Stenographisches Protokoll

76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 22. September 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Stenographisches Protokoll

76. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode       Mittwoch, 22. September 2004

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 22. September 2004: 10.00 – 21.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zu Grundsatzfragen der Außen­politik

2. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 1, 8, 11, 12, 14 bis 16, 18, 22, 29, 31 und 34 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 5, 6, 8, 16 und 17

3. Punkt: Bericht über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema „Familie – Generationen – Solidarität“

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Österreichische Gebärdensprache im Bundes-Verfassungsgesetz verankert wird (431/A)

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug im Strafgesetzbuch ausgeweitet wird (435/A)

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine nachhal­tige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002, geändert wird (437/A)

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Inhalt

Nationalrat

Einberufung der ordentlichen Tagung 2004/2005 .......................................................... 18

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 18


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 2

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 623 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 36

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 1854/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 38

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         139

Redner:

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 139

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 142

Norbert Sieber ............................................................................................................ 144

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 145

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 147

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 148

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 39

Unterbrechungen der Sitzung .............................................................................  67, 174

Aktuelle Stunde (17.)

Thema: „Scheinharmonisierung der Pensionen verstärkt Ungerechtigkei­ten“                       18

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 18

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..............................................................  21, 33

Mag. Walter Tancsits .................................................................................................... 24

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 25

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 27

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 28

Silvia Fuhrmann ........................................................................................................... 30

Mag. Norbert Darabos ................................................................................................. 31

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 33

Karl Öllinger .................................................................................................................. 35

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  36, 197, 202, 205

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsi­cherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen (448/A) (E)                                      91

Begründung: Karl Öllinger ............................................................................................ 94

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................... 99

Debatte:

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 103

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 106

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 109

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 111

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 112

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ..................................................................... 113


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 3

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 115

Ridi Steibl .................................................................................................................... 117

Franz Riepl (tatsächliche Berichtigung) ...................................................................... 119

Doris Bures ................................................................................................................. 119

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 121

Heidrun Walther (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 122

Heidemarie Rest-Hinterseer ...................................................................................... 123

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 124

Christine Marek .......................................................................................................... 125

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 129

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 130

Renate Csörgits .......................................................................................................... 132

Maximilian Walch ........................................................................................................ 134

Franz Riepl .................................................................................................................. 135

Sabine Mandak ........................................................................................................... 136

Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................................... 138

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christine Marek, Sigisbert Dolin­schek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit durch Pensionsharmo­nisierung – Annahme (E 69)  127, 139

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 448/A (E) .............................. 139

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten ge­mäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zu Grundsatzfragen der Außenpolitik ................. 39

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ......................................................... 39

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                  18

Redner:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 44

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................. 47

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 49

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 52

Dr. Caspar Einem ......................................................................................................... 54

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 56

Mag. Ulrike Lunacek ..................................................................................................... 57

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 59

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 60

Vizekanzler Hubert Gorbach ...................................................................................... 62

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 63

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 64

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 65

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 66

2. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 1, 8, 11, 12, 14 bis 16, 18, 22, 29, 31 und 34 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 5, 6, 8, 16 und 17 (561 d.B.)             ............................................................................................................................... 67

Redner:

Karl Freund ................................................................................................................... 68

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 69

Mares Rossmann .......................................................................................................... 71


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 4

Anton Heinzl (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 73

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 73

Johann Kurzbauer ....................................................................................................... 76

Anton Heinzl ................................................................................................................. 77

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 78

Mag. Gisela Wurm (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 80

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 80

Johannes Schweisgut ................................................................................................. 81

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 83

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann .................................................................................... 84

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 85

Maria Grander ............................................................................................................... 86

Dietmar Keck ................................................................................................................ 87

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................... 89

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 90

Konrad Steindl ............................................................................................................ 150

Dr. Robert Rada .......................................................................................................... 151

Johann Ledolter ......................................................................................................... 152

Erika Scharer .............................................................................................................. 153

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 154

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 156

Gerhard Steier ............................................................................................................ 156

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ..................................................................... 157

3. Punkt: Bericht des Familienausschusses über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete (III-78 d.B.) zum Thema „Familie – Generatio­nen – Solidarität“ (623 d.B.)                         158

Redner:

Ridi Steibl .................................................................................................................... 158

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 159

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 161

Sabine Mandak ........................................................................................................... 163

Christine Marek .......................................................................................................... 166

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 167

Mares Rossmann ........................................................................................................ 168

Karl Öllinger ................................................................................................................ 169

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 171

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................. 172

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 174

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 176

Silvia Fuhrmann ......................................................................................................... 177

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 177

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 179

Herta Mikesch ............................................................................................................. 180

Gabriele Binder .......................................................................................................... 181

Maximilian Walch ........................................................................................................ 181

Dr. Peter Sonnberger ................................................................................................. 182

Franz Riepl .................................................................................................................. 183

Barbara Riener ........................................................................................................... 184

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 185

Notburga Schiefermair .............................................................................................. 186

Rosemarie Schönpass ............................................................................................... 187

Anna Höllerer .............................................................................................................. 188

Mag. Melitta Trunk ...................................................................................................... 189


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Vermeidung von Armut in Familien – Ablehnung ...........  164, 190

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer – Ablehnung  165, 190

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ..................................................................... 190

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Österrei­chische Gebärdensprache im Bundes-Verfassungsgesetz verankert wird (431/A)                                                                                                                            190

Redner:

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 190

Mag. Dr. Alfred Brader ............................................................................................... 193

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 194

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 195

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 195

Dieter Brosz ................................................................................................................ 196

Zuweisung des Antrages 431/A an den Verfassungsausschuss ................................. 197

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die bedingte Entlas­sung aus dem Strafvollzug im Strafgesetzbuch ausgeweitet wird (435/A) .................................................................................................................. 198

Redner:

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 198

Anna Franz .................................................................................................................. 200

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 200

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 201

Zuweisung des Antrages 435/A an den Justizausschuss ............................................ 202

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002, geändert wird (437/A)                         202

Redner:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 202

Helga Machne ............................................................................................................. 203

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 204

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 204

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 205

Zuweisung des Antrages 437/A an den Umweltausschuss ......................................... 205

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 37

612: Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflan­zenschutzkonvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutz­konvention samt Anlage

613: Zivilverfahrens-Novelle 2004


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 6

614: Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind

615: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einfüh­rungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sortenschutzgesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie-Umset­zungsnovelle)

616: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bank­wesengesetz geändert werden

617: Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelge­setz 1975 geändert werden

618: Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtli­chen Anhaltung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005)

619: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensi­onsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden

620: Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2004)

621: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einfüh­rungsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Halbleiterschutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Marken­schutzgesetz 1970 geändert werden und ein Bundesgesetz über die im Bereich des Patentamtes zu zahlenden Gebühren und Entgelte (Patentamtsgebühren­gesetz – PAG) erlassen wird (Patentrechts- und Gebührennovelle 2004)

622: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizini­scher Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten

Berichte ......................................................................................................................... 38

III-99: Bericht über die Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unter­halb der Schwellenwerte; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-100: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2001; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-101: Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für den Zeitraum 1. Juli 2003 bis 30. April 2004; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-102: Bericht gem. § 3 Bundesbahngesetz 1992, BGBl. 825, vom 29. Dezem­ber 1992, bzw. gem. §§ 48 und 49 Bundesbahnstrukturgesetz 2003, BGBl. I/138, vom 30. Dezember 2003, über die bis zum Ende des Jahres 2003 durch den Bund bei den ÖBB bestellten gemeinwirtschaftlichen Leistungen; BM f. Verkehr, Innovation und Technologie

III-103: Bericht über die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004); Bundesregierung


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 7

III-104: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2005 gemäß § 9 LWG; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsicherung statt Pensions­kürzungen für Frauen und jüngere Menschen (448/A) (E)

Dr. Franz-Joseph Huainigg, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache (449/A) (E)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine dringend erforder­liche Weiterentwicklung der Kriminaljustizstatistik (450/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Existenz einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich („Gentechnik-Schutzpaket“) (451/A) (E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindesthöhe von Verkehrs­zeichen (452/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarisches Betriebsmittel­recht und Lebensmittelrecht – Lebensmittelkette (453/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauträgervertragsgesetz (BTVG) geändert wird (454/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anfragebeantwortung 1948/AB/XXII. GP.-NR (2111/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Sachverständigengutachten zur Absiedlung des Bezirksgerichts für Han­delssachen Wien, des Handelsgerichts und des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien in den City Tower Vienna (CTV) (2112/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Ausgliederung von Zahnambulatorien“ (2113/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Sparabsichten in der Justiz – Privatisierung von Schreibarbeiten“ (2114/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Bundesstraßen-ÜbertragungsG und Zentrale Koordinationsstelle“ (2115/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Vollziehung Sortenschutz­gesetz“ (2116/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Internationaler Organhandel und organisierte Kriminalität II“ (2117/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Preise, För­derungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2118/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2119/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 8

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2120/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2121/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2122/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2123/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2124/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2125/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2126/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2127/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2128/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Preise, Förderungen, Stipendien, Auszeichnungen etc. (2129/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Befreiung von Rundfunkgebühr und Telekom­munikationszuschuss (2130/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Blei im Trinkwasser (2131/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Blei im Trinkwasser (2132/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Austrokoffer (2133/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Schließung der ÖBB Servicestelle Amstetten (2134/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend geplante Kraftwerke in Ost­tirol (2135/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend geplanten Parkplatz für 50 LKW der Fa. Augustin in Lienz (2136/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 9

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Notwendigkeit eines Anti-Stalking-Gesetzes (2137/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend widersprüchliche Äußerungen des Bundesministers für Finanzen betref­fend Steuerfall Verein New Economy (2138/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kommunalsteuerpflicht für die Geschäftsführer-Bezüge von GmbH-Gesell­schaftern (2139/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Vollziehung der Fertigverpackungsverordnung – Konsumenten­probleme III“ (2140/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Sportlerverordnung und Werbeeinkünfte – Sportlerbesteuerung“ (2141/J)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend UNO – International Year of Physics 2005 (2142/J)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend UNO – International Year of Physics 2005 (2143/J)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend UNO – International Year of Physics 2005 (2144/J)

Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend UNO – International Year of Physics 2005 (2145/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend den Beratervertrag zwischen dem Gesundheitsministerium und der Firma Roland Berger zur „Gesundheitsreform“ (2146/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Diskriminierung sichtbar behinderter Men­schen durch Fluggesellschaften (2147/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Selbstverteidigungswaffen, die Gummikugeln oder Gummischrot verschie­ßen (2148/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Diskriminierung sichtbar behinderter Menschen durch Fluggesellschaften (2149/J)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend weitere Schließungen von Postämtern in Ober­österreich (2150/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „stundenlange Telefonate diverser Nachbarn von grundgebührenbefreiten PflegegeldbezieherInnen nach Austra­lien“ (2151/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend geringe Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz (2152/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 10

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Förde­rung der Kulturhauptstadt Graz 2003 (2153/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend die Inanspruch­nahme der „Integrativen Berufsausbildung“ (2154/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Ortserneuerung“ à la ÖVP (2155/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Europäische Benchmarks für Bildung (2156/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend eine dringend erforderliche Weiterentwicklung der Kriminaljustizstatistik (2157/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einnahmen durch Wunschkennzeichen (2158/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Jubiläumsjahr 2005 (2159/J)

Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend finanzielle Unterstützung an die Stadtgemeinde Eisenerz aus den Mitteln vom Verkauf des Erz­berges! (2160/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Anerkennung der österreichischen Berufs­reifeprüfung und der Studienberechtigungsprüfung (2161/J)

Rosemarie Schönpass, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Straßenbauvorhaben in Oberösterreich (2162/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Verkauf von Kasernen und Liegenschaften des österreichischen Bundesheeres (2163/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Mariazellerbahn (2164/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Biotechnologischer Gewebe- und Organersatz – Regene­ration von menschlichem Gewebe durch Tissue-Engineering" (Humangewebezüch­tung) (2165/J)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verdacht auf Manipulation beim Heizwert von Gas (2166/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend BOS-Austria (2167/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bezüglich Umgehung von bergrechtlichen Genehmigungspflichten für Schotter­gruben (2168/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Schutzzonen vor Abtreibungskliniken“ (2169/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 11

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Fragwürdige Postenvergabe bei den ÖBB“ (2170/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „1. Europäische Väter­konferenz“ (2171/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Schutz für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben“ (2172/J)

Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend verstärkte Kritik an der zentralistischen Bundesbeschaffung und Bundes­vergabe (2173/J)

*****

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend geschlechtsspezifische Daten zu parlamentarischen MitarbeiterInnen (24/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend unklare Vorgänge im Zusammenhang mit RBB und Apollo Venture Capital Invest (2083/J) (Zu 2083/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kollegin­nen und Kollegen (1952/AB zu 1944/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1953/AB zu 1958/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen (1954/AB zu 2064/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1955/AB zu 2040/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (1956/AB zu 2068/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1957/AB zu 1987/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1958/AB zu 1966/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1959/AB zu 2052/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1960/AB zu 1965/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 12

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (1961/AB zu 2005/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (1962/AB zu 1990/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen (1963/AB zu 2038/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1964/AB zu 2049/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1965/AB zu 2061/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1966/AB zu 1969/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (1967/AB zu 2009/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1968/AB zu 2055/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Barbara Rosen­kranz, Kolleginnen und Kollegen (1969/AB zu 2080/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen (1970/AB zu 1961/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1971/AB zu 1976/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1972/AB zu 1977/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1973/AB zu 1978/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1974/AB zu 1980/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen (1975/AB zu 1998/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (1976/AB zu 2012/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (1977/AB zu 2020/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1978/AB zu 2085/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen (1979/AB zu 1960/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1980/AB zu 1983/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1981/AB zu 1986/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen (1982/AB zu 1991/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1983/AB zu 1984/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1984/AB zu 1968/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1985/AB zu 2027/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (1986/AB zu 2075/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1987/AB zu 2041/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen (1988/AB zu 1994/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (1989/AB zu 2051/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (1990/AB zu 2071/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (1991/AB zu 1963/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1992/AB zu 1970/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1993/AB zu 1985/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (1994/AB zu 1962/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1995/AB zu 1975/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1996/AB zu 1972/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1997/AB zu 1979/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1998/AB zu 1981/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (1999/AB zu 1971/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2000/AB zu 2011/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2001/AB zu 2019/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2002/AB zu 2045/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2003/AB zu 2057/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen (2004/AB zu 1992/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kollegin­nen und Kollegen (2005/AB zu 1988/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (2006/AB zu 1964/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen (2007/AB zu 1973/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2008/AB zu 2018/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2009/AB zu 2023/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2010/AB zu 2025/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen (2011/AB zu 2032/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2012/AB zu 2043/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2013/AB zu 2062/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2014/AB zu 2063/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (2015/AB zu 2069/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 15

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen (2016/AB zu 2078/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2017/AB zu 2008/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2018/AB zu 2010/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jaro­lim, Kolleginnen und Kollegen (2019/AB zu 2028/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jaro­lim, Kolleginnen und Kollegen (2020/AB zu 2029/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Schopf, Kol­leginnen und Kollegen (2021/AB zu 2031/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (2022/AB zu 2037/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen (2023/AB zu 2056/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen (2024/AB zu 2070/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoi­sits, Kolleginnen und Kollegen (2025/AB zu 2082/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (2026/AB zu 1996/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2027/AB zu 2016/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolle­ginnen und Kollegen (2028/AB zu 2076/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2029/AB zu 2050/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2030/AB zu 2039/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kollegin­nen und Kollegen (2031/AB zu 2004/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2032/AB zu 2015/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2033/AB zu 2024/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2034/AB zu 2035/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2035/AB zu 2013/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2036/AB zu 2059/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2037/AB zu 2017/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2038/AB zu 2022/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2039/AB zu 2003/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2040/AB zu 2007/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2041/AB zu 2034/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2042/AB zu 2042/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2043/AB zu 2053/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen (2044/AB zu 2065/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Erwin Kaipel, Kolleginnen und Kollegen (2045/AB zu 2081/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen (2046/AB zu 2067/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2047/AB zu 2006/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2048/AB zu 2047/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen (2049/AB zu 2077/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (2050/AB zu 2002/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2051/AB zu 2021/J)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen (2052/AB zu 2073/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (2053/AB zu 2046/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen (2054/AB zu 2030/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maxi­milian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen (2055/AB zu 2036/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen (2056/AB zu 2044/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2057/AB zu 2084/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen (2058/AB zu 2086/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoi­sits, Kolleginnen und Kollegen (2059/AB zu 2110/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen (1968/AB zu 2055/J) (Zu 1968/AB zu 2055/J)



Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 76. Sitzung des Nationalrates und be­grüße alle Damen und Herren im Haus sowie den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler.

Einberufung der ordentlichen Tagung 2004/2005

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 24. August 2004 gemäß Artikel 28 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes den Natio­nalrat für den 15. September 2004 zur ordentlichen Tagung 2004/2005 der XXII. Ge­setzgebungsperiode einberufen.

*****

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 75. Sitzung sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Schieder und Verzetnitsch.

*****

Die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten hat ihre Absicht bekannt gegeben, zu Grundsatzfragen der Außenpolitik eine Erklärung abzugeben. Diese steht als Punkt 1 auf der Tagesordnung.

Es liegt ferner ein Verlangen von fünf Abgeordneten vor, über diese Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung sogleich eine Debatte durchzuführen. Die Erklärung sowie die anschließende Debatte werden im Anschluss an die Aktuelle Stunde statt­finden.

Aktuelle Stunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Scheinharmonisierung der Pensionen verstärkt Ungerechtigkeiten“

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Seine Rede­zeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


10.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bun­desregierung hat einen Entwurf für eine Harmonisierung der Pensionen in Österreich in Begutachtung gegeben. Ich glaube, heute ist ein günstiger Zeitpunkt, über einige die­ser Eckpunkte zu diskutieren, weil bis zur parlamentarischen Verhandlung der Pensi-


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 19

onsreform natürlich noch Zeit besteht, einige Korrekturen zu erörtern und anzubringen, die unserer Auffassung nach dringend notwendig sind.

Niemand in Österreich bezweifelt die Notwendigkeit von Pensionsreformen. Das ist, so glaube ich, eine gute Grundlage, auch die Frage der Zukunft des Pensionssystems zu diskutieren. Ich meine, dass es auch in Österreich ein enormes Bedürfnis nach Ver­lässlichkeit, Fairness und Gerechtigkeit bei den Pensionen gibt, weil bekannt ist, dass Pensionen nicht nur aus Beiträgen finanziert werden, sondern es auch einen staat­lichen Zuschuss zu den Pensionen gibt.

