiter ausufern können. (Beifall bei den NEOS.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.46.59Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 188/J bis 282/J

2. Anfragebeantwortungen: 2/AB bis 7/AB

3. Antrag: Zurückziehung des Verlangens auf erste Lesung binnen drei Monaten:

Zu 29/A

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Monatserfolg Oktober 2019, vorgelegt vom Bundesminister für Finanzen (Vorlage 6 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 67 Abs. 4 BHG 2013 über die Er­gebnisse des Beteiligungs- und Finanzcontrolling zum Stichtag 30. September 2019 (Vorlage 7 BA)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:


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Budgetausschuss:

Antrag 29/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) und das Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002 – VerG) geändert werden

Zuweisung von Verhandlungsgegenständen erst nach erfolgter Wahl der Fach­ausschüsse:

Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäi­schen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten ei­nerseits und der Republik Armenien andererseits (4 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)

Protokoll zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung über den Amtssitz des Fonds (5 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)

Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (6 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)

Übereinkommen zur Gründung des Europäischen Büros für Kommunikation (ECO) Den Haag, den 23. Juni 1993, geändert in Kopenhagen am 9. April 2002 und in Kopen­hagen am 23. November 2011 (7 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)

Luftverkehrsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (15 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss)

Zusatzabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten als erster Partei, Island, als zweiter Partei, und dem Königreich Norwegen, als dritter Par­tei, betreffend die Anwendung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika als erster Partei, der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten als zweiter Partei, Island als dritter Partei und dem Königreich Norwegen als vierter Partei (16 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss)

Antrag 97/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

(Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss)

Antrag 99/A der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betref­fend  in Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 18. November 1965 über die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965 – PG. 1965), BGBl. Nr. 340/1965, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 98/2019, geändert wird

(Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss)

Antrag 101/A(E) der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Vorlage der Außen- und Europapolitischen Berichte

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)


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Antrag 103/A der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz geändert wird

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Bauten und Wohnen)

Antrag 104/A(E) der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einkommensmonitoring im sozialen Wohnbau

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Bauten und Wohnen)

Antrag 105/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Ratifikation des 3. Fakultativprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvention

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte)

Antrag 106/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung des Green Climate Funds

(Zuweisungsvorschlag: Finanzausschuss)

Antrag 107/A der Abgeordneten Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz geändert wird

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Bauten und Wohnen)

Sonderbericht der Volksanwaltschaft betreffend "Keine Chance auf Arbeit – Die Reali­tät von Menschen mit Behinderung" (III-66 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Volksanwaltschaftsausschuss)

Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – Reihe BUND 2019/46 (III-70 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Rechnungshofausschuss)

Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Finanzzielsteuerung im Gesund­heitswesen – Reihe BUND 2019/47 (III-72 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Rechnungshofausschuss)

Bericht des Rechnungshofes betreffend Disziplinarwesen der Bundesbediensteten – Reihe BUND 2019/48 (III-73 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Rechnungshofausschuss)

Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregierung
(III-74 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Außenpolitischer Ausschuss)

Bericht der Bundesregierung über die Volksgruppenförderung des Bundeskanzleram­tes 2018 (III-76 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss)

Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz (III-77 d.B.)

(Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales)

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsidentin Doris Bures: Der Klub der NEOS hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäfts­ordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 110/A(E) der Abgeordneten Klubobfrau Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung notwendiger Spie­lerschutzmaßnahmen im Glückspiel“ dringlich zu behandeln.


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Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag frühestens 3 Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 15.47 Uhr, aufgerufen.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsidentin Doris Bures: Um die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzusehen.

Bei den Punkten 8 und 9 handelt es sich um die Berichte des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Leoben um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger, 17 der Beilagen, so­wie das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz um Zustimmung zur behördlichen Ver­folgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl, 18 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist weiters vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 sowie 4 und 5 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Ich frage, ob es dagegen einen Einwand gibt. – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, womit sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 146, SPÖ 101, FPÖ 83, Grüne 75 sowie NEOS 60 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 30 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über die soeben dargelegten Redezeiten.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.

12.50.051. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 50/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (12 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 87/A der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (13 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Ich begrüße auch Herrn Innenminister Wolfgang Peschorn zu dieser Debatte sehr herzlich.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.50.54

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir reden ja jetzt über eine Änderung des Asylgesetzes.

Ich möchte gleich zu Beginn einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kolleginnen betreffend „Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf Europäi­scher Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um umgehend einen Abbruch der EU-Bei­trittsverhandlungen mit der Türkei zu erwirken.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, über dieses Thema besteht weit­gehend Konsens. Die Türkei mischt gerade aktiv militärisch im syrischen Bürgerkrieg mit, verursacht dort eine humanitäre Katastrophe und eine Flüchtlingskrise, erfüllt na­hezu keine Menschensrechtsstandards, wie wir sie uns vorstellen. Sie ist vor allem – und das ist der entscheidende Punkt – kein europäisches Land. Ich ersuche also um Ihre Zustimmung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt aber zum eigentlichen Grund der Debatte, nämlich zum Bereich Asyl und Lehre und der Sonderregelung, die Sie in einem bunten Parteienbündnis heute hier für Asyl­werber schaffen wollen, die sich in Lehrausbildung befinden. Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Diese ganze Debatte ist nicht nur völlig unsachlich, sondern sie ist in Wahrheit auch hochgradig verlogen und eine einzige Farce.

12.52.41*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie ersuchen, das Wort „ver­logen“ zurückzunehmen. Wir haben uns darauf verständigt, dass diese Wortwahl in diesem Haus nichts verloren hat.


Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Ich werde es in diesem Kontext nicht zurücknehmen und werde erläutern - -


Präsidentin Doris Bures: Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Ich ersuche Sie, sich in weiterer Folge Ihres Redebeitrags an die vereinbarten Regelungen des Hauses und auch daran zu halten, dass wir nicht die Würde des Hauses verletzen wollen. (Bei­fall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

*****

Ich erteile Ihnen erneut das Wort.


12.53.12


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 65

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Ich werde mich bemühen.

Warum ist diese Debatte sachlich nicht zu rechtfertigen und unehrlich – wenn wir ei­nen anderen Begriff verwenden wollen? – Es wird hier zum einen alles vermanscht und vermischt, was es zu vermanschen und zu vermischen gibt. (Zwischenruf der Abg. Yil­dirim.) Es wird Asyl mit Zuwanderung vermischt, es werden eine Integrationsdebatte und eine wirtschaftliche Debatte aufgezogen, die sachlich damit nichts zu tun haben. (Abg. Ernst-Dziedzic: Das macht ihr, sonst niemand!)

Worum geht es? – Es geht um das Asylrecht! Sie alle wissen ganz genau: Das Asyl­recht ist ein individuelles Recht, bei dem individuell im Einzelfall geprüft wird: Liegt ein Asylgrund vor? Asyl ist Schutz und Hilfe auf Zeit. Liegt dieser Asylgrund, dieser Flucht­grund, diese individuelle Verfolgung im Heimatland vor oder eben nicht? Wenn unab­hängige Gerichte in mehreren Instanzen feststellen, dass der Asylgrund nicht oder nicht mehr vorliegt, hat diese Person abgeschoben zu werden. Damit könnten wir die Debatte beenden! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie bringen vorgeschobene Argumente. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich eine ehrliche und sachlich ordentlich geführte Debatte ist, wenn hier auch von Kollegen Schellhorn immer auf den angeblichen wirtschaftlichen Bedarf verwiesen wird. (Zwi­schenruf des Abg. Schellhorn.) Wir wissen, dass ein Großteil dieser Lehrlinge in der Gastronomie ausgebildet wird. Das ist eine wichtige Sparte, aber ich glaube nicht, dass zum Beispiel in Afghanistan die Nachfrage nach Kellnern so besonders groß ist, wie Sie glauben. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. (Abg. Loacker: Ein Wirtschaftsexperte für Afghanistan! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Abgesehen davon haben wir rund 30 000 Asylberechtigte in Österreich, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind. Die können und sollen jederzeit jeder Tätigkeit und natürlich auch einer Lehre nachgehen, meine Damen und Herren! Wo ist das Problem? (Beifall bei der FPÖ.)

Überhaupt muss man festhalten, dass es auch mehrere Tausend Österreicher gibt, die eine Lehrstelle suchen. Unsere Aufgabe als österreichische Politiker sollte in erster Li­nie sein, zu schauen, dass wir in diesem Land für die eigenen Leute eine ordentliche Ausbildung finden und schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: Ja, eh!)

Das Zweite, was Sie immer ins Feld führen, ist diese Integrationsdebatte. Das ist in Wahrheit ein völlig inhaltsleeres Integrationsgeschwafel. Es mag sein, dass sich man­che bemühen, die Sprache lernen und in der Gemeinschaft mitarbeiten. Ich habe es schon zu Beginn gesagt, das hat nichts mit dem Asylverfahren und mit dem Asylrecht zu tun. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.) Diese ganze Debatte ist also in Wahrheit ein Witz!

Ich verstehe nicht, dass die ÖVP hier so eine radikale Kehrtwende gemacht hat und umgefallen ist. Sebastian Kurz hat ja selbst in der Debatte, die wir schon in der vergan­genen Legislaturperiode in diesem Haus öfters geführt haben, davor gewarnt, dass man durch eine solche Sonderregelung Tür und Tor für weitere Forderungen öffnet. Das haben wir jetzt bei diesem Afghanen aus Langenlois – so, glaube ich, heißt die Ortschaft – gesehen, der in einer Klosterschule für Sozialberufe zur Schulausbildung ist. (Abg. Schellhorn: Pflegeberufe!) Es werden Forderungen für alle kommen, die in Schulausbildung sind, für alle, die studieren, für alle, für die sich irgendwelche Forde­rungen ableiten lassen.

Genau davor hat Sebastian Kurz gemeinsam mit uns zu Recht gewarnt. Die ganze De­batte über diesen Asylwerber, der jetzt nicht abgeschoben wird, stellt in meinen Augen eine unfassbare Rechtsbeugung dar, weil die Novelle noch gar nicht beschlossen ist. Das soll mir einer von der ÖVP jetzt am besten erklären, wie Sie dazu stehen. Das


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kann es ja wirklich nicht sein, dass das, bevor das Gesetz beschlossen ist, so gemacht wird. Das ist gar kein Lehrling! Das ist ja wirklich abenteuerlich!

Seit November 2018 ist letztinstanzlich entschieden, dass dieser Herr das Land zu ver­lassen hat. Wäre Herbert Kickl im November 2018 noch Innenminister gewesen, hätte er vermutlich die Heimreise spätestens im Dezember angetreten, meine Damen und Herren. (Abg. Pfurtscheller: Da war er es ja noch!)

Jetzt haben Sie das so gemacht, dass er wahrscheinlich nie wieder dieses Land ver­lässt. Wir erzeugen auch einen Pullfaktor, wir erzeugen durch dieses Gesetz Anreize, dass immer mehr herkommen und sagen: Na ja, ich wandere illegal nach Österreich ein und mache hier eine Lehre. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Herr Schellhorn, der sich hier jetzt so aufregt (Abg. Schellhorn: Weil es nicht stimmt!), will ja weiter ge­hen – auch Herr Anschober. Sie wollen das Modell zwei plus drei, oder drei plus zwei. (Abg. Schellhorn: Drei plus zwei!) – Drei plus zwei, ja; das bleibt unterm Strich das Gleiche. Sie wollen, dass er zwei Jahre hier bleibt und dann als Facharbeiter nach Hause geht. Na ja, ich sagen Ihnen, was dann passiert: Die Wirtschaft und auch Sie und die Grünen werden wieder hergehen und sagen: Jetzt ist er ja richtig gut ausgebil­det, ein Geselle, ein hoch qualifizierter Facharbeiter. Jetzt wäre es ein Wahnsinn, dass wir ihn abschieben. (Rufe bei den Grünen: Ja!  Beifall bei den Grünen.) – Ja, genau!

Jetzt zeigt der potenzielle und künftige Koalitionspartner der ÖVP sein wahres Gesicht. Das ist der Mitte-rechts-Kurs, den Sebastian Kurz und seine türkis angepinselte Truppe den Wählern versprochen hat. Da bin ich gespannt, wie das funktionieren wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie das – auch mit der Rot-Weiß-Rot-Karte – wollen, ist das in Wahrheit ein Daueraufenthaltsrecht. Das Aufenthaltsrecht wird verfestigt. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Das gilt dann übrigens auch für die ganze Familie, und wir werden diese Menschen, die illegal eingereist sind, die dem Staat Österreich auch wissentlich oder unwissentlich falsche Angaben gemacht haben, nie wieder los. Das ist eine gefährliche Geschichte.

Wie gesagt, ich wünsche mir vor allem von der Österreichischen Volkspartei, dass sie zur Besinnung kommt, dass sie wieder zur Vernunft kommt und dass sie sich an das erinnert, was sie den Wählern in Österreich bei der Wahl versprochen hat. Mit diesem links-grünen Kurs, den Sie hier gemeinsam veranstalten, wird das nicht funktionieren.

Wir wollen die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land erhalten, wir wollen, dass unabhän­gige Richter auf Grundlage der gültigen Gesetze entscheiden und nicht Lehrherren, wirtschaftliche Interessen oder irgendwelche NGOs oder Integrationsvereine. Liebe ÖVP, kommen Sie bitte zur Vernunft! (Beifall bei der FPÖ.)

12.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Kickl, Amesbauer, Schrangl

und weiterer Abgeordneter

betreffend Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 50/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (12 d.B.), TOP 1., in der 6. Sitzung des Nationalrates am 11.12.2019


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Die Beziehung zwischen der Europäischen Union und der Türkei auf dem Papier ent­sprechen seit vielen Jahren nicht der Realität. Nach wie vor ist die Türkei formal ein EU-Beitrittskandidat, jedoch ist seit vielen Jahren klar, dass diese in Aussicht gestellte Beziehung unmöglich geworden ist.

Das haben auch die letzten Entwicklungen in der Türkei wieder gezeigt: Durch den Ein­marsch in Nordsyrien verstößt die Türkei gegen Völkerrecht und trägt maßgeblich zur weiteren Destabilisierung der Lage in der Region bei. Die langfristigen Folgen dieser Eskalation in Hinblick auf das mögliche Wiedererstarken islamistischer Gruppen sowie auf den syrischen Bürgerkrieg könnten verheerend sein. Die Staats- und Regierungs­chefs der Europäischen Union haben beim Europäischen Rat am 17. und 18. Oktober 2019 dieses einseitige militärische Vorgehen der Türkei verurteilt und zudem ihre Ent­schlossenheit bekundet, die schwere humanitäre Krise und die daraus resultierende Flüchtlingskrise im Lichte der sich ergebenden Erfordernisse wirksam anzugehen.

Die vergangenen Berichte der Europäischen Kommission, Berichte über Menschen­rechtsverletzungen, zahlreiche undemokratische Vorgehensweisen gegenüber kriti­schen Medien, den Umgang mit eigenen Minderheiten und erneuten grundlosen Inhaf­tierungen von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern aus EU-Mitgliedstaaten – darunter auch aus Österreich - bekräftigen die Position, dass die Türkei in keiner Weise ein Mit­gliedstaat der Europäischen Union werden kann. Die Türkei in ihrer derzeitigen Form ist kein verlässlicher Partner für Österreich und Europa, zumal Demokratie und Rechts­staatlichkeit unverhandelbare Grundrechte darstellen.

Vor dem Hintergrund der Verdichtung der Anzeichen, dass die Türkei verbrecherische IS-Anhänger nun auch nach Österreich abschieben will und damit droht, die Flücht­lingslager für syrische Flüchtlinge zu öffnen, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, auf Europäi­scher Ebene alle Maßnahmen zu ergreifen, um umgehend einen Abbruch der EU-Bei­trittsverhandlungen mit der Türkei zu erwirken.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


12.59.47

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich beginne vielleicht mit einer kurzen Replik auf den Beitrag meines Vorredners.

Ich gebe Kollegen Amesbauer schon recht, ein Problem haben wir: dass wir manchmal den Mut zu klarer Umsetzung von rechtskräftigen Entscheidungen nicht finden. Und bei allem Respekt, Herr Bundesminister Peschorn, ich kann auch nicht nachvollziehen, warum nach zwei rechtskräftigen Erkenntnissen, in erster und in zweiter Instanz, nach höchstgerichtlichen Entscheidungen der Fall dieses Mannes aus Langenlois jetzt tat­sächlich noch einmal einer amtswegigen Prüfung unterzogen wird. Ich glaube, die Ös-


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terreicherinnen und Österreicher können nicht verstehen, dass man in drei beziehungs­weise vier Instanzen rechtskräftige Erkenntnisse, aber dann keine Rechtsklarheit hat. Gestatten Sie mir, das zu sagen! (Beifall bei der ÖVP – Abg. Wurm: Jetzt kenn’ ich mich nicht mehr aus! – Abg. Kickl: Die ÖVP, wie sie leibt und lebt!)

Nun zu einem ganz wichtigen Punkt, nämlich zur notwendigen Trennung in unserer Diskussion: Wir haben in unserer Diskussion zwei Themen, Asyl und Zuwanderung. Die Zuwanderung ist der Weg von Menschen, die nach Österreich kommen wollen, geordnet, geregelt, im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse Österreichs. Ganz im Gegensatz dazu – und das wird sehr oft vermischt – steht das Thema, über das wir heute sprechen: Asyl. Asyl bedeutet Flucht, Notlage, Schutz, Auffangen. Asyl bedeutet ein Verfahren, und am Ende dieses Verfahrens steht ein Erkenntnis. Wenn das Erkenntnis lautet, dieser Mann, diese Frau verdient Schutz, hat Asylrecht in Öster­reich, dann erst beginnt der Zugang zum Arbeitsmarkt. Alles andere führt uns in die Ir­re. Wir müssen diesen geraden Weg beibehalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor einer positiven Entscheidung, meine Damen und Herren, also bei einem offenen Verfahren, darf es keinen Zugang zum Arbeitsmarkt geben. (Abg. Kickl: Das ist ein Höchstentscheid der Heuchelei, was da stattfindet!) Darum ist es natürlich wichtig, dass wir kurze Asylverfahren haben. Da ist in letzter Zeit viel passiert. Asylverfahren in erster Instanz sind innerhalb weniger Wochen abgeschlossen.

Meine Damen und Herren – Kollege Amesbauer hat das nicht angesprochen –, wir ste­hen aber vor einer Herausforderung. Zwischen 2012 und 2018 galt ein Erlass des da­maligen Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der es Asylwer­bern im Gegensatz zur Trennung der Begriffe Asyl und Zuwanderung während des of­fenen Asylverfahrens ermöglicht hat, in Lehre zu gehen. Wir haben diese Menschen als Asylwerber – verzeihen Sie mir! – selbst mit einem rechtsstaatlichen Akt zur Lehre eingeladen. Wir wollten nun als Volkspartei eine Lösung finden, die Klarheit schafft: für die derzeit 767 Asylwerber, die sich aufgrund unserer Einladung derzeit in Lehre be­finden, und für die Wirtschaft, die sich Rechtssicherheit verdient. Sie alle haben ein Recht darauf, dass sie sich auf die Politik verlassen können.

Mit der geplanten gesetzlichen Anpassung, die von den Expertinnen und Experten des Innenministeriums begleitet worden ist – Herr Bundesminister, herzlichen Dank da­für! ‑, schaffen wir Klarheit (Beifall bei der ÖVP) und die Möglichkeit, dass die derzeit in einem Lehrverhältnis befindlichen und nicht straffälligen Asylwerber diese Lehre auch im Fall eines rechtskräftig negativen Asylbescheides bis zur Lehrabschlussprüfung fort­setzen können.

Es geht jedoch, und auch das festzuhalten ist wichtig, nicht um einen neuen Aufent­haltstitel. (Ruf bei der FPÖ: Na, klar ...! – Abg. Belakowitsch: Na sicher, die san jo ...!) Es geht vielmehr ausschließlich um die Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer begonnenen Lehre.

Eines ist unbestritten – und wir wollen ja den Rechtsstaat auch wirklich und in allen Be­reichen umsetzen, darum auch meine Einleitung –, wir wollen, dass die Personen, die einen rechtskräftig negativen Bescheid haben, nach dem Ende der Lehre das Land verlassen müssen. Die Ausbildung bringt Know-how, das Know-how bringt den Men­schen die Möglichkeit, in ihrem Land zum Aufbau beizutragen. (Abg. Belakowitsch: Ja, wenn ich bei Spar Gemüse einsortiere ...!)

Meine Damen und Herren, eines darf ich auch sagen: Menschen, die freiwillig aus Ös­terreich ausgereist sind, haben die Möglichkeit, wieder nach Österreich zurückzukom­men und in den Arbeitsmarkt zuzuwandern. Jetzt sind wir beim Begriff zuwandern im Sinne einer Zuwanderung – geordnet, geregelt und an den Bedürfnissen des Betroffe­nen und den Bedürfnissen Österreichs ausgerichtet. (Abg. Kickl: Wie schaut’s denn


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mit der Verfestigung aus ...? – Ruf bei der FPÖ: Ja, Familiennachzug!) Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, mit einer freiwilligen Ausreise haben wir das Problem so weit gelöst, dass für die 767 Menschen tatsächlich eine Lösung gegeben ist.

Wir haben in den letzten Wochen, nachdem wir den Grundsatzantrag am 13. Novem­ber hier im Hohen Haus eingebracht haben, mehrere Gespräche mit den Fraktionen geführt und wollten eine breite parlamentarische Mehrheit erreichen. Wir führen mit dem Abänderungsantrag der Abgeordneten Karl Mahrer, Reinhold Einwallner, Alma Zadić und Stephanie Krisper, den ich hiermit einbringen darf – ich bitte auch, ihn zu verteilen (Abg. Kickl: Barbamahrer!) –, noch mehrere Präzisierungen ein, die helfen sollen, Klarheit zu schaffen.

Was die berechtigten Interessen der Wirtschaft betrifft, möchte ich noch einmal wie­derholen, meine Damen und Herren: Wir brauchen nicht über 767 Asylwerber – von denen wahrscheinlich nur 200 oder 300 einen rechtskräftig negativen Bescheid erhal­ten werden – für die Wirtschaft zu diskutieren (Abg. Belakowitsch: Wieso wissen Sie das jetzt schon?), sondern wir sollten betreffend die Wirtschaft darüber diskutieren und am Arbeitsmarkt die entsprechenden Anreize schaffen, damit wir die 30 000 Asylbe­rechtigten, die schon einen positiven Asylbescheid haben, auch tatsächlich in den Ar­beits- und in den Lehrlingsmarkt integrieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren und Herr Kollege Amesbauer, wie ist für jene 767 Menschen der Unterschied? – Wir stehen zum Rechtsstaat. (Abg. Belakowitsch: Ihr setzt ihn ge­rade außer Kraft!) Wir stehen aber auch zu den einzelnen Menschen, denn genau für diese 767 Menschen, die wir selbst zur Lehre eingeladen haben (Abg. Kickl: Dann le­sen Sie den Erlass vom Hundstorfer durch ...! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), brauchen wir eine Lösung, und wir haben, so glaube ich, eine pragmatische und eine menschliche Lösung getroffen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Im Gegensatz zu Kollegen Amesbauer danke ich allen Fraktionen (Zwischenruf des Abg. Kickl), die zu der vernünftigen und aus meiner Sicht auch sehr guten Lösung bei­getragen haben, und bitte betreffend diesen Abänderungsantrag in Gesamtheit um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, BA, Ing. Reinhold Einwallner, Dr. Alma Zadic, LL.M., Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Karl Mahrer B.A., Kolleginnen und Kollegen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (87/A, XXVII. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der oben zitierte Antrag (87/A, XXVII. GP) wird wie folgt geändert:

1. Z 3 lautet:

„3. Nach § 55 wird folgender § 55a samt Überschrift eingefügt:

„Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise zum Zweck des Abschlusses einer be­gonnenen Berufsausbildung

§ 55a. (1) Ist ein Asylwerber, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird oder nicht rechtskräftig erlassen worden ist, als Lehrling (§ 1 des Berufsausbildungs­gesetzes – BAG, BGBl. Nr. 142/1969) beschäftigt und teilt er oder der Lehrberechtigte


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(§ 2 Abs. 1 BAG) dies rechtzeitig (Abs. 3) dem Bundesamt mit, so beginnt die Frist für die freiwillige Ausreise abweichend von § 55 Abs. 2

1. ab dem Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflö­sung des Lehrverhältnisses oder

2. im Falle der Beantragung der Zulassung zur Lehrabschlussprüfung mit Ablauf des von der zuständigen Lehrlingsstelle gemäß § 23 BAG festgesetzten Prüfungstermins, wenn dieser nach dem in Z 1 genannten Zeitpunkt liegt und dem Bundesamt mitgeteilt wurde,

spätestens jedoch nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn des Lehrverhältnisses zu laufen, sofern das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 begonnen und seitdem ununterbrochen bestanden hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Asylwerber, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht haben.

(3) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 ist rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spätestens vor der Zustellung der Rückkehrentscheidung zugeht. Ist diese zum Zeitpunkt des In­krafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 bereits zugestellt und erhebt der Asylwerber dagegen Beschwerde, so ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie dem Bun­desamt spätestens vor der Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsge­richtes zugeht. Diesfalls ist das Bundesamt verpflichtet, die Mitteilung unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis zu bringen.

(4) Die Mitteilung gemäß Abs. 1 bedarf der Schriftform. Ihr ist bei sonstiger Unwirk­samkeit eine Abschrift des Lehrvertrags, in den Fällen des Abs. 1 Z 2 darüber hinaus eine Abschrift der Entscheidung der Lehrlingsstelle über die Festsetzung des Prüfungs­termins beizulegen. Eine rechtzeitig erstattete und wirksame Mitteilung hat bei Vorlie­gen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1 für den Fall der rechtskräftigen Erlas­sung einer Rückkehrentscheidung zur Folge, dass das Lehrverhältnis nicht als gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG beendet gilt.

(5) Endet das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit (§ 14 Abs. 2 lit. a bis e BAG) oder wird es vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst (§§ 15 oder 15a Abs. 1 BAG), so ist der Lehrberechtigte verpflichtet, dies unverzüglich, spätestens je­doch innerhalb einer Woche, dem Bundesamt schriftlich mitzuteilen. In der Mitteilung ist neben den nach dem ersten Satz maßgeblichen Tatsachen und dem Zeitpunkt ihres Eintritts die Identität des Drittstaatsangehörigen anzugeben.

(6) Eine gemäß Abs. 1 eingetretene Hemmung des Fristenlaufs erlischt, wenn

1. das Lehrverhältnis vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet oder vorzeitig oder außerordentlich aufgelöst wird,

2. der Drittstaatsangehörige straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) oder

3. die für das Lehrverhältnis erteilte Beschäftigungsbewilligung erlischt (§ 7 Abs. 6 AuslBG) oder widerrufen wird (§ 9 AuslBG) oder die Entscheidung, mit der sie erteilt wurde, im Rechtsweg nachträglich behoben wird.

Die Anwendung der Z 1 setzt nicht voraus, dass der Lehrberechtigte die Mitteilung ge­mäß Abs. 5 erstattet hat.

(7) Das Bundesamt hat ein Merkblatt über die Möglichkeit der Erstattung einer Mittei­lung gemäß Abs. 1, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen zu erstel­len. Dieses ist beim Bundesamt und beim Bundesverwaltungsgericht bereitzuhalten. Ergibt sich aus der Aktenlage oder wird in einer Einvernahme (§ 19 AsylG 2005) oder einer mündlichen Verhandlung (§ 21 BFA-VG) vorgebracht, dass ein Asylwerber als Lehrling beschäftigt ist, so ist ihm das Merkblatt nachweislich auszuhändigen.


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(8) Das Arbeitsmarktservice hat Lehrberechtigte, welche Asylwerber als Lehrlinge be­schäftigen, umgehend von der Möglichkeit der Erstattung einer Mitteilung gemäß Abs. 1, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen in geeigneter Form, insbe­sondere unter Verwendung des Merkblatts gemäß Abs. 7, zu informieren.““

2. Nach Z 3 (§ 55a FPG) werden folgende Z 3a und 3b eingefügt:

„3a. In § 120 Abs. 5 wird in Z 4 das Wort „oder“ und in Z 5 der Punkt jeweils durch ei­nen Strichpunkt ersetzt sowie folgende Z 6 angefügt:

„6. solange die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55a Abs. 1 gehemmt oder die Abschiebung gemäß § 125 Abs. 31 aufgeschoben ist.“

3b. Dem § 125 werden folgende Abs. 31 bis 34 angefügt:

„(31) Die Abschiebung eines im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist bis zu dem nach Abs. 32 maßgeblichen Zeitpunkt aufzuschieben, wenn

1. dieser als Lehrling beschäftigt war, sofern das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG geendet und bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen bestanden hat,

2. das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde, deren Gegenstand die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung umfasste, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bun­desgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 bereits zurück- oder abgewiesen hat,

3. einer gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nach Z 2 erhobenen Revision (Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG) oder Beschwerde (Art. 144 B-VG) die aufschie­bende Wirkung zuerkannt wurde (§ 30 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgeset­zes 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder § 85 Abs. 2 des Verfassungsgerichtshof­gesetzes 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953) und

4. das Lehrverhältnis mit dem früheren Lehrberechtigten in demselben Lehrberuf wie­deraufgenommen worden ist und der Drittstaatsangehörige oder der Lehrberechtigte dies dem Bundesamt rechtzeitig und wirksam (Abs. 33) mitgeteilt hat. Die Endigung des früheren Lehrverhältnisses gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG steht einer Eintragung des Lehrvertrages gemäß § 20 BAG in diesen Fällen nicht entgegen.

Die Z 1 bis 4 sind auf Drittstaatsangehörige, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005), denen keine Frist für die freiwillige Ausreise (§ 55) eingeräumt worden ist oder die im Rahmen des Asylverfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht ha­ben, nicht anzuwenden.

(32) Der Aufschub der Abschiebung gemäß Abs. 31 endet

1. mit dem gemäß § 55a Abs. 1 Z 1 oder 2 maßgeblichen Zeitpunkt oder

2. nach Ablauf von vier Jahren, gerechnet ab der Wiederaufnahme des Lehrverhältnis­ses und abzüglich der anzurechnenden Dauer des früheren Lehrverhältnisses,

je nachdem, welcher dieser Zeitpunkte früher eintritt. § 55a Abs. 5 und 6 gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise der Aufschub der Abschiebung gemäß Abs. 31 tritt.

(33) Die Mitteilung gemäß Abs. 31 Z 4 ist rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt spä­testens bis zum Ablauf von drei Wochen ab Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG oder § 85 Abs. 2 VfGG zugeht. Wurde die aufschiebende Wirkung bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 zuerkannt, so ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie dem Bundesamt bis zum Ablauf von drei Wochen nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 zugeht. § 55a Abs. 4 erster und zweiter Satz ist sinngemäß anzuwenden.


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(34) Eine rechtzeitige und wirksame Mitteilung gemäß Abs. 33 hat bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 31 neben dem Aufschub der Abschiebung zur Folge, dass die dem Drittstaatsangehörigen für das frühere Lehrverhältnis erteilte Be­schäftigungsbewilligung abweichend von § 7 Abs. 6 Z 1 AuslBG nicht als erloschen gilt.““

3. Z 4 lautet:

„4. Dem § 126 wird folgender Abs. 23 angefügt:

„(23) Die §§ 52 Abs. 8 zweiter Satz, 55a, 120 Abs. 5, 125 Abs. 31 bis 34 und 127 sowie der Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu § 55a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2019 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und nach Ablauf von vier Jahren nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Eine bis dahin gemäß § 55a Abs. 1 eingetretene und nicht gemäß § 55a Abs. 6 erloschene Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise dauert über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem nach § 55a Abs. 1 oder Abs. 6 maßgeblichen Zeitpunkt fort. Ein bis dahin gemäß § 125 Abs. 31 eingetretener und nicht gemäß § 125 Abs. 32 zweiter Satz erloschener Aufschub der Abschiebung dauert über diesen Zeitpunkt hinaus bis zu dem nach § 125 Abs. 32 maßgeblichen Zeitpunkt fort.““

4. Nach Z 4 wird folgende Z 5 angefügt:

„5. In § 127 wird nach der Bezeichnung „Bundesminister für Justiz, “ die Wendung „mit der Vollziehung des § 55a Abs. 8 die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz“ eingefügt.“

Begründung

Zu § 55a

Abs. 1:

In Abänderung zum Initiativantrag 87/A vom 13. November 2019 (XXVII. GP) soll im Schlussteil des Abs. 1 nicht mehr auf den 12. September 2018 als für den Beginn des Lehrverhältnisses maßgeblichen Stichtag abgestellt, sondern nur noch festgelegt wer­den, dass das betreffende Lehrverhältnis vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Bun­desgesetzes begonnen haben muss. Abs. 1 erfasst somit nunmehr auch jene geringe Zahl an Ausnahmefällen, in denen das Lehrverhältnis deshalb nach dem 12. Septem­ber 2018 begonnen wurde, weil die jedenfalls erforderliche Beschäftigungsbewilligung erst nachträglich im Wege einer stattgebenden Beschwerdeentscheidung des Bundes­verwaltungsgerichtes erteilt worden ist. Die Einbeziehung auch dieser Fälle ist aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, weil andernfalls danach differenziert würde, wann und in welchem Verfahrensstadium die Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Zweck der vorliegenden Regelung ist es, eine einmalige Lösung für jene knapp 800 Per­sonen umfassende Gruppe von Drittstaatsangehörigen zu schaffen, die sich gegen­wärtig in einem Lehrverhältnis befinden. Es soll daher weiterhin Voraussetzung sein, dass das betreffende Lehrverhältnis bereits vor Inkrafttreten des vorliegenden Bundes­gesetzes begonnen hat. Wie bereits in den Erläuterungen zu Abs. 1 idF des Initiativ­antrags 87/A ausgeführt, soll die vorliegende Regelung einerseits dem wirtschaftlichen Interesse der Lehrberechtigten, die in die Ausbildung der Lehrlinge getätigten Investi­tionen nicht vorzeitig zu verlieren, Rechnung tragen. Andererseits ist festzuhalten, dass ein begonnenes Lehr- oder sonstiges Arbeitsverhältnis nach ständiger Rechtsprechung für sich genommen keinen ausreichenden Grund darstellt, um im Rahmen der Abwä­gung nach § 9 Abs. 2 BFA VG bzw. Art. 8 EMRK die dauerhafte Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung festzustellen und folglich einen Aufenthaltstitel


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aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen (z.B. VwGH 5.10.2010, 2010/22/0147; 28.2.2019, Ro 2019/01/0003; 25.4.2019, Ra 2019/19/0135; 27.6.2019, Ra 2019/14/0142; 14.8.2019, Ra 2019/18/0216; 5.11.2019, Ro 2019/
01/0008). Die vorliegende Regelung soll daher nicht einem schutzwürdigen privaten Interesse des für den Fall der rechtskräftigen Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausreisepflichtigen Fremden an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet Rechnung tragen, sondern dem im öffentlichen Interesse des inländischen Arbeitsmarktes liegen­den Bedürfnis bestimmter Lehrberechtigter, begonnene Lehrverhältnisse möglichst bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer und damit in Übereinstim­mung mit ihren ursprünglichen Kalkulationen durchführen zu können (zur Nichtberück­sichtigung derartiger öffentlicher Interessen des inländischen Arbeitsmarktes bei der Abwägung nach Art. 8 EMRK vgl. z.B. VwGH 23.3.2010, 2008/18/0305; 29.6.2010, 2010/18/0242; 25.11.2010, 2007/18/0736; 28.2.2019, Ro 2019/01/0003). Vor diesem Hintergrund ist die Zielgruppe der für eine Fristenhemmung nach § 55a in Betracht kommenden Personen so abzugrenzen, dass die Regelung nur jenen Lehrberechtigten zugutekommt, die durch eine Abschiebung des Lehrlings nicht nur unmittelbar oder zu­mindest zeitnah, sondern auch in spürbarem Ausmaß in ihrer Betriebsführung betroffen sind. Dies trifft typischerweise nur auf Fälle zu, in denen das Lehrverhältnis bereits ei­nen gewissen Zeitraum gedauert hat, also über ein bloßes Anfangsstadium hinausge­langt ist, und dementsprechend Investitionen in die Ausbildung des Lehrlings bereits in nennenswertem Umfang getätigt worden sind. Daher ist es sachlich gerechtfertigt, nur jene Fälle zu erfassen, in denen das Lehrverhältnis bereits vor Inkrafttreten des vorlie­genden Bundesgesetzes begonnen hat.

Abs. 2 bis 5:

Die Abs. 2 bis 5 entsprechen der Fassung des Initiativantrags 87/A vom 13. November 2019 (XXVII. GP). Auf die diesbezüglichen Erläuterungen wird verwiesen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine nach Abs. 2 maßgebliche (versuchte) Täuschung über die Identität sind die Judikatur und die Auslegung zu § 18 Abs. 1 Z 3 BFA VG maßgeblich. Hinsichtlich des zweiten Satzes des Abs. 3 ist ergänzend zum Initiativantrag 87/A Fol­gendes festzuhalten: Nach dem Wortlaut der Bestimmung kommt es auf den Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes an. Dieser Zeitpunkt entspricht regelmäßig dem Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung (VwGH 15.3.
2017, Ra 2017/04/0024), mit dem wiederum deren Rechtskraft eintritt (siehe dazu die Erläuterungen zu § 125 Abs. 31 Z 2). Für die Rechtzeitigkeit der Mitteilung über den Bestand des Lehrverhältnisses kommt es somit darauf an, dass diese dem Bundesamt zugeht, bevor die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gegenüber dem Drittstaatsangehörigen in Rechtskraft erwachsen ist.

Abs. 6:

Die neu eingefügte Z 3 des Abs. 6 sieht vor, dass die Hemmung des Fristenlaufs für die freiwillige Ausreise gemäß Abs. 1 auch dann erlischt, wenn die für das Lehrverhält­nis erteilte Beschäftigungsbewilligung erlischt oder widerrufen wird oder die Entschei­dung, mit der sie erteilt wurde, im Rechtsweg nachträglich behoben wird. Die Gründe, aus denen eine Beschäftigungsbewilligung erlöschen bzw. widerrufen werden kann, er­geben sich aus den §§ 7 Abs. 6 und 9 AuslBG. Aufgrund des Erlöschens oder des Wi­derrufs der Beschäftigungsbewilligung darf der Drittstaatsangehörige nicht mehr zu­lässigerweise als Lehrling beschäftigt werden (§ 3 Abs. 1 AuslBG), weshalb es sachlich gerechtfertigt ist, in diesen Fällen auch die Hemmung der Frist für die freiwillige Ausrei­se erlöschen zu lassen. Bei der nachträglichen Aufhebung der die Beschäftigungsbe­willigung erteilenden Entscheidung geht es um Fälle, in denen das Bundesverwal­tungsgericht in Stattgabe einer Beschwerde des Lehrberechtigten die Beschäftigungs­bewilligung erteilt hat und diese Entscheidung auf Grund einer erfolgreichen Amtsrevi­sion aufgehoben wird.


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Nach Abs. 4 letzter Satz, auf dessen Erläuterung verwiesen wird, gilt das Lehrverhält­nis im Übrigen nicht als gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG beendet, wenn gegen den Dritt­staatsangehörigen in Verbindung mit der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wird, nachdem durch Erstat­tung einer Mitteilung gemäß Abs. 1 eine Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise eingetreten ist. Da das Lehrverhältnis in diesem Fall aufrecht bleibt, kommt es auch nicht zum Erlöschen der Beschäftigungsbewilligung (§ 7 Abs. 6 Z 1 AuslBG). Es stellt daher keinen nach Z 3 maßgeblichen Erlöschensgrund dar, wenn der Antrag auf inter­nationalen Schutz nach Eintritt einer Fristenhemmung (Abs. 1) rechtskräftig abgewie­sen wird. Um die Rechtsfolge gemäß Z 3 auszulösen, muss das Erlöschen der Be­schäftigungsbewilligung vielmehr auf anderen Gründen, etwa auf der vorzeitigen oder außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses durch den Lehrling oder den Lehr­berechtigten und dem dadurch bedingten Ende der Beschäftigung als Lehrling, beru­hen (§ 7 Abs. 6 Z 1 AuslBG).

Abs. 7:

Um die nach Abs. 1 eingeräumte Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise durch Erstattung einer rechtzeitigen und wirksamen Mitteilung (Abs. 3 und 4) auslösen zu können, sind dem in einem Lehrverhältnis befindlichen Asylwerber diese Möglichkeit, die diesbezüglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen zur Kenntnis zu bringen. Zu diesem Zweck erstellt das Bundesamt bis zum Inkrafttreten der vorliegenden Bestimmungen ein Merkblatt, das der Information von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsge­richt dienen soll. Eine Information durch nachweisliche Aushändigung des Merkblatts soll zweckmäßigerweise nur erfolgen, wenn sich aus dem Sachverhalt Anhaltspunkte für eine Beschäftigung als Lehrling (aus der Aktenlage oder über Vorbringen des Be­troffenen) ergeben. Als Nachweis der Aushändigung des Merkblattes wird insbeson­dere ein entsprechender Vermerk in der Niederschrift (§ 14 AVG), ein Aktenvermerk oder eine vom Asylwerber unterzeichnete Übernahmebestätigung in Betracht kommen.

Abs. 8:

Da eine Fristenhemmung nach § 55a Abs. 1 auch auf Grund einer – rechtzeitigen und wirksamen – Mitteilung über ein bestehendes Lehrverhältnis eines Asylwerbers durch dessen Lehrberechtigten ausgelöst werden kann, ist es sachgerecht, auch diesen über die Möglichkeit der Erstattung einer solchen Mitteilung gemäß Abs. 1, deren Wirksam­keitsvoraussetzungen sowie deren Rechtsfolgen zu informieren. Eine solche Informa­tion hat in geeigneter Weise durch das Arbeitsmarktservice als jene Stelle zu erfolgen, die über die erforderlichen Daten jener Lehrberechtigten verfügt, denen die für die An­stellung von Asylwerbern erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen erteilt wurden. Die Information der betroffenen Lehrberechtigten hat umgehend nach Inkrafttreten die­ses Bundesgesetzes zu erfolgen und kann hierzu insbesondere das vom Bundesamt erstellte Merkblatt gemäß Abs. 7 herangezogen werden. Um eine solche umgehende Information zu ermöglichen, wird das Merkblatt gemäß Abs. 7 bereits bis zum Inkraft­treten dieses Bundesgesetzes zu erstellen und dem Arbeitsmarktservice zur Verfügung zu stellen sein.

Zu § 120 Abs. 5

Durch die neue Z 6 in § 120 Abs. 5 wird klargestellt, dass Fremde, deren Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, die jedoch aufgrund einer rechtzei­tig und wirksam erstatteten Mitteilung (§ 55a Abs. 1 iVm Abs. 3 und 4 bzw. § 125 Abs. 31 iVm Abs. 33) eine Hemmung der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55a Abs. 1 oder einen Aufschub der Abschiebung gemäß § 125 Abs. 31 erwirkt haben, bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Lehrverhältnisses keine Verwaltungsübertretung gemäß § 120 Abs. 1a, 1b und 1c Z 2 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts begehen. Dies ist für die Fälle des an den Lauf der Frist für die freiwillige Ausreise anknüpfenden


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§ 55a sachlich gerechtfertigt, weil bereits nach geltender Rechtslage keine solche Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn eine Ausreisefrist gewährt wird (§ 120 Abs. 5 Z 5), und für die Fälle des § 125 Abs. 31 bis 34, weil auch Fremde, die über eine mit dem Aufschub der Abschiebung vergleichbare Duldung (§ 46a) verfügen, von der An­wendbarkeit der vorgenannten Strafbestimmungen ausgenommen sind (§ 120 Abs. 5 Z 2).

Zu § 125 Abs. 31 bis 34

Abs. 31:

Der vorgeschlagene Abs. 31 soll eine Wiederaufnahme des Lehrverhältnisses für jene Drittstaatsangehörigen und ehemaligen Lehrlinge ermöglichen, deren Asylverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Bundesgesetzes bereits rechtskräf­tig abgeschlossen ist und die gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerich­tes Revision an den Verwaltungsgerichtshof (Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG) oder Be­schwerde an den Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B VG) erhoben haben, sofern we­nigstens einem dieser Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. Zu diesem Zweck wird für diese Personengruppe, die aus Sachlichkeitserwägungen jener des § 55a nachgebildet ist, unter den in den Z 1 bis 4 näher bezeichneten und kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen ein Aufschub der Abschiebung bis zum Zeitpunkt der Endigung, der vorzeitigen oder der außerordentlichen Auflösung des wie­deraufgenommenen Lehrverhältnisses vorgesehen. Zum Inkrafttreten des vorliegenden Bundesgesetzes als dem für die Abgrenzung zu § 55a maßgeblichen Stichtag und zur sachlichen Rechtfertigung dieses Stichtags wird auf die Erläuterung zu § 55a Abs. 1 verwiesen.

Gemäß Z 1 muss der betreffende Drittstaatsangehörige in der Vergangenheit als Lehr­ling beschäftigt gewesen sein, wobei das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des vorlie­genden Bundesgesetzes gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG geendet und bis zu diesem Zeit­punkt ununterbrochen bestanden haben muss. Zum Erfordernis des ununterbrochenen Fortbestands des Lehrverhältnisses wird auf die Erläuterungen zu § 55a Abs. 1 im Initiativantrag 87/A vom 13. November 2019 (XXVII. GP) verwiesen. Auch wenn das Lehrverhältnis vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Bundesgesetzes begonnen und bis zum Endigungszeitpunkt ununterbrochen bestanden hat, kann der Drittstaatsange­hörige einen Aufschub der Abschiebung nur bewirken, wenn es vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG, also infolge der rechtskräftig negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, geendet hat. Hat es aus ei­nem anderen Grund geendet, etwa wegen rechtskräftiger Verweigerung oder Lö­schung der Eintragung des Lehrvertrags gemäß § 14 Abs. 2 lit. c BAG, so sind die Z 1 bis 4 von vornherein nicht anwendbar. Die Einschränkung auf den Endigungsgrund des § 14 Abs. 2 lit. f BAG stellt ferner sicher, dass die Z 1 bis 4 nur auf ehemalige Asylwer­ber anwendbar sind.

Z 2 setzt voraus, dass das Bundesverwaltungsgericht die vom Drittstaatsangehörigen gegen die Asylentscheidung und die damit verbundene Rückkehrentscheidung erhobe­ne Beschwerde bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits zurück- oder abgewiesen haben muss, dass also eine rechtskräftige – in der Termino­logie des Art. 2 lit. e der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aber­kennung des internationalen Schutzes („Verfahrens RL“): eine „bestandskräftige“ – Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. OGH 24.11.2015, 1 Ob 127/15f, sowie VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018; 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; 22.3.2019, Ra 2017/04/0111) tritt die Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit deren Erlassung ein, und zwar unabhängig davon, ob Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde


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an den Verfassungsgerichtshof erhoben wird. Diese Voraussetzung grenzt die in Be­tracht kommende Zielgruppe zugleich von jener des vorgeschlagenen § 55a ab, des­sen Abs. 1 voraussetzt, dass sich der Drittstaatsangehörige in einem offenen, also noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren befindet. Indem Z 2 demge­genüber voraussetzt, dass die Rechtskraft der Asylentscheidung bereits eingetreten ist, tritt der Abschiebungsaufschub nach den vorgeschlagenen Abs. 31 bis 34 ergänzend zur Fristenhemmung nach § 55a hinzu.

Z 3 sieht als Voraussetzung vor, dass der Drittstaatsangehörige gegen die Entschei­dung des Bundesverwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof ge­mäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG und/oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B VG erhebt oder bereits erhoben hat und zumindest einem dieser Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung (§ 30 Abs. 2 VwGG oder § 85 Abs. 2 VfGG) zuerkannt worden ist. Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in einem dieser Verfahren befindet sich der betreffende Drittstaatsangehörige (wieder) in einer vergleichbaren Situation wie der von dem vorgeschlagenen § 55a erfasste Drittstaats­angehörige, der sich in einem offenen Asylverfahren befindet und für dessen Dauer ge­gen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung geschützt ist (§ 13 AsylG 2005). Das Kri­terium der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG oder § 85 Abs. 2 VfGG rechtfertigt es daher, dem betreffenden Drittstaatsangehörigen einen – in seinen Auswirkungen mit der Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausrei­se nach § 55a vergleichbaren – Aufschub der Abschiebung bis zum Abschluss des (wiederaufgenommenen) Lehrverhältnisses zu ermöglichen, obwohl über seinen An­trag auf internationalen Schutz bereits eine rechtskräftige Entscheidung des Bundes­verwaltungsgerichtes vorliegt. Dabei kommt es nicht darauf an, wann – vor oder nach Inkrafttreten des vorliegenden Bundesgesetzes – die Revision oder Beschwerde erho­ben bzw. die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Die Einschränkung ist erforder­lich, um der gesetzgeberischen Grundentscheidung Rechnung zu tragen, dass Rechts­mitteln an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die aufschiebende Wirkung nicht bzw. nur dann zukommt, wenn der Verfassungsgerichtshof bzw. das Bundesverwal­tungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof sie im Einzelfall zuerkennt (§ 85 Abs. 1 und 2 VfGG, § 30 Abs. 1 und 2 VwGG). Mit dieser – ein Wesensmerkmal des Verfah­rens vor den Höchstgerichten des öffentlichen Rechts darstellenden – Grundentschei­dung nicht vereinbar und daher unter dem Aspekt der Gleichbehandlung bedenklich wäre eine Regelung, die durch Erstattung einer entsprechenden Mitteilung – siehe da­zu sogleich die Erläuterungen zu Z 4 – einen Aufschub der Abschiebung ohne Rück­sicht auf eine Zuerkennungsentscheidung nach § 85 Abs. 2 VfGG oder § 30 Abs. 2 VwGG ermöglicht, hätte sie doch für die Dauer des Revisions- oder Beschwerde­verfahrens (und darüber hinaus) einen mit der aufschiebenden Wirkung vergleichbaren Aufschub der Abschiebung bewirkt, obwohl die nach § 85 Abs. 2 VfGG bzw. § 30 Abs. 2 VwGG maßgeblichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die dem vorgeschlagenen § 55a Abs. 1 und 3 nachgebildete Z 4 sieht vor, dass der Aufschub der Abschiebung voraussetzt, dass der Drittstaatsangehörige oder der ehe­malige Lehrberechtigte dem Bundesamt rechtzeitig die Wiederaufnahme des Lehrver­hältnisses mitgeteilt hat. Dies soll allerdings nur insoweit gelten, als das Lehrverhältnis mit demselben Lehrberechtigten und in demselben Lehrberuf wiederaufgenommen wurde. Die Endigung des früheren Lehrverhältnisses gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG soll in diesen Fällen einer Eintragung des (neuerlich mit dem früheren Lehrberechtigten in demselben Lehrberuf abgeschlossenen) Lehrvertrages gemäß § 20 BAG nicht entge­genstehen und demnach nicht zu einer Verweigerung der Eintragung gemäß § 20 Abs. 3 BAG führen, sofern alle übrigen Voraussetzungen zur Eintragung vorliegen. Zu den Voraussetzungen der Rechtzeitigkeit und der Wirksamkeit der Mitteilung nach Z 4 wird auf die Erläuterungen zu Abs. 33 verwiesen.


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Der Schlussteil sieht vor, dass ein Aufschub der Abschiebung gemäß Z 1 bis 4 für Dritt­staatsangehörige, die straffällig geworden sind (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005), denen keine Frist für die freiwillige Ausreise (§ 55) gewährt wurde oder die im Rahmen des Asyl­verfahrens über ihre Identität zu täuschen versucht haben, nicht in Betracht kommt. Dies entspricht der Regelung des § 55a Abs. 2, der Asylwerber, auf die eines dieser Kriterien zutrifft, von der Möglichkeit, eine Hemmung des Laufs der Frist für die frei­willige Ausreise zu bewirken, ausnimmt. Zu den Voraussetzungen und den Anforderun­gen einer versuchten Täuschung über die Identität wird auf die Erläuterungen zu § 55a Abs. 2 verwiesen.

Es wird zweckmäßig sein, in Betracht kommende Lehrberechtigte in geeigneter Form, etwa durch Veröffentlichung auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, des Arbeitsmarktservice oder der gemäß § 19 Abs. 1 BAG als Lehrlingsstellen tätigen Landeskammern der gewerblichen Wirt­schaft, über die Möglichkeit der Abgabe der Erklärung und der Bewirkung eines Ab­schiebungsaufschubs zu informieren. Abs. 31 steht solchen allgemein gehaltenen In­formationen nicht entgegen.

Abs. 32:

Abs. 32 regelt den Zeitpunkt, bis zu dem unter den Voraussetzungen des Abs. 31 die Abschiebung des betreffenden Drittstaatsangehörigen längstens aufgeschoben ist. Dieser Zeitpunkt entspricht – bezogen auf das wiederaufgenommene Lehrverhältnis – grundsätzlich dem Zeitpunkt, zu dem auch eine Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55a endet.

Z 1 sieht daher vor, dass der Aufschub der Abschiebung grundsätzlich zu dem nach § 55a Abs. 1 Z 1 oder 2 maßgeblichen Zeitpunkt – also mit der Endigung, der vorzeiti­gen oder außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses oder mit einem später angesetzten Termin für die Lehrabschlussprüfung – endet. Z 2 sieht vor, dass der Auf­schub der Abschiebung bereits mit dem Ablauf der darin genannten Höchstdauer vor dem nach Z 1 maßgeblichen Zeitpunkt endet. Z 2 bildet somit die im Schlussteil des § 55a Abs. 1 normierte vierjährige Höchstdauer für die Hemmung der Frist für die frei­willige Ausreise für den Aufschub der Abschiebung nach. Um der besonderen Situation der Zielgruppe des Abs. 31 zu entsprechen, wird dabei vorgesehen, dass der entspre­chende Zeitraum zwar erst ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Lehrverhältnis­ses zu laufen beginnt, von diesem jedoch die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesge­setzes im alten Lehrverhältnis verbrachten und auf die Dauer des wiederaufgenomme­nen Lehrverhältnisses anzurechnenden Zeiten abzuziehen sind.

Der letzte Satz des Schlussteils erklärt § 55a Abs. 5 und 6 auf den Aufschub der Ab­schiebung sinngemäß für anwendbar. Dieser erlischt daher vor dem nach Z 1 oder 2 maßgeblichen Zeitpunkt, wenn nachträglich ein Sachverhalt nach § 55a Abs. 6 eintritt. Ebenso trifft den Lehrberechtigten die in § 55a Abs. 5 normierte Informationspflicht. Diesbezüglich wird auf die Erläuterungen zu § 55a Abs. 5 und 6 im Initiativantrag 87/A vom 13. November 2019 (XXVII. GP) und im vorliegenden Abänderungsantrag verwie­sen.

Informationen über den Abschiebungsaufschub und dessen Dauer betreffen die Ver­fahrensführung des Bundesamtes und können daher als Verfahrensdaten in der Zen­tralen Verfahrensdatei (§ 28 Abs. 1 BFA VG) verarbeitet werden. Darüber hinaus han­delt es sich dabei um Daten, die für die Einreise- und Aufenthaltsberechtigung maß­geblich sind, weshalb auch eine Verarbeitung im Rahmen des Zentralen Fremdenre­gisters zulässig ist (§ 27 Abs. 1 Z 11 BFA VG), welche eine rasche Verifizierung des Aufenthaltsstatus der betreffenden Fremden ermöglicht. Gesonderte datenschutzrecht­liche Bestimmungen sind daher nicht erforderlich.


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Abs. 33:

Abs. 33 legt fest, bis zu welchem Zeitpunkt die Mitteilung nach Abs. 31 Z 4 an das Bun­desamt zu erfolgen hat, um als rechtzeitig zu gelten und die damit verbundenen Rechtsfolgen auszulösen. In diesem Zusammenhang soll an zwei Zeitpunkte ange­knüpft werden. Erhebt der Drittstaatsangehörige gegen die Entscheidung des Bundes­verwaltungsgerichtes nach Abs. 31 Z 2 Revision (Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG) oder Beschwerde (Art. 144 B VG) und wird einer solchen die aufschiebende Wirkung zuer­kannt (§ 30 VwGG oder § 85 VfGG), so beginnt die Frist für die Erstattung der Mittei­lung nach Abs. 31 Z 4 mit dem Zeitpunkt der Zuerkennung der aufschiebenden Wir­kung zu laufen. In Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung bereits vor Inkrafttreten des vorliegenden Bundesgesetzes zuerkannt wurde, kann naturgemäß nicht auf den Zeitpunkt von deren Zuerkennung abgestellt werden; diesfalls soll die Frist zur Er­stattung der Mitteilung ab dem Inkrafttretensdatum dieses Bundesgesetzes zu laufen beginnen.

Bei der Festsetzung der Dauer der Frist wird darauf Bedacht genommen, dass einer­seits dem Drittstaatsangehörigen und Lehrberechtigten eine ausreichende Möglichkeit für die Erstattung der Mitteilung nach Abs. 31 Z 4 eingeräumt wird. Andererseits ist das Bundesamt zügig vom Abschiebeaufschub in Kenntnis zu setzen, da es sich um die die Abschiebung anordnende Behörde handelt und die Abschiebung teils erhebliche Vor­laufzeit in Anspruch nehmende Vorbereitungen verlangt. Eine Frist von drei Wochen scheint in dieser Hinsicht als angemessen. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 55a Abs. 4 erster und zweiter Satz (Schriftform, Beilage einer Abschrift des Lehrver­trags oder der Entscheidung der Lehrlingsstelle über die Festsetzung eines Prüfungs­termins zur Abnahme der Lehrabschlussprüfung) gelten auch für die Mitteilung nach Abs. 31 Z 4.

Auf begründeten Antrag hat der Drittstaatsangehörige die Möglichkeit, einen Feststel­lungsbescheid über den auf Grund seiner Mitteilung eingetretenen Abschiebungsauf­schub zu erlangen.

Abs. 34:

Da in den Fällen des Abs. 31 das frühere Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des vorliegen­den Bundesgesetzes gemäß § 14 Abs. 2 lit. f BAG geendet hat, ist zum Endigungs­zeitpunkt auch die dem Drittstaatsangehörigen erteilte Beschäftigungsbewilligung ge­mäß § 7 Abs. 6 Z 1 AuslBG erloschen. Abs. 34 sieht daher vor, dass, sobald durch Er­füllung sämtlicher in Abs. 31 genannter Voraussetzungen ein Aufschub der Abschie­bung bewirkt wird, die dem Drittstaatsangehörigen erteilte Beschäftigungsbewilligung nicht (mehr) als erloschen gilt bzw. wiederauflebt. Darüber hinaus stellt Abs. 34 durch die Wendung „neben dem Aufschub der Abschiebung“ klar, dass dieser bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen gemäß Abs. 31 ex lege eintritt.

Zu § 126 Abs. 23

§ 126 Abs. 23 erster Satz regelt das Inkrafttreten und das Außerkrafttreten der vorlie­genden Bestimmungen. Das Außerkrafttreten nach Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren wurde gewählt, um auch jene Fälle zu erfassen, in denen gleichzeitig eine Aus­bildung in zwei Lehrberufen absolviert wird (§ 6 Abs. 2 BAG).

Der zweite und dritte Satz des Abs. 23 soll für jene Fälle, in denen zur Zeit des Au­ßerkrafttretens die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55a Abs. 1 weiterhin ge­hemmt oder die Abschiebung gemäß § 125 Abs. 31 weiterhin aufgeschoben ist, vor­sehen, dass die Hemmung des Laufs der Frist für die freiwillige Ausreise oder der Auf­schub der Abschiebung über den Zeitpunkt des Außerkrafttretens hinaus bis zu dem nach § 55a oder § 125 Abs. 32 jeweils maßgeblichen Zeitpunkt fortdauert.


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Zu § 127

Es handelt sich um eine Erweiterung der Vollzugsklausel, die wegen des vorgeschla­genen § 55a Abs. 8 erforderlich ist.

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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert und wird beziehungsweise ist zur Verteilung gebracht worden.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


13.07.16

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wer­te Zuseher zu Hause! Ja, und täglich grüßt das Murmeltier, zum gefühlt hundertsten Mal die gleiche Diskussion. Ich darf schon, bevor ich es noch einmal genau erkläre, Kollegen Mahrer die Frage stellen: Haben Sie diese Asylwerber eingeladen? Ich habe sie nicht eingeladen. Wenn das Ihre persönliche Einladung war, dann sollten Sie das auch auf Ihrer persönlichen Ebene lösen, es aber bitte nicht den Österreicherinnen und Österreichern umhängen. Eingeladen wurden sie nicht, sie sind gekommen – dies, Herr Mahrer, zu Ihrer Information.

Ganz kurz noch einmal zur Erklärung: Das Ganze basiert auf dem sogenannten Bar­tenstein-Erlass 2011/2012, den dann auch Minister Hundstorfer entsprechend umge­setzt hat. Das war damals eine eigentlich gar nicht dumme Idee. Man hat gesagt, während das Asylverfahren läuft, sollen die Leute etwas Sinnvolles machen, sollen ar­beiten oder eben, wenn es geht, in einem Mangelberuf eine Lehre machen. Das hat sich dann entwickelt. Ich kann mich erinnern, es gab auch zig Diskussionen im So­zialausschuss, und ich habe dann irgendwann einmal mit Minister Hundstorfer die Dis­kussion hier im Plenum geführt – das war im Jahr 2016 –, wie viele der Asylwerber ei­gentlich diese Lehre abgeschlossen haben. Ich kann mich erinnern, Minister Hunds­torfer hat mir damals, 2016, erzählt – und es war sensationell –: Es waren drei, die die Lehre absolviert haben. Das war im Jahr 2016.

Das heißt, da war das alles ein gewisses Randthema und hat keinen großartig interes­siert. Dann hatten wir die Krisenjahre 2015/2016 mit dem Ansturm, und es ist etwas passiert, das man jetzt vielleicht noch einmal erklären muss. Die Asylwerber, von de­nen wir heute sprechen – rund 780 –, haben Folgendes ausgelöst.

Zur Erklärung: 80 Prozent von ihnen kommen aus Afghanistan, 60 Prozent machen ih­re Lehre in der Gastronomie, 65 Prozent von ihnen haben ihre Lehre begonnen, nach­dem der Erstinstanzbescheid negativ war, wir haben eine Frauenquote von 3 Prozent, um ein paar Eckdaten klarzustellen. Das heißt: Was ist da passiert? – Ganz klar: Di­verse NGOs haben den Asylwerbern, vor allem nach dem negativen Urteil in der ersten Instanz mehr oder weniger gesagt: Fang eine Lehre an, ich finde schon einen Lehr­herrn für dich, und dann darfst du nicht abgeschoben werden! – Deshalb gibt es diese Problemstellung, von der wir heute reden.

Dazusagen muss man, dass die Ablehnungsquote betreffend Afghanistan bei rund 50 Prozent liegt; das heißt, es ist relativ leicht auszurechnen, dass sehr viele dieser Afghanen, die jetzt in Lehre sind, einen negativen Bescheid erhalten werden. – So weit einmal zu den Fakten.

Es geht um Leute, die einen rechtsgültigen Asylbescheid erhalten haben. Da wurde alles geprüft, über mehrere Instanzen, da wurde auch der humanitäre Aspekt geprüft, da liegt auch ein rechtsstaatliches Urteil vor: Kein Grund für Asyl, bitte wieder ausrei­sen, sonst werden Sie abgeschoben! – Das hebt die ÖVP gemeinsam mit der SPÖ, mit


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Grünen und NEOS jetzt einfach auf. Das kann man in Wahrheit in einem Rechtsstaat niemandem erklären. (Abg. Pfurtscheller: Regen Sie sich nicht auf ...!)

Dabei möchte ich noch dazusagen: Das Interessanteste war meiner Meinung eigentlich der Budgetausschuss letzte Woche, am Dienstag, in dem sich plötzlich ein ganz ande­res Bild ergeben hat, und davon sollte man den Österreicherinnen und Österreichern vielleicht erzählen. Da geht es darum, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist, denn was wollen diese vier Parteien eigentlich? – Diese vier Parteien wollen natürlich, dass diese Leute nach dem Ende der Lehre nicht ausreisen, nicht nach Afghanistan gehen und ihr erlerntes Wissen in ihrem Heimatland weitergeben. Nein, sie sagen es ja ganz ehrlich, sie wollen, dass sie dableiben.

Wissen Sie, wie sie das machen wollen? – Es ist jetzt plötzlich von Rot bis Schwarz eine Übereinkunft da, die Rot-Weiß-Rot-Karte so weit aufzuweichen, dass wir nicht mehr von Facharbeitern sprechen, von Schlüsselarbeitskräften sprechen, sondern die Bestimmungen betreffend die Rot-Weiß-Rot-Karte sollen für jeden gelten und damit haben wir in Österreich dann für alle Drittstaatsangehörigen weltweit einen offenen Arbeitsmarkt. Das finde ich gerade vonseiten der Sozialdemokratie schon sehr drama­tisch, und das sollten Sie den Arbeitnehmern in Österreich auch erzählen. (Zwischen­rufe des Abg. Vogl.) Das heißt, Sie wollen das Lohn- und Sozialdumping auf diesem Umweg für alle Arbeitskräfte in Österreich einführen. – Na viel Glück bei der Erklärung Ihren Wählern gegenüber! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Das, was Sie sagen, ist unwahr!)

Das Archiv kann, wie man weiß, ganz gefährlich sein. Da möchte ich doch kurz einen Ausschnitt aus einer Meldung der Parlamentskorrespondenz vor einem Jahr, am 29. November 2018, vorlesen. Im Sozialausschuss war damals eine etwas andere Konstellation, und ich darf kurz Kollegen Gust Wöginger, weil er da ist, zitieren (Zwi­schenruf des Abg. Loacker): „Wurm und Wöginger“ – damals noch gemeinsam – „lehnten es außerdem neuerlich ausdrücklich ab, Flüchtlinge, die eine Lehre absolvie­ren, nach einem negativen Asylbescheid ein vorübergehendes Bleiberecht in Öster­reich zu gewähren. Man dürfe Asyl und Migration nicht vermischen, mahnte Wöginger.“ (Ruf bei der FPÖ: Man hört!) – Das sind deine Worte, Gust, vor einem Jahr, daran möchte ich dich nur erinnern! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Da es auch für die Sozialdemokratie spannend ist, darf ich kurz noch etwas anderes erwähnen. Kollege Stöger – ich glaube, er ist jetzt nicht im Haus (Zwischenruf des Abg. Vogl) – wird in derselben Meldung wie folgt zitiert: „Durch das geänderte Punktesys­tem“ – nämlich bei der Rot-Weiß-Rot-Karte – „könnten künftig unter dem Titel Schlüs­selarbeitskraft auch unqualifizierte ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten“. (Abg. Kickl: Da, schau!) Damit ist laut Stöger Tür und Tor geöff­net. „Damit könnten etwa auch ‚Elefantenschnitzerʼ“ – es können sich einige an diesen Titel erinnern (Heiterkeit der Abgeordneten Amesbauer und Kickl– „unter dem Titel Schlüsselkraft nach Österreich geholt werden, so Stöger.“ – Ich darf das nur zitieren, es liegt alles offiziell vor.

Wie gesagt, das Dramatische bei der ganzen Entwicklung ist meiner Meinung, dass wir damit den Rechtsstaat komplett aushebeln. Wir öffnen damit zukünftig für Menschen aus Drittstaaten den Zugang zum freien Arbeitsmarkt in Österreich, und das halte ich für Österreich, für den Arbeitsmarkt für ganz dramatisch. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Es ist nur falsch, was Sie sagen!)

13.14


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Josef Muchitsch zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 81

13.14.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren des Nationalrates! Ich möchte anders beginnen. Ich möchte mich vorweg bei allen mehr als 1 000 Unternehmen in Österreich bedanken, die bereit waren, junge Asylwerber in eine Beschäftigung zu bringen (Abg. Belako­witsch: Ja, schön! – Abg. Amesbauer: Mir kommen die Tränen!), die bereit waren, junge Asylwerber von Leistungsbeziehern zu Beitragszahlern zu machen. Recht herzli­chen Dank! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.) Ich be­danke mich auch bei jenen, die ehrenamtlich viele Stunden geopfert haben, um diese jungen Menschen zu betreuen und positiv in eine Lehre zu begleiten. (Neuerlicher Bei­fall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Jetzt möchte ich die Fakten bringen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Kollege Amesbauer kommt hier nach vorne und sagt, diese Menschen in Lehre nehmen den österreichischen Jugendlichen die Lehrplätze weg. – So ein Schwachsinn! Sie sollten es endlich einmal - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Muchitsch, ich würde auch Sie ersu­chen, sich in der Ausdrucksform zu mäßigen!


Abgeordneter Josef Muchitsch (fortsetzend): So ein Unsinn (allgemeine Heiterkeit – Abg. Amesbauer: Weiter!), dass diese 767 jugendlichen Asylwerber österreichischen Lehrlingen den Lehrplatz weggenommen haben! Begreifen Sie und kapieren Sie es endlich, dass das Mangelberufe sind! Wir haben eine Mangelberufsliste mit mittlerweile 45 Berufen, und das AMS darf nur dann vermitteln, wenn es nicht gelingt, einen öster­reichischen Jugendlichen auf einen Lehrplatz zu bringen. Bitte kapieren Sie das end­lich und verbreiten Sie hier keine Unwahrheiten! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

Zur Rede des Kollegen Wurm: Kollege Wurm ist hier gestanden und hat gesagt, die Unternehmen, die junge Asylwerber in eine Lehre bringen, betreiben damit Lohn- und Sozialdumping. (Abg. Wurm: Sozialdemokratie unterstützt Lohn- und Sozialdum­ping!) – Was ist denn das wieder für ein Unsinn? (Abg. Wurm: Verrat an den Arbeit­nehmern!) Wir sollten mit richtigen Zahlen operieren, nämlich dass es noch 767 sind und immer weniger geworden sind, je länger das Parlament gewartet hat. Es ist gut, dass wir hier einen nächsten Schritt setzen. Ich bin auch stolz, einer der 80 000 Un­terstützer der Initiative Ausbildung statt Abschiebung von Rudi Anschober zu sein. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das ist ... Gesetzesbruch!)

Ich möchte auch noch ergänzen, dass es heute zwar ein wichtiger Schritt ist, den Ab­schiebestopp für Lehrlinge hier in diesem Parlament mit breiter Mehrheit zu beschlie­ßen – lediglich ohne Zustimmung der FPÖ, die sich in dieser Frage ja längst in einem Fundament der Unsachlichkeit und Unmenschlichkeit einbetoniert hat –, aber es geht mir noch zu wenig weit. (Abg. Amesbauer: Ja, ihr wollt ja eh alles!) Ich würde daher das machen, was viele Österreicherinnen und Österreicher mit großer Mehrheit sagen: Warum sollen wir neue junge Fachkräfte, die die Sprache noch nicht können, dazu motivieren, nach Österreich zu kommen (Abg. Belakowitsch: Wer will das? – Abg. Wurm: Wollen wir ja nicht! – Abg. Belakowitsch: Das wollt ihr!), anstatt jene junge Fachkräfte, die bei österreichischen Unternehmen ausgebildet worden sind, in Öster­reich zu behalten?

Aus diesem Grund möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlinge – Integration vor Zuzug“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 82

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert sicherzustellen, dass für jene jugendlichen AsylwerberInnen, die nicht straffällig wurden und in Österreich eine Lehre in einem Mangelberuf positiv abgeschlossen haben, die Möglichkeit zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland geschaffen wird. Damit können die im Inland ausgebildeten FacharbeiterInnen in Mangelberufen unter denselben Kriterien, die schon bisher für die Rot-Weiß-Rot-Karte gelten, auch im Inland arbeiten.“

*****

(Abg. Amesbauer: Das ist alles Irrsinn!)

Wenn ich jetzt in Richtung ÖVP schaue, möchte ich appellieren: 50 Prozent aller Lehr­linge sind jetzt im Gastronomiebereich beschäftigt. (Abg. Belakowitsch: 80 Prozent!) Es muss euch ja ein großes Anliegen sein, wenn euch die Wirtschaft wichtig ist und wenn euch diese mehr als 1 000 Unternehmen wichtig sind, die diese Lehrlinge un­terstützt haben, in deren Ausbildung investiert haben, dass sie dann als Fachkräfte in diesem Mangelberuf in Österreich bleiben dürfen! Wenn es euch nicht wichtig ist, dann werdet ihr dem Antrag eh nicht zustimmen, aber das ist ein logischer Antrag (Abg. Be­lakowitsch: Sehr logisch!), eine Chance, eine praxisorientierte Lösung für all jene zu schaffen, die jetzt schon in unserem System eine Lehre absolvieren, für jene, die wir als zukünftige Fachkräfte brauchen.

Ich lade Sie alle ein, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen – im Interesse der Unternehmen in Österreich, die diesen jungen Menschen eine Chance gegeben ha­ben, aber auch im Interesse der jungen Menschen, die bereit sind, hier zu arbeiten und auch entsprechend Beiträge einzuzahlen. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

13.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Lehrlinge – Integration vor Zuzug

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 87/A

Der vorliegende Gesetzesantrag stellt eine Lösung für rund 800 Asylwerber dar, die derzeit eine Lehre absolvieren und während dieser Lehrzeit, trotz eines eventuell nega­tiven Asylbescheids, nicht abgeschoben werden sollen.

Diese Lehrlinge werden ausschließlich in Mangelberufen ausgebildet. Das heißt, in Be­rufen, für die in der Regel weniger als 1,5 Arbeitslose je offener Stelle in Österreich ge­meldet sind und für die auch kein österreichischer Lehrling gefunden werden konnte. Keiner dieser rund 800 AsylwerberInnen, die eine solche Lehre absolvieren, nimmt daher einem Österreicher den Lehrplatz weg. Es geht dabei ausschließlich um Lehr­stellen, die von den Betrieben sonst nicht besetzt werden können.

Diese jungen Menschen werden während der Lehrzeit in Österreich gut integriert, ler­nen unsere Sprache, unsere Werte und die Gesellschaft hat sie auch voll akzeptiert.

Nach Abschluss ihrer Lehre sollen in Zukunft jene, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, abgeschoben werden. Obwohl sie eine ausgezeichnete Ausbildung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 83

durch unsere heimischen Lehrbetriebe erhalten haben und in einem Beruf arbeiten der als Mangelberuf gilt, für den es also zu wenig Arbeitskräfte im Inland gibt. Dabei ist völlig klar, dass Unternehmen in ganz Österreich auf der Suche nach Fachkräften und Lehrlingen sind. Derzeit stehen aktuell 45 Berufe auf der bundesweiten Mangelberufs­liste und zusätzlich 22 Berufe auf Landeslisten.

Die ehemalige schwarz-blaue Bundesregierung wollte an Stelle dieser jungen Fachar­beiterInnen, schlechter ausgebildete Fachkräfte aus Drittstaaten nach Österreich ho­len, die nicht integriert sind und vermutlich auch unserer Sprache nicht mächtig sind.

Das ist sowohl arbeitsmarktpolitisch als auch ökonomisch der falsche Weg. Gut ausge­bildete Fachkräfte, die eine mit österreichischen Steuergeldern mitfinanzierte Ausbil­dung in einem unserer ausgezeichneten Lehrbetriebe erhalten haben, abzuschieben und stattdessen schlechter ausgebildete und nicht integrierte ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland nach Österreich holen, gleicht einem Schildbürgerstreich.

Es ist klar, dass Menschen mit negativem Asylbescheid in ihre Heimatländer zurück­kehren müssen. Es ist aber völlig widersinnig gut integrierte Menschen, die eine Ausbil­dung in Mangelberufen erhalten haben und auch nicht straffällig wurden, abzuschie­ben. Denn dadurch haben weder die UnternehmerInnen, noch die betroffenen Lehr­linge (Planungs-)Sicherheit. Folglich bleiben Stellen, für die dringend Fachkräfte ge­sucht werden, weiterhin unbesetzt, während gleichzeitig junge Menschen, die eine Ausbildung absolvieren, ihr Potential nicht entfalten können.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert sicherzustellen, dass für jene jugendlichen AsylwerberInnen, die nicht straffällig wurden und in Österreich eine Lehre in einem Mangelberuf positiv abgeschlossen haben, die Möglichkeit zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland geschaffen wird. Damit können die im Inland ausgebildeten FacharbeiterInnen in Mangelberufen unter denselben Kriterien, die schon bisher für die Rot-Weiß-Rot-Karte gelten, auch im Inland arbeiten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Alois Kainz zu Wort. – Bitte.


13.19.21

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Innenminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Angesichts der hier vorliegenden Anträge frage ich mich tatsächlich, ob wir hier im Nationalrat gewählte Vertreter des österreichischen Volkes sind oder be­zahlte Gegner der eigenen heimischen Zukunft. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Mit der Schaffung einer Möglichkeit, dass trotz eines negativen Asylbescheides Asyl­werber und Asylwerberinnen den Lehrabschluss absolvieren, wird ein absolut falscher Weg eingeschlagen, der ganz sicher nicht im Sinne unserer österreichischen Bevölke­rung ist.

In unserem Land gibt es derzeit rund 9 000 lehrstellensuchende Österreicher. Zusätz­lich haben wir rund 30 000 Asylberechtigte, die beim Arbeitsmarktservice gemeldet


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 84

sind und monatlich die Mindestsicherung bekommen. Sie alle warten auf einen Ar­beitsplatz oder auf eine Lehrstelle. In meinen Augen sollte jeder, der einen negativen Asylbescheid erhält, umgehend das Land Österreich verlassen, unabhängig davon, ob er nun eine Lehre angefangen hat oder nicht.

Ich finde es erschreckend, wie da versucht wird, das Asylrecht zu umgehen. Diese ge­plante Aushebelung des Asylrechts zeigt den Linkskurs der zukünftigen türkis-grünen Asylrechtsregierung. Im Endeffekt stellt die Schaffung einer Bleibemöglichkeit im Fall einer angefangenen Lehre den ersten Schritt zur Daueraufenthaltserlaubnis dar. Künf­tig werden Asylwerber im Fall einer angefangenen Lehre dann in Österreich bleiben dürfen, unabhängig davon, ob ein Asylgrund besteht oder nicht. Die SPÖ kann sich so­gar einen quasi nahtlosen Übergang von der Lehre zur Rot-Weiß-Rot-Karte vorstellen.

In meinen Augen sind die Anträge ganz sicher nicht im Sinne unserer österreichischen Bevölkerung und daher abzulehnen. Wir sollten vielmehr versuchen, die 30 000 Asyl­berechtigten, die beim Arbeitsmarktservice gemeldet sind, am Arbeitsmarkt zu integrie­ren. Nur so können wir das Sozialbudget entlasten und schlussendlich wieder mehr Gelder für unsere eigenen Familien im Land freischaufeln. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alma Zadić. – Bitte.


13.21.56

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr In­nenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich, dass wir es endlich geschafft haben, einen gemeinsamen Antrag einzu­bringen, der es diesen Menschen, die hier eine Lehre begonnen haben, erlaubt, diese auch zu beenden. Ich freue mich, dass wir es gemeinsam geschafft haben, diesen jun­gen Menschen eine Chance zu geben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man möchte meinen, dass es doch selbstverständlich wäre, dass Menschen, die sich hier bestens integriert haben, die hier lernen, die hier arbeiten und Steuern zahlen, auch hier bleiben dürfen. Das ist aber leider nicht so. Diese Lehrlinge, von denen wir heute sprechen, haben in den Augen unserer letzten Regierung ein Manko, sie sind nämlich als Asylwerber nach Österreich gekommen. (Abg. Wurm: Tatsache, kein Man­ko!) Nach einer überlangen Verfahrensdauer haben sie mittlerweile auch einen negati­ven Asylbescheid. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm. Abg. Belakowitsch: Falsch!) Daher stehen diese Personen, die während dieser überlangen Verfahrensdau­er auch einen Job gefunden haben, vor dem großen Problem, dass ihnen die Abschie­bung in Länder droht, in denen sie bestenfalls neu starten können, aber im schlimms­ten Fall, wie zum Beispiel im Fall von Afghanistan, ihr Leben bedroht ist.

Um das zu ändern, meine Damen und Herren, braucht es natürlich einen politischen Willen. Es ist uns gemeinsam – mehrheitlich – gelungen, einen Schritt dafür zu tun, in dieser Sache für 800 Asylwerber in Lehre gemeinsam eine menschliche und wirtschaft­lich vernünftige Lösung zu finden.

Wir wissen alle, bis September 2018 bestand die Möglichkeit, dass junge Asylwerber bis zu einem Alter von 25 eine Lehre in einem Beruf, in dem Lehrlingsmangel bestand, beginnen konnten. Nur dann, wenn in diesem Beruf keine inländische oder gleichge­setzte Ersatzkraft vermittelt werden konnte, durften diese jungen Menschen diese Leh­re beginnen. Das ist ein paar von ihnen auch gelungen. Zahlreiche Betriebe, meine Da­men und Herren, haben von dieser Lösung, von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Sie fanden natürlich so aus dem Kreis der Asylwerber Lehrlinge für Stellen, die sonst unbesetzt geblieben wären.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 85

Meine Damen und Herren! Diese Lehrlinge leisten hervorragende Arbeit. Sie sind su­per integriert, sie unterstützen unsere Betriebe. (Beifall bei den Grünen.) Sie sind zu einer wichtigen Stütze so manchen Gastwirts, so manchen Hotelbetriebs und so man­chen Lehrbetriebs geworden. Fragen Sie doch bei diesen Lehrbetrieben nach, wie zu­frieden sie mit diesen Menschen sind! Fragen Sie doch nach, wie sehr sich diese Men­schen tagtäglich für unsere österreichischen Betriebe einsetzen!

Ja, wir Grüne würden uns selbstverständlich wünschen, dass diese Menschen, die hier eine Lehre begonnen haben, diese Lehre auch abschließen dürfen und auch nachher die Möglichkeit bekommen, in ihrem Betrieb weiterzuarbeiten. Natürlich würden wir das unterstützen, aber wir verstehen, dass wir jetzt eine andere, mehrheitliche Lösung ge­funden haben. Dieser mehrheitlichen Lösung schließen wir uns natürlich an und freuen uns, dass uns diese gemeinsam gelungen ist.

Meine Damen und Herren! Es ist eine unfassbare Leistung, die diese Lehrlinge, diese Menschen bereits erbracht haben. (Abg. Wurm: Helden der Arbeit!) Nur ganz wenige wissen, was es bedeutet, in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht spricht, ohne Freunde, ohne Familie anzukommen und es hier trotzdem zu schaffen. (Beifall bei den Grünen. Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Die meisten haben Großartiges geleistet, und deswegen setzen wir heute ein gemein­sames Zeichen, um diese Leistung zu belohnen, denn diese Leistung muss sich loh­nen. Lassen wir diese Menschen ihre Lehre zumindest zu Ende bringen! Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.


13.26.32

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her hier und vor den Bildschirmen! Ich möchte für Sie noch einmal klarstellen, dass die FPÖ hier mit nicht sehr pazifistischen Nebelgranaten um sich geworfen hat. (Abg. Ames­bauer: Bin ja kein Pazifist!)

Es geht da ganz klar um nur 800 Personen, die, da ein Erlass das möglich gemacht hat, eine Lehre, eine Ausbildung in einem Mangelberuf anfangen konnten, weil dadurch keinem Österreicher, keiner Österreicherin ein Arbeitsplatz (Zwischenruf des Abg. Wurm), ein Lehrplatz weggenommen wurde. Das heißt, Herr Kollege Amesbauer, es wird durch diese Gesetzesänderung zu keinem Pullfaktor kommen. (Abg. Amesbauer: Da klatschen nicht einmal die NEOS! Abg. Belakowitsch: ... verschlafen!)

Auch unser mehrfach eingebrachter und immer wieder abgelehnter Antrag hinsichtlich drei plus zwei hat sich immer auf diese Personengruppe bezogen. Mit diesem Antrag kämpfen wir, wie schon gesagt wurde, für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Ver­bleib im Betrieb, und natürlich stellen wir auch die Frage, ob dann nicht eine Rot-Weiß-Rot-Karte Sinn macht. Das ist unserer Meinung die einzig menschliche und wirt­schaftlich vernünftige Lösung für die Betroffenen und für die Unternehmer. (Beifall bei den NEOS.)

Dafür war die ÖVP nicht zu haben. Das, wozu die ÖVP am Ende endlich bereit war, war besser als nichts. Deswegen machen wir auch mit, sind auch dabei – aber auch nicht mehr –, denn nach dem heutigen Beschluss können Asylwerber ihre Lehre fertig­machen. Wenn ab Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung die Asylverfahren rechts­kräftig negativ enden, geht das noch, ist das Verfahren aber schon vorher rechtskräftig negativ beendet worden, nicht mehr. Es ist also eine Lotterie des Schicksals, welchen


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Akt sich der Bundesverwaltungsrichter zuerst rausgezupft hat, um den zu entschei­den – es ist völlige Lotterie, die da zu einem Gesetz wird. (Beifall bei den NEOS.)

Das halten wir für wirtschaftspolitisch absurd, und im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Mahrer, für unmenschlich. Von der ÖVP wundert mich das nicht, ich wundere mich aber, dass die Grünen das jetzt als großen Erfolg feiern. Wir haben versucht, über ei­nen Antrag drei ohne zwei auch die rechtskräftig Negativen noch mitzunehmen. Das war erfolglos. Das ist deshalb schade, da unser Antrag auch generell mehr Rechtssi­cherheit gebracht hätte, denn der Antrag der ÖVP ist sehr komplex. Ich danke dem Herrn Innenminister für seine Zeit und auch für die Expertise aus seinem Haus, aber ich wage zu behaupten, hätten wir NEOS so einen Antrag eingebracht, hätte es von­seiten des Innenministeriums – ich glaube, zu Recht – geheißen, das ist nicht vollzieh­bar. Unser Antrag hätte auch den Aufenthalt der Betroffenen legalisiert. Was wir jetzt haben, sind quasi geduldete Illegale.

Was bleibt also? – Meiner Meinung nach ist das ein unwürdiges Theater, das noch vie­le dramatische Akte mit sich bringen wird. Was wird in Zukunft passieren? – Es werden weiterhin Menschen, die in Lehre in einem Mangelberuf waren, abgeschoben, weil sie das Pech hatten, rechtskräftig negativ beschieden zu werden.

Nach Abschluss der Lehre geht das unmenschliche Drama weiter, denn dann werden im Mangelberuf ausgebildete Menschen abgeschoben. Das ist völlig sinnbefreit. (Bei­fall bei den NEOS.)

Es ist ein Hohn für die Betroffenen, die Menschen, die sich um sie kümmern und sie unterstützen, und für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Menschen ausbil­den, die am Tag nach der Prüfung vor ihrer Nase abgeschoben werden. Das ist un­fassbar.

Es gibt noch eine Lösung von uns, die im Ausschuss liegt, der Antrag drei plus zwei. Ich erwarte mir weiterhin eine Zustimmung der ÖVP, dafür werden wir kämpfen, und ich hoffe, die Grünen unterstützen uns dabei.

Generell zum Stichwort Koalitionsverhandlungen: Es braucht eine umfassende Ein­wanderungsstrategie, mit der auch die EU-Richtlinie umgesetzt wird, die eigentlich vor­sehen würde, dass Asylwerber ab dem neunten Monat ab Antragstellung arbeiten dür­fen. Und es gibt noch eine weitere Baustelle, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, kurz BBU. Im mit dem BBU-Errichtungsgesetz von der tür­kis-blauen Bundesregierung geschaffenen System besteht nämlich ein Naheverhältnis zwischen jenen Personen, die Rechtsberatung vornehmen, und jenen, die im Asyl­verfahren die Entscheidungsmacht haben. Da ist eine strikte Trennung nötig, um wie­der unabhängigen Rechtsbeistand zu garantieren.

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unab­hängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die gesetz­lich vorgesehene Rechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen ausgegliedert und eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundes-


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amt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht gewährleistet wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren sicherstellen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 6. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 50/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (12 d.B.) – TOP 1

Am 16. Mai 2019 wurde das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) - trotz heftiger Kritik im Begutachtungsverfahren - von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Dieses Gesetz trat (überwiegend) am 20. Juni 2019 in Kraft. Darin ist festgeschrieben, dass die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) ihre Tätigkeit im Bereich der Grundversorgung ab 1. Jänner 2020 wahrnehmen soll. Die Tätigkeit im Bereich der Rechtsberatung, der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe, der Menschenrechtsbeobachtung von Abschie­bungen und der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen soll die Bundesagentur ab 1. Jänner 2021 aufnehmen.

Die Durchführung der Rechtsberatung durch die BBU umfasst jene vor dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 49 BFA-VG sowie jene vor dem Bun­desverwaltungsgericht (BVwG) gemäß § 52 BFA-VG. Die Bundesagentur stellt also Rechtsberater_innen für das Verfahren vor dem BFA sowie Parteienvertreter_innen und damit Verfahrensgegner_innen des BFA im Verfahren vor dem Bundesverwal­tungsgericht bereit. Die BBU ist jedoch sowohl finanziell als auch organisatorisch und personell eng mit dem BMI verflochten. Dies ist vor allem im Hinblick darauf pro­blematisch, dass das BFA, also die Asylbehörde erster Instanz und die belangte Be­hörde im Asylverfahren zweiter Instanz, als dem Bundesminister für Inneres (BMI) un­mittelbar nachgeordnete Behörde gegenüber dem BMI weisungs-gebunden ist.

Die Geschäftsanteile an der Bundesagentur stehen zu 100% im Eigentum des Bundes. Die Ausübung der Gesellschafterrechte, etwa das Recht auf Information bzw. Auskunft, obliegt dem/der Bundesminister_in für Inneres (§ 1 Abs 5 BBU-G). Als alleinige/r Gesellschaftervertreter_in hat der/die BMI mit Beschluss für die Geschäftsführung ver­bindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen (§ 12 Abs 2 BBU-G). In Bezug auf Belange der Rechtsberatung vor dem BVwG hat der/die BMI zwar vor Beschlussfassung Einvernehmen mit dem/der Bundes­minister_in für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (BMVRDJ) herzustel­len, doch ist nicht geregelt, welche Konsequenzen aus dem allenfalls fehlenden Einver­nehmen folgen.

Die vielfältigen organisatorischen Gestaltungs- und Eingriffsmöglichkeiten des/der BMI zeigen sich unter anderem auch in der umfassenden Kompetenz betreffend die Erstel-


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lung des Rahmenvertrags gemäß § 8 BBU-G. Auch die Erklärung über die Errichtung der Bundesagentur ist vom/von der Bundesminister_in für Inneres ab-zugeben (§ 11 BBU-G). Zur Deckung der Kosten der Bundesagentur und ihrer Auf-gaben, einschließ­lich der notwendigen Personal- und Sachkosten sowie aller Aufwendungen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nötig sind, leistet der/die BMI jährliche Zuwendungen (§ 3 Abs 1 BBU-G). Die interne Kostenrechnung der Bundesagentur unterliegt grundsätzlich der Überprüfung durch den/die BMI (§ 7 Abs 1 BBU-G).

Die Geschäftsführung der BBU ist durch den/die BMI nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 1 und 2 BBU-G). Für die Dauer von bis zu 24 Monaten nach Entstehung der Bundesagentur ist der/die BMI ermächtigt, eine interimistische Geschäftsführung unter Ausschluss der Anwendung des Stellenbe­setzungsgesetzes zu bestellen (§ 9 Abs 2 BBU-G). Die Bereichsleitung Rechtsbera­tung ist zwar vom BMVRDJ zu bestellen (§ 9 Abs 1 BBU-G) und von der Geschäfts­führung mit einer Handlungsvollmacht iSd § 54 UGB in diesem Bereich auszustatten, allerdings verbleibt die Bereichsleitung Rechtsberatung der vom/von der BMI bestellten Geschäftsführung und darüber hinaus auch den Unternehmensvorgaben (weisungs-)un­terworfen. Das bedeutet, dass die Bereichsleitung Rechtsberatung auch in dienst- und disziplinarrechtlicher Hinsicht der Geschäftsführung untersteht.

Auch der Aufsichtsrat steht unter entscheidendem Einfluss des BMI; denn sechs der insgesamt zwölf Mitglieder des Aufsichtsrates der BBU, einschließlich des/der Vorsit­zenden und dessen/deren Stellvertreter/in, sollen unmittelbar vom/von der BMI bestellt sowie vier weitere Mitglieder von der innerbetrieblichen Interessensvertretung der unter dem beherrschenden Einfluss des/der BMI stehenden Bundesagentur entsandt werden (§ 10 Abs 1 BBU-G). Der Aufsichtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit der abgegebe­nen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des/der Vorsitzenden, bei des­sen/deren Verhinderung die Stimme des/der Stellvertreters/Stellvertreterin den Aus­schlag (§ 10 Abs 2 BBU-G). Der jährliche Vorhabens-bericht der Geschäftsführung für das Folgejahr ist nach der Genehmigung durch den Aufsichtsrat dem/der BMI zur Ge­nehmigung vorzulegen (§ 12 Abs 5 BBU-G).

Aufgrund der dargestellten Nahebeziehung der Bundesagentur zum Bundesministe­rium für Inneres - welches auch Oberbehörde des BFA ist - ist in Zweifel zu ziehen, dass auf diese Weise eine unabhängige Rechtsberatung frei von Interessens-konflikten gewährleistet werden kann. In § 13 Abs 1 BBU-G ist zwar festgeschrieben, dass die einzelnen Rechtsberater_innen in ihrer Beratungstätigkeit „weisungs-frei und unabhän­gig" sind. Es ist jedoch fraglich, ob diese zentralen Grundsätze in der Praxis aufgrund der engen Verflechtung der BBU mit dem BMI eingehalten werden (können). Zumal der/die Innenminister_in Einfluss auf die Auswahl der Rechtsberater_innen und die Mo­dalitäten bzw. Ausgestaltung der Rechtsberatung, wie z.B. die Auftragsbedingungen, die zu erbringenden Leistungen und das dafür zu leistende Entgelt und die Vorgangs­weise bei Pflichtverletzungen durch Rechts-berater_innen hat. Zudem sind keine Ga­rantien vorgesehen, dass die Dienstaus-übung der Rechtsberater_innen vor dienst­rechtlichen Konsequenzen, wie die Beendigung des Dienstverhältnisses, in irgendeiner Weise geschützt ist.

Im mit dem BBU-Gesetz geschaffenen System besteht also ein Naheverhältnis zwi­schen jenen Personen, die Rechtsberatungen vornehmen und jenen Personen, denen im Asylverfahren die Entscheidungsmacht zukommt. Beide Gruppen sind beim selben Ministerium (BMI) angesiedelt. Ein hier möglicherweise auftretender Interessenskonflikt ist im Falle der Erhebung einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl noch deutlicher: Mitarbeiter_innen einer Einrichtung, die unter dem beherrschendem Einfluss des/der BMI steht, beraten und vertreten im Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen des dem BMI (auch weisungsabhängig) nachgeordneten BFA.


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Die strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes ist für die Gewährleistung eines ef­fektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens unabdingbar. Durch die im BBU-Gesetz vorgesehene Ausgestaltung kann jedoch eine den rechtsstaatlichen und grund­rechtlichen Anforderungen entsprechende unabhängige Rechtsberatung als zentraler Beitrag zu einem fairen Verfahren nicht gewährleistet werden. Es ist daher notwendig, die Rechtsberatung im Asylverfahren wieder aus der im direkten Einflussbereich des Innenministeriums stehenden Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleis­tungen herauszulösen, um eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben ent­sprechende unabhängige und qualitätsvolle Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht sicherzu­stellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die gesetz­lich vorgesehene Rechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unter­stützungsleistungen ausgegliedert und eine den europa- und menschenrechtlichen Vorgaben entsprechende unabhängige Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht gewährleistet wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Peschorn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


13.31.28

Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Ich darf mich aus Anlass der Debatte über diese Novelle zum Fremdenpolizeigesetz zu Wort melden.

Zunächst ganz aktuell: Ich kann keinen Konflikt zwischen der BBU und dem Bundes­amt für Fremdenwesen und Asyl erkennen; das sind beides selbstständige Einrich­tungen. Das eine, das BFA, ist ein Organ der Republik Österreich, und die BBU ist eine Gesellschaft der Republik Österreich, aber selbstständig. Dem einen, nämlich dem BFA, obliegt die Entscheidung über die Frage, ob Asyl gewährt wird oder nicht, und dem anderen werden, sofern die gesetzlichen Regelungen aufrechtbleiben, die Betreu­ung, die Grundversorgung und auch die Frage der Rechtsberatung obliegen. Ich glau­be nach wie vor, dass die Frage, wer Rechtsberatung leistet, davon zu trennen ist, wie Rechtsberatung geleistet wird, und ich gebe Ihnen recht, dass es ganz wesentlich sein wird, hier auf die Qualität der Rechtsberatung zu achten.

Gestatten Sie mir noch aus Anlass dieser Debatte ein paar grundsätzliche Anmer­kungen: Die Europäische Menschenrechtskonvention feierte voriges Jahr ihr 65-jähri­ges Jubiläum. Vor rund 65 Jahren haben sich die Staaten Europas, des Europarates angesichts der Schrecken des Zweiten Weltkrieges und eines totalitären Regimes darauf verständigt, dass man es nicht bei den Grund- und Freiheitsrechten belassen


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kann, die unsere Vorfahren weit früher – 1848 und im Gefolge – für uns erstritten ha­ben, und haben sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention verständigt. Bei­des, nämlich unsere Grund- und Freiheitsrechte und die EMRK, sind ein Schatz, den wir bewahren und mit dem wir sehr sorgsam umgehen sollten.

Die Grund- und Freiheitsrechte und die Menschenrechte sind auch in ihrer Gesamtheit so etwas wie das Stahlgerüst eines Rechtsstaates. Dieses Stahlgerüst sollte weder verbogen noch zu Fall gebracht werden. Nur dann werden wir aus meiner Sicht auch in einem Rechtsstaat leben können, der uns die Freiheit gibt, die wir als westliches Land brauchen. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Einer, der diese Menschenrechte seit dem Bestehen anwendet, ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Es ist manchmal für jemanden, der vor allem Gesetze zu vollziehen hat, mühsam, wenn er Entscheidungen von Gerichten erhält, die unab­hängig sind und sich einzig und allein der Aufgabe verpflichtet fühlen, diesen Grund­lagen auch zur Durchsetzung zu verhelfen, aber aus meiner Sicht ist es sehr wert­voll, sich diesen Entscheidungen zu stellen, weil sie immer wieder einer Kritik Gehör verschaffen, der man sich unterziehen soll und die, wenn man ihr nachkommt, das Rechtssystem nur verbessert.

Es ist deswegen kein Zufall, dass diese österreichische Bundesregierung auch den Eu­ropäischen Menschenrechtsgerichtshof für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat, da er aus unserer Sicht einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass rechtsstaatliche Grundsätze nicht nur in der europäischen Gemeinschaft und damit in Österreich, son­dern auch außerhalb, bei allen Mitgliedern des Europarates, gesichert werden.

Asyl und Migration sind äußerst herausfordernde politische Themen. Das konnte ich in meinen jetzt knapp sechs Monaten als Innenminister erfahren. Ich würde daher darum ersuchen, wenn wir diese Themen nicht nur gemeinsam diskutieren, sondern auch lösen wollen – und dazu ist es wahrlich an der Zeit, da Asyl und Migration eine Frage sind, die uns in den nächsten Jahrzehnten in ganz Europa, aber vor allem in Österreich beschäftigen werden –, dass wir das auf hoher sachlicher Grundlage und mit fachli­chem Verstand tun. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Wenn wir heute von einem aktuellen Fall gehört haben, so lassen Sie mich auch kurz auf diesen eingehen. § 13 und § 50 Fremdenpolizeigesetz legen ganz klar fest, dass in jedem Stadium eines Verfahrens die Menschenrechte von allen Behörden zu beachten sind. Da gibt es – und ich komme auf meinen Vergleich mit dem Stahlgerüst zurück – kein Wenn und Aber. Der Rechtsstaat bewährt sich nicht bei Schönwetter, der Rechts­staat bewährt sich, wenn ein Unwetter heraufzieht. (Beifall der Abgeordneten Pfurt­scheller, Yιlmaz und Zadić.)

Genau das haben meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getan. Jeder, der einmal eine politische Funktion innehatte, weiß, dass er tagtäglich mit Ansuchen, mit Wünschen und auch mit sogenannten Interventionen zu tun hat. Ein Innenminister mit 37 000 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern ist vor dieser Praxis nicht gefeit, aber es ist auch meine Aufgabe als Innenminister, den Ansuchen und Wünschen der Menschen zuzuhören und diese auf rechtsstaatlicher Grundlage einer Erledigung zuzuführen. Nichts von dem, was in den letzten Tagen passiert ist, war rechtswidrig, nichts von dem war will­kürlich. Alles, was in diesem Zusammenhang geschehen ist, hat auf einer rechtsstaatli­chen Grundlage stattgefunden. Alles andere wäre meinem Amtsverständnis widerspre­chend.

Ich darf Ihnen daher auch ganz kurz die Zahlen für Abschiebungen oder für die zwangs­weise Außerlandesbringungen bekannt geben: Im Jahr 2017 waren es 3 100 Men­schen, im Jahr 2018 4 700 und im Jahr 2019 werden es – hochgerechnet – wahr­scheinlich 5 400 Menschen sein. Es sind in den letzten Jahren sogenannte neue Char-


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terdestinationen hinzugekommen, also Länder, in die Menschen abgeschoben wer­den – Ghana, Aserbaidschan, Bangladesch, Guinea, die Mongolei und Usbekistan. Es gab im Jahr 2018 sechs sogenannte Charterabschiebungen nach Afghanistan, und im Jahr 2019 neun.

Afghanistan ist eine der Hauptdestinationen der Betroffenen. Das liegt aber nicht da­ran, dass da etwa mit Willkür vorgegangen wird, sondern – es ist ein einfaches mathe­matisches Rechenbeispiel – daran, dass Österreich im Jahr 2015 hauptsächlich von Menschen aus Afghanistan betroffen war und bis heute ist. Wir sind eine Zieldestina­tion – das ist eine reine Information.

Es gab im Jahr 2018 307 Außerlandesbringungen nach Afghanistan, davon 187 Ab­schiebungen. Im ersten Halbjahr 2019 waren es 180 und im zweiten Halbjahr – und dieses zweite Halbjahr habe ich zu verantworten – sind es bis jetzt 252, also mehr.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass es auch immer wieder kurzfristig dazu kommt, dass Menschen, die auf diesen Charter gebucht sind, von diesem Flug, von der Abschie­bung ausgenommen werden. Meine Damen und Herren, das liegt einzig und alleine daran, dass wir die Gesetze bis zum letzten Moment beachten wollen, und diese Ge­setze werden von den Menschenrechten entscheidend geprägt. Es ist nicht nur das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Aufgabe hat, nachdem es in erster Instanz eine Entscheidung gefällt hat, wenn die Höchstgerichte geurteilt haben – oft nach Monaten und Jahren –, diese Abschiebungen durchzuführen, sondern das sind natürlich auch meine Polizistinnen und Polizisten bei der Abschiebung selbst.

Ich habe als Innenminister nicht nur für ein geordnetes Asyl- und Migrationswesen zu sorgen, sondern mich natürlich auch um die Sicherheit Österreichs zu kümmern und diese zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesvorschlag ist ein Initiativan­trag und, wie von meinen Vorrednern schon erwähnt, das Ergebnis eines wahrschein­lich in den letzten Jahren eher außergewöhnlichen Prozesses, den ich deswegen als besonders interessant empfinde, weil er darlegt, dass es eine Zusammenarbeit zwi­schen der Legislative und der Exekutive geben kann, bei der die Legislative – Sie, mei­ne Damen und Herren – auf das Wissen, das Know-how und die Fähigkeiten meiner Beamtinnen und Beamten zurückgreifen kann. Es macht mich stolz, dass mein Haus hier einen technischen Beitrag leisten konnte – technischer Beitrag deswegen, weil es Ihre Willensentscheidung war.

Der Weg zu diesem Ziel, zu diesem Gesetz, das Sie heute wahrscheinlich beschließen werden, war zunächst einmal davon gekennzeichnet, dass wir uns inhaltlich auseinan­dergesetzt und eine Punktation erstellt haben, die eine Mehrheit hervorgebracht hat, die diese Punktation trägt. Alles andere, die Beschlussfassung selbst, obliegt Ihnen. Und ich kann nur sagen: Die Komplexheit des Entwurfes liegt nicht an meinen Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern, sondern am Ergebnis der Willensbildung, der Überein­kunft der Mehrheit; sie hat keine anderen Gründe.

Gestatten Sie mir noch den Hinweis: Natürlich legt diese Regelung jetzt ganz offen – das haben auch meine Vorredner schon angesprochen –, dass es an der Zeit ist, Klar­heit zu schaffen, was Asyl und was Migration in Österreich gesetzlich sein soll. Ich glaube, auch da werden sich alle Fraktionen finden: Wir sollten klare Regeln haben, die es Menschen, die nach Österreich kommen wollen, ermöglichen, klar zu erkennen, wie man in Österreich aufhältig sein kann.

Ich ersuche Sie daher, im weiteren Verlauf dieser Legislaturperiode für Klarheit zu sor­gen und Arbeitsmigration zu regeln, sich darüber klar zu werden, ob und wie weit sie zugelassen werden soll, und dies dann auch im Niederlassungs- und Aufenthaltsge­setz vorzusehen.


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Die gegenständliche Regelung, um noch einmal Klarheit zu schaffen, ist keine, die einen Asylgrund bietet, sie ist keine, die das Asylgesetz ausweitet oder einschränkt, sie ist eine Regelung, die daher zu Recht nicht im Asylgesetz vorgenommen wird. Sie ist eine schlichte Hemmung oder ein Aufschub für die Abschiebung, auch für die zwangs­weise Abschiebung. Unser Recht und unsere Gesetze sind nicht teilbar. Deswegen sollten Menschen, die einen Abschiebebescheid – oder einen Bescheid, mit dem sie verpflichtet sind, außer Landes zu gehen – haben, diesen auch beachten. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

13.43

13.43.17Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsidentin Doris Bures: Ich habe jetzt noch ein Verlangen zu verlautbaren: Ich gebe bekannt, dass das von mindestens 46 Abgeordneten unterstützte Verlangen (1/US) auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsord­nung betreffend „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)“ eingebracht wurde.

Dies wird gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung nun auch an alle Abgeordneten verteilt.

Ferner liegt mir das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 4 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über dieses Verlangen durchzuführen. Diese De­batte findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Die Zuweisung des gegenständlichen Verlangens an den Geschäftsordnungsaus­schuss erfolgt gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung am Schluss dieser Sitzung.

*****

Als nächstem Redner in der Debatte erteile ich Herrn Abgeordnetem Karlheinz Kopf das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.44.43

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Der österreichischen Wirtschaft fehlen derzeit deut­lich über 100 000 Fachkräfte, und trotzdem sage ich als Unternehmer und als Interes­senvertreter der Unternehmerschaft, dass das Asylgesetz nicht das richtige Instrument ist, um diesen Bedarf zu decken (Beifall bei der ÖVP), weil ich mich als Abgeordneter und auch als Staatsbürger dem Rechtsstaat – der Herr Bundesminister hat schon aus­geführt, dass dazu natürlich auch die Menschenrechtskonvention und die Rechtspre­chung gehören – und diesem Asylgesetz in ganz besonderer Weise verpflichtet fühle. Das ist ein besonderer Schatz des Schutzes für Menschen vor Verfolgung in ihren Hei­matländern. Wir sollten dieses Gesetz und dieses Recht für diese Menschen, dieses besonders schützenswerte Recht, nicht mit Fragen der Arbeitsmigration belasten, weil wir damit der Frage des Asylrechts und der Asylgewährung nichts Gutes täten. (Beifall bei der ÖVP.)

Trotzdem sage ich dazu, dass es seinerzeit durchaus im menschlichen Sinne richtig war, jungen Asylwerbern den Zugang zu einer Lehrausbildung zu ermöglichen. Aller­dings muss man etwas selbstkritisch schon auch dazusagen, dass man seinerzeit bei diesem Erlass nicht zu Ende gedacht hat, dass es im Asylrecht halt auch solche Situa­tionen geben kann oder dass ein Asylverfahren halt auch negativ ausgehen kann. Man hat seinerzeit die Frage, was dann geschieht, nicht mitbedacht und nicht mitgelöst. Die


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Folge bei einem negativen Asylbescheid ist halt eine Rückkehraufforderung. Und ich sage wieder: Trotzdem ist es menschlich und natürlich auch volkswirtschaftlich richtig, Lehrlingen, denen man über diesen Sondererlass den Zugang zu einer Lehre ermög­licht hat, also asylwerbenden Lehrlingen, die aber einen negativen Asylbescheid ha­ben, nun mit dieser Regelung, die wir jetzt hier beschließen, die Möglichkeit einzu­räumen, die Lehre fertig zu machen. Das ist eine zutiefst humanistische und humane Lösung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage in diesem Zusammenhang ganz herzlichen Dank an die Vertreterinnen und Vertreter der Sozialdemokratie, der Grünen, der NEOS, dass das möglich war, und auch Ihnen persönlich, Herr Bundesminister, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, insbesondere natürlich meinem Kollegen Karl Mahrer aus meiner eigenen Frak­tion, dass es möglich wurde, diesen Vierparteienantrag zustande zu bringen.

All das, was da jetzt von freiheitlicher Seite gesagt wurde, ist natürlich – ich verwende das Wort Unsinn jetzt nicht – nicht richtig. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es gibt keinen weiteren Zugang, Kollege Amesbauer, weil der Erlass ja seit September letzten Jahres schon außer Kraft ist. Es waren nur Mangelberufe. Es ist daher auch nicht richtig, zu behaupten, dass diese Leute einem lehrplatzsuchenden Inländer einen Job oder einen Lehrplatz wegnehmen. (Abg. Amesbauer: 9 000!) Kollege Muchitsch hat auch schon ausgeführt, wie sich das mit dem behaupteten Lohndumping verhält. (Abg. Belakowitsch: Na dann!) Es gibt Kollektivverträge für alle Lehrberufe, also was soll das? Das alles stimmt nicht und dient nur der Angst- und Panikmache. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das gilt im Übrigen auch für die behauptete Funktion eines Pullfaktors. (Abg. Schell­horn: Zeitlich begrenzt!) Worin soll dieser bei einem Erlass, der seit dem September letzten Jahres außer Kraft gesetzt ist, bestehen?

Wir müssen, meine Damen und Herren, die Frage des Arbeitskräfte- und Fachkräfte­mangels lösen, aber wir müssen sie mit einem anderen Konzept lösen – und dazu braucht es viele Dinge. Es braucht noch mehr Anstrengung in der Qualifizierung von Menschen über das AMS in Verbindung mit den Betrieben. Wir haben in Österreich 30 000 Asylberechtigte, davon 10 000 unter 25 Jahren. Um die müssen wir uns beson­ders bemühen, aber natürlich nicht nur um diese, sondern um jeden, der keinen Job hat, und Qualifizierung ist der Schlüssel dazu. Wir brauchen mehr regionale Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, und wir brauchen auch qualifizierte Zuwanderung – nicht nur, aber auch, und zwar in einem ordentlichen Ausmaß.

Ich sage auch dazu: Die Rot-Weiß-Rot-Karte, die wir 2011 eingeführt haben, ist grund­sätzlich sinnvoll und als flexibel zu handhabendes Instrument gedacht – sie erfüllt ihre Funktion nur bedingt. Das heißt, sie muss flexibler werden, ich würde sogar sagen: Re­den wir darüber, ob wir nicht ein eigenes Gesetz für den Faktor qualifizierte Zuwande­rung schaffen sollten! Da geht es dann um viele Dinge: Es geht um das Alter von Sprachdiplomen, es geht um die Anerkennung von nonformalen Kompetenzen, es geht um die Senkung der Mindestbezahlungserfordernisse, Kollege Schellhorn; es geht aber auch um die verstärkte digitale Verfahrensabwicklung – die Verfahren dauern viel zu lange – und, und, und. Zudem ist die Verwaltungspraxis zu restriktiv, ich behaupte sogar: in manchen Fällen nicht einmal gesetzeskonform restriktiv.

Das heißt: Ich glaube, wir sollten uns diesem Thema insgesamt zuwenden, im Sinne des Schutzes des Asylrechts verstärkt eine eigene Schiene aufbauen beziehungsweise diese Schiene verbessern. Ich glaube, das wäre im Sinne sowohl des Asylregimes als natürlich auch der österreichischen Betriebe, die dringend Arbeitskräfte brauchen, aber auf einem anderen Weg als über das Asylrecht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.51



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Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


13.51.17

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Damen und Herren! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, mit dieser Ge­setzesänderung gelingt es uns, ein Thema, das uns schon sehr, sehr lange beschäf­tigt, zumindest zum Teil abzuschließen. (Abg. Meinl-Reisinger: Nicht abschließen!) Es beschäftigt uns nicht erst seit dem Entschließungsantrag, den es im September gege­ben hat, sondern schon lange davor, weil es immer wieder Fälle gegeben hat, in denen unverständlich war, warum junge Menschen, die in Österreich eine Ausbildung ge­macht haben, noch vor Abschluss dieser Ausbildung abgeschoben wurden.

Wir schaffen mit dieser Gesetzesänderung eine ganz klare Regelung für eine kleine Gruppe von Menschen. Es betrifft – und wir haben es jetzt schon öfter gehört – unge­fähr 760, 780 Personen, die sich derzeit noch in einer Lehre in einem Mangelberuf be­finden und die – ich sage es noch einmal – durch diesen Beschluss ihre Ausbildung fertig machen können. Das ist, glaube ich, das Positive, das man heute auch erwähnen muss.

Lieber Karlheinz Kopf, da spreche ich auch als Unternehmer und als jemand, der Lehr­linge ausgebildet hat und ausbildet: Natürlich macht es Sinn, wenn ich jemanden aus­bilde, wenn ich weiß, was er kann, und wenn ich ihn im Betrieb brauche – es sind Man­gelberufe, die Personen werden gebraucht –, dass ich ihn dann auch weiterbeschäfti­gen kann. Und es macht keinen Sinn, ihn abzuschieben und vielleicht über den Um­weg, dass er die Rot-Weiß-Rot-Karte im Ausland beantragen muss, wieder ins Land zu holen oder – noch schlimmer – vielleicht jemanden anderen aus einem Drittstaat ins Land zu holen, bei dem ich dann nicht weiß, wie die Qualität der Ausbildung war, bei dem ich nicht weiß, wie die Deutschkenntnisse sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin sehr froh, dass uns dieser Kompromiss gelungen ist. Es war nicht einfach, weil der Erstantrag der ÖVP vieles nicht beinhaltet hat, was wir jetzt drinnen haben. Ein ganz wesentlicher Teil ist, dass wir jetzt natürlich auch jenen Personenkreis berück­sichtigen, der aktuell einen negativen Bescheid bekommen hat, und der Abschiebepro­zess bei diesem auch entsprechend gehemmt wird. Ich glaube, dass das ein ganz wesentlicher Punkt war, damit wir nicht ständig mit Fällen konfrontiert sind, bei denen es wieder zu Abschiebungen kommt, bevor die Lehre abgeschlossen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich sage, es ist ein erster Schritt, dann plädiere ich wirklich dafür, unseren Ent­schließungsantrag zu unterstützen, denn dieser würde den zweiten Schritt, den es ganz notwendig braucht, nachhaltig umsetzen: dass jene Menschen, die bei uns eine Lehre positiv abschließen, die eine positive Lehrabschlussprüfung machen, die sich bewährt haben und sich gut integriert haben, auch die Möglichkeit haben, hier im Land eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen und nicht vorher wieder ins Ausland müssen. Also es macht natürlich Sinn, wenn wir über eine Reform und ein Neudenken der Rot-Weiß-Rot-Karte nachdenken, damit diese auch den Bedürfnissen des Arbeitsmarkes entspricht. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Thema ist ein bisschen vielfältiger, was wir anhand der Fälle, mit denen wir in den vergangenen Tagen konfrontiert waren, sehen. Wir vonseiten der Politik müssen uns auch um die Menschen kümmern, die in einer Schulausbildung sind, die eine Ausbil­dung in einem Pflegeberuf machen, in dem wir auch einen Mangel haben, und da darf es doch nicht sein, dass es so ein Prozedere gibt wie in den vergangenen Tagen: dass man jemanden zu Hause abholt, schon einen Tag einsperrt und ihm dann doch noch einmal die Möglichkeit gibt, hierzubleiben. (Abg. Amesbauer: Ja, er hätte gleich abge-


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schoben gehört!) Ich glaube, da ist die Politik in der Verantwortung, eine Lösung für diese Menschen zu finden, damit es Sicherheit gibt, und das ist auch ein Mangelbe­reich, bei dem wir genau hinschauen müssen.

Darum glaube ich, dass wir an diesem Thema dranbleiben müssen und dass wir das nicht ganz isoliert von dem, was wir jetzt gelöst haben, sehen können. Ich bin aber froh, dass wir einmal einen Teil erledigt haben. Da bedanke ich mich auch bei den Fraktionen, die bei diesem Kompromiss, bei diesem ersten Schritt mitgearbeitet haben. Ich bedanke mich beim Ministerium, beim Herrn Minister für das rasche Umsetzen un­serer Abänderungsvorschläge, die dann in Summe tatsächlich zu einem sehr komple­xen Abänderungsantrag geführt haben.

Meine Damen und Herren, ich kann nur noch einmal sagen: Schauen wir, dass wir die­sen ersten Schritt auch weiterdenken und zu Ende denken, dass es eine Sicherheit für die Menschen gibt, die sich hier in Österreich gut integriert haben und eine Ausbildung gemacht haben! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

13.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


13.56.13

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Werte Kollegen und Kolleginnen sowie Gäste! Ja, das war ein zähes Ringen und das ist ein erster guter Schritt, da sind wir uns bis auf die FPÖ alle einig (Abg. Wurm: In die falsche Richtung!), und ja, auch wir Grüne finden, es braucht hier weitere und im Bestfall gemeinsame Schritte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Der jüngste und heute bereits erwähnte Fall in Langenlois, wo die Fremdenpolizei die Privaträume von Klosterschwestern nach einem jungen, engagierten und integrierten Schüler einer Krankenpflegeschule durchsuchte, weckte viele auf und weckte auch Unverständnis in der Bevölkerung dahin gehend, wieso junge, engagierte Menschen eigentlich das Land verlassen sollen. (Abg. Wurm: Entwicklungshilfe!) Das verstehen immer weniger Menschen, und wenn etwas derartig irrational erscheint, dann müssen wir vonseiten der Politik uns fragen: Wo sind die Lücken? Was können wir dagegen tun? (Abg. Wurm: Afghanistan braucht sie dringend!)

Wir wissen, dass es da eben um die sogenannten Mangelberufe geht, und ja, da gebe ich Ihnen recht: Es stimmt schon, es ist nicht die einzige Lösung, über Asylverfahren genau das abzudecken. Nichtsdestotrotz müssen wir uns wie bei diesem Abände­rungsantrag gemeinsam darum bemühen und prüfen, ob es nicht auch eine Möglich­keit ist, betreffend Lehrlinge, betreffend Schüler, die wir in Österreich dringend brau­chen, Rechtssicherheit zu schaffen und sich auch genauer anzuschauen, was wir tun können, damit diese Menschen in Österreich eine Lehre, eine Schule abschließen kön­nen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen aufgrund dessen, dass die Zivilgesellschaft ihre Stimme erhebt und sich ganz vehement für diesen Schüler in Langenlois eingesetzt hat, dass sich in Österreich etwas tut, dass es hier immer stärker, auch seitens der Bevölkerung, die Forderung gibt, dass wir eine Politik der Ordnung, aber auch eine Politik der Menschlichkeit ma­chen. Wir wissen auch, dass die letzte Umfrage in Österreich ergeben hat, dass 67 Prozent der Menschen sagen, dass Lehrlinge in Österreich eine Lehre abschließen dürfen sollen. Wir vonseiten der Politik sollten das nicht ignorieren, sondern genau des­halb genauer hinhören, wieso es so irrational erscheint, wenn wir Menschen zum Ver­lassen des Landes zwingen, die hier eine gute Ausbildung machen können. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


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Mit diesem Beschluss wird einer Politik der gesellschaftlichen Ausgrenzung und auch der wirtschaftlichen Unvernunft – das haben wir heute mehrmals gehört – eine Absage erteilt, und das ist gut so. Abgesehen davon, dass wir nicht nur Pflegekräfte brauchen, wissen wir auch, dass die Untätigkeit von jungen Menschen nicht unser Ziel sein kann. Eine Lehre – auch das wissen wir – ist die beste Integrationsmaßnahme, und wenn wir Integration einfordern, dann müssen wir aufhören, diese bewusst zu verhindern.

In diesem Sinne ist es mir noch ganz, ganz wichtig, zu erwähnen, dass wir gestern mit einer erschreckenden Zahl konfrontiert worden sind: 22 Prozent der österreichischen Bevölkerung wollen keine Demokratie, wollen kein Parlament; gleichzeitig werden in Ungarn die Rechte der Abgeordneten beschränkt. (Abg. Amesbauer: Wenn ihr ... be­schließt ...!)

Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig für das österreichische Parlament, dass dieses zä­he Ringen dazu geführt hat, dass wir einen Kompromiss mit dem vielleicht nicht alle gänzlich zufrieden sind (Abg. Amesbauer: Wir sind gar nicht zufrieden!) gefunden haben, weil genau dieser Kompromiss gegen die Politikverdrossenheit ankämpft und wir mit diesem Kompromiss beweisen, dass auch wenn wir unterschiedliche Einstel­lungen haben  dieses Parlament in Österreich dazu dient, genau dieses Vertrauen in die Politik wieder zu stärken. (Beifall bei den Grünen. Abg. Amesbauer: ... aber nicht mit solchen Gesetzen! Abg. Belakowitsch: ... 70 Prozent ...!)

Deswegen ist es uns Grünen ganz, ganz wichtig, genau diese Politik des Möglichen nicht nur zu betonen, sondern wir möchten uns explizit bei allen – angefangen bei den vier Parteien, die den Antrag mittragen (Zwischenruf des Abg. Wurm), über die NGOs und die Zivilgesellschaft bis hin zu den engagierten Einzelpersonen (Abg. Amesbauer: Wer ist die Zivilgesellschaft, wer oder was? Sind Sie das? Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch) –, die sich dafür einsetzen, dass Lehrlinge ihre Ausbildung, ihre Lehre ab­schließen können, bedanken. Ich hoffe auf weitere Gespräche, auf ein weiteres Rin­gen, damit sich die Situation für diese Menschen auch nach der Ausbildung entschärft.  Danke schön. (Beifall bei den Grünen. Abg. Wurm: ... Afghanistan ...!)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.01.40

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Es wäre eigentlich einfach gewesen. Wir haben das, wie Sie gesagt haben, auch schon länger thematisiert, und ich bedanke mich explizit bei Ihnen, Herr Minister, denn das war vorher nie der Fall, und das muss man auch erwähnen, dass man in Zusammenarbeit, auch mit den einzelnen Fraktionen, in Ihrem Ministerium eine Lösung herbeigeführt hat. Der Wille, da eine Lösung zu finden, war bei Ihnen gegeben, und es ist ein Kompromiss geworden.

Es ist in der Tat ein Kompromiss geworden, und ich möchte im zweiten Teil meiner Rede auch noch darauf eingehen, wie komplex dieser Kompromiss ist. Kollege Mahrer hat gesagt, auf die Politik müsse man sich verlassen können – ich werde das dann später vorlesen.

Lassen Sie mich aber eingangs noch ein bisschen etwas zu meinen Vorrednern sagen: Also das Einzige, das sich bei den letztlich doch verbliebenen FPÖlern – da werden wohl noch ein paar Wirte oder ein paar Hoteliers dabei sein – bestätigt hat, meine Vorredner Wurm und Amesbauer haben das bestätigt (Abg. Wurm: ... mehr von den NEOS!), ist, dass sie keine Wirtschaftskompetenz haben. (Heiterkeit der Abgeordneten Amesbauer und Wurm.) Die FPÖ hat eigentlich nur eine Nehmerkompetenz, das heißt: Wie gehen wir mit Spesen oder sonstigen Dingen um? Wie teilen wir uns den Staat auf?


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Wirtschaftskompetenz hat im Gegensatz zu Ihnen Kollege Muchitsch bewiesen. Er hat nämlich gesagt, das sind Beitragszahler, die zahlen in das System ein. (Abg. Ames­bauer: Der Oberbonze! – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Das ist eine ganz einfache Rechnung: Wenn man einen Asylwerber, der in Lehre ist, nicht arbeiten lässt, dann bezieht er aus dem System, in das er sonst einzahlt. Das ist keine schwierige Rechnung, oder? Nein, das ist eigentlich ganz leicht.

Ihre Kompetenz ist auch noch eine andere, nämlich die der Xenophobie und sonst gar nichts. Sie sind ausländerfeindlich bis zum Schluss! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.  Abg. Amesbauer: Oh!) Um mehr geht es Ihnen gar nicht. Sie glauben, damit noch Kleingeld machen zu können, zulasten dieser 700 Men­schen. Wir haben einen Lehrlingsmangel. (Abg. Amesbauer: ... Sie wollen ja mehr und wollen die ... dauerhaft verfestigen!) Ich nenne Ihnen jetzt eine Zahl – seien Sie einmal ruhig, denken Sie einmal nach! –: 2002 gab es knapp 40 000 Lehrlinge, jetzt gibt es knapp 27 000. Was ruft das hervor? Was haben wir in spätestens drei Jah­ren? Einen Fachkräftemangel, und wenn wir jene, die jetzt integrationswillig sind, die Beiträge zahlen, abschieben, haben wir à la longue ein Problem. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.)

Das sind die Themen, die mich als Unternehmer beschäftigen und die viele Hoteliers und jene, die in Mangelberufen ausbilden, beschäftigen. (Die Abgeordneten Belako­witsch und Wurm: Ja, ja! Abg. Amesbauer: Also Sie sind da uneigennützig?! Wol­len in Ihrem Betrieb keine Österreicher arbeiten ... Arbeitsbedingungen?) Die Lehrlinge werden dann abgeschoben, da gibt es keine Rechtssicherheit. Ich pflichte Kollegen Kopf bei und ich pflichte vor allem auch dem Herrn Minister bei, dass wir da auch un­terscheiden müssen. Was ist aber in der Vergangenheit nie angegangen worden? – Ein eigenständiges Einwanderungsgesetz, eine Migrationsstrategie. Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft bis 2030, 2040? – Nicht nur in den Mangelberufen, sondern auch aufgrund der demografischen Kurve werden wir ein Problem haben. Wir brau­chen ein eigenständiges Gesetz, eine eigenständige Strategie, auch für qualifizierte Zuwanderung. (Beifall bei den NEOS.)

Zum letzten Punkt, Kollege Mahrer, ich erwähne das noch einmal: Bei diesem Abän­derungsantrag, das gebe ich zu, gehen wir zähneknirschend mit, denn wir haben etwas ganz anderes gefordert, nämlich die Sicherheit (Abg. Amesbauer: Das sagen wir die ganze Zeit ... geht nicht weit genug!)  das wird Sie jetzt überraschen –: drei plus zwei. Das ist die Kompetenz. (Abg. Amesbauer: Das sind fünf Jahre!) – Ja, das sind fünf Jahre. (Abg. Amesbauer: Und danach?) Das sind fünf Jahre, da haben Sie recht, schön gerechnet! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Drei plus zwei, das ist unser Antrag. Wir gehen da zähneknirschend mit – zähneknirschend, denn es wäre ganz an­ders und einfach gewesen.

Ich als Unternehmer – ich bin kein Jurist, sondern natürlich Touristiker – lese Ihnen jetzt vor, worauf wir uns eingelassen haben, und da bitte ich vor allem die Seite der ÖVP, das einmal zu betrachten (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), und mir dann zu sagen, wie es geht. Ich versuche, das langsam vorzulesen. (Abg. Wurm: Wir verste­hen es schon!)

Im konkreten Fall schaut es so aus: Ein Lehrling erhält eine negative Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Damit ist die Lehre einfach kraft Gesetzes beendet. Der Lehrling darf nicht mehr arbeiten. Macht er das trotzdem, dann macht sich der Lehrherr einer illegalen Beschäftigung schuldig. Eh klar! Der Lehrling muss also gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Rechtsmittel bei den Höchstge­richten einbringen und zusätzlich die aufschiebende Wirkung beantragen. Das ist Fakt, das ist normal.


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Jetzt heißt es warten und vor einer Abschiebung zittern, bis die aufschiebende Wirkung bewilligt wird. Auch richtig. Wird die aufschiebende Wirkung bewilligt, müssen der Lehrling und der Lehrherr erneut einen Lehrvertrag abschließen und diesen bei der Lehrlingsstelle eintragen lassen, Herr Kollege Kopf. Diesen zweiten Lehrvertrag müs­sen Sie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl spätestens drei Wochen ab Zu­erkennung der aufschiebenden Wirkung übermitteln, Herr Minister. Ist dieser zweite Lehrvertrag rechtzeitig beim Bundesamt eingelangt, dann wird endlich der Abschiebe­stopp wirksam und die ursprünglich für das erste Lehrverhältnis erteilte Beschäfti­gungsbewilligung gilt als nicht erloschen. Der Lehrling darf nun bis zum Lehrabschluss wieder im Betrieb arbeiten.

Das ist ein kafkaesker Paragrafendschungel. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) Da nehmen Sie jetzt einen Unternehmer an der Hand und machen das mit ihm! Das ist eigentlich schwerst – schwerst! – kompliziert. Was will man damit erreichen? Das jetzt als großen Erfolg zu verkaufen ist mehr als zynisch. Ich denke, die Interessen der Wirtschaft, die Interessen der Unternehmer sollten auch die Interessen der ÖVP sein – und nicht, das auf der einen Seite populistisch zu verkaufen und dann auf der anderen Seite zu behindern. (Abg. Amesbauer: Um das geht es nicht in einem Asylverfahren! Das gibt’s ja nicht!)

Erleichtern Sie mit uns, mit unserem Abänderungsantrag, diese Gesetzgebung! Er­leichtern Sie das mit uns und setzen Sie mit drei plus zwei auf unser System, dann wird alles viel einfacher! (Beifall bei den NEOS.  Abg. Amesbauer: Ach so, ich habe geglaubt zwei plus zwei!)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Kffr. Eli­sabeth Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.09.00

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich gerne drei Dinge richtigstellen, die von FPÖ-Seite gekommen sind und die unter den Zuhörerinnen und Zuhörern für Verwirrung sorgen könnten.

Der erste Punkt: Herr Amesberger hat sich über den Fall des Asylwerbers in Langen­lois, der vor der Abschiebung stand und dessen Abschiebung noch einmal abgewendet oder verzögert worden ist, der eine neue Frist bekommen hat, schwer aufgeregt. Mir ist ganz wichtig, eines festzuhalten: Dieser Fall hat nichts mit dem Gesetz zu tun, das wir jetzt gerade diskutieren, und zwar gar nichts.

Der betroffene Asylwerber in Langenlois geht in eine Schule – wir beschließen jetzt ei­ne Lösung für Asylwerber in Lehre –, und er hat schon seit 2018 einen rechtskräftigen Abschiebebescheid; das bedeutet, dass er auch aus diesem Grund nicht unter dieses Gesetz fällt, das wir heute beschließen. Warum dieser Fall noch einmal begutachtet wird, hat der Herr Minister ja schon ausgeführt.

Die nächsten zwei Punkte sind von Kollegen Wurm gekommen, auch diese möchte ich richtigstellen. Kollege Wurm hat unterstellt, dass mit dem neuen Gesetz irgendwelche Bescheide aufgehoben werden. – Das stimmt nicht, es kommt nur zu einer Hemmung der Frist. Das ist ein Riesenunterschied. (Abg. Wurm: Wo habe ich das gesagt, Frau Kollegin?) Es ist mir sehr wichtig, dass das festgehalten wird.

Kollege Wurm hat auch unterstellt, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte in Zukunft dahin ge­hend geöffnet und sozusagen verwässert wird, dass unqualifizierte Menschen wieder zum Arbeiten zu uns kommen dürfen. – Ich stelle fest, dass ausgebildete Lehrlinge natürlich nicht mehr unqualifiziert sind, sondern zu den qualifizierten Arbeitnehmern ge­hören. (Abg. Belakowitsch: Aber Sie dürfen ...!)


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Das sind die drei Dinge, die mir sehr wichtig sind, und, Frau Belakowitsch, wenn Sie et­was dazu sagen wollen, dann kommen Sie noch einmal heraus! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Mache ich dann eh! Mache ich schon!)

Ich möchte noch jene drei Dinge anbringen, die mir persönlich als ÖVPlerin sehr wich­tig sind: Zuerst möchte ich mich bei allen Parteien sehr, sehr herzlich für diese Lösung bedanken. Es ist mir persönlich immer ein sehr großes Anliegen gewesen, einen praktikablen Weg für die Asylwerber zu finden, die derzeit in einem Lehrverhältnis sind. Das ist uns damit gelungen, und wir haben keine Vermischung zwischen Asylrecht und Arbeitsmigration. (Heiterkeit des Abg. Amesbauer.) Wir haben damit auch das ein­halten können, was Sebastian Kurz vor der Wahl versprochen hat, nämlich dass wir ei­ne pragmatische Lösung finden werden. (Abg. Amesbauer: Das hat er vor der Wahl nicht gesagt!)

Zum Zweiten halte ich es für extrem - - (Abg. Amesbauer: Das hat er nachher ge­sagt!) – Nein, er hat es vorher gesagt! Zum Zweiten möchte ich festhalten, dass es mir sehr wichtig ist, dass wir auch für die Zukunft sicherstellen – und es aufgrund der sin­kenden Asylwerberzahlen vielleicht noch besser machen –, dass die Asylverfahren so kurz wie möglich sind. Ich glaube, das war der Grund vieler Probleme, dass die Asyl­verfahren unglaublich lange gedauert haben – ohne da den Beamten Vorwürfe machen zu wollen, die waren einfach überlastet. Je schneller ein Verfahren abgewickelt wird, umso weniger groß ist natürlich der Druck auf die Menschen, die um Asyl ansuchen, umso weniger Geduld müssen sie aufbringen und umso weniger Unsicherheit müssen sie aushalten. Es besteht dann auch nicht mehr die Notwendigkeit, darüber zu disku­tieren, ob sie arbeiten können sollen oder nicht.

Der dritte Punkt, der mir auch sehr wichtig ist und der heute von niemandem erwähnt worden ist: Wir müssen bitte endlich, endlich, endlich auf der EU-Ebene Lösungen finden, damit Flucht nicht mehr notwendig ist beziehungsweise möglichst nicht mehr notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen Lösungen finden und dafür sorgen, dass den Menschen entweder vor Ort besser geholfen wird oder dass die Menschen vor Ort oder in einem Nachbarland ihres Heimatslandes einen Antrag auf Asyl oder Resettlement stellen können und erst dann zu uns geholt werden, wenn auch das Asylverfahren abgewickelt ist. Damit hätten wir endlich auf EU-Ebene eine gescheite Lösung, mit der alle leben können, und ganz, ganz viele Diskussionen, die wir in den letzten Jahren geführt haben, wären obsolet.

Der vierte Punkt: Als Wahlkreisabgeordnete möchte ich mich Herrn Kollegen Kopf an­schließen, wir haben bei uns in Tirol einen eklatanten Arbeitskräftemangel, der teilwei­se in manchen Branchen wirklich schon dramatische Züge hat. Wir brauchen Arbeits­kräfte, qualifizierte Arbeitskräfte. Heute hat unser Wirtschaftskammerpräsident in Tirol bekannt gegeben, dass 79 Prozent der Firmen in Tirol über Arbeitskräftemangel klagen beziehungsweise über Fachkräftemangel klagen. (Abg. Amesbauer: Da habt ihr einen schlechten Landeshauptmann, na!)

Zu all den Vorschlägen, die Kollege Kopf schon gemacht hat, was die In-Arbeit-Brin­gung von ansässigen oder einheimischen Arbeitssuchenden und natürlich auch von Asylberechtigten, die ja jetzt bei uns arbeiten dürfen, wo immer sie wollen, betrifft, möchte ich noch einmal betonen: Wir brauchen ganz speziell im Tourismus ein größe­res Kontingent für Drittstaatsangehörige. Wir reden da nicht über 100, lieber Kollege Hörl, sondern über weit mehr Menschen, die wir brauchen. Wir müssen uns darüber (Abg. Amesbauer: Vielleicht sollte die Tourismusbranche attraktiver werden!), Herr Kollege Amesberger, einmal in aller Ruhe - - (Abg. Amesbauer: Auch für die einheimi­schen Arbeitskräfte!) – Ja, bringt sie uns, die einheimischen Kräfte, die kriegen bei uns alle einen Job, wenn sie arbeiten wollen! (Abg. Belakowitsch: Bauer!)


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Ich komme aus jenem Bezirk Österreichs, in dem es fast eine Nullarbeitslosigkeit gibt, wir bekommen keine Fachkräfte. (Beifall bei der ÖVP.) Sagen Sie jetzt nicht, die werden nicht gut bezahlt et cetera! (Abg. Amesbauer: Ja, dann sollte man ...!) – Ja, die Vorschläge können Sie dann gerne einbringen, wenn Sie sich noch einmal zu Wort melden!

Herr Kollege Amesberger, was mir aber ganz wichtig ist (Abg. Belakowitsch: Bauer!): Wir sollten auch einmal in aller Ruhe darüber reden, dass wir einen bestimmten Zuzug zulassen müssen. Sie brauchen nur die Bevölkerungspyramide in Österreich anzu­schauen: Wir werden es nicht mehr stemmen. (Abg. Belakowitsch: Ich wiederhole: Die ÖVP ist für Zuzug!) Da geht es nicht nur um den Tourismus, da geht es zum Beispiel auch um die Pflege. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) – Nein, das ist über­haupt keine Offenbarung. Ich rede ja nicht von Asylwerbern. Ich habe explizit nicht von Asylwerbern gesprochen, sondern von qualifiziertem Zuzug. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte Sie bitten, einmal das Zuhören zu lernen und über Weihnachten ein biss­chen darüber zu reflektieren, dass man in einer Sitzung auch zuhören soll! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amesbauer: So eine inländerfeindliche Rede!)

14.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Nurten Yıl­maz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.15.46

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herren Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Wir haben nun eine Einigung – eigentlich eine Notlösung – von vier Parteien hinsichtlich der circa 800 jungen Menschen, die in Österreich gerade eine Ausbildung machen. Das ist auch gut so, das freut uns.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen aber schon ganz genau, dass in eineinhalb bis zwei Monaten die ersten Lehrlinge ihre Berufsausbildung abschließen werden. Das sind ausgebildete Fachkräfte, gut integriert und mit guten Deutschkenntnissen. Was machen wir mit denen? (Abg. Wurm: In Afghanistan im Hotel arbeiten! – Abg. Bela­kowitsch: Im Supermarkt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es werden auch die ersten Patinnen und Paten vor unserer Tür stehen und sagen: Das kann es doch nicht sein, dass Menschen, die seit vier, fünf Jahren in Österreich leben und integriert sind, abgeschoben werden, und im gleichen Atemzug verlangt man – wie Kollegin Pfurt­scheller – Tausende von ausgebildeten Menschen! (Abg. Amesbauer: Ja, das ist ja eh ein Wahnsinn! Das ist die ÖVP!)

Ja, was tun wir jetzt, wenn wir es sachlich angehen? Menschen, die schon Deutsch können und ausgebildet sind, dabehalten? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Da gibt es zwei Vorschläge von den NEOS und von der SPÖ – übrigens sehr interessant ‑, wie man nach dem Abschluss der Lehre mit diesen Menschen umgehen kann. Interes­santerweise gibt es von den beiden Parteien, die gerade Koalitionsgespräche führen, überhaupt nichts. Wie soll es im März, April weitergehen, wenn die Leute fertig sind? Hören wir noch irgendetwas außer gute Sonntagsreden, vor allem von den Grünen? Wo ist der Vorschlag, wie man damit umgehen sollte, welche Gespräche man führen sollte?

Was machen wir im Mai, wenn die Ersten fertig sind? – Die schieben wir einmal ab (Abg. Wurm: Es sind ja schon zahl- -!), und dann suchen wir laut der Wirtschaftskam­mer neue Kräfte für Pflege, neue Köche und so weiter (Zwischenruf der Abg. Bela­kowitsch), die brauchen dann Deutschkenntnisse und die müssen dann einmal in un­ser System integriert werden.


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Leute, so kann man damit nicht umgehen! Die österreichische Bevölkerung ist nicht dumm, sie braucht Lösungen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Nein!) Die meisten sagen: Warum soll jemand, der Deutsch spricht und eine Ausbildung hat, ab­geschoben werden? (Abg. Amesbauer: Weil kein Asylgrund vorliegt!) – Es gibt einen Vorschlag von zwei Parteien in Bezug auf diese 800 Menschen: Entscheiden wir uns dafür!

Es macht wenig Sinn, es nützt niemandem. Wo ist der Vorschlag betreffend jene, die in ein paar Monaten fertig werden? (Abg. Wurm: Die sollen in Afghanistan das Land auf­bauen helfen! Afghanistan braucht sie dringend!) – Schauen Sie, es gibt auch FPÖ-Bürgermeister, die Initiativen unterstützen. Die wollen auch bleiben (Zwischenruf des Abg. Wurm), die sind bei der Feuerwehr, die Söhne spielen Fußball, die Mutter ist ir­gendwo im Kirchenchor, der Vater arbeitet brav: Die schieben wir ab? – Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Im Übrigen: Die Reden der FPÖ-Abgeordneten kann ich nur noch als milieubedingte Unmutsäußerungen einstufen, denn sonst war überhaupt nichts da. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Wo ist der Kirchen­chor? Ich höre mir das gerne mal an!)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Faika El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.19.35

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Integration bedeutet Chancen und Perspektiven und Integration braucht Chancen und Perspektiven.

Das, was wir in den Blick nehmen müssen, ist, wie wir diese Chancen schaffen kön­nen, und wir müssen diejenigen in den Blick nehmen, die betroffen sind, und zwar als Individuen, als Menschen und nicht als eine Zahl und eine entmenschlichte Menge und Masse. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht darum, Chancen im Bereich des Erwerbs von Sprachkompetenz, von Fach­kompetenz zu ermöglichen, es geht um den Zugang zu Arbeit und Ausbildung, soziale Kontakte, Einbindung in die diverse österreichische Gesellschaft. Wie gelingt uns das? – Die Realität, mit der wir konfrontiert sind, ist die, dass viel zu viele Menschen viel zu lange in Asylverfahren hängen, die zu lange dauern, ohne Möglichkeit, an Ar­beit, an Ausbildung, an sozialer Teilhabe anzuknüpfen.

Die Realität ist, dass Menschen, junge Menschen, ohne Perspektiven, hängengelassen werden zwischen ihrem Herkunftsland (Abg. Wurm: Bitte!) – im Fall von Afghanistan ein Land im Krieg, von UNHCR, IOM, EASO unisono und beständig immer wieder be­stätigt, ein Land, in dem sich die humanitäre Situation zunehmend verschärft (Abg. Wurm: Was ist Ihre ... für Afghanistan?) –, zwischen diesem Herkunftsland, einem Land im Krieg, und dem Land, in dem sie leben, das für sie zu einer Heimat werden kann; hängengelassen in einer Situation ohne Perspektiven, ohne Chancen und ohne Zukunft.

Die Realität ist, dass die Zehntausenden Menschen in Österreich, die engagierten Ein­zelpersonen, die Gemeinden, die Unternehmen, die Betriebe, die Pfarren gezeigt haben, wieder einmal und immer wieder, was für eine Leistung Integration wirklich ist, und zwar eine beiderseitige Leistung und eine, die am besten vom ersten Tag an be­ginnt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Natürlich und selbstverständlich brauchen wir den Zugang zu Ausbildungsmöglichkei­ten, den Zugang zur Lehre, den Zugang zur Schule im Sinne der EU-Richtlinie. Natür-


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lich und selbstverständlich brauchen wir ein modernes und humanitäres Bleiberecht. (Abg. Kickl: Am besten ist, man schafft das Asylsystem ab!) Und natürlich und selbst­verständlich brauchen wir den Schutz vor Abschiebungen in Kriegsgebiete. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das alles muss rechtskonform, mit Rechtssicherheit und nachhaltig gelöst werden.

Das ist eine Frage, nicht nur asylpolitisch, das ist eine Frage, nicht nur integrations­politisch, bildungspolitisch, sozialpolitisch, jugendpolitisch, das ist wirklich auch eine menschenrechtliche Frage – eine menschenrechtliche Frage und nicht nur eine mensch­liche Frage. Gestern war der Internationale Tag der Menschenrechte. Es darf nicht sein, dass so ein Tag zu einem Tag der Lippenbekenntnisse wird. Das ist ein Tag und das ist ein Moment, in dem es darum geht, wieder einmal sicherzustellen, dass es eine menschenrechtliche Rahmung gibt, diese Rahmenbedingungen auf einer menschen­rechtlichen Basis und nachhaltig sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Das bedeutet natürlich, dass es Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen, Ausbil­dungsmöglichkeiten für junge Asylsuchende braucht, anstatt dass sie jahrelang untätig auf ein Abstellgleis gestellt werden. Und das muss mit einer Bleibeperspektive wie dem Drei-plus-zwei-Modell verbunden sein. Das muss mit der Möglichkeit verbunden sein, nachhaltig umzusteigen, zum Beispiel auf die Rot-Weiß-Rot-Karte. (Abg. Kickl: Dann seid doch ehrlich! Dann schafft das Asylsystem gleich ab!) Das ist das, was erreicht werden muss. Dazu werden heute Schritte gemacht werden, aber in diese Richtung muss es auch in Zukunft gehen. Jede Unterstützung Ihrerseits, parteienübergreifend, ist hier sehr geschätzt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.24.02

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Zuhörerinnen und liebe Zuhörer! „Wir haben zu wenig Willkommenskultur“ – das ist am 23.11.2014 in der „Presse“ gestanden. Sebastian Kurz hat eine Kampagne gestartet. Er hat gesagt, „es gebe ,das Thema, dass es in Österreich sehr viele Zuwanderer gibt, die sich noch nicht heimisch fühlen‘, denen es aber auch nicht leicht gemacht werde“. – Das sind für mich ganz entscheidende Sätze. – Er habe das Ziel, aufzuzeigen, dass es Trennendes und unterschiedliche Meinungen gibt, dass Dinge zusammenzuführen sind, denn wir sind ein verbindendes Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Ganze hat dann anders ausgesehen, als dieser junge Mann mit der FPÖ an die Spitze der Regierung gekommen ist und genau das alles verhindert hat. (Abg. Kickl: Wir haben nur Ordnung gemacht! – Abg. Leichtfried: Erste Rede!) Integrationswillige, arbeitswillige - - Na, Kollege Kickl, das bin ich vom Kärntner Landtag gewohnt, das ist für mich kein Problem. Dort hat es noch den Scheuch gegeben, hier gibt es halt den Kickl. Das ist komplett egal. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Leichtfried: Aber benehmen kann man sich!)

Integrationswillige, arbeitswillige junge Menschen sollen sich hier wohlfühlen. Ich möchte das anhand eines Beispiels (Abg. Kickl: Die, die sich nicht integrieren, schie­ben wir dann ab!), Herr Kickl, anhand eines Beispiels darlegen.

Wir im Glantal haben nicht sehr viele Asylanten und Ausländer (Abg. Kickl: Seid froh!), aber wir haben ein paar; der eine junge Mann ist Asylwerber, ist 2015, genau um diese Zeit gekommen. Er ist 1994 geboren, ist 25 Jahre alt, hat in Österreich die Pflichtschule abgeschlossen, ist von uns im Glantal mit dem Zug nach Klagenfurt gefahren – da


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haben ihm noch viele die Monatskarte gezahlt, damit sich das überhaupt ausgeht (Abg. Kickl: Jö!) –, hat regelmäßige Sprachkurse gemacht, hat bei uns am Bauhof gear­beitet, ist über Traiskirchen eben ins Glantal gekommen und fühlt sich wohl.

Was ist jetzt mit diesem jungen Mann? – Der darf keine Lehre antreten. Herr Kickl, ich sage Ihnen, in der Brauerei in Hirt hätte er lernen können. Da sagt das Gesetz, das geht gar nicht. (Abg. Kickl: Sie wollen es nicht verstehen! Sie wollen es gar nicht verstehen) – Na, na, ich verstehe schon, Sie wollen es nicht verstehen. Das ist das Problem. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) Ich glaube, dass ein Rudi Hundstorfer - - (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.) – Ich war nicht in diesem Nationalrat, aber einem Rudi Hundstorfer hätten Sie folgen müssen, denn der hat das genau erkannt. (Abg. Kickl: Sie wissen überhaupt nicht, was Sie anrichten!) Der hat das genau erkannt, der Rudi Hundstorfer, was wichtig ist, nämlich dass wir Menschen, die in Österreich in der Arbeitswelt gar nicht vorhanden sind, junge Lehrlinge bei uns brauchen. Wir brauchen im Bezirk Schlosser, Tischler, wir brauchen all diese Menschen. Und das geht nicht, weil der da nicht arbeiten und nicht lernen darf. (Abg. Kickl: Ist das der Einzige, den es da gibt?)

Das ist eine komplett falsche Politik, die ihr da machen wollt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Es sind richtige Schritte dahin gehend zu setzen, dass Betriebe ihre Lehrlin­ge bekommen, dass Mangelberufe aufgezeigt werden, dass diese Leute arbeiten kön­nen. Ich glaube, dass dieser heutige Antrag, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein kleiner richtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ich glaube, es geht aufwärts. Die Menschen in Österreich dürfen wieder lernen. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Die Richtung stimmt!)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dagmar Belako­witsch. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.27.49

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minis­ter auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu meinem Vorredner gleich: Also ich glaube, Sie haben überhaupt gar keine Ahnung, was der Rudi Hunds­torfer in der Anfragebeantwortung 2012/2013 geantwortet hat. Hätten Sie das einmal durchgelesen, dann wüssten Sie, dass er da nämlich gesagt hat: „Mit rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrages endet auch das Aufenthaltsrecht als Grundlage für den weiteren Verbleib in Österreich.“ – Punkt. (Abg. Wurm: Das war der Rudi! – Abg. Kickl: Der rote Rudi!) Das hat der Rudolf Hundstorfer in einer schriftlichen Anfragebe­antwortung geantwortet. (Beifall bei der FPÖ.) Also die Intention, die Sie da aus ideolo­gischen Gründen hineininterpretieren, hat der Rudolf Hundstorfer jedenfalls nicht in dieser schriftlichen Anfragebeantwortung gehabt.

So, aber jetzt zu dem, was wir hier auf dem Tisch liegen haben, meine Damen und Herren: Das ist ein Gesetzentwurf, wobei ohne jede Rechtsgrundlage gehandelt wird. Da gibt es einen rechtskräftigen Bescheid, dass jemand das Land zu verlassen hat. Sie beschließen jetzt einfach: Den Bescheid exekutieren wir halt nicht! Ich weiß nicht: Was passiert mit dem Bescheid, meine Damen und Herren von der ÖVP? Wird er derweil aufgehoben, wird er archiviert, was machen Sie damit? (Abg. Leichtfried: Da ist ein­mal der Ordner von der FPÖ nicht da und es geht drunter und drüber!)

Und was passiert, wenn man diese Leute die Lehre fertig machen lässt? Was haben wir dann nächstes Jahr oder in zwei Jahren? Was wird dann passieren? Was passiert mit diesen Leuten, die jetzt die Lehre abgeschlossen haben – und dann sind sie aus­gebildet? – Kollegin Pfurtscheller hat ja schon gesagt, dann sind sie ja schon gut aus­gebildet. Ja was passiert denn dann mit denen? Dann schieben Sie sie ab? Oder


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stehen wir nächstes Jahr wieder hier und dann verlängern wir das wieder? (Abg. Kickl: Genauso wird das werden!) Was kommt dann als nächster Schritt? Kommt dann die Familienzusammenführung? Und was kommt dann noch als nächster Schritt? Dann kommen die Schüler, das haben wir ja schon in Langenlois gesehen. Da brauchen wir dann die Schüler. Und dann haben wir als nächsten Schritt noch die Studenten. Wann und wo wird das aufhören? (Abg. Amesbauer: Genau!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ihr habt heute die Büchse der Pandora ge­öffnet. Das wisst ihr ganz genau. Es haben sich ja schon einige von euch bemüßigt ge­fühlt, sich hierherzustellen. Kollege Karlheinz Kopf hat heute schon gesagt, wir brau­chen qualifizierte Zuwanderung, aber in einem ordentlichen Ausmaß.

Na bravo, ÖVP, Gratulation! Die ÖVP ist für die qualifizierte Zuwanderung, aber bitte in einem ordentlichen Ausmaß. (Abg. Kickl: Die qualifiziert kommen, damit wir sie qualifi­zieren!) Dann kommt Kollegin Pfurtscheller heraus und sagt, wir brauchen Tausende Zuwanderer in den Arbeitsmarkt.

Ja, ich meine, ich frage mich langsam: Was läuft denn in dieser Republik schief, bitte schön? Wo sind denn unsere eigenen jungen Leute, warum bilden wir die nicht aus? –Offensichtlich gibt es die nicht oder sie verlassen das Land, weil sie so schlechte Pers­pektiven haben. Irgendetwas läuft da also schief, meine Damen und Herren. Wenn ich mir die Zahlen des AMS anschaue, dann sehe ich, dass wir weit mehr Lehrstellensu­chende als offene Lehrstellen haben. (Ruf bei den Grünen: Schön langsam tut es weh!) Es ist also nicht so, dass es keine jungen Menschen gibt, die gerne einen Lehrberuf er­lernen würden. Offenbar sind die Bedingungen schlecht.

Der zweite Punkt ist, dass viele Betriebe und die Wirtschaftskammer ja darauf setzen, recht viel Zuwanderung in dieses Land hereinzubringen. Da (in Richtung SPÖ, Grüne und NEOS) kann ich es verstehen, das ist eine Ideologie, das ist eine rein ideologische Sache. Bei euch (in Richtung ÖVP) hat es andere Gründe und da muss man jetzt einmal fragen, welche. Sind es nicht vielleicht doch die billigen Arbeitskräfte, die ihr da gerne hättet? Wisst ihr, was ihr mit dem Gesetzesantrag heute macht? – Das ist mo­derne Sklaverei (Ruf bei der ÖVP: Hör auf!), denn jeder Einzelne, der jetzt eine Lehre weitermacht, weiß ganz genau: Wenn ich morgen die Lehre beende – aus welchen Gründen auch immer, ich zerstreite mich mit dem Lehrherrn, ich habe keine Lust mehr –, dann muss ich eigentlich das Land verlassen. Damit stehen diese Lehrlinge unter Druck ihres Lehrherrn. Das ist moderne Sklaverei, die ihr hier schafft, und so et­was ist zutiefst abzulehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist schon auch: Vor zwei Monaten haben wir noch von 900 Lehrlingen gehört, jetzt sind es nur mehr 700. Wo sind die anderen 200? Haben die einen positi­ven Bescheid bekommen, konnten sie mit der Lehre aufhören, weil der Bescheid eh schon positiv ist? Genau diese Frage muss man sich auch einmal stellen. Also wo sind die, meine Damen und Herren?

Noch etwas, und das wisst ihr ganz genau: 70 Prozent derer, die jetzt in Lehre sind, haben die Lehre begonnen, nachdem sie den ersten negativen Bescheid erhalten ha­ben. Das ist nichts anderes als die Aushebelung des Asylrechts, das wissen Sie ganz genau, meine Damen und Herren von der ÖVP und auch Sie, Herr Minister. Wenn Sie sich heute hierherstellen und sagen, das ist alles rechtsstaatlich, dann muss ich Sie schon auf etwas hinweisen: Ihre kreativen Rechtsauffassungen haben Sie ja schon ein paar Mal unter Beweis gestellt. Sie beantworten ja auch Anfragen nur dann, wenn Sie Lust haben, und nicht, wenn Sie keine haben. Es gibt hier bitte schön schon Gesetze, und das kann nicht rechtsstaatlich sein. Das ist es auch nicht, sondern das ist schlicht und einfach Willkür. Es werden einfach willkürlich Gesetze ausgehebelt, außer Kraft gesetzt, nur um Leute ins Land zu holen.


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Das heißt, jeder, der im Jahr 2015 ins Land gekommen ist, woher auch immer, wie alt auch immer – weil wir wissen, nirgends wird so viel gelogen wie beim Alter und bei der Herkunft –, und Asyl geschrien hat, kann jetzt hierbleiben. Das ist das völlig falsche Signal, meine Damen und Herren, das ist das falsche Signal. Wir müssen den Leuten sagen, sie haben keine Chance, hierherzukommen, und sie haben das Land zu verlas­sen, wenn sie keinen Anspruch auf Asyl haben. Genau das müsste man den Leuten jetzt auch ganz genau demonstrieren, in einer Zeit, in der wir wissen, dass am Balkan wiederum die Flüchtlingslager voll sind, dass aus der Türkei demnächst wahrscheinlich wieder Tausende Flüchtlinge Richtung Europa weitergeschickt werden.