Wenn man dieses Bedürfnis der Bevölkerung nach Fairness, Gerechtigkeit und Ver­lässlichkeit ernst nimmt und versucht, die Pensionsreform vor diesem Hintergrund zu diskutieren und zu beleuchten, muss man zum einen zum Thema der Verlässlichkeit etwas sagen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben vor den Wahlen im Jahr 2002 gesagt, es bestehe kein weiterer Änderungsbedarf bei den Pensionen, weil die Jahrhundertreform des Jah­res 2000 völlig ausreichend sei. – Sehr lange hat diese Jahrhundertreform nicht gehal­ten, wenn man bedenkt, dass es im vergangenen Jahr eine massive Pensionskür­zungsreform gegeben hat und es im heurigen Jahr unter dem Titel der Pensionshar­monisierung zu weiteren Kürzungen kommen soll. Man darf sich daher auch nicht wundern, wenn viele, vor allem junge Menschen, in unserem Land den Glauben an das Pensionssystem bereits verloren haben.

Ich halte das für eine ganz gravierende Angelegenheit, denn das Pensionssystem lebt ja davon, dass die Menschen, die heute in Arbeit stehen, ihre Beiträge in der berech­tigten Hoffnung bezahlen, irgendwann einmal eine faire Pension zu erhalten. Herr Bun­deskanzler, das, was Sie vorgelegt haben, entspricht in vielen Bereichen nicht dieser Erwartungshaltung, weil viele Teile dieser Pensionsreform weder fair noch gerecht sind! Daher besteht enormer Änderungsbedarf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die eigentliche negative Überraschung besteht darin, dass Sie im vergangenen Jahr, als es massive Pensionskürzungen gegeben hat, gesagt haben, es werde nun eine Pensionsharmonisierung kommen – was eine Vereinheitlichung der Pensionssysteme heißt –, Sie aber nicht gesagt haben, dass diese Pensionsharmonisierung zu weiteren Kürzungen vor allem bei den Arbeitern und Angestellten führt.

Aber das, was heute vorliegt, ist eine weitere Kürzung der Pensionen durch diese Pen­sionsharmonisierung! Ich werde gleich auf einzelne dieser Beispiele eingehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Hauptleidtragenden dieser Pensionshar­monisierung werden leider die Frauen sein (Abg. Mag. Molterer: Falsch!), die Frauen auf Grund ihrer unterschiedlichen Erwerbsbiographien, denn die werden mit diesem System der Pensionsharmonisierung ganz massive Pensionskürzungen erleiden. (Abg. Mag. Molterer: Das ist einfach falsch!) Auch die Anrechnung von Kinderersatzzeiten, Herr Klubobmann Molterer, wird nicht ausreichen, diese massiven Pensionskürzungen wettzumachen. Es ist auch so ... (Abg. Scheibner: Was haben denn Sie gemacht in Ihrer Zeit?) – Herr Scheibner! Wenn Sie fragen: Was haben Sie gemacht?, so gibt mir das den Anlass, einiges klarzustellen.

Wenn die 15 besten Jahre zur Pensionsberechnung herangezogen werden (Abg. Scheibner: Warum haben denn die Frauen so niedrige Pensionen?), dann spielt die Frage der Anrechnung von Kindererziehungszeiten eine viel geringere Rolle, als wenn das Erwerbseinkommen des gesamten Lebens angerechnet wird. (Abg. Mag. Molte­rer: SPÖ-Pensionsmodell!)

Herr Klubobmann Molterer, Sie werden nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die Hauptleidtragenden dieser Pensionsharmonisierung leider die Frauen in Österreich


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 20

sein werden. Und das ist extrem ungerecht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Steibl: Das stimmt ja nicht!)

Zwei Beispiele dazu. Erstens: Es gibt in Österreich 400 000 Menschen, die Teilzeit­arbeit leisten. Der Großteil dieser Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Das wird bei einer lebenslangen Durchrechnung zu massiven Einbrüchen beim Pensionsniveau führen.

Zweitens: Die von Ihnen nicht sehr präzise vorgeschlagene Schwerarbeiterregelung schließt Frauen de facto aus. Sind Sie wirklich der Auffassung, dass es in Österreich keine Frauen gibt, die schwer arbeiten? – Ich kann mir das nicht vorstellen. Es muss auch für Frauen die Möglichkeit einer Schwerarbeiterregelung geben. Das ist ein abso­lutes Gebot der Fairness! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die zweite Gruppe der Hauptverlierer werden all jene Menschen sein, die Saisonarbei­ter sind – sei es im Tourismus, sei es im Baugewerbe, wo auch all die Einbußen, die durch immer wiederkehrende Zeiten der Arbeitslosigkeit auftauchen, in Zukunft voll auf die Pensionshöhe durchschlagen werden. Wenn es sich bei diesen Saisonarbeitern auch noch um Frauen handelt, dann heißt das, dass Frauen, die Saisonarbeit leisten, durch diese Pensionsreform doppelt betroffen sein werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum sehen Sie alles so negativ? Der große Jammerer!)

Herr Bundeskanzler! Daher ist es so, dass durch diese Pensionsharmonisierung die Pensionsverluste des Jahres 2003 aufgedoppelt werden und nach Berechnungen der Arbeiterkammer leider damit zu rechnen ist, dass die Pensionsverluste manchmal 20 Prozent und mehr betragen werden. Das ist weder fair noch gerecht, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. – Abg. Mag. Molterer: Das ist unwahr!)

Ein harmonisiertes Pensionssystem, das mehr Gerechtigkeit schafft, hätte als Grund­lage zumindest einmal gleiche Beiträge und gleiche Leistungen. Aber auch dieses Prinzip ist durch diesen Vorschlag der Pensionsharmonisierung nicht erfüllt. Es gibt weiterhin unterschiedliche Beitragshöhen und unterschiedliche Leistungen. (Abg. Mag. Molterer: Vorschlag der Sozialpartner!) Und diese sind in vielen Bereichen nicht gerechtfertigt.

Herr Molterer, erklären Sie mir Folgendes: Wieso müssen zum Beispiel, um die Beam­ten heranzuziehen, eine Krankenschwester, ein Gendarm, ein Briefträger, obwohl er oder sie eine Pension bekommen wird, die niedriger ist als die Höchstpension des ASVG, höhere Beiträge bezahlen? Wieso müssen sie, wenn sie in Pension sind, auch noch einen Pensionssicherungsbeitrag zahlen? – Dafür gibt es keine vernünftige Begründung. Das einzig Vernünftige wäre, gleiche Beiträge, die zu gleichen Leistungen führen! Das ist der Anspruch an ein harmonisiertes Pensionssystem. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat den Eindruck, dass bei allem Zuge­stehen der Schwierigkeiten, ein harmonisiertes Pensionssystem zu entwickeln – und es bestreitet niemand, dass das eine der schwierigsten und komplexesten Materien ist –, auf einzelne Gruppen in unserer Gesellschaft vergessen wurde. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich kann das schon nicht mehr hören!)

Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn es bei Pensionen von 700 € zu 20 Prozent Kürzungen kommt! Stellen Sie sich vor, dass Menschen nach langem Erwerbsleben nicht die Möglichkeit haben werden, ihre Schwerarbeiterregelung in Anspruch zu neh­men! Stellen Sie sich vor, was das vor allem für Frauen bedeutet, die heute ohnehin schon sehr niedrige Pensionen beziehen! Mit diesen Pensionskürzungen werden sie alle in die Ausgleichszulage gedrängt werden.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie sagen, man könne sich ja auf das neue Pensionssystem einstellen und durch private Vorsorge versuchen, die Verluste auszugleichen, so sage ich Ihnen: Menschen, die heute 48 oder 49 Jahre alt sind und in das neue System hineinkommen, werden nicht mehr viel Zeit haben, sich eine zusätzliche private Vorsorge aufzubauen, die dann auch zu einer vernünftigen Pension führt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt ja durchaus vernünftige Traditionen. Im Jahre 1997, als es eine Reform der Beamtenpensionen gegeben hat, hat man bei den Verlusten durchaus die soziale Situation berücksichtigt. Es hat also eine Staffelung gegeben, es ist auf das Einkommen der Beamten Rücksicht genommen worden.

Ich frage Sie daher: Wieso soll das, was für die Beamten im Jahre 1997 gut und richtig war, nicht auch für die Arbeiter und Angestellten gültig sein, damit man verhindert, dass immer mehr Menschen im Alter in die Armut gedrängt werden?

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Nützen Sie die Zeit zur Reparatur, bevor wir im Parlament diese Problematik in der Tiefe behandeln! Das wäre sinnvoll, um Fairness, Gerechtigkeit und Verlässlichkeit zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Bevor ich ihm das Wort erteile, begrüße ich den Herrn Landeshauptmann von Tirol DDr. Herwig van Staa, der unseren Beratungen auf der Tribüne folgt. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Bundeskanzler! Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


10.13

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Alfred Gusenbauer! Ich bin direkt dankbar für diese Aktuelle Stunde, weil sie mir die Möglich­keit bietet, dass wir hier mit der Gräuelpropaganda aufräumen können, die seit gerau­mer Zeit von der SPÖ und auch von den Sozialisten in der Arbeiterkammer ungestraft verbreitet werden kann. Die Wahrheit wird siegen, das werden wir heute hier ausdis­kutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erster Punkt: Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, behaupten, dass die Reform, die jetzt gerade in Begutachtung ist, eine weitere Kürzung darstelle. (Abg. Heinisch-Hosek: So ist es!) – Das Gegenteil ist wahr! Jetziger Rechtsstand ist, dass die Aufwer­tung vergangener Beitragszeiten mit der Inflationsrate geschieht, in Hinkunft wird es die durchschnittliche Beitragsgrundlage sein. Allein der Unterschied zwischen diesen beiden Aufwertungsmethoden bedeutet pro Jahr 1 bis 1,5 Prozent höhere Aufwertung der eingezahlten Beiträge auf dem individuellen Pensionskonto als früher.

Also: keine Kürzung, sondern in Wirklichkeit eine Erhöhung der Pensionsberechnung von 30 Prozent! Das kann Ihnen jeder Mathematiker nachweisen, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Belügen Sie hier nicht die Öffentlichkeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Sie sagen, die großen Verlierer seien die Frauen. (Ja-Rufe bei der SPÖ.) – Haben Sie wirklich vergessen, dass es 50 Jahre lang sozialistische Sozial­minister gegeben hat, dass die Lohnpolitik hauptsächlich von sozialistischen Gewerk­schaftern gemacht wird, dass die Unterschiede ... (Abg. Mag. Trunk: Das ist unge­heuerlich! ...!) – Na, von wem denn sonst? Oder haben Sie keine Mehrheit mehr im ÖGB? Diese Meldung ist interessant, Frau Abgeordnete.


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Die Wahrheit ist, dass jahrzehntelange sozialistische Lohnpolitik dazu geführt hat, dass Frauen heute benachteiligt sind. Und erstmals ändern wir das! Das ist der große Unterschied. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie mit mir darin übereinstimmen, dass Frauen nicht die Verlierer sind, dann müssen Sie mit uns stimmen, wenn wir sagen, Kindererziehungszeiten sind in Hinkunft nicht mehr billige Ersatzzeiten, sondern wohlerworbene Kontozeiten. Wir werten gegenüber früher um mehr als das Doppelte auf. Früher, unter SPÖ-Führung, war ein Monat Kindererziehungszeit 640 € wert, in Zukunft mehr als 1 300 €, 1 340 €, mehr als das Doppelte. Das ist eine Kürzung? – Dann können Sie nicht rechnen, Herr Abgeord­neter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder: Früher war es so, dass man 15 Jahre, 15 Arbeitsjahre und Beitragsjahre, brauchte, um überhaupt eine Eigenpension zu bekommen. In Hinkunft werden es sieben Jahre sein, also weniger als die Hälfte. – Das ist keine Kürzung, sondern eine deutliche Verbesserung, Herr Abgeordneter. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt erzähle ich Ihnen eine Geschichte, die ich selbst erlebt habe. Im Jahre 1995 bin ich bekanntlich Parteiobmann und Vizekanzler geworden, durch die Volkspartei nomi­niert. Ich habe bei der Pensionsreform 1997 massiv mit unseren Frauenpolitikerinnen dafür gekämpft, dass wir die Zahl der Jahre, der Arbeitsjahre, von 15 auf 12 Jahre ab­senken dürfen. Das wäre ein großer Fortschritt gewesen. – Das ist abgelehnt worden, kalt abgelehnt worden vom SPÖ-Kanzler, vom SPÖ-Sozialminister und vor allem vom ÖGB. Das ist die Wahrheit, und die Öffentlichkeit, die an den Fernsehschirmen zuhört und zuschaut, soll dies wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Trunk: Wirtschaftsminister Schüssel!)

Alles, was jetzt bei der Harmonisierung der Pensionen versucht wird, ist eine Verbes­serung gegenüber dem früheren Recht. Alles!

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas – die Öffentlichkeit weiß es ja –: Ein Jahr lang haben wir gemeinsam verhandelt, Martin Bartenstein und ich auf der Seite der ÖVP, Herbert Haupt und Ursula Haubner für die FPÖ – mit den vier Sozialpartnerpräsidenten. Ein Jahr lang Verhandlungen! Wir sind fast zusammengekommen. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum man die Ergebnisse dieser wertvollen Konsensarbeit plötzlich schlecht reden will, nur weil es Ihnen nicht in Ihr parteipolitisches Konzept passt, dass die Regierung mit den Sozialpartnern eine Jahrhundertreform macht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Dieses allgemeine Pensions... (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Bitte!

Ich lese Ihnen einen ganz unverdächtigen Zeugen vor, ich habe ja nur auf solche Zwi­schenrufe gewartet. Ich zitiere – und das ist kein freundliches Blatt der Regierung –:

„Im Vergleich zu Reformen in anderen OECD-Ländern ist die Pensionsreform 2004, insbesondere in Kombination mit der Reform 2003, ein ganz beachtlicher Schritt – nicht so weitreichend (...) wie etwa in Schweden, aber geradezu unglaublich im Vergleich zum ,streikenden‘ Frankreich. Wer hätte das 1997, als die ersten Harmonisierungs­schritte gesetzt wurden, oder auch im Jahr 2000, als die jetzige Regierung eine Erhö­hung des“ Frühpensionsantrittsalters „eingeleitet hat, für möglich gehalten?“

Wissen Sie, woher das ist? – Nicht aus einem ÖVP-Magazin, sondern aus der wohl unverdächtigen Stadtzeitung „Falter“ vom 17. September. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Das ist die Wahrheit. Und die meisten Experten sehen das auch so. Manche kritisieren uns auch für manche Abschwächungen, die wir gemeinsam mit den Sozialpartnern und mit den Arbeitnehmervertretern von FPÖ und ÖAAB gemacht haben. Nachdem eure (in


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Richtung SPÖ) Arbeitnehmervertreter ausgestiegen sind, haben wir natürlich mit unse­ren Arbeitnehmervertretern weiterverhandelt.

Wir hatten uns bei der Schwerstarbeiterregelung mit den Sozialpartnern auf Abschläge von 3 Prozent verständigt. Wir sind ihnen, gemeinsam mit unseren Arbeitnehmer­vertretern, weiter entgegengekommen und haben die Abschläge von 2 Prozent bis auf 0,85 Prozent reduziert. Das ist ein ganz großer Vorteil für die Arbeitnehmer – natürlich nichts für die Versicherungsmathematik –, aber dazu stehe ich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nennen wir die Dinge doch beim Namen! Betreffend Stichtag hatten Sie ursprünglich ein Konzept, bei dem der Stichtag ab sofort gegriffen hätte, ohne Übergang. – Wir sagen: unter 50-Jährige, haben damit immer noch fünf Sechstel im neuen System, aber auch die Sicherheit, dass das verfassungsrechtlich und in der konkreten Umset­zung hält. Eine Verschlechterung? – Überhaupt nicht! Eine Verbesserung gegenüber dem Entwurf und gegenüber der Pensionsreform 2003.

Das Gleiche war mit dem so genannten Deckel. In der Pensionsreform 2003 gab es Abschläge von maximal 10 Prozent. Sie wissen das. (Abg. Silhavy: Wer hat die Pensi­onsreform 2003 beschlossen?) Wir haben uns gemeinsam mit euren Sozialpartnern darauf geeinigt, dass wir diesen Deckel halbieren. Bitte, liebe Öffentlichkeit, ist das jetzt eine Verschlechterung oder eine Verbesserung für die Versicherten? – Natürlich eine Verbesserung! Ich stehe dazu, und die Öffentlichkeit soll das wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, Herr Abgeordneter Gusenbauer, und zwar zu den Beiträgen: Die Höhe der Beiträge, nämlich 22,8 Prozent für alle, und eine Partner­leistung für die Bauern und Selbständigen waren kein Vorschlag der Bundesregierung. Das kam nicht von ÖVP oder FPÖ, sondern das war ein gemeinsamer Vorschlag der Sozialpartner. (Abg. Mag. Molterer: Genauso ist es! – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nicht sagen, das stimmt nicht! Sie waren ja gar nicht dabei! (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich war dabei, ich weiß es daher: Es war das ein gemeinsamer Vor­schlag der Sozialpartner! Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie das auch zugeben!

Ich bin jedenfalls nicht gewillt, mich auf das tiefe Niveau zu begeben, dass ich einen Vorschlag der Sozialpartner deswegen zurückweise (Abg. Sburny: Sie sind schon dort!), weil er möglicherweise nicht die Zustimmung des „großen Vorsitzenden“ Gusenbauer erhalten könnte. Ich halte mich an diesen gemeinsamen Vorschlag der Sozialpartner, und wir werden das auch dem Parlament in diesem Sinne vorschlagen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt: Wir werden Ihnen in wenigen Wochen – nach der Begutachtung – ein erstmals wirklich einheitliches Pensionsrecht für alle vorlegen; dieses gilt jetzt für alle unter 50 Jahren. Diese Reform wird also nicht in Jahrzehnten Platz greifen, son­dern ab sofort, wenn das hier beschlossen werden wird, wozu ich Sie alle herzlich ein­lade. Ab dem 1. Jänner 2005 wird es dann zu einem gleichen Pensionsrecht für jeden Versicherten kommen. Und ich halte das für einen ganz großen Wurf, denn: Zum ers­ten Mal keine Privilegien, keine Sonderrechte; zum ersten Mal ein gleiches und faires Pensionsrecht für alle, wobei wir aber insbesondere auf Frauen, auf Schwerstarbeiter und auf Langzeitversicherte achten.

Daher: Nur Mut zu dieser Reform! Es wird Ihnen, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, nicht schaden, wenn Sie den Sozialpartnern folgen und die letz­ten Schritte durch das Ziel gemeinsam mit uns gehen! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


10.22


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Präsident Dr. Andreas Khol: Ich mache darauf aufmerksam, dass in der Aktuellen Stunde die Redezeit aller weiteren Redner gemäß § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Tancsits –: Pass auf, dass du nicht umfällst beim Runtergehen!)

 


10.23

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pensionssicherung und gleiches Pensionssystem – das wurde in den achtziger Jahren von Minister Dallinger verlangt, vom damaligen Bundeskanzler Klima für bis spätestens Ende 1998 angekündigt, vom Kollegen Gusenbauer heute wieder in den Raum gestellt. Nunmehr liegt ein solches Reformwerk zur Begutachtung vor. – Andere reden, wir handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unser Reformwerk: „klar nachvollziehbare und gerechte Schritte“, so nachzulesen bei Universitätsprofessor Tomandl. Pensionsreform 2000, nach der Regierungsübernahme von ÖVP und FPÖ: kurzfristige Sicherung des Pensionssystems – und 2003: Langfrist­wirkung und wesentliche Harmonisierungsschritte. Jetzt das gleiche und für alle gel­tende Pensionsgesetz ab 1. Jänner 2005: zunächst für fünf Sechstel der Erwerbstäti­gen und in weiterer Folge für alle geltend. – Nochmals: Andere reden, wir handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese unsere Vorlage möchte ich folgendermaßen charakterisieren: erstens Gerechtig­keit, zweitens Vorteile für Mütter, drittens sozialpolitische Ausgewogenheit.