Sie setzen ein Signal: Jeder, der es schafft, den Fuß nach Österreich zu setzen und hier einmal Asyl zu schreien (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), darf auch hierblei­ben – zwar mit ein bisserl Tricks und ein bisserl Schmähs, aber das Ende stimmt. Da machen Sie sich zum Mittäter, meine Damen und Herren von der ÖVP (Abg. Krainer: „Mittäter“ ist auf der Liste!), und da sollten Sie sich eigentlich schämen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Herr Präsident, „Mittäter“ ist aber nicht die Art und Weise, wie wir hier miteinander umgehen!)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Karl Neham­mer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.33.41

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Geschätzte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten und Computern! Stellen wir hier einiges klar: Der Fehler ist 2012 mit einem falschen Erlass passiert. Diesen Fehler haben wir korrigiert. Heute ist es für einen Asylwerber nicht mehr möglich, eine Lehre zu beginnen, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP.) Die Konsequenzen daraus se­hen wir jetzt in dieser Diskussion.

Wir als Volkspartei haben gesagt: Es braucht eine pragmatische Lösung (Zwischenruf bei den Grünen) mit Hausverstand für jene über 700, die da sind, damit sie ihre Lehre abschließen können, aber dann müssen sie das Land verlassen. (Abg. Amesbauer: Das ist ein Sinneswandel, oder?) Das Entscheidende ist: Ich erinnere mich noch sehr gut an das Thema, als es 2012 diskutiert worden ist. Da haben ganz viele Vertre­terinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, der NGOs argumentiert: Macht doch einen Erlass, dass Asylwerber eine Lehre beginnen können, damit sie, selbst wenn das Asyl­verfahren negativ ausgeht, zum Aufbau der Wirtschaft in ihrem Heimatland einen kons­truktiven Beitrag leisten können! (Abg. Wurm: Das war damals die Aussage!) – Genau das wird auch mit diesen 700, um die es jetzt geht, sofern sie negativ beschieden sind, passieren.

Eines aber ist auch klar, Herr Bundesminister, und darum ersuche ich Sie dringend: Der Fall von Langenlois zeigt auch, es muss konsequent gehandelt werden. Die Fälle, die wir jetzt hier diskutieren, haben mit Schülerinnen und Schülern gar nichts zu tun. Wenn ein höchstgerichtlicher Bescheid da ist, dass abgeschoben werden muss, dann muss abgeschoben werden, um dem Gesetz Genüge zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erweisen dem Asyl an sich einen Bä­rendienst, wenn wir hier am Rednerpult so darüber reden, wie wir es heute zum Teil getan haben. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Warum? – Das eine ist für Men­schen, die fliehen, weil sie aufgrund religiöser oder politischer Verfolgung an Leib und Leben bedroht sind; dafür wird Asyl gewährt. Schon hat sich in diese Diskussion heute auch wieder Folgendes eingeschlichen: Es geht ja um qualifizierte Lehrlinge, es geht


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um Menschen, die sich hier so bemühen, sich zu integrieren (Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch), es geht um 700 und es fehlen 100 000 (Ruf bei der SPÖ: Das war ... Zäh­lung!), haben wir gehört. – Wir haben 10 000 Asylberechtigte in Österreich, 10 000 Asyl­berechtigte unter 25 Jahren, die keinen Lehrberuf haben. Wie kann das sein? Wo ist da das Versagen? (Abg. Leichtfried: Weil’s verboten ist! – Abg. Belakowitsch: Ihr habt sie reingebracht!) 10 000, nicht 700 (Zwischenruf der Abg. Yılmaz); 10 000 Asyl­berechtigte unter 25 Jahren, 30 000 Asylberechtigte in Summe, die keine Arbeit haben! Da müssen wir ansetzen, diese Menschen müssen wir in Arbeit bringen, damit sie sich in unsere Gesellschaft integrieren können. Diese Menschen braucht die Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Mit einer pragmatischen Lösung für einen falschen Erlass aus dem Jahr 2012 – weil damit in Wahrheit begonnen wurde, Asyl, Integration und Migration miteinander zu ver­mischen – schaffen wir es, dass wir diesen Fehler wieder korrigieren. Das haben wir getan, der Erlass ist nicht mehr in Geltung.

Beenden wir aber auch die permanente Vermischung von Asyl und Migration, denn es tut allen nicht gut! (Abg. Yildirim: Sagen Sie das Ihrem früheren Regierungspartner!) Es tut den Asylwerberinnen und Asylwerbern nicht gut, die eine höchstgerichtliche Ent­scheidung bekommen haben, dass sie das Land verlassen müssen. Dann gibt es Men­schen hier im Hohen Haus, die ihnen permanent noch Hoffnung machen, dass sie viel­leicht dennoch bleiben können. (Abg. Belakowitsch: Die ÖVP ja auch! Was ist mit den ...?) Andere machen sich schon wieder auf den Weg, weil sie glauben, sie können damit dann trotzdem bleiben, auch wenn das Verfahren höchstgerichtlich negativ ent­schieden ist. – Das ist falsch. Trennen wir Asyl von Migration! Die pragmatische Lö­sung hat es gezeigt und dazu stehen wir auch. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hauser.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Herbert Kickl. – Bitte, Herr Klubobmann.


14.37.54

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also die Performance, die die ÖVP hier heute an den Tag gelegt hat, das muss ich sagen, stellt jeden Barbapapa in den Schatten, bei den Verbiegungen, die Sie da hingelegt haben, um diesen Sinneswandel, der Ihnen jetzt nach ein paar Monaten, nach dem Ende dieser Koalition eingefallen ist, irgendwie zu rechtfertigen. Also ärger geht es nicht mehr; aber es ist auch ein gewisses Charakterbild der ÖVP, das hier heute zum Vorschein gekommen ist (Beifall bei der FPÖ) – heute so und morgen an­ders. (Zwischenruf des Abg. Zarits. – Abg. Wöginger: Du kannst über alles reden, aber nicht über Charakter! Charakter brauchst du nicht anzusprechen!) Die Inhalte sind austauschbar, die Positionen sind Ihnen wichtig, und das ist auch der Grund dafür, warum der Wöginger seine heurigen Weihnachten mit der Grünen Sigi Maurer im Inn­viertel verbringen wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ja genau die gleiche cha­mäleonartige Wandelbarkeit, die Sie in anderen Fragen auch an den Tag legen.

Das, was Sie hier mitbeschließen, ist ein Fußtritt für den Rechtsstaat, das ist ein Fuß­tritt für die Beamten im BFA und das ist ein Fußtritt für die Gerichtsbarkeit, die darüber entschieden hat, sodass am Ende ein rechtskräftig negatives Urteil steht. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Seit wann ist ein Beschluss im Parlament ein Fuß­tritt? – Abg. Stögmüller: Unglaublich! – Ruf bei den Grünen: Seid wachsam!) Ich weiß nicht, wofür machen diese Leute die ganze Arbeit? Wofür machen die das? Ich ver­setze mich jetzt in die Position eines Beamten im BFA, der das geprüft hat – kostet im Übrigen auch gar nicht wenig (Zwischenruf bei der ÖVP) –, ich versetze mich in die Position eines Richters, der dann auch in den Instanzen entsprechend die Urteile spricht. Wofür machen die das alles (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), wenn Sie


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dann hergehen und sagen, es ist eh alles nichts wert, wir sind jetzt anders gelaunt, wir vergessen das Ganze wieder, wir wechseln unsere Position?!

Dann sage ich Ihnen von der ÖVP eines: Da ist es gescheiter, wir ersparen uns das Ganze. Dann seien Sie ehrlich, dann sagen Sie: Wissen Sie was, gehen wir her und verzichten wir auf diesen ganzen Tarnanstrich namens Asyl (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) – denn etwas anderes ist es für Sie ja eh nicht! Dann reden wir über die Zuwan­derung, um die es Ihnen eigentlich geht – Ihnen (in Richtung ÖVP) aus wirtschaftlichen Gründen und Ihnen (in Richtung SPÖ, Grüne und NEOS) aus ideologischen Gründen! Unterm Strich ist beides gleich schlecht für dieses Land.

Sie wissen gar nicht, was Sie den Österreicherinnen und Österreichern antun. Sie wis­sen gar nicht, was Sie am Kerbholz haben im Hinblick auf die kommenden Genera­tionen, von denen ich möchte, dass sie zu diesem Land noch sagen können, es ist ihr Österreich und nicht, dass sie selber zu Fremden im eigenen Land werden. Sie leisten einen Beitrag nach dem anderen dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommen Sie daher mit der Integration: Die sind ja alle so gut integriert und des­halb dürfen wir sie nicht abschieben! – Sind Sie auch bereit, den Umkehrschluss zu vollziehen: Wir schieben dann diejenigen ab, die einen positiven Asylbescheid haben, weil sie nicht integriert sind? – Davon gibt es tatsächlich viele! Es gibt sehr viele, die einen rechtskräftig positiven Asylbescheid haben, die aber überhaupt nicht integriert sind und die nicht einmal daran denken, auch nur einen Schritt in Richtung Integration zu setzen (Zwischenruf der Abg. Yildirim), sondern die sich in ihrer Community recht wohlfühlen. Schieben wir die dann ab, weil sie das Integrationskriterium nicht erfül­len? – Dann wären wir so konsequent und könnten wieder über die Dinge reden, weil dann, glaube ich, hätten wir eine Bilanz, die unterm Strich für die Österreicher etwas Positives bringt. Das wollen Sie dann aber auch wieder nicht, so konsequent sind Sie nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wissen ganz genau, dass diese 700 oder 800 nicht 700 oder 800 bleiben werden. Das können Sie gleich mit zwei oder drei oder vier multiplizieren – je nachdem, wie groß die Familie ist. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Das ist ja klar: weil Sie mit diesen Lehrverhältnissen einen Beitrag dazu leisten, dass der Artikel 8 der Menschenrechts­konvention – ist gleich die Verfestigung – zuschlägt. Dann bekommen Sie diesen Lehr­ling nicht mehr aus dem Land, und wir haben uns gleichzeitig das eingetreten, was wir gar nicht haben wollen, nämlich auch noch den Familiennachzug von all diesen Leu­ten. (Ruf bei den Grünen: Menschenrechte!) Dann reden wir nicht mehr von 800, dann reden wir von 2 400, von 3 200 oder wie viele das auch immer sein werden.

Das geht auf Ihre Kappe vonseiten der ÖVP. Von dort (in Richtung SPÖ) habe ich mir nichts anderes erwartet, aber betreffend eine Partei, die sich hinstellt und sagt, sie macht einen Mitte-Rechts-Kurs – und dann kommt sie auf solche Gedanken? –, muss man wirklich sagen, das ist abenteuerlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Deutschen beißen sich schon in den Hintern wegen dieses von Ihnen forcierten und propagierten Drei-plus-zwei-Modells, weil sie genau wissen, dass dann die Verfes­tigung eingetreten ist und dass sie keinen von denen mehr aus dem Land hinausbe­kommen.

Es wird uns gehen wie bei der Homoehe – genau das gleiche Modell! (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) – Ja, genau das gleiche Modell! (Zwischenruf der Abg. Toma­selli.) Zuerst hat man gesagt, diese Verpartnerung machen wir jetzt, damit wir die An­sprüche bei den beiden Lebenspartnern, wenn einer im Spital ist und so weiter, etwas absichern, und da kommt garantiert nichts nach, das ist kein Problem! (Abg. Meinl-Reisinger: Jetzt haben wir den Schlamassel! – Abg. Ribo tippt sich mit der Hand an die Stirn.)


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Dann zieht die Zeit ins Land, und jetzt stehen wir da, dass wir schon über Adoptions­rechte und über die normale Verehelichung reden, einfach deshalb, weil Sie die Tür geöffnet haben und damit das in Gang gesetzt haben, was wir Ihnen immer prophezeit haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, und die Republik steht immer noch!) Genau so wird es hier sein, ich prophezeie Ihnen das. (Beifall bei der FPÖ.) Zuerst das, dann kriegen Sie sie nicht mehr hinaus, dann die Lehrlinge, dann die Schüler, dann die Studenten – genau so wird es werden! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Da rede ich ja noch gar nicht von dem, was notwendig wäre – jetzt bin ich beim In­nenminister –, jetzt reden wir nur von denen, die da sind und die einen rechtskräftig ne­gativen Bescheid haben. Ist eh wurscht, das zählt ja alles nichts mehr, weil wir lustig sind. Wir beschließen – egal, was die Gerichte beschließen, vollkommen egal! –, sie bleiben trotzdem da. Da haben wir ja ganz darauf vergessen, dass Asyl insgesamt Schutz auf Zeit ist. Ich hätte meinen Schwerpunkt so gesetzt, einmal zu überprüfen, ob diejenigen, die jetzt drei Jahre im Land sind, überhaupt noch einen Fluchtgrund haben. Haben sich die Bedingungen in ihrem Land nicht schon so weit geändert, dass wir auch bei denen, die einen rechtskräftigen Asylstatus haben, beginnen sollten, über Rückführungen nachzudenken und diese Leute wieder dorthin zu bringen, wo sie her­kommen? Asyl ist nämlich Schutz auf Zeit und nichts anderes. (Beifall bei der FPÖ.) Von dem Gedanken haben Sie sich ja sowieso schon verabschiedet. Das ist ja das nächste große Problem.

Ich sage Ihnen, Herr Innenminister, auch Folgendes: Auch Ihre Rolle bei diesem Schü­ler, bei diesem Wunderkind aus Langenlois, das jetzt nicht abgeschoben wird, wird noch zu untersuchen sein. Bei dem gibt man nach. Ein paar NGOs machen ein Thea­ter, ein paar Zeitungen berichten darüber – und schon geht der Rechtsstaat in die Knie. Gute Nacht, Österreich, kann man da nur sagen!

Für mich ist das, was Sie und der Bundespräsident da gemacht haben, eine amtsmiss­bräuchliche Vorgangsweise, und wir werden den Dingen auf den Grund gehen. Für Sie und auch für den Bundespräsidenten gilt das Legalitätsprinzip. Der Bundespräsident wird ja wohl noch in der Lage sein, auch Gesetze anzuerkennen, die er vielleicht selber unterschrieben hat. Ich meine, das wird ja wohl nicht zu viel verlangt sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen, Herr Innenminister, nur eines sagen: Auch ich habe diese Anrufe aus der Präsidentschaftskanzlei, von dem einen oder anderen Kardinal bekommen. (Abg. Schellhorn: ... den Kardinal!)

In diesem Land brät jeder seine Extrawurst. Jeder weiß lauter gute Gründe, warum ge­nau dieser eine so schützenswert ist und nicht abgeschoben werden soll. In Summe kommt halt ziemlich etwas zusammen – und das Schlimmste, was zusammenkommt, ist, dass der Rechtsstaat in Wahrheit ausgedient hat.

Das ist die typisch österreichische Lösung, die Sie zum Akt der Humanität erklären. – Das ist ein völliger Unfug, weil sich Humanität nicht über Gefühlsduselei interpretiert, sondern über einen vernünftigen und rationalen Zustand, und der artikuliert sich in den Gesetzen eines Staates, die auch Sie einzuhalten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

So gesehen ist das, was Sie hier machen, eine Schande für den Rechtsstaat (Ruf bei der ÖVP: Hallo!) und ehrlich gesagt ein Verbrechen an den kommenden Generationen, das Sie hier begehen.

Noch etwas gebe ich Ihnen zu bedenken – und schreiben Sie sich das ins Stamm­buch! –: Wenn wir über Asyl reden, dann reden wir nicht von massenhaften Fluchtbe­wegungen – das haben die Linken daraus gemacht! –, wenn wir von Asyl reden, dann reden wir von individueller Verfolgung, von Personen, die als Individuum, individuell be-


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droht sind und verfolgt werden, dann reden wir von Julian Assange und dann reden wir von Edward Snowden. Das ist Asyl. Alles andere ist Flucht nach der Genfer Konven­tion. Das ist etwas anderes. Auch das ist miteinander vermanscht worden und auch diesbezüglich wird es kein gutes Ende nehmen, wenn man so weitertut.

Seien Sie vonseiten der ÖVP also ehrlich: Sagen Sie, was wollen! Stellen Sie sich hier­her und sagen Sie: Halten wir uns gar nicht lange auf mit dem Anspruch, hier sozusa­gen ein Asylsystem aufrechterhalten zu wollen!, denn eines ist klar – das werden Ih­nen, Herr Nehammer, da schaue ich Sie an (Abg. Nehammer: Aber wir können beim Du bleiben!), auch alle Beamten, die vielleicht bald unter Ihrem Kommando im In­nenministerium dienen werden, dann erklären –: Ein Asylsystem ohne konsequente Rückführungspolitik und ohne konsequente Rückführungen hat diesen Namen nicht verdient. Dann können Sie es gleich bleiben lassen, das ist die billigere Variante. (Zwi­schenruf des Abg. Sobotka.)

Kapitulieren Sie und hängen Sie statt der rot-weiß-roten Fahne die weiße Fahne an die Staatsgrenze! Die entspricht Ihrer Mentalität. (Beifall bei der FPÖ.)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Nurten Yıl­maz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.47.43

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Klubobmann Kickl, ich hätte mir nie ge­dacht, dass Sie Ihrer Zeit als Minister derart nachtrauern, dass Sie sich nur mehr hin­stellen und in Richtung ÖVP weinen: Wieso nehmt ihr uns nicht?! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Heiterkeit des Abg. Loacker.) Das sah man wirklich von der Kör­persprache her – aber gut.

Herr Abgeordneter Kollege Nehammer! Sie drehen sich zu uns und sagen, es gibt Zehntausende mit einem positiven Asylbescheid (Abg. Nehammer: Asylberechtigte!), also Asylberechtigte, die nicht Deutsch können (Abg. Nehammer: Keine Beschäfti­gung! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVPnein, die keine Beschäftigung haben.

Wieso haben Sie dann das Integrationsjahr abgeschafft? (Ruf bei der ÖVP: Was haben wir?) Das war nämlich Integration von Tag eins an. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ne­hammer: Ach so, ...!)

Minister Stöger und Staatssekretärin Muna Duzdar haben wirklich durchgearbeitet, was man braucht, damit diese Leute in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Sie (in Richtung Abg. Nehammer) können ruhig zu mir schauen, ich tue Ihnen nichts. (Abg. Nehammer: 300 000 Arbeitslose und 100 000 davon unter 25!)

Sie haben Integrationsmaßnahmen abgeschafft, Sie haben die Mittel gekürzt, und dann drehen Sie sich um und sagen: Die sind arbeitslos! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: ... die Pointe? – Abg. Wöginger: Das war eine Rede ohne Ende!)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.49.39

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte KollegInnen! Herr Präsident, wie Sie wissen, haben wir eine Gegenkandidatin aufge­stellt, als Sie für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten kandidiert haben.

Was nicht geht, ist, dass Sie als Parteiobmann dort oben als Nationalratspräsident sitzen und Ihr Klubobmann dem Bundespräsidenten eine amtsmissbräuchliche Ver-


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wendung seines Amtes vorwirft. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Wieso nicht? Warum?) Das geht nicht! Dass Sie da nicht einschreiten, ist vollkommen inakzeptabel. Das geht so nicht.

Was Herr Klubobmann Kickl sagt, ist sowieso inakzeptabel, aber was erwartet man von einem Rechtsextremen? Was erwartet man von einer rechtsextremen Partei am Po­dium? Genau diesen Rassismus dahingebrüllt! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Schauen Sie, die einzige Bevölkerungsgruppe, vor der man sich wirklich fürchten muss, die eine höhere Kriminalitätsrate als die Afghanen hat, das sind doch die Frei­heitlichen, wenn man sich umschaut. Das ist doch das Problem. (Beifall bei den Grü­nen.)

14.50

14.50.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Antrag des Budget­ausschusses, seinen Bericht 12 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbruch der EU-Beitrittsverhand­lungen mit der Türkei“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen. (3/E)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unabhängigkeit der Rechts­beratung im Asylverfahren sicherstellen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird“, in 13 der Bei­lagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mahrer, Ing. Einwallner, Dr. Zadić, Dr. Krisper, Kolle­ginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mahrer, Ing. Einwallner, Dr. Zadić, Dr. Krisper, Kolleginnen und Kol­legen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffern 3 und 4 beziehungsweise auf die Einfügung neuer Ziffern 3a, 3b und 5 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diese Änderungen sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jo­sef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlinge – Integration vor Zu­zug“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

14.53.413. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 46/A der Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstge­setz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bun­deslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (9 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Kollege Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.54.03

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die Verhandlungen rund um das Dienstrecht für die öf­fentlich Bediensteten genießen (Unruhe im Saal) – anders als hier im Haus – in der Öf­fentlichkeit große Aufmerksamkeit. Im Fokus steht dabei meistens, wie hoch die Pro­zenterhöhung der Bezüge ausfällt, aber entscheidend ist viel mehr, wie sich das Rah­menrecht für den öffentlichen Dienst entwickelt: Gelten im öffentlichen Bereich die gleichen Regeln wie für die Arbeiter und Angestellten in der Wirtschaft oder gibt es Un­terschiede? Werden diese Unterschiede größer oder kleiner? Wenn es Unterschiede gibt: Sind diese sachlich gerechtfertigt oder nicht?

Daher richtet sich seit vielen Jahren die Forderung meiner Fraktion an die verantwortli­chen Regierungsmitglieder: Nehmen Sie Forderungen der Arbeitgeberseite mit in die Verhandlungen, wenn Sie sich mit der Gewerkschaft an den Tisch setzen! Das habe ich damals schon den roten Staatssekretärinnen Steßl und Duzdar mitgegeben, ich habe es dem blauen Beamtenminister Strache mitgegeben und Ihnen das als Wunsch in die Verhandlungen mitzugeben, Herr Minister Müller, habe ich mir auch erlaubt.

Ja, die öffentlich Bediensteten sollen natürlich – völlig außer Frage – wie andere Be­rufsgruppen auch eine Gehaltserhöhung bekommen, und es soll natürlich auch im Rahmenrecht Veränderungen geben. Wenn es beispielsweise in der Wirtschaft eine Wiedereingliederungsteilzeit nach einem langen Krankenstand gibt, sollen die öffentlich


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Bediensteten das auch haben – gleiches Recht für alle soll der Maßstab sein. Es gehören aber auch alte Zöpfe abgeschnitten, etwa eine bezahlte Mittagspause, die es im öffentlichen Dienst noch gibt, oder eine Besserstellung bei der Karfreitagsregelung. Gleiches Recht für alle darf eben keine Einbahnstraße sein, das gilt für das Gute wie für das Schlechte.

Wenn wir heute über eine Neuregelung dafür, wann einem öffentlich Bediensteten der Urlaub verfallen kann, abstimmen, dann müssen wir uns wieder dieselbe Frage stellen. Es gibt eine europarechtliche Entscheidung, die diese Neuerung im Urlaubsrecht erfor­derlich macht, man kann sich aber auch anschauen, was diesbezüglich für die Arbeiter und Angestellten nach dem Urlaubsgesetz gilt. Wenn die Bestimmung dort gut und richtig ist, dann könnte man sie ja ins Recht für die öffentlich Bediensteten überneh­men. Wenn die Bestimmung im Urlaubsgesetz europarechtlich nicht ausreicht, dann muss ich mich fragen: Warum sanieren wir sie jetzt nicht gleich mit dem Beamten­dienstrecht mit?

Da wird ein Unterschied gemacht, der sich sachlich nicht erklären lässt. Weil es um zwei Regeln geht, werden die Unterschiede zwischen zwei Welten einzementiert – oh­ne sachliche Gründe. Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anglei­chung öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Angleichung des Dienstrechts für öffentlich Bedienstete in beide Richtungen vorzunehmen, sodass nicht nur Schlechterstellungen sondern auch Besserstellungen des öffentlichen Dienstes gegenüber dem privaten Ar­beitsrecht beseitigt werden.“

*****

Dieser Grundanforderung, auf mehr Gerechtigkeit zwischen den verschiedenen Berufs­gruppen hinzuwirken, entspricht die Gesetzesvorlage, die wir heute verhandeln, nicht, daher kann meine Fraktion das in dieser Form nicht mittragen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Angleichung des öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor

eingebracht im Zuge der Debatte in der 6. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 46/A der Abgeordneten Mag. Friedrich Ofen­auer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetenge­setz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das LandeslehrerDienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landes­vertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutter-


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schutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz und das Bundesbahn Pensionsgesetz geändert werden – TOP 3

Das Dienstrecht für Bedienstete im öffentlichen Dienst unterscheidet sich in vielen Punkten signifikant vom Arbeitsrecht, das im privaten Sektor angewandt wird. In vielen Punkten sind die Regelungen für Bundesbedienstete flexibler oder besser als jene im privaten Arbeitsrecht. Bestes Beispiel dafür ist die bezahlte Mittagspause. Denn wäh­rend es für Erwerbstätige in der Privatwirtschaft gesetzlich vorgeschrieben ist, ihre Ar­beitszeit nach sechs Stunden für mindestens 30 Minuten zu unterbrechen, wodurch sich ein Arbeitstag in der Regel um eine halbe Stunde verlängert, gilt dasselbe nicht für Bedienstete des Bundes. Diese bekommen die vorgeschriebene Mittagspause nämlich bezahlt, weil sie als Dienstzeit angerechnet wird. Diese Praxis wurde auch vom Ver­waltungsgerichtshof bestätigt und stellt eine ungemeine Ungleichbehandlung gegen­über Angestellten oder Arbeiter_innen im privaten Sektor dar.

Im Rahmen vieler Dienstrechtsnovellen gibt es jährlich Modernisierungen des Dienst­rechts für Bundesbedienstete. Kürzlich wurde erst die Möglichkeit der Wiedereinglie­derungsteilzeit für öffentliche Bedienstete eingeführt. Öffentliche Bedienstete hatten Anspruch auf einen Papamonat, lange bevor dieser im privaten Sektor eingeführt wurde. Neben guten Gehaltsabschlüssen sind im öffentlichen Dienstrecht auch Vorrü­ckungen automatisch vorgesehen. Vielfach werden im Rahmen diverser Dienstrechts­novellen günstigere Regelungen für die Beamt_innen und Vertragsbediensteten des Bundes beschlossen.

Nun spricht grundsätzlich nichts dagegen, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für Erwerbstätige zu schaffen - allerdings müssten beide Rechtsmaterien und -systeme - das private Arbeitsrecht auf der einen Seite, das öffentliche Dienstrecht auf der ande­ren - möglichst aufeinander abgestimmt werden. Besonders aus dem Blickpunkt des Grundsatzes "gleiches Recht für alle" ist es schlicht unfair, privilegierten Bundesbe­diensteten die Mittagspause auf Kosten der Steuerzahler_innen zu bezahlen, während eine solche Regelung für die Privatwirtschaft rein finanziell untragbar ist und nicht um­gesetzt werden kann. Die Begünstigung einer Gruppe zu Lasten einer anderen kann auf Dauer nicht funktionieren und verfestigt gesellschaftliche Spannungen, die dadurch hervorgerufen werden. Ziel jeder Bundesregierung sollte aber die Gleichbehandlung aller Bürger_innen sein. Rechte und Pflichten müssen also so gestaltet sein, dass sie für alle gelten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Angleichung des Dienstrechts für öffentlich Bedienstete in beide Richtungen vorzunehmen, sodass nicht nur Schlechterstellungen sondern auch Besserstellungen des öffentlichen Dienstes gegenüber dem privaten Ar­beitsrecht beseitigt werden."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Kollege Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 114

14.57.49

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir verhandeln nun die 3. Dienstrechts-Novelle 2019. Unsere öffentlich Bediensteten sind nicht nur eine tragende Säule, die es zum Funktionieren in unserer Republik braucht, sie sind genauso eine tragende Säule in unserer Gesellschaft. Sie erfüllen wichtige Funktionen, die für unser Zusammenleben erforderlich sind, und dafür möchte ich ih­nen heute auch an dieser Stelle ein großes Dankeschön aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.) Insofern haben Dienstrechtsnovellen immer auch eine besondere Aufgabe. Wir schnüren mit dieser Novelle kein Weihnachtspackerl, wie man das vielleicht glauben könnte, sondern wir tragen dazu bei, dass unser öffentlicher Dienst unter modernen Rahmenbedingungen für unsere Bürgerinnen und Bürger arbeiten kann, denn die Be­diensteten im öffentlichen Dienst vollziehen letztendlich die Gesetze, die wir hier be­schließen.

Neben der Gehaltsanpassung für 2020, wodurch die öffentlich Bediensteten im Schnitt 2,3 Prozent mehr Gehalt bekommen, möchte ich weitere Punkte hervorstreichen, aber zuvor möchte ich mich bei allen Verhandlern von der Dienstgeber- und von der Dienst­nehmerseite für dieses Ergebnis ganz herzlich bedanken.

Mit dem Entfall der Befristung für die Möglichkeit der Wiedereingliederungsteilzeit re­agieren wir auf zahlreiche positive Erfahrungen, die wir im vergangenen Jahr gemacht haben. Die Befristung wird deshalb gestrichen. Es ist durchaus sinnvoll, diese Wieder­eingliederungsteilzeit unbefristet zur Verfügung zu haben.

Mit dem Ausschluss doppelter Ansprüche anlässlich der Geburt eines Kindes kommen wir einem Problem zuvor, lösen dieses, bevor es überhaupt entstanden ist. Der Papa­monat, auf den öffentlich Bedienstete schon seit Längerem Anspruch haben, ist auch in der Privatwirtschaft eingeführt worden, und das würde für Vertragsbedienstete sozu­sagen einen doppelten Anspruch ergeben. Dass jemand diesen Papamonat doppelt ausnützen kann, schließen wir mit dieser Regelung für öffentlich Bedienstete im Vorhi­nein aus.

Mit der Einführung von Sonderbestimmungen für Schulevaluatorinnen und Schuleva­luatoren setzen wir eine für das Bildungsministerium wichtige Angelegenheit um, weil wir rund 25 zentrale Planstellen schaffen, die sich der im Bildungsreformgesetz 2017 festgelegten Aufgaben zur externen Schulevaluation annehmen. Damit soll die Qualität der Bildungseinrichtungen in unserem Land weiterhin aufrechtbleiben.

Mit einer ganz anderen Änderung, nämlich der Verkürzung der Präklusivfrist, schaffen wir eine erhebliche Vereinfachung von Verfahren und vor allem schnellere Verfahren, denn wenn im Parteiengehör vor dem Ablauf der Sechsmonatsfrist eine Antwort gege­ben wird, dann muss nicht diese Sechsmonatsfrist abgewartet werden, wodurch die entsprechenden Verfahren natürlich beschleunigt werden können.

Die Anpassung im Bereich der Urlaubsregelung ist aufgrund eines EuGH-Urteils zum Fall Kreuziger notwendig geworden. Damit wird den öffentlich Bediensteten ausrei­chend Zeit gegeben, vor einer Ruhestandsversetzung den Urlaub zu verbrauchen. Sie müssen ausdrücklich und nachvollziehbar darauf hingewiesen werden beziehungswei­se auch aufgefordert werden, ihren Urlaub zu verbrauchen, und müssen auch entspre­chend über die Folgen informiert werden, nämlich dass dieser Urlaub verfallen kann. Wir gehen dabei auch auf eine Forderung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst ein.

Für alle, die in dieser Anpassung vielleicht eine Besserstellung sehen: Das entspricht der Fürsorgepflicht des Dienstgebers und stellt sicher, dass keine Kosten entstehen, die nicht entstehen müssten. Wir erfüllen damit auch unsere Verantwortung den Steu­erzahlerinnen und Steuerzahlern gegenüber.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 115

Ich möchte nun einen Abänderungsantrag einbringen, der die bisher bestehende Pra­xis und Auslegung des Bundestheaterpensionsgesetzes betrifft. Es geht darum, dass Bundestheaterbedienstete neben dem öffentlich-rechtlichen Pensionsanspruch nicht auch noch einen Anspruch auf Abfertigung im Fall einer Ruhestandsversetzung haben.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Thomas Drozda, Christian Lausch, Mag. Eva Blimlinger, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Budgetaus­schusses über den Antrag 46/A, 3. Dienstrechts-Novelle 2019

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Artikel 13 lautet:

„Artikel 13

Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes

Das Bundestheaterpensionsgesetz [...] BGBl. Nr. 159/1958, zuletzt geändert durch das Pensionsanpassungsgesetz 2020 [...] BGBl. I Nr. 98/2019, wird wie folgt geändert:

1. In § 2c Abs. 2 werden nach dem Wort „Ruhestandsverhältnis“ ein Strichpunkt und die Wortfolge „Ansprüche auf Abfertigung richten sich nach § 26 Gehaltsgesetz 1956 – GehG, BGBl. Nr. 54/1956“ eingefügt.

2. In § 18n Abs. 2 Z 2 wird die Wortfolge „in Höhe von“ durch die Wortfolge „in Höhe von mindestens“ ersetzt.

3. Dem § 22 wird folgender Abs. 48 angefügt:

„(48) In der Fassung der 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. XXX/2019, treten in Kraft:

1. § 2c Abs. 2 mit 1. September 1999,

2. § 18n Abs. 2 Z 2 mit 1. Februar 2016.““

*****

Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.03

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Thomas Drozda,

Christian Lausch, Mag. Eva Blimlinger, Josef Schellhorn

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 46/A der Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediens­tetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landesleh-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 116

rer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftli­che Landesvertragslehrpersonengesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3. Dienstrechts-Novelle 2019) (9 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. Artikel 13 lautet:

„Artikel 13

Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes

Das Bundestheaterpensionsgesetz – BThPG, BGBl. Nr. 159/1958, zuletzt geändert durch das Pensionsanpassungsgesetz 2020 – PAG 2020, BGBl. I Nr. 98/2019, wird wie folgt geändert:

1. In § 2c Abs. 2 werden nach dem Wort „Ruhestandsverhältnis“ ein Strichpunkt und die Wortfolge „Ansprüche auf Abfertigung richten sich nach § 26 Gehaltsgesetz 1956 – GehG, BGBl. Nr. 54/1956“ eingefügt.

2. In § 18n Abs. 2 Z 2 wird die Wortfolge „in Höhe von“ durch die Wortfolge „in Höhe von mindestens“ ersetzt.

3. Dem § 22 wird folgender Abs. 48 angefügt:

„(48) In der Fassung der 3. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. XXX/2019, treten in Kraft:

1. § 2c Abs. 2 mit 1. September 1999,

2. § 18n Abs. 2 Z 2 mit 1. Februar 2016.““

Begründung

Zu Artikel 13 Z 1 (§ 2c Abs. 2 BThPG):

In jüngster Vergangenheit wurde vereinzelt die Rechtsauffassung vertreten, dass für Bundestheaterbedienstete, auf die das Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG) anzu­wenden ist, möglicherweise ein Abfertigungsanspruch bestünde.

Diese Bundestheaterbediensteten haben Anspruch auf Pensionsleistungen des Bun­des, wie sie für öffentlich-rechtliche Bedienstete vorgesehen sind. Für diese Bedienste­ten galt und gilt nicht nur eine pensionsrechtliche Gleichstellung zu den Bundesbeam­ten, sondern auch durch Kollektivverträge geschaffenes Arbeitsrecht, das sich weitge­hend an den öffentlichen Dienst anlehnt, wie etwa hinsichtlich des Bestandschutzes oder der Entgeltfortzahlungsbestimmungen.

Gemäß § 26 Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 haben Bundesbeamte, die aus dem Dienst­stand mit laufendem Anspruch auf Ruhegenuss ausscheiden, keinen Anspruch auf Ab­fertigung.

Bis zur Ausgliederung im Jahre 1999 war die Rechtslage hinsichtlich der Ansprüche auf Abfertigungen eindeutig, da jedenfalls Bundesbedienstete vom Anwendungsbe­reich des Angestelltengesetzes und Arbeiter-Abfertigungsgesetzes ausgenommen sind.


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Gemäß § 18 Bundestheaterorganisationsgesetz (BThOG) wurden diese Bundesthea­terbediensteten durch die Ausgliederung aus dem Bund in ein Dienstverhältnis zur je­weiligen Gesellschaft der Bundestheater überführt. Ausdrücklich wurde in dieser Be­stimmung festgelegt, dass die jeweilige Gesellschaft im Zuge der Gesamtrechtsnach­folge die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber diesen Bundestheaterbedienste­ten fortsetzt.

Da im Zeitpunkt der Ausgliederung keine gesetzliche Pflicht des Bundes zur Leistung einer Abfertigung im Fall der Ruhestandsversetzung bestand, kann eine solche Pflicht bei der Ausgliederung nicht auf die Gesellschaften des BThOG übergegangen oder da­nach gesetzlich entstanden sein, da entsprechend dem Willen des Gesetzgebers eine Gleichstellung der Ansprüche bei Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses dieser Bundestheaterbediensteten mit den Bundesbeamten erfolgte.

Sowohl vor dem historischen Hintergrund des BThPG, der Weiterentwicklung des BThPG, die im Gleichklang mit den einschlägigen Bestimmungen für Bundesbeamte erfolgte, als auch aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungen im BThPG mit den ein­schlägigen Bestimmungen für Bundesbeamte ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei der Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses dieser Bundestheaterbediensteten die­se schon immer mit den Bundesbeamten gleichgestellt hat.

Durch die vorliegende Novelle soll gesetzlich klargestellt werden, dass durch die Aus­gliederung im Rechtsbestand der betreffenden Dienstverhältnisse (Rechte und Pflich­ten des Dienstgebers, Rechte und Pflichten der Bundestheaterbediensteten) für die Dauer der Dienstverhältnisse keine Änderung eintritt, sofern keine anderslautenden Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer geschlossen werden.

Es wird festgehalten, dass es im überwiegenden öffentlichen Interesse ist, die weitge­hende Gleichstellung dieser Bundestheaterbediensteten mit den Bundesbeamten, wie dies bereits mit der Ausgliederung beabsichtigt war, weiterzuführen.

Eine einseitige Belastung von Dienstnehmern aufgrund mangelnder Abfertigungszah­lungen - im Vergleich zu ASVG-Bediensteten - ist aufgrund des Bestandsschutzes und anderer günstigerer dienstrechtlichen Regelungen dieser Bundestheaterbediensteten ebenfalls nicht gegeben, somit ist auch der historische Zweck der Abfertigungszah­lungen, die u.a. als Überbrückung für Zeiten der Arbeitslosigkeit geschaffen wurden, nicht erfüllt.

Bei einem Gesamtvergleich der beiden Pensionssysteme (Beamtensystem der Bun­destheaterbediensteten und ASVG) ist neben den für die Bundestheaterbediensteten meist günstigeren Berechnungsvorschriften und den weniger strengen Dienstunfähig­keitspensionsregelungen auch auf die unbegrenzten Zuverdienstmöglichkeiten für die frühpensionierten Bundestheaterbediensteten hinzuweisen.

Der vorliegende Gesetzesantrag dient daher nur der Klarstellung der jahrzehntelang unbestrittenen Rechtsauffassung, dass eine allfällige Abfertigung von Personen, die Anspruch auf einen Ruhegenuss nach dem Bundestheaterpensionsgesetz haben, ent­sprechend den für Beamte geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen ist, und dass der parallele Bezug einer arbeitsrechtlichen Abfertigung und eines öffentlich-rechtlichen Ruhegenusses nicht vorgesehen ist. Das Inkrafttreten wird daher mit dem Datum der Ausgliederung vorgeschlagen.

Zur Gleichstellung der Bundestheaterbediensteten mit den Bundesbeamten wird im Detail auf folgende Bestimmungen hingewiesen:

Gemäß § 1 Abs. 1 BThPG regelt das Gesetz die Pensionsansprüche der „in Vollbe­schäftigung und ständiger Verwendung stehenden“ vor dem 1. Jänner 1976 geborenen Bundesbediensteten österreichischer Staatsbürgerschaft, deren Dienstverhältnis durch


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das Schauspielergesetz, BGBl. Nr. 441/1922 (nunmehr Theaterarbeitsgesetz) oder den Kollektivvertrag für das technische Personal der Bundestheater - im folgenden Bun­destheaterbedienstete genannt - geregelt ist, sowie ihrer Hinterbliebenen und Angehö­rigen.

Diese Regelung entspricht im Wesentlichen der Stammfassung des § 1 BThPG, BGBl. Nr. 159/1958.

„In Vollbeschäftigung und ständiger Verwendung stehend“ im Sinne des § 1 BThPG ist pensionsrechtlich vergleichbar mit der Definitivstellung eines Bundesbeamten gemäß § 11 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979, da bei Eintritt von Dienstunfä­higkeit bei einem solchen Bundestheaterbediensteten eine Auflösung des Dienstver­hältnisses pensionsrechtlich nicht möglich ist, sondern gemäß § 2 BThPG der Bediens­tete von Amts wegen (Abs. 2) oder auf Antrag (Abs. 1) in den Ruhestand zu versetzen ist und ihm ex lege eine Ruhestandsversorgung in Form eines Ruhegenusses (§§ 3, 6ff) gebührt.

Dies bedeutet jedoch nicht das Ende des dienstrechtlichen Bandes zum Dienstgeber, da gemäß § 2c Abs. 2 BThPG das aktive Dienstverhältnis des Bundestheaterbediens­teten zum Ruhestandsverhältnis wird. Der Bundestheaterbedienstete kann bei einer zeitlichen Versetzung in den Ruhestand bei Wiedererlangung der Dienstfähigkeit vom Dienstgeber gemäß § 2 Abs. 5 BThPG zum Dienstantritt - mit rechtlichen Konsequen­zen bei Nichtbefolgung - aufgefordert werden.

Die Frage der Dienstfähigkeit ist nach § 2 Abs. 3 BThPG durch den Dienstgeber des Bundestheaterbediensteten zu beurteilen, der wie folgt lautet:

„(3) Ein Bundestheaterbediensteter ist dienstunfähig, wenn er unfähig geworden ist, seinen Dienstposten zu versehen und ihm kein seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seinen Kenntnissen entsprechender und dem zuletzt bekleideten mindestens gleichwertiger Dienstposten zugewiesen werden kann, den zu versehen er imstande wäre und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Ver­hältnisse billigerweise zugemutet werden könnte.“

Die Frage der Dienstunfähigkeit richtet sich somit danach, ob der Bundestheaterbe­dienstete aufgrund seiner Krankheit in der Lage ist, die Aufgaben seines oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes wahrzunehmen oder nicht.

Mit Eintritt eines bestimmten Ereignisses, nämlich mit Ablauf des Monats, in dem der Bundestheaterbedienstete sein 65. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß § 2b Abs. 1 BThPG sein aktives Dienstverhältnis ex lege zum Ruhestandsverhältnis mit den sich daraus ergebenden pensionsrechtlichen Ansprüchen.

Diese Regelungen des BThPG entsprechen den einschlägigen Regelungen für die Bundesbeamten (vgl. § 13 Abs. 1 § 14, § 16 BDG 1979 und den einschlägigen Bestim­mungen des Pensionsgesetzes 1965).

Im Gegensatz zu den „in Vollbeschäftigung und ständiger Verwendung stehenden“ Bundestheaterbediensteten können Vertragsbedienstete, die pensionsrechtlich dem ASVG unterliegen, aus in ihrer Person gelegenen Gründen gekündigt werden, wenn sie dienstunfähig sind (sie können aus gesundheitlichen Gründen die Aufgaben ihres oder eines vergleichbaren Arbeitsplatzes nicht wahrnehmen) und eine Wiedererlan­gung der Dienstfähigkeit nicht zu erwarten ist (vgl. § 32 Abs. 2 Z 2 VBG 1948).

In diesem Fall erwirbt der Vertragsbedienstete ex lege keinen Anspruch auf Pensions­leistungen, sondern muss einen Antrag bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) stellen. Die Frage des Pensionsanspruches richtet sich dabei nicht nach Dienstfähig­keit am Arbeitsplatz des Betroffenen, sondern gemäß § 273 Abs. 3 ASVG nach dessen Berufsunfähigkeit.


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„Demnach gilt als berufsunfähig die versicherte Person, deren Arbeitsfähigkeit infolge ihres körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden versicherten Person von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) in zumindest 90 Pflichtversicherungs­monaten eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs. 1 ausgeübt wurde.“

Die Anforderungen für eine Berufsunfähigkeit und damit für einen Pensionsanspruch nach dem ASVG sind daher wesentlich strenger als für einen Pensionsanspruch bei Dienstunfähigkeit für einen Bundesbeamten oder einen „in Vollbeschäftigung und stän­diger Verwendung stehenden“ Bundestheaterbediensteten.

Beispielsweise ist auf die RV, XIV GP NR 332 dB zur Novelle des BThPG, BGBl Nr. 688/1977, zu verweisen, in der folgendes ausgeführt wird:

„Das Pensionsrecht der Bundesbeamten wurde durch das am 1. Jänner 1966 in Kraft getretene Pensionsgesetz 1965 neu geregelt. Dieses Gesetz brachte zahlreiche Ver­besserungen, aber auch im Zuge der Vereinheitlichung der pensionsrechtlichen Vor­schriften für bestimmte Gruppen den Abbau von bis dahin bestandenen Sonderrege­lungen. Die meisten der durch das Pensionsgesetz 1965 eingeführten Verbesserungen kommen auf Grund des erwähnten § 17 den Bundestheaterbediensteten bereits zugute (z. B. Begünstigungen bei Erwerbsunfähigkeit oder Tod, Anrechnung von Ruhegenuß­vordienstzeiten, günstigere Versorgung von Hinterbliebenen, Hilflosenzulagen). Ziel der nun vorliegenden BThPG-Novelle kann daher nur sein, auch in den sonstigen Be­stimmungen eine Anpassung an das PG 1965 herbeizuführen, wobei auch hier der Grundsatz der Vereinheitlichung im Vordergrund steht.“

Abschließend ist festzuhalten, dass für Bedienstete, die ab 1. Juli 1998 in ein Dienst­verhältnis zu den Bundestheatern aufgenommen wurden, das Bundestheaterpensions­gesetz gemäß § 21 Bundestheaterorganisationsgesetz, BGBl. I Nr. 108/1998, keine Anwendung mehr findet und dieser Personenkreis daher den allgemeinen arbeitsrecht­lichen Regelungen für Abfertigungen unterliegt.

Zu Art. 13 Z 2 (§ 18n Abs. 2 Z 2 BThPG):

Siehe die Erläuterungen zu Art. 1 Z 16.

Zu Art. 13 Z 3 (§ 22 Abs. 48 BThPG):

Inkrafttretensbestimmung.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.03.47

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Da Dienstrechtsnovellen oft viele technische Inhalte haben, würde ich gern anders be­ginnen und uns noch einmal in Erinnerung rufen, um wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Bereich es denn eigentlich geht. Es sind rund 135 000 Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesdienst, und alle, alle, alle gemeinsam, der Bund, die Länder und die Kommunen – 2 096 Gemeinden haben wir in Österreich – sind es 355 000 Menschen, und ich gehe doch davon aus, dass nach der Gehaltsan­passung für den Bund auch die Länder und Kommunen, so wie das in der Vergangen­heit üblich war, nachziehen werden.


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Ich würde mir wünschen, dass das allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugestan­den wird und nicht davon gesprochen wird, dass da, wie Kollege Loacker gemeint hat, nur Privilegien vorhanden wären. Das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die – das hat Herr Kollege Ofenauer schon gesagt – das Staatshandeln als tragende Säule jetzt und in Zukunft darstellen. Die Zukunft wird natürlich auch für den öffentlichen Dienst eine Herausforderung werden. Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Es ist egal, ob eine Krise vorhanden ist oder ob alles so läuft, wie es laufen soll, öffentlich Bedienstete leisten hervorragende Arbeit!

Damit wir wissen, wer wo beschäftigt ist: Ich kann Ihnen sagen, im Bund sind rund 45 000 Menschen in der Verwaltung tätig. Bei der Exekutive – ganz wichtig für die in­nere und äußere Sicherheit unseres Landes – sind 32 000 Frauen und Männer tätig; leider nur 17,3 Prozent Frauen, was sich hoffentlich noch nach oben hin ändern kann. Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen, Staatsanwälte: knapp 3 000 Personen; Lehr­personen: 40 000 im Bund, 70 000 in den Ländern. Beim militärischen Dienst sind es 13 400 Personen, davon nur 2,7 Prozent Frauen; auch das ist ausbaufähig. Ich wollte Ihnen zu Beginn einen Überblick geben, damit Sie und die Zuseherinnen und Zuseher vor allem ein Bild davon haben, wie viele Menschen in der Verwaltung, aber auch in den nachgeordneten Dienststellen Tag für Tag für uns tätig sind.

Ich halte es für mehr als angemessen, dass genauso wie in der Privatwirtschaft für den öffentlichen Dienst in sozialpartnerschaftlicher Manier gemeinsam mit den Gewerk­schaften GÖD und Younion, die da immer dabei sind, diese Gehaltsabschlüsse so zu­stande gekommen sind, wie sie jetzt sind, nämlich mindestens 50 Euro, aber im Schnitt 2,25 Prozent, bei den Zulagen 2,3 Prozent. Ich glaube schon, sagen zu dürfen, dass das eine Wertschätzung der Leistungen aller öffentlich Bediensteten in unserem Land darstellt, und das soll das zum Ausdruck bringen.

Die Herausforderungen sind groß. Auch in diesem Bereich gehen in den nächsten Jah­ren viele Personen in Pension, auch da muss man betreffend Personalentwicklung, Personalmanagement wahrscheinlich moderne, ganz andere Ansätze wählen. Der öf­fentliche Dienst hat sich da ja schon auf den Weg gemacht: nicht nur, dass wir schon seit vielen Jahren im Bereich von E-Government sehr, sehr gut liegen, an der Spitze sind; mit der Jobbörse des Bundes, durch die man innerhalb des Bundesdienstes wechseln kann, Karriere machen kann, gibt es auch eine gute Möglichkeit für die öf­fentlich Bediensteten, sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden, sich weiterzubilden und umzuschulen.

Ich möchte zwei Bereiche, die schon von Kollegen Ofenauer herausgenommen wur­den, ansprechen. Die Wiedereingliederungsteilzeit: Stellen Sie sich vor, eine öffentlich Bedienstete hat Brustkrebs, hat eine lange Rekonvaleszenz und dann die Möglichkeit, zu sagen: Ich bin wieder voll arbeitsfähig und mache mir mit meinem Dienstgeber aus, dass ich Teilzeit arbeite und dass ich wie in der Privatwirtschaft auch Wiedereinglie­derungsgeld bekomme! In der Privatwirtschaft gibt es das seit 2017. Die Dienstrechts-Novelle 2018 hat diese Möglichkeit auch für Vertragsbedienstete und Beamtinnen und Beamte geschaffen und wird jetzt auf Dauer gestellt, was ich sehr begrüße.

Ein letzter Satz noch zum Papamonat, der im öffentlichen Dienst seit 2011 existiert: 2015 haben wir den Babymonat daraus gemacht, das heißt, auch für Papa/Papa, Ma­ma/Mama, bei adoptierten Kindern, Pflegekindern muss es möglich sein, dass ein El­ternteil unmittelbar nach der Geburt diese vier Wochen in Anspruch nimmt. Der Unter­schied zur Privatwirtschaft: Im öffentlichen Dienst muss erst eine Woche vor dem er­rechneten Geburtstermin bekannt gegeben werden, dass die Papas oder die Mamas diesen Babymonat in Anspruch nehmen. Er muss nicht exakt einen Monat dauern, er kann sich bis zu einem Monat erstrecken; also auch da gibt es mehr Flexibilität. Ich würde mir wünschen, dass der Babymonat vielleicht auch in der Privatwirtschaft Ein-


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gang findet, zumal er im öffentlichen Dienst bisher hohe Zustimmung erfahren hat. (Beifall bei der SPÖ.)

15.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.09.19

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Gerald Loacker hat in seiner Re­de schon gesagt, dass wir diese Gesetzesvorlage nicht ganz fair finden.

Ich möchte eines schon gleich am Anfang betonen – da kann ich mich Frau Heinisch-Hosek anschließen –: Wir NEOS stehen auch hinter unseren Leuten im öffentlichen Dienst, von denen wirklich viele, viele jeden Tag einen ausgezeichneten Job machen. Es geht uns aber auch um einen anderen Punkt, nämlich um gleiches Recht für alle. Da gibt es aus meiner Sicht zwei Bereiche, die man sich genauer anschauen muss. Der eine Bereich betrifft die Abschlüsse – und zwar die tatsächlichen Abschlüsse, die jetzt zustande gekommen sind – und der zweite Bereich das Angleichen der Systeme, also das Zusammenführen der Welten der Privatwirtschaft und der Bediensteten im öf­fentlichen Bereich.

Fangen wir mit dem Abschluss an, der jetzt gerade schon besprochen wurde: 2,3 Pro­zent waren das im Schnitt, haben wir gerade eben gehört. Im Handel – und das ist ja das, was wir sagen: gleiches Recht für alle – waren es auch 2,3 Prozent, die Metaller haben natürlich, wie auch schon in der Vergangenheit, mit 2,8 Prozent stark abge­schlossen. So, nun kann man sagen, wenn man sich das im Vergleich anhört: Das hört sich ja ganz gut an, das ist ja eh angemessen, und es bedeutet auch gleiches Recht für alle!

Es wurden da aber ein paar Dinge unter den Tisch gekehrt, nämlich Folgendes: Es sind ja seit heuer Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr anrechenbar, und zwar wur­de das im Juli beschlossen. Das war ein ganz erklecklicher Teil, der auch zu einer Er­höhung der Gehälter geführt hat. Was es im öffentlichen Dienst noch zusätzlich gibt, sind automatische Gehaltsvorrückungen alle zwei Jahre. Das nennt man Biennien, und das ist natürlich auch ein Teil, der da einfach eingerechnet werden muss. Das heißt – und deswegen habe ich am Anfang auch gesagt: wenn man sich die tatsächlichen Abschlüsse anschaut –, man kommt im öffentlichen Bereich eben auf 4,7 Prozent versus 2,3 Prozent für Angestellte im Handel. Das ist aus unserer Sicht nicht ganz fair, und deswegen ist es auch da unser Anliegen, dass man eben alle unter das gleiche Recht subsumiert.

Jetzt kann man natürlich sagen: Na, vielleicht war das angemessen, vielleicht hat es in den letzten zehn Jahren irgendwelche Unterschiede zwischen der Privatwirtschaft und den Beschäftigten im öffentlichen Bereich gegeben! Das kann man natürlich sagen; aber wir haben uns auch das angeschaut, um da fair vorzugehen. Schauen wir uns die Bruttojahreslöhne zwischen 2007 und 2017 an – ich darf vorlesen –: Bei den Arbeitern sind sie inflationsbereinigt um 2,1 Prozent gestiegen, bei den Angestellten sind sie um 5,9 Prozent gestiegen, bei den Beamten hingegen sind sie um 7,1 Prozent und bei den Vertragsbediensteten um 15,1 Prozent gestiegen. – Das ist es, was wir meinen, wenn wir sagen: Meine Damen und Herren, wir finden dieses System nicht ganz fair!

Damit kommen wir zum zweiten Punkt, und dieser betrifft die Anpassung der Systeme. Jedenfalls hätte man die Verhandlungen nämlich nutzen müssen, um ein paar Unge­rechtigkeiten ins Visier zu nehmen. Mein Kollege Loacker hat es ja schon angespro­chen, ein Punkt sind zum Beispiel die Mittagspausen: Normale Angestellte und Arbei­terInnen müssen nach 6 Stunden – und das ist auch gut und richtig so – eine halbe


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Stunde Pause machen, die natürlich nicht bezahlt ist. Der Unterschied zu BeamtInnen und Vertragsbediensteten ist, dass diese die Pause auch einhalten müssen, aber sie für diese bezahlt und Teil der Arbeitszeit ist. Nun kann man natürlich sagen: Na gut, meine Güte, diese halbe Stunde macht das Kraut nicht fett! Doch wenn man es sich ausrechnet, dann kommt man mit einer halben Stunde pro Tag auf 2,5 Stunden pro Woche, 10 Stunden im Monat; im Laufe eines Arbeitsjahres sind das 15 Tage. – Das sind eben die Dinge, bei denen wir sagen es ist eine Ungleichbehandlung, es ist nicht okay, und deswegen kann man da nicht einfach mit der Schulter zucken und sagen: Es passt schon!

Gleiches Recht für alle bedeutet, wir müssen eine Struktur schaffen, die keine Arbeitneh­mer zweiter und dritter Klasse mehr kennt. Es sei noch einmal betont, wie sehr wir NEOS die Arbeit unserer Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wertschätzen, aber so ein starkes Lohnplus, über die Inflation hinaus, ohne dass im Gegenzug irgendwelche Reformen auch nur angegangen werden, hat einen fahlen Beigeschmack für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

15.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.13.46

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es wurde schon viel über die 3. Dienstrechts-Novelle gesprochen. So etwas ist natürlich immer ein etwas verwirrendes Spiel. Die 3. Dienstrechts-Novelle findet aus unserer Sicht die absolute Zustimmung. Natürlich ist sie unserer Meinung nach nicht der große Wurf. Man muss zum Lohnabschluss auch sagen: Unter Schwarz-Blau war er höher, war er gerechter, war er besser, das heißt, auch die Dienstrechtsnovelle wäre heute anders ausgefallen.

Was man wieder gänzlich vergessen hat, ist Folgendes – wir haben es ja heute schon angesprochen; ich kann die Zahlen nicht ganz nachvollziehen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) –: Wir haben schon 50 000 Exekutivbedienstete in Österreich, näm­lich 30 000 Polizisten, 20 000 Heeresangehörige und 3 000 Justizwachebeamte, aber trotzdem ist die Exekutive ein kleiner Teil der Bundesbediensteten. In diesem Sinne braucht die Exekutive dringend ein eigenes Exekutivdienstrecht. (Beifall bei Abgeord­neten der FPÖ.) Da war die schwarz-blaue Bundesregierung schon relativ weit, mitt­lerweile ist das wieder gänzlich eingeschlafen. Man sollte es aber nicht vergessen, denn ich glaube, die Exekutivbediensteten – Polizei, Militär, Justizwache – haben nicht vergessen, dass sich damals, vor einigen Jahren noch, die ÖVP als die Beamtenpartei sehr für die Exekutive starkgemacht hat. Dabei ist das eigentlich nicht der Fall. Wenn man sich diese Dienstrechtsnovelle anschaut, stellt man fest, dass darin ein Exeku­tivdienstrecht nicht einmal irgendwie angedacht wird.

Man wird die neue Bundesregierung, der die ÖVP angehören wird, daran messen, ob sie es endlich angeht, das lang geforderte Dienstrecht für die Exekutive zu schaffen. Das war auch zwischen Rot und Schwarz immer in Verhandlung, man hat sich nie dazu durchringen können, für diese Berufsgruppe ein eigenes Dienstrecht zu schaffen. Ich glaube, das wäre ein wichtiger Schritt. Es wurde von ÖVP-Seite auch mehrmals versprochen. Mit uns wäre es möglich gewesen, wir wären dazu gestanden. Wir haben immer gesagt: Ein eigenes Exekutivdienstrecht ist wichtig, ist richtig und ist schon überfällig.

In diesem Sinne denke ich mir, dass die Exekutive einen hohen Stellenwert hat, ob­wohl sie neben den vielen Lehrern und Verwaltungsbeamten nicht der größte Teil die­ser Gruppe ist; das Dienstrecht ist aber unübersichtlich, das Dienstrecht gilt für alle


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Bundesbediensteten – und das ist auf gar keinen Fall mehr zeitgemäß. Man sollte da doch die Exekutive herausnehmen, denn andere Arbeit, andere Anforderungen verlan­gen ein anderes Dienstrecht. Das gehört schon lange umgesetzt, aber da geht ei­gentlich überhaupt nichts weiter. Es ist gleich einmal ein Auftrag an euch, an Kollegen Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen, das rechtzeitig anzugehen. Die Exekutive wartet darauf. Die ÖVP hat es mit uns gemeinsam zugesagt, nun liegt es an euch, da auch et­was zu tun.

Wir wissen, das kostet Geld, aber es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Exekutivdienst ist Schwerarbeit, ist schwerer Dienst, Schicht- und Wechseldienst, er bedeutet Wochenenddienst, Entbehrungen im familiären Bereich und bei der eigenen Sicherheit. Die Exekutive sorgt täglich für die öffentliche Sicherheit, die Sicherheit von uns allen. Das sollte man wertschätzen, und da sollte man nach jahrelangen Verspre­chungen auch endlich ein eigenes Dienstrecht umsetzen und sich einmal etwas trauen.

Wir werden schauen, was die neue Bundesregierung dann daraus macht. Wichtig wäre es allemal, es wurde schon öfters zugesagt und immer wieder auf die lange Bank ge­schoben. Wir Freiheitliche wären das angegangen, aber wie gesagt, jetzt kann man nur hoffen, dass sich die ÖVP endlich drübertraut, mit welchem Partner auch immer. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Eva Blimlin­ger. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.18.02

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Anwesende auf der Galerie und zu Hause vor den TV-Geräten und vor den Laptops, über die Sie die Sitzung ja streamen können! Ich gehe gleich kurz auf die Ausführungen meines Vorredners ein: Ein eigenes Exekutiv­dienstrecht ist, glaube ich, nicht das Vorrangigste, was wir zu bewältigen haben. Da gibt es viel drängendere Probleme im öffentlichen Dienst, insbesondere was die Nach­besetzung von Planstellen betrifft. Es ist oder war bis dato immer ein Ziel, möglichst viele Beamten-/Beamtinnenplanstellen abzubauen, nicht nachzubesetzen, also den öf­fentlichen Dienst letztlich zu schwächen, was nicht im Interesse des Staates sein kann.

Gabriele Heinisch-Hosek hat schon erwähnt, wie viele Personen im öffentlichen Dienst, in Bund, Ländern und Gemeinden, tätig sind. Wenn man sich das europaweit an­schaut, so sieht man, wir liegen im letzten Viertel, was den Anteil betrifft; es sind näm­lich nur 18 Prozent der Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst tätig. In Norwegen, Däne­mark, Schweden sind es 30 Prozent. Ich denke, wir sollten die Zahl insbesondere im Bereich der Lehrerinnen, Lehrer, der Pädagoginnen, Pädagogen erhöhen, aber auch in den Krankenanstalten und selbstverständlich in der Verwaltung, weil die Verwaltung den Bürgern und Bürgerinnen dient. Es ist wunderbar, wie diese im Vergleich zu vor 20, 25 Jahren funktioniert: Innerhalb von drei Tagen bekommt man einen Reisepass, während es früher drei Wochen und drei Besuche bei Polizei, Gemeinde et cetera dafür brauchte. Es geht also nicht um einen schlanken Staat, sondern es geht um ei­nen guten und abgesicherten Staat.

Das, was wir heute beschließen werden, besteht aus drei Elementen. Das eine ist die Bezugs- und Gehaltserhöhung, der wir selbstverständlich zustimmen. Wenn die Kolle­ginnen und Kollegen von den NEOS eine Angleichung des öffentlichen Diensts an die Privatwirtschaft wollen, dann kann ich nur sagen: Das drehen wir um! Die Privat­wirtschaft soll sich bitte an den öffentlichen Dienst anpassen und die Arbeitsbedin­gungen in gleicher Weise gut gestalten, wie das im öffentlichen Dienst der Fall ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Doppelbauer: Das können wir auch machen! Das ist


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okay!) Zum Beispiel soll die Mittagspause auch in privatrechtlichen Dienstverhältnissen in die Arbeitszeit eingerechnet werden.

Ein zweiter Bereich ist die Implementierung der Funktion der Schulevaluatoren und eva­­luatorinnen in das BDG und die anlagernden Gesetzesmaterien. Darin ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Schritt zu sehen, nämlich dass Schulen nicht erst dann aufs Tapet kommen, wenn sie eine sogenannte Brennpunktschule sind, sondern bereits vorher, wenn Probleme auftreten. Es kann auch eine direkte Meldung an die Dienstbehörde, an die Zentralstelle abgegeben werden und auf kurzem Weg versucht werden, Lösun­gen zu finden. Dazu ist es auch notwendig, dass die Evaluatoren eine freie Auswahl treffen können, die keiner Weisung unterliegt, dass sie frei entscheiden können, damit nicht schon im Vorfeld mögliche Beeinflussungen stattfinden.

Der dritte Bereich – da werden die Kollegen und Kolleginnen von den NEOS mitge­hen ist die Änderung des Bundestheaterpensionsgesetzes, und da geht es um die Frage der Abfertigungen – ja oder nein – nach der Ausgliederung. Erlauben Sie mir, gleich darauf hinzuweisen, dass es ja immer noch Bereiche ausgelagerter Bundesins­titutionen gibt, wie zum Beispiel die Bundesmuseen. Bis heute gibt es nur in einem oder in eineinhalb Komplexen einen Kollektivvertrag; darum bitte ich, in Zukunft bei al­len Auslagerungen darauf zu achten.

Lassen Sie mich zum Schluss anlässlich der Weihnachtsfeiertage, die uns bevorste­hen, und um zu sehen, wie mit Beamten früher umgegangen worden ist, aus einem Vortrag an den Ministerrat von Julius Raab aus dem Jahr 1953 – er war damals erst ei­nige Monate Kanzler – vorlesen:

Vortrag an den Ministerrat. Gegenstand: Weihnachts- und Neujahrsgratula­tionen im Dienst; Abstandnahme von denselben. Der Brauch, aus Anlaß des Weih­nachtsfestes und des Jahreswechsels den persönlich Bekannten Glückwünsche aus­zusprechen, hat in steigendem Maße auch im öffentlichen Dienste platzgegriffen. Viele Beamte fürchten, ein Gebot der Höflichkeit zu verletzen, wenn sie nicht ihren Vor­gesetzten und ihren Mitarbeitern die üblichen Weihnachts- und Neujahrswünsche vor­tragen. Beamte in leitenden Stellen und Beamte mit einem ausgedehnten dienstlichen Geschäftsverkehr werden dadurch in die Notwendigkeit versetzt, einen bedeutenden Teil ihrer Zeit und ihrer Aufmerksamkeit dem Empfangen und Übermitteln von Glück­wünschen zuzuwenden. Dieser Zustand widerspricht dem Gebot der Sparsamkeit in der Verwaltung. Auch die geringere Anzahl von Arbeitstagen um die Weihnachtszeit und die bei vielen Dienststellen gerade um diese Zeit auftretende Häufung von Arbeit lässt es angezeigt erscheinen, von Glückwunschaktionen im öffentlichen Dienst abzu­sehen.“ (Heiterkeit bei den Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen schöne Feiertage – ob Sie nun Weihnachten oder Chanukka feiern – und möchte mich an dieser Stelle bei allen öf­fentlich Bediensteten im Parlament sehr herzlich für ihre Arbeit bedanken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.24.05

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie und daheim vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich eingangs zu dieser Dienstrechtsnovelle festhalten: Der öffentliche Dienst ist eine wesentliche Säule un­serer Republik Österreich. Gerade auch in der Zeit der Übergangsregierung hat sich


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wieder gezeigt, dass die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst ihren Dienst so verrichten, dass für Stabilität, für Kontinuität und für absolute Verlässlichkeit gesorgt ist. Sie üben ihren Dienst höchst professionell aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Bevölkerung Österreichs ist sich der großen Bedeutung des öffentlichen Dienstes durchaus bewusst, wie die Ergebnisse einer aktuellen Studie des renommierten Mei­nungsforschungsinstitutes Imas zeigen: „Neun von zehn der 1060 befragten Österrei­cherinnen und Österreicher über 16 Jahren beurteilen die Bedeutung des Öffentlichen Dienstes für die hohe Lebensqualität mit Note 1 oder 2. Gleichzeitig sehen viele der Befragten die steigenden Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen und stufen den Gesundheits-, Sicherheits-, Bildungs- sowie Verwaltungsbereich als ‚sehr stark ge­fordert‘ ein.“ Die Studienergebnisse – so kann ich festhalten – bestätigen einmal mehr: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst leisten trotz steigender Ar­beitsbelastung hervorragende Arbeit und genießen ein hohes Ansehen in der Bevölke­rung.

Das Hauptanliegen der uns vorliegenden 3. Dienstrechts-Novelle ist vor allem die Ge­haltserhöhung für die Vertragsbediensteten und für die Beamten und Beamtinnen in unserem Staat. Im November wurde sie ausverhandelt, und sie bietet letztendlich eine durchschnittliche Erhöhung um 2,3 Prozent, wobei diese Erhöhung aber gestaffelt ist; im obersten Einkommensbereich sind es 2,25 Prozent und im untersten Einkommens­bereich sind es 3,05 Prozent. In Summe ist es so, dass für jeden zumindest 50 Euro mehr herauskommen.

Ein weiterer Inhalt dieser Dienstrechtsnovelle ist unter anderem der Verfall des Ur­laubsanspruches. Dieser ist nicht mehr automatisch gegeben, sondern es gibt jetzt auch, der EU-Judikatur, die bereits zitiert wurde, folgend, eine Hinweispflicht des Ar­beitgebers. Er muss den Arbeitnehmer nachweislich und klar darauf hinweisen, den Urlaub zu konsumieren, und ihm auch die Möglichkeit dazu geben.

Die Wiedereingliederungsteilzeit ist ein wesentliches und wichtiges Modell für die Ein­gliederung von Kolleginnen und Kollegen, die aus einem längeren Krankenstand kom­men. Sie war ursprünglich bis Ende 2020 befristet. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es sich um eine sinnvolle Maßnahme handelt, und daher wird die Befristung jetzt ab­geschafft.

Beim Papamonat, der im öffentlichen Dienst ja bereits seit 2011 im Rahmen der Früh­karenz und des Babymonats möglich ist, soll eine Doppelgleisigkeit vermieden werden.

Zudem finden sich in der Novelle Anpassungen und Regelungen bezüglich der Schul­evaluation, aber auch der Begleitung von Schulentwicklungsprozessen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend festhalten: Die Bevölkerung baut auf einen leistungsstarken öffentlichen Dienst, und dieser hat hohes Ansehen bei der Bevölkerung. Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst sehr herzlich für die tagtäglich geleistete Arbeit und für ihren enormen Einsatz bedanken, und ich ersuche alle Parteien hier herinnen, dieser vorlie­genden Novelle in Anerkennung der Leistungen unseres öffentlichen Dienstes zuzu­stimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.28.54

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Initiativantrag samt den Abänderungsanträgen, auch als 3. Dienstrechts-Novelle 2019 bekannt, ist einerseits


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ein Spiegelbild der funktionierenden Sozialpartnerschaft in Österreich und beinhaltet andererseits auch einen sehr positiven Gehaltsabschluss, zustande gekommen durch ein Zusammenwirken der Gewerkschaft öffentlicher Dienst und des Finanzministe­riums. Davon profitieren, wie wir heute bereits gehört haben, rund 227 000 Bedienstete im Bund inklusive der Vertragslehrer, aber auch viele Bedienstete in den Ländern und in den Gemeinden – das sind rund 300 000 – infolge der Übernahme dieses Be­schlusses. Das bedeutet, viele Menschen, viele Familienmitglieder, darunter viele Kin­der, profitieren davon indirekt und direkt.

Es ist auch ein klares Zeichen in dieser Dienstrechtsnovelle, dass gerade die nied­rigeren Einkommen stärker angehoben wurden. Es wurden ein Sockel von 50 Euro als Mindestwert und eine Spannbreite von 2,25 bis 3,05 Prozent festgelegt – damit wurde auch den Beziehern niedrigerer Einkommen entsprechend Rechnung getragen. Das bedeutet, dass dieser Gehaltsabschluss eine Erfolgsgeschichte ist, weil davon unab­hängig die Biennalsprünge sowie auch die Vordienstzeitenanrechnungen aufgrund des EuGH-Urteils weiterhin bestehen. Es ist meiner Meinung nach eine klare Wertschät­zung und ein Ausdruck des Respekts vor der hervorragenden Arbeit aller Bediensteten im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden, und dafür möchte ich mich bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Hinblick auf die Novelle möchte ich explizit zwei Bemerkungen machen. Die eine betrifft den Entfall der Befristung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Wie­dereingliederungsteilzeit. Diese Wiedereingliederungsteilzeit ist aus meiner Sicht als bekennender Arbeitnehmervertreter eine ganz wichtige Sache, weil damit nämlich Menschen, die lange gearbeitet haben und irgendwann einmal krank geworden sind – schwer krank, etwa aufgrund eines Krebsleidens oder psychischer Erkrankungen –, die Chance haben, nach einem langen Krankenstand in Teilzeit ein Dienstverhältnis zu ha­ben, sowie danach die Möglichkeit, auf Vollzeit aufzustocken. Das heißt, dass sie aus dem Arbeitsleben nicht hinausgedrängt werden, sondern bleiben können. Durch diese Dienstrechtsnovelle wird jetzt gewährleistet, dass das nicht nur befristet möglich ist, denn die Sorgen und Beschwerden dieser schwer kranken Menschen bestehen ja durchaus auch über längere Zeit oder gar auf Dauer. Es ist mir wichtig, das zu erwäh­nen, weil im Endeffekt genau diese Änderung betreffend Wiedereingliederungsteilzeit und der Gehaltsabschluss ein klares Zeichen dafür sind, dass mit dieser Dienstrechts­novelle eine soziale Ausrichtung verfolgt wird.

Erwähnen möchte ich auch noch, dass betreffend Wiedereingliederungsteilzeit gleich­sam auch ein eindeutiger Tatbestand geschaffen wurde, und zwar für die große Grup­pe der Vertragsbediensteten. Diese waren nämlich bislang schlechtergestellt als zum Beispiel Richterinnen und Richter, aber auch Angehörige der Privatwirtschaft.

Der zweite Aspekt betrifft das EuGH-Urteil zum Fall Kreuziger. Darin erfolgte die Klä­rung, dass es nicht sein kann, dass Urlaubsansprüche, deren Zweck die Erholung ist, verfallen. Es kann nicht sein, dass erworbene Rechte gestrichen, erworbene Urlaubs­ansprüche nicht mehr konsumiert werden können, wenn man in Pension geht. Genau diesem Urteil wurde mit der Dienstrechtsnovelle nunmehr Rechnung getragen; der Ar­beitgeber wird jetzt verpflichtet – er trägt die Beweislast dafür –, darüber zu informie­ren, wann der Verfall eintritt, beziehungsweise muss für die arbeitenden Menschen die Möglichkeit geschaffen werden, den Urlaub entweder zu konsumieren oder eine ent­sprechende Urlaubsersatzleistung zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend erlaube ich mir noch zwei Bemerkungen. Zunächst: Es ist eine harmoni­sche Erfolgsgeschichte – Dank auch an das Finanzministerium. Weiters möchte ich zwei Punkte persönlich anregen: Zum einen sollte der Umstand, dass dem Urteil zum Fall Kreuziger, in dem es um den Urlaubsverfall geht, in der Dienstrechtsnovelle Rech­nung getragen wird, dazu führen, dass dies unbedingt auch in den Kollektivverträgen


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der anderen arbeitenden Menschen Aufnahme findet. Und der zweite Punkt: Herr Kol­lege Mag. Loacker, ich bin in dieser Legislaturperiode nicht dafür zu haben, dass wir wohlerworbene Rechte von arbeitenden Menschen streichen und im Endeffekt einen Eingriff in die Rechtssicherheit unseres Systems machen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Ist das Ihr bestes Argument – wohlerworben?)

15.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Mar­kus Koza. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.33.55

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Lohnverhandlungen im öf­fentlichen Dienst sind vor mehreren Wochen zu Ende gegangen. Wir beschließen das heute hier im Parlament. Die Erhöhungen bewegen sich im Bereich 3,05 bis 2,25 Pro­zent. Was uns natürlich sehr freut, ist, dass es für die unteren Einkommensgruppen einen deutlich stärkeren Anstieg gibt als für die oberen, dass es einen Sockel von 50 Euro gibt.

Trotz alledem ist betreffend diesen Lohnabschluss immer wieder auch Kritik laut ge­worden, sowohl medial als auch teilweise hier im Hause, ob das dem öffentlichen Dienst denn überhaupt so zustehe, weil der öffentliche Dienst ja nach wie vor mit, sa­gen wir, Sonderrechten ausgestattet wäre. – Ja, es stimmt tatsächlich: Der öffentliche Dienst hat noch einigermaßen stabile Beschäftigungsverhältnisse; ja, diese stabilen Beschäftigungsverhältnisse lassen auch noch eine positive Reallohnentwicklung zu; und ja, der öffentliche Dienst ist einer der wenigen Bereiche, in dem tatsächlich Männer und Frauen ansatzweise gleich viel verdienen. Das finden wir gut so, so soll es auch sein! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist allerdings auch Fakt, dass sich der öffentliche Dienst längst nicht mehr den Entwicklungen in der Arbeitswelt entziehen kann und vor enormen Herausforderungen steht, und auf diese möchte ich kurz eingehen, denn im Rahmen der Lohnverhandlun­gen, der Gehaltsverhandlungen fordert ja die Gewerkschaft auch eine Anstellungsof­fensive, und das aus gutem Grund.

Seit 1999 ist der Stand der Beschäftigten im Bundesdienst um 30 900 zurückgegan­gen, teilweise durch Ausgliederungen, andererseits aber auch durch Nichtnachbeset­zungen. Allein in der Verwaltung wurde jeder siebte Beschäftigte nicht nachbesetzt, und erst vor Kurzem gab es einen Aufschrei im Justizbereich betreffend den Personalnot­stand, der dort herrscht; es wurden Hunderte zusätzliche Beschäftigte im Bereich der Staatsanwaltschaft, der RichterInnen, der JustizwachebeamtInnen gefordert.

Eine Folge des Aufnahmestopps ist nicht nur der Personalnotstand, sondern auch die Überalterung im öffentlichen Dienst. Wir haben derzeit im Bundesdienst ein durch­schnittliches Alter von 45,9 Lebensjahren, fast die Hälfte aller Bundesbediensteten sind über 50. In der Privatwirtschaft sind es 38,7 Jahre, und gerade einmal ein Viertel sind dort über 50. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren einen dringenden Hand­lungsbedarf, einen dringenden Bedarf an Nachbesetzungen haben, und damit wir im öffentlichen Dienst qualitativ hochwertige Beschäftigte bekommen, brauchen wir auch entsprechend attraktive Arbeits- und Einkommensbedingungen. Die öffentliche Hand, der Bund, muss als attraktiver Arbeitgeber auftreten.

Ich habe schon gesagt, dass sich die Vielfalt der Arbeitswelt längst auch im öffentli­chen Dienst widerspiegelt. Die Zahl der BeamtInnen geht zurück, die Zahl der Ver­tragsbediensteten, aber auch der Privatangestellten steigt, und die Einkommenssi­tuation ist längst nicht so rosig, wie dies immer wieder gerne behauptet wird. Ich denke


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in diesem Zusammenhang an meinen Freund Manfred, einen Elektriker an der Uni­versität (Abg. Stögmüller: Kenn’ ich!) – den kennst du auch –: Er hat 16 Dienstjahre und verdient 2 200 Euro brutto, das sind circa 1 500 Euro netto. Er bekommt jetzt eine Lohnerhöhung von circa 50 Euro brutto und sagt mir: Das frisst die Miete, das frisst der Strom, das frisst die Energie. Privilegienritter, meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen anders aus! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Loacker: Das ist die kalte Pro­gression!)