Zur Gerechtigkeit: Jeder Euro hat sozusagen die gleiche Wirkung.

Weiters: gleiche Beiträge für alle – und das mit einem transparenten Ausgleichssystem des Staates, sodass eben nicht derjenige, bei dem es die geringste Bedeckung gibt, die meisten Zuschüsse bekommt, sondern das erfolgt in Hinkunft in gerechter Weise, denn das sind ja Leistungen, die von der Allgemeinheit erbracht werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Weiters: gleiche Anrechnung für alle, und zwar für Präsenzdienst-, für Zivildienst-, für Familienhospiz- und Kindererziehungszeiten. Und damit komme ich auch schon zum wesentlichen Punkt dieser Reform, zu den Vorteilen für Frauen und Mütter. Sie werden das mit Ihrem sozialistischen „Neusprech“ nicht wegbekommen, denn ganz klar und eindeutig ist, dass in Zukunft Zehntausende Frauen – in der Vergangenheit haben sie, weil sie nicht auf genügend pensionsbegründende Jahre gekommen sind, nichts be­kommen – eine Pension erhalten werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird dann hoffentlich in Ihren Inseraten, in Zeitschriften der Arbeiterkammer heißen: „100 Prozent Pensionsgewinn“, denn in diesem neuen System gibt es – im Gegensatz zur Verlustdeckelung – keine Gewinnbegrenzung. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nochmals: 100 Prozent Pensionsgewinn für Zehntausende Mütter, für Frauen, die, was eine eigene Pension anlangt, in der Vergangenheit leer ausgegangen sind. (Abg. Lentsch: Die SPÖ ist dagegen!)

Damit komme ich zum sozialen Gesichtspunkt und zur Ausgewogenheit dieser Reform. Ich halte es für wesentlich, dass von dieser Bundesregierung über Pensionssicherung nicht nur geredet, sondern gehandelt wird. Eine Pensionssicherung ist mit den bisheri­gen Reformen dieser Bundesregierung sowie mit dem vorliegenden Harmonisierungs­entwurf gelungen.


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Wenn Sie, meine Damen und Herren, heute im „Morgenjournal“ dem Pensionsexperten Rürup zugehört haben, so haben Sie sicherlich – im Gegensatz zur Ankündigung des ORF – vernommen, dass Professor Rürup der österreichischen Bundesregierung für diese Reformen, für diesen Harmonisierungsentwurf ausdrücklich Lob gezollt hat. (Abg. Dr. Puswald: Welche Sendung haben Sie gesehen?)

Dort, wo Professor Rürup, der ja bekanntlich der Sozialdemokratie nahe steht, Kritik geübt hat, lasse ich mir diese gerne gefallen, denn diese seine Kritik bezog sich aus­schließlich auf die soziale Abfederung, auf die Altersgrenze von 50 Jahren, auf die Begünstigung für Schwerarbeiter sowie auf die Deckelung mit 5 Prozent. – Eine solche Kritik lassen wir uns gerne gefallen, meine Damen und Herren!

Der meiner Ansicht nach wichtigste Gesichtspunkt – das haben ja auch Sie angespro­chen, Herr Kollege Gusenbauer –: Das Vertrauen der jungen Menschen in eine Alters­sicherung wird hiemit wiederhergestellt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.) Für uns und diese Bundesregierung geschieht das unter dem ganz klaren Grundsatz: Andere reden, wir haben gehandelt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek; auch ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


10.28

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bun­desregierung! Herr Bundeskanzler! So unseriös, Herr Bundeskanzler, habe ich Sie schon lange nicht erlebt, aber vielleicht bedeutet unseriös in diesem Zusammenhang auch nervös, denn nervös – so finde ich – sind beide Fraktionen, die jetzt an der Regierung sind. Das, was Sie hier behauptet haben, ist einfach ungeheuerlich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zu einer Ihrer vielen ungeheuerlichen Behauptungen, Herr Bundeskanzler: Weder Sie noch irgendjemand von der ÖVP hat sich je für Frauen eingesetzt! Es waren die Minis­terinnen Hostasch und Prammer, die das versucht haben – gescheitert ist das immer an Ihnen, meinen Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass die Wahrheit Sie nervös macht und ins Schwitzen bringt, das sehe ich jetzt, meine Damen und Herren! Ich möchte mich jedenfalls nicht im Reich der Dichtung bewegen, ich bleibe auf dem Boden der Wahrheit und möchte Ihnen in Bezug auf die Frauenpensionen vier Fakten darbringen.

Zu Beginn ein Rechenbeispiel, Herr Bundeskanzler – vielleicht kann oder will irgend­jemand in der Bundesregierung richtig rechnen; der Finanzminister hat ja in den letzten Wochen bewiesen, dass er es nicht kann –: Es geht um eine 41-jährige Handelsange­stellte, die 1 000 € netto verdient, zwei Kinder hat und natürlich Kindererziehungszeiten aufzuweisen hat. Wir betonen es als sehr positiv, dass die Kindererziehungszeiten aufgewertet wurden, keine Frage, das ist klar (demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), aber wenn Sie solche Frauen als Gewinnerinnen darstellen und Sie glauben machen wollen, dass diese Aufwertung der Kindererziehungszeiten den Ge­samtverlust durch die Lebensdurchrechung wettmacht, dann haben Sie sich getäuscht, und das wissen Sie! Das Beispiel dieser Handelsangestellten sagt uns das. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Diese Frau hat ihr halbes Leben lang in Teilzeit gearbeitet und würde 38 Prozent ver­lieren. Die Aufwertung durch die Kindererziehungszeiten macht den Verlust geringer, aber noch immer sind es 224 € im Monat weniger, die diese Frau Pension bekommen wird. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die SPÖ hat doch die Lebensdurchrechnung auch ge-


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fordert!) Kollege Scheuch, Sie haben keine Ahnung von der Lebensrealität von Frauen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Lebensdurchrechnung frisst das auf. Feiner ausgedrückt: Es geht sich einfach nicht aus, dass diese bessere Bewertung, die ich für positiv erachte, das ausgleicht. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Lest einmal euer Modell!)

Faktum Nummer 2: Herr Bundeskanzler, Ihnen ist ein Rechenfehler passiert, wie das seit Wochen passiert. Es sind nicht 1 350 € im Monat, sondern es sind nur 1 157 €, Sie müssen nämlich den 13. und 14. Monatsgehalt dazurechnen! Somit handelt es sich schon um einiges weniger, was diese Ausgleichszulage betrifft.

Außerdem, meine Damen und Herren: Dieser Betrag gilt erst für Kinder, die ab dem Jahr 2005 geboren werden. Alles, was davor ist, wird parallel gerechnet (Bundesmi­nister Dr. Bartenstein: Das stimmt nicht!) und differenziert ausgerechnet, auch das sollten Sie dazusagen! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das stimmt auch nicht!) Das stimmt schon, Herr Arbeitsminister! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Faktum Nummer 3: Die Möglichkeit für Frauen, drei Jahre vor dem Regelpensionsalter in den Ruhestand zu gehen, wird von dieser Bundesregierung auch verwehrt, weil die­ser so genannte Korridor, ist gleich Frühpension mit hohen Abschlägen, nur für Männer gilt, nicht aber für Frauen. Bis zum Jahr 2028, also noch ganz schön lange, ist es den Frauen verwehrt, diesen Korridor zu nützen.

Daher, meine Damen und Herren, Herr Arbeitsminister: Sie glauben doch nicht wirk­lich, dass irgendeine arbeitspolitische Maßnahme in diesem Pensionspaket enthalten ist. Ältere Arbeitnehmerinnen werden, wenn es so kommt – Sie haben ja noch ein biss­chen Zeit, diesen Entwurf zu korrigieren –, auf der Straße landen, werden in der Ab­hängigkeit landen, werden in der Altersarmut landen. Diese Frauen haben durch Ihre Pensionsharmonisierung einfach keine Chance! (Abg. Scheibner: Was heißt, „auf der Straße landen“?)

Faktum Nummer 4, letztes Faktum: Auch die Schwerarbeiterregelung gilt für Frauen de facto nicht. Sie können nicht in diesen Genuss kommen. Außerdem erwarte ich mir von Ihnen, dass Sie Schwerarbeit für Frauen endlich einmal definieren. Altenpflegerin­nen beispielsweise, Pflegehelferinnen, Intensiv-Krankenschwestern, Arbeit im Gastro­nomiebereich (Abg. Scheibner: Wo ist Ihre Schwerarbeiterregelung?) – das ist die Schwerarbeiterregelung, die ich bei Ihnen vermisse, Herr Kollege Scheibner! Sie lassen sich überhaupt bis zum Jahr 2006 Zeit damit, diesen Begriff zu definieren, dann haben die Leute aber nichts mehr davon, wissen Sie?! Dann haben die Frauen nichts mehr davon! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Sie haben nichts gemacht! 30 Jahre haben Sie nichts gemacht! Jetzt kritisieren, was Sie nie gemacht haben!)

Zusammenfassend, meine Damen und Herren: Ganz wenige Frauen werden ganz kurze Zeit profitieren. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Einige Tausend könnten eventuell unter die „Hackler-Regelung“ fallen, wenn sie 40 Erwerbsjahre zu­sammenbringen, nie arbeitslos waren und so weiter und so fort. (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Ich bin schon beim Schlusssatz: An die 2 Millionen Frauen – und für die spreche ich heute – werden nichts davon haben, werden die Verliererinnen dieser Reform sein! All die Kleinigkeiten haben das nicht wettmachen können, was Frauen durch Sie verlieren werden! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dolinschek. Rede­zeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 



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10.34

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Vertreter der Bundesregierung! Mir kommt es jetzt in dieser Aktuellen Stunde zur Pensionsharmonisierung, Themenwahl SPÖ, oft so vor, als würde die SPÖ ihr eigenes Programm zur Pensionsharmonisierung gar nicht kennen. (Abg. Mag. Molterer: Genau! – Abg. Silhavy: Im Gegensatz zu Ihnen kennen wir es!)

Ich habe es hier vor mir liegen, Frau Kollegin Silhavy! Zur Fairness der Pensionen für alle Österreicher und Österreicherinnen: Im Modell der SPÖ – ich habe es kurz aufge­schlagen und nehme jetzt nur das Pensionskonto und die Pensionserhöhungsgarantie heraus – steht: Wer 45 Jahre ein Fünftel seines Bruttogehaltes auf sein Pensionskonto eingezahlt hat, erhält als Pension 80 Prozent seines durchschnittlichen Netto-Monats­einkommens. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Oh! Oh!)

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion stellt sich hier heraus und kritisiert die Durchrechnung. Er sagt uns, dass viele Leute, die zum Teil arbeitslos sind, durch die längere Durchrechnung verlieren. Herr Klubobmann Gusenbauer! Die Regierungs­fraktionen haben vorgesorgt: In derartigen Fällen wird mit einer Bemessungsgrundlage gearbeitet, deren Höhe mit 1 350 € vorgesehen ist. Kindererziehungszeiten, Präsenz­dienstzeiten, Zeiten der Arbeitslosigkeit und des Zivildienstes werden so bewertet. (Abg. Silhavy: Das stimmt ja nicht!)

Sie von der SPÖ bringen immer wieder das Modell einer Handelsangestellten und so weiter. Frau Kollegin Silhavy, ich kenne mich in diesem Bereich aus. Viele sind dort teilzeitbeschäftigt, und ich weiß auch, dass Teilzeitbeschäftigte kaum 1 350 € im Monat verdienen, also eine geringere Bemessung haben. Früher sind diese Zeiten nie heran­gezogen worden – wir bewerten sie stärker, sie werden mit 1 350 € pro Monat bewer­tet, sie werden aufgefettet!

Außerdem, meine Damen und Herren von der SPÖ – Sie haben es ja dankenswerter­weise zugegeben –, werden Kindererziehungszeiten in diesem Modell mit bis zu fünf Jahren angerechnet, und bei den Frauen – und das haben Sie nicht erwähnt; ich gebe Ihnen ein bisschen Nachhilfeunterricht – wird um drei Jahre pro Kind weniger durchge­rechnet; bei Zwillingen sind es sogar sechs Jahre. Das ist ein gewaltiger Schritt. Wenn zum Beispiel eine Frau in zehn Jahren in Pension geht, hätte sie eine Durchrechnung von 25 Jahren; hat sie zwei Kinder, hat sie tatsächlich nur eine Durchrechnung von 19 Jahren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist eine wesentliche Verbesserung für die Frauen, geschätzte Damen und Herren!

Schwerarbeit, Frau Kollegin Heinisch-Hosek: Sie haben erwähnt, die Schwerarbeiter­regelung wird nicht auf die Frauen zutreffen. – Frau Kollegin Heinisch-Hosek! Hier sind die Sozialpartner gefordert. Sie haben schon etliches eingebracht. (Abg. Heinisch-Hosek: Warum machen Sie keinen Vorschlag?) Ich würde mir wünschen, dass auch sehr, sehr viele Frauen in dieser Schwerarbeiterregelung, die uns und dieser Bundes­regierung ein besonderes Anliegen ist, und ebenso Langzeitarbeiter besonders berück­sichtigt werden.

Natürlich kann sich eine solche Regelung nur anlehnen an das Nachtschwerarbeits­gesetz. Psychische und physische Belastungen sollen mit einfließen, aber natürlich ist eine Voraussetzung, dass jemand im Laufe seines Berufslebens auch gesundheitsge­fährdende Tätigkeiten ausübt, die eventuell zu einer geringeren Lebenserwartung füh­ren. Genaueres dazu werden uns die Experten noch präsentieren, und das wollen wir einfließen lassen. (Abg. Silhavy: Aber Sie haben schon vor dem Sommer angekündigt, dass es präsentiert wird! Wo denn?)

Wir warten auf die Ergebnisse, denn gerade in diesem Bereich, den Sie angesprochen haben, fehlen uns noch einige Daten, die wir noch einfließen lassen möchten. (Zwi-


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schenruf der Abg. Silhavy.) Dafür ist noch Zeit. Wir wollen Nägel mit Köpfen machen, insbesondere was die Frauen betrifft, insbesondere was die schwerarbeitenden Men­schen betrifft, die ja in Zukunft auf jeden Fall für ein Jahr Schwerarbeit um drei Monate früher in Pension gehen können. Dafür haben Sie in Ihrer langjährigen Verantwortung nie etwas getan. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Sie haben in all der Zeit, in der Sie die Hauptverantwortung in diesem Staat getragen haben, nie etwas übrig gehabt für schwerarbeitende Menschen – weder für schwerarbeitende Menschen noch für jene, die einen langen Erwerbsverlauf von 45 Jahren aufzuweisen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Silhavy! Der vierte Zwischenruf in Folge! Melden Sie sich zu Wort! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Wir haben hier einiges umgesetzt. Die „Hackler-Regelung“ Nummer 1 hätte bis 2006 gegolten und wird jetzt verlängert bis ins Jahr 2010. Das hat den Vorteil, dass die Frauen ebenfalls berücksichtigt sind, weil sie eben ein um fünf Jahre niedrigeres Pensionsantrittsalter als Männer haben. Das kann man nicht ins Dauerrecht schreiben, sondern nur ins Übergangsrecht, aber es besteht ja die Möglichkeit, es nach dem Jahr 2010 weiterzuführen und zu evaluieren. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Ein Pensionsnachhaltigkeitsfaktor ist ebenfalls eingebaut, damit eben in Zukunft die Pensionen für alle Österreicher und Österreicherinnen auch gesichert sind.

Ich meine, das ist ein gerechtes Modell – die Ungerechtigkeiten liegen in Ihrem SPÖ-Modell! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sehr gut!)

10.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger für 5 Minuten ans Rednerpult. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin. (Abg. Mag. Posch – in Richtung Präsidium –: Sie müssen aber schon zugeben, dass es schwer ist, beim Herrn Dolinschek keinen Zwischenruf zu machen!)

 


10.39

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank und besonders Herr Bundes­kanzler! Es ist Ihnen ja wirklich unbenommen, mit Spaß ans Rednerpult zu treten und sich hier rhetorisch zu betätigen – das machen wir alle gerne –, aber ich meine, wir sollten schon festhalten, dass nicht all das, was Sie vom Kanzlerstuhl aus verkünden, automatisch die Wahrheit und nicht all das, was dem widerspricht, automatisch Gräuel­propaganda ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber selbst wenn man Ihnen in der Emotionalität einer Rede, wie Sie sie gehalten haben, das Wort „Gräuelpropaganda“ zugesteht – auch da wollen wir nicht so streng sein –, so ist es meiner Meinung nach schon bedenklich – und ich ersuche Sie, ernst­haft darüber nachzudenken –, wenn Sie hier im Parlament öffentlich sagen und bedauernd festhalten, dass die Opposition die Kritik „ungestraft“ äußern darf. (Abg. Mag. Trunk: Das ist ein Skandal!) Soll ich daraus schließen, dass Sie sich wünschen, dass Kritiker und Kritikerinnen Ihrer Politik in Österreich bestraft werden? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es wäre an dieser Stelle vielleicht angebracht, zumindest ein wenig nachzudenken, wenn nicht mehr.

Zur Sache: Herr Abgeordneter Tancsits von der ÖVP hat die Regierungspolitik vertei­digt mit dem schönen Slogan: Andere reden, wir haben gehandelt! – Herr Abgeordne­ter, vielleicht hätten Sie auch rechnen sollen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ellmauer.)


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Bleiben wir bei dem Beispiel Frauen. Eine Frau, die früher von ihren besten 15 Jahren, vielleicht den einzigen 15 Vollerwerbsjahren, die sie im Laufe ihres Lebens erwerben konnte, 80 Prozent Pension bekommen hätte, also von diesem Bezug, bekommt jetzt, wenn sie 40 Jahre ein bisschen Vollzeitarbeit, ein bisschen Teilzeitarbeit gemacht hat, oft auch lange Pausen, mit oder ohne Kinderpausen, und das durchgerechnet wird, in aller Regel unter dem Strich ein deutliches Minus – nicht nur ein kleines Minus! – her­aus. Und Sie sagen, diese Frau hätte durch Ihre Pensionsreformen gewonnen?! (Abg. Mag. Tancsits: Ja!)

Sie nehmen den Frauen nicht nur Pensionen weg, sondern Sie verhöhnen sie dann auch noch, und das halte ich wirklich für untragbar. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Daran ändern auch die kleinen Verbesserungen, die Sie für die Frauen einführen, nichts. Wir wissen ganz genau, dass es kleine Verbesserungen gibt (Abg. Scheibner: „Kleine Verbesserungen“!): 7 Jahre statt der 15 Jahre – aber nicht für die Bemessung der Pension etwa, um dieses Missverständnis aufzuklären, sondern nur dafür, dass man überhaupt eine Pension bekommt.