Für uns Grüne ist klar: Ein funktionierender Rechtsstaat, eine gute Verwaltung, ein hochwertiges öffentliches Bildungssystem brauchen auch hoch motivierte Mitarbeite­rInnen. Und hoch motivierte MitarbeiterInnen gibt es dann, wenn die Arbeitsbedingun­gen attraktiv sind und wenn die Einkommen passen – Einkommen, die ein gutes und sorgenfreies Leben erlauben. Dafür haben wir Grüne uns in der Vergangenheit ein­gesetzt und dafür werden wir uns auch in Zukunft einsetzen, deshalb werden wir die­sem heutigen Gesetzesvorschlag und dem Lohnabschluss auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bravoruf des Abg. Kogler.)

15.38

15.38.41*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir das Protokoll zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung kommen lassen.

Ich erteile Herrn Klubobmann Herbert Kickl für die Aussage: „Für mich ist das, was Sie und der Bundespräsident da gemacht haben, eine amtsmissbräuchliche Vorgangswei­se“, einen Ordnungsruf.

*****

Ich erteile weiters Herrn Abgeordnetem Michel Reimon für die Aussage, „die einzige Bevölkerungsgruppe, vor der man sich wirklich fürchten muss, die eine höhere Krimi­nalitätsrate als die Afghanen hat, das sind doch die Freiheitlichen“, ebenfalls einen Ordnungsruf. (Ruf bei den Grünen: Das ist doch die Wahrheit!)

*****

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Kollege Hans Stefan Hintner. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


15.39.32

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! In den Urzeiten des öffentlichen Dienstes hieß es: Man hat zwar nix, aber das ist fix. Kompensiert wurden allfällige Gehaltserhöhungen mit schö­nen Uniformen, Orden und Amtstiteln. Dieses Bild hat sich aber spätestens nach den Zeiten der Hochkonjunktur bis Mitte der Siebzigerjahre geändert, weil auch der Staat gezwungen war, in Zeiten des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften adäquate Löhne und Gehälter zu bezahlen.

Der Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst, der mit 1. Jänner 2020 für Vertragsbe­dienstete und Beamte in Kraft tritt, kann sich im Reigen der anderen Kollektivvertrags­abschlüsse durchaus sehen lassen, und somit haben heute die NEOS ein Alleinstel­lungsmerkmal, indem sie gegen diese Erhöhungen und Verbesserungen für 350 000 Men­schen und ihre Familien sind. (Abg. Loacker: Aber zugehört haben Sie schon?!)

Zum vorliegenden Abschluss darf ich sowohl den Vertretern auf der Arbeitgeberseite des Bundes, insbesondere Ihnen, Herr Finanzminister, als auch der Arbeitnehmerseite


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gratulieren. Es ist ein sehr guter Abschluss für beide Seiten im Rahmen der Budget­vorgaben, gleichzeitig aber auch ein deutliches Zeichen zur Stärkung der Gehälter und somit der Massenkaufkraft, die ja nach wie vor die Konjunktur trägt. Als Christlich-So­zialer darf ich dabei besondere Wertschätzung gegenüber Norbert Schnedl und seinem Team zum Ausdruck bringen, das in hervorragender Art und Weise die Arbeit des ei­sernen Fritz Neugebauer in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst fortsetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

An dieser Stelle auch die herzlichsten Gratulationen an die christlichen Gewerkschafter zum großen Erfolg bei den jüngsten Personalvertretungswahlen! (Zwischenruf des Abg. Loacker. – Abg. Hanger: Geh, geh, tu net stänkern!)

Ich bin stolz auf den öffentlichen Dienst. Er stellt – von der Gemeindestube bis hin zum Hohen Haus – einen wesentlichen Faktor für die politische Stabilität in Österreich dar. Nicht von ungefähr besteht die derzeitige Übergangsregierung aus hochrangigen Per­sönlichkeiten des öffentlichen Dienstes. Dieser Faktor der politischen Stabilität kommt auch in der Wechselwirkung von Politik und Verwaltung zum Ausdruck. Nicht jede an­geblich progressive politische Forderung ist der Weisheit letzter Schluss, und bei so manchen Reformvorschlägen nach dem Motto: Ich weiß zwar nicht wohin, dafür bin ich schneller dort!, ist der öffentliche Dienst nicht Bremser, sondern Mitdenker.

Der öffentliche Dienst ist ein wesentlicher Faktor für den Wirtschaftsstandort Öster­reich. Die authentische Anwendung der Bestimmungen und der Gesetze, Unbestech­lichkeit und die rasche Umsetzung sowie Bescheidung der Anträge sind mitentschei­dend für die Frage nationaler und internationaler Betriebsansiedlungen.

Kollektivvertrags- und Gehaltsverhandlungen sind aus gutem Grund Sache der jewei­ligen Sozialpartner. Nur diese Partnerschaft gewährleistet maßgeschneiderte und bran­chenspezifische Ergebnisse. Der Staat soll sich da aus guten Gründen zurückhalten. Schon Forderungen nach gesetzlichen Mindestlöhnen erwecken mein Misstrauen, denn diese sind meistens politisch motiviert und untergraben die Kollektivvertragsfähig­keit der Gewerkschaften. Vielmehr ist es Aufgabe des Staates, die Ergebnisse aus Ge­halts- und Kollektivvertragsverhandlungen auch durch Rahmenbedingungen in der Steuergesetzgebung zu berücksichtigen, damit vom Brutto mehr übrig bleibt, sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ja, über Löhne und Gehälter wird auch umverteilt. Ich kenne aber keinen, der mehr auf dem Konto gehabt hätte, wenn ihm jemand etwas weggenommen hätte. Und so soll es in Zukunft auch nicht darum gehen, jemandem seine Rolex, sein Jagdgewehr oder sei­nen Porsche wegzunehmen, sondern darum, durch eine positive Gehaltspolitik zu er­möglichen, dass sich jeder einen Porsche und eine Rolex leisten kann. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.) – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP.)

15.44


15.44.00

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 9 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Großbauer, Mag. Drozda, Lausch, Mag. Blimlinger, Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Großbauer, Mag. Drozda, Lausch, Mag. Blimlinger, Schellhorn, Kol­leginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 13 einge­bracht.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. (Die Abgeordneten der ÖVP erheben sich verzögert, erst nach jenen aller an­deren Fraktionen, von ihren Sitzen. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Abg. Lausch – in Richtung ÖVP –: Ihr seid ja noch die Besten! – Abg. Krainer: Wenn das der Neugebauer gesehen hätte!) – Das ist einstimmig angenommen.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Tei­le des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung öf­fentlich Bediensteter an den privaten Sektor.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15.47 Uhr.

*****

(Die Sitzung wird um 15.46 Uhr unterbrochen und um 15.47 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnung, damit die ver­langte Behandlung eines Dringlichen Antrages stattfinden kann.

15.47.12Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung notwendiger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel“ (110/A)(E)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 110/A(E).

Da dieser Antrag inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Suchtprävention

"Es sind suchtpräventive und legislative Maßnahmen zu setzen, um die Anzahl jener gering zu halten, die Probleme im Zusammenhang mit Glücksspiel oder ähnlichem, wie z.B. Sportwetten entwickeln. Die Angebote müssen so reglementiert werden, dass die-


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se primär der Unterhaltung dienen und existenzbedrohende Verluste unwahrscheinlich werden." Mit diesen Worten beginnt die dem Glücksspiel gewidmete Passage der ös­terreichischen Suchtpräventionsstrategie aus Dezember 2015. Legislative Maßnah­men, die den darin verankerten Zielen dienen, hat der Nationalrat bis dato vermissen lassen. Dieser Antrag ist ein Versuch, dies aufzuholen.

Aus dem Blickwinkel der oben angeführten Ziele, die angebotenen Glücksspiele so zu reglementieren, dass der Unterhaltungswert im Vordergrund steht und eine existen­zielle Bedrohung durch Verluste minimiert wird, scheint die derzeitige Rechtslage un­genügend zu sein. Insbesondere die Höchsteinsätze (bis zu zehn Euro) und die Höchstgewinne (bis zu 10.000 Euro) scheinen den Rahmen eines verhältnismäßigen und "kleinen" Glücksspiels weit zu sprengen. Dies zeigt sich anhand der Aussagen von Expert_innen, ehemaligen spielsüchtigen Menschen und vor allem im internationalen Vergleich. Auch aus europarechtlicher Sicht ist die derzeitige Rechtslage kritisch zu be­trachten.

Im April 2016 publizierte das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen ei­ne Studie, die im Auftrag des BMF (genauer der Spielerschutzstelle, die beim BMF ein­gerichtet ist) erstellt wurde. In dieser Studie wurde eine wesentliche Zielsetzung der GSpG Novelle 2010, die Umsetzung eines wirksamen Spielerschutzes, evaluiert.

Die Studie kommt zu einem durchwegs eindeutigen Ergebnis. Der GSpG Novelle 2010 wird zwar attestiert, es in einzelnen Bereichen durchwegs gut gemeint zu haben, je­doch ist gut gemeint nicht immer auch gut gelungen. Gewiss wurden einige positive Maßnahmen eingeführt, doch ist selbst bei den mehrheitlich positiv wahrgenommenen Neuerungen die Umsetzung verbesserungswürdig (freiwillige Selbstbeschränkungen, Spielsperren, etc.).

Die meisten Glücksspielbetreiber halten sich an die gesetzlichen Bestimmungen und systematische Umgehungen wurden in der Studie kaum festgestellt. Es darf jedoch auch nicht unerwähnt bleiben, dass gerade die Umsetzung der Verpflichtungen der Glücksspielbetreiber vor Ort (ausreichende Information und Warnung bei problemati­schem Spielverhalten mit eventueller Konsequenz einer Spielsperre) nur ungenügend umgesetzt werden. Hier bleibt der Spielerschutz ein gut gemeintes gesetzliches Lip­penbekenntnis.

Die wesentlichen Bestimmungen der GSpG Novelle 2010, die sowohl bei Expert_innen als auch bei Spieler_innen auf Unverständnis stoßen, drehen sich jedoch um den Kern der Novelle, der laut befragten Expert_innen und Spieler_innen mit dem durch die GSpG Novelle intendierten Spielerschutz kaum in Einklang zu bringen ist. So steht in der Kurzfassung zu Beginn der Studie:

"Die derzeitigen Bestimmungen hinsichtlich Spieldauer pro Einzelspiel, Einsatz- und Gewinnhöhe stoßen sowohl bei der überwiegenden Mehrheit der Expertinnen und Ex­perten als auch bei Spielern und Spielerinnen auf Unverständnis. Die Erhöhung der maximal möglichen Einsätze pro Spiel im Zuge der GSpG-Novelle ist für Fachleute aus einer Spielerschutzperspektive kaum nachvollziehbar. Soll Glücksspiel der Unterhal­tung dienen und nicht Geldgewinn im Fokus stehen, der langfristig de facto ohnehin unmöglich zu realisieren ist, sind hier massive Nachbesserungen notwendig."

Trennung Regulator bzw Aufsicht und Eigentümer:

Beim Bundesminister für Finanzen laufen verschiedenste Fäden zusammen, welche nicht zusammengehören, werden doch Aufgaben des Spielerschutzes, fiskalische In­teressen, die Wahrnehmung der Eigentümerrechte, Regulierungsbehörde sowie Auf­sichtsbehörde dort unter einem Dach vereint, wo auch die legistische Betreuung des Glücksspielgesetzes (GSpG) unter besonderer Berücksichtung ordnungspolitischer Gesichtspunkte angesiedelt ist. Dass dies einen Interessenkonflikt allerhöchsten Aus-


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maßes nach sich zieht, ist ebenso offensichtlich, wie problematisch. Wurde in punkto der Herauslösung der Spielerschutzagenden aus dem BMF bereits ein Entschließungs­antrag eingebracht, der jedoch abgelehnt wurde, soll sich der Fokus hier auf eine or­ganisationelle Trennung von Regulierungs-, bzw Aufsichtsbehörde und der Wahrneh­mung der Eigentümerinteressen richten. Unbestrittenermaßen liegt das Glücksspielmo­nopol bei der Republik Österreich, doch sollte - nicht zuletzt um eine ordnungsgemäße Exekution der geltenden Gesetze sicherzustellen - hier eine Änderung Einzug halten.

Der Staat muss seine Rolle als effizienter Regulator ernst nehmen und sicherstellen, dass gesetzliche Vorgaben durchgesetzt werden. Wenn sich jedoch der Eigentümer und Regulator schlussendlich auch noch selbst kontrolliert, dann wird der Versuch ei­nes effektiven Vollzugs geltender Gesetze sowie der Wille nach einem strengeren Spielerschutz logischerweise zur inneren Zerreißprobe für einen jeden Minister. Eine solche Situation ist folglich konsequenterweise durch eine Neuverteilung der Kompe­tenzen aufzulösen, um auch in der jetzigen Konstellation ein Maximum an Transpa­renz, Glaubwürdigkeit sowie Sauberkeit sicherzustellen.

Neben einer unionsrechtskonformen Vorgehensweise muss endlich sichergestellt wer­den, dass der Spielerschutz oberste Priorität erhält. Gelingt es nicht, einen solchen Zu­stand herzustellen, so verliert nicht nur das Glücksspielmonopol des Bundes seine Be­rechtigung, vielmehr noch würde dies ein dramatisches Versagen des Staates in einer gesundheitspolitisch, aber auch volkswirtschaftlich höchst relevanten Branche darstel­len. Dies gilt es mit aller Kraft zu vermeiden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der ein um­fangreicher Spielerschutz sichergestellt werden kann, der alle Bereiche des Automa­tenglücksspiels außerhalb von Spielbanken umfasst. Der Gesetzesentwurf sollte daher folgende Punkte beinhalten, die für Spielautomaten gemäß § 5 GSpG sowie jene nach § 12a GSpG (VLT) sowie in Einzelaufstellung gleichermaßen geltend wird:

-             Die vermögenswerte Leistung des Spielers darf statt den derzeitigen 10 Euro höchstens 0,30 Euro pro Spiel betragen.

-             Die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Wa­ren oder geldwerten Leistungen) sollen statt derzeit 10.000 Euro pro Spiel drei Eu­ro pro Spiel nicht überschreiten.

-             Jedes Automatenspiel soll statt einer Sekunde zumindest fünf Sekunden dau­ern und vom Spielteilnehmer gesondert ausgelöst werden.

-             Nach 90 Minuten ununterbrochener Spieldauer eines Spielteilnehmers muss der Glücksspielautomat für mindestens fünf Minuten abgeschaltet werden. In dieser Phase dürfen keine Einsätze angenommen oder Gewinne gewährt wer­den. In der Pause dürfen keine Spielvorgänge, einsatz- und gewinnfreie Probe- oder Demonstrationsspiele oder sonstige Animationen angeboten werden. Der Spieler selbst ist nach 90 Minuten Spieldauer für einen Zeitraum von mindes­tens 30 Minuten zu sperren (Abkühlphase).

-             Das Spielen auf Glücksspielautomaten soll je Spielteilnehmer_in innerhalb von 24 Stunden höchstens für drei Stunden möglich sein (höchstzulässige Tages­spieldauer).


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-             Die Summe der Verluste (Einsätze abzüglich Gewinne) darf im Verlauf einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen.

-             Die Summe der Gewinne abzüglich der Einsätze darf im Verlauf einer Stunde 600 Euro nicht übersteigen.

Zusätzlich soll eine Regierungsvorlage vorgelegt werden, die eine ordnungsgemäße Trennung der Aufgaben als Regulierungs-, bzw. Aufsichtsbehörde und der Wahrneh­mung der Eigentümerinteressen sicherstellt. “

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der An­tragssteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile nun Frau Abgeordneter Klubobfrau Mag. Bea­te Meinl-Reisinger als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte schön, Frau Klubobfrau.


15.47.55

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! – Ich habe ihn jedenfalls im Saal gesehen. – Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ja, gestern ganz großer Knalleffekt in den Medien: Novomatic verkauft die Anteile an den Casinos Austria, an der Casag, Casinos Austria AG. Das ist jetzt, wenn Sie so wollen, die aktuellste Wen­dung in einem Krimi – Wirtschaftskrimi, Politikkrimi –, der uns ja auch in einem zu­künftigen Untersuchungsausschuss – nicht nur, aber auch das – beschäftigen wird, für dessen Einsetzung die SPÖ und die NEOS heute gemeinsam ein entsprechendes Ver­langen eingebracht haben.

Im Mittelpunkt dieses Untersuchungsausschusses steht dann konkret – und das möch­te ich jetzt schon kurz erläutern, weil es da ja auch um einen Link zu diesem Dringli­chen Antrag geht, ausgehend von dem Satz in dem Ibizavideo: Die Novomatic zahlt al­le!, der so ein bisschen zum Dreh- und Angelpunkt und Schlüsselsatz in diesem Video geworden ist – die Frage, ob es in den letzten Jahren, ich sage es einmal einfach, Pos­ten gegen Geld, Einfluss und Macht gegen Geld oder Posten, Einflussnahme bei Ge­setzen gegen Geld gegeben hat; wie gesagt: auch und gerade in der ganzen Causa Casinos und Novomatic.

Die Geschichte, die wir im Untersuchungsausschuss aufspüren wollen, der wir nach­spüren werden, ist eine Geschichte von einarmigen Banditen, möglicherweise auch von zweiarmigen Banditen und deren Versuch, die Politik zu kaufen, zu beeinflussen, gefügig zu machen, um vielleicht Strafverfahren zu beeinflussen, um Gesetze zu be­einflussen, um die Vergabe von Lizenzen zu beeinflussen; und es geht – und das möchte ich in aller Klarheit sagen – vor allem um die Frage eines sehr, sehr lukrativen Geschäfts mit dem Elend von Suchtkranken in Österreich.

Es geht um sehr viel Geld. Vereinfacht gesagt: Wer die Lizenz hat – die Lizenz für Onlinegaming, für Automaten, was auch immer –, der hat eine Lizenz zum Gelddru­cken. Dieses Geschäft läuft. Glücksspiel ist ein sehr lukratives Geschäft, und genau darum geht es heute hier.

Ich möchte auch einmal mit einem Bild im Kopf aufräumen, weil ich diese Bilder auch immer im Zusammenhang mit Untersuchungsausschuss oder Casag oder Sidlo-Bestel­lung sehe: Da sind ja dann in den Medien oft Bilder von einem Roulettetisch. Ich weiß


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schon, wenn wir an Casinos denken, haben viele – auch durch Werbung oder Filme beeinflusst – die Bilder von eleganten Herrschaften im Smoking am Roulettetisch im Kopf. Man unterhält sich angeregt, man trinkt vielleicht ein Glas Sekt oder Champagner und man vermutet, dass gleich James Bond um die Ecke kommt. (Abg. Kogler: Der Sidlo!)

Die Realität schaut aber anders aus. Wir reden heute hier auch nicht von den Rou­lettetischen, sondern vom Sitzen vor Automaten, mehr oder weniger in Apathie und Einsamkeit, mit glasigen Augen, wo man ein ums andere Mal das Knopferl drückt (die Rednerin klopft mehrmals auf das Rednerpult), so lange, bis der Monatslohn und Be­träge weit darüber hinaus verspielt sind. Das hat gar nichts von Eleganz, von Stil oder von Geselligkeit, sondern es hat vor allem etwas von Elend, von Leid und von Exis­tenzvernichtung.

Was wissen wir? – Das Glücksspiel ist abseits von einem netten Abend im Casino das Spiel mit dem Elend der Menschen – und zwar sehr einsam am Automaten, im Kam­merl, in größeren Automatensalons, vor dem Computer, am Smartphone –, und es zer­stört nachweislich Existenzen. Wir wissen, dass das Aufstellen von Automaten ein sehr lukratives Geschäft ist, sowohl im Rahmen des kleinen Glücksspiels, was eine Landes­sache ist, aber auch und gerade im Rahmen der sogenannten Video-Lottery-Terminal-Lizenzen dieser bundesweiten Automaten, die bei den Österreichischen Lotterien lie­gen; und auch sehr lukrativ ist der Bereich des Onlinegamings, ein immer größer wer­dender Markt.

Wir wissen also auch, dass die Casinos beispielsweise davon profitieren, wenn das kleine Glücksspiel in Wien eingeschränkt wird, weil sie ja die Lizenz für diese bundes­weiten Automaten haben – und ich kann Ihnen sagen, es tobt ein Kampf um diese 5 000 Automaten, die bundesweit aufgestellt werden können.

Wir wissen auch: Gäbe es in Österreich einen anständigen Spielerschutz, dann wäre die Gier nach diesen Lizenzen und nach Macht und Einfluss in diesen Bereichen für Novomatic und Co nicht in Ansätzen so groß. Anscheinend ist das Geschäft in Öster­reich so lukrativ, dass nahezu jedes Mittel recht zu sein scheint.

Wir wissen auch, dass die staatliche Beteiligung an den Casinos Austria und die engen Verflechtungen zwischen Parteien, Politik und den Casinos die Casinos Austria AG zu einem parteipolitischen Spielfeld, zu einer Spielwiese machen, und das schon seit sehr, sehr langer Zeit.

Wir wissen auch: Es gibt und es gab immer einen Interessenkonflikt bei den Casinos zwischen der Rolle des Staates als Eigentümer und der Aufgabe des Staates beim Thema Aufsicht und Regulator, sprich bei Spielerschutz und Kontrolle. Das läuft alles in den Händen und in der Verantwortung des Finanzministers zusammen, da ist ein In­teressenkonflikt quasi vorprogrammiert. Darin liegt auch die Ursache, dass wir so einen geringen Spielerschutz haben.

Wir wissen leider mittlerweile auch, dass es, wenn die ÖVP immer wieder in diesen staatsnahen Wirtschaftsbereich eingreift, hineingeht, sehr um Einfluss und Macht, um Netzwerke, um Günstlingswirtschaft geht – und, ehrlich gesagt, auch um das Verhin­dern von Andersdenkenden in diesem Bereich.

Es geht jetzt aber nicht um die Frage, was wir wissen, sondern mit welchen Fragen wir uns beschäftigen müssen und werden. Ich möchte ein paar exemplarisch aufzählen, weil es natürlich auch Fragen sind, denen wir in diesem Untersuchungsausschuss nachgehen werden.

Ich beginne wieder mit der aktuellen Frage: Novomatic verkauft die Anteile. Es gab sei­nerzeit, bis 2018, einen Stimmbindungsvertrag zwischen einem Eigentümer der Casi-


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nos Austria – Novomatic – und Sazka – den Tschechen –, die ja jetzt, so steht es ge­schrieben, großes Interesse daran haben, diese Novomatic-Anteile zu erwerben.

Warum wurde dieser Stimmbindungsvertrag mit der Sazka 2018 vonseiten der Novo­matic gebrochen? Welche möglichen Versprechungen hat es da – vielleicht auch sei­tens der Republik Österreich – gegeben? Welcher Vorteil hat das Risiko aufgewogen, dass die Novomatic da eine Millionenstrafe bekommt? Es läuft bei einem Schiedsge­richt in der Schweiz ein Verfahren, Sazka hat Novomatic geklagt. Mich würde natürlich auch interessieren, ob entlang der zwischen Novomatic und Sazka gestern getroffenen Vereinbarung, oder wann auch immer die war, dieses Schiedsverfahren nun möglicher­weise eingestellt wird. (Abg. Kogler: Das ist sicher im Deal drin!)

Ist es vorstellbar, dass in einem Machtpoker rund um die Kapitalvertreter der Casinos die hochrangige Regierungsriege, quasi als handelnde Eigentümervertreter – Sebas­tian Kurz, Gernot Blümel –, nichts davon wusste? Wieso hat der Generalsekretär und gleichzeitige Kabinettschef von Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, mittlerweile Al­leinvorstand der Öbag, also der Beteiligungsgesellschaft des Bundes, Thomas Schmid, interne Unterlagen des Ministeriums zu Onlinegaminglizenzen offensichtlich an die No­vomatic weitergespielt?

Ging es der Novomatic um den Zugang zu diesen Onlinelizenzen und gab es deswe­gen oder entlang dieser Frage Überlegungen, diese Lizenz von der bestehenden Lot­terielizenz zu entflechten? Das hängt nämlich dort dran. Weiters: Was wusste der zu­ständige Bundesminister Hartwig Löger von der ÖVP davon? Und ist es wirklich vor­stellbar, dass andere Regierungsmitglieder wie Sebastian Kurz oder Gernot Blümel nichts von diesen Diskussionen oder vielleicht auch geplanten Gesetzesänderungen gewusst haben? (Ruf bei der ÖVP: Ja!)

Warum musste Peter Sidlo unbedingt in den Vorstand der Casinos gehievt werden? Welchen – unter Anführungszeichen – „Deal“, von dem ja die Rede ist, gab es zwi­schen Novomatic und der FPÖ? Und wieso hat Bundesminister Hartwig Löger nicht (beide Arme zu einer abwehrenden Geste hebend) Stopp und Halt geschrien? Wieso hat der Aufsichtsratsvorsitzende der Casinos, Walter Rothensteiner, nicht (beide Arme zu einer abwehrenden Geste hebend) Stopp und Halt geschrien, wie es wahrscheinlich auch seine Aufgabe gewesen wäre, als von so einem Deal die Rede war (Zwischenruf des Abg. Wurm) – wie es eine Aktennotiz von Walter Rothensteiner, die öffentlich geworden ist, oder wie es eine Aktennotiz nahelegt; und eben auch, dass offensichtlich auch Hartwig Löger von so einem Deal gewusst hat. (Abg. Wurm: ... Spielerschutz!)

Was hat Bettina Glatz-Kremsner, die jetzige Vorstandsvorsitzende der Casinos, ge­wusst, und was hat sie in Bezug auf die Frage der Postenbesetzungen und die Frage der Novomatic, der Lizenzen getan oder nicht getan? Ist es vorstellbar, dass sie – bis vor Kurzem ja auch noch stellvertretende Bundesparteivorsitzende der ÖVP – niemals innerhalb der ÖVP, innerhalb der höchsten Mannschaft der ÖVP auch mit ihrem Vor­sitzenden Sebastian Kurz darüber gesprochen hat, worum es da eigentlich geht? – Hm, Sie merken, es kommen Zweifel.

Wer alles hat versucht, bei den bis zu 5 000 bundesweit aufstellbaren Automaten einen Fuß in die Tür zu bekommen? Wie gesagt, sie sind derzeit nicht aufgestellt, man muss sie aufstellen, dann rinnt das Geld. Das ist eine Cashcow.

Warum hat eine Tochter der Casinos – die Casinos profitieren ja davon, wenn das klei­ne Glücksspiel in Wien eingeschränkt, verboten oder abgeschafft wird – an den Verein des grünen Gemeinderates Christoph Chorherr gespendet? (Abg. Kogler: Was?!) Gibt es Vereinbarungen zwischen Wien und den Casinos über die Anzahl der Automaten? Sind diese gebrochen worden? Wieso sind 2018 auf einmal in Wien – was nicht zu Amüsement seitens der Wiener Stadtregierung geführt hat – welche aufgetaucht? (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)


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Was macht eigentlich Eva Glawischnig den ganzen Tag? (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Welche Geldflüsse gab es von Novo­matic an Vereine, Personen und Netzwerke im Umfeld von FPÖ, aber – ich stelle diese Frage – vielleicht auch ÖVP? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wieso berichten Insider von einer Art Handkasse bei den Casinos – und zwar schon seit vielen, vielen, vielen Jah­ren –, aus der quasi Aktivitäten von Parteien und Politikern unterstützt wurden? Und wie­so sind solche staatlichen Beteiligungen immer das Einfallstor für Machtmissbrauch, Günstlingswirtschaft und Selbstbedienung?

Glaubt eigentlich irgendjemand in diesem Raum, dass die ÖVP-Spitze nichts davon gewusst hat? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Kann man eigentlich noch von Wirtschaftskom­petenz bei der ÖVP sprechen, wenn solche Vorgänge, die meiner Meinung nach je­denfalls Ausdruck von Dilettantismus und Machtmissbrauch, die möglicherweise auch strafrechtlich relevant sind, ruchbar werden? (Ruf bei der ÖVP: Möglicherweise ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der Herr Bundespräsident hat gesagt: „So sind wir nicht.“ Kann jeder im Saal von sich behaupten, so ist er nicht? Wir haben vor allem im Bereich des Automatenglücksspiels keinen ausreichenden Spielerschutz, und es wurden eben auch solche sehr zwei­felhaften Entscheidungen seitens politisch handelnder Personen quasi als Vertreter der Eigentumsrechte des Staates getroffen. Die letzten Regierungen haben beim Thema Spielerschutz auf ganzer Linie versagt. Wieso glaubt eigentlich irgendjemand, dass es nun die bessere Lösung ist, dass der Staat noch mehr Anteile erwirbt? – Das sind die Fragen.

Die letzte Frage ist: Was ist jetzt zu tun? – Neben der strafrechtlichen Aufklärung, der politischen Aufklärung – wir werden heute noch im Zusammenhang mit dem Untersu­chungsausschuss darüber diskutieren – haben wir jetzt genau eines zu tun, nämlich für einen ausreichenden Spielerschutz in Österreich zu sorgen.

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen – meine Kollegin Stephanie Krisper wird darauf eingehen –: Die möglichen Einsätze in Österreich sind absurd hoch. Die Maxi­malgewinne in Österreich sind absurd hoch. Wir reden hier von mehreren Hunderttau­send Menschen, die betroffen sind. Allein 2017 haben sich über 100 000 spielsüchtige Menschen in Österreich an die Spielsuchtberatung gewandt. Wie viele Hunderttausen­de darüber hinaus wenden sich nicht an die Beratungsstelle? Das zerstört Existenzen, und wir sind in diesem Bereich deutlich lukrativer als in vielen anderen europäischen Ländern.

Steffi Krisper wird von einem Fall eines Süchtigen berichten, der an die Öffentlichkeit gegangen ist. Der hat nicht bei der Novomatic in Wien bei irgendwelchen Automaten im Hinterkammerl sein Geld verspielt, sondern bei einer Tochter der Casinos, Winwin, über 330 000 Euro – kein ausreichender Spielerschutz, eine gesamte Existenz zerstört. Dieser Problembereich muss mit deutlich strengerem Spielerschutz, geringeren Einsät­zen, geringeren Maximalgewinnmöglichkeiten gelöst werden, um dieses Geschäft nicht mehr so lukrativ zu machen.

Daneben gibt es einen anderen Bereich, und um den müssen wir uns jetzt auch küm­mern. Das ist der Bereich des Interessenkonflikts, den ich angesprochen habe. Ich möchte das jetzt vielleicht teilweise auch aus unserem Dringlichen Antrag zitieren.

Was ist denn die Aufgabe des Staates in so einem Fall? Ich hole jetzt vielleicht ein bisschen aus, weil ich auch Zuschriften erhalten habe, wir sollten es gleich verbieten. Ich halte es nicht für besonders klug, Glücksspiel zu verbieten, denn dann ist es nur in der Illegalität, nicht mehr reguliert, nicht mehr kontrolliert. Damit ist meiner Meinung nach in diesem Bereich niemandem geholfen. Es werden auch keine Steuereinnahmen lukriert, mit denen dann hoffentlich auch Sucht bekämpft wird.


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„Der Staat muss seine Rolle“ – und das ist wirklich eine Aufgabe – „als effizienter Re­gulator“ und wirkliche Aufsicht „ernst nehmen und sicherstellen, dass gesetzliche Vor­gaben durchgesetzt werden. Wenn sich jedoch der Eigentümer und Regulator schluss­endlich [...] selbst kontrolliert, dann wird der Versuch eines effektiven Vollzugs gelten­der Gesetze sowie der Wille nach einem strengeren Spielerschutz [...] zur inneren Zer­reißprobe für einen jeden Minister“, nämlich für jeden Finanzminister, den das betrifft. Daher haben wir in Österreich ganz dringend den Bedarf, diese Frage der Eigentümer­vertretung von der Frage der Regulierung und insbesondere auch des Spielerschutzes zu trennen. Das müssen wir jetzt in Angriff nehmen. (Beifall bei den NEOS. – Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich richte heute den Appell an Sie, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil das Ganze eine wirklich unwürdige Causa ist. Wir müssen den politischen Willen zum Ausdruck bringen, dass das in Österreich nicht ein dermaßen lukratives Geschäft ist und dass ein strenger Spielerschutz gewährleistet wird, mindestens genauso streng wie in Deutschland. Wie gesagt, in Österreich sind absurde Höhen zulässig.

Das Zweite ist, dass wir diesen Interessenkonflikt besser lösen. Dieser existiert, wenn quasi der Eigentümervertreter, der vereinfacht gesagt ein Interesse daran hat, dass möglichst viele Menschen spielen, möglichst viele Menschen süchtig sind – dann rennt das Geschäft gut –, gleichzeitig auch Regulator sein soll. Es führt zu keiner guten Si­tuation, wenn das Ganze noch in einem parteipolitisch motivierten Geflecht stattfindet. Heute können wir endlich den Grundstein dafür legen, dass es in Zukunft besser wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer Stellungnahme gelangt Herr Finanzmi­nister Müller zu Wort. – Bitte.


16.05.00

Bundesminister für Finanzen, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport Dkfm. Eduard Müller, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuseher! Lassen Sie mich zum heutigen Dringlichen Antrag einleitend einige Rahmenbedin­gungen ausführen: Das Glücksspiel ist im Sinne des Glücksspielgesetzes ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt. Ein Glücksspielunternehmer im Sinne des Glücksspielgesetzes ist je­mand, der selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt. Genau an diesem Schnittpunkt von Spiel im Sinne von Unterhaltung auf der einen Seite und Einnahmenerzielung auf der ande­ren Seite resultiert ein Ansatzpunkt für den Spielerschutz.

Ein zweiter Ansatzpunkt kommt ganz einfach aus dem Risiko menschlichen Verhal­tens, das in bestimmten Konstellationen von Spielvergnügen in Spielsucht kippen kann, also dort, wo die Pathologie die Unterhaltung ersetzt. Daher, glaube ich, sind wir vermutlich alle einer Meinung, dass für Glücksspiel die gesellschaftspolitische Verant­wortung des Staates gefragt ist. Daher ist auch ein ordnungspolitischer Rahmen unum­gänglich.

Vor diesem Hintergrund legt § 1 Abs. 4 des Glücksspielgesetzes fest, dass im Bun­desministerium für Finanzen eine Stelle für Spielerschutz einzurichten ist. Die Aufgabe dieser Stelle für Spielerschutz ist „die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Un­terstützung des Spielerschutzes“. Im Rahmen dieses Gesetzesauftrags gehören zu den Tätigkeiten der Spielerschutzstelle unter anderem die Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit in Spielerschutzangelegenheiten mit Behörden und fachlichen Einrichtungen auf Bundes-, Landes- beziehungsweise Regionalebene und auch inter-


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national; der Spielerschutz einschließlich der Spielsuchtprävention im österreichischen, aber auch im internationalen Glücksspielrecht, die Aufklärungs- und Informationsarbeit über die Risiken des Glücksspiels, die Unterstützung des Spielerschutzes in Beratung, Forschung und Entwicklung.

Die Eckpunkte – dafür lassen Sie mich ein wenig in die Vergangenheit gehen – des Spielerschutzes für das Glücksspiel außerhalb von Spielbanken hat der Gesetzgeber mit einer Novellierung im Jahr 2010 geschaffen (Abg. Meinl-Reisinger: Eine schlechte Regelung!) und dabei die gesetzlichen Spielerschutzanforderungen jedenfalls wesent­lich umfangreicher gestaltet als davor. Zahlreiche Spielerschutzmaßnahmen, die es da­vor nicht gab, wurden integriert, eine Abkühlphase, eine Tageshöchstspieldauer, ga­rantierte Gewinnausschüttungshöhen und vieles andere. Eine wesentliche Änderung und wohl auch ein wirksamer Hebel war es, auch zivilrechtliche Rückforderungsan­sprüche beim Automatenglücksspiel einzuführen.

In diesem Kontext muss auch beachtet werden, dass das Glücksspielgesetz ein Bun­desrahmen ist, das heißt, eine Art Grenze für den Spielerschutz. Die konkrete Ausfüh­rungsgesetzgebung obliegt in ihrem Bereich den Ländern, und diese haben schon seit der Glücksspielreform 2010 die Möglichkeit, hier auch situations- oder eben regionsbe­zogen strengere Regelungen für das automatisierte Glücksspiel zu schaffen.

Die Aufsicht über diese Landesbewilligungen obliegt den jeweiligen Gebietskörper­schaften, und diese lassen sich auch entsprechend detaillierte Spielerschutzberichte von den Anbietern vorlegen. Die Anbieter operieren auf Basis natürlich unterschied­licher Landesbewilligungen beziehungsweise im Falle der sogenannten Video Lottery Terminals auf Basis einer Bundeskonzession.

Ich glaube, bei all dem, was in weiterer Folge noch diskutiert wird, ist jedenfalls auch der Aspekt im Hinterkopf zu behalten, dass diese Berechtigungen für bestimmte Lauf­zeiten erteilt worden sind. Das heißt, da geht es wahrscheinlich auch aus verfassungs­rechtlicher Sicht um eine gewisse Rechtssicherheit für diese Unternehmen, die eben auf die dort festgelegten Rahmenbedingungen vertrauen können.

Nun zur Spielerschutzstelle des BMF: Diese Spielerschutzstelle ist natürlich in regel­mäßigem Kontakt mit den Spielerschutzverantwortlichen der Bundeskonzessionäre, aber auch der vom Land bewilligten. Dabei werden deren Spielerschutzkonzepte und -maßnahmen, aber natürlich auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten evaluiert und dis­kutiert. Näheres dazu kann – und da sind wir auch entsprechend transparent – dem Bericht „Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010–2014“, einer Evaluierung, die in den Jahren 2014/15 vorgenommen wurde, entnommen werden.

Um die spielerschutzspezifischen Auswirkungen der vorhin erwähnten Glücksspielge­setz-Novelle 2010 und der dort festgelegten Mindeststandards zu evaluieren, wurde diese wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben und durchgeführt. Ich glaube, darin ist vieles an Ansatzpunkten und vielleicht auch das eine oder andere für künftige Ent­wicklungen enthalten.

Die Vorgehensweise – vielleicht für all jene, die es nachlesen – war: Es wurde ein mul­timodales Vorgehen gewählt, um dieser sehr komplexen Thematik gerecht zu werden. Neben der Analyse von Sekundärdaten wurden Erfahrungen und Sichtweisen von Pro­blemspielern in Behandlung, aber auch von Experten aus unterschiedlichen Berufs­feldern – aus der Prävention, aus der Therapie, aber auch auf der Anbieterseite – erho­ben.

Der Ergebnisbericht hat zum einen jedenfalls bestätigt, dass die gesetzlich vorgesehe­nen Spielerschutzbestimmungen umgesetzt wurden und es keine Hinweise auf syste­matische Umgehung gibt. Ein Beispiel aus diesem Bericht ist, dass etwa die Angebots­reduktion bei Landesausspielungen auch zu einem Rückgang von Behandlungszahlen


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geführt hat. Aber auch Maßnahmen wie Alters- und Zugangskontrollen, freiwillige Selbstbeschränkungen oder Spielsperren haben sich dort als wirkungsvolle Maßnah­men erwiesen.

Ich glaube aber, es muss uns allen auch eines klar sein: Spielerschutz kann und darf nicht beim legalen Glücksspiel haltmachen, denn ein vermutlich noch größerer Gefah­renraum liegt im illegalen und daher nicht im Ordnungsrahmen transparenten Glücks­spiel. Daher hat das Bundesministerium für Finanzen mit Einrichtung, aber auch mit entsprechender Dotierung und sukzessiver Aufstockung der Finanzpolizei seit Jahren den Kampf gegen dieses illegale Glücksspiel mit einem sehr hohen Suchtgefährdungs­potenzial aufgenommen, um ein verantwortungsvolles Spielen im Ordnungsrahmen si­cherzustellen und mögliche Schattenseiten des Spielens zu minimieren. Die Ergebnis­se dieser Kontrollen werden ebenso transparent dem Parlament berichtet.

Ich darf Ihnen daher zusammenfassend noch einmal versichern, dass das Bundesmi­nisterium für Finanzen innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten mit den vorhandenen Ressourcen die Bemühungen zur Eindämmung des illegalen Glücksspiels und insge­samt die Bemühungen zur weiteren Verbesserung, aber jedenfalls Sicherstellung des Spielerschutzes auch weiterhin auf allen Ebenen konsequent fortsetzen wird.

Zu einem zweiten Punkt, der noch angesprochen wurde, erlauben Sie mir aus Zeit­gründen einen Verweis, nämlich zum Thema Trennung der Bereiche Eigentümervertre­tung für die Republik auf der einen Seite und Vollziehung der Glücksspielaufsicht auf der anderen Seite. Hier möchte ich auf meine Ausführungen im Rahmen der Dringli­chen Anfrage vom 26. November verweisen, wonach mit Wirksamkeit des Bundesge­setzblattes 104/2019, des Finanz-Organisationsreformgesetzes, hier in diesem Haus im Sommer beschlossen, Aufsichtsmaßnahmen mit Wirkung vom 1. Juli 2020 an das Finanzamt Österreich ausgelagert werden sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Dr. Krisper. – Bitte.


16.14.09

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte noch einmal klarstellen: Hier geht es eben nicht um das große Glücksspiel – Casinoflair, Roulettetisch, Eleganz –, sondern um das kleine Glücksspiel, das Spiel an den Automaten, vor dem Computer, am Smart­phone, ohne Flair oder mit düsterem Flair, inklusive Einsamkeit und Spielsucht am Ho­rizont.

Warum ist das kleine Glücksspiel so lukrativ? Wann zahlt sich so ein Geschäft aus? –Wenn viel Geld reinkommt und wenn man nicht gestört wird, also dann, wenn der Spie­lerschutz nicht funktioniert.

In Österreich kommt in diesem Geschäft viel Geld rein. Warum? – Die Höchsteinsätze bis zu 10 Euro, die Höchstgewinne, die in Aussicht gestellt werden, bis zu 10 000 Euro sind unverhältnismäßig hoch, im europäischen Vergleich der völlige Ausreißer. Die ho­hen Zahlen haben nichts mit einem kleinen Glücksspiel zu tun, mit der Alternative zum Kinobesuch, und sind Ausreißer – das bestätigen auch Experten – im internationalen Vergleich.

Was heißt das aber für die Gefahr der Spielsucht? – Im Auftrag des Finanzministers wurde 2016 vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen eine Studie erstellt, die zu folgendem Ergebnis kam – ich zitiere –:


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„Die derzeitigen Bestimmungen hinsichtlich Spieldauer pro Einzelspiel, Einsatz- und Gewinnhöhe stoßen sowohl bei der überwiegenden Mehrheit der Expertinnen und Ex­perten als auch bei Spielern und Spielerinnen auf Unverständnis. Die Erhöhung der maximal möglichen Einsätze pro Spiel im Zuge der GSpG-Novelle ist für Fachleute aus einer Spielerschutzperspektive kaum nachvollziehbar. Soll Glücksspiel der Unterhal­tung dienen“ – Stichwort Kinobesuch – „und nicht Geldgewinn im Fokus stehen, der langfristig de facto ohnehin unmöglich zu realisieren ist, sind hier massive Nachbesse­rungen notwendig.“

Was taten ÖVP-Finanzminister aufgrund dieser Studie? – Nichts!

Diesen Zustand wollen wir mit unserem Antrag ändern helfen. Wir beantragen, dass von der Bundesregierung eine Regierungsvorlage erarbeitet werden soll, mit der ein umfangreicher Spielerschutz sichergestellt werden kann und in der daher folgende Punkte beinhaltet sein müssen, die das Niveau zumindest in den meisten Punkten auf eine dem deutschen Niveau vergleichbare Höhe bringen.

Das würde bedeuten, dass der Höchsteinsatz von 10 Euro auf 30 Cent pro Spiel geht – das ist das normale Niveau (Beifall bei den NEOS) –, dass in Aussicht gestellte Höchstgewinne von 10 000 Euro, die wir jetzt haben, auf 3 Euro gehen – das ist das normale Niveau. (Beifall bei den NEOS.)

„Jedes Automatenspiel soll statt einer Sekunde zumindest fünf Sekunden dauern und vom Spielteilnehmer gesondert ausgelöst werden.“ – Es hat hohes Suchtpotenzial, dass das nicht so ist.

„Nach 90 Minuten ununterbrochener Spieldauer [...] muss [...] für [...] fünf Minuten ab­geschaltet werden [...] Der Spieler selbst ist nach 90 Minuten Spieldauer für einen Zeit­raum von mindestens 30 Minuten zu sperren“. – Eine wichtige Abkühlphase, gerade als Suchtpräventionsmittel.

Die höchstzulässige Tagesspieldauer soll 3 Stunden betragen, die Summe der Verlus­te innerhalb einer Stunde 60 Euro nicht übersteigen, die Summe der Gewinne inner­halb einer Stunde 600 Euro nicht übersteigen.

Nach einer derartigen Gesetzesänderung könnte es in Zukunft nicht passieren, was jetzt schon seit Langem passiert, nämlich dass Menschen in wenigen Stunden ihr Mo­natsgehalt verspielen, dass jemand bei Winwin 34 000 Euro an einem Tag verspielen kann, wie „Profil“ berichtete.

Doch halt! Es sollte eigentlich eine Sperrdatenbank geben, denn im Jahre 2010 wurden alle Anbieter per Gesetz verpflichtet, an einer Sperrdatenbank des Bundes teilzuneh­men, also an einem Austausch der Namen von gesperrten Spielerinnen und Spielern zwischen den einzelnen Anbietern. Daraus wurde nichts. Das Finanzministerium teilte uns letzten Monat mit, seitens des Finanzministeriums werden zurzeit Möglichkeiten eines betreiberübergreifenden Sperrdatenaustausches sondiert. – Zurzeit, seit 2010! Schlanke zehn Jahre hat keiner der ÖVP-Finanzminister diesbezüglich etwas getan. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn wir Spielerschutz zu einer Priorität erheben wollen, dann müssen wir beim Fi­nanzministerium ansetzen, wie von Frau Meinl-Reisinger angesprochen, dass eine Trennung der Aufgaben, die sich jetzt teilweise widersprechen, vorgenommen wird: Spielerschutz, Steuererhebung, Wahrnehmung der Eigentümerrechte, Regulierungsbe­hörde, Aufsichtsbehörde, legistische Betreuung des Glücksspielgesetzes.

Daher soll die von uns im Antrag angepeilte Regierungsvorlage eine ordnungsgemäße Trennung der Aufgaben als Regulierungs- und Aufsichtsbehörde einerseits und der Wahrnehmung der Eigentümerinteressen andererseits vorsehen, und wir hoffen im


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Sinne eines effektiven Spielerschutzes sehr auf eine Mehrheit hier im Plenum. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte.


16.19.06

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Frau Kollegin Krisper hat sehr eindringlich und durchaus auch zu Recht – das ist ein sehr ernstes Thema – auf viele Gefahren hingewiesen, die mit Glücksspiel verbunden sein können, und auch der Antrag der NEOS beinhaltet eine ganze Reihe von Vorschlägen dazu.

Bei Frau Kollegin Meinl-Reisinger hat sich in ihrer Rede meine Vermutung bestätigt, dass es bei diesem Antrag doch eigentlich um etwas anderes geht, nämlich um das Transportieren des ganzen Themas rund um die Casinos Austria und die Vorwürfe, die politisch erhoben werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Frage steht schon im Raum, warum wir so einen schlechten Spielerschutz haben!) – Frau Kollegin Meinl-Reisinger, wenn wir bei diesem ernsten Thema darüber diskutieren wollen, was denn eigentlich Frau Glawischnig macht, dann ist das eine Verhöhnung dieses sehr, sehr ernsten The­mas. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das machen Sie gerade!)

Es gibt eine ganze Reihe von Konsumverhaltensweisen, die zu Verhaltenssüchten führen können. Glücksspiel ist eine davon, so wie Tabak und Alkohol und andere Dinge, die zu einer Sucht führen können, die im Einzelfall sogar existenzbedrohend sein kann, wobei wir aus Schilderungen wissen, dass das Glücksspiel in etlichen Fällen tatsächlich Existenzen zerstört hat.

Daher muss uns der Spielerschutz ein ganz ernstes Anliegen sein. Der Antrag verweist auch zu Recht auf die österreichische Suchtpräventionsstrategie aus dem Jahre 2015, deren gedruckte Version übrigens immer noch das Foto der leider allzu früh verstor­benen Bundesministerin Oberhauser trägt, die sich verdienstvollerweise dieses The­mas sehr engagiert angenommen hat.

Ich darf Ihnen sagen, ohne allzu viel zu verraten, dass auch in den stattfindenden Regierungsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen dieses Thema Glücks­spiel, Suchtprävention und Spielerschutz einen sehr wichtigen und prominenten Platz einnimmt.

Da geht es um mehrere Dinge. Es geht natürlich beim Spielerschutz um all diese Be­schränkungen und Limits, die notwendig sind, es geht um Überwachung und Selbst­kontrolle, es geht aber auch um Therapieangebote, wie auch in der Suchtpräventions­strategie festgehalten, und es geht selbstverständlich auch um die Frage: Wie schaut die künftige Behördenstruktur einerseits bezüglich Zuständigkeit der Aufsicht und an­dererseits bezüglich Gestaltung der Regulative aus?

Es ist vorhin schon darauf hingewiesen worden, auch vom Herrn Bundesminister, dass die Regelung des kleinen Glücksspiels in der aktuellen Form zwar in der grundsätzli­chen Gesetzgebung Bundesangelegenheit ist und das Glücksspielgesetz ein Bundes­gesetz ist, dass es aber genau in diesem Gesetz den Ländern übertragen ist, ob sie – und das natürlich nur auf Basis einer ländergesetzlichen Regelung – kleines Glücks­spiel a) überhaupt zulassen und b) in welcher Form sie es zulassen, wobei sie sich na­türlich an das Bundesgesetz zu halten haben, keine Frage.

Das heißt, ich glaube, dass wir gut daran täten, uns in den nächsten Wochen und Mo­naten sehr, sehr ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen, dass wir aber auch die Erfahrungen gerade derer, die dafür landesgesetzlich zuständig sind, nämlich der Län­der, hier miteinfließen lassen sollten. (Abg. Meinl-Reisinger: Bundesautomaten, online!)


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Das heißt auch, dass wir eine Trennung vornehmen sollten, denn auch Ihr Antrag spricht davon, dass sich die meisten Glücksspielbetreiber an die gesetzlichen Bestim­mungen halten und systematische Umgehungen in einer Studie, die dazu angefertigt wurde, nicht oder kaum feststellbar sind. Das heißt, wir müssen uns mit all diesen Fra­gen genauso auch dem illegalen Glücksspiel zuwenden, und hier gibt es natürlich ganz andere Rechtsnormen, bis hin zum Strafgesetz, die dazu aufgerufen sind, diesen Din­gen zu begegnen.

Ja, wir bekennen uns zum Anliegen dieses Antrages (Abg. Meinl-Reisinger: Dann stimmt zu!), nicht zu dem, was Sie in Ihrer Rede teilweise gesagt haben, sondern zum Anliegen dieses schriftlichen Antrages, auch zu den Anliegen, die Frau Krisper sehr ernsthaft, glaubhaft und mit viel Verve vorgetragen hat.

Wir denken, dass der Antrag einerseits sehr konkret, ohne Vorbehandlung und Vorge­spräche fast zu konkret ist, dass wir die Länder miteinbinden sollten, die ja hier im Voll­zug auch ganz konkret miteingebunden sind, und dass wir die Frage der Struktur der Behörden mit diesem Antrag überhaupt nicht erfasst haben, sodass wir diesem Antrag hier heute nicht zustimmen werden. Glauben Sie mir aber, Sie werden in nächster Zeit sehr ernsthafte Vorschläge von uns bekommen, wie wir dieser absolut gegebenen Pro­blematik ernsthaft und seriös begegnen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Krainer. – Bitte.


16.24.59

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Frauenhelpline gegen Ge­walt: 0800 222 555 www.gewaltschutzzentrum.at × Polizei: 133“ auf das Rednerpult und trägt – wie auch einige weitere Abgeordnete der SPÖ – einen Button mit der Aufschrift „Stopp der Gewalt“.) Zunächst wollte ich noch einmal, wie schon in der Früh, auf das Frauengewaltschutztelefon hinweisen: Unter 0800 222 555 wird Frauen geholfen, die von Gewalt betroffen sind, und das 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. An diese Nummer können sie sich wenden, da wird ihnen geholfen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Zum Thema des Dringlichen Antrages: Ja, es ist so, dass wir dem Antrag zustimmen, nicht weil wir mit allem einverstanden sind, sondern auch weil es sich um einen unver­bindlichen Entschließungsantrag handelt und wir die Intention dahinter teilen. Wir glau­ben, dass darin aber nur ein ganz kleiner Teil der Probleme angesprochen wird.

Unser Vorschlag wäre, diesbezüglich eine parlamentarische Enquete-Kommission ein­zusetzen, weil alle Parteien gesagt haben, dass ihnen das ein Anliegen ist. Ich kann jetzt auch kurz skizzieren, was meiner Meinung nach die Baustellen im Bereich des Glücksspielgesetzes sind.

Erstens, der Bereich des Spielerschutzes: Es gibt ja in diesem Antrag der NEOS eine Reihe von Punkten, in denen sie sagen, die Spieleinsätze, die Spieldauer am Tag und so weiter, das soll reglementiert sein. Das schützt aber nicht vor folgendem Problem: Sie können heute bei einem Betreiber des Glücksspiels reingehen, dort spielen, bei der Tür rausgehen und beim nächsten reingehen und weiterspielen. Das können Sie öfter machen. Dann können Sie heimgehen und im Internet gleich weiterspielen, ent­weder beim legalen Betreiber oder dann auch noch beim illegalen Betreiber. Das heißt, Spielerschutz muss betreiberunabhängig sein.

Wir haben ja damals, 2010, den Vorschlag eingebracht, eine sogenannte betreiberun­abhängige Spielerkarte zu machen, auf der auch die Limits gespeichert sind. Das heißt, egal ob ich Lotto spiele, ob ich ins Casino gehe, ob ich online spiele, ob ich an Automaten spiele, ich habe eine Karte, und wenn ich gewisse Limits überschreite, die


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ich selber mitbestimmen kann – das heißt, es geht nicht darum, dass wir jetzt den Men­schen vorschreiben wollen, was sie tun dürfen und was nicht –, sind derartige Sperren gültig, egal welches Glücksspiel ich spiele. Das heißt, wir müssen uns um die Frage des Spielerschutzes kümmern, weil er heute jedenfalls nicht so ist, wie wir alle hier, glaube ich, ihn als ausreichend sehen würden.

Das Zweite ist das Onlineglücksspiel. Dafür gibt es in Österreich eine Lizenz, das heißt einen legalen Betreiber. Tatsächlich ist es aber so, dass nur circa 30 Prozent der Spie­ler bei diesem legalen Betreiber spielen, 70 Prozent spielen hingegen bei illegalen On­lineanbietern. Es ist auch ein bisschen fad für den Gesetzgeber, wenn er ein Gesetz beschließt, das bestimmt: Ihr dürft nur dort spielen!, und 30 Prozent tun das und 70 Pro­zent tun etwas anderes.

Da gäbe es ja Möglichkeiten, das über IP-Blocking einzuschränken, das heißt, dass man über das Internet die anderen gar nicht erreicht. Da gibt es die Variante über die sogenannten Zahlungsdienste: Für alles, was man im Internet macht, braucht man ja eine Kreditkarte oder dergleichen. Da gibt es Wege, wie man diese Zahlungsdienste verhindert und damit verhindert, dass man dort überhaupt spielen kann.

Es gibt auch die Varianten, einfach mehr Lizenzen zu machen, nicht nur eine, sondern mehrere Lizenzen. Das ist etwas, das wir uns ansehen sollten. Dass wir hier ein Ge­setz beschlossen haben, das nur zu 30 Prozent gilt und zu 70 Prozent nicht, halte ich für eine Baustelle. Das ist eine Sache, bei der der Gesetzgeber aufgerufen ist, darüber nachzudenken, wie er nicht nur 30 Prozent reguliert, sondern 100 Prozent.

Die dritte Baustelle wurde angesprochen – Good Governance würde ich das nennen –: Es gibt einen, der das Geld, die Glücksspielabgabe, einnimmt. Derselbe vollzieht das Gesetz und ist die Aufsicht, macht auch Gesetzesvorschläge an das Hohe Haus, regelt indirekt auch die Beteiligungen des Bundes an Glücksspielunternehmen und ist auch noch für den Spielerschutz zuständig.

Als Beispiel: Die Stadt Wien hat diese Funktionen auf drei Stellen aufgeteilt. Da nimmt einer das Geld ein, einer ist für die Kontrolle und für das Gesetz zuständig und der Dritte für den Spielerschutz. Es ist vernünftig, wenn das getrennt ist. Da kann man sich an der Stadt Wien, wie in vielen anderen Fragen auch, ein Beispiel nehmen. Aber das ist jedenfalls etwas, das sich auch eine Enquete-Kommission anschauen sollte, näm­lich wie man diese verschiedenen Aufgaben des Bundes auf verschiedene Stellen auf­teilt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein viertes Beispiel für eine Baustelle ist das sogenannte kleine Glücksspiel. Es gibt ja zwei Arten des kleinen Glücksspiels: jenes, welches das Land betreibt, und jenes, wel­ches eine Bundeskonzession erfordert. Das eine heißt Landesausspielung oder kleines Glücksspiel, das andere heißt VLT, Video Lottery Terminal.

Für den Kunden ist überhaupt nicht ersichtlich, wo er jetzt gerade ist, aber das eine re­gelt das Land, das andere der Bund. Vorarlberg ist zum Beispiel ein Verbotsland, aber VLTs gibt es, ob das Land es will oder nicht. Es gibt gerade in Villach eine Diskussion, der Bürgermeister dort sagt, er will das an und für sich nicht, schon gar nicht neben dem Sozialamt, schon gar nicht in der Nähe von Schulen, aber der Bund genehmigt es trotzdem.

Wir haben das Problem auch in Wien. Wien ist ein Verbotsland wie Vorarlberg, aber VLT gibt es – Gott sei Dank nur eines: Böhmischer Prater. (Abg. Meinl-Reisinger: Drei Standorte ...!)  Ja genau, das ist die Situation, die wir haben.

Ist das etwas, was wir wollen? Nein, das ist ja in Wahrheit auch vollkommen unge­regelt. Entweder das kleine Glücksspiel ist erlaubt oder nicht. Es gibt da aber eine Bau­stelle, die das zulässt.


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Und was die Einsätze betrifft – der Antrag kümmert sich um die Einsätze, also um ei­nen kleinen Teil dieser Baustellen –: Sind die Einsätze klein? – Für ein Spiel vielleicht schon, aber dafür, was in der Stunde, in der Woche, im Monat verloren werden kann, sind sie jedenfalls jenseits von klein.

Unser Vorschlag ist daher: Alle Parteien setzen sich zusammen und wir setzen eine Enquete-Kommission ein – wir werden in den nächsten Tagen dazu einen schriftlichen Vorschlag übermitteln –, in der diese Baustellen behandelt werden. Ich glaube ehrlich gesagt, dass das eine Sache ist, die uns alle angeht und nicht nur die Parteien, die ge­rade zufällig eine Koalition verhandeln. Da sollten alle Parteien eingebunden sein. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Dann gibt es ein aktuelles Thema, das indirekt auch den Spielerschutz betrifft, nämlich die Frage betreffend Casinos Austria, dass die Novomatic ihre Anteile an einen tsche­chischen Miteigentümer verkaufen will. Dabei halten wir es aus zwei Gründen für ganz wichtig, dass der Bund, die Öbag, die Anteile aufstockt. Erstens verhindert man da­durch eine absolute Mehrheit des tschechischen Glücksspielkonzerns an den Casinos Austria und erreicht damit, dass der Bund beim Kauf der Novomatic-Anteile aus einem wirtschaftlichen Grund mitzieht.

Im Moment kann der Bund mehr oder weniger um null Zinsen Geld aufnehmen. Das heißt, jede Dividende, die hereinkommt, ist für den Bund ein Geschäft. Insofern sollte man das allein aus wirtschaftlichen Gründen machen – aber vor allem auch aus Spie­lerschutzgründen. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Natürlich gibt es für den Eigentümer, also ein Glücksspielunternehmen, immer die Ab­wägung: Ist mir Spielerschutz wichtig oder sind mir meine eigenen Einnahmen wichtig? Das ist natürlich ein Widerspruch. Je mehr Spielerschutz man betreibt, je mehr Spieler man zum Beispiel sperrt, desto geringer sind die Einnahmen.

Ganz ehrlich, ich traue der öffentlichen Hand als Eigentümer eher als einem Privaten zu, dass der Spielerschutz und nicht die persönlichen Einnahmen des Unternehmens in den Vordergrund gestellt werden (Abg. Meinl-Reisinger: Haben wir ja gesehen, dass es nicht so ist! Ganz im Gegenteil!), deswegen bringe ich hiermit einen Entschlie­ßungsantrag betreffend „Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufsrechts“ ein.

Die öffentliche Hand soll jedenfalls darauf schauen, dass sie verhindert, dass ein rein privater Glücksspielkonzern alleine das Sagen bei den Casinos Austria hat – aus wirt­schaftlichen Gründen und aus Spielerschutzgründen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann habe ich noch einen Punkt, da Sie, Herr Finanzminister, gerade hier sind: Erklä­ren Sie mir bitte, was Herr Schmid eigentlich noch in der Öbag macht! Herr Schmid ist jetzt Alleinvorstand der Öbag und damit derjenige, der die wesentlichen Industriebeteili­gungen des Bundes verwaltet – von der OMV über den Verbund und so weiter bis hin zur Casinos Austria AG. Das ist jener, der geheime Unterlagen, die das Glücksspiel und die Vergabe von Lizenzen betreffen, fotografiert. Früher war er die rechte Hand Ihres Vorgängers, er war ja quasi Ihr Vorgesetzter; ich weiß, dass Sie da persönlich in einer schwierigen Situation sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, Sie haben nur noch 20 Se­kunden. Verlesen Sie bitte den Antrag!


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Herr Präsident, ich habe ihn an und für sich inhaltlich erläutert. Ich glaube, ich muss ihn nicht verlesen; aber ich kann das ger­ne tun:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufsrechts“

„Die Bundesregierung wird aufgefordert eine Mehrheitsbeteiligung der tschechischen Sazka-Gruppe an den österreichischen Casinos – unter anderem durch Nutzung des Vorkaufsrechts durch die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) und damit einer entsprechenden Aufstockung der Anteile an der Casinos Austria AG – zu unterbinden.“

*****

Ich hoffe, Herr Präsident, dass Sie jetzt in fachlicher Hinsicht zufrieden sind.

Ich komme aber noch einmal zurück auf das vorige Thema: Was macht Herr Schmid noch in der Öbag?

Es ist klar, er hat als Beamter Geheimunterlagen fotografiert und diese an die Novo­matic geschickt. – Das geht nicht! Das ist ein Vorgang, der nicht geht! – Der ist für die Casinos zuständig, der gehört dort weg! Bitte tun Sie etwas! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Genossinnen und Genossen betreffend „Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufsrechts“

eingebracht im Zuge der Debatte zum dringlichen Antrag der Abgeordneten Mag. Bea­te Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung notwendi­ger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel“ in der 6. Sitzung des Nationalrates am 11. Dezember 2019

Begründung

Am 10.12.2019 wurde durch Medienberichte bekannt, dass die Novomatic AG ihre An­teile von rund 17,2% an der Casinos Austria AG (CASAG) an die tschechische Sazka-Gruppe verkaufen möchte.

Der Bund hält über die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) derzeit rund 33,2% an der CASAG, die Sazka-Gruppe hält 38,3%. Die anderen Aktionäre verfügen allerdings über ein anteiliges Vorkaufsrecht. Würde die Republik von diesem Vorkaufsrecht nicht Gebrauch machen, würde die Sazka-Gruppe in Zukunft mehr als 50% an der CASAG halten. Das Unternehmen wäre damit mehrheitlich in der Hand der tschechischen Saz­ka-Gruppe.

Es gibt viele Gründe, die für die Nutzung des Vorkaufsrechts durch die ÖBAG spre­chen.

1)          Die Republik verschuldet sich zurzeit de-facto zum Nullzinssatz. Eine Aufsto­ckung der CASAG Anteile durch Nutzung des Vorkaufsrechts hätte durch höhe­re Dividenden einen positiven Einfluss auf den österreichischen Staatshaushalt.

2)          Eine Mehrheitsbeteiligung eines ausländischen Glückspielkonzerns an den ös­terreichischen Casinos möglichst hintanzuhalten, hat auch wichtige ordnungs-


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politische Gründe. Die Unternehmenspolitik der CASAG kann nämlich nicht bis ins kleinste Detail durch gesetzliche Rahmenbedingungen und Bestimmungen – beispielsweise im Bereich des Spielerschutzes – geregelt werden. Der Staat agiert als Eigentümer im Bereich des Spielerschutzes sicherlich anders als ein privates Unternehmen. Diesen Umstand hat auch Bettina Glatz-Kremsner jüngst in einem Kurier Interview hervorgestrichen. Darin sagt sie „Gerade in ei­nem derart sensiblen Bereich wie dem Glücksspiel ist eine staatliche Beteili­gung gut und wichtig“. Auch bei neuen Projekten sei eine staatliche Beteiligung hilfreich. Und weiter: „Es gehe nicht um den „maximalen Ertrag, sondern um den bestmöglichen Ertrag unter strengen ordnungspolitischen Rahmenbedin­gungen“.1

Sowohl aus ordnungs- als auch finanzpolitischen Erwägungen, sollte die Republik eine Mehrheitsbeteiligung eines ausländischen Glückspielkonzernes an den österreichi­schen Casinos möglichst hintanhalten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert eine Mehrheitsbeteiligung der tschechischen Sazka-Gruppe an den österreichischen Casinos – unter anderem durch Nutzung des Vorkaufrechts durch die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) und damit einer ent­sprechenden Aufstockung der Anteile an der Casinos Austria AG - zu unterbinden.“

1 https://kurier.at/wirtschaft/wie-die-casinos-chefin-gas-gibt/400667732

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ausreichend begründet und steht daher mit in Ver­handlung. – Darum bin ich für eine GOG-Reform: damit wir diese bürokratischen Hin­dernisse beseitigen können.

Ich darf eine Gruppe aus Kärnten, die Gäste von Abgeordnetem Obernosterer, recht herz­lich begrüßen. – Herzlich willkommen hier! (Allgemeiner Beifall.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


16.36.20

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kurz zum Antrag des Kollegen Krai­ner hinsichtlich der Aufstockung der Casag-Anteile durch die Öbag: Auch die freiheitli­che Fraktion wird sich diesem Antrag anschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein sehr wichtiger Aspekt beim Spielerschutz wurde im NEOS-Antrag vergessen, und zwar die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels. Die Bekämpfung des illegalen Glücks­spiels ist eine der effizientesten Maßnahmen, um Spielerschutz sicherzustellen. Dafür braucht es auch entsprechend effiziente gesetzliche Werkzeuge. Die derzeit vorhande­nen gesetzlichen Werkzeuge sind dafür völlig unzulänglich.

Die illegalen Glücksspielbetreiber spielen mit den Behörden, insbesondere mit der Fi­nanzpolizei, Katz und Maus. Ich selbst habe als Staatssekretär im BMF entsprechende Maßnahmen zur Vollzugsstärkung ausgearbeitet, die jedoch aufgrund des Auseinan­derbrechens der Koalition letzten Endes nicht mehr umgesetzt werden konnten. Diese


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Maßnahmen zur Vollzugsstärkung liegen aber im BMF in der entsprechenden Abtei­lung auf. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Wir werden diese unter Umständen auch einmal im Rahmen eines Initiativantrages einbringen.

Mit diesen verfahrensrechtlichen Maßnahmen wären die Behörden in der Lage gewe­sen, illegale Glücksspielautomaten und illegale Glücksspieleinrichtungen sofort zu schlie­ßen beziehungsweise zu beschlagnahmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Laut Begründung dieses NEO-Antrages (Abg. Schellhorn: NEOS!) laufen beim Fi­nanzminister die verschiedensten Fäden zusammen, welche nicht zusammengehören. NEOS hat da offenbar die aktuellsten Entwicklungen verschlafen.

Ich selbst habe mit Kollegen Hanger am 3. Juli dieses Jahres einen Initiativantrag, nämlich den Entwurf für das Finanz-Organisationsreformgesetz, eingebracht. Der Herr Finanzminister hat es schon kurz angesprochen. Im Rahmen dieser Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung wurde auch das Glücksspielgesetz per 1.7.2020 novel­liert. Es handelt sich im Wesentlichen um die Übertragung von Behördenzuständigkei­ten vom Bundesminister für Finanzen zum Finanzamt Österreich. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Mit dieser Neuregelung soll eine Verlagerung und Bündelung der ordnungspolitischen Glücksspielaufsicht des Bundes bei einer Behörde, nämlich beim Finanzamt Österreich, erfolgen.

Neben den abgabenrechtlichen Ermittlungs- und Vollzugsaufgaben im Bereich der glücks­spielspezifischen Abgaben führte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, das nunmehr im Finanzamt Österreich aufgeht, bereits wesentliche ord­nungspolitische und abgabenrechtliche Prüfungen der Bundeskonzessionäre und Be­willigungsinhaber der Länder durch. Bei diesen Prüfungshandlungen wird insbeson­dere die Einhaltung glücksspiel- und konzessionsrechtlicher Vorgaben sowie auch dem Spielerschutz zuzurechnender Auflagen geprüft.

Herr Krainer (in Richtung des mit Bundesminister Müller sprechenden Abgeordneten), es wäre nicht schlecht, wenn Sie Platz nehmen und nicht Pausengespräche führen würden, das gebietet die Höflichkeit. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kogler: Das wäre dann ja eine Pausenrede!) – Durch die Zusammenlegung beziehungsweise Übertra­gung der beim BMF angesiedelten operativen Aufsichts- und Vollzugsmaßnahmen zum Finanzamt Österreich sollen Synergien aus ordnungs- und abgabenpolitischen Tätigkeiten genützt werden. In der Struktur des Finanzamts Österreich sollen juristi­sche und betriebswirtschaftliche Kompetenz und langjährige Erfahrung im Umgang mit Spannungsfeldern und sensiblen Themen wie Glücksspiel und Spielerschutz im Fi­nanzressort auf einer Ebene operativ gebündelt werden.

Die bereits im Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel bestehende ordnungspolitische Aufsicht über die Bundeskonzessionäre wurde durch dieses Gesetz erweitert, indem aufsichtsrechtliche Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren betref­fend die Konzessionäre auf das Finanzamt Österreich übergehen werden. Die Bünde­lung der ordnungspolitischen Glücksspielaufsicht und der Verfahrensführung außerhalb der Zentralstelle entspricht jenen in anderen Bereichen der Bundesfinanzverwaltung. Und das BMF kann sich damit in einem sich technologisch zunehmend verändernden und globalisierten Glücksspielmarkt intensiver auf Kernaufgaben und Rahmenbedin­gungen dieses Wirtschaftsbereichs konzentrieren.

Abschließend darf ich der Spielerschutzstelle im Finanzministerium bei dieser Gele­genheit für ihre engagierte und wichtige Tätigkeit recht herzlich Dank sagen, aber auch unserer Finanzpolizei und deren Leiter Wilfried Lehner möchte ich bei dieser Gelegen­heit Dank und Anerkennung aussprechen. Sie erfüllen einen Drecksjob, der nicht im­mer leicht ist. (Beifall des Abg. Krainer. – Abg. Kogler: Stimmt!)


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Wir werden diesen Antrag aber dennoch ablehnen, da er dem Wunschzettel der ille­galen Glücksspielbranche an das Christkind entspricht. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte! Das ist nahezu diffamierend, was Sie da sa­gen!)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kogler. – Bitte.


16.42.42

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Ein paar Aspekte, zuerst zum Hauptanliegen, zum Spielerschutz, dann zur Frage­stellung hinsichtlich dessen, was eigentlich schon immer ein Problem bei Casinoaktivi­täten, bei Glücksspiel im Allgemeinen, bei der Entwicklung von Novomatic ist und wes­wegen sich hier heute auch ein Verlangen zu einem Untersuchungsausschuss findet, und wie wir das qualifizieren – in aller Kürze, aber es wurde ja schon als Thema an die­ser Stelle zugelassen –, und zum Dritten zu einem Entschließungsantrag der sozialde­mokratischen Fraktion, von dem wir soeben erfahren haben:

Beim Spielerschutz kann man ja nur dem zustimmen, was die Begründerin, Abgeord­nete Meinl-Reisinger, gesagt hat. Es geht ja nicht nur um die 100 000 Menschen, die betroffen sind, sondern auch um deren Familien. Da tun sich Abgründe auf, und es ist wirklich nicht einzusehen, dass da so lange Zeit nichts mehr weitergegangen ist. Ich bin ja nicht im Detail informiert, aber wenn man dann schaut, wie sich Novomatic noch zwischendurch verhält: Man zeigt jenen, die versuchen, auf dem Rechtsweg vielleicht für viele zukünftig Betroffene voranzuschreiten – wenn es um Zehntausende und Hun­derttausende geht –, die lange Nase und es wird zurückerpresst.

Ich darf Ihnen auch aus anderen Zusammenhängen mitteilen, dass ich weiß, wozu No­vomatic imstande ist. Die haben es aus meiner Sicht ganz schön faustdick hinter den Ohren. Das bezieht sich auf die Geschichte mindestens seit Beginn der 2000er-Jahre, jedenfalls von 2006 aufwärts, aber dazu werde ich vielleicht nachher noch etwas sa­gen, wenn wir uns über den Untersuchungsgegenstand eines tatsächlichen oder mögli­chen Untersuchungsausschusses unterhalten – weil ich mir gar nicht so sicher bin, dass der Untersuchungsgegenstand in dieser Form angenommen wird, wenn denn ir­gendeine Fraktion versuchen würde, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen, nur um die Spannung zu steigern.

Jetzt aber zum Spielerschutz: Ja, da werden Existenzen vernichtet, und das braucht eine andere Aufmerksamkeit. Ich kann aus der Begründung des Antrages der NEOS noch einmal die fünf Fäden herausziehen – wenn Sie so wollen –, die alle im Finanzmi­nisterium zusammenlaufen, und es erschließt sich fast von alleine, dass eine Entflech­tung aus diesem Strickmuster heraus sinnvoll und notwendig ist.

In der sehr guten Begründung dieses Dringlichen Antrages werden zutreffend folgende fünf Fäden identifiziert: Im Ministerium laufen die Aufgaben des Spielerschutzes, die fiskalischen Interessen, die ja wahrzunehmen sind, aber ebenso die Eigentümerrech­te – das ist jetzt schon das Dritte – zusammen, dort befindet sich die Regulierungs­behörde, und dann gibt es auch noch ein eigenes Aufsichtsanliegen. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesminister mit dieser Begründung überall im Detail übereinstimmt, aber ich nehme es jetzt einmal so, denn mir scheint, dass das hier relativ gut vorbereitet ist.

Ob man dem Antrag im Einzelnen und im Detail so zustimmen müsste: Ehrlich gesagt, wenn ich da einen Dringlichen Antrag bekomme, bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob genau 30 Cent, 20 Cent oder 40 Cent der minimale Einsatz sein sollen, aber sei’s drum. (Abg. Krainer: Maximal!) Sei’s drum, das geht sicher in die richtige Rich­tung. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, maximal!) Es ist meines Erachtens sehr, sehr detail-


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liert. Das könnte man jetzt bezüglich des Abstimmungsverhaltens so oder so sehen, aber wir werden uns dem anschließen, da Begründung und Intention klar erkennbar sind. Im Prinzip müsste man sich aber, wenn man da wirklich alle Fraktionen mitneh­men möchte, vorher einen Kopf machen, denn ehrlich gesagt wüsste ich jetzt nicht, ob es - - (Abg. Meinl-Reisinger: Der Antrag ist ja nicht neu, ihr wart halt nicht da!) – Ja, ich weiß schon, wir orientieren uns teilweise an den bundesdeutschen Vorgaben, in­sofern wissen wir eh, dass es in diese Richtung geht – und das soll gut sein.

Jetzt zur Rolle von verschiedenen Playern bei dem, was sich ja ganz offenkundig zu ei­ner Affäre ausgewachsen hat: Es geht eben in Wahrheit um die Casinos selbst, um die Novomatic – wie weit man die tschechischen Eigentümer hereinziehen muss, ist eine andere Frage, das habe ich gar nicht so genau mitbekommen. Ich habe mich ja in mei­ner parlamentarischen Vorkarriere, die, wie Sie wissen, kurz unterbrochen wurde, nicht hauptsächlich mit dieser Thematik beschäftigt, aber eines weiß ich noch ganz genau, nämlich wie Novomatic, wie andere Player aus diesem Bereich immer wieder in Ver­dacht geraten sind oder zum Teil offenkundig in Vorwürfe involviert waren, die da wa­ren: Gesetzeskauf, Bestechung, und halt Bestechlichkeit auf der anderen Seite, also das ganze Sammelsurium von einer satten, sich auswachsenden und nicht aufhören wollenden Korruption. Ich würde das einmal so beschreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Da es das kleine Glücksspiel betroffen hat, aber auch andere Lizenzen, die damit ver­woben sind – ich glaube, das wurde von Klubobfrau Meinl-Reisinger sehr gut erklärt –: Es ist ja auch so, dass das den Grünen immer wieder ein Anliegen war. Da darf ich auf die Landtage verweisen, auf den Wiener Landtag und auf den Niederösterreichischen Landtag. Da gibt es jeweils Klubobleute der Grünen, einmal David Ellensohn und ein­mal Helga Krismer, Zweitere in Niederösterreich, die sich immer wieder bemühen und anlegen und kämpfen und die ihrerseits aufgrund ihres Engagements Bedrohungen aus der Glücksspielbranche ausgesetzt sind. Helga Krismer ist erst vor gar nicht so langer Zeit von Novomatic geklagt worden, weil sie es sich herausgenommen hat, da­hinterzuschauen und zu beleuchten, was die sich alles herausnehmen. Sie wurde dafür geklagt.

Also das ist eine interessante Diskursverschiebung in der Republik, wenn Klubob­frauen in einem Landtag dafür geklagt werden, dass sie ein paar kritische Fragen stel­len, etwa wie es mit Lehrgängen – ich denke, das war der Anlassfall – auf der Donau-Uni Krems zugeht. Vielleicht war das ja auch etwas Gutes, ich weiß es nicht – ich habe ja gesagt, ich kenne mich nicht mehr so gut aus.

Eines weiß ich jedoch: dass – aus meiner Sicht – solch eine Firma und solch ein Ei­gentümer wegen einer mittelmäßig kritischen Debatte und Herangehensweise nicht da­zu übergehen sollten, Abgeordnete zu klagen – dort, wo es geht, im Zivilrechtsweg ‑, und das vor dem Hintergrund, dass die in einer Firma hocken, die ihrerseits ja einmal zu 100 Prozent öffentliches Eigentum war.