Das grüne Modell würde sagen: Wir brauchen auf jeden Fall eine grundgesicherte Pension für alle Menschen, unabhängig von den Erwerbsphasen, die sie hatten, und dann einen zweiten Teil, der über die erwerbsbezogenen Leistungen dazukommt. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Das wäre ein sozial abgesichertes, faires System, und dem sollten Sie sich annähern. (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen außerdem, dass die Frauen durch Ihre Pensionsreform gewinnen, der Re­formvorschlag 2004 enthält aber nachweislich mehrere Regelungen, die zum Nachteil von Frauen ausgehen.

Wir haben es schon gehört: Einen „Pensionskorridor“ gibt es nur für Männer (Abg. Steibl: Dafür können Frauen mit 60 in Pension gehen!), gibt es de facto für Frauen bis 2033 nicht. Schwerarbeiterinnen gehen leer aus, weil Ihre Schwerarbeiterregelung fast ausschließlich auf Männer zugeschnitten ist. Ich kann Ihnen aber eines sagen: 50 Kilo heben am Krankenbett ist genauso schwer wie 50 Kilo heben am Hochofen. Das eine jedoch ist für Sie Schwerarbeit, das andere nicht – das ist unfair zu Lasten der Frauen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nur der Vollständigkeit halber: Sie sagen, dass die Kindererziehungszeit deutlich bes­ser bewertet wird, allerdings gehen Sie offenbar automatisch davon aus, dass das Frauensache ist, denn berechnet wird das nach dem Medianeinkommen der Frauen und nicht etwa nach jenem von Frauen und Männern gemeinsam. Das ist sozusagen die ausgleichende Ungerechtigkeit für die Männer in der Kinderpause. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und schließlich: Ein Pensionssplitting sehen Sie nur dann vor, wenn der Mann zu­stimmt. Das heißt, man kann es machen, wenn der Mann großzügig genug ist, der Frau einen Anteil abzutreten – aber nicht verpflichtend.

Wenn es darum gehen soll, dass Frauen und Männer im Alter in etwa gleich abge­sichert sein sollen, dass die Frauenpensionen nicht mehr nur gerade die Hälfte der Männerpensionen ausmachen sollen, dann seien Sie doch ehrlich und machen Sie eine echte Reform! Machen wir eine Grundpension und dann ein Pensionssplitting für die Erwerbszeiten entsprechend der Leistung, die errechnet worden ist, sodass sich das in einer bestehenden Partnerschaft Mann und Frau teilen und dann auch die glei­che Pension für diese Phase bekommen. Das wäre geschlechtergerecht, dann wären Frauen Gewinnerinnen, aber nicht bei einer Reform, durch die ihnen Jahr für Jahr


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große Scheiben vom Kuchen abgeschnitten werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Fuhrmann für 5 Minuten ans Rednerpult.

 


10.45

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Präsi­dent! Kollegin Heinisch-Hosek hat davon gesprochen, dass einige Kollegen hier im Hohen Haus anscheinend sehr nervös sind. Frau Kollegin, ich kann das sehr gut ver­stehen, denn wenn meine Partei nicht einmal fähig wäre, in der Opposition Lösungs­konzepte anzubieten – ich empfehle den Zuschauern einen Blick ins Wirtschaftspro­gramm –, wäre ich auch nervös. Das wäre mir auch peinlich. Ich verstehe das daher sehr gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat das Wort „Seriosität“ in den Mund genommen. Ich muss Ihnen daher schon die Frage stellen: Wie seriös ist es denn, dass gerade von der SPÖ seit Dallinger immer wieder eine Pensionsharmonisierung versprochen wurde? Vranitzky hat sie versprochen, Klima hat sie versprochen – wir haben Lösungsver­suche angeboten, wir schlagen ein Modell vor. Andere raunzen, wir handeln! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin, Sie haben auch von Frauenpolitikerinnen gesprochen, die sich für Frau­en in der Politik eingesetzt haben. Aber was nützt es, wenn man sich in der SPÖ als Frau für Frauenpolitik einsetzt, dann aber an der eigenen Partei scheitert, weil es die Männer anscheinend nicht zulassen?! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Einset­zen ist das eine, Umsetzen ist das andere. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wer hat denn die Verantwortung im ÖGB für die Frauenpolitik? – Es ist die rote Gewerkschaft. Wer macht denn dort die Lohnpolitik? – Das sind nicht wir. Und wie schaut diese Lohnpolitik aus? – Frauen verdienen noch immer um ein Drittel weniger. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) 50 Jahre roter Sozialminister und es ist nichts geschehen! 560 € haben gereicht, 15 Jahre waren notwendig – wir ermöglichen es, dass 7 Jahre ausreichend sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die SPÖ und die sozialdemokratische Gewerkschaft wären nie auf die Idee gekom­men, Karenzgeld einzuführen, im Gegenteil, sie haben gejammert, sie haben gesagt, das dränge die Frauen zurück an den Herd. (Ruf bei der SPÖ: Sie verwechseln irgend­was!) Jetzt aber ist Ihnen eine Verdoppelung anscheinend nicht genug.

Die Frauenpensionen sind noch immer um 42 Prozent niedriger als jene der Männer. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist – auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen und jetzt mit Zwischenrufen hier dreinreden – das Resultat sozialdemokratischer Frauen­politik. Wir handeln, Sie raunzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber es wurde auch schon in den „Salzburger Nachrichten“ berichtet: „Die Harmonisie­rung der Pensionssysteme war der vielleicht zentralste Punkt in Kanzler Schüssels Regierungsagenda. SPÖ und Grünen war das Thema zu heiß – sie versuchten es erst gar nicht und blieben lieber in Opposition.“ (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Harmonisierung ist ein echtes Reform­projekt für Frauen und ein echtes Reformprojekt für Junge. Erstmals gibt es ein einheit­liches System für alle unter 50-Jährigen, und das betone ich, denn es ist ein großer Erfolg, der hier gerade den jungen Menschen eine Perspektive gibt. Österreich ist das erste Land und das einzige in der Europäischen Union, das tatsächlich ein System vorlegen kann, das eine Gleichstellung der Pensionssysteme anstrebt. Das dürfen wir


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nicht schlechtreden, sondern darauf müssen wir stolz sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade für junge Menschen ist diese Pensionsharmonisierung ein großer Wurf. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Die Bewertung von Zeiten des Präsenz- und des Zivildienstes ist extrem wichtig. Zum ersten Mal gibt es ein Pensionskonto, das transparent ist, das Licht in den Pensionsdschungel bringt und das es jungen Menschen erleichtert, eine Lebensplanung vorzunehmen, denn zum ersten Mal wissen sie, wie hoch ihr Pensions­anspruch sein wird.

Und zu guter Letzt: Der Dreh- und Angelpunkt dieser Harmonisierung ist der Nachhal­tigkeitsfaktor. Das Pensionssystem wird automatisch flexibel gehalten, und das ist ein entscheidender Faktor für die Finanzierbarkeit dieser Pensionen.

Es war extrem wichtig – da gebe ich Herrn Abgeordnetem Gusenbauer Recht –, jun­gen Menschen eine Perspektive anzubieten, denn sie hatten das Vertrauen in die Politik nicht mehr – kein Wunder bei 50 Jahren Sozialdemokratie im Vordergrund.

Wir haben es geschafft, diese Perspektive zu geben, wir haben es geschafft, Vertrauen zu schaffen!

Ich sage Ihnen eines: Diese Pensionsharmonisierung ist fair, gerecht und besteht den Jugendverträglichkeitscheck mit ausgezeichnetem Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Mag. Darabos zu Wort. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


10.50

Abgeordneter Mag. Norbert Darabos (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Fuhrmann! Wir sind nicht nervös, wir sind aber aufgebracht, denn wenn ein Bundeskanzler hier ungestraft (Abg. Scheibner: Wollen Sie ihn strafen?), nämlich ungestraft durch den Präsidenten des Nationalrates, sagen kann (Abg. Dr. Stummvoll: Wollen Sie den Bundeskanzler strafen? – weitere anhaltende Zwi­schenrufe bei der ÖVP), dass er „ungestraft“ Kritik der Opposition nicht haben möchte, dass er uns der Lüge bezichtigt, dass er uns der „Gräuelpropaganda“ bezichtigt (Abg. Dr. Stummvoll: Sie wollen ihn bestrafen!) – das können Sie im Protokoll nachlesen –, dann frage ich mich, ob das eines Bundeskanzlers dieser Republik würdig ist. – Ich sage: Nein! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Die Strafe für diese Äußerungen wird spätestens am nächsten Wahltag kommen (an­haltende Zwischenrufe bei der ÖVP), und zwar neben der Politik, die Schüssel hier zu verantworten hat. Man ist ja von der Regierung Schüssel einiges gewohnt: ein Budget­desaster, nachdem man ein Nulldefizit angesagt hat, kein Wachstum, höchste Arbeits­losigkeit seit Jahrzehnten. Es ist eine Politik, die die meisten Österreicherinnen und Österreicher bereits mit Abscheu erfüllt. (Abg. Großruck: Sprechen Sie von ...? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, man muss sagen, dass alles, was ver­sprochen wurde, von dieser Regierung nicht gehalten wurde. Man topt diese schlechte Politik noch mit einer ungerechten Pensionsharmonisierung, ja mit einer Pensionskür­zungsreform, wie sie diese Republik noch nicht gesehen hat.

Es gibt keine Harmonisierung. (Abg. Mag. Tancsits: Aufwachen!) Harmonisierung heißt Gleichklang. Gleichklang würde bedeuten, dass alle Gruppen, die in Österreich in den Arbeitsprozess integriert sind, auch die gleichen Beiträge zu zahlen haben. Ihre Reform belastet einseitig ASVG-Pensionistinnen und -Pensionisten (Abg. Mag. Molte­rer: Falsch!), die große Mehrheit der Bevölkerung. (Abg. Mag. Molterer: Falsch!) Sie belastet viel weniger Selbständige, Beamte und Bauern. Es ist das keine gerechte


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Pensionsreform, weil sie auf dem Rücken von mehreren Millionen ASVG-Pensionisten ausgetragen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Reform sieht schwerste Verluste bei der Frage der Schwerarbeit vor. Sie können jetzt sagen, von 3 Prozent sind wir auf 2,1 Prozent heruntergegangen. Das ist für Men­schen, die ihr Leben lang schwer gearbeitet haben, ein Hohn. (Abg. Scheibner: Wo haben Sie das gemacht in Ihrer Zeit?) Sie sind nicht einmal in der Lage, diese Schwer­arbeit zu definieren.

Das wirklich Perfide an dieser Reform ist, dass sie auf der Pensionskürzungsreform des Jahres 2003 aufsetzt und somit eine doppelte Bestrafung jener ist, die demnächst in Pension gehen werden. Deswegen müssen wir zu dieser Pensionsreform nein sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, wissen Sie, wo Ihr wahres Problem liegt? – Sie kümmern sich nicht um die wahren Probleme und Bedürfnisse der Menschen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kümmern Sie sich um die Probleme Ihres Obmannes!) Sie wissen nicht, was es heißt, lang schwer gearbeitet zu haben (Abg. Großruck: Sie auch nicht!) und dann aber, auch wenn man weiter arbeiten will, vielleicht nicht mehr arbeiten kann, weil es der Körper nicht mehr aushält, auf Grund der Schüssel’schen Pensionsreform mit minus 17 bis minus 22 Prozent abgespeist zu werden.

Sie wissen nicht, was es heißt, wenn ein Bauarbeiter (Abg. Großruck: Sie auch nicht!) oder ein Straßenbauarbeiter bei 126 Grad Asphalttemperatur arbeiten muss, und zwar sowohl bei plus 30 Grad im Sommer als auch bei minus 10 Grad im Winter (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum soll der Bundeskanzler das nicht wissen? – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Im Winter wird nicht asphaltiert!), und dann auf Grund Ihrer Reform mit einem Minus von einem Viertel seiner Pension – unter Anführungszeichen – „belohnt“ und zudem nicht einmal als Schwerarbeiter eingestuft wird (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter) – ja, Sie haben richtig gehört: nicht einmal als Schwerarbeiter eingestuft wird. (Abg. Dr. Fekter: Sie haben ja keine Ahnung!) Ihr Sozialminister Haupt – eine Perfidie besonderen Ausmaßes, ihn mit einer Pensionsreform, die die Schwerarbeiter betrifft, zu betrauen nach seiner Performance in den letzten Jahren (Zwischenruf des Abg. Dolinschek) – spricht bei 3,1 Millionen Beschäftigten in Österreich von 6 000 Schwerarbeitern in Österreich. Das sind 0,2 Prozent! Die Österreicherinnen und Österreicher, die wirklich schwer arbeiten, werden sich bei Ihnen bedanken. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Gehen jedes Jahr 3 Millionen in Pension?) Aber bei Ihnen von der FPÖ wundert mich das gar nicht mehr. Sie haben mit dieser Reform den finalen, den endgültigen Verrat an den Arbeitern begangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wundern sich, warum Sie in Vorarlberg 14 Prozent verlieren (Abg. Scheibner: Das ist sehr sachlich! Das ist unglaublich!) – das bei einer Politik, die gegen die Interessen von Klein- und Mittelverdienern gerichtet ist? (Abg. Dolinschek: Warum haben Sie in der Vergangenheit für die Schwerarbeiter nichts getan?) Wissen Sie, was das wirklich Traurige an Ihrer Politik ist? – Das wirklich Traurige an der Politik von Schwarz-Blau ist einfach: Sie nehmen jener Generation, die diese Republik aufgebaut hat und die kurz vor der Pension steht, die Würde. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum haben Sie nicht mehr Geld hinterlassen, als Sie in der Regierung waren?) Sie nehmen ihr die Chance auf einen würdigen Lebensabend. Und Sie nehmen der Generation, der Kollegin Fuhr­mann und ich angehören, die Hoffnung. Das ist das wirklich Schlimme und Tragische an Ihrer Politik. Es ist Zeit für einen Kurswechsel. Nehmen Sie diese Pensionskür­zungsreform zurück! (Beifall bei der SPÖ.)

10.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege Darabos! Ich habe mir – einem Hinweis von Klubobmann Cap folgend – das Protokoll über die Ausführungen des Herrn Bun-


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deskanzlers im Rahmen seiner ersten Wortmeldung vorlegen lassen, habe es dem Herrn Bundeskanzler gezeigt und die Vorgangsweise mit Ihrem Klubobmann abge­sprochen.

Zu Wort hat sich der Herr Bundeskanzler gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


10.56

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Da ich noch ein bisschen Zeit habe, meine Damen und Herren, darf ich vielleicht zur Versachlichung der Diskussion darauf hinwei­sen, dass alle politischen Parteien die gesamte Lebensdurchrechnung zur Grundlage ihrer Konzepte gemacht haben. Das steht im SPÖ-Konzept genauso drinnen ... (Abg. Heinzl: Was ist mit der Entschuldigung, Herr Bundeskanzler? Entschuldigen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, schon.

Also noch einmal: Das steht im SPÖ-Konzept, das steht im Konzept der Grünen drin­nen, das steht in den Konzepten der Freiheitlichen, der Volkspartei und aller Sozial­partner. Daher ist es nicht in Ordnung, glaube ich, dass man die notwendigerweise damit verbundenen Veränderungen – das müssen nicht nur negative sein, das können ja auch Verbesserungen sein – plötzlich zur Grundlage einer Kritik an der Pensionshar­monisierung macht, denn die Gleichziehung der gesamten Lebensdurchrechnung ist ja bereits geltendes Recht. Das hat nichts mit der Reform 2004 zu tun. Es ist, meine ich, wichtig, das hier zu sagen, damit wir nicht aneinander vorbeidiskutieren.

Genauso der „Pensionskorridor“. Das war ein Wunsch der Sozialpartner. Wiederum haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam festgestellt, dass es da versiche­rungsmathematische Abschläge geben soll, nämlich 4,2 Prozent. Es ist daher unfair, wenn man das zur Kritik am Pensionsharmonisierungsentwurf macht. – Zur Versach­lichung ist es, glaube ich, wichtig, das zu sagen.

Zur Abgeordneten Weinzinger und zum Abgeordneten Darabos: Es liegt mir völlig fern, aus dem Ausdruck, dass man „ungestraft“ etwas sagt, was ich für falsch halte, abzu­leiten, ich möchte jemanden strafen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die verdrehen einem das Wort im Mund!) – Das liegt mir völlig fern, damit das einmal klar ist! Genauso möchte ich niemandem eine bewusste Lüge unterstellen, aber natürlich ist es mir auch ein An­liegen, die Wahrheit dazu zu sagen, objektive Informationen darüber zu bringen, was ich von Ihnen genauso annehme.

Diskutieren wir daher sachlich über diese Frage! Sie ist es wert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Scheibner ans Rednerpult. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


10.58

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal, so etwas!) Ja, da kommen jetzt Zwischenrufe wie „Unglaublich!“ und „Skandal!“. (Abg. Mag. Trunk: Bei „Gräuelpropa­ganda“ und „ungestraft“ ist das ...!) – „Gräuelpropaganda?“ Da haben Sie sich jetzt einen Spiegel vorgehalten, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, denn, Herr Kollege Darabos, Frau Kollegin Heinisch, Sie wissen anscheinend nicht, wann mit der Polemik Schluss sein sollte. – Wenn es um die Verantwortung für das Land und für die Bevölkerung geht. Bei dieser Harmonisierung, bei dieser Frage – jetzt geht es gar nicht so sehr um jemanden, der in zwei, drei Jahren in Pension geht; der ist ohnedies ausgenommen von dieser Harmonisierung – geht es darum, dass künftige Generatio­nen, die heute 25-, 30-, 35-Jährigen, dann, wenn sie in den wohlverdienten Ruhestand


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gehen, auch noch eine Pension bekommen, die ihnen einen Lebensabend in sozialem Frieden und Wohlstand gewährleistet. Darum geht es bei dieser Pensionsharmonisie­rung!

Ihre Sozialpartner sind über viele Monate mit uns an einem Tisch gesessen und haben mit uns an dieser Reform gearbeitet, aber Sie haben sie in der letzten Sekunde zu­rückgepfiffen, die Gewerkschaft, Herr Kollege Gusenbauer. Und das muss man den Gewerkschaftsmitgliedern auch sagen: Da gab es, nicht dementiert in Zeitungsmel­dungen, eine gemeinsame Sitzung, eine Präsidiumssitzung der SPÖ mit dem Öster­reichischen Gewerkschaftsbund, wo man dann ausgemacht hat: Nein, der ÖGB darf dieser Reform nicht zustimmen! Und die Arbeiterkammer läuft dann hinterher. Der ÖGB, die Sozialpartner, die von den Sozialdemokraten beeinflusst sind, dürfen dieser Harmonisierung nicht zustimmen, obwohl es bis kurz vor dem Schluss eine Einigung gegeben hat bei diesem wichtigen Projekt, meine Damen und Herren!