Das führt mich jetzt zu dem Untersuchungsgegenstand, um den es in Zukunft geht: Wie ist Novomatic da überhaupt hineingekommen und unter welchen Bedingungen? (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr könnt ja einen eigenen Glücksspiel-Untersuchungsaus­schuss starten!) Die Frage interessiert mich schon. (Beifall bei den Grünen.)

Oder: Wie ist das, wenn wir jetzt schon das sogenannte Ibiza- - – das klingt immer so nett, ich weiß gar nicht, was ich mir da einfallen lassen soll –, na sagen wir halt Ibiza­video – wir haben heute ohnehin schon festgestellt, dass es sich offensichtlich um eine politische Vulkaninsel handelt –, ansprechen, wenn dort das Zitat fällt: Novomatic zahlt alle!? Ich weiß nicht: Hat Herr Strache das in die Zukunft verlegt? Wenn jemand sagt: Novomatic zahlt alle!, meint er in der Regel die Gegenwart und möglicherweise Erfah­rungen aus der Vergangenheit. Das ist doch eindeutig!


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Wenn das jetzt das Thema sein soll, dann wird man zumindest, und mehr hätte ich nicht verlangt in der öffentlichen Debatte, die ja kurz aufgeflackert ist - - (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Aber keine Aufregung, denn wir vertragen uns an sich schon; wir wol­len auch, dass da alles Mögliche aufgeklärt wird. Wir hätten halt diesen eine Spur an­deren und zusätzlichen Zugang – damit das jetzt nicht missverstanden wird, um Gottes willen! Aber dennoch – und genau darum geht es –: Es wäre sinnvoll, das in einem Un­tersuchungszeitraum bis 2012 zurückzuverfolgen. Warum das? (Abg. Meinl-Reisin­ger: Na wenn, früher!) – Weil bis dorthin ja ein Untersuchungsausschuss das schon behandelt und untersucht hat. Das war ja nicht ohne, wir wissen ja, wovon wir reden. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist dann ein anderer Ausschuss!)

Aber: Novomatic zahlt alle! Novomatic zahlt alle! – Ja, her mit den Geschichten! (Beifall bei den Grünen.)

Im Übrigen: Novomatic inseriert die halbe Republik nieder – für den Fall, dass es je­mandem aufgefallen ist.

Als eine Vorgängerin von mir dort angeheuert hat – das können wir uns halt immer an­hören, ich sehe das ja an sich ganz entspannt –, sind wir ja ständig gefragt worden, aber: Was habe ich festgestellt? – Vom ORF bis zur Presse und so weiter: Ich weiß nicht, mit wem Novomatic keine Kooperation in dieser Republik hat. Ich weiß auch nicht, was Strache gemeint hat. Vielleicht weiß er ja mehr. Um das zu ergründen, wird man vermutlich den Untersuchungszeitraum ausweiten müssen, nur in diesem Strang, nämlich Casino/Novomatic und was da alles dranhängt – und in meiner Diktion immer noch: Verdacht auf Gesetzeskauf, Bestechung und klassische Korruption. Da rede ich noch gar nicht von Sidlo; das hat sich gelöst, aber da wird ja auch nachgeschaut wer­den, das werden ja diejenigen, die das Verlangen auf Einsetzung eines Untersu­chungsausschusses gestellt haben, wohl so machen. Das ist ein eigener Punkt.

Ich darf im Schlusssatz begründen, warum wir dem Antrag der Sozialdemokraten hin­sichtlich seiner Intention nicht zustimmen – oder noch nicht zustimmen –: weil es mir zu sehr aus der Hüfte geschossen vorkommt, wenn wir uns jetzt auf der Stelle festle­gen, die Vorkaufsrechte zu ziehen, denn da muss man wissen, unter welchen Bedin­gungen das stattzufinden hat, sodass zum Schluss nicht übrig bleibt, dass Novomatic wieder zu viel Geld kassiert hat, in diesem Fall dann vom Staat. (Beifall bei den Grü­nen.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter - - (Zwi­schenrufe von der Galerie.) – Es ist nicht gestattet, von der Galerie aus die Sitzung zu stören. Ich bitte Sie, den Raum zu verlassen! (Anhaltende Zwischenrufe von der Gale­rie.) – Ich bitte Sie, die Kundgebung einzustellen und den Raum zu verlassen! (Besu­cherInnen werden von MitarbeiterInnen des Ordnungsdienstes von der Galerie geleitet.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.54.49

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich es richtig verstanden habe, waren diese Gäste jetzt nicht wegen des Glücksspiels hier; über dieses diskutieren wir aber gerade.

Wir haben immer, wenn wir über Glücksspiel reden, mehrere Themen auf dem Tisch: das eine sind die Konzessionen, die die Republik an Unternehmen vergibt, das andere sind die hohen Steuern auf Glücksspiel. Ein weiterer Punkt sind die Einnahmen der Republik aus der Eigentümerschaft an einem Glücksspielunternehmen. Die Hand auf diesen Einnahmen hat das Finanzministerium, und zu Recht natürlich hat das Finanz­ministerium Interesse an hohen Einnahmen. Es geht bei diesem Themenkreis natürlich


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auch um Posten. Wenn es ein Staatsbetrieb ist, dann geht es immer darum, wer dort eine wichtige Position einnehmen darf, möglicherweise eine gut dotierte, garniert mit einem schönen Pensionsvertrag.

Es geht bei diesen vielen Themenkreisen hinsichtlich Glücksspiel aber auch um das Thema Gesundheit, Suchterkrankung, Spielsucht. Spielsucht ist eine problematische Krankheit, die man ohne professionelle Hilfe normalerweise nicht bewältigen kann.

Gleichzeitig ist das Finanzministerium die Heimat der Spielerschutzstelle. Es liegt auf der Hand, dass ein rigide umgesetzter Spielerschutz die Einnahmen eher dämpft. Da­her gibt es einen Interessenwiderspruch, einen Zielkonflikt, nämlich auf der einen Seite mehr Einnahmen zu erzielen und auf der anderen Seite die Spieler optimal zu schüt­zen. Diese Konstruktion ist nicht optimal.

Die Bedeutung des Spielerschutzes ist eine hohe, aber sie darf natürlich nicht dazu verleiten, die Bestimmungen so stark anzuschrauben, dass legales Glücksspiel de fac­to unterbunden und das Glücksspiel in den illegalen Bereich gedrängt wird. Wie der Fi­nanzminister bereits richtigerweise ausgeführt hat, kann man im illegalen Bereich kei­nen wirksamen Spielerschutz durchführen, daher muss man kluge Bestimmungen schaffen, die dann dem Spielerschutz optimal dienen.

Ich bin daher der Meinung, dass dieses Thema aus dem Finanzministerium herausge­löst gehört. Das Gesundheitsministerium bietet sich dafür viel besser an. Die Gesund­heit Österreich GmbH, also die GÖG, beschäftigt sich regelmäßig und auf hohem wis­senschaftlichem Niveau mit Suchterkrankungen. 2020 wird es auch wieder eine große repräsentative Erhebung zum Suchtverhalten der Österreicher geben, und diesmal erstmals nicht nur zum Thema Drogen, Alkohol und Tabak, sondern auch zum Thema Glücksspiel, Glücksspielverhalten. Wie bereits erwähnt wurde, hat die GÖG schon ein­mal im Auftrag des Finanzministeriums die letzte Glücksspielnovelle 2010 evaluiert. Es gibt also das Fachwissen in einer Behörde, die zum Gesundheitsministerium gehört. Die fachliche Kompetenz ist dort vorhanden, und die Aufgaben wären dann sauber verteilt, wenn das Finanzministerium die Einnahmenseite und das Gesundheitsministe­rium die Spielerschutzseite abdeckt. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn den zukünftig vermutlich regierenden Schwarzen und Türkisen und Grünen der Spielerschutz ein ehrliches Anliegen ist, dann nehmen sie diesen Vorschlag in ihre Gespräche auf. Ein bisschen stutzig hat mich gemacht, dass Kollege Kopf gesagt hat, er wolle die Länder einbinden. Wenn ich ein Projekt zu Fall bringen will, dann binde ich die Länder möglichst viel ein (Ruf bei der ÖVP: Wegen der Kompetenzen!), denn dann zerreden wir alles die nächsten 15 Jahre lang und es kommt nichts heraus. Wenn Sie etwas erreichen wollen, dann machen wir es einfach! (Beifall bei den NEOS.)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Han­ger. – Bitte.


16.58.47

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte gleich zu Beginn auf den Antrag der SPÖ replizieren: Wir verstehen natürlich die dahinterstehende Intention, und es liegt ja auf der Hand, dass man Vorkaufsrechte, wenn sie im Syndikatsvertrag definiert sind, natürlich auch entsprechend geltend macht – gar keine Frage! Die Fra­ge, die jedoch schon sehr berechtigt ist, lautet: Ist eine Entschließung des Nationalra­tes das richtige Instrument dazu? Wenn man quasi als Dritter jemanden auffordert, zu kontrahieren, etwas abzuschließen, dann wird das den Preis in die Höhe treiben, und das kann es, glaube ich, nicht sein.


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Es geht darum, ernsthaft zu verhandeln und alle Optionen abzuwägen. Ganz klar ist auch, dass es im Bereich Glücksspiel eine starke Rolle des Staates braucht. Wir haben Möglichkeiten in der Lizenzvergabe, in der Gestaltung der Lizenzen: Wie gestalten wir die Lizenzen? Wir haben natürlich Möglichkeiten in der Steuerpolitik: Wie besteuern wir Gewinne aus dem Glücksspiel? Und natürlich ist auch der Spielerschutz ein ganz wich­tiges Thema. Das heißt, auch wir, die ÖVP, bekennen uns sehr klar zu einer starken Rolle des Staates gerade in diesem Themenbereich.

Zur Dringlichen der NEOS: Für mich persönlich war das sehr spannend, weil ich mich mit diesem Thema erst vor wenigen Stunden einmal intensiv auseinandergesetzt habe. Frau Kollegin Meinl-Reisinger, Sie haben vollkommen recht: Es ist ein großes Thema, gar keine Frage. Man muss das Suchtthema gesamthaft sehen. Es geht ja nicht nur um Spielsucht, sondern es geht auch um andere Suchtfaktoren in Österreich. Wenn man den Studien, die es gibt, Glauben schenken darf, dann sind das tatsächlich große Zahlen. Beim Glücksspiel spricht man in etwa von 1 Prozent der Bevölkerung, das mit diesem Thema konfrontiert ist. Das sind eben zwischen 80 000 und 100 000 Öster­reicherinnen und Österreicher, und das sind beachtliche Zahlen. Man hat sich diesem Thema mit einer großen Ernsthaftigkeit zu widmen, gar keine Frage.

Persönlich sehe ich es so, dass das alles auch im Spannungsfeld zwischen Eigenver­antwortung und persönlicher Freiheit einerseits und Verboten andererseits zu diskutie­ren ist. Frau Kollegin Meinl-Reisinger hat es selber angesprochen: Hilft ein Verbot überhaupt etwas? (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) – Dann müssen wahrscheinlich alle in die Illegalität oder der Markt dort ist noch schwerer kontrollierbar als aktuell. (Zwi­schenruf des Abg. Wurm.) Das halte ich auch für eine sehr, sehr spannende Frage, die entsprechend zu diskutieren ist.

Die große Frage ist natürlich: Ist der derzeitige Spielerschutz, den es ja auch gibt – es ist ja nicht so, dass es keinen Spielerschutz gibt, und der Herr Bundesminister hat das ausführlich ausgeführt –, ausreichend oder nicht? – Ganz ehrlich, auch nach Studium meiner Literatur: Das in 3 Stunden beurteilen zu können, das ist etwas, das durchaus die Situation schafft, dass ich dem nicht Folge leisten kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Da hatten wir schon mal einen Antrag! Da erwarte ich mir schon ...!)

Resümierend kann man, glaube ich, festhalten, dass Vorschläge der NEOS auf dem Tisch liegen, die durchaus unterstützenswert sind. Es gibt Vorschläge, die diskussions­würdig sind, es gibt aber auch Vorschläge, bei denen wir eine ganz andere Sichtweise haben. Es gibt noch eine Reihe von anderen Vorschlägen, die man natürlich auch zum Thema Spielerschutz aufs Tapet bringen will.

Ich will auch auf die Regierungsverhandlungen verweisen, da ist das ein wichtiges Thema. Ich bin überzeugt, dass da gute Vorschläge auf den Tisch kommen. Das ist der Grund, warum wir den vorliegenden Entschließungsantrag ablehnen werden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.


17.01.57

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! SpielerIn­nenschutz ist ein wirklich ernstes Thema, und das Suchtverhalten wird heutzutage nicht mehr nur im Casino an Automaten gefördert und ausgelöst, sondern auch schon auf der Couch, bei der Fahrt mit der U-Bahn, quasi überall. Warum? – Weil es Loot­boxen gibt, die beispielsweise in Apps auf Handys auszulösen sind. Ich denke da an „Coin Master“, „Fortnite“ und „Clash of Clans“.


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Auch in Österreich ist dieses Thema aktueller denn je, denn bis vor Kurzem hatten wir einen Kollegen in unserer Mitte, der davon sehr stark betroffen war und diese App- und Handygame-Rechnungen via Parteikreditkarte abgerechnet hat. Die Freiheitliche Partei kann vermutlich ein Klagelied davon singen, wie sehr dieses Suchtpotenzial ins Geld gehen kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Schon in der letzten Gesetzgebungsperiode war uns dieses Thema ein sehr wichtiges Anliegen, weshalb wir auch einen Antrag eingebracht haben. Bei dessen Zuweisung an den Finanzausschuss hat es ein wirklich breites Commitment gegeben, dass es da ei­ne rasche Klärung und einfach ein Setzen von Taten braucht. Für die SPÖ bringe ich deswegen auch diesen Antrag aktualisiert erneut zur Behandlung im Finanzausschuss ein, weil wir wirklich Lösungen für dieses Problem der Lootboxen brauchen.

Ich habe es schon vor einem Jahr erklärt, aber ich bin mir sicher, dass es einige ver­gessen haben: Was sind Lootboxen eigentlich? – Es sind sogenannte Beutekisten, weitverbreitete Spielmechanismen in Computerspielen und Apps, ursprünglich dazu gemacht, SpielerInnen mit kleinen kosmetischen Gegenständen zu belohnen. In den letzten Jahren hat sich das aber ziemlich zum versteckten Glücksspiel weiterentwickelt, das ganz speziell vor allem auch an Jugendliche und Kinder gerichtet ist.

Lootboxen können käuflich erworben werden, und das Öffnen ist meistens von akus­tischen und visuellen Effekten begleitet, wie man es eben aus dem Casino kennt, von einem einarmigen Banditen zum Beispiel. Das löst bei Spielerinnen und Spielern eben exakt dieselben psychologischen Effekte aus, die das Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren und anregen, und gerade das macht es eben so verheerend.

Die Mischung aus Glücksspiel und Gaming ist aufgrund des hohen Suchtpotenzials und der oft nicht genügend gekennzeichneten Kosten speziell für Kinder und Jugendli­che gefährlich und kann zur Kostenfalle werden. Aus diesem Grund haben mehrere Länder diesbezüglich schon Regelungen gefunden. Vorreiter innerhalb der EU ist bei­spielsweise Belgien, dessen Glücksspielbehörde sogar sagt, dass es wirklich ein Ver­bot von Lootboxen braucht.

Auch Österreich muss sich endlich stärker mit diesem Thema auseinandersetzen, be­schäftigen und präventive aufklärende Angebote schaffen, aber wir müssen auch über andere gesetzliche Regelungen wirklich nachdenken. Es braucht klare Beratungsange­bote und Informationen, nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Er­wachsene, für Eltern, und es braucht eine eindeutige Kennzeichnung, wenn nicht sogar ein Verbot dieses Glücksspiels. Das Handeln sollte, wie gesagt, relativ rasch passie­ren. Auch außerhalb der EU gibt es schon Beispiele. China hat sich zum Beispiel dazu verpflichtet, die statistischen Gewinnchancen und auch die möglichen Preise offenzule­gen.

Eine weitere große Schwierigkeit bei diesem Thema, auch das habe ich im letzten Jahr mitbekommen, ist die Beweislast der monetären Transaktionen mit Kreditkarten bei­spielsweise der Eltern. Ich habe unzählige E-Mails, Anrufe et cetera von Erwachsenen, von Erziehungsberechtigten bekommen, die Beträge auf ihren Kreditkartenabrech­nungen gehabt haben, beginnend bei 10 Euro bis zu wirklich sehr hohen Beträgen, und das einfach nicht gewusst haben und auch die Problematik dieses Themas nicht im Kopf gehabt haben.

Das ist ein Thema, das in der letzten Zeit eine so starke mediale Präsenz gehabt hat, dass auch das „Neo Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann das beispielsweise thema­tisiert hat, gerade das Spiel „Coin Master“, weil auch Influencerinnen, Influencer und Promis dafür werben, dass man da irgendwie bunte Schweindln draufdrucken kann, dann etwas zahlt und es dann ein ganz tolles Gadget gibt. Das ist wirklich ein Problem.


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Auch in Österreich berichten Medien wirklich regelmäßig darüber. Ich glaube, „Der Standard“ und „Profil“ haben monatlich Artikel zu diesem Thema. Auch Deutschland will sich dessen annehmen, nur wir schlafen da wieder und machen einfach nichts, und das macht mich wirklich schon ein bissl fertig. Es gibt so viele verschiedene Möglich­keiten, hier Regelungen zu finden; Kollege Krainer hat beispielsweise schon eine En­quete-Kommission angesprochen. Ich glaube, auch das wäre eine Möglichkeit, das zu thematisieren.

Das Glücksspiel ist im 21. Jahrhundert angekommen, unsere Regelungen aber noch nicht. Deswegen ist es unsere Pflicht, nachzuschärfen und anzupassen. Auch Lootbo­xen müssen da einen Platz finden: Sie müssen geregelt und klar eingegrenzt werden – zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Nehmen wir uns doch ein Beispiel an Bel­gien, Deutschland et cetera, die da schon tätig werden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


17.07.26

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krainer, wie gesagt werden wir Ihrem Antrag zustimmen, allerdings besagt ein Medienbericht beziehungsweise eine APA-Meldung, dass die Sazka-Gruppe auch noch einen Nebendeal laufen hat, angeblich mit Schelhammer & Schattera, und sollte dieser schlagend werden, werden sie auf jeden Fall über die 50 Prozent kommen. Da muss man sich, glaube ich, schon ganz genau anschauen, wieweit das dann überhaupt noch Casinos Austria sind oder ob das dann nicht in Mehrheit schon tschechische Casinos sind – wenn das schlagend werden sollte.

Da muss man jetzt ehrlicherweise auch einmal sagen, da haben die Medien mit ihrer Berichterstattung über die Bestellung von Herrn Sidlo wirklich ganze Arbeit geleistet (Abg. Meinl-Reisinger: Na, ich glaube, da haben Sie ganze Arbeit geleistet mit Ihrem Dilettantismus! Außerdem ist das ja wurscht ...!), denn jetzt werden möglicherweise die Casinos Austria zu den tschechischen Casinos. Das kann ja nicht im Sinn von uns al­len sein. Nichtsdestotrotz werden wir diesem Antrag natürlich unsere Zustimmung ge­ben, weil wir die Casinos Austria mit einer Mehrheit in Österreich haben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt aber zum Dringlichen Antrag der NEOS und zur Suchtprävention: Vieles, was Sie da drinnen schreiben, ist richtig, aber vieles fehlt auch noch. Wenn ich es mir durch­lese, dann habe ich so ein bisschen das Gefühl - - (Abg. Meinl-Reisinger: Kann man ja zustimmen oder nicht!) – Lassen Sie mich einmal ausreden! Sie müssen nicht immer dazwischenquatschen. (Abg. Krisper – erheitert –: Das machen Sie nie!) Jetzt wollte ich Sie gerade einmal loben, aber Sie machen es einem wirklich schwer, etwas positiv zu finden (Abg. Meinl-Reisinger: Ich wollte Sie auch loben!), denn Sie unterbrechen jeden Gedanken, den man fasst.

Wissen Sie, das Problem, das ich sehe, ist: Nicht alles, was gut gemeint ist, wirkt gut. Ich habe halt immer die Angst, dass wir die Leute in die Illegalität treiben, und ich glau­be, das größte Problem im Spielbereich ist das illegale Glücksspiel. Im Bereich des le­galen Glücksspiels gibt es Möglichkeiten und Wege, an die Spieler heranzukommen. An was wir überhaupt nicht herankommen, das sind die illegalen Spielhöllen, sind il­legale Spielautomaten, sind auch Spieler, die zu Hause in der völligen Anonymität im Internet spielen, wo es Anbieter gibt, die nicht einmal in Österreich Steuern zahlen. Ge­nau davon müssen wir die Leute wegbringen, denn solange sie, sage ich jetzt einmal, im legalen Bereich spielen, hat man die Möglichkeit, sie auch noch zu erreichen.


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Jetzt kann ich den Zahlen etwas abgewinnen oder auch nicht, aber was es, glaube ich, braucht und was wirklich ein wesentlicher Punkt ist, ist die Kontrolle des illegalen Glücksspiels. Dazu braucht es auch sehr viel mehr Finanzpolizei. Diese müsste man viel, viel mehr aufstocken, damit sie das auch wirklich effizient kontrollieren kann.

Das Nächste ist: Wenn die illegalen Automaten gesperrt werden, dann gibt es Ein­sprüche der Betreiber, die haben zum Teil aufschiebende Wirkung. Das dauert oft noch einmal ein, zwei Monate. Also da muss man ansetzen. Das, was wirklich illegal ist, muss gesperrt sein und aus. Das, glaube ich, ist das ganz große Problem, das wir ha­ben, und dessen sollten wir uns annehmen. Darum glaube ich, dass dieser Antrag von Ihnen zwar gut gemeint ist, aber meines Erachtens in der vorliegenden Form teilweise schon noch sehr viel Diskussionsbedarf hat, und daher können wir ihm so auch gar nicht zustimmen.

Besonders interessant war jetzt für mich aber, die Debatte zu hören, weil Kollegin Meinl-Reisinger eigentlich gar nichts zu ihrem eigenen Antrag gesagt hat, sondern nur auf die letzte Bundesregierung hingehauen hat, obwohl der Antrag ein wesentliches Thema betrifft. Suchterkrankung ist ein ganz großes Problem, ein ganz großes Thema, nicht nur die Spielsucht, sondern es gibt auch andere Süchte, die existenzbedrohend sind, das wissen wir. Wir wissen auch, dass Menschen, die spielsüchtig werden, eben eine Suchterkrankung in sich tragen, das heißt, wenn ich ihnen den Spielautomaten nehme, werden sie halt in einem anderen Bereich süchtig. Dazu gibt es Statistiken, die das auch belegen. Das wissen wir. Das heißt, was es braucht, ist, die Leute auch wirklich zu finden, und wir brauchen die Therapien, um den Menschen aus ihrer Sucht zu hel­fen, egal welche Art von Sucht das jetzt ist – und Suchterkrankung ist ein ernst zu neh­mendes Thema.

Was Frau Kollegin Meinl-Reisinger aber gemacht hat, war eine irgendwie sehr unfaire Geschichte, denn sie hat sich hierhergestellt und hat in Wahrheit die Arbeit der Sazka-Gruppe fortgesetzt. Sie hat nämlich über irgendeine Bestellung geschimpft, die ganz furchtbar, schrecklich und böse war. Dabei hat Frau Kollegin Meinl-Reisinger aber auch verschwiegen, dass sie ja im Jahr 2015 mit einem gewissen Tal Silberstein zu­sammengearbeitet hat. Dieser war damals der große Berater, hat einen sehr, sagen wir einmal, aggressiv-populistischen Wahlkampf für den Wiener Landtag gemacht und war wahrscheinlich auch die einzige Chance für die NEOS, in den Landtag einzu­ziehen. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Sie haben es ja dann auch knapp ge­schafft.

Genau dieser Tal Silberstein ist jetzt aber die Verbindung zu den Casinos, Frau Kolle­gin Meinl-Reisinger. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Er hat nämlich die Ca­sinos auf Schadenersatz geklagt, weil er in Wahrheit 200 Millionen Euro durch diese Videogamblings durchschleusen wollte. Also jetzt stellen Sie sich nicht als die immer Gute, Saubere hin, sondern schauen Sie schon auch einmal in Ihrer eigenen Parteige­schichte nach! (Abg. Meinl-Reisinger: Was wollen Sie damit sagen? Was wollen Sie mir damit vorwerfen?)

Gerade den Wiener Landtagswahlkampf, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, haben Sie ja wohl als Spitzenkandidatin gemeinsam mit dem Herrn, der Geldwäsche über die Ca­sinos abwickeln wollte, gemacht. Das ist aber schon davor gewesen, das hat sich näm­lich 2014 abgespielt und Sie haben ihn 2015 engagiert. (Abg. Schellhorn: Fällt Ihnen zum Herrn Haselsteiner auch was ein?) Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen las­sen! Sie sind nicht die Supersaubere, für die Sie sich hier immer ausgeben. Wenn Sie einen wichtigen und richtigen Antrag einbringen wollen, dann wäre es auch fair und gut, darüber zu sprechen und nicht in eine völlig andere Richtung zu polemisieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger – erheitert in Richtung Abg. Schellhorn –: Es muss halt Silberstein sein ...!)

17.12



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 156

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Toma­selli. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Na, servas!)


17.13.03

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Am Ende habe ich meine Firma verloren, mei­ne Frau verloren, war schwer depressiv und im Konkurs. – Das ist nur eine Aussage, wie ein betroffener Spielsüchtiger sein Schicksal schildert. Beim Glücksspiel – und das haben wir heute zigfach gehört – geht es um viel Geld, um wahnsinnig viel Geld, und es geht um Geld, das man den Spielsüchtigen aus den Taschen zieht, um es auf die Bankkonten der Glücksspielindustrie zu transferieren. Und da – und das ist die wahre Dramatik – spielt es eben keine Rolle, da schaut man eben nicht immer so genau hin, ob ein Lehrling seinen kompletten Monatslohn innerhalb von wenigen Stunden in den Automaten wirft. Zehntausende Hilflose werden jedes Jahr in die Sucht getrieben und ausgenommen, bis es nicht mehr geht. Das ist Geschäftemachen auf die schäbigste Art und Weise, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den Grünen.)

Spielsucht – und das dürfen wir nie vergessen – sorgt für die größten persönlichen Kata­strophen überhaupt. Von der Spielsucht profitieren nur die einen, und das ist die Glücks­spielindustrie. Niemand anders profitiert davon! (Abg. Meinl-Reisinger: O ja!) Und wenn man sich die Zahlen ganz genau anschaut - - (Abg. Meinl-Reisinger: Der Finanzminis­ter! Na sicher, der Finanzminister profitiert auch!) – Nein, der Finanzminister profitiert nicht, denn das, was man an Steuern einnimmt, wird bei den Therapiekosten gleich wie­der rausgehauen. Das ist einfach eine Verlustrechnung, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Interessenkonflikt! – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Jetzt aber zu meinen Ausführungen: Wenn man sich die ganzen Umsatzzahlen der Glücksspielindustrie anschaut und genauer hinschaut, dann weiß man, dass 30 bis 40 Prozent aller Umsätze aus den Taschen von Spielsüchtigen kommen. Nimmt man nur das Automatenspiel her, sind es 60 bis 80 Prozent. Was heißt das? – Das Ge­schäft mit dem Glücksspiel ist ohne die Spielsüchtigen gar kein Geschäft. Das ist doch der Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsache ist außerdem, dass der Umsatz von Glücksspielkonzernen und die Zahl der Süchtigen steigt, je höher die Verfügbarkeit der Spiele ist – mehr Automaten heißt mehr Umsatz, heißt mehr Spielsüchtige, heißt mehr Drama.

Die Österreicherinnen und Österreicher verspielten im letzten Jahr etwa 1,6 Milliarden Euro, und das meiste – das habe ich gerade ausgeführt – kommt aus den Taschen von Glücksspielsüchtigen. Glücksspiel ist ein Geschäft mit der Sucht. Ich frage Sie: Bei welcher anderen Krankheit würden wir es zulassen, dass man mit kranken Menschen ein Milliardengeschäft macht? Nur beim Glücksspiel ist das so, und das Glücksspiel ist ein Milliardengeschäft auf Kosten der Spieler. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Kollegin von den Freiheitlichen – sie ist jetzt leider nicht mehr da –: Ich würde Ih­nen sagen, im Grunde genommen macht es am Ende des Tages für die Spielsucht kei­nen Unterschied (die Rednerin erblickt Abg. Belakowitsch hinter den Sitzreihen) – ah, da hinten sind Sie; Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen! –, ob der Eigentümer des Glücksspielkonzerns privater oder staatlicher Natur ist. (Zwischenruf der Abg. Be­lakowitsch.) Wie wir kürzlich im „Profil“ lesen konnten, gibt es auch bei den Casinos Austria einen Fall, in dem ein Mann 633 000 Euro verspielt hat, bis man ihn endgültig gesperrt hat. (Abg. Wurm: Wollen Sie es verbieten, das Glücksspiel?) Ich meine, das kann man auch nicht von der Hand weisen, dass es solche Fälle dort gibt.

Glücksspiel heißt für die Betroffenen Schulden machen, heißt weniger Leistung am Ar­beitsplatz, heißt mitunter Kriminalität, heißt zerrüttete Beziehungen, heißt auch – und es ist eben die falsche Rechnung, wenn man dies unberücksichtigt lässt – hohe Thera-


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piekosten, und wenn man die der guten halben Milliarde Steuereinnahmen gegenüber­stellt, dann ist das doch der blanke Hohn.

Glücksspiel ist ein gesellschaftspolitisches Lose-lose-Geschäft. Ich denke, dass der Kampf gegen die Spielsucht und der Einsatz für den Spielerschutz das übergeordnete politische Ziel bei allen politischen Entscheidungen und bei allen Glücksspieldebatten sein muss. Keine Steuereinnahmen dieser Welt – selbst wenn sie in die Sportförderung fließen, wenn sie in die Kulturförderung fließen – können das Leid der Spielerinnen und Spieler, das auf der anderen Seite passiert, wettmachen. Nichts ist so wichtig, wie die Österreicherinnen und Österreicher vor den Glücksspielbanditen zu schützen – vor den einarmigen Banditen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen von den NEOS auch für ihre heute eingebrachte Initiative mit ganz vielen Detailvorschlägen, die wir im Grunde genommen auch gutheißen, bedanken. Ich finde, Sie treffen den Kern relativ gut, denn wir wissen ja aus der Forschung, je schneller ein Spiel ist, desto suchtgefährdender ist es, und diese Geschwindigkeit wollen Sie drosseln. Deshalb ist das für uns unterstüt­zenswert. Würde sich heute eine Mehrheit dafür finden, würden wir uns sehr darüber freuen, wenngleich wir – auch einen Blick in die Zukunft werfend – natürlich auch für das Onlinegaming eine Strategie brauchen, denn wie wir mittlerweile wissen, sind 70 Pro­zent der Spielerinnen und Spieler online unterwegs – und das im Moment de facto schutz­los.

Am Ende des Tages möchte ich noch einmal einen Appell an alle richten. Es ist die politische Aufgabe, das Gemeinwohl zu schützen und zu verteidigen. Für uns bedeutet das, wir stellen uns jedenfalls immer auf die Seite der Schwächeren, und die Schwä­cheren sind beim Glücksspiel die Spielsüchtigen. Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.


17.19.09

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Karlheinz Kopf, weil du vorhin die Rede unserer Parteivorsitzenden Beate Meinl-Rei­singer angesprochen hast: Ja, es ist uns ernst, es ist uns todernst, es ist sogar bitterer Ernst. (Zwischenruf des Abg. Kopf.– Nein, ich will dir das jetzt erklären. Es ist uns nämlich insofern bitterer Ernst – dagegen ist Bittersalz ein Karamellzuckerl –: Was ist passiert? Was ist passiert mit Herrn Schmid, damals am 31. Jänner, an dem er Nach­richten an Herrn Neumann oder wen auch immer geschickt hat, mit dem Suchtverhal­ten - - (Abg. Kopf ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das hat nichts mit diesem Antrag und mit dem Tagesordnungspunkt zu tun! Abg. Meinl-Reisinger: Natürlich hat das was damit zu tun!)

Natürlich hat es etwas damit zu tun, weil man es über die FPÖ über Wien mit dem Ge­setz betreffend das kleine Glücksspiel regeln wollte, und das ist dann das Suchtver­halten. So einfach ging es.

Es ist halt dann aufgetaucht. Es ist halt aufgrund der Dummheit der FPÖ ans Tages­licht gekommen, dass es da einen Whatsapp-Verkehr gibt. Da kann die ÖVP nichts dafür. Man könnte aber sagen, man könnte über die Struktur der Öbag und über die Funktion des damaligen Generalsekretärs Schmid, der ermöglicht hat, dass so etwas passiert, reden. Das ist Fakt und das ist eine Tatsache.

Darum, Herr Minister, glaube ich, dass wir das in der Diskussion auch ganz klar tren­nen müssen. Wir müssen zwischen Aufsicht, Glücksspielgesetz und Casinos Aus-


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tria AG trennen. Der Regulator kann nicht auch der Eigentümer sein, der die Einnah­men an sich nimmt, das funktioniert nicht. Darum ist es mir angesichts dessen als Steuerzahler oder wenn es um die Verantwortung des Bundes geht, relativ egal, ob das die Sazka ist, ob das Tschechen, Italiener oder was weiß ich, welche Nation sie verkörpern, sind, wenn sie die Steuern zahlen. Mir geht es um die 600 Millionen Euro an Steuereinnahmen, während bei der Casinos Austria AG ja Dividenden von satten 5 Millionen Euro ausgeschüttet werden, und Herr Hoscher, der Flaneur vom Rennweg, geht mit 1,2 Millionen Euro spazieren. Und dann sprechen wir noch über den Vorfall Sidlo.

Das sind Unanständigkeiten, die beim Öbag-Gesetz etwas mit dem Aufsichtsrat und mit der Funktion des Aufsichtsrats und nichts mit dem Glücksspielgesetz zu tun haben, das muss getrennt werden. Fakt ist – da möchte ich Herbert Paierl zitieren, den Sie (in Richtung ÖVP) ja alle gut kennen –: „Wenn der Staat als Eigentümer kein Stahlwerk braucht, wozu braucht er ein Staatscasino?“ (Zwischenruf des Abg. Vogl.) – Was ha­ben wir davon?

Wenn er 600 Millionen Euro an Steuern zahlt, dann muss es dafür auch eine satte Re­gelung geben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Vogl), eine Gesetzgebung, was das Glücksspielgesetz betrifft. Da sind unser Vorpreschen und der Antrag von Steffi Krisper besonders wichtig. Ich verbitte es mir aber, dass man Beate Meinl-Reisinger Polemik vorwirft. Es ist bitterer Ernst, was da passiert ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es ist bit­terer Ernst, was der Aufsichtsrat beziehungsweise der Generalsekretär – damals Tho­mas Schmid – am 31. Jänner gemacht hat, und das gehört zum Beispiel im Untersu­chungsausschuss sozusagen beleuchtet.

Wichtig ist, und das möchte ich zum Schluss noch einmal sagen: Es muss – noch ein­mal – klar, und zwar ganz klar, zwischen der Aufsicht, das heißt der Gesetzgebung, dem Glücksspielgesetz an und für sich und der Casinos Austria AG unterschieden wer­den. Das darf man nicht vermischen.

Es kommt dann halt immer wieder zum Tragen, dass man da ein bisschen Polemik hi­neinmischt, dass man versucht, ein bisschen etwas glatt zu rühren, aber Fakt ist, dass der Postenschacher damals ungeniert weiterging und nach wie vor voranschreitet. Da werden Versuche gestartet.

Bei Sidlo darf man auch noch eines sagen: Er klagt ja beziehungsweise will er über das Arbeitsgericht nun etwas einklagen. Da warten wir einmal, was noch kommt, was noch an Lebensläufen auftaucht.

Eines ist am Ende meines Diskussionsbeitrages schon festzuhalten: Das mit der Hand­kassa bei der Casinos Austria AG für die drei Mittelparteien muss sich im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufhören! (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Scheucher-Pichler. – Bitte.


17.24.06

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auch auf der Galerie! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was mein Vorred­ner und auch Kollegin Meinl-Reisinger gesagt haben, hat wenig mit der Überschrift des Antrages, nämlich Suchtprävention, zu tun. Ob man das Polemik nennt oder ob es ein­fach irgendwelche Theorien sind, weiß ich nicht. Mir und uns, der ÖVP-Fraktion, geht es jedenfalls um verbesserte Spielsuchtmaßnahmen. Dazu stehen wir, und dafür wer­den wir auch weitere Initiativen setzen. (Beifall bei der ÖVP.)


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SpielerInnenschutz – das ist ja heute erfreulicherweise wirklich zum Ausdruck gekom­men – muss uns ein Anliegen sein; das ist wichtig. Glücksspiel in die Illegalität abzu­drängen ist sicher nicht der richtige Weg. Ich bin sehr froh, dass der Herr Bundes­minister – danke, Herr Bundesminister! – auch aufgezeigt hat, wie viel schon passiert und dass auch vieles geplant ist. Die Spielerschutzstelle des Bundes leistet großartige Arbeit. Das ist eine sehr vielseitige und schwierige Arbeit.

Ich bin ja Kärntnerin und komme aus Klagenfurt. Ich glaube, Klagenfurt war überhaupt die erste Landeshauptstadt, die eine eigene Spielsuchtberatungsstelle eingerichtet hat – mit sehr guten Erfahrungen. Es geht um therapeutische Beratung, psychologi­sche Beratung, aber auch um soziale Beratung – das gehört da auch dazu – und vor allem um die präventive, um die prophylaktische Arbeit. Es geht um die Unterstützung von Gefährdeten, aber auch von deren Angehörigen und natürlich um Hilfe für Abhän­gige. Es wurde ja richtigerweise gesagt – auch von Kollegen Kogler –, dass Familien immer insgesamt betroffen sind. Es kommt zu finanziellen, zu sozialen, aber auch zu beruflichen Problemen.

Es sind heute schon so viele Themen angesprochen worden, daher denke ich, wir sollten all diese Maßnahmen, die notwendig sind, in aller Ruhe weiter diskutieren – mit Experten. Es wurde heute ja auch schon die österreichische Suchtpräventionsstrategie erwähnt, die unter Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser erstellt wurde. Ich denke, diese ist eine profunde Basis, auf der wir weiterdiskutieren und weiterarbeiten können. Kollege Kopf hat es schon gesagt: Das wird auch Thema der neuen Regierung sein.

Wir haben in den Ländern unterschiedliche Situationen, auch in Richtung kleines Glücksspiel. Ich denke, auch das müssen wir mitberücksichtigen, auch da ist Illegalität nicht der richtige Weg. Ich war zuerst für die Abschaffung des kleinen Glücksspiels, aber ich glaube, Illegalität ist nicht der richtige Weg.

Ich bin auch der Meinung einer meiner Vorrednerinnen, die gemeint hat, dass dieser spezielle Kick und dieses hohe Suchtpotenzial speziell eben auch durch die rasche Ab­folge von visuellen und akustischen Signalen entsteht. Das sehe ich auch als Psycho­therapeutin so. Da müssen wir sicher ansetzen. Man kann auch darüber diskutieren, Frau Meinl-Reisinger, ob man die Pausen verlängert. Ich glaube, im Antrag schreiben Sie auch von einer Abkühlphase. Das alles halte ich für durchaus interessante An­sätze, aber diskutieren wir in Ruhe darüber. Ich glaube, auch der Jugendschutz muss ein Thema sein. Auch wenn in einer Studie gesagt wird, dass es da kaum Probleme gibt, bin ich da nicht ganz so sicher.

Ich glaube, Information und Warnung bei problematischem Spielverhalten muss ein wichtiges Thema sein. Wie gesagt kommt zur Spielsucht meistens auch noch eine an­dere Problematik, ein weiteres Suchtverhalten dazu. Ich denke, Prävention ist die bes­te Antwort. Wir als Politiker sind aufgefordert, dafür zu sorgen, dass so wenige Men­schen wie nur irgendwie möglich in diese Suchtfalle tappen.

Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir vor allem auch in den Schulen umfassende Aufklärung initiieren, dass wir auch eine bessere Aufklärung der Eltern sicherstellen, denn sehr, sehr oft beginnt eine Spielerkarriere in der Jugend, sehr oft auch im Online­bereich – das wurde heute schon erwähnt. Gerade Jugendliche sind im Onlinebereich besonders gefährdet. Wenn Eltern spielsüchtig sind – auch das passiert sehr oft –, dann geht es auch um Kinderschutz. Das ist auch ein wichtiges Thema, über das wir reden sollten.

Um Spieler tatsächlich und nachhaltig zu schützen, braucht es daher nicht nur ein Reg­lement betreffend die Höhe der Einsätze bei Spielen und die Spieldauer. Meiner An­sicht nach ist Sucht in all ihren Facetten ein Problem, das in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet ist. Neben all dem bereits Andiskutierten geht es da auch um Einsam-


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keit, fehlende Familienstrukturen, fehlende Werte und vieles mehr. All das erzeugt oder verstärkt das Suchtpotenzial. Darüber sollten wir auch nachdenken und reden.

Geben wir uns daher die Zeit, diskutieren wir mit Experten, diskutieren wir aber auch mit Betroffenen – auch das halte ich für sehr wichtig –, ob das nun in einer Enquete oder in den Ausschüssen ist! Ich denke, es ist einfach wichtig, dass wir mit Experten und mit Betroffenen weiter diskutieren und dann sinnvolle und auch nachhaltige Maß­nahmen im Bereich des SpielerInnenschutzes beschließen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

17.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Vogl. – Bitte.


17.29.22

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich glaube, es wurde heute in der Diskussion, auch jetzt von meiner Vorrednerin, sehr vieles gesagt, was richtig ist. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir heute einmal die Zeit haben, hier in diesem Hohen Haus dieses wichtige Thema zu beleuchten.

Man stelle sich vor: 42 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher spielen! Das ist sozusagen ein Thema, das alle oder sehr viele von uns beschäftigt, aber nur bei we­nigen entsteht daraus tatsächlich ein Suchtverhalten. Das betrifft immerhin 1 bis 1,6 Prozent, wir reden damit von einer Größenordnung von über 60 000 Menschen, die spielsüchtig sind.

Es wurde heute schon immer wieder darauf hingewiesen, dass es natürlich unter­schiedliche Arten von Spielen gibt. Wir wissen, dass zum Beispiel gerade das Online­spielen ein vielfach höheres Suchtverhalten auslöst als andere Spiele, aber es gibt auch, was vielleicht noch gar nicht so erwähnt worden ist, das Problem der Sportwet­ten. Auch da wissen wir, dass ein sehr hohes Suchtpotenzial besteht, das fünfmal so hoch ist wie im Durchschnitt.

Wenn wir uns anschauen, wer die Risikogruppen sind, die gefährdet sind, spielsüchtig zu werden, dann ist diese Gefahr überdurchschnittlich oft bei Personen vorhanden, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben. Sie ist überdurchschnittlich oft bei Men­schen vorhanden, die arbeitslos sind, die wenig verdienen, und bei Spielern, die sehr oft und mit hohem Geldeinsatz spielen. Der vorliegende Antrag ist sicher eine Hilfe, wenn wir bei den letzten beiden Punkten ansetzen. Die Verkürzung der Automaten­laufdauer plus eine längere Abkühlphase sind sicher sinnvoll und zu begrüßen. Das wird auch von uns unterstützt. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch eine Verlustbegrenzung ist sicher etwas, was sinnvoll und aus unserer Sicht not­wendig ist. Und was aus unserer Sicht vor allem notwendig ist, ist, dass es diese Kompetenztrennung gibt, die ja schon mehrfach angesprochen worden ist. Aus unserer Sicht sollte diese Beratungsstelle bezüglich Spielsucht im Gesundheitsministerium an­gesiedelt sein, denn dort gehört sie hin. Ich glaube, das ist ein gesundheitliches Pro­blem und darum sollte diese Stelle auch im Gesundheitsministerium und nicht im Fi­nanzministerium sein, wo sie derzeit angesiedelt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, es wurde schon darauf eingegangen, aber ich glaube, wir sollten auch stolz auf das sein, was wir in der Vergangenheit erreicht haben. Es hat sich gezeigt – und das zeigt diese Studie ja auf –, dass diese Beschränkungen, die 2010 gemacht worden sind, da­zu geführt haben, dass es einen Rückgang bei der Zahl von behandelten Spielsüchti­gen gegeben hat; das heißt, die Maßnahmen, die gesetzt wurden, haben auch ge­griffen. Was wir nicht wissen, ist allerdings, wie nachhaltig das war. Es wurde heute schon sehr oft darauf hingewiesen, dass es viele Umgehungsmöglichkeiten gibt. Auf der einen Seite leben wir in einem Land, das in seinen Grenzen sehr rasch limitiert ist,


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von Oberösterreich aus ist man sofort in Tschechien, aus der Wiener Gegend ist man sehr rasch in Ungarn; das heißt, Spielsüchtige haben natürlich viele Chancen, die be­stehenden Regelungen zu umgehen. Darauf brauchen wir Antworten.

Was auch noch nicht angesprochen worden ist: Spielsüchtige haben ein höheres Potenzial, straffällig zu werden. Ich glaube, hier müssen wir ansetzen, vor allem dort, wo es in Wirklichkeit schon zu spät ist, nämlich dort, wo sie bereits im Strafvollzug sind. Wir wissen, dass Personen im Strafvollzug ein deutlich erhöhtes Potenzial an Spiel­suchtgefährdung haben, und wir wissen, dass das Personal in den Justizbetreuungs­anstalten derzeit nicht in der Lage ist, adäquat darauf zu reagieren, dort Betreuung und Beratung anzubieten. Ich denke, es braucht zu diesem Antrag, der aus unserer Sicht unterstützungswürdig ist, wenngleich man einzelne Dinge natürlich diskutieren kann, weitere Maßnahmen, unter anderen, wie gesagt – und ich glaube, das ist wirklich sehr, sehr wichtig –, eben Maßnahmen betreffend Vorbeugung. Da ist aus unserer Sicht ei­ner der Ansatzpunkte, dass man im Strafvollzug zusätzliche Ressourcen braucht. Auch in den Schulen könnte man auf dieses Thema eingehen.

Zum Schluss noch, um auch noch einmal zu untermauern, dass es sinnvoll ist, dass wir diese neue Beratungsstelle in das Gesundheitsministerium verlegen: Ich glaube, dass das Thema Suchtverhalten nicht ganz unproblematisch ist. Das hat auch Ihr Haus erkannt, Herr Minister. Sie beziehungsweise Ihr Vorgänger haben ja eine Studie mit dem Titel „Epidemiologie des problematischen und pathologischen Glücksspiels – Grenzen und Möglichkeiten der Erhebung“ in Auftrag gegeben. Es würde uns alle, glaube ich, freuen, wenn wir hier in den Klubs jeweils ein Exemplar davon bekämen, weil das vielleicht auch zur Versachlichung der Diskussion beitragen würde.

Ich gehe davon aus, dass darin viele Anregungen enthalten sind. Einige Anregungen könnten wir sofort umsetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.


17.34.09

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, eine spannende Diskussion zum Thema Spielsucht! Die Bandbreite geht da, sage ich, von – unter Anführungszeichen – „ganz links bis ganz rechts“. Ich muss schon einmal festhalten: Als Konsumentenschutzsprecher ist es mir wichtig, dass sich die Konsumenten in Österreich auch im Spielbereich auf eine seriöse Herangehens­weise verlassen können und dürfen.

Frau Meinl-Reisinger, bitte nicht böse sein, aber das, was Sie hier als Antrag vorlegen, wird meiner Meinung nach oder unserer Meinung nach den illegalen Bereich der Spiel­szenerie weltweit und in Europa eher befeuern und nicht behindern. Das heißt, unser Ansatz ist es, die legalen Möglichkeiten des Spiels in Österreich wirklich auch am Le­ben zu erhalten. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, es gibt ja in den österreichischen Bundesländern sehr unterschiedliche Regelungen. Wenn Sie es recherchiert hätten, wären Sie draufgekommen, dass in jenen Bundesländern, in denen die Regeln am strengsten sind, Frau Meinl-Reisinger, das illegale Glücksspiel am meisten zugenom­men hat. Das sind nicht Zahlen von mir, Sie können sie selber beim Minister gerne noch einmal abfragen.

Im Grunde genommen sollten wir versuchen, vor allem Kinder und Jugendliche von diesem Bereich fernzuhalten, wobei wir, glaube ich, alle wissen, dass da unsere Mög­lichkeiten, vor allem was das Internet betrifft, mittlerweile sehr, sehr beschränkt sind. Es ist zwar ein frommer Wunsch, zu sagen, wir wollen quasi, dass die Leute nicht mehr


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spielen oder nicht spielsüchtig werden, wir sollten aber bitte alle schon zur Kenntnis nehmen, dass wir das nicht an den Grenzen Österreichs aufhalten können.

Wo ich bei der ganzen Diskussion schon ein bisschen hellhörig werde – wir hatten sie ja schon beim Thema Alkohol, wir hatten sie beim Thema Nikotin und bei anderen Themen –, ist, wenn die Grünen dann so ein bisschen ankündigen oder durchklingen lassen, dass man das Glücksspiel oder das Spielen generell vielleicht sogar verbieten sollte, weil die Gefahr einer Suchterkrankung gegeben ist. Das würde ich jetzt schon ganz klar zurückweisen. Uns geht es nicht darum, das Glücksspiel an sich zu verbie­ten, genauso wenig wie das gesamte Thema Wettlokale, Frau Meinl-Reisinger, das ich in Ihrem Antrag überhaupt nicht finde und das mindestens ein ebenso großes Problem ist, auch von der Suchterkrankung her; das findet sich in diesem Antrag überhaupt nicht. Uns geht es also nicht darum, das Glücksspiel oder Wetten generell zu verbie­ten, das wäre, glaube ich, der falsche Ansatz. Unser Ansatz muss sein, das legale Glücksspiel am Leben zu erhalten – und das ist in Österreich schon sehr stark in Ge­fahr.

Man könnte durchaus diskutieren – und da habe ich auch nichts dagegen –, das wirk­lich vom Finanzministerium in eine eigene, ich sage einmal, Gamblingbehörde auszula­gern, wo man dann erstens die Lizenzvergabe, aber auch den ganzen Bereich Sucht­verhalten zusammenführen könnte. Das gibt es im Übrigen auch in sehr vielen europäi­schen Ländern, die das ausgelagert haben; daran könnte man sich durchaus orientie­ren.

Noch ein kleiner Hinweis: Sehr, sehr viele Glücksspielkonzerne in Europa haben ihren Sitz auf Malta oder in Gibraltar, zahlen dort keine Steuern und sind querbeet durch Eu­ropa unterwegs, kassieren dort Millionengewinne, wo der Steuerzahler oder der Fi­nanzminister gar nichts davon hat. Ich glaube, auch diese Entwicklung ist innerhalb der Europäischen Union schon sehr stark zu hinterfragen.

Summa summarum geht es auch in diesem Bereich um einen effektiven Konsumen­tenschutz, aber ich würde davor warnen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn jemand ins Casino gehen und Roulette spielen will, dann soll er diese Möglichkeit auch weiterhin haben. Wenn er zu Hause eine Sportwette auf ein Fußballspielergebnis ab­geben will, soll er diese Möglichkeit auch weiterhin haben. Auf der anderen Seite müs­sen wir jenen Menschen in Österreich helfen, die wirklich in Gefahr sind, in die Sucht abzurutschen oder ihre finanziellen Möglichkeiten überzustrapazieren. Aber, wie ge­sagt, bitte alles mit Maß und Ziel. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


17.38.45

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Ich möchte etwas konkreter auf den Antrag eingehen, denn mit dem vorliegenden Dringlichen Antrag thematisieren die NEOS ein tatsächlich bestehendes Problem, ein sehr drängendes Problem: die Ge­fährdung der Bevölkerung durch den gewerbsmäßigen Betrieb von Glücksspielautomaten.

Jahrzehntelang wurde das sogenannte kleine Glücksspiel vom Gesetzgeber als Privi­leg der Länder toleriert. Bis 2010 durften Länder Automatenglücksspiele mit einem Ein­satz bis maximal 50 Cent und einem Gewinn von maximal 20 Euro als Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes gesetzlich erlauben. Seit Ende der Neunzigerjahre war es insbesondere der derzeit medial auch intensiv beleuchtete Novomatic-Konzern, der dieses Gewerbe systematisch ausdehnte.


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Durch die technische Gestaltung, zum Beispiel durch die Automatikstartertaste ging es los. Jeder von Ihnen kennt das wahrscheinlich vom Fernsehen oder weil er selber schon einmal im Casino war: Das ist diese Taste, auf die man immer wieder drauf­drückt, und dann startet das immer wieder. Das ist dieser kleine Button oder Buzzer (der Redner deutet mit der Hand das wiederholte Drücken einer Taste an), damit kommt man mehr ins Spielen und noch mehr ins Spielen und noch mehr ins Spielen, weil man ja eh dauernd nur auf diese Taste drückt; das ist diese eine Taste, die einen dazu drängt, öfter zu spielen.

Die Folge war, dass die zunehmende Verbreitung von Spielautomaten des kleinen Glücksspiels auch zu einem starken Anstieg der Spielsucht führte. Laut einem Gutach­ten des Universitätsprofessors Herwig Scholz aus dem Jahr 2006 gab es in jenen Bundesländern, die das Automatenglücksspiel zugelassen haben, auch deutlich mehr krankhaft spielsüchtige Menschen, Spielerinnen und Spieler als zum Beispiel in ande­ren Bundesländern, die es nicht zugelassen haben. In Kärnten zum Beispiel wurde nach der Zulassung 1997 eine „massive Expansion“ von PatientInnen registriert. Ein besonderes Risiko bestand auch für jugendliche SpielerInnen, die damals nur über das kleine Glücksspiel einsteigen konnten und dann halt irgendwie vom großen Glücksspiel in den Casinos umschlungen wurden und dort hineingeraten sind; Status quo kommen sie dort halt hinein.

Daraufhin wurde der Gesetzgeber auch 2010 noch einmal tätig. Doch statt eine stär­kere Regelung vorzunehmen, was eigentlich sinnhaft gewesen wäre, wurde die exzes­sive und nach mehreren Gerichtsurteilen verbotene Praxis der Automatenbetreiber mit zu hohen Einsätzen und Gewinnen legalisiert und der gefährliche Missstand wurde zur gesetzlichen Norm erhoben. Das ist das Problem dahinter.

Die rot-grüne Regierung in Wien hat die einzig logische Konsequenz aus dieser gan­zen Sache gezogen: Die neue Regelung wurde nicht umgesetzt, sondern das kleine Glücksspiel wurde verboten. Das ist nach wie vor ein grüner Erfolg – gemeinsam mit den Roten – und auch ein Paradebeispiel in Österreich. (Beifall bei den Grünen.) Auch Kollege Ellensohn war bei diesem Thema eine starke treibende Kraft. In anderen Bun­desländern aber besteht das Problem weiterhin.

Der Antrag der NEOS zeigt einige sinnvolle Vorschläge auf, wie man das Risiko durch Glücksspielautomaten wieder zurückdrängen kann: die Reduktion der Einsätze, die Verlängerung der Spieldauer, automatische Spielunterbrechung, die Begrenzung der Verluste pro Stunde – all das dient der Reduktion der Verluste, die oft besonders fi­nanziell schwache Bevölkerungsgruppen treffen und auch zu existenziellen Krisen oder persönlichen Dramen und Beschaffungskriminalität führen. Im Glücksspielbereich ist auch ein sehr hohes Potenzial an Kriminalität vorhanden, und das ist ein Problem.

Weitere Vorschläge, wie zum Beispiel die Reduktion der Gewinne, sind genauso ge­eignet, den Antrieb zum Spiel zu senken.

Positiv zu bemerken ist, dass nicht nur das Automatenspiel der Länder erfasst sein soll, sondern auch die sogenannten Videolotterieterminals, die aufgrund der Lotterie­konzession als Onlineglücksspiel betrieben werden.

Zusätzlich müsste man jedoch für das Automatenglücksspiel in Casinos vergleichbare Beschränkungen einführen, weil dort genauso systematisch die gleiche Gefahr, das gleiche Gefahrenpotenzial besteht.

Der Antrag der NEOS enthält einige Schritte in die richtige Richtung. Man müsste je­doch insgesamt noch viel mehr und viel umfassendere Reformen in die Wege leiten. Werbeverbote wären zum Beispiel ein Anliegen, zentrale staatliche Kontrolle bis hin zu einer rein staatlichen Ausübung des Glücksspiels nach dem Modell der Norweger wä­ren denkbare Wege (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja auch viel besser, weil der Pos­tenschacher ...!), die eingeschlagen werden können.


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Wir müssen auch darüber diskutieren, wie wir das Problem des illegalen Glücksspiels in Österreich beherrschen und einfangen können. Alleine 2017 wurden über 2 800 Spiel­geräte in Österreich beschlagnahmt und über 1 200 Strafanträge gestellt, und die Ten­denz ist steigend. Wissen Sie, apropos, welches Bundesland führend war, wenn es um beschlagnahmte Geräte ging? – Es war Oberösterreich, mit über 1 100 beschlagnahm­ten Geräten. Dort ist überhaupt das kleine Glücksspiel noch erlaubt. In diesem Zu­sammenhang braucht es also bundeseinheitliche Rahmenbedingungen und gesetzli­che Vorgaben, um auch wirklich Zwangsmaßnahmen gegen die illegalen Spiellokale ergreifen zu können.

All das soll und muss aber gründlich diskutiert werden. Wir sind also noch lange nicht am Ende dieser Causa Glücksspiel. Wir werden heute zustimmen, wir begrüßen die Initiative der NEOS, dieses wichtige Anliegen in Erinnerung zu rufen und konkrete ge­setzliche Maßnahmen vorzubereiten, ausdrücklich – vielen Dank dafür. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen sowie der Abg. Krisper.)

17.44

17.44.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsantrag 110/A(E) der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung notwendiger Spielerschutzmaßnahmen im Glückspiel“.

Ich darf jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung ersuchen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung des Einflusses bei der Casinos Austria AG durch Nutzung des Vorkaufsrechts.“

Ich darf jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abge­lehnt.

17.45.384. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 24/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 erlassen und das Kar­tellgesetz 2005 geändert wird (10 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 94/A der Abgeordneten Mag. Andreas Hanger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kartellgesetz 2005 geändert wird (11 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Punkten 4 und 5 der Ta­gesordnung.

Zu Beginn ist Herr Abgeordneter Vogl zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.45.54

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Wir erleben jetzt zwar einen Themen­schwenk, aber eigentlich nicht so richtig, denn es ist in der vergangenen Debatte um Verbraucherschutz gegangen und es geht auch in dieser Debatte um den Verbrau-


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cherschutz, nämlich um die Frage: Wie können wir den Verein für Konsumentenin­formation finanziell absichern? – Dieser Verein befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Die mir nachfolgenden Redner werden dann erklären, dass eh alle das Glei­che wollen (Zwischenruf des Abg. Hanger) und eh alle ganz, ganz fest daran arbeiten, den Verein für Konsumenteninformation abzusichern. (Ruf bei der ÖVP: Richtig!) Ich glaube aber, dass es doch sehr große Unterschiede in der Qualität dieser beiden An­träge gibt.

Vielleicht aber noch einmal dazu, was der Verein für Konsumenteninformation denn ei­gentlich so macht: Vielen ist er natürlich durch seine Sammelklagen bekannt, unter an­derem hat er drei Lebensversicherer geklagt und diesbezüglich eine durchaus erkleck­liche Summe eingebracht. Er ist aber auch im Bereich von unlauteren Wettbewerbs­klauseln wichtig und aktiv. So hat er gesetzwidrige Vertragsbedingungen bei einem Fertighaushersteller erfolgreich angefochten. Er hat zum Beispiel eine Klage gegen ei­ne Fluggesellschaft, die unlautere Gebühren von Menschen verlangt hat, die nicht on­line eingecheckt haben, erfolgreich eingebracht. Ich glaube, es ist wirklich wichtig, auch darauf zu schauen, dass alle Menschen, alle Konsumentinnen und Konsumenten am Markt, die gleichen Möglichkeiten vorfinden.

Er hat unzulässige Preiserhöhungen eines Energieanbieters bekämpft. Er hat die Ak­tion Energiekosten-Stop mit über 40 000 TeilnehmerInnen ins Leben gerufen. Er hat Garantieklauseln von Elektrogroßhändlern erfolgreich angefochten. Er hat im Post-Da­tensammelskandal eine Sammelklage eingebracht und, ich glaube, das ist auch wichtig, er hat im Prozess um minderwertige Brustimplantate die Sammelklage einge­bracht. Es geht ja neben diesem menschlichen Leid dann auch um die Fragen: Wer kümmert sich um meine Probleme? Wer nimmt mir meine Sorgen ab und kümmert sich um das Prozessrisiko?

Man sieht also, wie wichtig dieser Verein für Konsumenteninformation für unser Land ist und dass es vor allem darum geht, dass er seine Aufgabe für die Bevölkerung, für die Menschen in unserem Land unabhängig wahrnehmen und in dieser Funktion auch für einen fairen Wettbewerb sorgen kann. Wenn dann behauptet wird, wir reden eh alle vom Gleichen, dann kann ich nur sagen: Es geht nicht beiden Parteien oder allen Part­nern um das Gleiche. Uns, Kollegen Wurm und mir, geht es mit unserem Antrag da­rum, den unabhängigen VKI, der diese wichtige Aufgabe erfüllt, mit einer unbefristeten Finanzierung, welche noch dazu jährlich valorisiert wird, auch in Zukunft abzusichern. Der vorliegende Antrag von ÖVP und Grünen ist dem geschuldet, dass man es sich natürlich nicht leisten will, dass der VKI jetzt während der Koalitionsverhandlungen plei­tegeht. Das will sich nicht einmal die ÖVP leisten, und man sagt dann natürlich: Okay, dann finanzieren wir ihn halt nur für ein Jahr, streichen gleich einmal einen Teil der Basisfinanzierung für die Zukunft, die kassieren wir gleich einmal durch die Hintertür ein, und wie es dann weitergeht, schauen wir!

Das ist nicht Konsumentenschutzpolitik, wie wir sie uns vorstellen. Wir wollen einen un­abhängigen VKI, der in der Lage ist, diese berechtigten Interessen der Konsumentin­nen und Konsumenten wahrzunehmen (Beifall bei der SPÖ), nämlich auch im Sinne der österreichischen Wirtschaft, die, glaube ich, davon profitiert, wenn solche unlaute­ren Bedingungen von Haus aus unterbunden werden.

Ich glaube, ganz wichtig ist es auch, den Menschen da draußen am Ende des Tages zu sagen: Worüber diskutieren wir wirklich? – Wer in Österreich einen vernünftigen Konsumentenschutz haben möchte, der muss 50 Cent (eine 50-Cent-Münze in die Hö­he haltend) investieren. Diese 50 Cent, die man nicht einmal sieht, sind der Betrag, der notwendig ist, um diese Unabhängigkeit des VKI abzusichern. Ich glaube, das sollte es uns wert sein. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hanger. – Bitte.


17.49.39

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren, wie mein Vorredner ja schon gesagt hat, das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 und auch eine Änderung im Kar­tellgesetz 2005.

Das ist eine gute Gelegenheit, gleich einmal zu Beginn ein klares Bekenntnis zum Kon­sumentenschutz in Österreich abzulegen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Ich schaue da den Kollegen Wurm an. Es hat ja im Vorfeld interessante Diskussionen dazu gege­ben, alle möglichen Presseaussendungen mit Wortmeldungen, die gar nicht nachvoll­ziehbar sind, weil wir uns, glaube ich, parteiübergreifend einig sind: Wir wollen Konsu­mentenschutz in Österreich haben – und ich möchte ausdrücklich auch festhalten, dass der Verein für Konsumenteninformation wirklich sehr gute, außerordentlich gute Arbeit geleistet hat. Er ist wichtig für die Konsumenten, gar keine Frage! Da geht es um Rechtsdurchsetzung auf der einen Seite, darum, eine entsprechende Begleitung anzu­bieten, es geht um vergleichende Warentests, es geht um vergleichende Dienstleis­tungstests und ein breites Portfolio, und es ist mir wichtig, ein klares Bekenntnis dazu abzugeben.

Ich möchte gleichzeitig die Gelegenheit nutzen, um mich herzlich bei den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern des VKI zu bedanken, ich möchte ihnen auch meine Wert­schätzung ausdrücken. (Abg. Wurm: Aber, aber!) Ich verstehe auch die Sorge im VKI, wenn quasi schon über Jahre die Finanzierungsfrage diskutiert wird, und ich verstehe auch, dass es da den Wunsch nach Planungssicherheit gibt, aber (Abg. Wurm: Aber!) das Allerwichtigste ist: Dieses Bekenntnis ist da und dieses Bekenntnis kommt auch sehr klar in dem Antrag, den wir heute gemeinsam mit den Grünen einbringen, zum Ausdruck, weil wir die finanzielle Ausstattung des VKI deutlich verbessern.

Bis jetzt hat es eine Basisförderung in der Größenordnung von gut 1 Million Euro ge­geben, eine Zusatzförderung, die wieder daran gebunden war, dass über die Kartell­strafen die notwendigen Erlöse hereinkommen, und es hat über Werkverträge Leis­tungen gegeben, die vereinbart waren, was eine Gesamtsumme von knapp über 4 Mil­lionen Euro ergab. Der Gesetzesantrag sieht vor, dass es deutlich über 4 Millionen Eu­ro werden. Es sind nun 600 000 Euro mehr, und alleine diese 600 000 Euro sind Aus­druck dessen, dass wir zum Konsumentenschutz in Österreich stehen, und sie bringen auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im VKI die entsprechende finanzielle Si­cherheit für 2020.

Es ist tatsächlich so, dass der Antrag von SPÖ und FPÖ eigentlich mit unserem Antrag ident ist (Abg. Vogl: Nein!), er unterscheidet sich eigentlich nur in der Fristigkeit (neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Vogl) – und in ein paar Detailfragen, okay. Inhaltlich ist er aber sehr, sehr ähnlich, divergiert nur in der Fristigkeit, und zwar aus folgendem Grund – darauf möchte ich schon hinweisen –: Wir haben gerade auch im Nationalrat in zwei Entschließungsanträgen gesagt, wir brauchen eine Evaluierung des VKI. Die Welt dreht sich ja weiter, es gibt Veränderungen, und natürlich ist auch der VKI ge­fordert, auf diese mit entsprechenden Änderungen zu reagieren. Wenn man nämlich quasi Steuergelder für etwas einsetzt, dann, denke ich, ist es letztlich auch unser Recht, eine Kontrollfunktion auszuüben, auch wissen zu wollen, was mit diesem Geld passiert. Das bringt unser Antrag zum Ausdruck.

Ich verweise natürlich auch noch auf die entsprechenden Koalitionsverhandlungen, die derzeit im Laufen sind. Gerade dort ist natürlich der Konsumentenschutz ein wichtiges Thema, gerade dort ist es auch wichtig, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen,


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dass der VKI und der Konsumentenschutz in Österreich nachhaltig abgesichert sind. Ich hoffe sehr, dass es hier zu einer guten Lösung kommt, aber wir als ÖVP stehen zu einem starken Konsumentenschutz in Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


17.53.01

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Zuseher! Die Worte höre ich wohl, Kollege Hanger, der Glaube fehlt mir da allerdings schon recht deutlich. (Abg. Hanger: Das Gesetz anschauen!)

Um vielleicht auch noch einmal für die Zuseher und Zuhörer zu Hause klarzustellen, worum es da eigentlich geht: Es geht – und das ist eigentlich die Schande an der gan­zen Geschichte – in Wahrheit um 600 000 Euro. (Abg. Hanger: Die ... wir ja eh!) Das ist quasi der Anlassfall der Diskussion. Es geht um 600 000 Euro, ein Budgetposten, der sich im Gesamtbudget des Staates Österreich quasi nicht einmal irgendwo finden lässt, so klein ist die Summe im Gesamtbudget.

Der Hintergrund ist – das muss man auch dazusagen –, dass die finanziellen Probleme des VKI schon über Jahre bekannt sind und wir die letzten zwei, drei Jahre auch ge­meinsam mit der SPÖ und mit anderen Parteien wirklich versucht haben, den VKI fi­nanziell auf stabile Beine zu stellen, dem ganzen VKI im Sinne der Konsumenten in Österreich auch eine Neuausrichtung zu geben, weil die letzten Jahrzehnte der Kon­sumentenschutz eins mit dem VKI war. Wir haben zwar ein Ministerium, das Bundes­ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz heißt, aber die eigentliche Arbeit im Konsumentenschutz hat der VKI erledigt.

Jetzt kann man immer sagen, dass es natürlich auch beim VKI Verbesserungsbedarf gibt, man kann Reformen machen; ich möchte aber schon auch hier, an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich Folgendes sagen: Ich glaube, gerade gestern hat die Be­legschaft des VKI – das sind immerhin 100 Mitarbeiter – in einer Betriebsversammlung beschlossen, freiwillig auf ihre Gehaltsvorrückungen im Jahr 2020 zu verzichten. Also ein noch deutlicheres Zeichen von einer Belegschaft kann man nicht finden, als dass alle sagen, sie sind auch von sich aus bereit, wirklich eine Vorleistung zu erbringen, um den VKI am Leben zu erhalten.

Wenn man mit Mitarbeitern des VKI spricht, dann wird man auch sehr schnell bemer­ken, dass sehr, sehr viele dieser Mitarbeiter, um nicht zu sagen alle, da auch mit Herz dabei sind. Sie wissen, wie wichtig ihre Aufgabe ist, und machen das mit Leidenschaft.

Nun muss man fairerweise schon sagen, dass die Arbeit des Konsumentenschutzes und damit des VKI natürlich nicht jedem in Österreich gefällt. Natürlich gibt es auch In­teressengruppen, sage ich einmal, die am liebsten keinen Konsumentenschutz oder einen schwachen Konsumentenschutz hätten, und diese Kräfte sollten und dürften ei­gentlich nicht obsiegen. Summa summarum war eigentlich alles auf Schiene, du (in Richtung Abg. Hanger) – beziehungsweise deine Kollegen – bist ja auch mit dabei ge­wesen. Wir hatten das also mehr oder weniger parteiübergreifend geregelt, wir haben auch – dafür bin ich sehr dankbar – im Ministerium gemeinsam mit der Frau Minister einen Gesetzestext entworfen, der wirklich die mittel- bis langfristige Sicherstellung ei­ner zufriedenstellenden Arbeit des VKI bedeutet hätte, und dieser wurde und wird jetzt von der ÖVP torpediert – ich sage es so deutlich.

Das überrascht mich aber nur ein wenig, sage ich einmal, und nicht in der Tiefe. Ich bin viel gewöhnt, ich bin ja auch nicht mehr 20, das heißt, ich bin nicht so dramatisch überrascht. Wovon ich aber erschüttert bin – ich habe es auch im Ausschuss gesagt –,


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was mich letzte Woche im Budgetausschuss wirklich erschüttert hat, ist die Haltung der Grünen. Das ist für mich überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, weil das Thema VKI Ihre Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP nicht scheitern lassen kann. Da wird es wesentlich dramatischere Themen geben, und 600 000 Euro und der VKI werden die Koalitionsgespräche nicht platzen lassen.

Der Konsumentenschutz war bei Ihren Vorgängern, die ich noch im Parlament erlebt habe, über Jahrzehnte ein Thema, das einmal ideologisch wirklich zu den Kernthemen und Kernkompetenzen der Grünen gehört hat. Das geben Sie aber freiwillig, ohne Widerstand und ohne Not auf, und ich bin schon sehr gespannt, Frau Kollegin Fischer, wie Sie das erklären wollen. Ich denke, Sie werden es mit Engelszungen machen, klar, aber es bleibt das übrig, was wirklich dramatisch ist: Wir vergeben hier heute – schuld daran sind die Grünen – die Gelegenheit, den VKI mittel- bis langfristig finanziell wirk­lich stabil abzusichern, und das ist eine Erbsünde, mit der Sie sehr lange werden leben müssen.

Es hat bei Ihren Vorgängern, bei den Grünen in der letzten Periode, eine ähnliche The­matik gegeben – ich sage es noch einmal dazu –, da haben die Grünen gleichfalls die Räuberleiter gemacht, und zwar für die Luxuspensionen, die damit für die nächsten Jahrzehnte gesichert wurden. Auch da haben die Grünen mitgespielt, damit die Luxus­pensionen, die 10 000-, 15 000-Euro-Pensionen bei Nationalbank und Co, gesichert bleiben, und Sie, Frau Fischer, machen heute im Konsumentenschutz etwas Ähnliches.

Sie nicken mit der ÖVP etwas ab, was den VKI spätestens Mitte nächsten Jahres in den Konkurs treiben wird. Und sollten Sie diese Koalition mit der ÖVP nicht abschlie­ßen können oder sollten Sie dann im Sommer 2020 draufkommen, dass der Finanzmi­nister, der dann zuständig ist, die Versprechen, die Sie bekommen haben, vielleicht nicht erfüllen wird, dann ist der VKI Geschichte und wird auch nicht mehr in der Form, wie er heute besteht, neu zu gründen sein. Das heißt, wenn er einmal tot ist, dann wird er auch tot bleiben. (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

Ich bin nach vielen Jahren Arbeit im Konsumentenschutz der festen Überzeugung, dass es einige Gruppen in Österreich gibt, die genau dieses strategische Ziel haben, und die Grünen helfen heute mit, dieses strategische Ziel zu erreichen. Das ist für mich wirklich erschütternd und schockierend. Sie, Frau Fischer, erhalten gleich das Wort (Zwischenruf des Abg. Deimek), und ich bin schon gespannt, wie Sie das der Be­völkerung in Österreich erklären wollen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fi­scher. – Bitte.


17.59.36

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Also ich glaube, wir werden hier keinen Dialog machen, weil der Konsumentenschutz viel zu wichtig ist, als dass sich jetzt zwei oder drei Parteien matchen. Konsumentenschutz geht uns nämlich alle an.

Es geht um einen fairen Wettbewerb, und den gibt es dann, wenn wir dafür sorgen, dass Spielregeln eingehalten werden. Das heißt, es geht darum, dass wir den Konsu­mentenschutz konstruktiv so verbessern, dass es auf der einen Seite gar keine Par­teieinflüsse gibt und dass wir uns auf der anderen Seite den Herausforderungen der heutigen Zeit stellen – sei es im Bereich Datenschutz, sei es im Bereich der Sammel­klagen oder sei es auch hinsichtlich der geplanten Obsoleszenz. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir den Verein für Konsumenteninformation in der Rolle sehen wollen, in die er gehört – zum Wohl der Bevölkerung und auch zum Wohl der Wirtschaft, der anstän-


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digen Klein- und Mittelbetriebe, die sich eben nicht durch Internetabzocke bereichern –, dann werden wir einen gemeinsamen Weg finden. Dieser gemeinsame Weg ist nicht, zu sagen, dass der Vorsitzende des Konsumentenschutzausschusses jahrelang zu we­nig gemacht hat und gewusst hat, dass der VKI in einer prekären Situation ist.

Das, was wir heute machen, ist ein erster Schritt, es ist ein Meilenstein: Zum ersten Mal wird es ein Gesetz geben, das den VKI für ein Jahr finanziell so aufstellen wird, wie er bisher nie aufgestellt war. Es gibt eine Ausschussempfehlung, die vorsieht, dass der VKI um 600 000 Euro mehr bekommen soll als bisher.

Ich halte es für richtig und wichtig, dass die drohende Liquidierung hintangehalten wird. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt dazu. Es braucht einen unabhängigen Konsumen­tenschutz für uns alle und nicht für ein oder zwei Parteien. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Corne­lia Ecker. – Bitte.


18.02.32

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Verein für Konsumenteninformation leistet bereits seit mehreren Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Ver­braucherinnen und Verbrauchern in diesem Land. Gerade er hat in vergangenen Jah­ren auch mehrfach Studien präsentiert, welche das Vorkommen des Totalherbizids Glyphosat in Nahrungsmitteln und Produkten des täglichen Lebens aufzeigen. Auf­grund dieser vielen Studien und anderer Studien von unabhängigen Einrichtungen wur­de im Juli 2019 hier im Hohen Haus das Verbot von Glyphosat mit einer großen Mehr­heit beschlossen. Umso mehr hat es mich als Landwirtschaftssprecherin meiner Fraktion und noch viel mehr als Mutter zweier Kinder getroffen, als mich die Nachricht erreicht hat, dass Bundeskanzlerin Bierlein dieses Verbot mit 1. Jänner 2020 nicht in Kraft setzen wird.

Erstaunlich ist dazu auch die Positionierung der Grünen, die sich in dieser Frage ihre Position erst von der ÖVP haben absegnen lassen. Ich möchte hier an Ort und Stelle einen Appell an alle Fraktionen im Haus richten: Wir haben heute und jetzt die Chance, dieses wahrscheinlich krebserregende Mittel zu verbieten, und ich würde Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass die ÖVP mit aller Vehemenz dieses Verbot verhindern und nicht in Kraft setzen lassen möchte, ist ohnedies bekannt, war doch die ehemalige Landwirtschaftsminis­terin Köstinger eine der größten Lobbyistinnen von Monsanto und Co. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als SPÖ sehen es als unsere Aufgabe, die Menschen in diesem Land vor solchen Mitteln zu schützen, vor allem, wenn sie auch krebserregend sind. Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „österrei­chisches Glyphosat-Verbot“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundeskanzlerin bzw. die zuständigen Bundesministerinnen und Bundesminister werden aufgefordert, unverzüglich einen mit der Regelung des § 18 Abs. 10 Pflanzen-


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schutzmittelgesetz 2011 im Beschluss 193/BNR des Nationalrates identen Entwurf ei­nes Glyphosat-Verbots an die Europäische Kommission zu notifizieren und zu prüfen, ob dem VKI die Kosten für die Testung von Alltagsprodukten auf Glyphosat-Verunreini­gung ersetzt werden können.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Philip Kucher, Julia Herr, Ge­nossinnen und Genossen

zu TOP 4) Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 24/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das VKI-Finanzierungsgesetz 2019 erlassen und das Kartellgesetz 2005 ge­ändert wird (10 d.B.)

betreffend österreichisches Glyphosat-Verbot

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat mehrfach Studien durchgeführt, wo­nach der Wirkstoff Glyphosat in Nahrungsmitteln oder Alltagsprodukten nachgewiesen werden konnte (vgl. zB hier für Bier: https://www.konsument.at/glyphosat042018 oder hier für Babywindeln: https://vki.at/test-windeln-112018). Unter anderem auf Grund sol­cher Studienergebnisse hat der österreichische Nationalrat sowie der österreichische Bundesrat im Juli 2019 mit überwältigender Mehrheit beschlossen, dass das Inverkehr­bringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ab 1.1.2020 verboten sein soll. Glyphosat wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als wahrschein­lich krebserregend eingestuft.

Dieses Verbot wurde beschlossen, da sich die Mehrheit der Konsumentinnen und Kon­sumenten ein glyphosatfreies Österreich wünscht. Die Angst vor der Gesundheitsge­fahr durch diesen Wirkstoff in Umwelt und Lebensmitteln wurde und wird mit jeder Stu­die, die Glyphosat im menschlichen Körper nachweist, höher.

Schutz vor Glyphosat in Lebensmitteln und Umwelt ist Konsumentenschutz!

Aufgrund unterschiedlicher juristischer Interpretationen der sog. „Notifikationsrichtlinie“, Richtlinie (EU) 2015/1535, wurde der oben bezeichnete Gesetzesbeschluss von der Bundeskanzlerin nicht in Kraft gesetzt. Unabhängig von der juristischen Beurteilung, ob die Anforderungen der Notifikationsrichtlinie eingehalten wurden, liegt es im Interesse der österreichischen Bevölkerung, möglichst unverzüglich ein Verbot von Glyphosat in Kraft zu setzen.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundeskanzlerin bzw. die zuständigen Bundesministerinnen und Bundesminister werden aufgefordert, unverzüglich einen mit der Regelung des § 18 Abs. 10 Pflanzen­schutzmittelgesetz 2011 im Beschluss 193/BNR des Nationalrates identen Entwurf ei-


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nes Glyphosat-Verbots an die Europäische Kommission zu notifizieren und zu prüfen, ob dem VKI die Kosten für die Testung von Alltagsprodukten auf Glyphosat-Verun­reinigung ersetzt werden können.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


18.05.31

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Lassen Sie mich damit beginnen, festzustellen, dass der VKI zweifelsohne und unbe­streitbarerweise die Konsumentenschutzeinrichtung in unserer Republik ist und sich in den vergangenen Jahrzehnten durch eine emsige und hochqualitative Arbeit vor allem im Bereich der Rechtsdurchsetzung einen Status erarbeitet hat, hinsichtlich dessen man sagen kann, das ist ein Eckpfeiler unserer gelebten Rechtsordnung. Österreich braucht – und dazu stehen wir NEOS – einen starken institutionellen Konsumenten­schutz, gerade auch – das ist auch vorhin schon gesagt worden – aus Sicht der Wirt­schaft. (Beifall bei den NEOS.)

Ich komme zur Sache: Der VKI steht finanziell katastrophal da, er steht schlecht da – darum sprechen wir heute über den VKI –, und das ist – und das muss auch einmal ge­sagt werden – auch ein Versäumnis der vorangegangenen Regierungen. Diese Si­tuation, die sich hier heute darstellt, ist ja nicht von heute auf morgen eingetreten, son­dern hat sich über Jahre aufgebaut und akkumuliert und kristallisiert sich hier und heu­te heraus. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat strukturelle Gründe, über die meiner Meinung nach heute viel zu wenig gesprochen worden ist.

Wenn man sich die Geschichte des VKI anschaut, dann stellt man fest, er ist, durch­haucht vom Geist der Sozialpartnerschaft, in den Gründungsjahrzehnten der Zweiten Republik erschaffen worden, besetzt mit Mitgliedern aus allen großen Playern der Re­publik: dem ÖGB, der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, der Landwirtschafts­kammer. Das war ursprünglich das Konzept, nur war vorprogrammiert, dass es Inter­essenkonflikte gibt. Es ist ganz klar, dass die Wirtschaftskammer keine große Freude hat, wenn der VKI, in dem sie Mitglied ist, gegen die eigenen Verbandsmitglieder vor­geht. So wurde halt die Mitgliederanzahl sukzessive reduziert, und heute stehen wir mit einem VKI da, der ein einziges reguläres Mitglied hat. Dieses einzige reguläre Mitglied ist die Arbeiterkammer, und das ist ein Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben da eine hinkende Konstruktion, einen Pferdefuß, weil die Arbeiter­kammer als einziges Mitglied natürlich der Grund dafür ist, dass der VKI eben nicht un­abhängig ist. Da können Vertreterinnen und Vertreter der SPÖ noch so oft sagen, dass sie für einen unabhängigen VKI sind, das ist schlicht und ergreifend nicht der Fall. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist auch verständlich, dass die Sozialdemokratie diesen Status jetzt einzementieren will. Und genau das passierte, würde das beschlossen werden, was SPÖ und FPÖ hier beantragen. Dieses Einzementieren wollen wir aber gerade nicht. Wir wollen einen starken, wir wollen einen ausfinanzierten und wir wollen einen unabhängigen VKI, mei­ne sehr geehrten Damen und Herren!

Der richtige Zeitpunkt dafür, diesen unabhängigen VKI zu schaffen und sich zu über­legen, wie er ausschauen kann, ist genau jetzt. Warum ist er genau jetzt? – Weil es auf europäischer Ebene momentan eine, ich sage, Plattentektonik im Bereich des euro-


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päischen Konsumentenschutzes gibt. Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit der EU hat sich vor ungefähr zwei Wochen auf einen Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen im Rahmen eines großen New Deal for Consumers geeinigt. Was sich da abzeichnet, ist eine ganz grundlegende Erneuerung im Bereich der Verbandsklagen europaweit, und das wird den VKI betreffen. Deshalb können wir den Status quo eben nicht einzemen­tieren und deshalb stimmen wir NEOS dem Antrag von ÖVP und Grünen zu und plä­dieren für einen starken, abgesicherten und vor allem unabhängigen Konsumenten­schutz. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmel­bauer. – Bitte.


18.09.17

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie mein Kollege Hanger und Kol­legin Fischer schon ausgeführt haben, soll mit dem heutigen Antrag die Arbeit des VKI auch für das kommende Jahr 2020 abgesichert und somit auch die bisherige Finanzie­rung um 600 000 Euro auf insgesamt 475 Millionen Euro angehoben werden. Das ist heute tatsächlich auch ein starkes Signal für den Konsumentenschutz in Österreich.

Es ist gleichzeitig auch ein klares Bekenntnis zum Konsumentenschutz und zu der Rol­le, die der VKI in diesem Bereich einnimmt. Gleichzeitig geben wir aber auch das klare Bekenntnis dazu ab, dass wir auf Basis einer Evaluierung, die den VKI betrifft, auch die Finanzierung für die darauffolgenden Jahre sicherstellen wollen.

Der VKI ist in unterschiedlichsten Themenbereichen unterwegs: Er berät, vertritt, bietet Informationen. Ich darf aus diesem umfangreichen Portfolio einen Themenbereich he­rausgreifen, der auch mich persönlich in meiner politischen und beruflichen Arbeit betrifft, nämlich das Informationsangebot, bei dem es um Technik, um Onlineangebote oder ums Internet geht. In diesem wesentlichen Bereich – in dem das natürlich auch notwendig ist – wollen viele Menschen, die Informationen im Umgang mit Onlineshops, mit Verträgen et cetera benötigen, eine unparteiische, unabhängige Meinung.

Wir sehen auch, dass sich – betreffend die Schattenseiten des Internets – im Internet kriminelle Onlineshops, Fakes oder gekaufte Onlinebewertungen, die natürlich auch Meinungen beeinflussen, finden, und dass Identitätsdiebstahl stattfindet oder es Si­cherheitslecks in Apps gibt. Überall dort, wo das Realität ist, braucht es gute Informa­tion, damit man erst gar nicht in die Falle geht, beziehungsweise eine entsprechende Beratung hinsichtlich der Durchsetzung der eigenen Rechte.

Die zuvor geäußerte Kritik, dass die Wirtschaft kein Interesse daran hätte, dass es ei­nen starken Konsumentenschutz gibt, möchte ich hier auch widerlegen, denn gerade hinsichtlich des Onlinegeschäfts ist es ganz wichtig, dass jene redlichen Unternehmer, die sich an unsere Gesetze, an europäische Vorgaben halten, geschützt werden und dass gerade ausländischen Onlineshops, die auch nach Österreich liefern und die Kon­sumentenschutzrechte nicht beachten, da auch etwas entgegenhalten wird.

Wir alle wissen, dass wir aufgrund der Neuwahlen, aufgrund der Übergangssituation, auch aufgrund dessen, dass wir bis dato kein Budget beschließen konnten, heute ganz bewusst sagen: Wir müssen eine Übergangslösung für 2020 schaffen und auf Basis der Evaluierung eine langfristige Lösung ins kommende Budget mit hineinnehmen. Ich glaube, dass es in unserem Sinne ist, für den Staat und auch für die Bürgerinnen und Bürger verantwortungsbewusst zu handeln. Verantwortungsbewusstes Handeln heißt, auch einmal einen Schritt zurückzugehen, zu planen, zu analysieren, zu bewerten. Wir lassen dabei niemanden im Regen stehen.


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Gerade heute zeigen wir, dass wir eine Brücke bauen, bis ein ausgereifter Budgetplan vorliegt. Wir tragen damit auch die Verantwortung für die Steuerzahlerinnen und Steu­erzahler und für die Konsumentinnen und Konsumenten. Daher ist dieser Antrag von Kollege Hanger und Kollegin Fischer genau der richtige Weg. (Beifall bei der ÖVP.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


18.13.07

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen im Nationalrat! Zuhörer und Zuhörerinnen! Der Verein für Konsumenteninformation hat in den letzten Jahren sehr, sehr viel und gute Arbeit geleistet. Ich habe diese immer schon sehr wertgeschätzt und deswegen auch von mir bei meiner ersten Rede hier im Parlament ein herzliches Dankeschön an den VKI. (Bei­fall bei den Grünen.)

Ich habe in meiner Tätigkeit als Energieberater bemerkt, dass in Österreich sehr oft Hil­festellungen notwendig sind. Es sind zum Beispiel die Stromrechnungen, die ich bei meinen Kunden und Kundinnen gesehen habe, teilweise so unübersichtlich, dass sie manches Mal von Akademikern nicht verstanden werden. Das erklärt dann oft, warum ein Stromanbieterwechsel so schwierig ist, warum es so schwer ist, zu wechseln. Da­bei wäre es nur eine Handvoll Zahlen, die man dafür braucht, und man könnte diese ei­gentlich auf einer Seite Papier darstellen.

Da der Umstand so ist, wie er ist, hat der VKI da auch in den letzten Jahren, glaube ich, einen ganz wertvollen Beitrag geleistet, indem er aufgezeigt hat, wie einerseits ein solcher Stromanbieterwechsel funktionieren kann und dass andererseits Ökostrom auch nicht teurer als fossiler Strom ist. Nebenbei hat er auch noch erklärt, wie Green­washing – wenn schmutziger Strom auf der Stromrechnung plötzlich sauber wird – funk­tioniert.

Das zeigt, wie wichtig der VKI in unserer Gesellschaft ist. Er muss immer wieder ein­springen, wenn die Gesetze nicht gut sind oder wenn die Konsumenten ansonsten schwer zu ihrem Recht kommen. Der Konsumentenschutz ist aber nicht nur Aufgabe des VKI allein, da müssen wir uns sozusagen schon auch an der Nase nehmen. Wir müssen darauf achten, dass wir Gesetze, die klarer und einfacher sind, entsprechend umsetzen. Wir haben das schon bemerkt, denn wir haben heute auch noch einen An­trag zum Thema Glyphosat vorliegen, bei dem man etwas reparieren muss. Da werden wir natürlich mitgehen, weil es da auch um den Schutz der österreichischen Bevölke­rung geht.

Wir müssen den Konsumentenschutz noch etwas breiter denken und uns überlegen, wie wir das in Zukunft generell verbessern. Wenn wir hier nur über die Finanzierung der Basisförderung für den VKI sprechen, dann greift die ganze Diskussion etwas kurz, denn nur die Basisförderung für den VKI wird nicht ausreichen, um all die Themen, die im Bereich des Konsumentenschutzes in Österreich noch offen sind, abzudecken. Es wird noch sehr viele andere Themen geben, derer wir uns annehmen müssen.

Der VKI hat gezeigt, dass Untersuchungen zur Energieeffizienz, zur Lebensdauer von Produkten sehr wichtig sind. Deren Ergebnisse fließen in Gesetze, in Normen, in Stan­dards ein und werden weiterverarbeitet. Bei Lebensmittelkontrollen wäre das, glaube ich, auch ganz wichtig. Ich erinnere an Fukushima: Hat sich irgendjemand darüber Ge­danken gemacht, ob wir vielleicht zusätzliche Kontrollen gebraucht hätten, nachdem dort die Grenzwerte angehoben worden sind?


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Die heutige Beschlussfassung ist für die Finanzierung des VKI für das nächste Jahr sehr, sehr wichtig. Ich lade dazu ein, auch einer besseren Ausstattung für das nächste Jahr zuzustimmen, aber vor allem lade ich alle Fraktionen ein, dass wir uns in den nächsten Monaten wirklich noch einmal Gedanken darüber machen, was Konsumen­tenschutz in Österreich eigentlich wirklich braucht und welche zusätzlichen Maßnah­men und Instrumente wir für Österreich noch schaffen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


18.17.25

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kärntner Kollege Obernosterer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen ein Zitat bringen, das ich heute gesucht und auch gefunden habe, nämlich ein erschreckendes Zitat von führenden Monsanto-Experten, das letztes Jahr präsentiert und der Öffentlichkeit bekannt ge­macht wurde:

„Sind Sie zuversichtlich, dass Sie die Beamten der Aufsichtsbehörde dazu bringen kön­nen, die 3 Todesfälle in der früheren Studie zur Gänze zu ignorieren [...]?“ – „die 3 To­desfälle in der früheren Studie zur Gänze zu ignorieren“!

Oder: Die Aussage betreffend keinerlei schädliche Auswirkungen auf Flora, Fauna und den menschlichen Körper können wir nicht unterstützen. – Zitatende.

Wir alle haben also hier in der Frage: Glyphosat – ja oder nein?, abzuwägen – der VKI hat da wertvollste Arbeit geleistet –: Stellen wir den Verbraucherschutz und die Ge­sundheit oder Konzerninteressen, die potenziell gefährlich sind und auch Menschenle­ben gefährden können, in den Vordergrund? – Das ist die Entscheidung, die wir treffen müssen. Wir diskutieren heute diese Neverending Story Glyphosatverbot in Österreich, in der es aufgrund formaljuristischer Spitzfindigkeiten dazu gekommen ist, dass Öster­reich es noch immer nicht geschafft hat, diesen in Wahrheit giftigen Dreck aus der Natur wegzubringen, aus dem Regen wegzubringen, aus den Lebensmitteln wegzu­bringen. Es wäre die Aufgabe der Politik gewesen, ein Glyphosatverbot in Österreich durchzusetzen.

Die Frage ist, warum es in Österreich nicht so weit gekommen ist, dass Glyphosat ver­boten wurde. Sebastian Kurz hat irgendwann erkannt oder ist draufgekommen, dass offen zu sagen: Glyphosat ist super!, nicht gut ankommt, dass ihm das niemand mehr glaubt. Also hat Sebastian Kurz entschieden, zu sagen: Elli Köstinger, bitte sei so
nett - - (in Richtung der mit Abg. Strasser sprechenden Abg. Köstinger) – Elli!

Sebastian Kurz dürfte irgendwann draufgekommen sein, dass Glyphosat nicht so lei­wand ist, und hat dann gesagt: Elli, schauen wir, dass wir das Thema möglichst lange weghalten! Du könntest doch sagen, dass man das ganz genau prüfen muss oder dass man sich das ganz genau anschauen muss! Machen wir doch eine Machbarkeitsstudie und irgendwann am Sankt-Nimmerleins-Tag verbieten wir Glyphosat!

Dann ist nichts weitergegangen, und kurz bevor das Parlament tätig geworden ist, ist auf einmal diese Machbarkeitsstudie präsentiert worden und es hat geheißen: Nein, wir tun eh weiter, alles happy-peppy, Glyphosat ist super! (Zwischenruf der Abg. Köstin­ger.) So kann man leider nicht arbeiten. Es hätte mich gewundert, wenn das Ganze dann wirklich funktioniert hätte. Nein, formaljuristische Spitzfindigkeiten haben dazu ge­führt, dass man ein Glyphosatverbot in Österreich wieder hinterfudelt. Es wäre Aufgabe der Politik in Österreich, ein Glyphosatverbot in Österreich gemeinsam zu beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich lade heute die ÖVP dazu ein. (Abg. Loacker: Für Kärntnerisch gibt es keinen Ord­nungsruf!) Sebastian Kurz hat vor zwei Jahren gesagt, Glyphosat – in Wahrheit ein Dreck, der als Rohrreiniger erfunden worden ist – gehöre verboten. Sebastian Kurz hat das nicht zustande gebracht. Ich lade also heute die ÖVP ein (Zwischenruf des Abg. Wöginger), Herr Klubobmann, ich lade dich ein (Abg. Wöginger: Ihr habt ein schlech­tes Gesetz gemacht! Du hast ein schlechtes Gesetz beschlossen ...!): Stimmt heute dagegen, seid dabei, versuchen wir, diesen giftigen Dreck in Österreich zu verhin­dern! – Das wäre eine Einladung, dieses Problem endlich gemeinsam zu lösen (Beifall bei der SPÖ), also: Zeigt Mut, kämpft dagegen!

Ich weiß, dass es führende Lobbyisten und PR-Berater aus dem Umfeld von Sebastian Kurz gibt, die sich für Glyphosat starkmachen, aber: Wir stärken euch gemeinsam den Rücken, habt den Mut, versuchen wir gemeinsam, diesen Dreck in Österreich endlich zu verbieten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Du bist ein Privatdetektiv, in­teressant, was du alles weißt! – Zwischenruf der Abg. Köstinger.)

18.20

18.20.44


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens des Berichterstatters ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir jetzt zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Budgetaus­schusses, seinen Bericht 10 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „österreichisches Glyphosat-Verbot“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (4/E) (Beifall bei der SPÖ.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein VKI-Finanzierungsgesetz 2020 erlassen und das Kar­tellgesetz 2005 geändert wird, samt Titel und Eingang in 11 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

18.22.326. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufge­hoben wird (8 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner ist Abgeordneter Jan Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte.



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18.23.10

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Bei dem vorliegenden Thema geht es um die Frage der Bundeshaftungen, aber nicht nur der Haftungen des Bundes, sondern auch aller anderen Gebietskörperschaften, also jene Fälle, in denen die öffentliche Hand nicht direkt Geld für etwas auszahlt, sondern als Ausfallbürge eine Ausfallhaftung übernimmt. Berühmtestes Beispiel für Ausfallhaftungen war ja die Kärntner Hypo; da wären diese Haftungen aufgrund der Politik der Freiheitlichen in Kärnten tatsächlich schlagend geworden – und das in einer atemberaubenden Höhe –, deswegen sind wir hier sehr genau.

Wir haben am Zustand und an diesem Entwurf drei Kritikpunkte: Der Erste ist ein biss­chen technisch, da geht es um die sogenannte Prozyklizität. Das bedeutet Folgendes: Es gibt in der Wirtschaft ja immer wieder Krisen und Wachstumsphasen. Dieses Ge­setz verursacht, dass man in einer Wachstumsphase immer mehr Haftungen überneh­men kann, was man in der Regel nicht braucht – wenn es mit der Wirtschaft steil bergauf geht, braucht man ja keine großartigen Haftungen zu übernehmen –, aber gleichzeitig in einer Krisensituation immer weniger Handlungsspielraum hat.

Die letzte große Wirtschaftskrise, die Finanzkrise 2008, ist ja nicht lange her. Wenn wir uns das ansehen, sehen wir, dass der Handlungsspielraum, wenn das schon gegolten hätte, für das Parlament, für die Politik, das Richtige zu machen – nämlich zum Bei­spiel die Bankenrettung oder das große KMU-Paket, mit dem wir die Kurzarbeit fi­nanziert haben, aber auch eine Menge von Haftungen für die österreichische Industrie übernommen haben, weil sich die einfach gar kein Geld mehr für die Refinanzierung ausborgen konnte –, in der Krise kleiner wird. Das heißt, wir sehen da das Problem, dass wir in Zukunft Schwierigkeiten haben werden, das Richtige zum richtigen Zeit­punkt zu machen, weil die Regeln, die hier aufgestellt werden, dazu führen, dass es prozyklisch ist, also etwas, was man eigentlich in der Wirtschaftspolitik vermeiden will.

Das Zweite ist die mangelnde Transparenz: Erstens werden Meldeverpflichtungen, die Bestandteil des bestehenden Gesetzes waren, nun gestrichen. Bisher war es so, dass es der Statistik Austria gemeldet werden musste, wenn jemand eine Haftung oder eine Haftungsausnützung um mehr als 10 Prozent oder um 1 Million Euro überschritten hat. – Das fällt weg. Zweitens gibt es auch keinen öffentlichen Bericht, keinen Haf­tungsbericht für alle Teile – nicht nur für den Bund, sondern vor allem auch für Länder, für Gemeinden, für ausgegliederte Einrichtungen –, sodass man in der Öffentlichkeit auch überhaupt nicht sieht, welche Haftungen existieren.

Wir wissen, bei den Haftungen ist Transparenz ganz, ganz wichtig. Einer der Gründe, wieso das bei der Hypo so schiefgehen konnte, ist, dass damals die Landesregierung unter FPÖ-Landeshauptmann und -Finanzlandesräten (Zwischenruf des Abg. Ange­rer) niemals öffentlich und nicht einmal im Landtag dargelegt hat, wie hoch die Haftun­gen sind. Das war ja eines der Probleme. Auch der Rechnungshof hat übrigens die Hö­he der Haftungen damals nicht ausgewiesen, der macht das in der Zwischenzeit (Abg. Angerer: Eingeführt von ÖVP-Landeshauptmann ...!), aber es gibt keine automatische Veröffentlichung der Haftungen. – Das ist der zweite Grund, den wir sehen.

Der dritte Grund ist folgender: Es ist ein systematischer Bruch mit der bisherigen Si­tuation, aber es gibt ja einen Vorschlag der FPÖ, dass Zinsen von Haftungen auch ausgewiesen und eingerechnet werden sollen. Das wäre an und für sich ein Bruch mit der bisherigen Systematik, aber das ist ein Punkt, über den wir halt auch nachdenken.

Das sind die drei offenen Fragen, die an und für sich zur Diskussion stehen. Ich habe in der Zwischenzeit gehört, dass die anderen Fraktionen – also die ÖVP, die Grünen – durchaus gesprächsbereit sind und über diese Punkte reden wollen. Ich würde sagen: Tun wir das, reden wir über diese drei Punkte, wie wir dieses Gesetz verbessern kön-


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nen! Ich glaube, dass wir im Grundsatz nicht weit auseinanderliegen, aber ich glaube auch, dass die Kritikpunkte, die wir da sehen, fachlich durchaus gerechtfertigt sind und auch einer vernünftigen Diskussion bedürfen; insofern würde ich vorschlagen, dass wir diese Gespräche noch führen und heute das Gesetz nicht in dieser Form verab­schieden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte.


18.27.57

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wir beschließen heute eine Änderung des Bundeshaftungsobergrenzengesetzes und damit die Aufhebung des EUROFIMA-Gesetzes. Damit es nicht nur für die Experten und für die Mitglieder des Budgetausschusses verständlich ist, was wir heute be­schließen, beginne ich mit einer kurzen Erklärung – wir sind zwar nicht ganz einer Mei­nung, aber Kollege Krainer hat ja schon einiges ausgeführt –: Grundsätzlich geht es dabei um die Neuregelung der Haftungsobergrenzen. Haftungen sind ja die Leistungs­pflicht des Schuldners gegenüber seinem Gläubiger, und diese Haftungen sind nach oben durch die sogenannten Obergrenzen limitiert.

Wir bekennen uns auch ganz klar dazu: Haftungen sind wichtig, einerseits natürlich für die Wirtschaft und andererseits auch für die Republik. In dieser Hinsicht, glaube ich, liegen wir bei diesem Thema ja nicht sehr weit auseinander. – Ein bisschen wundert mich das jetzt: Wir haben im Budgetausschuss schon darüber diskutiert, wir haben ver­sucht, für diese offenen Punkte eine Lösung zu finden, wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, das bis heute zu regeln. Ich empfehle schon, dass wir das beschließen, denn wir brauchen auch eine gewisse Rechtssicherheit, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben ja bereits anlässlich des Finanzausgleiches 2017 eine Neuregelung der Obergrenzen vereinbart, und sie auch in der 15a-Vereinbarung entsprechend umge­setzt. Diese Haftungsobergrenzenvereinbarung gilt ab 2019, sieht jedoch nur Pau­schalhaftungsobergrenzen für Bund, Länder und Gemeinden sowie deren außerbud­getäre Einheiten vor. Wir haben deshalb diesbezüglich Handlungsbedarf, und der er­klärt sich auch daraus, dass eben es keine Rechtsgrundlage für die Umsetzung der HOG-Vereinbarung gab. Deshalb brauchen wir eine entsprechende Rechtsgrundlage: für die Festlegung der außerbudgetären Rechtsträger, die Erhebung der Daten durch die Statistik, die Weitergabe der Daten an das Bundesministerium für Finanzen und die Veröffentlichung der Daten im Bundesrechnungsabschluss.

Wenn wir dieses Gesetz heute beschließen – und ich hoffe auf eine breite Unterstüt­zung –, dann wird damit ein anderes Gesetz abgeschafft, nämlich das EUROFIMA-Ge­setz, und das heißt, wir entlasten wieder, wir machen etwas einfacher. Damit ist eine Verringerung und Vereinfachung des Rechtsbestandes verbunden, also das, was wir uns eigentlich vorstellen: ein neues Gesetz her und eines, das wir nicht mehr brau­chen, weg. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen somit eine Einigung aus dem Finanzausgleich 2017 um.

Ich möchte im Rahme der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt auch die Gelegen­heit nutzen, dem Finanzminister für die kompetente Umsetzung seiner Agenden im Mi­nisterium recht herzlich zu danken. Es ist ja auch wichtig, dass man solche Gesetze auf den Weg bringt; dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Finanzminister hat auch  und das ist ja im Budgetausschuss sehr deutlich zum Ausdruck gekommen – keinen Zweifel daran gelassen, dass wir betreffend Budget an einem ausgeglichenen Haushalt festhalten. Das ist ganz wichtig, und diesbezüglich


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geht mein Dank auch an seinen Vorgänger Hartwig Löger, der diesen Weg einge­schlagen hat, den der Herr Minister konsequent fortgesetzt hat. Es war immer ein kla­res Ziel unserer Politik, keine neuen Schulden – das ist ganz wichtig – und keine neuen Steuern zu machen, und deshalb ersuche ich um breite Zustimmung zu diesem Ge­setz.

Es wurden Zinsen beziehungsweise die Anrechnung von Zinsen angesprochen: Die HOG-Vereinbarung hat unter anderem das Ziel, über Gebietskörperschaftsgrenzen hi­nausgehende vergleichbare Darstellungen zu ermöglichen; insofern wäre eine von der HOG-Vereinbarung und den Regelungen der Länder abweichende Regelung zur An­rechnung nicht zielführend, weil dieses Ziel damit nicht erreicht werden kann.

In dieser Hinsicht – Kollege Fuchs, ich schätze Sie sehr, Sie wissen das – würde ich mich freuen, wenn Sie diesem Gesetz zustimmen könnten. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

18.32


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hubert Fuchs. – Bitte.


18.32.24

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wie wir schon gehört haben, dient der vorliegende Gesetzentwurf der Anpassung des Bundeshaftungsobergrenzengesetzes an die 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, mit der Regelungen zu den Haftungsobergrenzen vereinheitlicht wur­den. Eine Anpassung und Vereinheitlichung der Haftungsobergrenzen ist selbstver­ständlich zu begrüßen.

Nicht zu begrüßen ist jedoch – Kollege Krainer hat in seinem dritten Punkt darauf hin­gewiesen –, dass nach der in § 1 Abs. 1 Bundeshaftungsobergrenzengesetz vorge­schlagenen Regelung Zinsen und Kosten auf die Obergrenze der Bundeshaftungen weiterhin nicht angerechnet werden sollen. Der Rechnungshof hat diese Nichtanrech­nung von Zinsen und Kosten wiederholt kritisiert, und auch der Budgetdienst sieht die­se Nichtanrechnung kritisch. Durch die Nichtanrechnung der Zinsen und Kosten könn­ten die tatsächlichen Verpflichtungen des Bundes aus übernommenen Haftungen be­trächtlich höher sein als der gesetzlich festgelegte Gesamtbetrag an Haftungen gemäß BHOG.

Ich stelle daher folgenden Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungs­obergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird“, 8 der Bei­lagen.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

In Ziffer 1 entfällt in § 1 Abs. 1 zweiter Satz das Wort „nicht“.

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.34


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 179

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­deshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (8 d.B.) – TOP 6

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes wird wie folgt geändert:

In Ziffer 1 entfällt in § 1 Abs. 1 zweiter Satz das Wort „nicht“.

Begründung:

Mit der Änderung des § 1 Abs. 1 Bundeshaftungsobergrenzengesetz (BHOG) wird si­chergestellt, dass künftig Zinsen und Kosten in die Obergrenze der Haftungen des Bundes miteingerechnet werden.

Damit wird eine diesbezügliche langjährige Forderung des Rechnungshofes umge­setzt, der dies zuletzt in seiner Stellungnahme vom 26. Juni 2019 zum gegenständli­chen Gesetzesentwurf wie folgt zum Ausdruck brachte:

„Gemäß der vorgeschlagenen Regelung in § 1 Abs. 1 BHOG sollen weiterhin Zinsen und Kosten auf die Obergrenze der Haftungen des Bundes nicht angerechnet wer­den. […] Daher könnten die tatsächlichen Verpflichtungen des Bundes aus übernom­menen Haftungen beträchtlich höher sein als der gesetzlich festgelegte Gesamtbetrag an Haftungen gemäß BHOG.

Die Gesamthaftungsobergrenze des BHOG stellt die sich aus der Übernahme von Haf­tungen ergebenden Auswirkungen auf den Bundeshaushaushalt – wegen der Außer­achtlassung von Zinsen und Kosten – nach Ansicht des RH daher unzureichend dar.

Der RH weist daher auch zur nun vorgeschlagenen Regelung in § 1 Abs. 1 BHOG („Zinsen und Kosten sind auf diese Obergrenze nicht anzurechnen.“) kritisch darauf hin, dass eine Darstellung der Haftungen ohne Zinsen und Kosten unvollständig ist, und die Auswirkungen auf den Bundeshaushalt dadurch nicht in vollem Umfang darge­stellt werden.“

Auch der Budgetdienst verweist in seiner Analyse zum Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahr 2018 auf diesen Umstand:

„Der Rechnungshof (RH) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Gesamthaf­tungsobergrenzen des BHOG Zinsen und Kosten nicht umfassen und dass daher die Auswirkungen aus der Übernahme von Haftungen im Bundeshaushalt unzureichend dargestellt werden.

Auch der vorliegende Bericht weist lediglich den vorläufigen Haftungsstand an Kapital ohne die Haftungen für Zinsen und Kosten per 31. Dezember 2018 aus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 180

Laut dem BRA 2017 betrug der Stand an Bundeshaftungen im Vorjahr unter Ein­rechnung der Haftungen für Zinsen und Kosten 100,1 Mrd. EUR und war damit um 7,0 Mrd. EUR höher als die Haftungen nur für das Kapital iHv 93,1Mrd. EUR.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


18.34.52

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Auch wenn man­che diese Diskussion über das Bundeshaftungsobergrenzengesetz und die Anglei­chung an die HOG-Vereinbarung als nicht besonders prickelnd wahrnehmen werden, glaube ich doch, dass es im Sinne einer verantwortungsvollen Politik und auch einer Politik, die ökonomischen Grundprinzipien folgt, zentral ist, dass wir die Haftungen, die die öffentliche Hand übernimmt, gut regeln.

Noch einmal zur Erinnerung, worum es bei diesem Thema geht: Der Finanzminister oder die Finanzministerin kann für die öffentliche Hand Haftungen für ausgegliederte Gesellschaften übernehmen. Das heißt, wenn zum Beispiel die Asfinag ihre Schulden aus irgendeinem Grund nicht mehr bedienen kann, dann springt der Staat ein. Da sagt einem schon der Hausverstand, dass es sinnvoll ist, diese Haftungen irgendwie nach oben hin zu begrenzen.

Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Wir erinnern uns leidvoll an die Jah­re 2008, 2009 und folgende, als eine gewisse Landesregierung in Kärnten – Herr Kolle­ge Krainer hat es auch schon angesprochen – sich eine Bank gehalten hat. Die Lan­desregierung war FPÖ-geführt (Abg. Hafenecker: Der Herr ... war ein ÖVPler! Ich sag’s nur!) und hat Haftungen von bis zu 25 Milliarden Euro für eine Bank übernom­men, die natürlich – bei einem Landesbudget von 2 Milliarden Euro – vom Land nicht mehr bedient werden konnten. Es ärgert mich heute noch, dass die österreichischen Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler am Ende dafür die Rechnung haben zahlen müssen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Um das zu beheben, wurde 2012 der innerösterreichische Stabilitätspakt beschlossen. Da gab es zwar die Absicht, Obergrenzen einzuführen, aber es wurden keine Höhe und keine Berechnungsart festgelegt. Entsprechend gab es, wie in Österreich üblich, einen Wildwuchs von verschiedenen Obergrenzen; in Kärnten hatte man Haftungen in der Höhe von ungefähr 300 Euro pro Einwohner und in Tirol von 11 000 Euro. Das ist 2017, nach einer Rüge des Rechnungshofes, mit der HOG-Vereinbarung angeglichen worden. Das Bundeshaftungsobergrenzengesetz ist allerdings nicht mit angepasst wor­den, und deshalb gibt es diese Inkonsistenz. Zusätzlich ist der Geltungszeitraum, der im Bundeshaftungsobergrenzengesetz festgeschrieben ist, mittlerweile ausgelaufen; insofern gibt es auch einen gewissen Handlungsbedarf. Diese Anpassung und diese Vereinheitlichung sind deshalb grundsätzlich sinnvoll.

Ich teile das Argument der Prozyklizität nicht, weil ohnehin eine Verzögerung von zwei bis fast drei Jahren in diesem Mechanismus drinnen sind, da immer das Budget des Vorvorjahres herangezogen wird. Dem Abänderungsantrag des Kollegen Fuchs würde ich nicht zustimmen, weil das ein gewisser Bruch mit der Systematik ist und auch einen Haufen Zusatzarbeit bewirkt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 181

18.38.16

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeshaftungsobergrenze liegt der­zeit bei 197 Milliarden Euro. Worauf bezieht sich das? – Das bezieht sich auf Haf­tungen, die der Bund übernimmt, und gemeint sind auch Haftungen für außerbudgetäre Einheiten, also Beteiligungen, etwa an den ÖBB oder der Asfinag.

Wie lautet die derzeitige Regelung? – Haftungen für außerbudgetäre Einheiten müssen als Gesamtstand per Ende Jänner für das Vorjahr gemeldet werden. Was würde mit der neuen Regelung anders sein? – Dieser Punkt bleibt, aber ein wesentlicher Punkt, nämlich die Vorschau betreffend Haftungen, würde entfallen.

Ein anderer wesentlicher Punkt ist schon kurz angesprochen worden, nämlich dass die unverzügliche Meldung bei Überschreitungen der Haftungsobergrenzen um 10 Prozent oder 1 Million Euro nicht mehr erfolgen muss. Diese unverzügliche Meldung muss nicht mehr erfolgen. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass man dazu keine Daten, Fak­ten, Informationen hat, und das wiederum bedeutet, dass man darauf nicht zeitnah re­agieren kann, etwa in einer Hauptversammlung abklären kann, was der Grund dafür war.

Wir als SPÖ-Fraktion fordern eindringlich den Verbleib dieser beiden Punkte: unver­zügliche Meldung bei 10-prozentiger Überschreitung oder um 1 Million Euro und die Vorschau – das muss bestehen bleiben.

Wie schaut es jetzt aus? Wie werden wir über Haftungen informiert? – Wir bekommen im Budgetausschuss einmal pro Jahr einen Bericht, der wird dann diskutiert. Das ist schön und gut, aber insgesamt zu wenig an Transparenz. Wichtig wäre, dass diese Haftungen offengelegt werden und dass das für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Das heißt, dieser Bericht wäre sinnvollerweise auf der Internetseite des Bundesministe­riums für Finanzen zu veröffentlichen – dann könnte man wirklich Einsicht nehmen.

Was haben wir aus dem Hypo-Ausschuss gelernt? – Wir haben gelernt, wie fatal es sich auswirkt, wenn man über Haftungen nicht Bescheid weiß, wenn niemand reagiert und niemand die Stopptaste drückt, weil niemand davon weiß. Es ist also wirklich eminent wichtig – das betone ich auch als Rechnungshofsprecherin –: Haftungen müs­sen öffentlich einsehbar sein.

Zusammenfassend darf ich noch einmal festhalten: Die Vorschau muss bleiben, die unverzügliche Meldung bei 10-prozentiger Überschreitung sollte bleiben, und ganz we­sentlich ist die Veröffentlichung. Es ist auch gut, wenn der Rechnungshof ein Auge auf Haftungen hat, beispielsweise im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten. Trans­parenz ist da das Um und Auf. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


18.41.10

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Wir diskutieren hier den Antrag des Kollegen Haubner betreffend eine Änderung des Bundeshaftungsobergrenzengesetzes, und dahin gehend werden zwei wichtige Punkte umgesetzt: zum einen die 15a-Vereinbarungen aus dem Finanzausgleich des Bundes mit den Ländern aus dem Jahr 2016 und zum anderen die Empfehlungen in einem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2015. Der Rechnungshof hat damals ers­tens geprüft, ob die Regelungen betreffend die Haftungsobergrenzen dem aktuellen Recht entsprechen, und zweitens, ob die Vorgaben und Zielsetzungen des österreichi­schen Stabilitätspakts auch umgesetzt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 182

Bis zur heutigen Umsetzung dieser Anpassungen hat es insgesamt 17 unterschiedliche Haftungsobergrenzen gegeben; der Kollege hat es angesprochen. Das waren pau­schale Obergrenzen. Neun hat es für die Bundesländer gegeben und acht waren in den einzelnen Bundesländern dann noch für Gemeinden vorgesehen. Diese Haftungs­obergrenzen wiesen Unterschiede hinsichtlich der Höhe, der Ermittlungsgrundlagen, aber auch des Geltungsumfangs und des Geltungszeitraums auf.

Was war die Folge? – Die Folge war eine mangelnde Transparenz, und genau dieser wirken wir heute entgegen. Damals war nicht feststellbar, inwieweit die festgelegten Haftungsobergrenzen der vorgesehenen Zielsetzung entsprachen, nämlich einen Bei­trag zur Sicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und zu nachhaltig ge­ordneten Haushalten zu leisten.

Wir steigern somit die Transparenz und tragen dem Bericht des Rechnungshofes heute Rechnung, in dem steht – ich zitiere –: „Jedenfalls sollten die Haftungsobergrenzen ge­samtstaatlich nach einer einheitlichen Methodik auf vergleichbaren Grundlagen festge­legt und so gestaltet werden, dass die Erfüllung der Zielsetzungen des [...] Stabi­litätspakts 2012 [...] daraus ableitbar ist.“ Wir stellen auf eine einheitliche Berechnungs­methode nach wirtschaftlichen Kriterien um. Diese Novelle schafft somit auch eine rechtliche Grundlage für die Festlegung der außerbudgetären Rechtsträger, für die Er­hebung der Daten durch die Statistik und die Weitergabe der Daten an das Finanz­ministerium sowie die Veröffentlichung der Daten im Bundesrechnungsabschluss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte euch, diesem Gesetz, diesem guten Gesetz, eure Zustimmung zu geben, denn wir schaffen mit dieser Rechtsbereinigung – indem wir ein altes Gesetz abschaffen und das neue dementsprechend beschließen – auch eine Vereinfachung und eine eindeutige Rechtslage. Ich danke allen, die diesen Weg im Sinne der Vereinfachung, der Transparenz und der Sicherheit mitgehen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ger­hard Deimek. – Bitte.


18.44.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Im Rahmen dieser Debatte über eine Obergrenze der Haftungen, vor allem – oder genau genommen – für außerbudgetäre Einheiten des Bundes, geht es mir um ein Kapitel oder um eine Firma, nämlich die ÖBB und deren Tochter, die ÖBB-Infra­struktur, die langfristig geplant hat, die Weststrecke, die Westbahn auszubauen. In die­sem Zusammenhang bringe ich gleich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Alois Stöger, diplô, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Ein­vernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, die Errichtung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Gemeindegebiet der Stadt Leonding in den kommenden Rahmenplan für die ÖBB Infrastruktur AG aufzunehmen.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 183

(Abg. Leichtfried: Das ist ein guter Antrag!) – Danke, ich nehme dieses Lob mit Freu­de entgegen, es ist nämlich wirklich ein guter Antrag.

Worum handelt es sich im Detail? – Die Stadt Leonding ist eine sehr große und vor al­lem wachsende Stadt – die am stärksten wachsende Stadt im Zentralraum und über­haupt in Österreich. Durch diesen Zentralraum führt die Westachse, die Westbahn. Das ist nicht irgendeine eingleisige Regionalbahn, auf der alle 8 Stunden vielleicht ein Zug fährt; das ist eine viergleisige Strecke, pro Richtung fahren in etwa 20 bis 30 Züge pro Stunde. Das ist eine extreme Verkehrs- und Lärmbelastung, und das mitten in ei­nem sehr angenehmen – noch angenehmen – Stadtgebiet. Das kann so nicht sein!

Genau dazu hat es ja auch Verhandlungen zwischen der ÖBB-Infrastruktur, dem BMVIT, dem Land Oberösterreich und der Stadtgemeinde gegeben, und man weiß sehr genau, was diese Tieferlegung und Einhausung kostet. Es geht nur mehr darum, einen guten Zustand zu schaffen, indem man das auch macht und nicht Jahr für Jahr hinausschiebt. Das heißt: Aufnahme in den Rahmenplan und Durchführung des Pro­jekts.

Man könnte nun sagen: Na ja, es gibt ja viele Tunnels auf der Weststrecke, warum ausgerechnet dort? – Ja, viele Tunnels; gehen wir sie von Wien beginnend durch: Da haben wir einmal den Wienerwaldtunnel; dann die Tunnelkette vom Tullnerfeld bis St. Pölten; wir haben den Siebergtunnel und den Sittenbergtunnel in Niederösterreich; und jetzt wollen wir noch zusätzlich in der Gegend von Salzburg den Köstendorfer Tunnel mit ungefähr 16 Kilometern Länge bauen.

Da sind die Millionen sinnvoll eingesetzt, aber – unter Anführungszeichen – „egal“. Nur wenn es um eine vierspurige Bahnstrecke mitten durch dicht bewohntes Gebiet geht, dann müssen wir auf einmal nachdenken, prüfen und nachschauen! Wer für diese Ver­zögerung die Verantwortung übernimmt, der soll das laut sagen und auch den Oberösterreichern klar sagen: Wir übernehmen für eine Verzögerung, fürs Krankwer­den der Menschen, die an der Strecke wohnen, für all diese negativen Begleiterschei­nungen die Verantwortung! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir wollen, dass dieses Projekt rasch umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

18.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, Alois Stöger, Gerhard Deimek, Dietmar Keck, Susanne Fürst und weiterer Abgeordneter

betreffend Umsetzung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding

eingebracht in der 6. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 11. Dezember 2019 im Zuge der Behandlung des Antrages 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergren­zengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (8 d.B.)

In der gegenständlichen Vorlage wird unter anderem die Obergrenze für Haftungen au­ßerbudgetären Einheiten des Bundes an die in der HOG – Vereinbarung vorgesehene Berechnungsmethode angepasst und werden die sonstigen damit zusammenhängen­den Änderungen vorgenommen. Eine dieser außerbudgetären Einheiten des Bundes sind die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), deren Tochter, die ÖBB Infrastruk­tur AG langfristige Infrastrukturmaßnahmen, wie zB den Ausbau der Westbahn zwi­schen Salzburg und Wien, abwickelt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 184

Dieser Ausbau stellt eine der wichtigsten schienengebundenen Infrastrukturmaßnah­men Österreichs dar. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Wien und Linz Kleinmün­chen ist der 4-gleisige Ausbau bereits abgeschlossen. Der nächste große Abschnitt ist der Bereich zwischen Linz und Wels. Derzeit arbeitet die ÖBB Infrastruktur AG hier am Ausbau der Westseite des Linzer Hauptbahnhofes, auf den der Streckenabschnitt zwi­schen Linz und Marchtrenk folgen wird. Zurzeit ausständig ist ein Erkenntnis des Bun­desverwaltungsgerichtes zum UVP – Verfahren des gegenständlichen Streckenab­schnittes, wobei nach Vorliegen desselben grundsätzlich mit der zeitnahen Errichtung des nächsten Teilabschnittes zu rechnen ist.

Dieser Streckenabschnitt umfasst einen besonders sensiblen Bereich des Oberöster­reichischen Zentralraums. Es handelt sich hierbei um das Gemeindegebiet der Stadt Leonding, der viertgrößten Stadt Oberösterreichs. Die bedeutende Erweiterung des Gleisbettes und der Eisenbahnanlagen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das städtebauliche Gefüge und die Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde dar. Zu beto­nen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Leonding um eine stark wachsen­de Gemeinde handelt, noch bis vor kurzem sogar um die am stärksten wachsende der Republik. Weiters handelt es sich um eine Stadt, die eine hohe Lebensqualität und ein lockeres ländliches Gefüge aufweist.

Das vorliegende und eingereichte Projekt der ÖBB Infrastruktur AG würde eine deutli­che optische und räumliche Teilung der Gemeinde bedeuten, die weiteren städtebauli­chen Entwicklungsmöglichkeiten würden wesentlich eingeschränkt und zugleich ist mit einer deutlichen Abnahme der Lebensqualität durch entsprechend steigende Lärm­emissionen zu rechnen. Es handelt sich bereits jetzt um einen der am stärksten belas­teten Streckenabschnitte Österreich, auf welchem eine wesentliche weitere Auswei­tung des Personen- und Güterverkehrs erwartet wird.

Während in anderen Regionen Österreichs bedeutende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Emissionen bzw. auch vor einer Teilungswirkung getroffen werden, man denke nur an entsprechende Tunnel- und Brückenprojekte der ÖBB rund um St. Pöl­ten oder den geplanten 16,5 Kilometer langen ÖBB-Bahntunnel bei Köstendorf, sind vergleichbare Maßnahmen in Leonding nicht vorgesehen.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Einver­nehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, die Errichtung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Gemeindegebiet der Stadt Leonding in den kommenden Rahmenplan für die ÖBB Infrastruktur AG aufzunehmen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß einge­bracht und wird dann auch abgestimmt.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Weratschnig. – Bitte.


18.48.15

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Abgeordneter von den Freiheitlichen, der Sie jetzt den Antrag eingebracht haben! Wir reden jetzt also über Lärmschutz und diverse Maßnahmen für die AnrainerInnen, insbesondere in Leonding.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 185

In Leonding gibt es ein Projekt der ÖBB. Es gibt einen genehmigten Bescheid. Es gibt dazu einen Änderungsbescheid, der bis zum Bundesverwaltungsgericht gegangen ist, wo sich derzeit Experten damit beschäftigen. Es gibt also ein Projekt, das bereits adaptiert wurde. Wir wissen aber, dass es dort seit 2004 einen Protest von zahlreichen BürgerInnen gibt, dass sich das Land Oberösterreich, aber auch die Stadtgemeinde für die BürgerInnen einsetzen und versuchen, dieses Projekt noch entsprechend zu ver­bessern.

Ich glaube aber, dass wir jetzt – heute – außerstande sind, die Einhausung zu be­schließen, ohne die vorgeschlagenen Varianten zu prüfen, die ja bereits verhandelt sind. Wenn wir da wieder eine Veränderung schaffen, dann braucht es ein ergänzen­des, neues Projekt, das eine Einhausung oder andere Maßnahmen zum Lärmschutz beinhaltet. Da braucht es einen Sachstand, deshalb darf ich, dürfen wir, die Abgeord­neten Klaus Fürlinger und meine Wenigkeit, folgenden Entschließungsantrag ein­bringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger, Hermann Weratschnig, MBA MSC, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Prüfung einer Einhausung und Tieferlegung der West­bahn im Bereich Leonding in ökologischer, ökonomischer und technischer Hinsicht“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, eine Ein­hausung und Tieferlegung der Westbahn im Gemeindegebiet der Stadt Leonding in ökologischer, ökonomischer und technischer Hinsicht zu prüfen und verschiedene Va­rianten zur Abfederung einer möglichen Abnahme der Lebensqualität im nahen Schie­nenbereich mit exakten Kostenberechnungen zu entwickeln“ (Abg. Deimek: Die gibt es auf den Euro genau! ...! Die Grünen ...!) „,um eine geeignete Entscheidungsgrundlage für eine eventuelle Aufnahme in den Rahmenplan für die ÖBB Infrastruktur AG zu ent­wickeln. Weiters wird der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie er­sucht, darüber dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen.“

*****

(Abg. Deimek: Das ist alles bekannt! ...)

Ich bitte um breite Zustimmung. Wir lassen die Leondingerinnen und Leondinger nicht im Stich, aber wir müssen Vorkehrungen treffen, um dieses Projekt zu ergänzen, das sich bereits jetzt in einem genehmigten Zustand befindet. Wenn wir das wollen, dann gehen wir da in die Tiefe und versuchen wir, auch entsprechende Adaptierungen vor­zunehmen, um dieses Projekt zu verbessern! Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger, Hermann Weratschnig

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Prüfung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leon­ding in ökologischer, ökonomischer und technischer Hinsicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 186

zu Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 84/A der Abgeordneten Peter Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundeshaftungsobergrenzengesetz geändert und das EUROFIMA-Gesetz aufgehoben wird (8 d.B.)

Der vorliegende Gesetzesentwurf dient der Anpassung des Bundeshaftungsobergren­zengesetzes an die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern, mit der Regelungen zu Haftungsobergrenzen vereinheitlicht werden, BGBl. I Nr. 134/2017, (HOG – Vereinbarung). Des Weiteren wird das EUROFIMA-Gesetz, wel­ches für neue Haftungsübernahmen keine Bedeutung mehr hat, zur Rechtsbereinigung aufgehoben. Aufgrund des EUROFIMA-Gesetzes wurden bisher Bundeshaftungen zu­gunsten der von der ÖBB Holding und ihrer Tochtergesellschaften zur Finanzierung von Rollmaterial bei der Europäischen Gesellschaft für die Finanzierung von Eisen­bahnmaterial („EUROFIMA“) aufgenommenen Kredite übernommen. Eine dieser Töch­ter, die ÖBB Infrastruktur AG, wickelt im Auftrag des BMVIT die Infrastrukturvorhaben im Bahnbereich ab.

Eines dieser Vorhaben ist der 4-gleisige Ausbau zwischen Linz und Wels, wobei die ÖBB Infrastruktur AG hier derzeit am Ausbau der Westseite des Linzer Hauptbahn­hofes, auf welcher der Streckenabschnitt zwischen Linz und Marchtrenk folgen wird, arbeitet. In diesem liegt auch das Gemeindegebiet der stark wachsenden Stadt Leon­ding. Vielseits wurde das Anliegen artikuliert, dass die geplante Erweiterung des Gleis­bettes und der Eisenbahnanlagen von einem geeigneten Schutz der Bevölkerung vor Emissionen und Lärm begleitet werden soll.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, eine Ein­hausung und Tieferlegung der Westbahn im Gemeindegebiet der Stadt Leonding in ökologischer, ökonomischer und technischer Hinsicht zu prüfen und verschiedene Va­rianten zur Abfederung einer möglichen Abnahme der Lebensqualität im nahen Schie­nenbereich mit exakten Kostenberechnungen zu entwickeln, um eine geeignete Ent­scheidungsgrundlage für eine eventuelle Aufnahme in den Rahmenplan für die ÖBB Infrastruktur AG zu entwickeln. Weiters wird der Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie ersucht, darüber dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Erwin An­gerer zu Wort – Bitte.


18.51.25

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Ja, wir diskutieren jetzt das Bundeshaftungsobergrenzengesetz, und ich glaube, wenn man über Haftungen redet, dann sollte man ehrlich damit umgehen, weil es natürlich ein Risiko ist, dass man Haftungen eingeht; deswegen sind wir auch dafür, dass man die Kosten und Zinsen in diesem Bundeshaftungsobergrenzengesetz auch mit berück­sichtigt.

Wenn man Haftungen eingeht, dann muss man auch sehen: Welcher Wert steht die­sen gegenüber? Da heute schon wieder mehrmals die Hypo als das große Negativ­beispiel erwähnt worden ist (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ – Abg. Vogl: Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 187

wird jetzt ein Geschäft werden, oder?), muss ich für diejenigen, die den Griss-Bericht vielleicht nicht gelesen haben oder nicht im Untersuchungsausschuss gesessen sind, ein paar Dinge geraderücken.

Also erstens einmal: Die Haftungen in Kärnten wurden auf Basis eines Gesetzes im Kärntner Landtag einstimmig beschlossen – einstimmig, mit Stimmen der ÖVP, der SPÖ, der Grünen und der Freiheitlichen. Wir haben uns als einzige Partei immer dieser Verantwortung gestellt und sagen das auch öffentlich (Abg. Greiner: Das war jetzt wirk­lich witzig!), und ich habe es schon mehrfach hier heraußen gesagt. (Abg. Vogl: ... hat sich anders angehört! – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Punkt zwei – und jetzt wird es interessant –: Ich glaube, man muss die Rechnung dann zum Schluss machen. Wenn man sich den Abbau der Banken anschaut, so zeigt sich, mittlerweile ist bei der Hypo der Großteil des Vermögens abgebaut. Herr Ditz, damals Aufsichtsratsvorsitzender, hat übrigens, nachdem Frau Fekter die Bad Bank nicht zugelassen hat, davon gesprochen, dass es ein vermögensvernichtender Abbau sein wird, weil eben diese Bad Bank nicht zugelassen wurde und dann die gesamte Hypo abgewickelt wurde.

Trotz dieses vermögensvernichtenden Abbaus, den Herr Ditz damals mit rund 5 Mil­liarden Euro beziffert hat, sind jetzt schon 86,32 Prozent der Gläubigerforderungen be­dient worden. Das heißt, es wird am Ende wahrscheinlich herauskommen, dass alle Gläubiger, für die das Land Kärnten gehaftet hat, zu 100 Prozent bedient werden. Das wird das Ergebnis sein. (Abg. Leichtfried: Das habt ihr großartig gemacht!) Jetzt hat man das ganze Vermögen in der Hypo vernichtet, hat die Bank skandalisiert und die Bank vernichtet, unabhängig davon wird bei der Hypo laut Schätzungen des Finanz­ministeriums derzeit – wie viel es am Ende sein wird, wissen wir noch nicht – von ei­nem Schaden von 5,6 Milliarden Euro ausgegangen.

Jetzt wird es interessant: Bei der KA Finanz AG, der ehemaligen Kommunalkredit, wo die ehemalige Ministerin Schmied von der SPÖ in den Vorstand hineingesetzt wurde – da müssen wir auch einmal schauen, wie die Postenbesetzung passiert ist; die war ja dann auch Ministerin und zuvor eben im Vorstand der Kommunalkredit –, wird der Schaden mit 4 Milliarden Euro beziffert. – Von der Kommunalkredit hat man in den letz­ten Jahren nie etwas gehört; dazu gibt es von mir eine aktuelle Anfrage aus der letzten GP, zu der die Antwort gerade druckfrisch vom Finanzministerium übermittelt wurde. Und der Schaden bei der Immigon, sprich Volksbanken-AG, wird mit 1,2 Milliarden Eu­ro angegeben.

Das heißt: Hypo 5 Milliarden, Kommunalkredit 4 Milliarden, Volksbanken-AG 1,2 Mil­liarden. Die Rechnung, wie viel wirklich übrig bleibt, wird man am Ende machen, weil gewisse Zahlungen zum Beispiel noch nicht berücksichtigt sind, etwa Zahlungen für Haftungen, die der Bund übernommen hat und für die er dementsprechend auch Haf­tungsprovisionen kassiert hat. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Am Ende wird man also schauen müssen, was tatsächlich übrig bleibt, ob dann wirklich die Hypo der größte Schaden für die Republik ist, was eine Bank betrifft, oder ob es nicht doch die Kom­munalkredit sein wird.

Wenn man jetzt noch gegenrechnet, dass den Bayern aufgrund des Kaufvertrags, den Herr Ditz und Herr Schieder abgeschlossen haben, mittlerweile rund 4 Milliarden Euro überwiesen wurden – den Bayern, die nach 2007 die Bank übernommen haben und für die Kärnten in keiner Weise gehaftet hat –, dann wird es noch ein Gewinn. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Es wird also am Ende vielleicht wirklich noch einmal not­wendig sein – Sie können gerne darüber lachen –, die Zahlen zusammenzurechnen; das kleine Einmaleins genügt. Wenn Sie meine Anfrage beziehungsweise die Antwort hernehmen und die Zahlen zusammenrechnen, werden Sie vielleicht auf das Gleiche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 188

kommen. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krainer: Das hatte jetzt dieselbe Qualität wie: Kärnten ist reich!)

18.55

18.55.27


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Fürlinger, We­ratschnig steht jetzt auch zur Abstimmung, weil er ordnungsgemäß eingebracht ist.

Es ist zu diesem Tagesordnungspunkt nun niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ist das das Schlusswort, Herr Abgeordneter? – Nein. Ein Schlusswort wird nicht ge­wünscht. (Abg. Hafenecker: Der Saal ist so laut!)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Gesetzentwurf in 8 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Fuchs, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Fuchs, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 1 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Aus­schussberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist somit mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, Alois Stöger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung einer Einhausung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Fürlinger, Weratschnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Prüfung einer Einhau­sung und Tieferlegung der Westbahn im Bereich Leonding in ökologischer, ökono­mischer und technischer Hinsicht“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen. (5/E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 189

18.58.127. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1 d.B.): Bundesge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Gesetz über das Bundesamt zur Korrup­tionsprävention und Korruptionsbekämpfung und die Strafprozeßordnung 1975 zur Umsetzung der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug geändert werden (14 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Jabloner.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.59.10

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Mit dem vor­liegenden Gesetz setzen wir eine EU-Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug in Österreich um.

Es ist die erste Regierungsvorlage, die diesem Hohen Haus in dieser Legislaturperiode zugegangen ist, und sie ist auch deswegen die erste, weil die Umsetzung dringend ist. Im Juli dieses Jahres ist bereits die Frist zur Umsetzung verstrichen. Daher haben wir die Diskussion im Budgetausschuss geführt und, wie ich den Unterlagen entnehme, nicht nur eine gute Diskussion gehabt, sondern es werden auch alle Parteien dieser Umsetzung zustimmen.

Worum geht es? – Es geht um die Bekämpfung von Missbrauch von und Betrug mit EU-Geldmitteln, also um Förderungsmissbrauch und Subventionsbetrug. Wir führen zwei neue Straftatbestände ein, es sind sperrige Ausdrücke: „Ausgabenseitiger Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union“ – der neue § 168c – und „Missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union“ – der neue § 168d Strafgesetzbuch –; und wir passen andere Bestimmungen an die Erfordernisse der Richtlinie an. Zum Bei­spiel wird korrespondierend der Umfang des § 153b Strafgesetzbuch, das betrifft den Förderungsbetrug, nunmehr auf nationale Förderungen beschränkt.

Was tun wir mit diesen Straftatbeständen? – Wir bekämpfen Bestechlichkeit, Vorteils­annahme, Bestechung und Vorteilszuwendung zum finanziellen Nachteil der Europäi­schen Union. Uns ist das wichtig, denn die Bekämpfung der Korruption muss ja auch in allen 27 Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Unser Interesse als siebentgrößter Netto­zahler in der Europäischen Union ist es natürlich, dass diesem möglichen Missbrauch von EU-Fördermitteln ein Riegel vorgeschoben wird. Unser oberstes Prinzip ist, und darauf geben wir Obacht, dass mit diesen Mitteln auch rechtmäßig umgegangen wird. Korruption schadet ja nicht nur finanziell, sie untergräbt auch das Vertrauen der Bür­gerinnen und Bürger in unsere demokratische und rechtsstaatliche Verwaltung. Unser Ziel ist es auch, Gold Plating, also die Übererfüllung von EU-Recht, zu vermeiden.

Ich darf mich bei Ihnen, sehr verehrter Herr Bundesminister, und bei Ihrem Haus nicht nur für die umsichtig erstellte Regierungsvorlage, sondern auch für die legistische Un­terstützung betreffend den Abänderungsantrag herzlich bedanken. Wir haben mit die­sem Abänderungsantrag mögliche unklare Begriffe – Unionsbeamte und öffentliche Auf­gaben – konkretisiert und mit der Ausschussfeststellung dafür gesorgt, dass die An­wendung der Bestimmungen im Rahmen der Richtlinie abgesteckt ist.

Es sind auch privatrechtlich organisierte Stellen, zum Beispiel Förderstellen, umfasst, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Wir wollen aber, dass die Endempfänger von


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EU-Mitteln nicht erfasst sind, denn der Empfänger nutzt zwar das Geld, zum Beispiel mit dem Traktor, den er sich aus den Mitteln kauft, aber er entscheidet definitiv nicht darüber, ob er diese Mittel überhaupt bekommt. Das wäre eine zu weite Auslegung des Amtsträgerbegriffs.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die mitdiskutiert haben, die diese beiden auch wirklich wichtigen Neuerungen im Strafgesetzbuch mittragen, auch für die ange­regte Diskussion. – Vielen herzlichen Dank, Herr Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP.)

19.02


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister Clemens Jabloner hat sich nun zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


19.03.01

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Dr. h.c. Cle­mens Jabloner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Ab­geordnete! Ich melde mich nur zu Wort, um mich beim Budgetausschuss und beim Hohen Haus für die prioritäre Behandlung dieser Regierungsvorlage zu bedanken. Dies erspart Österreich empfindliche Strafgelder, die bereits fällig geworden wären. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

19.03


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Minister.

Nun gelangt Frau Abgeordnete Selma Yildirim zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.03.37

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Werte Präsidentin! Hohes Haus! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Die EU-Bürgerinnen und -Bürger, die Österreicherinnen und Österreicher setzen einen sorgsamen Umgang mit ihren Steuermitteln voraus. Zu die­sem sorgsamen Umgang gehört, dass die Politik die bestmöglichen Vorkehrungen trifft, damit diese Steuermittel nicht durch Betrug, Korruption oder Missbrauch von Förderun­gen in dunklen Kanälen verschwinden und somit der Allgemeinheit nicht mehr zur Ver­fügung stehen. Es gilt, unser Rechtssystem diesbezüglich auf dem aktuellsten Stand zu halten, es ständig weiterzuentwickeln und an aktuelle gesellschaftliche und wirt­schaftliche Bedingungen anzupassen.

Genau darum geht es in dieser Regierungsvorlage. Es geht um Rechtssicherheit, aber auch um die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Institutionen der Europäischen Union und in die Politik ganz generell. Speziell in Österreich wissen wir spätestens seit Ibiza, wie schnell ein Schaden angerichtet ist und wie groß und weitreichend dieser ist, wenn Politiker sich auf die dunkle Seite der Macht stellen.

Mit dieser Regierungsvorlage soll die Betrugsbekämpfung innerhalb der Europäischen Union vorangetrieben und weiterentwickelt werden. Jeder Schritt in diese Richtung ist ein wichtiger und wird daher von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs selbst­verständlich unterstützt.

Im österreichischen Recht werden damit die Grundlagen für die Umsetzung der betref­fenden Richtlinie geschaffen. Diese Richtlinie soll die EU vor Betrug und Korruption schützen und hat eine Umsetzungsfrist bis 6. Juli 2019. Wir sind, wie der Herr Vize­kanzler erwähnt hat, ohnehin bereits in Verzug.

Sichergestellt wird die Angleichung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäi­schen Union, also zum Schutz vor betrügerischen Handlungen zulasten der Einnah­men- und Ausgabenseite und der Vermögenswerte des Unionshaushalts. Sehr verein-


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facht ausgedrückt sollen mit dieser Richtlinie also Korruption und der Missbrauch von EU-Förderungen – sprich Subventionsbetrug – verhindert beziehungsweise einge­dämmt werden. Es wird der Betrugsbekämpfung in der EU somit eine weitere Facette hinzugefügt.

Die Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interes­sen der Union gerichtetem Betrug löst im Bereich des gerichtlichen Strafverfahrens in Österreich lediglich einen geringen Änderungsbedarf aus, wie bereits ausgeführt wur­de, weil Österreich auf diesem Gebiet schon in der Vergangenheit sehr viel verwirklicht hat. Trotzdem ist es richtig, sie umzusetzen, weil wir erstens EU-rechtlich dazu ver­pflichtet sind und weil zweitens die Zielsetzung richtig ist.

Zusammenfassend halte ich fest, dass uns die Betrugsbekämpfung in der EU ein großes Anliegen und jeder Fortschritt im Interesse Österreichs und der Bürgerinnen und Bürger ist. Unser Rechtssystem wird damit weiterentwickelt und an aktuelle ge­sellschaftliche und wirtschaftliche Bedürfnisse angepasst. Die SPÖ stimmt diesem Ge­setzesvorschlag daher sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

19.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


19.07.09

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über den Gesetzesvor­schlag wurde jetzt schon eindeutig und sehr ausführlich berichtet. Ich finde es – immer wieder – amüsant, dass man sogar da das Thema Ibiza und irgendeinen Schaden, der entstanden ist, unterbringen kann. Ich habe den Schaden noch nicht gesehen, aber Frau Kollegin Yildirim weiß wahrscheinlich, dass da irgendeine Korruption passiert ist (Abg. Yildirim: Wir werden es herausfinden!), und hat es uns nur nicht erzählt. Das hat sicherlich unglaublich viel mit diesem Vorschlag zu tun.

Ich glaube, das wirklich Wesentliche hat der Herr Bundesminister gesagt: Wir müssen eine Richtlinie umsetzen, und wenn wir das nicht tun, dann hat die Republik Österreich Strafe zu bezahlen. Ich glaube, wenn es nicht so wäre, würden wir das Strafgesetz­buch wahrscheinlich nicht mit diesen beiden Bestimmungen belasten. Ich glaube, es werden Bestimmungen sein, die so gut wie nie zur Anwendung kommen.

Wenn man daran denkt, dass es nach jenem Paragrafen, der im Zuge dessen auch verändert wurde – nämlich § 153b StGB, Förderungsmißbrauch –, von 2012 bis 2017 genau zweimal zu Verurteilungen kam – innerhalb von fünf Jahren! –, merkt man schon, das sind nicht wirklich die griffigsten Paragrafen im Strafrecht. Daher bringt man ja auch diese zwei Paragrafen in § 168 – Glücksspiel – unter. § 168a betrifft dann Ket­ten- oder Pyramidenspiele, § 168b wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Verga­beverfahren, und jetzt haben wir § 168c und § 168d angefügt, also das passt ja alles wunderbar hinein. Man hat also für diese beiden Bestimmungen irgendwo einen Platz gefunden, weil die Europäische Union es uns auferlegt hat.

Ja, natürlich, Korruption ist zu bekämpfen, das ist völlig richtig. Ob wir dazu diese Straf­tatbestände tatsächlich brauchen, ist für mich nicht ganz nachzuvollziehen, aber wir wollen auch nicht, dass es zu Strafzahlungen kommt; daher werden wir hier zustim­men. (Beifall bei der FPÖ.)

19.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alma Zadić. – Bitte.


19.09.25

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Vi­zekanzler! Hohes Haus! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute beschließen wir


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gemeinsam die Umsetzung einer notwendigen Richtlinie. Worum geht es? – Es geht um die Bekämpfung von Betrug und auch sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die sich gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union richten. Damit soll in der gesamten EU der gleiche Schutz von finanziellen Interessen herrschen. Warum ist das wichtig? – Es ist deswegen wichtig, weil die europäischen Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen müssen, dass ihr Geld auch ordnungsgemäß verwaltet wird. Es ist auch wichtig, um Missbrauch von EU-Fördermitteln vorzubeugen.

Ich habe mir erlaubt, eine kleine Statistik auszupacken: Im Jahr 2017 hat es einen Be­richt gegeben, in dem festgestellt wurde, dass es ungefähr 15 000 betrügerische und nicht betrügerische Unregelmäßigkeiten in diesem Zusammenhang gab. Das bedeutet, es entstand, wenn man das in Geld umwandelt, insgesamt 2,5 Milliarden Euro Gesamt­schaden. Jeder weiß, dass wir etwas dagegen tun müssen. Mit der Errichtung der Eu­ropäischen Staatsanwaltschaft und mit dieser Richtlinie ist ein Schritt getan, um die­sem Betrug und diesem betrügerischen Handeln vorzubeugen.

Wir wissen, dass die Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie schon im Juli abgelaufen ist. Österreich hat im September bereits ein Mahnschreiben der Kommission bekommen. Es war daher dringend notwendig, diese Richtlinie umzusetzen. Daher gilt mein Dank dem Justizminister und auch dem Ministerium, dass sie es geschafft haben, diese Re­gierungsvorlage rechtzeitig einzubringen. Danke auch an das Hohe Haus, dass wir das tatsächlich – hoffentlich auch erfolgreich – hier abstimmen werden.

Einiges haben wir in Österreich ja bereits umgesetzt, daher waren nur kleinere Ände­rungen notwendig. So wurden beispielsweise zwei neue Tatbestände ins Strafgesetz­buch geschrieben: erstens der ausgabenseitige Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union und zweitens die missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen.

Zusätzlich wurde auch eine Definition des Unionsbeamten eingeführt, weil es natürlich wichtig ist, da klare Definitionen und klare Regelungen zu haben. Den Abänderungs­antrag, den wir auch im Ausschuss diskutiert haben, haben wir nicht für notwendig be­funden, weil auch der Unionsbeamte als Gemeinschaftsbeamter bisher vom Amtsträ­gerbegriff im Strafgesetzbuch erfasst war und die zusätzliche Erwähnung und Ein­schränkung daher unseres Erachtens nicht notwendig gewesen wäre. Wir empfinden, dass die ursprüngliche Regierungsvorlage die Richtlinie durchaus präzise und klar um­gesetzt hätte und damit auch keine Übererfüllung der europäischen Richtlinie stattge­funden hätte. Da die praktischen Konsequenzen dieser Abänderung zu vernachlässi­gen sind, werden wir selbstverständlich auch der Gesetzesvorlage in der abgeänderten Fassung zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margrei­ter. – Bitte.


19.13.18

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich setze mit Europa fort. Als glühender Tiroler Austroeuropäer freut es mich sehr, dass es heute zu dieser Beschlussfassung kommt, weil hinter dieser sperrigen Materie, die ja meine Vorredner bereits versucht haben, in­haltlich darzulegen, doch auch etwas hervorleuchtet, das einen, dem Europa am Her­zen liegt, sehr mit Genugtuung erfüllen muss.

Worum geht es? – Die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2017 wurde in Österreich trotz Ablaufs der Umsetzungsfrist am 6. Juli nicht umgesetzt. Das dürfte unter anderem da­mit zu tun haben, dass ein ehemaliger Vizekanzler legendäre Berühmtheit als Schau-


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spieler in einem Ibizavideo erlangt hat. Es ist der Umsicht unseres Justizministers Jab­loner zu verdanken, dass uns jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren erspart bleibt, weil er rechtzeitig die Initiative ergriffen hat, damit wir jetzt diese EU-Richtlinie in inner­staatliches Recht überführen.

Die Materie selbst ist strafrechtlicher Natur und vielleicht jetzt im Detail weniger in­teressant. Was aber schon sehr wichtig ist, und das betrifft eigentlich uns alle: Es geht um den Schutz der finanziellen Interessen der Union. Es geht darum, dass die Union von ihren Mitgliedstaaten sehr viel Geld zur Verfügung gestellt bekommt, damit Eu­ropas Zukunft in den verschiedenen Bereichen gestaltet werden kann, im Bereich Kli­maschutz, im Bereich Infrastruktur, und davon sind wir alle betroffen. Es geht da nicht nur um europäisches Geld, es geht auch um österreichisches Geld. Es geht nicht nur um die Interessen der europäischen Steuerzahler, wir Österreicher sind genauso eu­ropäische Steuerzahler und haben daher vitales Interesse daran, dass die Gelder, die wir in die Gemeinschaftskasse einzahlen, auch zweckentsprechend verwendet werden.

Diese Gelder spürt man überall. Aus Tirol kann ich als das Leuchtturmprojekt schlecht­hin über den mit massiver EU-Kofinanzierung in Bau befindlichen Brennerbasistunnel berichten. Es geht aber herunter bis zu kleineren Projekten. Da gibt es den Waldpfle­geverein Tirol. Das ist gerade in Zeiten des Klimaschutzes eine ganz wichtige Einrich­tung, die im Jahr 2017 von der EU 1,7 Millionen Euro bekommen hat, um ihren Aufga­ben besser nachkommen und die Funktionsfähigkeit des Waldes als Klimaregulator aufrechterhalten zu können. Die Universität Innsbruck bekommt für die Quantenphy­sikforschung EU-Gelder in der Höhe von 5 Millionen Euro.

Wir sehen also, in sehr, sehr vielen Bereichen profitieren wir ganz direkt davon, dass die EU gemeinsames Geld verwalten kann, und das braucht strafrechtlichen Schutz, der mit der heutigen Beschlussfassung effizienter gestaltet wird. Das freut mich sehr, das ist ein bedeutender Schritt. Es ist auch schon ein Schritt in Richtung der Euro­päischen Staatsanwaltschaft. Ich darf daran erinnern, dass zugleich mit der Richtlinie auch die Verordnung beschlossen worden ist, mit der die Europäische Staatsanwalt­schaft eingerichtet worden ist. Da arbeiten selbstverständlich auch österreichische Staatsanwälte mit. Das ist ein Vorgriff auf ein europäisches FBI, eine europäische Strafverfolgungsbehörde, weltweit die erste supranationale Strafverfolgungsbehörde.

Das sind tolle und gute Entwicklungen, und wenn die Beschlussfassung heute im Na­tionalrat einstimmig zustande kommen sollte, wie es sich aufgrund der Redebeiträge abzeichnet, dann ist das ein sehr schönes Signal dafür, dass wir diesen europäischen Weg weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.


19.18.00

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vi­zekanzler! Hohes Haus! Meine geschätzten Zuseherinnen und Zuseher! Wir setzen hiermit eine Richtlinie um – und das klingt durchaus sperrig –, die die Sicherstellung der Angleichung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Union in Form von betrügerischen Handlungen zulasten der Einnahmen- beziehungsweise Ausgabenseite der Vermögenswerte des EU-Haus­halts bezweckt. – So weit, so gut.

Was heißt das? – Einnahmenseitig haben wir diese Umsetzung bereits im Finanzstraf­gesetz vorgenommen, ausgabenseitig im Wesentlichen auch in den letzten Reformen des Strafgesetzbuches. Zwei Bestimmungen werden heute angepasst, die Bestimmun­gen der §§ 168c und 168d, wie bereits angesprochen, einmal ausgabenseitiger Betrug


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und einmal missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten. Tatbe­standsmerkmal ist jeweils: zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union.

Das ist Anlass, dass man sich dieses finanzielle Interesse auch näher ansieht. Wenn man sich den Haushalt ansieht, der kürzlich von den Mitgliedstaaten beschlossen wur­de, sieht man, dass für das Jahr 2020 ein konkreter Auszahlungsbetrag von 153,6 Mil­liarden Euro festgelegt wurde. 80 Prozent dieser Mittel werden in den Mitgliedstaaten verwaltet, Österreich betrifft davon im Jahr 2018 ein Betrag von 2 Milliarden Euro.

Das ist ein durchaus hoher Betrag, der Anlass war, dass ich mir angesehen habe, wie die wirkungsorientierte Folgenabschätzung durch das Justizministerium diesen Geset­zesbeschluss bewertet. Dazu kann man sagen: In dieser Abschätzung geht man davon aus, dass die Fallzahlen voraussichtlich gering sein werden, was meine Vorredner auch schon angemerkt haben. Tatsächlich ist es so, dass in den letzten fünf Jahren § 153b des StGB, Förderungsmißbrauch, nur zweimal zu Verurteilungen geführt hat.

Wenn man die Förderkulisse unseres Landes kennt und gehört hat, was vorhin ge­nannt wurde, nämlich dass 2,5 Milliarden Euro als Betrugsvolumen im Raum stehen, dann sieht man, dass das durchaus überschaubare Größenordnungen sind. Das zeigt, wenn man den gesamten Etat sieht, dass es durchaus eine fördergerechte und auch rechtsordnungskonforme Verwendung von Fördermitteln nicht nur in Österreich, son­dern offensichtlich auch EU-weit gibt.

Ich hoffe, dass dies auch bei den nunmehr eingeführten Tatbeständen so ist und die Bestimmungen tatsächlich kaum zur Anwendung gelangen. – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

19.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


19.21.22

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun, der Christbaum ist zu diesem Thema ziemlich abgeräumt, aber ich werde mir erlauben, trotzdem noch ein paar As­pekte, vor allem eingehend auf Sie, Herr Bundesminister, zu erwähnen.

Herr Bundesminister, Sie haben anfangs erwähnt, dass doch in einem gewissen Aus­maß Gefahr im Verzug war, sodass diese Regierungsvorlage in der neuen Gesetzge­bungsperiode relativ rasch vorgelegt und durchgebracht werden sollte. Wenn die Frist bereits mit 6. Juli gesetzt war und eine Verzögerung eingetreten ist, geht es natürlich um öffentliche Gelder, und Sie haben zu Recht mithilfe vieler diese Regierungsvorlage heute vorgelegt.

Diese Regierungsvorlage ist für mich eine klare Botschaft. Sie ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie, der sogenannten PIF-Richtlinie, in der es um Betrugsbekämpfung in der EU sowie darum geht, dass Korruption und Betrug hintangehalten werden. Der Unions­haushalt, der für uns die Sicherung der Finanzen bedeutet, soll im Wesentlichen ge­schützt und gesichert werden. Der Unionshaushalt ist auch der Grund dafür, dass in der EU-Richtlinie festgehalten wird, dass die strafrechtlichen Aspekte in den Mitglied­staaten angeglichen werden sollten, um damit eine Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit zu erzielen.

Österreich war hinsichtlich dieses Aspekts des Strafrechtes eigentlich bereits sehr brav, wenn ich so sagen darf. Wir haben § 153b StGB eingeführt, und eigentlich sind die neuen Straftatbestände in § 168c und Litera d StGB nur quasi die Ergänzung zu den bisherigen strafrechtlichen Vorschriften. Ich denke auch, dass mit diesen Straftat-


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beständen, in denen der ausgabenseitige Betrug, aber auch der Missbrauch angespro­chen werden, der Richtlinie vollkommen entsprochen wurde.