Das müssen Sie von der SPÖ sich vorhalten lassen. Bei Ihnen regiert die Parteipolitik und nicht die Verantwortung für das Land und seine Bevölkerung. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Und all diese Beispiele! Herr Kollege Gusenbauer, Ihr erster Satz war völlig in Ord­nung: Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, bei diesem Harmonisierungsentwurf darüber zu diskutieren und zu schauen, was man noch besser machen kann. – D’accord, völlig in Ordnung!

Aber wenn dann Ihre Redner mit Beispielen hier herauskommen, wo sie wirklich, ich sage, nicht Unwahrheiten, aber Halbwahrheiten behaupten, dann frage ich mich, wo Ihre wirklich sachliche Auseinandersetzung bleibt. (Ruf bei der SPÖ: Welches Bei­spiel?) Welches Beispiel?, fragen Sie. Wenn Sie kritisieren, dass die Frauen vom Pen­sionskorridor, beginnend mit 62, nicht profitieren beziehungsweise erst im Jahr 2028, dann vergessen Sie, dazuzusagen, dass die Situation deshalb so ist, weil die Frauen bis zum Jahr 2028 früher in Pension gehen können als die Männer. (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist doch eine Verfassungsbestimmung! Das kann man doch nicht verglei­chen!) Deshalb kommen sie nicht in diesen Korridor hinein, weil sie ohnehin schon früher in Pension gehen können. Das kritisieren Sie!

Sie kritisieren die Schwerarbeiterregelung und sagen, nur ein Promilleanteil der Be­schäftigten falle unter diese Schwerarbeiterregelung. – Meine Damen und Herren! Sie kritisieren etwas, was es bis jetzt nicht gegeben hat, über dessen Fehlen sich in 30 Jahren SPÖ-Regierung kein Mensch aufgeregt hat. Das ist der Erfolg dieser Regie­rung, dass wir zur Invaliditätspension, zu den Möglichkeiten des Nachtschichtschwer­arbeitsgesetzes – da fallen Ihre Asphaltarbeiter, Herr Kollege Darabos, hinein, und nicht in die Schwerarbeiterregelung, das sollten Sie sich einmal genau anschauen – jetzt noch zusätzlich die Möglichkeit schaffen, früher in Pension zu gehen. Wir beschließen vier Jahre Pensionszeiten mehr für eine Gruppe, die Sie bis jetzt nicht beachtet haben. Und das kritisieren Sie?! Okay, aber dann soll sich die Bevölkerung auch ein Bild von Ihrer Seriosität machen, meine Damen und Herren. (Abg. Marizzi: Die Leute distanzieren sich schon!) – Die Leute distanzieren sich von Ihrer Politik, Herr Kollege Marizzi, wo Sie nur polemisieren, wo Sie nur schlecht machen, wo Sie nur Angst machen, wo Sie vor Durchrechnungszeiten warnen, die Sie selbst in Ihrem Pro­gramm haben. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich sage Ihnen: Schauen Sie sich dieses Modell genau an!

Erstmals wird ein Pensionskonto eingeführt. Jeder hat seine Ansprüche garantiert. Die Pensionserhöhungen werden für den Großteil der Pensionisten mit Ausgleich der Infla­tionsrate garantiert. Sieben Jahre Arbeitszeit für den Pensionsanspruch statt 15 Jah­ren, Frau Kollegin. – Das sind die guten Reformen, die diese Harmonisierung mit sich


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bringt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Kindererzie­hungszeiten werden anerkannt, Präsenzdienstzeiten werden anerkannt, etwas, was Sie 1997 abgeschafft haben!

Frau Kollegin Weinzinger, die Grundsicherung, die Sie verlangen, gibt es bereits über die Ausgleichszulage. Das sollten Sie sich auch einmal vor Augen führen!

Aber es gibt einen anderen Grund, warum Sie hier nicht mitgehen können, denn wenn Sie dieser Harmonisierung zustimmen würden, dann wäre es mit einer Verfassungs­bestimmung auch möglich, diese Reform nicht nur horizontal, sondern auch vertikal durchzusetzen und somit wirklich alle Privilegien abzuschaffen, etwa im öffentlichen Dienst. Dann würde diese Harmonisierung nicht nur für den Bundesdienst, wo vier Be­rufsgruppen eingebunden sind, gelten, sondern auch für die Landes- und Gemeinde­bediensteten. Aber die Gemeinde Wien zeigt ja, dass sie am Erhalt dieser Privilegien interessiert ist und nicht an ihrer Abschaffung. Das ist in Wahrheit Ihr Hintergrund! Täuschen Sie hier deshalb nicht Seriosität vor, die Ihnen leider fehlt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Letzter zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


11.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorausschickend eines sagen, was ich auch am Nachmittag – und da haben wir ja noch Gelegenheit, Herr Bundeskanzler, über die Pensionsreform weiter­zudiskutieren – sagen will und werde: Wir Grüne stehen zu einer Harmonisierung der Pensionssysteme! Das ist nicht der Punkt, wo es eine Differenz zwischen den Parteien gibt. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie stehen zur Überschrift!) Der Punkt, wo die Differenz zwischen den Parteien auftaucht, ist beispielsweise die Art und Weise, wie Sie die Harmonisierung angegangen sind, Herr Bundeskanzler.

Ich kann mich noch gut erinnern, 1997 – da saß ich hier schon herinnen – haben Sie gesagt, Herr Bundeskanzler: Im Prinzip haben wir die Weichen so gestellt, dass das Pensionssystem sicher ist! – Hat das gestimmt? (Abg. Dr. Brinek: 1997 ja! – Bundes­kanzler Dr. Schüssel: Sicher!) Sicher, sagen Sie, Herr Bundeskanzler? Ja, warum war dann die Reform 2000 notwendig? Warum gab es dann 2003 wieder eine Reform? Die Reform 1997 ist von Ihnen als „Jahrtausendreform“ bezeichnet worden. 2000 haben Sie dann einen neuen Begriff gebraucht, weil das „Jahrtausend“ schon vergeben war. Damals haben Sie gesagt: Es ist eine „Jahrhundertreform“! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verwechseln hier etwas! Die Frau Hostasch hat das immer gesagt!) 2003 fand dann eine Reform zur Sicherung einer „Jahrtausend“- und einer „Jahrhundertreform“ statt. Doch heute, 2004, Herr Bundeskanzler, sagen Sie hier: Wir brauchen eine neue Jahrhundertreform! – Da wimmelt es ja nur mehr so von „Jahrhundertreformen“ und „Meilensteinen“. Das kann ja nicht stimmen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie von ÖVP und FPÖ haben es geschafft, die Harmonisierung jetzt so zu gestalten, dass sie für Jahrzehnte das komplizierteste Pensionssystem der Welt mit sich bringt. Sie bringt nicht das beste, nicht das harmonischste, sondern das komplizierteste Pen­sionssystem der Welt, bei dem sich nicht einmal die Experten bis ins Detail auskennen. Es ist einfach undurchschaubar! Bis 2050 würde – und das wissen Sie alle – diese Pensionsreform wirksam werden. Bis 2050 wird – und das garantiere ich Ihnen – von dieser Reform, vermute ich, nichts mehr übrig bleiben, weil es an den Voraussetzun­gen fehlt, um diese Reform zu einer dauerhaften und wirksamen zu machen. Ich sage Ihnen auch die Gründe dafür.


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Sie haben, Herr Bundeskanzler, auch gesagt: Alle Parteien sind für die Durchrech­nung! – Stimmt! Wir Grüne sagen ja zur Durchrechnung, aber es muss noch zusätzlich etwas geben, damit diese nicht verheerende Wirkungen erzeugt, nämlich bei Perso­nen, die nicht 45, 46, 47, 50 Jahre erwerbsarbeiten können, weil sie daneben auch noch andere Arbeiten machen, Kinderarbeit, Betreuungsarbeit, Erziehungsarbeit, oder weil sie nicht die Möglichkeit haben, ununterbrochen zu arbeiten. Da schaue ich jetzt die Frau Bildungsministerin an. An den Universitäten werden jetzt gerade Arbeitsver­hältnisse geschaffen, wo die Leute 900 € im Monat kriegen sollen, etwa Universitäts­assistenten. Da gibt es Arbeitsverhältnisse für Lektoren/Lektorinnen, die so aussehen, dass sie neun oder zehn Monate maximal im Jahr versichert sind. Die restlichen zwei Monate sind sie nicht versichert – drei Monate, vier Monate nicht versichert! Ja wie sol­len diese Menschen zu 45 Jahren Pension kommen? Wie soll eine Frau zu 45 Jahren Erwerbsarbeit kommen? Da hilft ihr auch die Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten nicht in dem Umfang, in dem Sie sie tatsächlich aufgebessert haben.

Da sagen wir: Wenn wir diese Arbeitswelt der Zukunft anschauen, dann sehen wir, es werden unterbrochene, auch schlecht abgesicherte Erwerbsverhältnisse zunehmen, mit oder ohne Ihr Zutun. Damit ein Pensionssystem für alle ein Ausmaß an Gerechtig­keit schafft, das notwendig ist und auch Nachhaltigkeit bringt, damit die Leute im Alter noch von etwas leben können, braucht es neben der Versicherungspension noch so etwas wie eine Grundsicherung. (Beifall bei den Grünen.)

Dann, Herr Bundeskanzler, und unter dieser Voraussetzung könnten wir davon reden, dass eine Harmonisierung eine gelungene Harmonisierung und eine Perspektive für die Zukunft ist. Aber genau das, Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht gemacht! Sie sagen, es werde Verbesserungen für alle geben. Erklären Sie mir, Herr Bundeskanzler, und der Öffentlichkeit, warum dann bis 2010 die Ausgaben für die ASVG-Pensionisten von 9 Prozent des BIP auf 8,3 Prozent des BIP sinken, obwohl es mehr geben wird! Diese Pensionsreform ist kein Meilenstein, sie ist möglicherweise ein Mühlstein. (Beifall bei den Grünen.)

11.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Um den Punkt 3 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzusehen. Dabei handelt es sich um den Bericht des Familienausschusses über das Stenographische Protokoll der Parlamentarischen Enquete (III-78 der Beilagen) zum Thema „Familie – Generationen – Solidarität“ (623 der Beilagen).

Ich bitte all jene Damen und Herren, die dem Absehen von der 24-stündigen Aufliege­frist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2111/J bis 2138/J;

Zurückziehung: 2083/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 24/JPR.

2. Anfragebeantwortungen: 1952/AB bis 2059/AB,

Berichtigung zur Anfragebeantwortung: Zu 1968/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Zivilverfahrens-Novelle 2004 (613 d.B.),

Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (614 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsge­setz, das Gebrauchsmustergesetz, das Halbleiterschutzgesetz und das Sortenschutz­gesetz 2001 geändert werden (Biotechnologie-Richtlinie-Umsetzungsnovelle) (615 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versiche­rungsvertragsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (616 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz 1975 geändert werden (617 d.B.),

Bundesgesetz über den Ersatz von Schäden aufgrund einer strafgerichtlichen Anhal­tung oder Verurteilung (Strafrechtliches Entschädigungsgesetz 2005 – StEG 2005) (618 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (619 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2004) (620 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsge­setz, das Gebrauchsmustergesetz, das Schutzzertifikatsgesetz 1996, das Halbleiter­schutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Markenschutzgesetz 1970 geän­dert werden und ein Bundesgesetz über die im Bereich des Patentamtes zu zahlenden Gebühren und Entgelte (Patentamtsgebührengesetz – PAG) erlassen wird (Patent­rechts- und Gebührennovelle 2004) (621 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Antrag 447/A (E) der Abgeordneten Dr. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen be­treffend nachhaltige Energie- und Rohstoffpolitik der Weltbank;

Justizausschuss:

Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Abgeltung stationärer medizinischer Ver­sorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten für Insassen von Justizanstalten (622 d.B.);


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Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Annahmeerklärung betreffend den revidierten Text der Internationalen Pflanzenschutz­konvention sowie revidierter Text der Internationalen Pflanzenschutzkonvention samt Anlage (612 d.B.);

Rechnungshofausschuss:

Antrag 446/A der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit b B-VG;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Tätigkeit der Arbeitsin­spektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2001 (III-100 d.B.);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht der Bundesregierung über die Situation der österreichischen Land- und Forst­wirtschaft im Jahr 2003 (Grüner Bericht 2004) (III-103 d.B.),

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2005 gemäß § 9 LWG (III-104 d.B.);

Verkehrsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gem. § 3 Bun­desbahngesetz 1992, BGBl. 825, vom 29. Dezember 1992, bzw. gem. §§ 48 und 49 Bundesbahnstrukturgesetz 2003, BGBl. I/138, vom 30. Dezember 2003, über die bis zum Ende des Jahres 2003 durch den Bund bei den ÖBB bestellten gemeinwirtschaft­lichen Leistungen (III-102 d.B.):

Wirtschaftsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Auswirkungen des Rechtsschutzes auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte (III-99 d.B.),

Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für den Zeitraum 1. Juli 2003 bis 30. April 2004, vorgelegt vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (III-101 d.B.).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe bekannt: Die Abgeordneten Öllinger, Kollegin­nen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 448/A (E) der Abgeord­neten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundsicherung statt Pensions­kürzungen für Frauen und jüngere Menschen dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird dieser Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1854/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine Kurzde-


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batte über die Beantwortung 1854/AB der Anfrage 1921/J der Abgeordneten Dr. Pirkl­huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend zunehmende gentechnische Kontamina­tion von Saatgut, Futter- und Lebensmitteln durch den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird diese Kurzdebatte im Anschluss an die Debatte über den Dringlichen Antrag statt­finden.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wie­ner Stunden“ vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 123, Freiheitliche 84, Grüne 91 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatten von 11 bis 13 Uhr getroffen: Erklärung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit 20 Minuten, anschließend je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, danach Wortmeldung von Regie­rungsmitgliedern mit 10 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Über diese Redeordnung und die -zeiten entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Dieser Vorschlag ist einstimmig angenommen. Wir werden daher so vorgehen.

Entsprechend einem Einvernehmen in der Präsidialkonferenz wird die Sitzung für eine Mittagspause von 13 bis 13.30 Uhr unterbrochen.

1. Punkt

Erklärung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten gemäß § 19 Ab­satz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zu Grundsatzfragen der Außen­politik

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 1. Punkt der Tagesordnung: Erklärung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zu Grundsatzfragen der Außenpolitik.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten auch eine Debatte stattfinden.

Frau Bundesministerin, ich erteile Ihnen das Wort.

 


11.13

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Ich habe die letzten beinahe zehn Jahre hindurch die österreichische Außenpolitik mit­gestaltet oder gestaltet, und deshalb möchte ich mich von Ihnen verabschieden und möchte dabei natürlich auch Bilanz ziehen.


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Verehrte Damen und Herren! Als ich 1995 als Staatssekretärin angetreten bin, waren wir gerade einige Monate in der Europäischen Union. Damit hat sich eine ganz neue Phase der österreichischen Außenpolitik angesagt, und wenn ich die letzten zehn Jahre Revue passieren lasse, kann ich, glaube ich, sagen, sie waren fast die wichtigste Phase nach 1955, und ich bin stolz und freue mich, dass ich dabei sein durfte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Neben der Globalisierung der österreichischen Außenpolitik, nämlich Beziehungen mit allen Kontinenten aufzubauen, und der Entwicklungszusammenarbeit war es vor allem die österreichische EU-Präsidentschaft 1998, die ich organisatorisch und auch inhalt­lich gestalten konnte. Ich glaube, wir haben gezeigt, dass wir eine äußerst professio­nelle Präsidentschaft hingelegt haben, die vor allem auch kulminiert ist in einer wichti­gen Sache: in den Beitrittsverhandlungen mit den Nachbarstaaten, die inzwischen so erfolgreich abgeschlossen wurden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auch da, verehrte Damen und Herren, möchte ich Ihnen sagen, dass ich mich freue, dass ich federführend beinahe sechs Jahre hindurch dabei sein durfte, bis die Ver­handlungen eben gut abgeschlossen wurden. Ich glaube, das ist der größte Beitrag Österreichs auch zur Wiedervereinigung unseres Kontinentes.

Aber es gab auch andere europapolitisch wichtige Marksteine. Ich denke etwa an die Einführung des Euro am 1. Jänner 2002, wo ich mit dabei sein durfte, mitgestalten konnte und vor allem die Kommunikation in Österreich mit übernommen hatte. Aber auch die Einrichtung des Schengen-Raumes, heute ein Raum von Recht und Sicher­heit, ist etwas ganz Besonderes, wenn ich nur daran denke, dass es endlich offene Grenzen gibt und wir innerhalb dieses Grenzraumes immer mehr Sicherheit für uns fordern können.

Dann kam, verehrte Damen und Herren, das Jahr 2000: Ich wurde Außenministerin, und es war eine große Probe, die hier gleich zu bestehen war, aber ich denke, wir haben das mit Standfestigkeit, aber auch im europäischen Geist gemacht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen auch sagen, dass wir zur selben Zeit auch die Vorsitzführung in der OSZE innehatten, und ich bin heute sehr dankbar dafür, dass ich das machen konnte, denn ich hatte damals schon – vielleicht werden manche sagen, in gewisser Weise weitblickend – auf Kaukasus und auf Zentralasien einen besonderen Schwerpunkt gelegt. Heute wird mir das helfen, denn in der neuen Nachbarschaftspolitik wird der Kaukasus zu meinen ganz besonderen zusätzlichen Schwerpunkten zählen, und ich werde selbstverständlich die Erfahrungen nützen, die ich damals gesammelt habe.

Ich war aber auch mit federführend in zwei Regierungskonferenzen tätig: erstens für den Nizza-Vertrag – wir haben ja bereits den Nizza-Vertrag, der derzeit aktuell ist – und jetzt auch für die neue Europäische Verfassung, die, so hoffe ich, in einigen Jah­ren in der ganzen Europäischen Union ratifiziert sein wird. Dazu gibt es einen verbind­lichen Grundrechtskatalog, etwas, was mir von Anfang an wichtig war.

Verehrte Damen und Herren! Im Jahre 2003 war ich Vorsitzende des so genannten Human Security Network, des Netzwerkes für menschliche Sicherheit, das sich besonderer Themen der Menschenrechte annimmt, wie zum Beispiel jenes der Anti­personenminen. Da hat Österreich viel getan, wird heuer im Dezember auch einen beachteten Vorsitz in Nairobi führen. Zwei wesentliche Schwerpunkte habe ich gesetzt: erstens die Menschenrechtserziehung, wo ich ein Menschenrechtshandbuch hinter­lasse, das inzwischen in der ganzen Welt geschätzt wird und nach dem ich auch in der Europäischen Union vorzugehen beabsichtige. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.) Darüber hinaus widme ich mich der Frage der Kinder in


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bewaffneten Konflikten. Wenn man an Darfur denkt, dann, glaube ich, weiß man, was es heißt, wenn die Ärmsten der Armen immer wieder in Konflikten überleben müssen.

Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, ich kann die Stafette guten Gewissens weiter­geben (Rufe bei den Grünen: An wen? An wen?), denn Österreich steht gut da, und ausgezeichnete Beziehungen haben wir inzwischen wieder mit allen Staaten der Welt. Ich erinnere an letztes Jahr, in dem wir auch die Beziehungen mit Israel normalisieren konnten, wo inzwischen wieder ein guter Beziehungsaustausch vorhanden ist.

Das Außenministerium ist heute auch Europaministerium und damit sozusagen voll in die Europapolitik eingebunden. Es wird zum ersten Mal ein neues Haus für das Außen­ministerium geben, ein Gebäude, in dem alle Sektionen zusammengeschlossen sein werden. Leider werde ich das nicht mehr als Außenministerin erleben, aber man muss auch dem Nachfolger oder der Nachfolgerin etwas überlassen. (Abg. Mag. Lunacek: Wer wird das sein?) – Das werden Sie dann wissen.

Ein neues OSZE-Hauptquartier wird es geben, denn die OSZE ist gerade für die Kon­fliktprävention und für Postkonfliktmanagement, aber auch für die Frage der Men­schenrechte enorm wichtig – Themen, die uns Österreichern und mir immer am Herzen gelegen sind, was auch in Zukunft so sein wird.

Der UNO-Standort, verehrte Damen und Herren, ist gestärkt, der heute Österreich und Wien im Kampf gegen die so genannte unzivile Gesellschaft sieht, das heißt gegen Drogen, gegen illegale Kriminalität, gegen Schlepperunwesen, gegen Terrorismus, die große Geißel des 21. Jahrhunderts. An diesem UNO-Standort ist die Atomenergieorga­nisation angesiedelt, die gerade jetzt wieder eine besonders wichtige Rolle in der Frage der Nonproliferation spielt. Aber auch die CTBTO und schließlich die UNIDO, die sich der industriellen Entwicklung auch der Dritten Welt annimmt, haben wir hier.

Die Auslandskulturpolitik wurde neu fokussiert; ein Wahrzeichen, ein architektonisches Wahrzeichen, dieser neuen modernen Ausrichtung ist unser Kulturinstitut in New York.

Österreichische Entwicklungspolitik hat zum einen, meine Damen und Herren, eine europäische Komponente bekommen, und zum anderen habe ich sie auf eine solide Basis gestellt, zum ersten Mal auf ein EZA-Gesetz. Vor mir ist das nicht gelungen, zehn Jahre hat das gedauert, jetzt, in meiner Amtszeit, ist es geschehen. Ich glaube, wir haben damit ein Gesetz, das sowohl die NGOs gut bedient als auch insgesamt Schwerpunkte setzt und mit dem es sich gut arbeiten lässt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Darüber hinaus, verehrte Damen und Herren, habe ich eine neue Entwicklungsagentur in Österreich geschaffen, damit die Umsetzung, auch der EZA, leichter, besser und effizienter gestaltet werden kann. Ich freue mich darüber, denn damit können wir auch aus der EU wesentlich mehr Aufträge lukrieren, und auch die NGOs haben damit eigentlich ein besseres Standbein bekommen.

Ein modernes, technisch gut ausgerüstetes Außenministerium muss da sein für Sie alle, muss aber vor allem für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes da sein, und ich habe mich bemüht, aus dem Außenministerium ein echtes Serviceinstrument zu machen, denn mir sind die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher immer sehr am Herzen gelegen. Ich sage Ihnen: Es sind unsere Botschafter rund um die Uhr für die Menschen da. Wir haben zahlreiche Fälle gelöst. Ich erinnere nur an einen der letzten. So konnten wir schneller als andere Staaten die Sahara-Geiseln herausbrin­gen – Gott sei Dank! –, und zwar auch auf Grund unseres guten Services und unserer guten Beziehungen mit anderen Ländern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

All jenen, denen es wie mir als Frau ein besonderes Anliegen ist, dass Frauen auch in hochrangigen Positionen reüssieren können, verehrte Damen und Herren, habe ich


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eine gute Chance gegeben. Gerade jetzt, bei den Botschaftsbesetzungen, hat sich das gezeigt, indem knapp 25 Prozent aller hochrangigen Posten mit Frauen besetzt worden sind. Das ist das erste Mal, dass dies gelungen ist. Aber auch im eigenen Haus werden die mit Frauen besetzten Posten immer hochrangiger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir waren und wir sind aktiv in die Mitgestaltung der Politik der Europäischen Union eingebunden. Das heißt, die großen Fragen, die jetzt vor uns liegen, müssen angegan­gen werden. Das sind die Ratifizierung des Europäischen Verfassungsvertrages mit der Grundrechtscharta, die Konsolidierung der EU-Erweiterung – das ist nicht selbst­verständlich – und natürlich auch die Fortführung der EU-Erweiterung – ich denke da an Bulgarien, Rumänien und Kroatien –, aber auch die europäische Perspektive für die Länder Südosteuropas, wobei ich weiß, dass Serbien, Montenegro und Kosovo noch schwierige Probleme darstellen werden, die neue Nachbarschaftspolitik, die mich in Zukunft ganz besonders beschäftigen wird, die aber auch für Österreich wesentlich ist, wobei ich an die Beziehungen zu Russland auf der einen Seite, aber auch an die Beziehungen zur Ukraine oder zum Kaukasus auf der anderen Seite denke, weiters die Frage der Türkei, zu der ich den Bericht Verheugens mit großem Interesse erwarte, und vor allem die Auswirkungen auf die Europäische Union durch die Impact-Studie, die Österreich allein angeregt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Verehrte Damen und Herren! Mit welchen Herausforderungen werden wir nun im 21. Jahrhundert zu arbeiten haben? – Leider sind das Terrorismus, Extremismus, Fun­damentalismus und zum Teil auch geschürte Regionalkonflikte. Auch in Zukunft werde ich damit konfrontiert sein, und ich werde versuchen, einen Beitrag zu deren Lösung zu leisten.

Aber auch Fragen der Globalisierung und des Globalen Umweltschutzes – ich erwähne nur das Kyoto-Protokoll – werden in meine Agenda fallen. Ich werde versuchen, Russ­land und Amerika dazu zu bringen, dass sie diese Klimakonvention auch unterschrei­ben. Weitere zu lösende Probleme sind: große Krankheiten, Epidemien, etwa Aids, Malaria, SARS. Natürlich muss auch die sich immer weiter öffnende Kluft zwischen Arm und Reich gemeinsam angegangen werden. Auch diese Frage müssen wir, so wie das beim Millenniumsgipfel in New York war, ansprechen.

Die Antwort auf all das, verehrte Damen und Herren, kann nur eines sein: ein gemein­sames Europa – und unsere Arbeit in diesem gemeinsamen Europa! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deshalb möchte ich, Hohes Haus, vor allem Konfliktmanagement und Konfliktpräven­tion in meine nächste Aufgabe hineinnehmen. Das halte ich für ganz wichtig: Multi­lateralismus, die Frage der Basis der Menschenrechte. All das ist notwendig, um vor­angehen zu können, auch in schwierigen Zeiten.

Wir haben bereits eine Europäische Sicherheitsstrategie. Es wird meine Aufgabe sein, diese mit umzusetzen.

Aber es gibt auch andere große Aufgaben, ich habe sie vorhin schon angerissen: Na­türlich ist die Europäische Union bereits jetzt der größte Geber für alle armen Länder der Welt. Das werden wir natürlich auch in Zukunft so beibehalten. Der verbesserte Marktzugang und die allgemeine Handelsliberalisierung können nur dann innerhalb der WTO gelingen, wenn wir eine gemeinsame EU-Position haben. Da hat EU-Kommissar Franz Fischler schon einiges Positive getan.

Die Frage des Globalen Umweltschutzes habe ich schon angesprochen. Wichtig ist da die Umsetzung des Kyoto-Protokolls. Aber auch andere Umweltmaßnahmen sind not-


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wendig, etwa solche, dies es ermöglichen, Unwetterkatastrophen wie Hurrikans besser zu begegnen.

Eine wichtige Frage ist schließlich auch die Stärkung der transatlantischen Beziehun­gen. Verehrte Damen und Herren, dazu stehe ich, denn ich glaube, dass es nur dann möglich ist, in der Welt gemeinsam voranzugehen.

Das heißt, die Europäische Union, in der ich in Zukunft tätig sein werde, soll eine glo­bale Führungsrolle bekommen. Ich werde mich bemühen, daran zu arbeiten. Dies geht aber nur dann, wenn wir selber innerhalb der Europäischen Union stark sind. Dabei ist die Lissabon-Strategie eine ganz wesentliche: auf der einen Seite Wettbewerbsfähig­keit und Wachstum, aber auf der anderen Seite auch soziale Absicherung, Umwelt und – ein neues großes Schlagwort – Lebensqualität.

Verehrte Damen und Herren! All das wollen wir auch kommunizieren, und mit der Kom­mission Barrosos wollen wir eine Kommission sein, die sich vor allem mit den Bürgern auseinander setzt und mit ihnen kommuniziert. Daher habe ich auch vor, immer wieder nach Österreich zu kommen und europäische Entscheidungen in Österreich verständ­lich zu machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es bleibt mir nur mehr, Ihnen allen, verehrte Damen und Herren – meinen Regierungs­kollegen an der Spitze, Herrn Bundeskanzler und Herrn Vizekanzler, Ihnen, verehrte Abgeordnete, und auch den Bundesräten –, für die Zusammenarbeit zu danken. Es war manchmal hitzig, es war manchmal spannend, aber es war immer interessant. Ich scheide auch mit einem weinenden Auge aus Österreich, aber Sie werden verstehen: Das Angebot Barrosos ist so interessant und eine so große Ehre für mich und für Österreich, dass ich natürlich annehmen musste. Für den neuen Außenminister oder für die neue Außenministerin wird es sicher genug zu tun geben.

Nun noch ein letztes Wort. Ich schließe mit einem Satz des inzwischen in den Medien sehr oft zitierten Jeremy Rifkin:

„Der gerade flügge werdende Europäische Traum repräsentiert das beste menschliche Streben nach einem besseren Morgen.“

Es ist eine faszinierende Aufgabe, daran teilzunehmen. – Danke schön!

(Allgemeiner lebhafter Beifall. – Die Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen erheben sich von ihren Sitzen und spenden lang anhaltenden Beifall. – Demonstrativer Beifall auf der Regierungsbank. – Die Klubobleute von ÖVP, SPÖ, Freiheitlichen und Grünen begeben sich zu Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner und beglückwünschen diese. – Bundeskanzler Dr. Schüssel und Vizekanzler Gorbach schließen sich den Gratulan­ten an.)

11.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin! Der allgemeine Beifall und die Glückwünsche der Klubobleute der Opposition und der Mehrheitsfraktionen zeigen, dass über die Parteigrenzen hinweg Österreich stolz auf Sie ist, dass Sie diese neue Tätigkeit in Brüssel ausüben werden, und dass Ihr Dienst für die Republik gewürdigt wird. Ich möchte Ihnen auch dafür danken – und dir, liebe Benita, Gottes Segen und viel Glück für deine neue Arbeit wünschen!

(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol erhebt sich und gratu­liert gleichfalls Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner.)

 


Ich bitte nun Herrn Abgeordneten Cap zum Rednerpult. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap reicht, bevor er zum Rednerpult tritt, Bundesministerin Dr. Ferrero-Wald­ner die Hand.)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 44

11.30

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist das heute trotzdem eine außenpolitische Debatte, bei wir auch über unterschiedliche Auffassun­gen diskutieren wollen. Aber auch ich möchte, Frau Außenministerin, auf Ihr persön­liches Engagement und Ihren Einsatz zu sprechen kommen.

Vorerst jedoch nur einen kleinen Nachsatz zur ersten Debatte: Herr Bundeskanzler, es wäre Ihnen kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn Sie einfach gesagt hätten, den Vorwurf gegenüber dem Abgeordneten Gusenbauer, dass er Lügen verbreitet, nehmen Sie mit Bedauern zurück. (Bundeskanzler Dr. Schüssel – mit einer Geste der Entschuldigung in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer –: Mache ich! Mache ich!) Wir wissen, es gibt oft hitzige Debatten, und da – das wissen wir – rutscht man dann manchmal aus, aber ich glaube, das wäre deutlicher (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er hat es schon getan!) und präziser gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Cap, ich habe den Herrn Bundes­kanzler so verstanden, dass er diesen Vorwurf zurückgenommen hat, und er hat das jetzt noch einmal bestätigt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Cap.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Er hat das mit der ihm eigenen Eloquenz in einer Form gebracht, bei der ich gemeint habe, eine Präzisierung wäre noch notwen­dig.

Aber ich möchte jetzt zur Frau Außenministerin etwas sagen: Sie haben zu Recht gesagt, wir haben hier so manchen Strauß ausgefochten. Sie haben sich bemüht, uns zu überzeugen, manchmal sogar, uns zu betören, aber Letzteres konnten wir nicht zu­lassen, denn wir waren, wie Sie ja wissen, dann nicht mehr gemeinsam in einer Regie­rung, sondern wir kamen in die Opposition und haben da natürlich die eine oder andere Auseinandersetzung auch etwas zugespitzt.

Ich stehe aber nicht an, zu sagen, dass Sie sich immer mit großem persönlichen Ein­satz und Engagement für Ihre Aufgabe, für Österreich eingesetzt haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit in der Europäischen Kommission und werden Sie dort auch als Opposition unterstützen. Das sollten Sie wissen! (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Trotzdem erlauben Sie mir jetzt aber, die eine oder andere Anmerkung zu machen, einerseits in die Zukunft gerichtet, andererseits in Bezug auf unterschiedliche Positio­nen zwischen uns.

Wir hätten uns gewünscht – vielleicht waren auch wir manchmal etwas spröde –, dass es mehr Konsens in der Außenpolitik gibt. Ich denke da beispielsweise an die Sicher­heitsdoktrin, bei der es nicht möglich war, sie gemeinsam zu beschließen. Das wäre vielleicht eine solche Möglichkeit gewesen. (Abg. Scheibner: Kein gutes Beispiel!)

Ich bringe ein anderes Beispiel, Herr Klubobmann Scheibner, wir haben da mehrere: etwa die Frage, wie man an die strategische, an die Regionale Partnerschaft heran­geht. Da gab es am Anfang – geben Sie es doch zu! – schon ein bisschen auch eine bestimmte Gesinnung seitens der österreichischen Seite. Ich will jetzt nicht immer nur Sie hauptverantwortlich machen, denn Sie sind auch Teil bei der Regierungspolitik, und diese wird ja abgestimmt, und der Herr Bundeskanzler war sicherlich immer maß­geblich bei der Konzipierung der Außenpolitik dabei. Aber wenn ich an die Regionale, an die strategische Partnerschaft denke, dann muss ich schon anmerken beziehungs­weise fragen, ob man das nicht vielleicht auch ein wenig früher und auch mit mehr Perspektive hätte machen sollen. Vielleicht hätte man dann, wenn man es früher ge­macht und mit mehr Perspektive verbunden hätte, bei den Ländern, die unsere Nach-


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barländer sind und die jetzt Mitgliedsländer der Europäischen Union geworden sind, mehr Bereitschaft gefunden, Österreich als eine Plattform des Dialoges, als einen Ver­mittler innerhalb der Europäischen Union und vielleicht auch als eine Art Gesprächs­partner dafür zu finden, dass man gemeinsam in der Europäischen Union auftreten kann – allerdings nicht zu dem Zweck, sage ich gleich dazu, um da eine Gruppe oder eine Achse gegen eine andere Gruppe oder gegen eine andere Achse zu mobilisieren, wie Sie es einmal angetönt haben, etwa in dem Sinne: Na ja, wenn man all diese neuen Länder addiert und in Vergleich setzt zu dem, wie viel Paris und Berlin und die mit diesen eng zusammenarbeitenden Länder haben, dann könnte schon die eine oder andere Phantasie entstehen.

Manchmal ist auch durchgeklungen – zufällig habe ich das von diesen Nachbarn gehört –: Ein bisschen haben sie sich gefühlt wie die ehemaligen Kronländer, die man nach Wien einlädt, wie weiland vor 100 Jahren. Das haben die natürlich nicht sehr attraktiv gefunden. Sie haben das dann ohnehin erkannt und sind in diese Länder gefahren, aber zumindest am Anfang hat es so ausgesehen – gerade dass man sich nicht noch im Schloss Schönbrunn getroffen hat.

Oder, ein zweiter Punkt: Die Auseinandersetzung, die wir hier hatten, um die Frage: Wie positioniert sich Österreich zum Irak-Krieg? – Frau Außenministern, Sie selbst werden jetzt die Meinung des Generalsekretärs der UNO, Kofi Annan, vernommen haben, der gesagt hat, dieser Krieg im Irak sei illegal. Sie haben sicherlich auch die Diskussion im Sicherheitsrat der UNO mitverfolgt. Im Übrigen hoffe ich, dass Sie in Ihrer künftigen Funktion in der EU-Kommission auch an mehr Bedeutung für die UNO mitwirken werden, daran, dass dort auch Reformprozesse in Gang gesetzt werden, dass wieder der Sicherheitsrat die entscheidenden Fragen über Krieg und Frieden zu behandeln und die Antworten darauf zu geben hat.

Ich meine, die Position der Politik der Mitte war, was den Irak-Krieg betrifft, eine, die sich nicht klar für den Frieden, für das Völkerrecht, für das Primat, dass die UNO da mit dem Sicherheitsrat die Entscheidung zu fällen und den Beschluss zu fassen hat, ausgesprochen hat.

Das war einer unserer Kritikpunkte, da waren wir unterschiedlicher Auffassung, und Kofi Annan hat uns eigentlich mit seiner Position letztendlich Recht gegeben.

Ich möchte noch einen Punkt anführen, den wir vor allem am Höhepunkt der Temelín-Auseinandersetzung immer wieder hier in Diskussion hatten, und zwar war das die Frage: Wie kann es gelingen, mit einer EURATOM-Konferenz Korrekturen dahin gehend vorzunehmen, dass nicht immer jene Länder, die keine Atomenergie erzeugen, da indirekt oder direkt mitzahlen müssen, wenn es darum geht, über den Trick, Ost-AKWs sicherer zu machen, in Wirklichkeit der Atomenergie einen neuen Frühling zu bescheren?

Überdies haben wir gefordert, man sollte doch eigentlich schauen, dass es innerhalb der Europäischen Union eine stärkere Front gegen diese Renaissance, diesen Früh­ling, Atomenergie wieder stärker als Energieform zu verankern, gibt. Das ist uns abge­gangen. Das war auch etwas, wo wir uns mehr Engagement und mehr Einsatz erhofft hatten. Ich wollte das hier auch in diesem Zusammenhang sagen, denn Sie werden jetzt in der Kommission sitzen, und es wird die Frage der Energiepolitik weiterhin eine relevante Frage sein. Da müsste man dieser Lobby, so glaube ich, noch stärker entge­genwirken – gerade Österreich und gerade für Österreich. Sie fühlen sich zwar primär als künftige EU-Kommissarin, aber Sie werden natürlich, haben Sie gesagt, nie verges­sen, woher Sie kommen und dass Sie in einer österreichischen Bundesregierung waren. Daher glauben wir, dass wir von Ihnen erwarten können, dass Sie am Aufbau einer Front gegen diese Atomenergie-Lobby mitwirken werden.