Es gibt einen Aspekt, der bisher nicht erwähnt worden ist: Ich denke, auch diese bei­den Straftatbestände sind reuefähige Delikte, und es hätte die tätige Reue als Rechts­instrument einfließen können. Es wäre zumindest richtlinienkonform gewesen.

Generell möchte ich festhalten, dass mit der Einführung und Anpassung des Begriffs des Unionsbeamten der Richtlinie ebenfalls Rechnung getragen wurde.

Abschließend: Ich meine, dass die Strafprozessordnung grundsätzlich richtigerweise angepasst und verändert wurde. Wir haben die Zuständigkeit auf die Korruptions- und Wirtschaftsstaatsanwaltschaft erweitert und sie aufgenommen. Deshalb tragen wir im Konkreten dieser Richtlinie Rechnung und werden die entsprechenden gesetzlichen Änderungen durchführen. Die Vorlage ist daher zum größten Teil unterstützungswür­dig. Hinsichtlich der tätigen Reue hätte ich mir vielleicht mehr Unterstützung erwartet. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ruth Becher. – Bitte.


19.24.48

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist die Betrugsbekämpfung in der EU aus gutem Grund eine sehr wichtige Zielsetzung. Das Geld in der Europäischen Union ist knapp, und mit Blick auf den Brexit ist klar: Sollte dieser Realität werden, dann scheidet der zweitgrößte Nettozahler aus der EU aus und hinterlässt eine jährliche Finanzlücke von 12 bis 14 Milliarden Euro. Daher gibt es – auch wenig überraschend – die Überlegungen, diese Lücke zu schließen; im Gespräch sind höhere Beiträge, neue EU-Steuern, neue Zölle.

Wie auch immer diese Finanzlücke geschlossen wird, die Menschen müssen sich da­rauf verlassen können, dass das Geld ordentlich verwaltet wird und dort ankommt, wo es hingehört. Daher unterstützt die SPÖ natürlich alle Maßnahmen zur Korruptionsbe­kämpfung, also auch die Einführung dieser beiden neuen Straftatbestände – diese wur­den schon ausgeführt. Die Änderung betreffend die Zuständigkeit hat eher einen for­mellen Charakter, weil dies in Österreich bereits in einschlägigen Bestimmungen gere­gelt war.

Trotzdem hat Österreich im eigenen Wirkungsbereich und vor allem seit der letzten, der türkis-blauen Regierung große Versäumnisse aufzuweisen. So haben zum Beispiel die Betrügereien mit den Dividendenausschüttungen, besser bekannt als Cum-Ex-Ge­schäfte – Sie erinnern sich daran, wir haben im Jänner dieses Jahres den Rechnungshof­bericht dazu diskutiert –, große Beträge gekostet; es waren zwischen 50 und 100 Mil­lionen Euro pro Jahr, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler da zu zahlen hatten. Von der Verfolgung dieser Betrüger ist in Österreich bis jetzt Abstand genommen wor­den, kein Einziger ist angezeigt worden. In Deutschland ist das anders, dort sind An­klagen erfolgt. Hier wird also mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sehr leichtfertig umgegangen, das wurde verschenkt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

19.27.31


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 14 der Beilagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 196

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig, angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein zustimmendes Zei­chen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung einstimmig angenommen.

19.28.168. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Leoben (Zl. 5 St 330/19i) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger (17 d.B.)

19.28.33


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet.

Ich frage, ob die Berichterstattung ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir gleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschus­ses in 17 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Leoben, Zl. 5 St 330/19i, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Wolfgang Zanger besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig, angenommen.

19.29.359. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz (Zl. 25 St 124/19x) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (18 d.B.)

19.29.36


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort hat sich dazu niemand gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 18 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Graz vom 29. Oktober 2019, Zl. 25 St 124/19x, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 283 Abs. 1 und 2 StGB wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 BVG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl besteht; einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl wird nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, sich diesem Antrag an­schließen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 197

19.31.1410. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (42/A)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 10. Punkt der Tageordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Herr Abgeordneter Josef Muchitsch, Sie gelangen zu Wort, bitte.


19.31.32

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Geschätz­te Damen und Herren des Nationalrates! Dieser Antrag, eingebracht von der SPÖ, be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird, bietet eine große Chance, nämlich die Chance, das damals von ÖVP und FPÖ durchgepeitschte Arbeitszeitgesetz – ohne Begutachtung, ohne im Ausschuss beraten zu haben –, neu­lich zu diskutieren. Dieser Antrag bietet uns die Chance, einerseits die ersten Erfah­rungen und ersten Erkenntnisse offen und sachlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Sozialausschuss zu beraten, andererseits ist es auch eine Riesenchance, das um­zusetzen, was einige Politiker von ÖVP und FPÖ damals den Menschen versprochen haben, nämlich einen Rechtsanspruch auf eine Viertagewoche. Ich will Sie jetzt nicht mit diesen vielen Zitaten konfrontieren, weil die Zeit etwas zu kurz ist, aber wir wissen, dass Sie den Menschen falsche Versprechungen gemacht haben.

Ich glaube, es ist eine Riesenchance, dieses Arbeitszeitgesetz jetzt auch unter Mitwir­kung der Grünen neulich zu diskutieren und zu evaluieren. Wir haben die große Chan­ce, auch erste seit damals gewonnene Erkenntnisse zu diskutieren. Es ist nämlich über Kollektivvertragsverhandlungen und über Betriebsvereinbarungen sehr wohl mittlerwei­le zu einer Viertagewoche gekommen.

Ich weiß, nicht alle von ÖVP und FPÖ waren damals mit diesem Arbeitszeitgesetz vollinhaltlich einverstanden. Deswegen müssen wir diese Chance, das gerade noch im koalitionsfreien Raum zu diskutieren, nutzen. Ich lade Sie alle ein, dies im Ausschuss für Arbeit und Soziales offen und sachlich zu diskutieren. Wir haben hier die Chance – wie schon bei anderen Gesetzesmaterien wie zum Beispiel bei der vollen Anrechnung der Karenzzeiten oder bei der Entgeltfortzahlung für freiwillige Helfer für die Zeit des Einsatzes –, eine gute Lösung herbeizuführen, nämlich im Interesse aller Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Christoph Zarits zu Wort. – Bitte.


19.33.59

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Muchitsch hat es schon angesprochen: Viele Menschen, da sind wir uns, glaube ich, einig, wollen in der heutigen Zeit flexibel arbeiten. Mit der Arbeitszeitflexibilisierung haben wir auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt reagiert und haben neue Rahmenbedingun­gen geschaffen.

Es geht dabei darum, die Arbeitszeit flexibler zu gestalten, nämlich in jenen Branchen, wo das möglich und auch sinnvoll ist. Es geht bei der Arbeitszeitflexibilisierung darum, den Standort Österreich zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern, und natürlich auch da­rum, eine Viertagewoche leichter zu ermöglichen. Ich muss dazusagen: Das wird nicht in allen Branchen, nicht in allen Betrieben möglich sein. Man kann das nur über Kol-


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lektivverträge und Betriebsvereinbarungen machen, wo es sinnvoll und in der Praxis tauglich ist. Wichtig ist, dass wir bei der Arbeitszeitflexibilisierung nicht in bestehende KVs und Betriebsvereinbarungen eingegriffen haben, und ich glaube, das ist das Ent­scheidende.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich habe schon angesprochen, dass sich die Arbeitswelt verändert, und wir müssen auf die Herausforderungen der Zukunft natürlich reagieren. Die Menschen wissen, dass sie sich, was das Arbeitszeitgesetz betrifft, auf uns, die Österreichische Volkspartei, verlassen können. Das hat man bei der Wahl im September gesehen. 800 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben uns ihre Stimme gegeben, haben uns ihr Vertrauen geschenkt. Ich glaube, dass wir unseren Weg der Veränderung auch in diesem Bereich weitergehen müssen und weitergehen werden. Wir sind sehr dankbar für dieses große Vertrauen. Wir sind erstmals bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die klare Nummer eins. Daran sieht man, dass wir in der Vergangenheit eine gute Arbeitnehmerpolitik gemacht haben. – Danke! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Danke möchte ich an dieser Stelle auch meinem Chef, unserem Klubobmann August Wöginger, sagen, der in den letzten zwei Jahren für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer sehr, sehr viel erreicht hat – ich sage jetzt nur: Familienbonus, Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags –, und das hat sich natürlich auch beim Wahlergeb­nis bemerkbar gemacht. – Ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt liegt der Antrag des Kollegen Muchitsch vor, den wir dann im Ausschuss sicher­lich diskutieren werden. Er beinhaltet einen Rechtsanspruch auf die Viertagewoche. Ich verstehe diesen Antrag irgendwie nicht, lieber Herr Kollege, weil du als Sozialpartner mit diesem Antrag die Sozialpartnerschaft irgendwie untergräbst. Ich habe Vertrauen in die Sozialpartnerschaft und in die Betriebsräte, die für die Menschen in den unter­schiedlichsten Betrieben und Branchen großartige Arbeit leisten. Sie verhandeln die Kollektivverträge und auch die Betriebsvereinbarungen.

Es gibt die Viertagewoche, wie du schon angesprochen hast, in vielen Branchen: im Handel, in der Baubranche, im Speditionsbereich, und ich könnte hier noch viele ande­re Bereiche aufzählen.

Die Kollektivverträge sind Aufgabe der Sozialpartner, die Betriebsvereinbarungen sind Aufgabe unserer Betriebsräte. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, gesetzliche Rah­menbedingungen zu schaffen. Ich glaube, dass das Arbeitszeitgesetz beziehungswei­se die Viertagewoche in der jeweiligen Branche von den Expertinnen und Experten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite verhandelt und angepasst werden muss. Das ist Aufgabe der Sozialpartnerschaft und das ist gut so. Das war in der Vergangenheit gut so und wird auch in Zukunft gut sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Silvan zu Wort. – Bitte.


19.37.45

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Kollegin Köstinger hat im Jahr 2018 gemeint, der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit bleibe ge­sichert und unberührt, die Viertagewoche werde gesetzlich ermöglicht. – Schauen wir uns an, was rund 15 Monate nach Inkrafttreten dieses neuen Arbeitszeitgesetzes in der Praxis wirklich passiert ist!

Als der Österreichische Gewerkschaftsbund am 30. Juni 2018 die große Demo in Wien gegen den 12-Stunden-Tag und gegen die 60-Stunden-Arbeitswoche organisiert hat,


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haben mich viele Unternehmerinnen, Unternehmer und Sozialpartnerinnen und Sozial­partner aus Niederösterreich kontaktiert und gemeint, sie werden diese Regelung nur im äußersten Fall anwenden. Ich habe gesagt: Ich glaube euch das. Ich glaube euch das solange, bis ihr den ersten Auftrag nicht bekommt, weil ein Mitbewerber mit der 60-Stunden-Arbeitswoche oder mit dem 12-Stunden-Arbeitstag kalkuliert.

Und genau das ist passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Betriebe aus Tschechien, aus Ungarn, aus der Slowakei, aus Slowenien ...


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich darf Sie kurz unterbrechen: Ich glaube, es ist Ihre erste Rede, wenn ich das richtig gesehen habe. – Ich würde daher ersuchen, dass wir uns daran halten, dass man bei der ersten Rede auf Zwischenrufe verzichtet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Es ist kein Zwischenruf, es ist eine Korrektur!) Das gilt ohnedies nur für die erste Rede.

Bitte, Sie sind am Wort, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Rudolf Silvan (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Ich bin Bau-Holz-Gewerkschafter, ich habe schon vor vielen Bauarbeitern gesprochen, ich habe kein Problem damit. (Abg. Michael Hammer: Die rufen auch dazwischen!) – Die rufen mehr dazwischen, und lauter, wesentlich lauter.

Betriebe aus dem benachbarten Ausland, die in Österreich anbieten, kalkulieren alle mit der 60-Stunden-Woche. Das haben mir Funktionäre aus der Wirtschaftskammer Niederösterreich sogar bestätigt. Was passiert? – Unsere eigenen Klein- und Mittelbe­triebe kommen dadurch unter Druck und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso.

Mitte August 2019 wurde ein Umfrageergebnis der Firma Deloitte, der Uni Graz und der Uni Wien veröffentlicht, wonach der 12-Stunden-Tag in 30 Prozent der österreichi­schen Betriebe Normalität geworden ist. Das mag vielleicht manche Industrievertreter freuen, für uns von der Sozialdemokratie ist das ein Schritt zurück ins 19. Jahrhundert. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man sich die Statistiken der AUVA ansieht, merkt man: Die sprechen eine ein­deutige Sprache. 2014 gab es 97 722 Arbeitsunfälle, davon waren 95 tödlich, 2018 gab es 99 339 Arbeitsunfälle, davon 102 mit tödlichem Ausgang. Das Wichtigste ist, dass im ersten Halbjahr 2019 die Zahl der schweren Arbeitsunfälle ab der 10. Stunde signi­fikant gestiegen ist. Das heißt, das ist ein Indiz dafür, dass immer mehr Menschen immer länger arbeiten und die Formel offensichtlich lautet: je länger die Arbeitszeit, umso schwerer der Arbeitsunfall. Das können wir im 21. Jahrhundert nicht hinnehmen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Das Recht und die Möglichkeit, die Viertagewoche ins Arbeitszeitgesetz aufzunehmen, ist in Wirklichkeit längst überfällig und ein kleiner Schritt. Wenn wir die Gesundheit der Menschen fördern und erhalten wollen, müssen wir im Zeitalter der Digitalisierung über eine echte Arbeitszeitverkürzung und über ein modernes Arbeitszeitgesetz sprechen, das dem 21. Jahrhundert entspricht, wie zum Beispiel in Skandinavien, wo in manchen Branchen der 6-Stunden-Tag oder die Viertagewoche eingeführt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme schon zum Schluss. Die Menschen ar­beiten, um zu leben, und nicht umgekehrt. Tragen wir dem Rechnung! Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belako­witsch. – Bitte.



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19.41.52

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): An meinen Vorredner, auch wenn es seine erste Rede war: Ein bisschen verwirrend war das jetzt schon, was Sie da von sich gegeben haben.

Das neue Arbeitszeitgesetz wurde ja von Teilen der Gewerkschaft sehr bekämpft. Man hat jetzt gesehen, es hat sich ziemlich beruhigt. Man sollte das jetzt einmal in aller Ruhe evaluieren, wieweit sich das jetzt wirklich entwickelt hat, in welche Richtung das gegangen ist. Sie stellen sich aber jetzt hierher und erklären, dass das alles ganz furchtbar schrecklich ist, und das bei einem Antrag des Kollegen Muchitsch, der in Wahrheit den Rechtsanspruch auf die Viertagewoche will, was ja eigentlich nur mit dem neuen Arbeitszeitgesetz möglich ist, denn mit 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag wer­den Sie die Viertagewoche nicht schaffen. Das geht sich einfach rein rechnerisch nicht aus.

Ich glaube, die Idee der Viertagewoche war ja auch einer der Hintergründe. Wir wollten das ja damals im Arbeitszeitgesetz auch schon unterbringen. Ich halte das für einen guten und wichtigen und richtigen Ansatz. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass damals sehr viel Panikmache betrieben wurde. Sie haben es ja selbst er­wähnt, es gab da einmal eine Gewerkschaftsdemonstration, die war eher na ja, die hat es halt gegeben, aber danach hat man nichts mehr gehört, denn es war einfach nicht so dramatisch, wie es dargestellt worden ist, sondern ganz im Gegenteil: Dieses Ge­setz bildet die Realität des Arbeitslebens, die sich in der Zwischenzeit entwickelt hat, ab.

Wir wissen natürlich, flexible Arbeitszeiten sind ja nicht nur etwas, was Arbeitnehmer wollen, sondern vor allem auch etwas, was Arbeitgeber wollen. Das heißt, die Kritik, dass es vielleicht für manche Branchen schlecht ist, haben wir durchaus ernst ge­nommen. Das muss man sich in einer Evaluierung anschauen, wie sich das entwickelt hat. Prinzipiell aber, glaube ich, hat das neue Arbeitszeitgesetz mit Sicherheit für Fle­xibilisierung gesorgt. Es hat auch dafür gesorgt, dass sich der Standort gefestigt hat. Ich glaube, all die Schreckensszenarien, die da an die Wand gemalt worden sind, sind ja letztlich nicht eingetreten. – Gott sei Dank, sonst hätten wir ja sofort etwas ändern müssen.

Der Rechtsanspruch auf die Viertagewoche ist sicherlich etwas, was sinnvoll ist, was auch Sinn macht. Wir werden das im Sozialausschuss mit Sicherheit noch in aller Ru­he debattieren können. Ich glaube, am Ende des Tages werden alle erkennen, dass Arbeitszeitflexibilisierung nicht mit einer Arbeitszeitverlängerung gleichzusetzen ist, sondern – ganz im Gegenteil – mit der Stärkung des Arbeitsmarkts und auch mit einer Stärkung des Standorts. Insofern freue ich mich, ich finde diesen Antrag auch sehr gut, denn das, was mit der Arbeitszeitflexibilisierung als weiterer Schritt ursprünglich schon geplant war, nämlich der Rechtsanspruch auf die Viertagewoche, ist sicherlich etwas, was im Sinne unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die richtige Richtung geht. (Beifall bei der FPÖ.)

19.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


19.44.43

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechtsanspruch auf eine Viertagewoche wurde von Kollegen Muchitsch im Rahmen des Antrages quasi als Ausgleich für den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche gesehen.

Ich finde das durchaus auch überlegenswert, allein aus dem Grund, dass dadurch die 60-Stunden-Woche eingegrenzt werden könnte. Das macht schon durchaus Sinn und


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ist auch sehr begrüßenswert. Wenn auf der anderen Seite Kollege Silvan sagt, die Viertagewoche ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Arbeitszeitverkürzung und er­freut sich steigender Beliebtheit, dann stimmt das natürlich auch.

Wenn man die Medienberichte über Betriebe liest, die die Viertagewoche eingeführt haben – in Österreich beispielsweise in Osttirol oder in anderen europäischen Ländern, in Neuseeland, glaube ich, hat es auch Beispiele gegeben –, dann sind diese Vierta­gewochen aber immer mit einer Arbeitszeitverkürzung einhergegangen. Die finde ich in dem Antrag aber leider überhaupt nicht. Da finde ich den Rechtsanspruch auf eine Viertagewoche mit einer Normalarbeitszeit von bis zu 10 Stunden pro Tag, das ist nicht wirklich eine Arbeitszeitverkürzung. Das ist sogar eine relativ lange tägliche Arbeitszeit, und das in einem Land, das europaweit mit an der Spitze liegt, wenn es um die Länge der wöchentlichen Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten geht.

Lange Arbeitstage haben gleichzeitig auch das große Problem, dass sie eine Verein­barkeit von Beruf und Familie oder Erholung nicht wirklich zulassen. Arbeitszeitmodelle wie diese Viertagewoche mit maximal 10 Stunden sind einfach Modelle für Vollzeitbe­schäftige, und das sind vor allem Männer. (Abg. Schellhorn: Muss man drauf schau­en, dass Frauen auch vollzeitbeschäftigt sind!) Angeblich sollen diese Modelle ja auch für PendlerInnen besonders attraktiv sein. Da stellt sich für mich schon die Frage wie lange, wenn der Pendler oder die Pendlerin – also der Pendler vermutlich – dann ver­mutlich 12 bis 13 Stunden am Tag unterwegs ist, und seine Kinder, wenn er welche hat, dann unter Umständen auch nur am Wochenende sieht oder von Fotos kennt.

Da bin ich jetzt beim letzten Punkt: Kinderbetreuung ist bekanntlich keine Sache fürs Wochenende. Kinderbetreuung findet jeden Tag statt. Was passiert, wenn vollzeitbe­schäftigte Männer, vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer tatsächlich die Viertagewoche mit täglich 10 Stunden haben? – Dann wird die Kinderbetreuung wer anderer machen müssen. Das wird vermutlich die Frau sein. Sie wird weiterhin Teilzeit arbeiten müssen, mit all den Folgen für das Einkommen, für die soziale Sicherheit und für die Pension.

Das heißt, wenn wir eine Viertagewoche diskutieren – ich bin da durchaus dafür und freue mich auf die Diskussion im Sozialausschuss, denn ich halte sie für dringend not­wendig –, dann müssen wir das auch im Zusammenhang mit Arbeitszeitverkürzung diskutieren (Abg. Muchitsch: Gerne!), nämlich in Richtung einer 35-, 36-Stunden-Wo­che. Das entspricht nämlich auch dem Wunsch der ArbeitnehmerInnen, das haben bereits sehr viele Umfragen ergeben, und es würde auch tatsächlich einer gerechte­ren Verteilung von Erwerbsarbeit und Hausarbeit entgegenkommen. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Ich weiß natürlich ganz genau, dass wir in diesem Haus derzeit weit und breit keine politischen Mehrheiten für eine Arbeitszeitverkürzung haben – no na, das wissen wir eh. Tatsächlich führt, wenn es um Work-Life-Balance, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und um die bessere Vereinbarkeit von Arbeitsleben, Freizeit und Erholung und Gesundheit geht, kein Weg daran vorbei. Egal, ob wir eine Mehrheit haben, ja oder nein, die ArbeitnehmerInnen hätten sich eine Arbeitszeitverkürzung längst verdient. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


19.48.47

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Peter Haubner freut sich schon, mit Kollegen Koza die Arbeitszeitvorschläge für die neue Regierung auszuarbeiten. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Krainer.)


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Man sieht natürlich auch: Wer die Grünen hat, braucht wirklich keine Roten mehr, denn da ist alles abgedeckt. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ja, der SPÖ-Antrag des Kollegen Muchitsch sieht ein individuelles Recht auf eine Vier­tagewoche vor. Gegen dieses individuelle Recht kann sich der Arbeitgeber nur in ei­nem mühsamen Verfahren und schlussendlich mit einer gerichtlichen Auseinanderset­zung wehren. Wenn er das nicht tut, was ja auch sein kann, weil er einverstanden ist, dann kann dieser Mitarbeiter individuell nach sechs Monaten wieder zurück auf die Fünftagewoche gehen. Dagegen kann sich dann der Arbeitgeber nicht mehr wehren.

Diese Form der einseitigen Veränderung der Arbeitszeiteinteilung entspricht nicht ei­nem partnerschaftlichen Arbeitsverhältnis. Das würde ich mir anschauen. Zu Recht würde sich die Gewerkschaft aufregen, wenn irgendjemand einseitige Änderungen der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber vorsähe, der auf einmal sagen kann: Und du ar­beitest jetzt nur noch vier Tage, Ende der Durchsage! – Das würdet ihr zu Recht nicht wollen, aber umgekehrt schlagt ihr es jetzt vor. Das ist unausgewogen. (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt heute schon viele Betriebe – das wurde gesagt –, die die Viertagewoche prak­tizieren. Die haben betriebliche Vereinbarungen getroffen, haben sich partnerschaftlich an einen Tisch gesetzt und haben mit dem Betriebsrat Lösungen ausverhandelt. Sol­che betrieblichen Lösungen befürworten wir auf jeden Fall, und das ist schon möglich, dafür braucht es jetzt kein neues Gesetz. Wenn es kein neues Gesetz braucht, sollte man keines beschließen. Gut sind immer Lösungen, die zustande kommen, wenn die Menschen miteinander reden. – Ich kann mir schwer vorstellen, dass die SPÖ etwas dagegen hat, dass die Mitarbeiter und die Arbeitgeber miteinander reden. (Beifall bei den NEOS.)

19.50

19.50.59


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Ich werde den Antrag 42/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuweisen.

19.51.1111. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, geändert wird (51/A)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Frau Abgeordnete Becher, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.


19.51.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Wer in Österreich eine Wohnung sucht, ist nicht zu beneiden. Die Situation am privaten Wohnungsmarkt in Österreich ist bekannt: Die Preise sind außer Kontrolle, die Wohnungssuchenden haben den Nachteil, die Spekulanten geben den Ton an.

Der Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer weist für das vergangene Jahr bei den Eigentumswohnungen eine Steigerung von 4,2 Prozent aus; da haben Jungfami­lien so gut wie kaum eine Chance. Ähnlich ist es im Mietenbereich, da sind die Preise auch sehr stark im Steigen. In den Wiener Außenbezirken ist im letzten Jahr eine Steigerung von 10 Prozent zu verzeichnen. Die Probleme erstrecken sich aber über


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ganz Österreich und sind nicht mehr nur in der Bundeshauptstadt zu finden. Vorarlberg hat bei den Preisen die Hauptstadt bereits überholt.

Lösungen gibt es. Die SPÖ hat mit einem Universalmietrecht Verbesserungen vorge­schlagen, das würde eine ökologische, flexible Mietpreisgestaltung ermöglichen. Das wurde von fast allen anderen Parteien abgelehnt, vor allem stets von der ÖVP.

Der Markt regelt aber nicht alles, die Vermieter setzen weiterhin auf steigende Preise. Es werden zum Großteil auch immer mehr befristete Wohnungen angeboten und ver­mietet. ÖVP und FPÖ haben Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher zu Heimatlosen im eigenen Land gemacht. Nutznießer von diesen vielen Umzügen sind nicht nur die Vermieter, sondern auch die Makler. Zwei Monatsmieten müssen künftige Mieter für eine Wohnung bezahlen, und die Vermieter wälzen größtenteils die Kosten, die Gebühren, auf die Wohnungssuchenden ab.

Daher fordert die SPÖ den Umstieg auf das international übliche System des Be­stellerprinzips. Wenn jemand eine Wohnung sucht und eine Miete von 1 000 Euro in­klusive Betriebskosten und Steuer hat, so macht das bei einer Fünfjahresbefristung 2 200 Euro Maklerprovision aus. Als ehemalige Vorsitzende der Mietervereinigung möchte ich doch zur Beratung durch eine Interessenvertretung raten. Die Gebühren soll der Auftraggeber bezahlen; und um diese 2 200 Euro, die an Maklergebühren be­zahlt werden, kann man aktuell 33 Jahre lang Mitglied bei einer Interessenvertretung sein, inklusive persönlicher Beratung und Vertretung bei Problemen mit den Betriebs­kosten.

Mittlerweile sind, glaube ich, alle hier im Hohen Haus vertretenen Parteien für das Be­stellerprinzip. Es ist keine Zeit zu verlieren, regeln wir dies im Bautenausschuss: Die Maklergebühren sollen zu einer Sache zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wer­den. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

19.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Johann Singer zu Wort. – Bitte.


19.55.05

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie bezie­hungsweise vor den Bildschirmen! Der vorliegende Antrag der SPÖ ist nahezu ident mit den Bestimmungen in Deutschland und es lohnt sich daher, sich diese etwas ge­nauer anzuschauen. Natürlich ist es erlaubt, dass man sich Anleihe bei anderen Staa­ten nimmt, und das gilt natürlich auch für das Thema Wohnen – nur ist das Wohnrecht in Deutschland ein anderes, auch das Maklerrecht in Deutschland ist ein anderes, wie überhaupt der gesamte deutsche Wohnungsmarkt nicht mit jenem in Österreich ver­gleichbar ist.

Das sogenannte Bestellerprinzip wurde in Deutschland im Jahr 2015 eingeführt. Es kann daher schon jetzt mit den entsprechenden Erfahrungen, die gesammelt wurden, eine Bewertung vorgenommen werden. Was wir etwa sehen, ist, dass viele Mietwoh­nungen nicht mehr auf den diversen Immobilienplattformen angeboten werden, weil Vermieter auf andere Kanäle ausweichen. Es wird also künstlich ein Angebot ver­knappt und das erhöht wiederum die Preise insgesamt. Es passiert also genau das, was wir nicht wollen. Nicht alles, was gut klingt, ist es auch, und hin und wieder hilft auch das Gespräch mit unmittelbar Betroffenen, denn dann erfährt man natürlich auch entsprechend Wissenswertes.

Die Parteivorsitzende der SPÖ hat die Arbeit der Makler in den sozialen Medien so wiedergegeben: „Die meisten Mieter suchen sich ihre Wohnungen selbst über das In-


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ternet. Die Makler machen für sie nicht viel mehr, als die Wohnung bei der Besichti­gung aufzusperren.“ – Das ist ein Zitat von Pamela Rendi-Wagner.

Was ich so mitbekommen habe, haben die Vertreter des Sozialdemokratischen Wirt­schaftsverbandes ihr dann zu erklären versucht, dass sich die Immobilieninserate nicht von selbst auf die Homepages stellen und dass man als Makler in Österreich auch ei­nen Gewerbeschein braucht. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können mir glau­ben, man muss schon einiges mehr können, als nur zu wissen, wie man Wohnungstü­ren aufsperrt.

Nun zurück zum vorliegenden Antrag: Wir teilen die Intention, wir müssen aber we­sentlich sorgsamer umgehen, als Sie das mit dem Antrag tun. Warum? – Weil wir kei­nen unübersichtlichen Markt haben wollen, weil wir nicht wollen, dass es wieder zum Ablöseunwesen kommt, und weil wir nicht wollen, dass die Wohnungssuchenden mit Massenbesichtigungen konfrontiert werden – um nur einige negative Auswirkungen des deutschen Modells anzusprechen, wie uns das von den deutschen Expertinnen und Experten auch vermittelt wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren, gehen wir einen österreichischen Weg, nur damit können wir den Bedürfnissen unserer Bevölkerung gerecht werden! Das werden wir in einer neuen Regierungskonstellation auch anstreben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Köllner zu Wort. – Bitte.


19.58.53

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Zunächst: Ich freue mich sehr, meine erste Re­de als Nationalratsabgeordneter zu einem mir besonders wichtigen Thema halten zu dürfen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Mit meinen 28 Jahren zähle ich mich noch zur jungen Generation und weiß daher, was die Herausforderungen für junge Menschen sind, die sich noch in Ausbildung befinden, studieren, vielleicht eine junge Familie haben oder erst frisch ins Arbeitsleben einge­stiegen sind und dementsprechend ein niedriges Einkommen haben. Viele wollen sich aber den Wunsch, auf eigenen Beinen zu stehen, erfüllen. Das ist aber nur dann mög­lich, wenn Wohnen auch tatsächlich leistbar ist – denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die SPÖ ist leistbares Wohnen seit jeher ein zentrales Anliegen, und auch mir als jungem Abgeordneten ist es wichtig, dass bei diesem Thema endlich etwas weitergeht. In meiner Heimat, dem Burgenland, haben wir zum Beispiel im gemeinnützigen Wohn­bau mit der OSG einen Partner, mit dem wir Startwohnungen für 5 Euro pro Quadrat­meter und mit einer geringen Kaution für junge Menschen anbieten. Das sind jene Vor­zeigeprojekte, die sich junge Menschen wünschen.

Was kann aber noch getan werden? – Ein unabdinglicher Schritt wäre, wenn die Mak­lergebühren nicht wie bisher vom Mieter, sondern vom Auftraggeber, also im Regelfall vom Vermieter, bezahlt würden; ein Prinzip, das, wie wir gerade gehört haben, in Deutschland und anderen Ländern bereits gang und gäbe ist. (Beifall bei der SPÖ so­wie Bravoruf des Abg. Leichtfried.) Kurz gesagt: Derjenige, der den Makler beauftragt, übernimmt die Maklergebühren, und das sind eben mehrheitlich nicht die Jungen.

Ich habe mich im Wahlkampf wirklich gefreut, als ich gehört habe, dass sich eigentlich alle Parteien für diese Lösung ausgesprochen haben. Umso enttäuschender war es


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dann, als sich das als reiner Wahlkampfgag der Kurz-ÖVP entpuppt hat. Es war offen­bar nur ein Wahlzuckerl. Was ist aber aus diesem Wahlzuckerl geworden? – Gemein­sam mit der FPÖ hat die ÖVP noch vor den Nationalratswahlen das Zustandekommen einer Sitzung des Bautenausschusses verhindert, einen Fristsetzungsantrag abgelehnt und so eine rasche Änderung des Maklergesetzes unmöglich gemacht.

Aus dem süßen ÖVP-Wahlzuckerl wurde eine saure Zitrone, in die die Mieter nach wie vor beißen müssen. Fakt ist, sie müssen weiterhin zwei Monatsmieten als Maklerge­bühr bezahlen. Ich finde es nicht fair, wenn der Jugend etwas vorgegaukelt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese zwei Monatsmieten Maklergebühr – da reden wir von 1 500 bis 2 000 Euro; und ich wiederhole mich – sind insbesondere für Junge, Alleinerzieher, Jungfamilien, aber auch für Pensionisten viel Geld. Für uns als SPÖ ist es daher ein Gebot der Stunde, gerade diese Menschen bestmöglich zu unterstützen. Ich erwarte mir auch die Unter­stützung der Grünen und hoffe, dass Sie, sollten Sie in Regierungsverantwortung kom­men, sich an Ihre Positionen, die Sie im Wahlkampf vertreten haben, erinnern.

Eines möchte ich abschließend ganz klar betonen: Uns geht es nicht um Makler­bashing oder die Abschaffung der Makler. Nein, uns geht es rein darum, dass derjeni­ge, der die Leistungen eines Maklers in Anspruch nimmt – im Normalfall eben der Vermieter –, auch die Kosten trägt. Das ist im Prinzip nichts anderes als die logische Konsequenz, denn wenn ich zum Friseur gehe und mir die Haare schneiden lasse, zahle ich selbstverständlich auch für die Dienstleistung.

Daher bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, vergessen Sie nicht, wofür Sie sich vor wenigen Wochen vor den Nationalratswahlen noch ausgesprochen haben, und füh­ren wir gemeinsam bei Maklergebühren das Bestellerprinzip ein! (Beifall bei der SPÖ.)

20.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.02.52

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Kollege, ich gratulie­re Ihnen zu Ihrer ersten Rede. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Frei nach Oscar Wilde: „Die Wahrheit ist selten rein und niemals einfach.“ – Herr Kollege, mit Ihrer Darstellung haben Sie genau das gemacht, was Sie anderen vorwerfen. Sie ha­ben gemeint, wir würden den Leuten Sand in die Augen streuen und den jungen Men­schen etwas Falsches erzählen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Herr Kollege Matznetter, Sie sind nachher dran. Ich kenne Ihre Stimme schon, aber ganz ruhig. Sie sind nachher dran, jetzt rede ich. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Ja, ja, bla, bla, bla. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Sie sagen quasi, wir ziehen den jungen Menschen Geld aus der Tasche. Das ist leider wieder einmal typisch SPÖ, denn Sie leben wieder einmal in der Vergangenheit. Mit diesem Vorschlag, den Sie hier schon zum wiederholten Male bringen, machen Sie leider keine einzige Wohnung günstiger und auch das Mieten nicht günstiger, denn die Wahrheit ist, meine lieben Konsumenten, der Antrag der SPÖ führt dazu, dass Sie sich mit Bewerbungsmappen um Mietwohnungen prügeln müssen und die günstigsten Miet­wohnungen wahrscheinlich gar nicht mehr auf den Markt kommen, denn das ist genau das, was in Deutschland durch diese, von der SPÖ abgeschriebene, gesetzliche Rege­lung leider passiert.

Was Wohnen wirklich günstiger und leistbar macht, ist ein freiheitliches Mietrecht. Wir schlagen zum Beispiel vor: keine Strafen, sondern ein Anreizsystem für längeres oder


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unbefristetes Mieten; die Miethöhe nicht abhängig vom Baudatum, vom Baujahr, son­dern abhängig vom Zustand, von der Ausstattung; keine Zuschläge für heute selbstver­ständliche Ausstattungsgegenstände wie eine Türklingel oder einen Telefonanschluss.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie wirklich – die ÖVP ist ja lei­der im Wahlkampf auf dieses Thema umgeschwenkt und hat sich vom Populismus trei­ben lassen, obwohl sie vorher immer etwas Gegenteiliges gesagt hat; ich weiß, dass nicht jeder damit glücklich ist, aber es ist einfach so – solch ein Gesetz vorbereiten und wenn wir solch ein Gesetz beschließen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), dann ist es dabei ganz wichtig, dass sich jeder seinen Vertreter selbst aussuchen kann. Das heißt, wir müssen auch eine Abkehr vom Doppelmaklerprinzip machen. Wir müssen darauf schauen, dass Makler auch bei Unternehmern nur auf Auftrag tätig werden können. Und, so ehrlich muss man sein, wenn die ÖVP sagt, sie ist für leistbares Eigentum, dann muss man auch darüber nachdenken, ob man das Doppelvertretungsprinzip, das Doppelmaklerprinzip nicht auch dann abschafft, wenn es um Eigentum geht. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Kollegin Mag.a Nina Tomaselli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Matznetter in Richtung Abg. Schrangl. – Abg. Schrangl: Nein, nein, wir wollen, dass Menschen günstigere Mieten haben! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


20.06.12

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schrangl und Matznetter.) Herr Kollege Schrangl – jetzt spielt die Musik hier vorne! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen) –, im Wirtschaftsleben gibt es ein ehernes Gesetz: Wer eine Dienstleistung bestellt, muss sie auch bezahlen. Wenn ich den Gärtner bestelle, um meine Hecke schneiden zu lassen, dann hat der Nachbar zwar auch etwas davon, weil er auf eine geschnittene Hecke schaut, ich muss den Gärtner aber bezahlen, denn ich habe ihn bestellt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Loacker: Aber wer vermittelt dir den Gärtner?)

Wenn ich als Unternehmerin eine Rechtsauskunft von einem Anwalt brauche, dann muss ich sie bezahlen und nicht der Kunde, mit dem ich nachher ein Rechtsgeschäft mache. (Abg. Meinl-Reisinger: Wenn es so einfach wäre, wäre es ja einfach!) Und wenn Sie mit Ihrem Kollegen in einem Gasthaus einkehren und dieser dort eine Lo­kalrunde bestellt, dann würden Sie sich auch bedanken, wenn er sagt: Na geh, Philipp, aber jetzt zahlst du die Rechnung! – Genau das aber ist das, was Sie verteidigen. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wer anschafft, muss auch zahlen. – Das muss in Österreich gelten, und zwar für alle. Deshalb wollen wir auch keine Sonderregelung für irgendeine Berufssparte, deshalb muss das Bestellerprinzip her – besser gestern als morgen. Liebe FPÖ, was mich auch noch wundert, ist, dass Sie bei jeder Gelegenheit den freien Markt bemühen, die der­zeitige Regelung aber Protektionismus in Reinkultur ist.

Maklerei ist ein gutes Business; sie ist ein gutes Business nicht deshalb, weil da so tolle Leistungen geboten werden, sondern weil der Immobilienmarkt überhitzt ist – so ehrlich muss man sein. Am Ende des Tages werden alle Wohnungen vermietet, es werden die meisten Wohnungen gekauft. Und steigender Preis heißt hohe Maklerpro­vision, aber nicht nur das, sondern die große Nachfrage bedeutet für den Makler – und so ehrlich können wir sein – tendenziell weniger Arbeit.

Dass der Mieter für eine Dienstleistung zahlen muss, die sich der Eigentümer oder der Verkäufer wünscht, war noch nie richtig und fair. Aber in Zeiten wie diesen, in denen


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die Wohnungsnachfrage in den Städten, in den Boomregionen dermaßen groß ist, ist das einfach nur noch mittelalterlich und vermessen und gehört sofort abgeschafft. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wird Sie überraschen, aber es ist auch eine Chance. Wir Grüne vertrauen irgendwie auch auf den freien Markt, denn wenn der Verkäufer oder der Eigentümer für die Leis­tung bezahlt, dann kommt es zu einer besseren Qualität auf dem Markt. Das fördert nämlich den Wettbewerb, denn wenn der Eigentümer oder der Vermieter sich den Makler aussuchen kann, dann wird er genau darauf achten, dass er ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bekommt, und das wird das Heer der Makler in die guten und in die schlechten trennen. Die unseriösen Glücksritter, die nur hinter dem schnellen Euro her sind, werden Zug um Zug vom Markt verschwinden.

Es ist klar, Sie alle haben sicher auch diese Schreiben der Maklervertreterinnen und -ver­treter bekommen, die sehen, dass ihnen die Felle davonschwimmen. Ich kann Ihnen deshalb sagen – stellvertretend auch Ihnen als Maklerpartei –: Fürchtet euch nicht! Das Maklergewerbe gibt es auch in Ländern, in denen es keine protektionistischen Ge­setze gibt. Es ist dort jedoch fairer, von höherer Qualität und es gibt weniger schwarze Schafe. Das müssen doch alle bevorzugen, auch die guten Makler, denn die be­kommen dann viel mehr Aufträge, weil es eben so am freien Markt ist: Wenn ich eine gute Leistung liefere, dann bekomme ich viele Aufträge. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Felix Eypel­tauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.10.16

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist halt doch nicht so einfach, wie es in der Debatte manchmal dargestellt wird, und ich möchte jetzt den Versuch starten, ein biss­chen ins Detail zu gehen und zu erklären, warum es nicht so einfach ist.

Voranstellen möchte ich, dass wir NEOS immer und sehr gerne dazu bereit sind, über Maßnahmen zu reden, die zum Ziel haben, den Wohnungsmarkt zu entlasten und da­mit die Menschen zu entlasten. Solche Maßnahmen können aber – auch wenn sie oft sehr gut gemeint sind – ganz gewaltig nach hinten losgehen. Das haben wir – das ha­ben Kollegen schon zuvor in ihren Reden gesagt – gerade in Deutschland gesehen; das ist eine reale Gefahr. Schauen Sie einerseits auf den sicher gut gemeinten Mieten­deckel in Berlin, der desaströse Folgen für den Markt und für das Angebot dort hat, schauen Sie andererseits auf das schon zitierte deutsche Bestellerprinzip bei Immobi­lienmaklern, das genau die gegenteiligen Effekte zu den intendierten Forderungen und Zielen hatte!

Deshalb wollen wir diesen Antrag – es ist ja eine erste Lesung – sorgfältig prüfen und näher anschauen – wir freuen uns auch auf die Debatte im Ausschuss –, zum Ersten, weil durch diese konkrete Regelung, wie sie die SPÖ hier vorschlägt, zu befürchten steht, dass der Markt intransparenter wird, dass sich immer mehr Vermieter überlegen, ihre Wohnung nicht über einen Makler zu vergeben, sondern vielleicht privat, unter der Hand, im Bekanntenkreis einen Mieter, eine Mieterin zu suchen. Wir brauchen aber das genaue Gegenteil am österreichischen Mietmarkt, wir brauchen mehr Transparenz und wir brauchen mehr Angebot für Wohnungssuchende. – Das ist der erste problema­tische Punkt.

Näher anschauen wollen wir uns das aber auch, weil wir in Deutschland beobachten können, wie nach Einführung einer sehr ähnlichen Regel die Ablösen für Wohnungen in die Höhe geschnellt sind. Man findet Inserate, in denen es um 8 000 Euro Ablöse für


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eine normal möblierte Wohnung geht. Das können wir auch nicht wollen, dass in Ös­terreich MieterInnen dann zwar weniger für den Makler zahlen, aber dafür für die Ab­löse das Drei-, Vier- oder Fünffache. – Das ist der zweite Punkt.

Der dritte Punkt: Wir müssen uns das näher anschauen, weil die SPÖ hier – und das ist mir ganz wichtig – gar kein Bestellerprinzip beantragt. Man muss lesen, was da be­antragt wird. Sie beantragt aber auch kein Erstauftraggeberprinzip, wie sie es nennt, sondern sie beantragt in Wirklichkeit ein Der-Vermieter-zahlt-immer-Prinzip, und das ist nicht fair. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es soll doch – da sind wir uns einig, und so einfach ist es halt nicht immer – derjenige bezahlen, der eine Leistung bekommen und in Auftrag gegeben hat.

Ich bringe jetzt noch kurz ein Beispiel, damit wirklich klar ist, worum es geht: Die Pen­sionistin Frau Meier gibt einem Makler ihre Vorsorgewohnung zum Vermieten. Die Ma­nagerin Frau Dr. Huber aus Linz zieht mit ihrem Mann und ihren Kindern nach Wien, weil sie dort einen Job gefunden hat, und beauftragt die Maklerin, den Makler damit, eine Wohnung zu finden, die den Bedürfnissen ihrer Familie entspricht. Der Makler leistet Arbeit – das ist hier vielleicht noch nicht so durchgekommen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), aber Immobilienmakler machen eine Arbeit für potenzielle Mieter –, schaut sich an, welche Objekte es gibt, sucht die richtigen raus, macht Besichtigungen und so weiter.

So: Wenn jetzt Frau Meier Frau Dr. Huber, dieser Managerin, ihre Wohnung vermietet (Abg. Leichtfried: Das ist so ein Beispiel aus dem echten Leben!), dann zahlt die neue Mieterin nichts für die Leistungen des Maklers und die Vermieterin zahlt alles, weil – und das ist die Krux, darüber ist nicht geredet worden – in dem Antrag der SPÖ steht: „Kenntnis“. Der Makler muss Kenntnis von einer Vermittlungsgelegenheit haben, und in dem Moment zahlt die Vermieterin, egal ob der Makler für sie eine Leistung erbracht hat oder nicht. – Das ist die Krux, und deshalb kann man das so nicht bestimmen und muss sich gut überlegen, wie man es bestimmt.

Zu guter Letzt gehe ich noch auf die Strafbestimmungen ein. 25 000 Euro Strafbestim­mung im Maklergesetz: Das ist unsystematisch hoch und das passt da einfach nicht hin.

In diesem Sinne schließe ich und kann für uns NEOS sagen: Wir wollen Fairness – ja. Der, der eine Leistung bestellt und sie bezieht, soll auch dafür zahlen. Das ist ein Ge­danke der Fairness, aber wir müssen uns im Ausschuss wirklich gründlich und sorg­fältig anschauen, ob und wie das bei Maklerverträgen zu bewerkstelligen ist. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Singer.)

20.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Meinl-Reisinger: Schon wieder? Noch ein Oscar-Wilde-Zitat? – Abg. Schrangl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein, jetzt nicht mehr! Außer Sie hätten eins für mich, Frau Kollegin!)


20.14.24

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Frau Kollegin Tomaselli, Sie wollen doch nicht wirklich einem Konsumenten hier vom Rednerpult aus erklären, dass ein Makler, der nicht von ihm bezahlt wird, den Konsumenten perfekt gegenüber dem Ver­mieter vertritt!

Ich habe nicht gefordert, das derzeitige System beizubehalten, sondern was ich ge­fordert habe, ist – nicht der Antrag der SPÖ, denn was da wirklich dahintersteckt, hat Kollege Eypeltauer grandios ausgerollt –, dass es wenn, dann nur so weit gehen kann, dass sich jeder seinen Vertreter selbst aussucht, weil dann, Frau Kollegin, es wirklich


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so ist, dass man sich seinen Vertreter selbst aussucht, man selbst für eine Leistung be­zahlt und man selbst perfekt betreut wird, wenn er auch gut ist. – Herzlichen Dank.

Und, Herr Kollege Matznetter, da Sie immer so reinschreien: Kommen Sie heraus zum Pult! Erklären Sie den Leuten (Zwischenruf des Abg. Matznetter), ob ein Konsument eine ausgezeichnete Leistung bekommt, wenn er nicht dafür bezahlt! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: Alles jenseits der Wirklichkeit ...!)

20.15

20.15.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich werde den Antrag 51/A, gesetzt den Fall der Wahl eines Ausschusses für Bauten und Wohnen, diesem zuweisen.

20.15.4912. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (53/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt nun der Antragsteller Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.


20.16.08

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn die letzten Jahre etwas gezeigt haben, dann war das zweifelsohne, dass Parlamente nicht überall gleich agieren und dass der österreichische Nationalrat wahrlich kein selbstbewusstes, starkes Parlament war, das auch mit Mehrheit und mit Entschlossenheit in der Lage war, dieser Regie­rung dann, wenn Dinge gelaufen sind, die nicht korrekt waren, Paroli zu bieten.

Geschätzte Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass es unser gemeinsames Ziel sein muss, unabhängig davon, ob wir die Perspektive Opposition oder die Pers­pektive Regierung haben, alles zu tun, um dieses Parlament dem Prinzip der parla­mentarischen Demokratie würdig zu erweisen. Dazu gehört ein Parlament, das selbst­bewusst und stark ist, dazu gehört ein Parlament, das in seinem Handeln auch von den Bürgerinnen und Bürgern erfahren werden kann, das öffentlich ist. Und ich glaube, wir haben einiges zu tun, um diese Öffentlichkeit in unserem Parlament, im Nationalrat, in den Ausschüssen auch viel stärker anzubieten.

Da gibt es eine Debatte, die schwelt schon länger – ich meine, man sollte jetzt endlich einmal ins Gehen kommen und die Dinge umsetzen –, und diese Debatte gipfelt in der Frage: Wie öffentlich soll unser Parlament sein? Wie öffentlich sollen die Dinge sein, die wir tun?

Ich war vor Kurzem für diesen Nationalrat gemeinsam mit einem Kollegen von der ÖVP in Brüssel im Außenpolitischen Ausschuss. Ich muss sagen, die sind viel weiter. Im Außenpolitischen Ausschuss dort waren Zuseherinnen und Zuseher. Es ist live über­tragen worden, es wird im Web gestreamt. Diese Dinge, die bei uns immer als unmög­lich gelten, sind dort selbstverständlich.

Ich glaube, die Zeit ist reif, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist reif, dass die Menschen nicht nur sehen, was hier im Plenum passiert, sondern dass sie auch sehen,


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was in den Ausschüssen geschieht, denn da geschehen manchmal auch Dinge, bei denen man jetzt vielleicht froh ist, dass man sie nicht sieht, und das ist eigentlich nicht in Ordnung. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Es ist wirklich nicht in Ordnung, und deshalb ist ein Punkt dessen, was wir beantragen, die Ausschüsse in Zukunft öffentlich zu ma­chen. Es ist wirklich an der Zeit, das zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Eßl.)

Es gibt noch viele Punkte, die ich Ihnen gerne berichten wollte, aber ich glaube, wenn wir schon über Öffentlichkeit reden, dann wird es auch Zeit, dass das Licht der Öffent­lichkeit viel intensiver in die Untersuchungsausschüsse – und jetzt werden wir wieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen – dringt. Selbstverständlich gibt es Sicher­heitsinteressen, die zu wahren sind, selbstverständlich gibt es Persönlichkeitsinteres­sen, die zu wahren sind, aber ich glaube, politische Handlungsträger, die bekannt sind, brauchen auch nicht zu versuchen, sich hinter der Anonymität, der Nichtöffentlichkeit der Untersuchungsausschüsse zu verstecken, wenn es darum geht, ihre politische Ver­antwortung einzugestehen, geschätzte Damen und Herren – und das werden wir bald wieder erleben, dass politische Verantwortung einzugestehen ist.

Deshalb fordere ich Sie auf: Nehmen wir diese Diskussion über die Öffentlichkeit un­seres Hauses ernst, denn sie wird in eine Diskussion über die Wertigkeit unseres Hau­ses führen! Ich glaube, wir sind alle dafür, dass dieses Parlament, dass dieser Natio­nalrat ein starkes Gremium der österreichischen Demokratie wird. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.20.09

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, Herr Kollege Leichtfried, es ist in der Tat so, dass wir eine zeitgemäße Geschäftsordnung für den Nationalrat brauchen. Da gibt es mehrere Dinge, nicht nur die, die in Ihrem Antrag drinnen stehen und jetzt auch prä­sentiert worden sind. Ich denke, das sollte man allumfassend diskutieren, und es sind ja weitestgehend auch Zweidrittelmaterien. Ich denke schon, dass wir uns intensiv da­mit auseinandersetzen sollten, und das werden wir auch.

Wobei ich Ihnen aber schon widersprechen muss, ist: Ich glaube, das ist keine Frage des Selbstverständnisses eines starken Parlaments, wie öffentlich Ausschusssitzungen sind. Wir als Vertreter der Österreichischen Volkspartei sehen uns als starkes, als akti­ves Parlament und machen das nicht nur daran fest, ob jetzt eine Ausschusssitzung live übertragen wird, sondern wie wir uns inhaltlich einbringen, mit welchem Selbstver­ständnis wir arbeiten. Wir empfinden unsere Arbeit als sehr selbstbewusst und sehr wesentlich, und dadurch wird ein starkes Parlament verkörpert. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Es ist schon richtig, dass man gewisse Dinge aus Ausschüssen auch einer gewissen Öffentlichkeit zuführen kann (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ), was im Übrigen ohnedies passiert, weil ja aus allen Ausschusssitzungen laufend OTS-Nachrichten, APA-Meldungen et cetera hinausgehen. Was aber nicht sein soll, ist – und wir haben uns das in einigen Parlamenten angeschaut –, dass das, was zum Beispiel im Plenum stattfindet – eine öffentliche Diskussion, durch die die Bürger die verschiedenen Argu­mente auch wahrnehmen können –, verstärkt in den Ausschuss getragen wird, da es im Ausschuss schon auch um eine sachliche Diskussion, um eine Entscheidungsfin­dung geht, die oftmals halt doch – und das sagen auch Parlamente, die das haben –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 211

erschwert wird, wenn man das alles öffentlich überträgt. Man muss also auch zwischen dem unterscheiden, was öffentlich ist und was nicht öffentlich ist.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es in der Geschäftsordnung einiges zu modernisie­ren, anzupassen gibt, und wir stellen uns dieser Diskussion grundsätzlich gerne. (Bei­fall bei der ÖVP.)

20.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sigrid Maurer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.22.14

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie – es sind noch welche da – und vor den Fernsehbildschirmen oder via Livestream! Wir haben hier den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrates, und diese Punkte, die in die­sem Antrag eingebracht werden, sind durchaus alle begrüßenswert; das Livestreamen von öffentlichen Ausschusssitzungen et cetera, das ist alles grundsätzlich ganz gut, es ist halt der Minimalkonsens.

Ganz grundsätzlich haben wir eine Geschäftsordnung, die eigentlich nur dann ver­ständlich ist, wenn sie mit dem Kommentar gelesen wird, wo vieles überarbeitet wer­den könnte, müsste. Da befinden wir uns auch in Diskussion.

Was aber das Parlament an sich und die Öffnung des Parlaments und die Einbindung und die Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern betrifft, könnte man na­türlich schon noch deutlich mutiger sein, als es hier vorliegt. Das betrifft zum Beispiel die Möglichkeit, die Ausschüsse öffentlich zu gestalten. Die Ausschüsse verlaufen, wie wir alle wissen, die wir hier herinnen sitzen, oft so, dass eher nicht so viel Engagement bei einzelnen Redebeiträgen zu spüren ist, oft werden vorbereitete Statements nur mehr verlesen, Vertagungen durchaus kreativ argumentiert. Ich glaube, dass die De­battenkultur in den Ausschüssen dadurch, dass sie öffentlich wären, grundsätzlich schon etwas steigen könnte.

Jetzt sagen GegnerInnen dieses Vorschlags der möglichen Öffentlichkeit aller Aus­schüsse, dass das dann dort auch nur das Schaulaufen und den Kampf et cetera zwi­schen den Fraktionen befördern würde. Gleichzeitig muss man halt sagen, dass auch jetzt bei den nicht öffentlichen Ausschüssen die Debatten dort nicht so ablaufen, dass es in der Regel konstruktive Auseinandersetzungen gibt, dass dort Lösungen spontan ausgearbeitet werden; also so ist es ja jetzt auch nicht.

Als Anregung für diese Legislaturperiode: Vielleicht schaffen wir auch in diesem Be­reich eine Weiterentwicklung. Das gilt auch für andere Punkte, wie zum Beispiel die Dienste, die wir hier im Haus haben. Wir haben den Budgetdienst. Der ist sehr gut, aber der bräuchte sicherlich noch mehr Ausstattung, um tatsächlich vollumfänglich die Leistungen für die Abgeordneten zu erbringen. Auch der Rechts- und Legislativdienst könnte umgestaltet und besser ausgestattet werden. Ich glaube, es täte uns insgesamt gut, den Parlamentarismus aufzuwerten.

In diesem Sinne: Diese Punkte sind zu begrüßen. Sie sind natürlich in einem großen Geschäftsordnungspaket zu diskutieren und nicht nur hier als einzeln herausgegriffene Maßnahmen. Aber vielleicht schaffen wir es ja in dieser Legislaturperiode insgesamt, uns als gesamtes Parlament ein bisschen zu öffnen und uns einen Schritt ins 21. Jahr­hundert zu wagen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 212

20.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.25.36

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wissen Sie, ich war bis Oktober dieses Jahres Mitglied in der Bezirksvertretung im 8. Bezirk in Wien. Da gab es einen Themenkomplex, der hat immer für wahnsinnig viel Unruhe und wahnsinnig viel Aufregung gesorgt, und das war immer, wenn es um mehr Öffentlichkeit, um mehr Transparenz, um mehr Mitbestimmung, um mehr Teilhabe für Bürgerinnen und Bürger ging. Besonders nervös wurden da immer die Vertreter von SPÖ und ÖVP.

Ich gebe Ihnen dazu ein ganz konkretes Beispiel: 2015, im Jahr unserer Angelobung, haben wir gleich direkt danach einen Antrag gestellt, dass alle Sitzungen der Bezirks­vertretungen – die ja eigentlich nichts Geheimes sind – live gestreamt werden sollen. Somit hätten alle interessierten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, wo auch im­mer sie sind, wo auch immer sie sich befinden, zu lokalen Themen reinzuschalten und mitzuschauen, was in der Bezirkspolitik gerade diskutiert wird.

Wissen Sie, was spannend war? – Alle Parteien haben zugestimmt. Es war ein ein­stimmiger Beschluss! Wir haben schon gewusst, warum das einstimmig war, denn da­mals hat niemand damit gerechnet, dass das wirklich zur Umsetzung kommt, weil die zuständige Magistratsabteilung damals noch ein bisschen blockiert hat. Dann aber ist es spannend geworden. Drei Jahre später hat die Stadt Wien, also der Magistrat, ge­sagt: Lieber 8. Bezirk, ihr habt einen einstimmigen Beschluss für den Livestream von Bezirksvertretungssitzungen, wir wären jetzt zur Umsetzung bereit! Wie schaut es bei euch aus? – Und dann hat es angefangen.

Die Blockiererparteien haben dann das gemacht, was sie am besten können. Sie ha­ben argumentiert: Das geht nicht, wenn man jetzt die Sitzungen via Livestream über­trägt, die Bezirksrätinnen und Bezirksräte haben ja keine Immunität! Wir können dann ja nicht mehr sagen, was wir uns denken!, die anderen haben gesagt: Jetzt sitzen wir die letzten 30, 40 Jahre schon so in dieser Sitzanordnung, da müssten wir ja die Sitz­anordnung ändern! – Und somit ist das, was wir eigentlich einstimmig beschlossen ha­ben, nie zur Umsetzung gelangt, weil unterschiedliche Vorwände gefunden wurden.

Nach vier Jahren in diesem Gremium war das – dass dieses Thema des Livestreams der Bezirksvertretungssitzungen nie wirklich erfolgreich umgesetzt wurde – tatsächlich einer der größten Wermutstropfen. Ich komme dann gleich dazu, was das mit dem zu tun hat, was wir hier heute diskutieren. Damals haben uns die anderen Parteien eines zugestanden: Wir wollten den Livestream der Bezirksvertretungssitzungen und die an­deren Parteien haben uns die Onlineverfügbarstellung von Anträgen und Anfragen auf der Website zugestanden – ein kleiner Erfolg, aber nichts im Vergleich zu dem, was wir ursprünglich wollten.

Das erinnert mich ein bisschen an die Dimensionen, über die wir heute reden. Sie ken­nen die Vorschläge von uns NEOS: Ministerhearings im Nationalrat, verpflichtende Be­gutachtungsverfahren für alle Gesetzesinitiativen, Verbesserung für Bürgerinitiativen und selbstverständlich die Öffentlichkeit – und gerne auch mit Livestream – in allen Ausschusssitzungen und nicht nur in den wenigen Ausschusssitzungen, die jetzt schon öffentlich sind. Also bitte nicht falsch verstehen! Wir werden dem Antrag, wenn es dann dazu kommt, natürlich zustimmen. Aber ganz ehrlich: Der große Wurf ist das nicht. Also geben Sie sich, gerade an die SPÖ gerichtet, ein bissl einen Ruck und trau­en Sie sich ein bisschen mehr Transparenz! Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. (Beifall bei den NEOS.)

20.28

20.28.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 53/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 213

20.28.5413. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 ge­ändert wird (83/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.29.22

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Damen und Herren, die von zu Hause zusehen! Die OECD warnt vor der schwachen Weltwirtschaft und fordert, und zwar mit Nachdruck, jetzt zu handeln. Die Jahre 2019 bis 2021 sollen das schwächste Wachstum seit der weltweiten Finanzkrise vor zehn Jahren bringen.

Das Wifo rechnet 2020 mit einem BIP-Wachstum von 1,4 Prozent. Dieser niedrige Wert soll bis 2024 anhalten. Das sind die Rahmenbedingungen, die auf uns zukom­men. Die Gründe sind bekannt: Die Aussichten für den Welthandel sind instabil. Han­delskonflikte der USA mit China und der EU sowie der Brexit wirken sich negativ auf den Handel und damit auf das Exportland Österreich aus.

Wenn wir nichts unternehmen, wird laut Wifo die Arbeitslosigkeit fast 400 000 Men­schen in Österreich betreffen. Das sind Schicksale, harte Schicksale für die betroffenen Männer, Frauen und ihre Kinder, denen plötzlich das Geld für ihr Leben, für die Mieten, für die Lebensmittel, für die Kleidung, aber auch für die nötige Unterstützung der Ent­wicklung ihrer Kinder fehlt. Dem öffentlichen Haushalt werden dadurch Beitragsleis­tungen entzogen. Das wird, da sich dieser zu zwei Dritteln über Arbeitnehmer und Ar­beitnehmerinnen finanziert, zu einem Problem. Fehlende Kunden und Fachkräfte für die österreichischen Unternehmen sind eine weitere Herausforderung, mit der wir rech­nen müssen.

Um dieser Konjunkturflaute entgegenzuwirken, braucht es eine soziale, demokratische und sozialpartnerschaftliche Politik, wie sie die SPÖ vorschlägt (Beifall bei der SPÖ), und zwar mit folgenden Schritten: Wir fordern die Regierung auf, gemeinsam mit den Sozialpartnern ein Konjunkturpaket, und zwar im ersten Quartal 2020, vorzulegen. Es ist notwendig, dieser Krise proaktiv zu begegnen, indem bereits 2020 die ersten 1 700 Eu­ro brutto Monatsgehalt lohnsteuerfrei sind. Das bedeutet ein Plus von 1 100 Euro in den Geldbörsen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Von dieser Maßnahme werden auch die Unternehmer in Österreich profitieren, und zwar nicht nur durch den steigenden Konsum, denn die faktische Lohnsteigerung sorgt für größere Zufriedenheit und Motivation; gerade in den Niedriglohnbereichen werden viele Jobs wieder attraktiver. Das ist auch volkswirtschaftlich und nicht nur wirtschaft­lich relevant.

Eine weitere Maßnahme ist auch, den geplanten Bonus für kleine und mittlere Einkom­men bei der Sozialversicherung auf 2020 vorzuziehen und unter sozialpartnerschaftli­cher Perspektive steuerliche Anreize für Unternehmen zu schaffen, um sie durch eine zeitlich begrenzte vorzeitige Abschreibung zum Investieren zu motivieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die überfällige Schließung des Genderpaygap ist auch eine Konjunkturmaßnahme, die mitbehandelt werden sollte. Endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Wir haben in Ös­terreich in Bezug auf Vollzeitjobs noch immer 15,6 Prozent Unterschied bei gleichen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 214

Arbeitsbedingungen. Das gehört endlich abgeschafft, weil es dem Mittelalter näher ist als der Neuzeit. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist weder verständlich noch gerechtfertigt. Es geht hier um das Recht der Frauen auf Gleichbehandlung und um ein Plus für das Familieneinkommen.

Das alles sind gute Möglichkeiten, über Verteilungsgerechtigkeit konjunkturfördernd zu wirken und die Krise sozialpartnerschaftlich und gemeinsam zu bewältigen. Ich bitte Sie im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)

20.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Andreas Min­nich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.33.40

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Vor allem ein herzliches Grüß Gott an alle Besucher auf der Galerie und all jene, die die Sitzung via Bildschirm aus der Ferne und von zu Hause aus ver­folgen! Ich darf mich heute zum Antrag 83/A betreffend Einkommensteuergesetz äu­ßern.

Für mich ist das eine besondere Sitzung, da ich heute die Ehre habe, meine erste Rede hier im Hohen Haus halten zu dürfen. Bevor ich zum Inhaltlichen komme, möchte ich aus diesem Anlass ein paar Worte des Dankes sprechen: Danke an alle Unter­stützer und Helfer der letzten Jahre und im Speziellen der letzten Monate sowie selbst­verständlich an meine Familie. Es ist mir eine besonders große Freude, meine Region, das wunderschöne Weinviertel, hier vertreten zu dürfen und gemeinsam im Team der neuen Volkspartei mitgestalten zu können. (Beifall bei der ÖVP.) Ein herzliches Dan­keschön an alle Kolleginnen und Kollegen, sowohl in der eigenen Fraktion als auch über Parteigrenzen hinaus, für die herzliche Aufnahme hier im Parlament.

Nun aber zum Inhaltlichen: In einem Land wie Österreich, welches im Bereich der Ab­gabenquote im Spitzenfeld Europas liegt, ist das Thema Entlastung ein wesentliches. Aus diesem Grund hat sich unser Klubobmann Sebastian Kurz auch schon in der letzten Gesetzgebungsperiode als Regierungschef diesem Thema verschrieben, und zwar mit ganz konkreten Maßnahmen. Mit Maßnahmen wie der Entlastung der ge­ringeren Einkommen durch eine Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge und dem Familienbonus haben wir gezeigt, wie Entlastung für Leistungsträger und für Fa­milien zielgerichtet und treffsicher funktioniert. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Zuge dieser Maßnahmen und mit dem ersten Teil der Steuerreform haben wir den Weg der Entlastung gestartet, und diesen wollen wir auch weitergehen. Wenn ich von der Entlastung der Leistungsträger spreche, meine ich nicht die Spitzenverdiener. Es ist aber auch klar, dass bei der Umsetzung Ihres Antrags Kosten von 6,5 Milliarden Euro auf uns zukommen – eine weitere Maßnahme auf dem Rücken unseres Mittel­standes, der damit weiter unter Druck gesetzt wird. Gerade wenn wir über die Einkom­mensteuer sprechen, ist die Betrachtung aller betroffenen Gruppen nötig. Der Weg der neuen Volkspartei ist sehr klar und führt in Richtung 40 Prozent Abgabenquote, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Bei dem vorliegenden Antrag muss ich leider die zuvor genannte Treffsicherheit infrage stellen. Es fehlt leider an Weitsicht und es ist keine punktgenaue Maßnahme. Neben­bei stellt sich für mich auch die Frage: Wer soll denn dann überhaupt noch Steuern zahlen? – Eine Solidargemeinschaft ist nur dann erfolgreich, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Wir bekennen uns ganz klar zu dieser Solidargemeinschaft, wir stehen dazu. Wer einzahlt, soll auch unterstützt werden. Leistung muss sich lohnen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 215

Es kann nicht unser Zugang sein, dass immer weniger Personen die gesamte Last schultern. Wir werden unseren Weg der Vernunft und der treffsicheren Maßnahmen für eine echte Entlastung weitergehen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter MMag. DDr. Hu­bert Fuchs. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.37.33

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn man sich die Begründung dieses SPÖ-Antrags durchliest, zeigt sich, es wird hochtrabend von einer Steuerreform für kleine und mittle­re Einkommen gesprochen. Das, was die SPÖ aber beantragt hat, ist keine Steuerre­form, sondern eine Einzelmaßnahme in Bezug auf den Einkommensteuertarif. Durch die Ausweitung der ersten Tarifstufe soll Einkommen bis 1 700 Euro brutto pro Monat ab 2020 von der Lohn- und Einkommensteuer befreit werden. Übrigens wird Lohn- und Einkommensteuer mit Doppel-S geschrieben, Herr Kollege Krainer, also ein S würde ausreichen.

Die SPÖ scheint aber die Neuerungen in der letzten Zeit nicht mitbekommen zu haben, denn – wie mein Vorredner schon angeführt hat – es gibt seit 1.1.2019 den Familien­bonus. Die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung hat das, was die SPÖ für 2020 fordert, schon längst umgesetzt. Bereits seit 1.1.2019 zahlt man bei einem Monatsbrutto von fast 1 900 Euro mit einem Kind keine Lohnsteuer.

Hätte die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung sämtliche Steuerpläne umsetzen können, dann hätte es ab 2022 für Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben, jährlich bis zu 3 000 Euro pro Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei in Form einer Mitarbeitergewinn­beteiligung auszuzahlen. Arbeitnehmer hätten so am Profit des Unternehmens steuer- und sozialversicherungsfrei partizipieren können. Wir hätten die Möglichkeit eines steu­er- und sozialversicherungsfreien 15. Gehalts für Arbeitnehmer geschaffen.

Neben den soeben angeführten Maßnahmen wäre eine Vielzahl weiterer Entlastungs­maßnahmen vorgesehen gewesen, nicht nur für die Unternehmer, sondern insbeson­dere auch für die Arbeitnehmer. Nachlesen kann man das Ganze im Ministerrats­vortrag vom 1.5.2019. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Nina Toma­selli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.40.09

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! (Die an den Sitzplatz des Abg. Haubner angelehnten Krücken fallen um.) – Kollegen Haubner fällt gleich alles runter, wenn ich hier herauskomme. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, ich halte fest: Sie wollen mit Ihrem Antrag mehr Beschäftigung schaffen. Sie wollen gegen die Arbeits­losigkeit vorgehen. Sie wollen Wirtschaftswachstum herbekommen. Das Ganze soll für mehr Gerechtigkeit und mehr Zufriedenheit sorgen. Alles soll mit der Senkung einer einzigen Tarifstufe bewerkstelligt werden. Und das Ganze soll nach Ihren eigenen Aus­sagen 5 Milliarden Euro kosten. Ist das korrekt?

Wenn dem so ist, dann muss ich Ihnen leider sagen, Ihre Steuerreform bekommt von uns das Prädikat ideenlos, denn jede Steuersenkung, die keine Umsteuerung mit sich bringt und nicht die Strukturschwächen im System angeht, ist die nächste vertane Chance. Ich bin 34 Jahre alt und habe schon etliche Jahrhundertsteuerreformen und


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beste Steuerreformen aller Zeiten erlebt; alle waren insgesamt vertane Chancen, und damit ist es jetzt endlich genug. Wir hatten genug vertane Chancen in der Vergangen­heit, jetzt müssen wir eine neue Chance nützen.

Österreich – und da gehe ich mit der ÖVP nicht d’accord – hat kein Abgabenproblem, Österreich hat ein Steuerstrukturproblem. (Beifall bei den Grünen.) Die Belastung auf Arbeitseinkommen ist so hoch, die Abgaben auf Vermögen sind lächerlich gering. Dazu kommt aber noch, dass wir in Zeiten, in denen uns die Klimakrise das erste Mal so richtig trifft, auch ein riesiges Steuerstrukturproblem bei den Ökosteuern haben. Wir haben ein Steuersystem, das einerseits umweltfreundliches Verhalten nicht entlastet und andererseits umweltschädliches Verhalten teilweise sogar fördert.

Das ist doch der Wahnsinn, und da brauchen wir nicht eine simple Senkung eines ein­zelnen Einkommensteuertarifs, die 5 Milliarden Euro kostet, sondern wir brauchen eine ökosoziale Transformation im System. Das ist Steuerpolitik im 21. Jahrhundert! (Beifall bei den Grünen.)

Selbstverständlich besteht in einer ökosozialen Umsteuerung ein sehr wichtiger Part darin, dass wir die niedrigen Einkommen besonders entlasten. Ob jetzt das Instrument, die ersten 1 700 Euro steuerfrei zu stellen, das beste Instrument ist, wage ich zu be­zweifeln, denn diejenigen, die gar keine Steuern zahlen, entlasten Sie mit diesem Sys­tem gar nicht; und die hätten es eigentlich umso notwendiger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen am Rande eines Klimakollapses. Da kön­nen wir es uns schlichtweg nicht leisten, dass wir 5 Milliarden Euro einfach so raus­pfeffern. Time is up für rote Schnellschüsse. Wir brauchen eine ökologisch-soziale Steuerreform, die wir aktiv gestalten. (Beifall bei den Grünen.) Wenn wir das gut ma­chen, dann schaffen wir Zehntausende Green Jobs, dann können wir unseren Lebens­raum schützen und die Klimaquerelen eindämmen.

Wenn wir es noch gescheiter machen, dann wird das Leben für uns alle lebenswerter. Die Gebäude werden zum Beispiel modern, sie werden saniert. Die Menschen und die Grünflächen bekommen mehr Platz. Der Verkehr und damit Lärm und Staub werden weniger, und der öffentliche Verkehr wird besser und günstiger.

Das ist unsere Vision. Diese Chance sollten wir im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher nutzen. Wir brauchen keine Schnellschüsse mehr. Wir brauchen auch kei­ne Gießkanne, sondern radikalen Realismus. Das ist das politische Lebenselixier die­ses Jahres. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.44.27

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Worum geht es in diesem Antrag? Die SPÖ schlägt hier drei Dinge vor. Der erste Punkt ist – das wurde auch schon genannt –, 1 700 Euro brutto komplett steuerfrei zu stellen. Der zweite Punkt ist, dass man die Einführung des Sozialversiche­rungsbonus für die kleineren Einkommen von 2021 auf 2020 vorverlegt. Der dritte Punkt, den die SPÖ hier auch fordert, ist, dass bei Einkommen über 1 Million Euro die derzeit bestehende Befristung des Spitzensteuersatzes von 55 Prozent aufgehoben wird, dass die Frist sozusagen verlängert wird und unbefristet weitergeht.

Das kann man natürlich alles diskutieren. Im Rahmen der ersten Lesung gibt es jetzt nicht wahnsinnig viel Zeit dazu, aber hier in aller Kürze unsere erste Kritik, unsere ers­ten Punkte zu diesem Antrag: Bei Gesetzen geht es ja immer um die Wirkung. Des­wegen muss man sich auch die unerwünschten Wirkungen anschauen, die solche Ge­setze eventuell haben. Da komme ich dann zu den 1 700 Euro steuerfrei.


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Was ist positiv? – Positiv, und das wurde auch von den Kollegen von der SPÖ ange­sprochen, ist der Konsumeffekt. Das kann man natürlich machen, das würde auch durchaus etwas bringen, aber wenn das wirklich so wichtig gewesen wäre, hätte man das schon seit zehn Jahren machen können, indem man einfach die kalte Progression abschafft. Das wissen Sie alle, das haben Sie auch alle gefordert, aber bis jetzt noch nie eingehalten.

Generell ist es halt so: Wenn wir uns das ganze Thema anschauen, dann glauben wir auch, dass es eine Steuerreform braucht, und zwar eine ökosoziale Steuerreform. Die­se haben wir auch im Wahlkampf mehrmals vorgestellt und präsentiert. Da geht es uns auch um einen Punkt, nämlich dass der Faktor Arbeit massiv entlastet gehört. Wenn wir uns dann auch noch die Lohnsteuer in diesem Zusammenhang anschauen, dann wissen wir auch, dass es in Österreich schon 2,5 Millionen Personen gibt, die steuer­befreit sind; das heißt, die zahlen gar keine Lohnsteuer. Das ist ein gutes Drittel der potenziell Lohnsteuerpflichtigen.

Auf der anderen Seite sind es in Österreich 25 Prozent der Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gut drei Viertel der Lohnsteuer, nämlich 77 Prozent, zahlen. Auch das muss man beachten, wenn man solche Dinge einfordert.

Nun zu den wirklich negativen Auswirkungen dieses Gesetzes – wir haben das auch schon im Ausschuss besprochen; ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum die SPÖ diesen Punkt nicht aufgreift –: Das ist ja ein negativer Erwerbsanreiz, den Sie mit die­sen Aktivitäten schaffen – das gilt ja auch für den Sozialversicherungsbonus –, was da­zu führt, dass Teilzeitarbeit einfach attraktiver gemacht wird.

Lassen Sie mich dafür einfach ein Beispiel bringen: Wenn jetzt zum Beispiel eine Frau Teilzeit arbeitet, zu 50 Prozent arbeitet und, angenommen, 1 000 Euro brutto verdient, dann bedeutet das im Augenblick 848 Euro netto, die ausgezahlt werden. Sollte sich diese Frau jetzt entscheiden, dass sie auf 100 Prozent aufstockt, also 2 000 Euro brut­to verdient, dann ergibt das 1 482 Euro netto, das heißt, die zweiten 50 Prozent sind 215 Euro weniger wert als die ersten 50 Prozent.

Warum ist das so? – Weil da quasi die Sozialversicherungsbeiträge zuschlagen und die Steuer zu greifen anfängt. Das ist aus unserer Sicht nicht gut, weil Sie damit viele Menschen – und wir wissen, dass das vor allem Frauen sind – in der Teilzeit halten und damit auch ganz, ganz oft – und das ist leider auch der Fall – in die Altersarmut führen.

Noch kurz zum dritten Punkt, zum Spitzensteuersatz von 55 Prozent: Wenn man sich das von der Budgetseite her anschaut, dann sind diese Einzahlungen vernachlässig­bar. Es hat aber durchaus eine unerwünschte Nebenwirkung: Wir wissen alle, Erfolg steht und fällt mit den Menschen; wenn es jetzt darum geht, dass sich kreative, gut ausgebildete Innovatoren entscheiden, wo sie arbeiten wollen – und wir alle wissen, dass sich diese entscheiden können und es egal ist, wo sie hingehen, ob sie jetzt in Österreich bleiben oder ins Silicon Valley ziehen –, dann hat es natürlich einen ganz großen Einfluss, welchen Spitzensteuersatz sie zahlen. Ja, es ist nicht budgetrelevant und deswegen aber durchaus ein Zeichen, wenn man diese 55 Prozent eben weiter­laufen lässt. Es ist ein Standortfaktor, es ist ein Wirtschaftsfaktor.

Wir können Details natürlich gerne im Ausschuss besprechen. Das hier ist eine erste Lesung, das heißt, es gibt noch Zeit, nachzuschärfen. – So kurz so viel fürs Erste zu diesem Antrag. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Ler­cher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 218

20.49.10

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bevor ich mit dem Thema beginne: Geschätz­te Kollegin Tomaselli, ich möchte kurz auf Ihre Ausführungen replizieren. Ich gebe ja zu, Sie haben da oder dort immer wieder einen Punkt gemacht, aber lassen Sie sich von einem alten Klassensprecher an dieser Stelle eines sagen: Kein Mensch mag Bes­serwisser. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Ich hoffe, Sie bringen diese gesamte Gscheitheit, die Sie heute hier gebracht haben, auch bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP auf den Boden, denn daran wird Sie die Sozialdemokratie messen, ge­schätzte Kollegin. (Beifall bei der SPÖ – Abg. Tomaselli: Gerne!)

Wir sprechen heute von diesem Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ein­kommensteuergesetz geändert wird – das ist ein unglaublich bürokratischer Titel, der eigentlich verschleiert, worum es geht –, und es geht bei diesem Antrag letztlich um Gerechtigkeit, um wirkliche Gerechtigkeit für die wirklich Fleißigen und für die Leis­tungsträgerinnen und Leistungsträger in diesem Land, geschätzte Kolleginnen und Kol­legen. Alle, die das in Abrede stellen, haben anscheinend nicht begriffen, wie viel die Abertausenden, die sich in diesem Lohnniveau bewegen, da draußen leisten. Deswe­gen, glaube ich, ist diese Maßnahme nicht schlechtzureden, denn alle, die es mit der Leistung wirklich ernst meinen, werden diesem Antrag hoffentlich auch zustimmen, lie­be Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Erlauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung: In Österreich wie auch weltweit wachsen die Vermögen einiger weniger in astronomische Höhe, 1 Prozent besitzt 40 Prozent des Vermögens – 40 Prozent! Weil diese Zahlen ja meistens nicht reichen, um das auch plakativ rüberzubringen, habe ich mir die Mühe gemacht, ein Beispiel anhand die­ses Plenums zu entwickeln: Stellen wir uns also einmal vor, die Kollegen Kurz und Wö­ginger – sie sind leider nicht da –, würden die rechten zwei Sektoren des Sitzungssaals alleine besetzen! Der Rest müsste sich dann auf die anderen drei Sektoren verteilen, und die ärmste Hälfte der Abgeordneten – wobei bei uns wirklich niemand arm ist, aber nehmen wir es an – hätte dann noch vier Sitzplätze zur Verfügung. Würden wir so eine Sitzordnung in diesem Haus vorschlagen, wir würden sie zu Recht als absurd be­zeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.) Leider aber ist genau das die Ungerechtigkeit, die wir in Österreich Tag für Tag erleben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Sozialdemokratie hier einbringt, ist nicht irgendein Gag oder irgendeine ideenlose Vision, es ist das ehrliche Bemühen, die wirklichen alltäglichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in Österreich zu ent­lasten. Diese Maßnahme ist ja nur ein erster Schritt in unserem Bemühen für einen wirklichen Systemwandel, damit wir wieder die entlasten, die sich Tag für Tag ein­bringen, und nicht andauernd nur Politik für irgendwelche Spenderinnen und Spender machen, die es sich sowieso leisten können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht in Summe wieder darum, die wirklichen Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in die­sem Land zu entlasten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.– Ge­schätzter Herr Kollege, würde ich Ihren Namen kennen, würde ich auf Ihre Aussagen replizieren. (Abg. Hörl: Hörl! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Erste Rede!) Ich schaue dann später nach.

In diesem Sinne alles, alles Gute! Bitte stimmen Sie mit, für eine wirkliche Entlastung der Fleißigen in diesem Land, für einen Paradigmenwechsel (Abg. Gahr: Oberkassie­rer! – Zwischenruf des Abg. Hörl), für alle Berufstätigen in Österreich, sehr verehrte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gahr: Oberkassie­rer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.52.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 219

Ich werde den Antrag 83/A, gesetzt den Fall der Wahl eines Finanzausschusses, die­sem zuweisen.

20.53.1314. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsge­setz (B-VG) geändert wird (100/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.53.32

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundespräsident ist nach der gültigen bundesverfassungs­rechtlichen Lage der einzige Repräsentant auf Bundesebene, der direkt gewählt wird. Dies verleiht ihm eine besondere Legitimation und auch eine besonders verantwor­tungsvolle Position. Dementsprechend weist ihm auch das B-VG bei der Bildung der Bundesregierung eine besondere Rolle zu. Der Bundespräsident ernennt derzeit völlig frei den Bundeskanzler, ohne Mitwirkung des Parlaments, ohne Vorschlag eines an­deren Organs. Er kann dazu theoretisch jedermann, der zum Nationalrat wählbar ist, ernennen. Die übrigen Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre ernennt er auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Der Bundespräsident kann den Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung eigenmächtig entlassen, ohne Vorschlag. Die ein­zelnen Bundesminister kann er nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers entlassen.

Mit dieser Rechtslage, die seit dem B-VG in der Fassung von 1929 gilt, fand man bis­her sehr gut das Auslangen. Es kam allerdings im vergangenen halben Jahr zu Vor­gängen, welche Zweifel daran entstehen lassen, dass diese Rechtslage noch aktuell oder noch optimal ist, denn es wurde ein Innenminister, der sich nichts zuschulden kommen ließ, vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers entlassen. Es gab dafür vom Bundespräsidenten keine nachvollziehbare Begründung, obwohl das eigentlich schon die schärfste Maßnahme ist, die man gegen einen Bundesminister setzen kann. Insofern war das ein sachlich nicht begründeter Akt. Zusätzlich erklärt der aktuelle Bundespräsident öffentlich in Interviews, dass er nicht daran denke, den ehe­maligen Bundesminister auch neuerlich als Bundesminister anzugeloben, so es einen entsprechenden Vorschlag des Bundeskanzlers geben würde. (Ruf bei den Grünen: Zu Recht! – Abg. Brandstätter: Kurz sagt das! Kurz will ihn nicht mehr!) Auch da wieder: Es gibt kein vorwerfbares Fehlverhalten, es wird nicht einmal eines vorgeworfen. Diese Ansage des Bundespräsidenten erfolgt ohne jede Begründung.

Es wurde eine Kurzzeitbundesregierung installiert, welche das Vertrauen des Parla­ments nicht hatte und nicht erringen konnte. Da ist also die Rolle des Bundespräsiden­ten etwas zweifelhaft. Es stellt sich die Frage, ob er nicht auch – gerade was den In­nenminister betroffen hat – aus ideologischen oder persönlichen Motiven gehandelt hat. Man weiß ja, dass der Herr Bundespräsident eine andere politische Heimat hat, diese sollte allerdings bei der Ausübung seines Amtes keine Rolle spielen.

Den wenigsten von uns war bewusst, glaube ich, dass es zu diesen Vorgängen auf­grund der bestehenden Rechtslage kommen kann. (Abg. Maurer: Also ich habe das schon gewusst!) Es stellt sich für uns die Frage, ob man nicht diskutieren sollte, die Bundesverfassung diesbezüglich abzuändern.

Deswegen haben wir den vorliegenden Antrag, wonach die Rolle des Parlaments bei der Bildung der Bundesregierung gestärkt werden sollte, eingebracht. Wir schlagen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 220

vor, den Artikel 70 B-VG dahin gehend zu ändern, dass der Bundeskanzler, die übrigen Mitglieder der Bundesregierung, also die Minister, und die Staatssekretäre vom Par­lament als Vertreter des Souveräns, und zwar vom Nationalrat aufgrund eines Vor­schlags des Hauptausschusses, gewählt werden. Das Ganze ist übrigens keine ganz neuartige Idee von uns. Wir gehen damit zur Stammfassung des Artikels 70 B-VG aus 1920 zurück, welche genau das vorsah, nämlich die Wahl der Bundesregierung durch das Parlament, auch aufgrund eines Vorschlags des Hauptausschusses. Es gab in der Fassung von 1920 auch kein Ernennungsrecht und kein Entlassungsrecht des Bun­despräsidenten. Vielleicht war das auch dem historischen Zusammenhang geschuldet; 1920, kurz nach dem Zusammenbruch der Monarchie, hatte man genug von eigen­mächtig handelnden Staatsoberhäuptern.

Aufgrund der Vorkommnisse des vergangenen halben Jahres möchten wir die Diskus­sion zu diesem Thema gerne eröffnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.58.13

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Zum Vorschlag der Freiheitlichen Partei, der natürlich zu diskutieren ist, möchte ich zunächst einmal sa­gen, dass wir sehr vorsichtig mit Anlassgesetzgebung sein müssen. Sie haben es ja selber hier gesagt (Abg. Angerer: Blödsinn!): Sie wollen aus Anlass einer Regierungs­umbildung, die Sie als Freiheitliche Partei betroffen hat, zwar kein Grundprinzip, aber doch ein klares Prinzip der Gewaltenteilung, der Checks and Balances aushebeln und zu einer Rechtslage von vor 1929 zurückkehren.

Dazu zwei kurze Anmerkungen: Die österreichische Bundesverfassung lebt von Kon­trolle und Gegenkontrolle im Machtdreieck zwischen diesem Haus, dem Parlament, der Hofburg und dem Kanzleramt, und Österreich ist dieses Jahr, da bin ich ein bisschen anderer Meinung als Sie, schon einmal ganz gut damit gefahren. Das heißt, ich muss einen guten Grund haben, wenn ich überhaupt an diesem Gefüge rüttle. Ihr erstes Ar­gument, dass ein Mitglied Ihrer Partei aus dem Innenministerium entlassen worden ist, ist bitte kein Grund dafür, an diesem Gefüge zu rütteln. Jeder Demokrat, Frau Kollegin, ist verpflichtet und berechtigt, für seine Sache zu kämpfen, zur Wahl zu gehen. Jeder Demokrat ist aber mindestens genauso verpflichtet, die Ergebnisse einer Wahl nachher auch anzuerkennen und dann nicht zu beginnen, Organe, die sich vielleicht nicht so zusammensetzen, wie er vorher gehofft hat, im Wege von Kompetenzbeschneidungen zurechtzustutzen.

Das ist eine Methode, bei der wir gut aufpassen müssen, denn ganz egal, ob Sie den Herrn in der Hofburg gewählt haben oder nicht, er ist, wenn er mit einem sehr, sehr starken demokratischen Votum ausgestattet ist, anschließend der Bundespräsident Österreichs (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Litschauer und Schallmei­ner) – genauso wie eine Bundesregierung, die sich auf eine demokratische Legitima­tion dieses Hauses stützt, die Bundesregierung Österreichs ist.

Das ist es, worauf ich hinweisen will, und ich halte nichts davon, wenn man nach einer Wahl hergeht und sagt: Das ist nicht mein Präsident!, oder: Das ist nicht meine Bun­desregierung! – Wer das sagt, der hat einen Mangel an demokratischem Verständnis oder er ist kein Demokrat. Bei Ersterem haben wir noch einiges an Aufklärungsarbeit zu tun, bei Letzterem müssen wir den Raum relativ eng halten.

Ich bin daher gespannt auf die Diskussion, die wir dann in einem Ausschuss führen werden, Frau Kollegin, wobei ich auch dazusage: Wenn Sie diesen Artikel der Bundes­verfassung wirklich ändern wollen, dann wird das nicht reichen, denn da haben Sie noch ein paar darauf Bezug habende Artikel davor und danach übersehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 221

Dieses System, das geschaffen worden ist, hat funktioniert, und ich bin strikt dagegen, dass wir aus einem einzigen Anlass, den ich noch dazu gar nicht als Anlass sehe, ein funktionierendes System von Checks and Balances, von Kontrolle und Machtkontrolle aushebeln, aber wir werden uns der Diskussion stellen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

21.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Thomas Drozda. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.01.21

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist einer der seltenen Fälle, dass ich nach einem ÖVP-Abgeordneten rede und ihm eigentlich fast vollinhaltlich beipflichten kann. (Heiterkeit des Abg. Brand­stätter.) Auch wir werden uns der Diskussion über die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten nicht entziehen, und ich verweise da auch auf den Verfas­sungskonvent, der ja Vorschläge dazu gemacht hat.

Das österreichische Verfassungssystem und insbesondere die Struktur der obersten Organe – von dem Dreieck war die Rede – ist allerdings von großer Komplexität und, wie manche – auch ich – meinen, in dieser Komplexität von großer Schönheit. Man kann deshalb nicht einfach einen Aspekt verändern, ohne die Auswirkungen auf das Gesamtgefüge zu sehen. Der von Ihnen eingebrachte Antrag stellt fundamentale Checks and Balances, also wechselseitige Kontroll- und Einflussrechte, infrage.

Bevor man allerdings das Zusammenspiel zwischen uns, dem Bundespräsidenten und der Regierung ändert und den Bundespräsidenten in Form einer Anlassgesetzge­bung – das ist ja heute in Ihrer (in Richtung Abg. Fürst) Rede klar geworden – der Mög­lichkeit, die Regierung zu entlassen, entkleidet, muss man sich schon mit den grund­sätzlichen Fragen des fundamentalen Zusammenwirkens in diesem Dreieck beschäf­tigen.

Was Sie vorschlagen, erinnert etwas an die Verfassung vor 1929, es erinnert auch an die deutsche Verfassung. Ich darf nur daran erinnern, dass in der deutschen Ver­fassung der Bundespräsident nicht in einer Volkswahl direkt gewählt wird, und ich frage mich, wie es im Rahmen dieses Vorschlags weitergeht. Reden wir dann wieder über den Kanzlerpräsidenten der Dritten Republik, den Sie auch schon vorgeschlagen ha­ben? Ist das der erste Schritt in diese Richtung: einmal den Bundespräsidenten in seinen fundamentalen Rechten zu beschneiden? – Opportunität und Populismus sind in der Politik schlechte Ratgeber, insbesondere dann, wenn es um die Verfassung geht. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Kollege Fürlinger hat es heute schon erwähnt: Die Bundesverfassung hat in diesem Sommer einen weiteren Höhepunkt in ihrer jetzt hundertjährigen Geschichte erlebt – diese Darstellung verdanken wir im Übrigen auch den Aktivitäten Ihrer (in Richtung Abg. Fürst) Partei, wie wir genau wissen.

Mit der Verfassung, und das sage ich Ihnen als Kulturpolitiker, verhält es sich nicht viel anders als mit guter Architektur. Bei guter Architektur geht es nicht nur um die Schön­heit, sondern es geht auch um die Statik, und es würde vernünftigerweise niemand auf die Idee kommen, tragende Wände herauszunehmen, ohne zu wissen, wie der Einfluss dieser Operation auf das Gesamtgebilde ist. Wir werden dieser Operation daher auch nicht nahetreten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 222

21.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sigrid Maurer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.04.35

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde diesen Antrag aus mehreren Gründen problema­tisch, und grundsätzlich ist es sogar für die FPÖ, finde ich, ein ziemlich starkes Stück, eine so weitreichende, massive Änderung einfach nur in so einem Antrag hier einzu­bringen, ohne das Gespräch in anderem Rahmen zu suchen. Der Hintergrund dürfte klar sein: Es handelt sich dabei nicht um einen seriösen Vorschlag, der tatsächlich hier im Hohen Haus seriös diskutiert werden soll, sondern um eine Art des Aktionismus. Auch die Begründung, warum man ihn einbringt, deutet ja schon ganz eindeutig darauf hin. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich möchte trotzdem so tun, als wäre es ein seriös eingebrachter Vorschlag und nicht nur Show, und ein paar inhaltliche Argumente liefern, warum der Vorschlag, der hier eingebracht wird, höchst problematisch ist.

Erstens ist es ein massiver Eingriff in unsere wohlaustarierte österreichische Verfas­sung, die von Schönheit und Eleganz geprägt ist, wie unser Herr Bundespräsident Van der Bellen ja zu sagen pflegt – und er sagt das nicht zu Unrecht. Was hier vorge­schlagen wird, wäre eine deutliche Verwaschung der Gewaltentrennung. Die Gewal­tentrennung ist ein ganz zentrales Grundprinzip einer jeden Demokratie. Das hier wäre eine deutliche Verwaschung, und aus diesem Grund kann man dem sicher nicht näher­treten.

Zweitens sind die Kompetenzen des Bundespräsidenten in Österreich im Vergleich zu denen von Präsidenten anderer Länder ja durchaus bescheiden, sie sind aber in dieser Ausgestaltung gut so. Ich halte es für problematisch, diese Kompetenzen zu beschnei­den, und es ist schon auch ein bisschen amüsant, dass ja, solange Herr Hofer noch Präsidentschaftskandidat war, durchaus eine breitere Auslegung oder Interpretation der Kompetenzen des Bundespräsidenten zu vernehmen war, jetzt aber das Gegenteil gemacht und die Schwächung des Bundespräsidenten angestrebt wird – durchaus auch mit einer parteipolitischen Begründung, die ich an dieser Stelle für komplett falsch halte.

Schon jetzt ist es so, dass der Nationalrat der Regierung das Misstrauen aussprechen kann. Es gibt die Möglichkeit, eine Regierung, der man nicht vertraut, abzuwählen – das ist ja auch erstmals hier passiert –, dementsprechend ist es auch nicht nachvoll­ziehbar, warum das jetzt notwendig sein sollte.

Weiters gibt es in dem Vorschlag keine Regelung für allfällige Rücktritte von Regie­rungsmitgliedern. Diese Ämter müssen aber sofort nachbesetzt werden können, da kann man nicht warten, bis das nächste Plenum oder der nächste Hauptausschuss stattfindet, um zu wählen.

Fünftens: Die Begründung dieses Antrags sagt ja schon alles. Es geht bei diesem Antrag eigentlich um beleidigte Egos – tatsächlich um zwei beleidigte Egos, nämlich einerseits um das Ego von Herrn Kickl, der doch so gern Innenminister wäre und sich da nichts sagen lassen möchte, andererseits vermute ich das zweite beleidigte Ego hinter mir: Parteichef Hofer, der wie gesagt im Präsidentschaftswahlkampf schon deut­lich anders gesprochen hat und durchaus an einer Ausweitung der Kompetenzen Inter­esse hatte, dann nicht Präsident wurde, und jetzt sollen wir die Kompetenzen be­schneiden – also das ist sehr durchsichtig.

Ich halte es aber vor allem für extrem problematisch, eine so weitreichende Verfas­sungsänderung aus diesen Motiven heraus anzustreben. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

21.08



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 223

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Kollege Dr. Helmut Brand­stätter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.08.19

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich erinnere mich natürlich – Kollegin Maurer hat es ange­sprochen – an den Bundespräsidentschaftswahlkampf, und der Herr Präsident (in Richtung Präsident Hofer) erinnert sich besonders gut daran. Ich habe damals die Ehre gehabt, noch als Journalist darüber zu berichten, und habe im März 2016 einen Artikel mit der Überschrift „Unser Präsident ist kein ,starker Mann‘“ geschrieben. Diese Dis­kussion war notwendig, weil beide Präsidentschaftskandidaten ein wenig Anwandlun­gen hatten, dass sie ein bisschen stärkere Männer werden sollen, und ich habe, so wie es sich gehört, in richtiger Objektivität beide Vorschläge abgelehnt.

Ich erinnere mich, dass Herr Van der Bellen damals gemeint hat: Na ja, wenn dann der FPÖler Kanzler wird, das will er nicht; vielleicht kann man den Nationalrat auflösen. Und von Herrn Hofer haben wir gehört, dass er dann, wenn er der Meinung ist, die Regierung macht nicht, was er will, die Regierung entlassen wird. – Ich habe mich sehr darauf festgelegt: Nein, das wollen wir nicht, weil wir eine schön ausbalancierte Ver­fassung haben.

Dazu habe ich auch ein interessantes Zitat gefunden, und zwar von Manfried Welan. Manfried Welan war nicht nur einer der wirklich großen Verfassungsrechtler dieses Landes, sondern, die Älteren bei der ÖVP erinnern sich, er war auch ein wichtiger ÖVP-Politiker – einer der bunten Vögel – in einer Zeit, als die ÖVP eine wirklich liberale Partei war. Was hat Professor Manfried Welan also geschrieben? – Er hat gesagt, die „Verfassung löst das Problem der Führerschaft, indem sie viele Führer vorsieht“.

Das ist, glaube ich, sehr plakativ, aber auch sehr schön ausgedrückt. Das heißt nichts anderes, als dass wir eine schöne Balance haben, dass es in diesem Dreieck aus­balanciert ist und dass es wahrscheinlich sehr unklug wäre, etwas daran zu ändern.

Etwas könnten wir aber schon ändern, etwas sollten wir schon machen – es war ja heute auch schon von Transparenz die Rede –: Wir könnten es auch als Stärkung des Parlaments sehen, wir könnten und sollten uns als Parlament doch das Recht heraus­nehmen, dass wir, bevor Minister bestellt werden – und es ging ja auch um den Fall ei­ner Ministerbestellung/Ministerentlassung –, hier im Parlament ordentliche Hearings durchführen, sodass eine Frau oder ein Mann, die oder der Ministerin oder Minister werden will, sich hier unseren Fragen stellen muss. Wenn ich an so manche Ministerin und so manchen Minister der letzten Jahre und Jahrzehnte zurückdenke, würde ich meinen, gute Hearings hätten dazu beigetragen, dass es sich die eine oder andere Person erspart hätte, diese Funktion zu übernehmen, und das auch unserem Land er­spart hätte.

Das heißt – wenn wir uns darauf einigen können –: Machen wir Hearings, laden wir die Damen und Herren, die Ministerinnen und Minister werden, ein, diskutieren wir mit ih­nen, aber lassen wir sonst die Verfassung in Ruhe, so wie sie jetzt ist! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

21.11

21.11.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich werde den Antrag 100/A, gesetzt den Fall der Wahl eines Verfassungsausschus­ses, diesem zuweisen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 224

21.11.2915. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über den Rechnungs­hof (Rechnungshofgesetz 1948 – RHG) geändert werden (102/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Schließlich kommen wir zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist der Antragsteller Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


21.12.11

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Vor wenigen Tagen ist der Unspruch des Jahres gewählt worden. Das ist, wie die meisten von Ihnen wahrscheinlich wissen: „Zack, zack, zack“. Leider blieb es dann nicht allein bei diesem Unspruch des Jahres, sondern es wurde heute bereits die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangt, und auch die Staatsanwalt­schaft beschäftigt sich mit dieser Causa, insbesondere mit der Causa Casag.

Wir haben in dem Ibizavideo, das uns allen bekannt ist, diverse Dinge gehört. Wir haben gehört, wie der ehemalige Vizekanzler dieser Republik gesagt hat, wie man den Rechnungshof umgehen kann, wie man Vereinskonstruktionen und so weiter bilden kann; alles Dinge, die wir für absolut falsch erachten und angesichts derer wir auch glauben, dass es dringend notwendig wäre, Regeln festzulegen und dem einen Riegel vorzuschieben, und das werden wir in nächster Zeit auch tun.

Es gab aber noch einen anderen Spruch aus diesem Video, der in den letzten Tagen sehr oft zitiert wurde, und der lautet: „Novomatic zahlt alle.“ Gerade im Zusammenhang mit der Novomatic ist natürlich auch immer das Thema – und das haben wir auch schon in der letzten GP und auch schon davor immer wieder diskutiert – aufgekom­men: Wie können wir dem Rechnungshof mehr Kompetenz geben, insbesondere was die Prüfung betrifft?

Wir stoßen immer an dasselbe Problem, und das ist diese magische Grenze von 50 Prozent – so viel Anteil muss die öffentliche Hand an einem Unternehmen halten, damit eine Rechnungshofprüfung durchgeführt werden kann. Wir haben schon in der letzten GP – und werden das auch heute wieder tun – den Antrag eingebracht, dass das bereits ab 25 Prozent wichtig und richtig wäre. Dafür gibt es viele Gründe; einer, der Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, der auch in der letzten Zeit schon immer wieder Thema war: Wenn der Anteil, den die öffentliche Hand an einem Unternehmen hält, dazwischen liegt, dann geht es immer darum, dass eine tatsächliche Beherrschung durch die öffentliche Hand vorliegen muss. Was ist diese tatsächliche Beherrschung? – Das ist immer wieder ein Streitfall, auch für Juristen. Wir hatten diesen Fall beim Flug­hafen Wien. Der Oberste Gerichtshof hat sogar zwei Mal ein Urteil sprechen müssen, um Klarheit zu schaffen, was zu geschehen hat.

Wir haben aber auch oft ein Thema in den Bundesländern. In vier Bundesländern – das sind die Steiermark, Kärnten, Salzburg und das Burgenland – dürfen die Landes­rechnungshöfe bereits ab einer Beteiligung von 25 Prozent prüfen. Das heißt, wir ha­ben die Situation, dass Landesrechnungshöfe Unternehmen, die eben zu 25 Prozent in öffentlicher Hand sind, prüfen dürfen, aber unser Rechnungshof auf Bundesebene, ein Hilfsorgan des Nationalrates, darf dort nicht prüfen. Das halte ich für schwer absurd.


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Auch ein historischer Rückblick ist relativ spannend: Bis 1977 war es so, dass der Rechnungshof grundsätzlich jedes Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung prüfen konnte. Damals haben Schwarz und Rot das auf diese 50-Prozent-Regel abgeändert. Das heißt, es war schon einmal so, dass der Rechnungshof wesentlich mehr prüfen konnte, als er heute prüfen darf.

Ich glaube, gerade in Anbetracht der möglichen Korruptionsfälle, die im Raum stehen, des schlechten Umgangs auch mit den staatsnahen Betrieben ist es absolut uner­lässlich, dass wir dem Rechnungshof mehr Möglichkeiten geben. Der Rechnungshof selbst hat mehrfach darum gebeten, dass er diese Kompetenz bekommt. Das stand im letzten Jahresbericht, und ich gehe davon aus, dass es auch heuer wieder im Jah­resbericht stehen wird, weil eben genau diese Probleme, die ich vorhin angesprochen habe, immer wieder auftreten und es auch unser Wille sein muss, uns als Parlament und damit auch unser Kontrollorgan – und das ist unser eigenes Kontrollorgan – zu stärken und ihm auch wirklich die Möglichkeit zu geben, die Dinge, die wir brauchen, die Informationen und auch die Berichte, bestmöglich abzuliefern.

Deswegen wünsche ich mir, dass wir im Ausschuss eine schöne Diskussion dazu ha­ben und auch möglichst schnell zu einer Umsetzung kommen werden. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

21.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Mag. Maria Smo­dics-Neumann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.16.22

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, in welcher Form auch immer Sie uns folgen! Sehr, sehr gespannt bin ich auf die Diskussion im Ausschuss und auf die diversen Argumente, die dann noch vorgebracht werden, denn grundsätz­lich fühle ich mich überhaupt nicht wohl bei diesem Antrag und kann ihn einer Fraktion, die eigentlich immer als sehr unternehmerfreundlich wahrgenommen werden will, auch kaum zuordnen.

Jetzt wissen wir, der Rechnungshof prüft Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaft­lichkeit – das ist in Ordnung. Wir wissen, dass es jetzt die Regelung hinsichtlich 50-Pro­zent-Beteiligung gibt. Sehr gerne hätten Sie, dass bei vier Anteilen, von denen drei in privatwirtschaftlicher Hand sind und ein Anteil die Investitionen des Staates vertritt, dieser eine Teil ein Hilfsorgan des Nationalrates – also von uns – in ein Unternehmen schickt, um dieses dann nach Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit be­urteilen zu lassen. Dabei fühle ich mich als Unternehmensvertreterin überhaupt nicht wohl, denn das ist für mich ein absolutes Ungleichgewicht, weil natürlich auch die un­ternehmerische Verantwortung von diesen drei privatwirtschaftlichen Teilen getragen wird.

Jetzt wissen wir auch, Rechnungshofberichte sind öffentlich, Rechnungshofberichte ziehen mitunter auch öffentliches Interesse an, öffentliche Berichte folgen. Ich weiß jetzt nicht, ob ich das will, wenn drei Teile des Unternehmens mir gehören, dass ein Teil diese Macht hat, mich auch in der Öffentlichkeit durchaus zu kritisieren, nicht im­mer vielleicht wertfrei zu kritisieren – nicht der Rechnungshof, aber wer weiß, was die Öffentlichkeit vielleicht daraus machen könnte.

Jetzt stelle ich mir natürlich quasi die Frage: Cui bono, wem hilft’s? – Ich hoffe, dass wir das in der Diskussion im Ausschuss eruieren können, wem dieses Begehren wirk­lich hilft. Ich glaube nicht, dass es das, was jetzt gerade untersucht wird, verhindern kann. Ich glaube nicht, dass alle Unternehmen aufgrund eines Problemfalles, der auf­getaucht ist, gleich in einen Topf zu werfen sind, dass viele für etwas, wovon wir noch


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nicht einmal wissen, was genau passiert ist, zu bestrafen sind, deswegen mein Appell: gut im Ausschuss zu diskutieren, vorsichtig im Ausschuss zu diskutieren und hoffent­lich fair im Ausschuss zu diskutieren. – Frohe Weihnachten! (Beifall bei der ÖVP.)

21.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Karin Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.19.29

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Hohes Haus! Ab einer 50-Prozent-Beteiligung sprechen wir von einer Mehrheits­beteiligung, und der Rechnungshof kann automatisch überprüfen. Das ist bekannt. Jetzt liegt ein Antrag vor, dass schon bei einer 25-prozentigen Beteiligung eine Rech­nungshofprüfung erfolgen können sollte.

Dieser Antrag birgt Konfliktpotenzial mit dem Aktienrecht in sich. Dieses Konflikt­potenzial wird mit dem Antrag keineswegs vermindert, sondern, im Gegenteil, erhöht. Warum? – Unternehmen, die mehrheitlich privatwirtschaftlich geführt sind, unterliegen bestimmten Prüfkriterien. Wenn ein Unternehmen börsennotiert ist, ist die Börsen­aufsicht zuständig. Ansonsten ist ein Jahresabschluss vorzulegen, Wirtschaftsprüfer haben einen Bestätigungsvermerk zu erteilen, nicht zu vergessen den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung als entscheidende Kontrollgremien.

Was bedeutet es, wenn ein derartiges Unternehmen zusätzlich zu diesen Prüfinstan­zen auch vom Rechnungshof geprüft wird? – Das bedeutet ein deutliches Mehr an bü­rokratischem Aufwand, und das bedeutet auch, dass genau über dieses Unternehmen wesentlich mehr Daten, Fakten und Zahlen vorliegen und der Öffentlichkeit auch be­kannt sind, für jeden zugänglich sind. Sehr geehrte Damen und Herren, ich ersuche Sie, zu überlegen, was das in weiterer Folge bedeuten könnte. Könnte das möglicher­weise zu einem Wettbewerbsnachteil führen? – Ja, könnte es. (Abg. Haubner: Würde es!)

Außerdem möchte ich, dass nicht nur bestimmte Unternehmen von den vorgesehenen Kontrollgremien und vom Rechnungshof geprüft werden; wenn, dann muss wirklich für alle Unternehmen, die vergleichbar sind, eine gleich vertiefte Kontrolle gelten und auch möglich sein, dann hätten wir wieder eine Gleichberechtigung. Im Übrigen möchte ich noch ergänzen: Auch wenn die staatliche Beteiligung eine Minderheitsbeteiligung ist, kann der Rechnungshof ein Unternehmen prüfen. Wann ist das der Fall? – Wenn Syn­dikatsverträge ausgehandelt wurden und wir dann eine tatsächliche Beherrschung vor­finden; und wenn das gut geregelt ist, dann ist das auch eindeutig.

Uns als SPÖ-Fraktion ist es auf jeden Fall wichtig, dass die bestehenden Kontrollgre­mien gut funktionieren und gut eingesetzt werden. Eine Rechnungshofprüfung aber be­reits bei 25-prozentiger Beteiligung automatisch durchführen zu können, das bedarf einer genauen Abwägung unter sehr sorgfältiger Bedachtnahme auf aktienrechtliche Aspekte und Auswirkungen. Für unsere Fraktion kann ich nur bestätigen und ver­merken: Wir bleiben zu diesem Punkt auf alle Fälle gesprächsbereit – unter den ge­nannten Bedingungen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.22.49

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es überrascht mich eigentlich nicht, dass die zwei Systemparteien dieser Republik gegen die Prüf­kompetenz auftreten. Wir können dem Antrag der NEOS absolut etwas abgewinnen,


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ich glaube, es ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Sobald der Bund mit Ge­bührengeldern, Steuergeldern beteiligt ist, sollte der Bund auch die Möglichkeit haben, über den Rechnungshof prüfen zu lassen. Es handelt sich beim Rechnungshof um ein Hilfsorgan des Parlaments. Warum man die Hilfe auch bei 25 Prozent ausschlägt, ist eigentlich unerklärlich. Wir werden diesen Antrag unterstützen.

Wir haben in der Vergangenheit schon ähnliche Anträge eingebracht, die auch keine Mehrheit gefunden haben. Man sieht, wie sich da gleich wieder Seilschaften von Rot und Schwarz finden, um das zu verhindern. Bei anderen Sachen schreit man immer, der Rechnungshof möge prüfen, hier will man das nicht. Das ist aus unserer Sicht ei­gentlich unerklärlich.

Ich glaube, es gibt in den Ländern sehr viele gemeinnützige Wohnbauträger, denen es auch gut anstehen würde, wenn sie der Rechnungshof einmal prüfen könnte. Im Gro­ßen und Ganzen kann man – ich glaube, so war eigentlich immer die überparteiliche Meinung –, wenn man nichts zu verbergen hat, auch nichts gegen eine Prüfung durch den Rechnungshof haben. Warum man sich jetzt so dagegen sträubt, überrascht mich schon ein wenig, weil man zumindest vom Rednerpult aus immer so getan hat, als sol­le der Rechnungshof alles in der Republik prüfen.

Ich freue mich auch schon auf die Ausschussdiskussionen. Wir verwehren uns dage­gen nicht, wir haben da sicherlich keine Angst und haben in der Vergangenheit schon ähnliche Anträge eingebracht. Wir werden diesen NEOS-Antrag natürlich im Ausschuss unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

21.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist nun David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.24.55

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Monate haben gezeigt, dass wir Kontrolle brauchen: Wir brauchen eine Kontrolle der Parteifinanzen, wir brauchen eine Kontrolle der staatsnahen Unternehmungen und Unternehmen; das ist notwendig.

Dann hätten wir die möglichen Selbstbedienungskassen von so manchen ehemaligen Klubobmännern à la H.-C. Strache vielleicht schon früher erkannt, dann hätten wir auch erkennen können, dass Geld aus Parteikassen und somit Steuergeld – und das ist das Wesentliche – für einen Whirlpool und für Nachhilfeschulungen ausgegeben und verwendet wurde. Wer weiß überhaupt, ob so manch anderer Klubobmann nicht auch auf irgendwelche spirituelle Hilfe und Unterstützung auf Kosten der Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler zurückgegriffen hat? Wie gesagt, das werden wir noch auf­klären. Dafür gibt es das Kontrollrecht und dafür braucht es auch Einsicht in die Par­teikassen.

Zum Aufzeigen genau dieser Missstände brauchen wir auch erweiterte Kompetenzen des Rechnungshofes. Das wäre notwendig, denn seit Ibiza wissen wir ja, dass wir dem Rechnungshof mehr Prüfkompetenzen gewähren müssen. Wir diskutieren heute die Notwendigkeit, dass der Rechnungshof in Zukunft auch Gebarungen von Unterneh­mungen, an denen der Staat zu 25 Prozent beteiligt ist, einsehen darf. Das ist wichtig, denn es würde die Anzahl der Korruptionsskandale alleine durch die Prävention, da­durch, dass der Rechnungshof Einschau hätte, reduzieren. Das ist wichtig und not­wendig.

Ich weiß, dass manche Parteien – aus unterschiedlichen Gründen – es damit nicht so haben, dass man in Unternehmensgebarungen oder in Parteikassen einsehen darf. Es ist aber notwendig, denn Korruption fügt der österreichischen Volkswirtschaft einen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 228

enormen Schaden zu. Korruption kostet auch Geld, genau das Geld, das wir für Wich­tiges benötigen, wie für den Stopp des Klimawandels, für Kinderbetreuung, für Bil­dungseinrichtungen, für soziale Projekte. Genau dafür müssen wir dieses Geld ver­wenden, wir dürfen es nicht für irgendetwas raushauen. Ich bin auch schon sehr ge­spannt auf die Diskussionen in den Ausschüssen.

Wir haben durch die sogenannte bsoffene Gschicht auf Ibiza – Kollege Hoyos hat es schon angesprochen – erfahren, dass Parteispenden am Rechnungshof vorbei üblich wären. – Das muss sich ändern. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass der Rech­nungshof in Zukunft gestärkt werden muss. Jetzt kann der Rechnungshof Verstöße höchstens an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat melden, der dann Geld­strafen verhängt. Diese Strafen sind ja in Wirklichkeit lächerlich. Ich habe beispiels­weise einen Fall rausgesucht, ich glaube, den letzten von der FPÖ, die 2018 vom Se­nat bestraft worden ist, weil der Name eines Spenders im Rechenschaftsbericht 2016 nicht genannt wurde. Wie hoch war die Strafe dafür? – Knappe 6 000 Euro, lächerliche 6 000 Euro. Man sieht, dass das noch viel zu zahnlos ist. In den letzten Monaten wurden bereits ein paar richtige Schritte umgesetzt, und seit Juni müssen Spenden über 3 500 Euro dem Rechnungshof gemeldet werden; davor waren es nur Spenden über 50 000 Euro. Das war schon wichtig, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.

Ich habe dazumal diesen Antrag unterstützt – das war noch im Bundesrat –, weil Kon­trolle höchste Priorität in diesem Land sein muss. Wir können uns keine weiteren Skan­dale auf Kosten von Steuergeld mehr erlauben. Es braucht volle Einsicht in die Par­teikassen, und wenn sich der leiseste Verdacht erhärtet, müssen auch dementspre­chend angemessene Geldstrafen folgen. Damit könnten Freunderlwirtschaft und Eigen­bereicherung über Steuergelder etwas gedämpft werden. (Beifall bei den Grünen.)

Die Rechenschaftsberichte müssen auch einheitlichen Regelungen unterliegen. Ich glaube, das ist notwendig. Derzeit sind sie nicht miteinander vergleichbar und Angaben zu Vermögen, Schulden oder Wahlkampfausgaben nicht wirklich aussagekräftig.

Das sind die Punkte, an denen wir arbeiten müssen, für die wir gemeinsame Mehrhei­ten finden müssen und über die wir in den Ausschüssen beraten müssen. Das sind wir als Repräsentanten den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern einfach schuldig. Diese haben das Recht, zu wissen, wie die Parteien mit ihren Geldern umgehen, wie staats­nahe Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, mit ihren Steuergeldern umgehen. Wir Grüne sind gerne bereit, über die Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungs­hofes zu diskutieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

21.29

21.29.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich werde den Antrag 102/A, gesetzt den Fall der Wahl eines Verfassungsausschus­ses, diesem zuweisen.

21.30.0316. Punkt

Wahl von Ausschüssen


Präsident Ing. Norbert Hofer: Schließlich kommen wir zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Es besteht Einvernehmen, folgende Ausschüsse zu wählen: den Ausschuss für innere Angelegenheiten, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Landesverteidigungs­ausschuss, den Kulturausschuss sowie den Rechnungshofausschuss.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 229

Ich ersuche nun jene Damen und Herren, die sich für die Einsetzung der erwähnten Ausschüsse aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig an­genommen.

Gemäß § 32 Abs. 1 der Geschäftsordnung setzt der Nationalrat die Zahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder jedes Ausschusses fest. Die Mitglieder und die Ersatzmitglieder werden auf die parlamentarischen Klubs im Verhältnis der Zahl der ihnen angehören­den Abgeordneten nach den im § 30 der Geschäftsordnung festgelegten Grundsätzen verteilt.

Für die erwähnten Ausschüsse ist jeweils eine Zahl von 23 Mitgliedern und Ersatzmit­gliedern vorgeschlagen, deren Aufteilung auf die Klubs sich wie folgt gestaltet: ÖVP je 9 Mitglieder, SPÖ je 5 Mitglieder, FPÖ je 4 Mitglieder, Grüne je 3 Mitglieder sowie NEOS je 2 Mitglieder.

Wir gelangen zur Abstimmung über diesen Vorschlag.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Die Namen der von den Klubs dem Präsidenten als Mitglieder beziehungsweise Er­satzmitglieder bekannt gegebenen und dann als gewählt geltenden Abgeordneten wer­den im Stenographischen Protokoll angeführt.

*****

(Die Namen der Mitglieder und Ersatzmitglieder sowie ihre Funktionen sind im Internet unter www.parlament.gv.at – Parlament aktiv>Ausschüsse abrufbar.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.31.47Kurze Debatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nunmehr zur kurzen Debatte über das Verlangen 1/US auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend „mutmaß­liche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)“.

Dieses Verlangen wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Das Verlangen hat folgenden Gesamtwortlaut:

Verlangen

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Drin Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersu­chungsausschuss)

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.


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Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewäh­ren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unterstellte leitende Be­dienstete an natürliche oder juristische Personen, die politische Parteien direkt oder in­direkt begünstigten, im Zuge der

a)          Vollziehung der §§ 12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs. 1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;

b)          Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten Eigen­tümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen;

c)          Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art. 10 Abs. 1 Z 1, 4-6 und 8-12, Art. 11 Abs. 1 Z 3 und 7, Art. 12 Abs. 1 Z 1 und 5 sowie Art. 14b Abs. 1 B-VG idjgF;

d)          Vollziehung der § 121a BAO sowie Art. 1 § 49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in lit. b genannten Personen;

e)          Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;

f)            Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäfts­führungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;

g)          straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und ge­gen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen so­wie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen

einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von 18. De­zember 2017 bis 10. Dezember 2019

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1.          Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kom­munikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw. Mitgliedern der Gesellschafts­gremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Vorausset­zungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Auf­sichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik so­wie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maß­nahmen.

2.          Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes

Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vor­bereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglie­der („Hintergrunddeals“).


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3.          Begünstigung von Dritten

Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leitenden Be­diensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten be­treffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstig­ten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.

4.          Neustrukturierung der Finanzaufsicht

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwi­schen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.

5.          Ermittlungen in der Ibiza-Affäre

Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangsweise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwer­dens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammensetzung der SOKO Ibiza.

6.          Beteiligungsmanagement des Bundes

Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw. ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklä­rung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.

7.          Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen

Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Tho­mas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

8.          Verdacht des Gesetzeskaufs

Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

Unter einem wird gemäß § 33 Abs. 4 GOG-NR die Durchführung einer Debatte ver­langt.

Begründung

„Die Novomatic zahlt alle“ – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Par­teichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsge­genstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umge­setzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regie­rung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.

Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlich­ten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld


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(Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.

Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür be­stehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.

Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:

Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:

Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären1. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der poli­tischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sach­verhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünsti­gung politischer Parteien - erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.

Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungs­bereiche eingegrenzt. Diese in den lit. a bis g genannten Bereiche geben die zum Zeit­punkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Ver­dachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es han­delt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundes­sache sind (insb. Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG) bzw. Privatwirtschaftsverwaltung des Bun­des darstellen.

Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Handlungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Exis­tenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH le­diglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersu­chungsgegenstand haben könnten.

Die Wendung „ungebührliche Vorteile“ stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Aus­wahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewis­ser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Ver-


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gleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegen­stand erfasst zu sein.

Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundesregie­rung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren Kabinettsmit­arbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.

Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesent­liche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwal­tungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum un­tersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichts­destotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).

Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutz­nießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirt­schaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.

Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am 18. De­zember 2017 und endet mit 10.12.2019. Das ist jener Tag, an dem eine außeror­dentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.

Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunke­lungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grund­sätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.

Zu lit. a:

Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.

Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst ins­besondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fach­lichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtli­chen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da be­zirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf § 19 leg.cit. sehr wohl erfasst.

Zu lit. b:

Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücks­spielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsma­nagement des Bundes in diesem Bereich.


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Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juris­tische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen - taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw. waren. Tochter­unternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria Interna­tional und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs- Ge­sellschaft m.b.H. („MEDIAL“). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, Ge­schäftsführerInnen, usw., je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeit­raumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.

Zu lit. c:

Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Ge­setzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwi­schen BundesministerIn, dem Kabinett bzw. Generalsekretär und der zuständigen Ab­teilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregie­rung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Ge­setzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.

Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kom­petenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw. auf Grund der mit dem je­weiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Ge­setzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige An­gelegenheiten.

Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI. GP sind daher geschätzt 60% vom Unter­suchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerial­entwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Be­schlussfassung vorgelegt wurden.

Zu lit. d:

Die genannten Bestimmungen der BAO bzw. des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw. die Sank­tionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw. vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.

Zu lit. e:

Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Fi­nanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanz­marktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Aus­tria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungs­gegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 235

Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Be­stellung der Organe.

Zu lit. f:

Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen di­rekt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundes­regierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht er­fasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.

Zu lit. g:

Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlun­gen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politi­scher Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.

Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinarrecht­lichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits ein­gestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die „Drahtzieher“ des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Er­mittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte Ei­gentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. So­mit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am 18.12.2017 EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am 10.12.2019. Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab.

2 Beilagen

1 Vgl. AB 439 BlgNR XXV. GP

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser De­batte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Mi­nuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort ge­meldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält nun zunächst Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. Ich erteile es hier­mit. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.32.34

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir erinnern uns alle an den 17. Mai dieses Jahres, ab 18 Uhr,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 236

innerhalb von relativ kurzer Zeit hat fast jede und jeder von uns ein kurzes Video ge­sehen, das offenbar im Sommer 2017 aufgenommen wurde.

Ich glaube auch, es erinnern sich alle an ein paar Schlüsselmomente: „Novomatic zahlt alle“ und will dafür Lizenzen als Gegenleistung. Wir erinnern uns alle an: Glock, Glock, Glock!, den Waffenproduzenten, der auch Gegenleistungen für Spenden will. Wir erin­nern uns an die Milliardäre und Milliardärinnen, wie Horten, die aus Idealismus an Par­teien spenden. Sie erwarten sich dafür halt auch Gegenleistungen in Form von: keine Erbschaftssteuer, keine Schenkungssteuer, keine Vermögensteuern und möglichst überhaupt keine Steuern. Wir erinnern uns, dass die Reform von Bankenaufsicht, Fi­nanzmarktaufsicht und OeNB ein Thema war. Wir erinnern uns alle an „zack, zack, zack“, daran, dass Zeitungen gekauft werden und unliebsame Redakteure – „zack, zack, zack“ – weggeräumt werden und dafür neue hereinkommen und gepusht werden sollen. – Das war die Theorie, das war im Sommer 2017.

Dann kam der 18. Dezember 2017, da wurde eine neue Bundesregierung vorgestellt. Eine neue Bundesregierung wurde angelobt und hat hier ihre Regierungserklärung ab­gegeben – und dann sind viele Sachen passiert, die wahnsinnig an dieses Video erin­nern.

Die Novomatic hat, wie wir in der Zwischenzeit erfahren haben, an einen FPÖ-nahen Verein mehrere Hunderttausend Euro gespendet. Dieser Verein hat mit diesem Geld zwei Jahre lang genau gar nichts gemacht. Jetzt hat es irgendeine Pro-forma-Veran­staltung gegeben.

ÖVP-Finanzminister Löger hat dem ÖVP-Urgestein Raiffeisenbanker Rothensteiner, der Aufsichtsratschef der Casinos war und noch immer ist, gesagt, die FPÖ hat einen Hintergrunddeal mit der Novomatic oder umgekehrt, in dem es um die Vorstandsbe­stellung bei den Casinos gegangen ist.

Die rechte Hand von ÖVP-Finanzminister Löger hat im Finanzministerium geheime Un­terlagen, in denen es um Lizenzvergaben, in denen es um Glücksspiel gegangen ist, fotografiert und an die Novomatic, einen Glücksspielkonzern, geschickt. Wenige Stun­den später hatte ÖVP-Finanzminister Löger einen Termin dort. Er behauptet, man habe nur über das Wetter gesprochen. Wir wissen in der Zwischenzeit, sie haben wohl eher über das Wetten, über das Glücksspiel, über Hintergrunddeals, über neue Lizen­zen gesprochen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ÖVP-Finanzminister Löger und von FPÖ-Staatssekretär Fuchs haben sich mit Beamten des Hauses getroffen und haben Punk­tationen gemacht, wie man das Glücksspielgesetz zugunsten eines Anbieters, nämlich der Novomatic, verändern kann.

Das ist das, was wir in der Zwischenzeit wissen. Wir wissen, dass Herr Schmid – die rechte Hand; ein Bekannter von Ihnen, Herr Kurz, er ist Ihnen sicher nicht ganz unbe­kannt – innerhalb von 24 Stunden Öbag-Chef und damit Chef der Casinos, also der Verwalter der Casinos-Beteiligungen, wurde. Der ÖVPler wurde also Öbag-Chef und Herr Sidlo wurde Finanzchef bei den Casinos.

Alles, was in dem Video als theoretisches blaues Spiel vorkam, hat sich in der Realität offensichtlich als türkis-blauer Wettlauf entpuppt, wer der Novomatic mit einer Gesetz­gebung, die sie gerne hätte, dienlicher sein kann.

Wir haben alles Mögliche gesehen. Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, ob Glock an die ÖVP oder an die FPÖ gespendet hat (Ruf bei der ÖVP: ... die SPÖ nicht?!), das weiß ich nicht, das wissen Sie am besten. Das, was wir aber schon gesehen haben, ist, dass die Ehefrau von Glock plötzlich Aufsichtsrätin in der Austro Control wurde.


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Im Video heißt es zwar, dass Heidi Horten der FPÖ spendet – das weiß ich nicht –, aber ich weiß, dass sie einen Dauerauftrag in der Höhe von, ich glaube, 49 000 Euro im Monat für die ÖVP eingerichtet hat. Das werden Sie sicher besser wissen als ich. Wenn es auch nur ein bisschen mehr gewesen wäre, hätte man das dem Rech­nungshof und der Öffentlichkeit sofort melden müssen. Der Betrag von 49 000 Euro ist sicherlich nur sehr zufällig so gewählt worden. Ich glaube das nicht, ich glaube, das war eine offensichtliche Umgehung von Transparenzbestimmungen. Das kommt alles auch im Video vor.

Wir haben gesehen, wie FMA und OeNB in einer Art und Weise reformiert wurden, die eher an Ungarn erinnert; an die Art und Weise, wie man dort undemokratisch vorgeht, wie man per Gesetz Personen, die unliebsam sind, von ihren Funktionen abberufen wollte, wie dort Personen hingesetzt worden sind. Ich glaube, es gibt auch in der ÖVP niemanden mehr, der der Meinung ist, dass die Personalentscheidungen in der OeNB die richtigen und die besten waren. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

In der OeNB gibt es acht Aufsichtsräte. Was schätzen Sie: Wie viele von diesen acht Aufsichtsräten sind entweder Beschuldigte oder Beteiligte in der Casinos-Affäre? – Ge­nau die Hälfte, vier von acht. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wir sehen, dass sich das, was wir im Ibizavideo als blaue Theorie gesehen haben, in der Realität als blau-türkise Verwicklungen offenbart hat. Dort, wo wir den Eindruck ha­ben, dass es in der Theorie offensichtlich darum gegangen ist, wie sich eine ver­meintlich ukrainische Oligarchin Politik kauft, sehen wir in der Realität: Nein, Austrooli­garchen aus dem Glücksspielgewerbe, aus dem Waffengewerbe, aus dem Bauge­werbe konnten sich hier offensichtlich Politik kaufen. Das ist das, worum es in diesem Untersuchungsausschuss geht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Krisper und Meinl-Reisinger.)

Es geht im Wesentlichen um drei Fragen: Die erste ist: Wie käuflich sind ÖVP und FPÖ, wie käuflich ist die Politik von Strache und Kurz gewesen? (Abg. Stefan: ... der SPÖ aus! Habt ihr nichts zu verbergen?!)

Die zweite Frage ist: Was müssen wir an den Parteiengesetzen verändern? Eines haben wir schon getan, Großspenden sind jetzt verboten worden. Was müssen wir tun, um da eine Immunisierung des Systems zu erreichen? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Die dritte Frage, die wir beantworten wollen oder die der Untersuchungsausschuss be­antworten soll, ist: Wie verhindern wir ein nächstes Mal, also den Fall, dass in der Öf­fentlichkeit jedenfalls der mutmaßliche Eindruck entstehen muss, dass Politik käuflich ist? (Abg. Stefan: Wenn man nichts zu verbergen hat, warum macht man das so? We­gen der Objektivität wäre es!)

Deswegen machen wir das so. (Abg. Stefan: Ihr habt ja nichts zu verbergen! Ist da was zu verbergen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Sie sind herzlich eingela­den, das zu machen. Dieser Untersuchungsauftrag gilt für alle Parteien und für alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses. (Abg. Wöginger: Bissl schlecht formuliert ist er! – Abg. Stefan: Ist da was zu verbergen?) Ich freue mich auf die Zusammenar­beit, und ich gehe davon aus, dass, wie in der Vergangenheit auch, alle Mitglieder die­ses Untersuchungsausschusses am Untersuchungsgegenstand und an der Aufklärung mitarbeiten, damit wir den Sachverhalt ordentlich aufklären können. (Ruf bei der ÖVP: Wir freuen uns schon!)

Ich gehe davon aus, dass wir den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses im Jän­ner hier im Plenum debattieren und dass der Untersuchungsausschuss dann mit seiner Arbeit beginnen kann. Es sollte eigentlich im Interesse aller Fraktionen sein, aufzu­klären, ob Politik wirklich käuflich war beziehungsweise käuflich ist. Der Verdacht ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 238

da, die Staatsanwaltschaft ermittelt betreffend strafrechtliche Tatbestände, und unsere Aufgabe ist es, die politische Verantwortung festzustellen. Wir machen das und wir hof­fen, dass alle anderen Fraktionen ebenfalls mitarbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

21.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.41.08

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Krainer hat jetzt eine Menge an Verdächtigungen in den Raum gestellt, aber er hat keine Beweise dazu ge­liefert. Er hat vor allem im Vergleich dazu, wie er noch vor wenigen Wochen geredet hat, einen ganz neuen Ansatz gewählt.

Gehen wir einmal zurück. Worum geht es? – Es geht um Vorstandsbestellungen in der Casinos AG. Da gab es alle möglichen Verdächtigungen, die vonseiten der Sozialde­mokraten und auch vonseiten der NEOS erfolgt sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Auch vonseiten der Staatsanwaltschaft! – Abg. Leichtfried: Die Staatsanwaltschaft hat auch das eine oder andere gesagt!) Ja, und worüber hat er jetzt geredet? Wenn er jetzt nicht mehr darüber redet, kann ich davon ausgehen, dass Vorstandsbestellungen, wie sie in einer Aktiengesellschaft erfolgen, ein üblicher Vorgang sind. Ich kann davon ausgehen, dass es ganz normal ist, dass ein Eigentümer sich einen Vertreter für einen Aufsichts­rat oder einen Vorstand aussucht oder er einen unterstützt. Das ist ein üblicher Vor­gang.

Kollege Krainer hat ein Video angesprochen, das vor etwas mehr als zwei Jahren auf­genommen worden ist. Es besteht der Verdacht, dass es im Hintergrund vielleicht Ab­sprachen oder Zusagen in irgendeiner Form vonseiten der Freiheitlichen Partei gege­ben hat. Wenn es wirklich so war, dass es Versprechen und Absprachen gegeben hat, dann ist das selbstverständlich auf das Schärfste zu verurteilen, und dann ist das, wie die Kolleginnen und Kollegen von den NEOS gesagt haben, ein krimineller Akt. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber in einem etwas anderen Zusammenhang!) Wessen Aufgabe ist es, das zu überprüfen? – Die der Staatsanwaltschaft. Es ist die Aufgabe der Justiz, sol­che Vorgänge rasch zu untersuchen und rasch zu klären.

Ich bleibe auch bei dem, was ich schon in der letzten Sitzung gesagt habe – Herr Kol­lege Krainer hat ja gerade versucht, eine Einladung an alle auszusprechen –: Es ist ganz selbstverständlich, dass jede Partei hier herinnen – jedenfalls die ÖVP – aktiv da­ran mitarbeitet, entstandene Vorwürfe aufzuarbeiten.

Lassen Sie mich nun drei konkrete Punkte betreffend den Antrag ansprechen. Kollege Krainer hat eingeleitet mit: „Novomatic zahlt alle“! – Das war ein Satz aus dem Video. Ich frage mich jetzt nur eines: Warum wurde das Wort Haselsteiner, das im Video ge­nauso gesagt wurde, nicht auch erwähnt? – Vielleicht weil die NEOS den Antrag mit unterschrieben haben und sich gewehrt haben, dass das Wort Haselsteiner vorkommt? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Sie ver­wechseln da etwas, aber macht nix! Wir können das Video gerne noch einmal schauen!)

Wir können uns noch einen zweiten Punkt des Antrages näher anschauen. Schauen wir auf Seite 7 des Antrages – schauen Sie sich das genau an –: Da schreiben SPÖ und NEOS auf einmal davon, dass sie 60 Prozent aller Regierungsvorlagen der letzten Legislaturperiode überprüfen wollen – 60 Prozent! (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn!) Meine Damen und Herren, was hat das noch mit der Casinos AG zu tun? Da geht es eindeutig nur um eines: Sie wollen eine Abrechnung mit Türkis-Blau! Das und nichts anderes ist Ihr Zugang, das ist rein parteipolitisches Kalkül, und das lehnen wir ab. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sie handeln offenbar nach dem Motto: Wenn wir ein bisschen mit Dreck werfen, dann bleibt schon etwas picken! Das wundert mich bei der SPÖ gar nicht, das ist immer schon so gewesen. Seit dem misslungenen Kern-Intermezzo geht es der Partei so schlecht, dass sie sich sofort eine Möglichkeit sucht, um abzulenken und auf andere hinzuhauen. (Abg. Wöginger: Das ist die Wahrheit!) Das ist der Punkt, der auf die SPÖ in letzter Zeit zutrifft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dass aber die NEOS jetzt zum Steigbügelhalter der SPÖ geworden sind, das verwun­dert schon, denn das widerspricht dem Credo ihres Gründers Matthias Strolz und ihrer Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss. Sie wollten doch mit konstruktiven Vorschlä­gen für Österreich arbeiten, sie wollten einen neuen politischen Diskurs. (Abg. Meinl-Reisinger: Haben wir eh gemacht! Haben Sie heute abgelehnt! Spielerschutz!) Sie, Frau Meinl-Reisinger, sitzen aber gerade aus rein parteipolitischem Kalkül hier und werfen mit Dreck; nichts anderes ist das, Frau Kollegin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schlusssatz (Abg. Bernhard: So eine lang­weilige Rede!): Die Justiz hat alle Untersuchungen durchzuführen. (Abg. Leichtfried: Redezeit!) Es ist dringend notwendig, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden, und es ist wichtig, dass die Republik Österreich, sprich die kommende Regierung, in der Frage, wie wir mit der Casinos AG in Zukunft umgehen, in aller Ruhe eine gute Entscheidung trifft, denn es geht dabei einerseits um den Spielerschutz und andererseits um den Wirtschaftsstandort Österreich und die Wirtschaftskraft dieses Unternehmens, dem größten Steuerzahler Österreichs. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

21.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Katharina Ku­charowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.47.11

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschir­men! Kollege Gerstl, es geht in keinster Weise darum, mit Dreck zu werfen, oder um irgendein Ablenkungsmanöver, sondern es stehen schwerwiegende Vorwürfe im Raum, es ist ein Verdachtsmoment vorhanden. Für uns als Parlament, nämlich mit ei­ner Kontrollfunktion, gilt es, das im Detail zu beleuchten und aufzuklären. – Das ist das Erste.

Das Zweite ist die zentrale Frage – Sie meinen, es geht sozusagen um ein pauschales Aufräumen –: Hat die Causa Casinos System oder war es ein Einzelfall? Auch das werden Sie in unserem Verlangen finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Alles begann an einem lauen Sommerabend, als eine Runde von Personen auf einer spanischen Insel einen Abend verbracht hat, an dem – das hat man damals schon vermutet, im Nachhinein hat es sich ganz klar be­stätigt – Alkohol im Spiel war. Ich denke nicht, dass die Personen, die damals an­wesend waren und dieses Gespräch geführt haben, damals schon wussten, welch ein Sprengstoff der Inhalt dieses Gesprächs sein würde. Es vergingen rund zwei Jahre, und heuer im Mai, am frühen Abend des 17. Mai – das ist bereits erwähnt worden –, wurden wir mit einem Video konfrontiert.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber ich habe im ersten Moment gedacht, es handelt sich um Fakenews, so erschüttert war ich war von dem, was ich dort gesehen habe. Nach kürzester Zeit hat sich heraus­gestellt, es waren keine Fakenews, es ging nicht um die lockere Plauderei, die da statt­gefunden hat, sondern es ging um die Inhalte.


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Ich möchte jetzt einfach noch einmal ein paar Stichworte präsentieren: Großsponso­ren – was passiert mit ihnen? –; Umbau der „Kronen Zeitung“, also Angriff auf die Me­dien; teilweise Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung sowie in Aussicht gestellte Staatsaufträge; und das Zitat, das schon genannt wurde: „Novomatic zahlt al­le“. – Das gilt es im Detail zu beleuchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit einem Schlag, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, rutschte unsere Republik in ein Licht, das sich niemand wünschen konnte. Wir kennen die innenpolitischen Folgen: Aufkündigung der damaligen türkis-blauen Koalition, Übergangsregierung, Neuwahlen, und im Moment sind wir mit Koalitionsverhandlungen konfrontiert.

Die Folgen abseits von den Wahlen sind in Summe für die Politik, sind für uns alle fa­tal. Denken wir an unsere Glaubwürdigkeit, an unser Demokratieverständnis, das mit diesem Video völlig infrage gestellt worden ist! Denken wir an das in uns, in die Politik gesetzte Vertrauen, an den Umgang mit Macht, mit politischer Verantwortung! Ist Politik wirklich käuflich? – Genau diese Frage gilt es im Detail zu stellen und genau die­se Frage gilt es zu beantworten. Und vor allem stellt sich in einem Land, in einer Re­publik wie der unseren die Frage: Ist es wirklich so, dass die Menschen alle gleich sind, oder gibt es Menschen, die gleicher sind, weil sie sich etwas leisten können und weil sie sich diverse Gesetze kaufen können? (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was da alles ausgehend von der Veröffentli­chung des Videos passiert ist, ist schädlich für die gesamte Politik und schädlich für unsere Demokratie; deshalb gilt es, hier so rasch wie möglich aufzuklären und diesen Vertrauensverlust zu bekämpfen.

Aufklärung, das ist gesagt geworden, soll zum einen natürlich über die ermittelnden Behörden erfolgen, das ist die strafrechtliche Komponente, aber zum anderen selbst­verständlich auch über das Parlament. Das steckt doch bitte in der DNA und im Auftrag unserer Verfassung, dass das Parlament Aufklärungsarbeit leistet und Licht ins Dunkel bringt – bei Fragen, die mehr als brisant sind und die einfach Antworten verdienen.

Ich möchte diese Fragen im Detail beantwortet wissen: Wer steckt da eigentlich da­hinter? Wer war vonseiten der alten türkis-blauen Bundesregierung involviert? Wer zeichnet politisch verantwortlich? (Abg. Wöginger: Die Regierung hat es damals noch gar nicht gegeben!) „Novomatic zahlt alle“ – was bedeutet das? Hat das einfach Sys­tem gehabt, oder ist die Casinos-Causa ein Einzelfall? Ist das, was theoretisch in dem Video formuliert ist, dann zur Umsetzung gekommen? – Der Verdacht steht im Raum, auch untermauert durch die Bestellung des Finanzvorstands der Casinos Austria AG. Medienberichte und auch veröffentlichte Chatprotokolle lassen den Verdacht des Ge­setzeskaufes aufkommen.

Das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gilt es sehr, sehr deutlich zu hinterfragen. Das gilt es politisch hier bei uns im Haus zu klären. (Präsident Hofer gibt das Glo­ckenzeichen.) Gerade eben weil wir VolksvertreterInnen sind und weil wir den Bür­gerinnen und Bürgern gegenüber verantwortlich sind, müssen wir solche Missstände beziehungsweise solche Vorwürfe, wie sie im Raum stehen, aufklären und die Vor­gänge so transparent wie möglich machen. Wir brauchen das Vertrauen in das Funk­tionieren der Demokratie, deshalb, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, helfen Sie mit und arbeiten Sie alle aktiv in unserem Untersuchungsausschuss mit! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Christian Hafen­ecker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 241

21.52.58

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, es gibt Vorgänge in dieser Republik, die untersucht werden müssen. Es gibt sogar sehr viele davon. Es gibt eine Silberstein-Affäre, die nie aufgeklärt worden ist. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Da hüllt sich die Sozialdemokratie nach wie vor in Schweigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gibt eine Justiz in diesem Land, die undicht ist wie ein Nudelsieb. Wir wissen, wel­che Akten ständig den Weg in die Öffentlichkeit finden. Auch das gehört untersucht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Wöginger: So ist es!) Es gibt einen Innenminister, der sich weigert, Gesetze zu vollziehen, wie wir in den letzten Tagen ge­sehen haben. Auch das gilt es zu untersuchen. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt eine Bundeskanzlerin, die den Nationalrat missachtet und Gesetze ein­fach nicht unterschreibt. Auch das sind Dinge, die man sich anschauen muss.

Ja, es gibt auch Dinge, die in staatsnahen Betrieben passieren, die diesen am Ende des Tages erheblichen Schaden zufügen. Selbstverständlich gibt es bei allen neuen Regierungskonstellationen Besetzungen, die man diskutieren kann, wenn man das politisch möchte. Man kann auch hergehen und einen Untersuchungsausschuss dafür missbrauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nur das ist nicht unser Zugang.

Die Causa Casag ist eine Causa, weil sie dazu gemacht wurde. Ich möchte das nur ganz kurz zusammenfassen: Kollege Sidlo wurde nominiert, wurde von allen Teilha­bern unterstützt, wurde vom Aufsichtsrat bestellt und wurde am Ende des Tages auch wieder politisch hingerichtet, vom gleichen Aufsichtsrat, der ihn kurz zuvor eingestellt hat – aber nicht mit dem Argument, dass er nicht über die entsprechenden Kompeten­zen verfügt, sondern mit dem Argument, Schaden vom Unternehmen abzuhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Schaden ist doch längst angerichtet. Wenn wir uns die heutigen Nachrichten anschauen, dann lesen wir, dass die Novo­matic aus den Casinos Austria aussteigt, dann lesen wir, dass eine tschechische Über­nahme bevorsteht, die möglicherweise zur Folge hat, dass auch der Unternehmenssitz nach Tschechien verlegt wird. Ich hätte schon gerne die Zahlen vom Herrn Finanzmi­nister gehört, was uns diese Entwicklung am Ende des Tages dann tatsächlich kosten wird.

Einer hat noch Politik gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren: der Be­triebsrat in der Casag. Ich bin gespannt, wie genau dieser Betriebsrat der Belegschaft, den Mitarbeitern der Casag am Ende dann erklären wird, wo ihre Jobs geblieben sind, wenn der ganze Konzern nach Tschechien abwandert. Das wird der Betriebsrat erklä­ren müssen.

Noch schlimmer ist in Wahrheit der Aufsichtsrat, der regelrecht schizophren agiert hat, und ich frage mich, wo der Aufsichtsrat seine Verantwortung sieht. Genau dieser Auf­sichtsrat, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, war es nämlich, der zum Teil vorher Herrn Hoscher zum bestdotierten Spaziergänger der Republik ge­macht hat: 6 000 Euro pro Tag Urlaubsgeld für einen Sozialdemokraten, das muss man sich einmal vorstellen! Über 100 Urlaubstage, 6 000 Euro pro Tag, das sind über 600 000 Euro nur Urlaubsgeld! (Abg. Bösch: Unerhört!) Das versteht doch niemand, das können Sie doch niemandem erklären! Unglaublich, was hier passiert! 600 000 Eu­ro Abfertigung hat man ihm auch noch mitgegeben. Und jetzt wird es dann traurig, meine Kollegen von der SPÖ: Er bekommt jetzt nur mehr 40 000 Euro pro Monat fürs Spaziergehen im Vergleich zu den 100 000 Euro, die er vorher hatte, und das wohl­weislich seit dem Jahr 1998. Er hat also zig Millionen gescheffelt. Sie haben da einen sehr, sehr gut aufgestellten Sozialdemokraten installiert.


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Im Gegensatz zu Herrn Sidlo hat er übrigens keine Qualifikation, außer dass er ir­gendwann einmal der Kofferträger von Herrn Edlinger war. Das war die einzige Qualifi­kation, die er mitgebracht hat. Er wurde dann in den Bundesrat geschickt, weiter in den Nationalrat, dann wurde er auch noch Stiftungsrat im ORF, in die Nationalbank hat man ihn auch noch gesetzt und sogar noch ins Kuratorium des SK Rapid, damit die Genossenschaft abgerundet ist. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, wollen Sie angesichts dieser Umstände tatsächlich Ihren moralischen Zeigefinger erheben? – Ich finde das unpas­send und auch nicht angemessen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eine Chuzpe ist der Zeitraum, über den wir reden. Sie wollen mit 18.12.2017 zu unter­suchen beginnen und beim gestrigen Tag aufhören – um genau die SPÖ-Tätigkeiten in diesem Bereich auszublenden. Warum schauen wir uns nicht die Bestellungen im staatsnahen Bereich in den letzten 15 Jahren an? Warum schauen wir uns nicht an, wie Herr Kern es geschafft hat, beim Verbund zu landen? (Zwischenrufe des Abg. Matznetter.) Warum schauen wir uns nicht an, wie es ihn in die ÖBB verschlagen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ? Das wären doch Dinge, die uns alle interessieren sollten. Reden wir über Frau Wehsely, über das Krankenhaus Nord und ihre Karriere bei der Firma Siemens! Reden wir über die Öbag, schauen wir uns auch das auf Herz und Nieren an! Schauen wir 15 Jahre zurück, und lenken Sie nicht von Ihrer eigenen Misere ab! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerliche Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen für jegliche Art der Aufklärung zur Verfügung, damit können Sie rechnen. Was wir aber nicht machen, ist, dass wir den Untersuchungsausschuss des Nationalrates zu einem Instrument machen, das auf der einen Seite die Profilierungsneurose der NEOS befriedigt und auf der anderen Seite sozusagen die letzte lebenserhaltende Infusion für die Parteivorsitzende der SPÖ ist. Kommen Sie mit ernsten Vorschlägen daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, und machen Sie vor allem Ihre Probleme nicht zu unseren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Kurz: Sehr gute Rede! – Abg. Wöginger: Hervorragende Rede! Das war die beste Rede des Tages! Muss man sagen!)

21.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mau­rer. – Bitte.


21.58.44

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die letzte Rede richtet sich eh von selbst. Es wird dadurch nicht weniger werden, was wir an Vorwürfen zu bearbeiten haben.

Wir Grüne haben in den letzten Wochen wiederholt betont, dass wir einen Untersu­chungsausschuss zu den parteipolitischen Postenbesetzungen und den fragwürdigen Vorgängen im Bereich des Glücksspiels nicht nur unterstützen, sondern wir haben ihn explizit gefordert. Wir haben auch eigene Vorschläge gemacht, was da genau unter­sucht werden sollte, etwa der ursprüngliche Verkauf staatlicher Anteile an der Casinos Austria an Novomatic, an den Novomatic-Konzern. Das wäre dringend zu untersuchen, aber auch sonst einiges. In diesem Bereich gibt es ab 2006 immer wieder gravierende Vorwürfe, bis 2012 sind sie bereits in einem Untersuchungsausschuss untersucht wor­den. Seither gibt es aber wieder Vorwürfe betreffend Gesetzeskauf, Bestechung, also in Summe Korruption.

Ich muss an dieser Stelle auch noch einmal an das erinnern, was Werner Kogler heute Nachmittag gesagt hat. In dem viel zitierten Ibizavideo sagt Strache ja: „Novomatic zahlt alle“. (Ruf bei der FPÖ: Die Frau Glawischnig auch? – Abg. Stefan: Da sind die


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Grünen auch dabei, bei „alle“!) Das ist eine Aussage, die sehr wahrscheinlich nicht in Richtung Zukunft gemacht wurde, sondern mit Bezug auf die Gegenwart und wahr­scheinlich auch auf die Vergangenheit. Es ist aus unserer Sicht daher nicht nachvoll­ziehbar oder jedenfalls nicht günstig, dass der Untersuchungsgegenstand sich nur auf die letzten beiden Jahre beschränkt. Es ist aus SPÖ-Sicht möglicherweise verständ­lich, aber für uns nicht nachvollziehbar.

Wir haben diese Vorschläge eingebracht und mussten leider feststellen, dass seitens der SPÖ und der NEOS ein eher eingeschränktes Interesse an der Kooperation be­standen hat. Es hat keine weitere Abstimmung – wie ursprünglich geplant – gegeben, sondern es ist dieses Vorhaben bei einer Pressekonferenz präsentiert worden. (Abg. Meinl-Reisinger: Was war denn geplant?) Das ist voll okay – es ist einfach so –, aber es hat halt keine Gelegenheit gegeben, sich da genauer abzustimmen, und auch heu­te – wir haben den Entwurf für den Untersuchungsgegenstand um 7 Uhr in der Früh bekommen – gab es keine Möglichkeit mehr, sich da einzubringen. Wir hätten das sehr gerne getan. (Abg. Meinl-Reisinger: ...! Das ist das Verlangen!) Wir hätten sehr gerne beim Untersuchungsgegenstand mitgestaltet.

Ich bedauere also sehr, dass es da keine bessere Abstimmung gegeben hat (Ruf bei der ÖVP: Ja, so sind sie!), denn das vorliegende Verlangen lässt schon befürchten, dass eine gezielte, effiziente Untersuchung der konkreten Verdachtsfälle möglicherwei­se schwierig ist und dass man mit einem viel zu weitmaschigen Netz in den trüben Gewässern fischen möchte. (Abg. Meinl-Reisinger: Sagen die, die es ausweiten wol­len!)

Der Geschäftsordnungsausschuss wird dieses Verlangen jetzt entsprechend dem vor­gesehenen Verfahren prüfen, und ich hoffe doch, dass es dann noch möglich ist, Ver­besserungen in den Text einzuarbeiten, sodass das Ganze auch wasserdicht ist, recht­liche Bedenken ausgeräumt werden können (Abg. Martin Graf: Ja, da ist viel zu ver­bessern, da haben Sie vollkommen recht! Ob uns das alles gelingen wird?) und ein Gang zum Verfassungsgerichtshof nicht im Raum steht. Es sollten jedenfalls die recht­lichen Bedenken bezüglich der Formulierung des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ausgeräumt werden. Ich hoffe sehr, dass das im Ausschuss möglich sein wird.

Es ist extrem wichtig, dass die Behauptungen, die im Ibizavideo aufgestellt worden sind – und die ja durchaus Wahrheiten sein können –, Thema sein werden, genauso wie die Malversationen im Glücksspielbereich. Es muss aber auch gewährleistet sein – und das ist mir schon ein besonderes Anliegen –, dass die rechtliche Seite, also die Staatsanwaltschaften und die Gerichte in ihren Ermittlungen nicht behindert werden. Ich möchte nicht, dass durch den Untersuchungsausschuss möglicherweise jemand ei­ner Verurteilung entkommt. Das wäre jedenfalls nicht gut.

Wir Grüne stehen für saubere Umwelt und saubere Politik – das haben wir immer ge­tan –, und wir werden uns in diesem Untersuchungsausschuss mit der gewohnten Ex­pertise und mit der Personalkraft unseres neuen Klubs einbringen und natürlich an der Aufklärung mitarbeiten. Ich glaube auch – ich hoffe es –, dass die Zusammenarbeit, so wie auch in der Vergangenheit, eine gute werden kann, und vielleicht gelingt es uns ja, im Geschäftsordnungsausschuss die Bedenken, die jetzt hier im Raum stehen, auszu­räumen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

22.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist als letzte Rednerin Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


22.03.12

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Untersuchungsgegenstand nun so formuliert,


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wie wir NEOS ihn als am wichtigsten erachten. Wir haben als Erste – in einer Presse­konferenz, da war von einem Gespräch mit der SPÖ noch gar keine Rede – einen Un­tersuchungsgegenstand mit genau diesem Fokus gefordert, nämlich einem, der sich auf die letzte Bundesregierung richtet. Warum? – Weil uns das am dringlichsten er­scheint. Warum? – Weil es schließlich sein kann, dass hier politische Verantwortung von Personen aufzuklären ist, die in der nächsten Bundesregierung sitzen könnten – und da muss es dann Konsequenzen geben. Das sind wir den Bürgerinnen und Bür­gern schuldig, damit sie das Vertrauen in die Politik wiedererlangen können. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Martin Graf: Nehmen Sie sich selber noch ernst?)

Warum noch dieser Fokus? – Weil eine neue Qualität im Raum steht, nämlich nicht nur klassischer Postenschacher, sondern auch die Frage: Posten für Geld, Konzessionen gegen Einfluss, Geld gegen Gesetzesänderungen im Glücksspielbereich. Hier gilt es viel, viel zu klären.

Wir verschließen uns irgendwelchen anderen Untersuchungen überhaupt nicht. Ich selbst leide darunter, dass wir uns die Zeit des Jahres 2010 – Glücksspielnovelle und möglicherweise ein Einfluss von Novomatic auf diese – nicht anschauen können. Wir verschließen uns auch nicht einem zukünftigen Untersuchungsgegenstand zu anderem Postenschacher; aber das ist jetzt nicht das Dringlichste.

Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit mit den Grünen, mit Kollegen Stögmüller, der an­scheinend in den Ausschuss gehen wird, auf ein konstruktives Dabeisein der anderen zwei Parteien und schließe hiermit. Und da ich die letzte Rednerin bin, nütze ich die Gelegenheit und wünsche schöne Weihnachten, gute Erholung und jetzt einmal eine gute Nacht. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist freundlich, Frau Abgeordnete, nur: So weit sind wir noch nicht, eine gute Nacht zu wünschen.

22.05.01Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 16 zu verlesen, damit dieser Teil mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich verlese:

Tagesordnungspunkt 16:

„Nach Beratung in der Präsidialkonferenz besteht Einvernehmen, die folgenden Aus­schüsse zu wählen:

Ausschuss für innere Angelegenheiten, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Landesver­teidigungsausschuss, Kulturausschuss sowie Rechnungshofausschuss

Dies wird [...] angenommen.

Für die genannten Ausschüsse wird eine Zahl von je 23 Mitgliedern und Ersatzmitglie­dern vorgeschlagen. Demgemäß entfallen:

ÖVP je 9 Mitglieder und Ersatzmitglieder

SPÖ je 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder

FPÖ je 4 Mitglieder und Ersatzmitglieder

GRÜNE je 3 Mitglieder und Ersatzmitglieder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung, 11. Dezember 2019 / Seite 245

NEOS je 2 Mitglieder und Ersatzmitglieder

Dies wird [...] angenommen.

Die Klubs haben die auf sie entfallenden Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder der Aus­schüsse namhaft zu machen; diese gelten damit gemäß § 32 Abs. 1 GOG als gewählt.

Die Namen dieser Abgeordneten werden im Stenographischen Protokoll angeführt.“

*****

Erheben sich gegen diese Fassung des Amtlichen Protokolls Einwendungen? – Da dies nicht der Fall ist, gilt dieser Teil des Amtlichen Protokolls gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

22.06.29Zuweisung des Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch nachholen – es ist nicht verloren gegangen –, dass ich gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)“ dem Geschäftsord­nungsausschuss zuweise.

22.06.47Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 110/A(E) bis 169/A (E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.07 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.07.11Schluss der Sitzung: 22.07 Uhr

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