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Was wird künftig sein? – Schauen Sie, Frau Außenministerin, wir haben uns natürlich an dem Tag, an dem Barroso bekannt gegeben hat, dass Sie diese Funktion mit diesem Arbeitsbereich innerhalb der Kommission einnehmen sollen, mit der Frage be­schäftigt, wie Barroso das definiert. Wenn Sie sich die betreffende Presseaussendung der EU-Kommission in Brüssel vom 12. August ansehen, dann können Sie dort Folgen­des lesen:

„Im Bereich Außenpolitik hebt Barroso die Notwendigkeit einer wirksamen Koordinie­rung hervor. Er wird in der Gruppe der Kommissare für Außenbeziehungen den Vorsitz führen. Große Bedeutung wird der EU-Nachbarschaftspolitik beigemessen, die dem Zuständigkeitsbereich des Kommissionsmitglieds für Außenbeziehungen übertragen wird. Die Gruppe der Kommissare soll unter anderem die Ankunft des neuen Außen­ministers in der Kommission vorbereiten und den Europäischen Diplomatischen Dienst ausgestalten. Der Außenminister soll mit seinem Eintritt in die Kommission als Vize­präsident für Außenbeziehungen zuständig sein.“

Die Botschaft, die Ihnen da Barroso übermittelt, lautet: Er als Kommissionspräsident will maßgeblich die Außenpolitik koordinieren, und seine und Ihre Aufgabe wird es sein, Frau Außenministerin, bereits jetzt die Strukturen herzustellen, damit letztlich Solana als gemeinsamer Außenminister die Außenpolitik bestimmen kann.

Sie werden da also einer Männer-Phalanx gegenüberstehen, und wir hoffen, dass Sie sich da trotzdem mit Ihrer Energie werden durchsetzen können (Abg. Mag. Molterer: Keine Sorge!), und zwar jetzt schon und auch später. Es muss nicht alles so sein, wie es sich Barroso vorstellt. Es wäre für uns erfreulich, wenn Sie da wirklich einiges tun könnten.

Letzter Punkt, Frau Außenministerin: die aktuelle Diskussion über die Frage: Beitritt der Türkei zur EU: ja oder nein? – Sie werden diese Frage auch in der Kommission zu behandeln haben.

Wenn die Türkei beiträte, so würde kein Stein auf dem anderen bleiben, sagt eine Studie in der heutigen Ausgabe des „Standard“. Die Nettozahler könnten nicht einmal mehr bestimmen, in welcher Höhe sie ihre Nettozahlungen zu entrichten hätten. Es würde ein gigantischer Finanzaufwand notwendig sein, denn dann wären innerhalb der EU 25 Millionen Bauern in der Landwirtschaft tätig. Es würde da allein von 2015 bis 2018 eine Summe von 45 Milliarden € an Transfergeldern seitens der EU zu bezahlen sein.

Das ist eine gigantische Herausforderung! Sie sehen, es gibt in dieser Frage sehr viele Bedenken, sehr viel Kritik, eine große Diskussion. Wir meinen, es wäre sehr klug, da ein EWR-ähnliches Modell anzudenken, minus Freizügigkeit im Arbeitnehmerbereich und im Bereich der Landwirtschaft, denn da geht es um extrem hohe Geldbeträge, wenn man das nicht in den Griff bekommt. Also es wäre klug, zu versuchen, den Ver­handlungsprozess in diese Richtung zu führen. Verhandeln soll man selbstverständ­lich, aber den Verhandlungsprozess soll man mehr in diese Richtung führen – und nicht in Richtung Perspektive für einen EU-Beitritt, wobei ein Teil der Verhandler meint, es seien ohnehin nur Scheinverhandlungen, und dann lässt man das Ganze scheitern.

Ich glaube, das wäre kein kluger Weg, und mich würde Ihre Meinung dazu interessie­ren. Ich denke, dass es wichtig wäre, dass man gerade hier besondere Sorgfalt an den Tag legt und die Skepsis in der Bevölkerung berücksichtigt. Vergessen Sie nicht: Sie haben uns einmal in einem Außenpolitischen Rat so nebenbei gesagt, um 2007 wer­den dann noch Rumänien und Bulgarien beitreten. – Das ist auch keine Kleinigkeit, und das sei Ihnen noch mitgegeben.


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Ich wünsche Ihnen nach wie vor viel Erfolg, viel Glück – und: Vergessen Sie Österreich nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

11.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Molterer. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.41

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Josef Cap kennt, weiß, dass er heute in einem besonderen Ausmaß seinen Respekt vor der Arbeit von Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner zum Ausdruck gebracht hat – nicht in seiner Rede in erster Linie, das auch, sondern in der Kleidung. Wenn Josef Cap mit einer Krawatte kommt, dann muss etwas Besonderes sein! (Heiterkeit sowie Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lieber Josef Cap, ich nehme das als Kompliment für die Frau Außenministerin und hätte mir – das sage ich auch ganz offen – das manchmal auch in der alltäglichen Aus­einandersetzung zwischen Regierung und Opposition gewünscht. (Abg. Dr. Nieder­wieser: Übertreiben soll man’s auch nicht!) Aber sei’s drum, das gehört auch dazu.

Meine Damen und Herren! Die letzten zehn Jahre waren wahrscheinlich einer der spannendsten Zeiträume, die unsere Heimat erlebt hat. Das ist wohl in der Dimension nur vergleichbar etwa mit der Zeit zwischen 1945 und 1955. Ich habe oft den Eindruck, dass wir die historische Dimension des abgelaufenen Jahreszehnts nicht wirklich richtig einordnen, weil wir uns in die Tagesaktualität verbeißen, ja ich sage durchaus selbstkritisch dazu, manchmal verheddern.

Diese zehn Jahre haben eine enorme Dynamik nicht nur in Europa, sondern vor allem für uns in Österreich gebracht. Und diese zehn Jahre, die in einem breiten Ausmaß auf Konsens aller politischen Kräfte in Österreich fußen, diese zehn Jahre sind untrennbar natürlich auch mit den außenpolitischen Veränderungen verbunden, und diese außen­politischen Veränderungen sind untrennbar mit dem Namen Dr. Benita Ferrero-Wald­ner verbunden.

Was sind denn diese großen Dinge, die sich getan haben?

Da ist erstens einmal unsere zehnjährige Mitgliedschaft bei der Europäischen Union, die wir in wenigen Wochen feiern werden. In wenigen Wochen – in zwölf oder 14 Wo­chen – ist der 1. Jänner 2005, an dem wir unsere zehnjährige Mitgliedschaft bei der Europäischen Union feiern werden. Meine Damen und Herren! Diese zehn Jahre haben Österreich zum Positiven verändert. Und mit dem Namen Benita Ferrero-Wald­ner ist meiner Meinung nach vor allem verbunden, dass sich Österreich in dem Konzert der Europäischen Union als starker, als gleichberechtigter, aber auch als verlässlicher Partner etabliert hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Das hilft uns. Das hilft unserem Land, weil Österreich von dieser europäischen Integra­tion in ganz besonderer Weise betroffen ist. Das ist zum Ausdruck gekommen – und ich weiß, wovon ich rede, weil ich damals selbst Mitglied der Bundesregierung gewe­sen bin – durch die so erfolgreiche Präsidentschaft – die erste Präsidentschaft Öster­reichs! – bei der Europäischen Union. Und das haben viele schon wieder vergessen: Von den drei neuen Mitgliedsländern waren wir damals die Ersten, die die Präsident­schaft bravourös gemeistert haben. Was wir damals zugrunde gelegt haben, davon profitieren wir heute. Und wer hat die Präsidentschaft gemanagt? – Benita Ferrero-Waldner!


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Meine Damen und Herren! Wir haben in Europa vieles weitergebracht in diesen letzten zehn Jahren, etwa diese dritte Säule, ein Raum der Sicherheit, der Freiheit, des Rechts zu sein, etwa den Lissabon-Prozess mit dem Ziel, der wettbewerbsfähigste Wirt­schaftsraum der Welt zu sein. Wir haben den Stabilitäts- und Wachstumspakt ge­schafft, eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wirtschaft und Arbeit auf diesem Kontinent. Wir haben aber auch wichtige Dinge in Europa weitergebracht, etwa die Grundrechtscharta oder – und ich meine, das ist auch ein Schlussstein der Arbeit von Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner in ihrer Funktion als Außenministerin – den Verfas­sungsvertrag, der uns allen in Zukunft eine neue Grundlage für ein geeintes Europa bieten wird. – Danke für dieses europäische Engagement! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine zweite große Dimension dieser letzten zehn Jahre ist die europäische Erweite­rung, die Erweiterung der Europäischen Union. Ich spreche das auch ganz offen an: Viele haben diese Entwicklung durchaus auch mit Skepsis und mit kritischem Auge beobachtet. Wenn wir heute, wenige Monate nach dem 1. Mai des Jahres 2004, sagen können, die Erweiterung ist ein Erfolgsprojekt, dann hängt das unmittelbar zusammen mit der professionellen Vorbereitung und vor allem auch der professionellen Verhand­lungsführung.

Aber noch viel wichtiger: Wir haben – und Kollege Cap hat mit einem leicht kritischen Unterton bereits darauf hingewiesen – durch Benita Ferrero-Waldner die Regionale Partnerschaft als Instrument etabliert, und man kann heute feststellen, dass deshalb sowohl die Erweiterung der Europäischen Union zu diesem Erfolgsprojekt geworden ist, als auch die Tatsache, dass kleine und mittlere Staaten in der EU-Verfassung ihre Rechte verankern konnten, Resultate der Regionalen Partnerschaft sind. – Ein echtes Erfolgsmodell, auf das wir aufbauen können. Danke für diese Initiative! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Drittens ist natürlich auch das internationale Engagement zu erwähnen. Österreich ist in den letzten zehn Jahren – das kann man mit Fug und Recht sagen – in der Welt stärker geworden. Wir haben einen stärkeren Platz in der Welt, und Österreich hat von diesem stärkeren Platz in der Welt viel profitiert. Eine der Grundlagen dafür ist etwa darin zu sehen, dass die österreichische Außenpolitik in der Welt eine anerkannte und wichtige Rolle spielt. Denken Sie etwa nur an das Human Security Network, an dieses besondere Engagement für Menschenrechte, das in der Zwischenzeit weltweit hoch anerkannt ist! Und das Menschenrechtshandbuch ist die Basis für konkrete Ver­besserungen der Rechte der Menschen auf dieser Welt. – Ein an sich sensationeller Erfolg, der untrennbar mit dem Namen Benita Ferrero-Waldner verbunden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was mich besonders beeindruckt, ist, dass dabei vor allem die Frage der Ärmsten der Armen beziehungsweise jener, die es am schwersten haben, im Mittelpunkt steht, nämlich die Frage der Rechte der Kinder. Fernsehbilder zeigen deutlich, wer von Kon­flikten als Erster betroffen ist: Es sind die Kinder. Ich denke, dass dieses Engagement für die Kinderrechte als Teil der umfassenden Menschenrechtsstrategie ein überaus wertvoller und auch nachahmenswerter Beitrag ist, den Österreich und seine Außen­ministerin hier eingebracht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Besonders herausragend ist in meinen Augen die Rolle, die von Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner im Jahr 2000 gespielt wurde, als sie mit Mut, mit Festigkeit, aber auch mit Charme Österreich verteidigte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das wird in Österreich niemand vergessen, das hinterließ einen bleibenden Eindruck und schuf bleibende Werte.


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Ich bedanke mich auch für die heutigen Ausführungen von Benita Ferrero-Waldner, und zwar besonders deshalb, weil sie ein so klares Bekenntnis zu Europa abgelegt hat. Europa ist die Antwort auf viele Fragen – vielleicht noch nicht die perfekte, aber eben weil es noch nicht überall die perfekte ist, müssen wir uns voll in dieses europäische Projekt einklinken. Daher: Volles Engagement für die Friedenssicherung, für die Siche­rung von Freiheit, aber selbstverständlich müssen wir auch für Wohlstand und Lebens­qualität eintreten.

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner hat für unsere Republik Österreich, für unsere Heimat, sehr, sehr viel geleistet, und ich möchte ihr heute ausdrücklich dafür danken. Ich möchte ihr vor allem dafür danken, dass sie ihre Arbeit oft auch im Verborgenen getan hat und nicht immer bedankt war für ihre Leistungen. Danke für die Arbeit für Österreich, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Berufung unserer Außenministerin in die Kommission der Europäischen Union, in eines der wichtigsten Aufgabengebiete und Tätigkeitsfelder, die es in der Kommission überhaupt gibt, ist für Österreich eine große Auszeichnung und für Europa die beste Wahl. – Danke, liebe Benita! (Unter dem Beifall der ÖVP-Abgeordneten und der Abge­ordneten der Freiheitlichen überreicht Abg. Mag. Molterer Bundesministerin Dr. Fer­rero-Waldner einen Blumenstrauß.)

11.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.51

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Ferrero-Waldner hat – wie sie es selbst bezeichnet hat – eine Art Abschiedsrede gehalten. Sie hat einen Rückblick gegeben, ihre Zeit als Ministerin Revue passieren lassen, Bilanz gezogen – wie immer man das nennen will – aus wichtigen, interessanten und spannenden Jahren österreichischer Außenpolitik. Das ist richtig.

Trotzdem möchte ich vorweg eine kleine Beschwerde anbringen. (Abg. Mag. Molterer: Bei wem?) – Bei Ihnen, Herr Kollege Molterer (Abg. Mag. Molterer: Das habe ich mir fast gedacht! – Heiterkeit), beziehungsweise bei den beiden Regierungsparteien, ins­besondere aber bei Bundeskanzler Schüssel. Es liegt ja auf der Hand: Frau Außen­ministerin Ferrero-Waldner ist auf dem Weg nach Brüssel – ja sie ist eigentlich schon in Brüssel; sie wird EU-Kommissarin werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Nein, sie ist da!) – Sie ist physisch noch hier, im Amt einer Außenministerin, aber wenn Sie heute genau zugehört haben, wissen Sie, der Rückblick bezog sich auf ihre Tätigkeit als öster­reichische Außenministerin. Und der Ausblick, der Vorausblick bezog sich auf ihre künftige Tätigkeit als EU-Kommissarin.

Wir führen hier also eine Debatte über etwas, bezüglich dessen wir noch keinen An­sprechpartner/keine Ansprechpartnerin haben. Was nämlich die künftige österrei­chische Außenpolitik angeht, haben wir heute kein Pendant auf der Regierungsbank. Ich möchte nur darauf hinweisen, Herr Kollege Molterer, weil Sie mich so zweifelnd anschauen: Andere Länder der EU haben diese Frage anders gelöst. Der belgische Außenminister Michel, der ebenfalls Kommissar werden wird – im Übrigen ein alter Freund unserer Außenministerin aus der Sanktionen-Zeit (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) –, ist in dem Moment zurückgetreten, in dem er als Kommissar nominiert wurde, und Belgien hat einen anderen Außenminister bekommen.


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Zwei weitere Minister aus anderen Ländern – wenn ich mich richtig erinnere: Litauen und Slowenien – sind zurückgetreten in dem Moment, als klar war, dass sie ab 1. No­vember, jedenfalls demnächst, zu Kommissaren ernannt werden. Als Minister, als nationale Minister, sind sie zurückgetreten. Wir haben in der österreichischen Außen­politik in Wahrheit ein Vakuum, und zwar seit Wochen. (Beifall bei den Grünen.) Und dafür trägt die Bundesregierung und insbesondere natürlich Bundeskanzler Schüssel die Verantwortung. Wir erwarten jetzt umgehend die Berufung einer neuen Außen­ministerin/eines neuen Außenministers. (Abg. Dr. Stummvoll: Das werden wir schon noch machen! Das kommt schon noch!) Diese Sache, finde ich, verdient keinen Auf­schub, ja kann nicht mehr aufgeschoben werden. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Rückblick werde ich mich kurz halten, da ich mich weitestgehend dem anschlie­ßen kann, was Kollege Molterer über diese zehn hochinteressanten und wichtigen Jahre gesagt hat. Natürlich ist man in solchen Fällen versucht zu sagen, die Frau Staatssekretärin und spätere Ministerin Ferrero-Waldner war dabei, und wir schreiben ihr kausal sozusagen alles Positive zu, was in dieser Zeit passiert ist. So war es natür­lich nicht! Ich habe immer ein bisschen Hemmungen, mich an diesen Beweihräuche­rungen zu beteiligen. Bei allen unbestrittenen Verdiensten von Frau Ferrero-Waldner: Es war die Regierung Vranitzky/Schüssel, unter der der EU-Beitritt 1995 vollzogen wer­den konnte. Man könnte jetzt im Einzelnen durchgehen, wer aller für diese Entwicklung verantwortlich war.

Nichtsdestotrotz möchte ich zwei, drei Punkte erwähnen, die auch uns in guter Erin­nerung bleiben werden. Wir haben sehr gewürdigt, dass sich Frau Ferrero-Waldner immer massiv und energisch – wie es ihre Art ist – für die Erweiterung der EU ein­gesetzt hat. Ich nehme an, das wird auch in Zukunft so sein, was die Erweiterung der EU insbesondere im Südosten betrifft, also die noch ausstehenden Balkanländer.

Ich habe auch in Erinnerung, dass Frau Ferrero-Waldner als Außenministerin immer einen positiven, allgemeinen, umfassenden Sicherheitsbegriff verwendet hat, der sich nicht auf das Militärische beschränkt hat, sondern dass sie auf die Prävention im zivilen Bereich großen Wert legte, ungeachtet der Schwierigkeiten, das dann in der Praxis umzusetzen – siehe Tschetschenien und Darfur.

Da auch der Herr Finanzminister auf der Regierungsbank sitzt, möchte ich doch sagen: Frau Ferrero-Waldner, die Stafettenübergabe an Ihren Nachfolger/Ihre Nachfolgerin ist insofern nicht ganz einfach, als in dieser Zeit die Budgetmittel und das Personal unseres österreichischen Außenministeriums deutlich reduziert worden sind und 2005 weiter reduziert werden. In Europa sind wir gewohnt, Dinge zu vergleichen, daher: Wenn wir unser Außenministerium etwa mit dem schwedischen vergleichen, muss man feststellen, dass die Dinge traurig aussehen.

Frau Ministerin! Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Tätigkeit als Europäische Kom­missarin! Ich betone: Europäische Kommissarin, weil wir in Österreich oft das Gefühl haben, hier wird eine österreichische Politikerin als Gesandte, quasi Delegierte nach Brüssel entsandt. Das ist natürlich nicht wahr. Sie werden dort europäische Politik betreiben und nicht österreichische, aber ich hoffe sehr, dass Sie uns hin und wieder hier im Parlament, in den Ausschüssen – wo auch immer – besuchen werden und wir mit Ihnen „off the record“ oder „on the record“ europäische Fragen besprechen können.

Ihre Verantwortung wird groß sein, sehr groß, größer als die einer österreichischen Außenministerin, und das allein schon deshalb, weil eine Europäische Kommissarin einen ganz anderen Stellenwert in der Welt hat. Und es gibt eine ganze Reihe von gro­ßen Problemen: das Verhältnis zu Russland, die Tschetschenien-Krise, die Reaktionen auf die Nicht-Reaktion des Sudan in der Darfur-Krise – der Sudan hat nicht reagiert auf das Quasi-Ultimatum der Vereinten Nationen. Was nun? – Es wird zu Ihren ersten


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Aufgaben gehören, hiezu Stellung zu beziehen. Weiters: Das komplizierte – ich sage es ohnehin ganz nüchtern – Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, und: Was kann die Union im israelisch-palästinensischen Konflikt tun?, und, und, und.

Das sind riesige Aufgaben. Sie sind bisher, glaube ich – wenn ich mir diese persön­liche Anmerkung gestatten darf –, mit Ihren Aufgaben gewachsen, und insofern bin ich sehr optimistisch, dass Sie sich auch diesen Aufgaben mit Verve und Erfolg widmen werden.

Aber zu einem Punkt möchte ich noch etwas ausführlicher Stellung nehmen – soweit es die Zeit gestattet. Frau Ministerin, Sie haben gesagt, Sie erwarten mit größtem Inter­esse, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, den Bericht des Erweiterungskom­missars Verheugen zur Frage der Verhandlungsaufnahme mit der Türkei. – Natürlich, diesen Bericht erwarten wir alle mit größtem Interesse, aber Sie werden in absehbarer Zeit etwas mehr sagen müssen, als dass Sie „Interesse“ an diesem Bericht haben.

Wir, die Grünen, werden diese Frage einmal mehr am kommenden Samstag in unse­ren Parteigremien besprechen; deswegen möchte ich mich jetzt nicht allzu weit hinaus­lehnen. Meine persönliche Position dazu sage ich Ihnen aber ganz offen: Seit 40 Jah­ren wird diese Frage diskutiert. Seit 40 Jahren sendet die Union Signale aus, dass die Türkei nicht nur als ein befreundetes Land, sondern als Beitrittskandidat willkommen ist. Walter Hallstein, CDU, Präsident der EWG-Kommission 1963, hat sich damals ganz deutlich und unzweideutig für die Türkei als vollberechtigtes Mitglied „eines Tages“ ausgesprochen.

Inzwischen sind 40 Jahre vergangen. Wenn heute die Frage anstünde: Soll/kann die Türkei als Mitglied aufgenommen werden?, müsste man natürlich sagen: Nein! Die Türkei hat die üblichen Bedingungen nicht erfüllt, und die Union hat im Moment andere Sorgen: die Erweiterung von 15 auf 25, Bulgarien, Rumänien, Kroatien, der Rest der Balkanländer; die nächste Budgetperiode, die ja 2007 beginnt und 2012 zu Ende sein wird. – All das würde es unmöglich machen, diese Brücke heute zu überschreiten. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Wir müssen diese Brücke aber heute nicht überschreiten. Heute geht es um eine ganz andere Frage, nämlich ob im Dezember durch den Rat beschlossen wird, Verhand­lungen mit der Türkei aufzunehmen – Verhandlungen, die, wie jeder, mit dem man redet, sagt, mit Sicherheit ein Jahrzehnt dauern werden, und das halte ich auch für realistisch, allein schon angesichts der Budgetperiode der EU, von der wir hier reden.

Und der Rat hat sich bisher schon in unzweideutiger Weise festgelegt. 1999 – ein SPÖ-Politiker war Bundeskanzler – hieß es beim Rat in Helsinki wörtlich:

„Die Türkei ist ein beitrittswilliges Land, das auf Grundlage derselben Kriterien, die auch für die übrigen beitrittswilligen Länder gelten, Mitglied der Union werden soll.“

Das ist offizielle Position des Rates! – Hier steht ein bisschen viel auf dem Spiel, näm­lich die gesamte Glaubwürdigkeit der Union beitrittswilligen Ländern gegenüber.

Jetzt weiß ich schon, es gibt Pro und Kontra in dieser Frage. Es ist gar nicht so ein­fach, unter dem Strich dann eine Antwort zu geben, eine Bilanz zu ziehen. Der Rat hat diese Bilanz aber de facto schon gezogen mit seinen Stellungnahmen im Dezem­ber 1999 und vor zwei Jahren in Kopenhagen. Ich würde also sehr davor warnen, hier leichtfertig andere Positionen als damals zu beziehen. Und vor allem lege ich größten Wert darauf, dass die Türkei gleich behandelt wird wie andere, frühere Beitrittskandida­ten auch. (Beifall bei den Grünen.)

Es kann doch keine Rede davon sein, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme von Verhand­lungen die betreffenden Länder alle Kriterien erfüllt hätten – nona, sonst hätte es ja


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keine Verhandlungen mehr gebraucht. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen.) Österreich hat diese Kriterien nicht erfüllt, Irland sicher nicht, Polen nicht. Aber im Laufe der Zeit haben diese Länder sie erfüllt!

Also wenn jemand ein bisschen Nachhilfeunterricht ... – nein, so würde ich es nicht sagen. – Die Kontra-Argumente stehen ja heute und standen auch in den letzten Wochen im Raum; sie wurden vom Kollegen Cap und auch von anderen zum Ausdruck gebracht. Und was die Pro-Argumente betrifft, so möchte ich dazu nur noch einen Satz sagen, Frau Präsidentin: Albert Rohan, Ex-Generalsekretär des Außenministeriums, hat einen Bericht über die Türkei als Beitrittskandidaten verfasst. (Der Redner hält ein Buch mit dem Titel „Die Türkei in Europa“ in die Höhe.) Dieser ist lesenswert, enthält im Wesentlichen die Pro-Argumente. „The Economist“ (Abg. Dr. Cap: Wer finanziert das?) ist in seiner Aussage ebenfalls eindeutig: „Why Europe must say yes to Turkey“. (Abg. Dr. Cap: Das sind die Briten, die das finanzieren!)

Man muss sich dem nicht anschließen, aber studieren und ernst nehmen muss man diese Argumente schon. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.02

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. Auch für Sie, Herr Abgeordneter, beträgt die Redezeit 10 Minu­ten. – Bitte.

 


12.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung, vor allem: Frau Außenministerin! Ich werde jetzt keinen Nachruf auf Ihre sehr erfolgreiche Tätigkeit in den letzten beinahe zehn Jahren machen, denn es ist zwar wichtig gewesen, in dieser Etappe für Österreich gute Arbeit zu leisten, aber es wird jetzt noch mehr an Verantwortung auf Sie zukommen, stehen doch Europa und die Europäische Union aus meiner Sicht wirklich an einem Scheide­weg: Kann man endlich die Vision eines geeinten, eine friedlichen, eines gemeinsamen Europas verwirklichen und die Realität der Europäischen Union, wie sie sich derzeit darstellt, an diese Vision heranführen?

Diese Frage stellt sich in den verschiedensten Bereichen – und wir haben das auch hier schon oft diskutiert –, etwa was die Bürgernähe anlangt: Wir wissen alle, nach Wahlen zum Europaparlament sind alle immer sehr, sehr besorgt über derart geringe Wahlbeteiligungen, wie sie europaweit verzeichnet wurden. Es gibt immer wieder Umfragen, die zeigen, wie wenig sich die Europäer mit diesem gemeinsamen Europa identifizieren. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Diskussion über Missbrauch von Subventionen, überbordende Bürokratie und über die Problematik, dass die Büro­kratie, dass die Verwaltung, dass die Diplomatie in den Vordergrund gestellt wird und weniger die Rechte, die Wünsche, die Sorgen, die Ängste auch der Bevölkerung im Vordergrund gesehen werden.

Es gibt viele große Projekte dieser Europäischen Union, bei denen man sich die Frage stellt: Hat man das professionell nach diesen Grundsätzen umgesetzt? – Die Euro­päische Union muss jetzt die größte Erweiterungsrunde ihrer Geschichte verkraften. Sie wissen, dass wir, auch meine Fraktion, zumindest was den Beitritt einzelner Staa­ten anlangt, Kritik geübt haben, weil wir der Meinung sind – Stichwort etwa Beneš-Dek­rete oder auch die Frage der Kernenergie –, dass hier nicht alle Grundsätze der Euro­päischen Union auf alle angewendet worden sind, und darauf warten, dass man zumin­dest jetzt, wo dieser Beitritt, diese Erweiterungsrunde – zumindest formal – umgesetzt wurde, darauf dringt, dass diese Grundsätze zumindest jetzt, nachträglich, eingehalten beziehungsweise umgesetzt werden.


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Meine Damen und Herren! Es ist wichtig, auch zu signalisieren, dass Europa, dieses gemeinsame Europa mehr ist als selbst diese erweiterte Union. Und so, wie man bei den baltischen Staaten richtige Weichenstellungen damit gesetzt hat, erstmals auch Staaten der ehemaligen Sowjetunion in diese europäische Familie aufzunehmen, wird es auch wichtig sein, Signale in Richtung Balkan – Stichwort Kroatien – zu setzen.

Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund ist es für mich wenig verständlich – und die Beschäftigung mit dieser Frage wird auch eine Aufgabe der neuen Kommission sein –, dass man jetzt Überlegungen über die übernächste Erweiterungsrunde – Stich­wort Türkei – anstellt.

Herr Kollege Van der Bellen, Sie haben gesagt, jetzt, wo man so viele Jahre und Jahr­zehnte der Türkei gesagt hat, ihr seid Beitrittskandidat beziehungsweise ihr könnt das werden, ist es unehrlich, gegen Beitrittsverhandlungen zu sein. – Ich habe schon das als falsch und unehrlich empfunden, Herr Kollege Van der Bellen, dass man in diesen Jahren und Jahrzehnten, aus welchen Gründen auch immer, der Türkei Dinge sozu­sagen wie eine Karotte vor die Nase gehalten hat, von denen man selbst nicht über­zeugt war, dass sie umsetzbar sind, und ich halte es ebenso für falsch, jetzt zu sagen: Jetzt haben wir so lange die Unehrlichkeit gepredigt, und jetzt müssen wir noch einmal unehrlich sein und fangen mit diesen Verhandlungen an, obwohl wir ohnedies nicht davon ausgehen, dass das in Erfolg versprechender Weise umgesetzt werden kann.

Herr Kollege Van der Bellen! Meine Damen und Herren! Ich würde sagen: Seien wir doch endlich einmal auch ehrlich! Die Türkei ist ein wichtiges Land, sie ist strategisch ein wichtiges Land, sie ist ein wichtiges Partnerland für Europa, wirtschaftlich, gesell­schaftlich, keine Frage. Aber wir müssen auch signalisieren, dass es selbst dann, wenn wir ein Land als wichtigen Partner anerkennen, andere Wege geben kann und manch­mal geben muss, diese Partnerschaft weiterzuentwickeln und zu pflegen, als die Voll­mitgliedschaft in der Europäischen Union – die wir als Wertegemeinschaft sehen, so­dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht alle Länder der Welt, auch wenn sie geographisch an diesem Europa teilhaben, dieser Wertegemeinschaft auch angehören können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was diese Frage betrifft, so sind wir sehr gespannt, und ich glaube, dass man sich hiezu auch klar zu Wort melden muss – auch als österreichische Bundesregierung und auch als österreichisches Parlament.

Wenn wir hier über die Fragen der Strategien sprechen, dann führt uns dies auch sehr rasch zur Frage der Sicherheitspolitik, denn auch diese ist eine der Kernaufgaben der Europäischen Union. Auch hier sehen wir nach wie vor sehr große Defizite, wenn es um Dinge geht, die auf dem Papier längst bestehen: eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Frau Außenministerin! Ich glaube, es ist auch eine Auszeichnung für Sie und für Öster­reich – allen Unkenrufen, auch aus Österreich, zum Trotz –, dass man dieses wichtige Amt und damit die Möglichkeit, die Außenpolitik der Europäischen Union in Zukunft ge­stalten zu können, in Ihre Hände gegeben hat. Aber es ist auch eine große Verantwor­tung – eine große Verantwortung in einer Zeit, wo in diesem Bereich sehr, sehr vieles schief läuft. Wir brauchen uns nur die Krisenherde der Welt anzusehen: Afghanistan, Irak, Naher Osten, nach wie vor auch – obwohl die Europäische Union dort sehr Posi­tives geleistet hat – der Balkan, der Sudan – dieser ist heute schon angesprochen wor­den. All das sind offene Fragen, wo sich Europa vielleicht zu Wort gemeldet, aber noch zu wenig aktiv auch als Spieler in dieser Runde zur Krisenbewältigung, aber auch zur Krisenprävention engagiert hat.

Wenn wir Afghanistan betrachten, dann kann man sagen: Warum haben wir da ein Interesse? – Gerade an Afghanistan aber hat man viele der Problematiken gesehen:


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Über viele Jahre war das öffentliche Interesse hier kaum vorhanden. Nur als die Tali­ban die Buddha-Statuen beschossen, gab es eine mediale Aufmerksamkeit – aber nicht, als es darum gegangen ist, Menschenrechtsverletzungen übelster Art anzupran­gern. Erst nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 kam es zu einer Militär­aktion, und das Terrorregime der Taliban wurde abgesetzt. Aber die Frage ist: Was kam danach?

Wir haben ein Interesse daran, dass auch dort, wie in anderen Krisenregionen, stabile Verhältnisse aufgebaut werden, dass der Gesellschaft, den Menschen in diesen Län­dern eine Zukunft in der demokratischen Staatengemeinschaft aufgezeigt wird, dass man sie herausreißt aus der Spirale von Drogenbossen und „War-Lords“.

Sie wissen, meine Damen und Herren, dass gerade meine Fraktion sehr dafür ist, dass wir unsere Grenzen absichern gegen illegale Einwanderung, aber auch absichern gegen Drogentransfer. Wir können jedoch diese Grenzen nicht so dicht machen, dass diese Probleme nicht zu uns kommen, wenn es nicht gelingt, diese Probleme an den Wurzeln anzupacken – und diese liegen eben nicht nur in Afghanistan, sondern auch im Irak, im Nahen Osten oder im Sudan beispielsweise.

Da, meine Damen und Herren, ist auch die UNO gefragt. Sicherheitsresolutionen alleine, in denen alles Mögliche „begrüßt“ wird und man „Sorgen zum Ausdruck bringt“, aber nicht wirklich gehandelt wird, helfen nicht, wenn eben keine Sanktionen ergriffen oder Maßnahmen gesetzt werden, um dem Morden, um Vergewaltigungen, um Men­schenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten. Solange es keine Sanktionen hiefür gibt, so lange wird die internationale Staatengemeinschaft unglaubwürdig bleiben. Und solange die Europäische Union das billigt, zusieht und keine aktiven Maßnahmen setzt, wird auch die Idee einer Friedensunion, die nicht nur Frieden nach innen garantieren, sondern Frieden auch nach außen bringen soll, Makulatur bleiben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass Österreich dabei eine sehr wichtige, eine sehr aktive Rolle spielen kann. Und: Man muss eben manchmal auch Mut haben, ge­gen diplomatische Regeln zu verstoßen, nicht nur nach Punkten und Beistrichen zu su­chen, sondern tatsächliche mutige Ansätze zu machen, so, wie dies etwa der damalige Außenminister Mock während der Balkan-Krise gemacht hat, und zwar gegen den Standpunkt des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky, der die Ansicht vertreten hat: Jugoslawien ist unser Ansprechpartner! – Alois Mock hingegen hat gesagt: Nein, dort, wo um Frieden gerungen wird, um Freiheit, um Selbstbestimmung, dort muss unsere Position sein, dort müssen wir von österreichischer Seite Unterstützung gewähren!

Das sollte auch die Prämisse unserer Außenpolitik der Zukunft sein – und das muss auch die Prämisse der Außenpolitik der Europäischen Union sein. Und das – davon sind wir überzeugt – werden Sie, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner, sicherlich in Europa vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.12

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.13

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundes­regierung, im Besonderen Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte am Anfang deutlich machen, dass ich nicht anstehe anzuerkennen, dass Sie, Frau Bundesministerin, in den neuneinhalb Jahren, die Sie jetzt der Regierung angehört haben – erst als Staatssekretärin, dann als Minis­terin –, immer Ihr Bestes zu geben versucht haben. Das kann man Ihnen nicht abspre­chen, und auch ich spreche es Ihnen nicht ab.


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Freilich hätte ich mir gewünscht, dass Sie in Ihrer Rede vielleicht eines noch mit hätten anklingen lassen können. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die Tatsache hätten mit erwähnen müssen, dass eine der Regierungen, denen Sie angehört haben, auch mit Sozialdemokraten besetzt war. Das ist nicht der Punkt. Aber ich hätte mir gedacht, dass ein Teil der Erfolge, die Sie erzielt haben, schon auch darauf zurückzuführen ist, dass Sie einem Haus vorstehen, in dem die Beamtinnen und Beamten des Außen­ministeriums Sie auch außerordentlich engagiert unterstützt haben. Und auch denen ist bei dieser Gelegenheit Dank und Anerkennung auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ, den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ich möchte mich mit einem Aspekt Ihres jetzigen Wechsels und insoweit mit der Schnittstelle, an der wir uns heute und hier befinden, beschäftigen: Ich bin sehr froh, dass es jetzt eine Kommis­sarin geben wird, die für Nachbarschaftspolitik zuständig ist, weil ich denke, dass die Europäische Union in dieser Hinsicht, auf dieser Ebene in den vergangenen Jahrzehn­ten durchaus nachlässig gewesen ist. Die Europäische Union hat sich seit geraumer Zeit darauf verlassen, dass es reicht, ein nachbarschaftspolitisches Konzept zu verfol­gen, das darin besteht, dass die jeweils um die Europäische Union herum liegenden Staaten auch irgendwann einmal beitreten wollen. Und natürlich hat das eine Dynamik freundlicher, konstruktiver und auf wechselseitigen Interessenausgleich bezogener Aktivitäten mit sich gebracht – aber es reicht nicht, und es reicht insbesondere heute nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Das Problem, das ich ansprechen möchte, ist die folgende Tatsache – und das werfe ich jetzt nicht Ihnen alleine vor –: Sie haben natürlich als Außenministerin auch dem Europäischen Rat angehört, und der Europäische Rat ist jenes Gremium in der Euro­päischen Union und wird es auch künftig sein, das die Grundlinien der Politik, auch etwa der Frage der Außenpolitik oder der Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union, zu entwickeln und zu bestimmen hat. Und eine Grundlinie in der Frage des Um­gangs mit jenen Nachbarn, die nicht Mitglied werden können, nicht Mitglied werden wollen oder auch nicht Mitglied werden sollen, fehlt derzeit gänzlich.

Ich denke aber, dass es gerade danach, Frau Bundesministerin, einen dringenden Be­darf gibt, weil sich die Frage stellt: Was wollen wir denjenigen, die nicht beitreten wer­den – aus welchem Grund immer –, anbieten? Das ist eine Frage, die sich sowohl auf die Staaten südlich des Mittelmeeres bezieht als auch vielleicht auf Staaten östlich der heutigen Union. Das wird ein Problem sein, das Sie als Außen- und Nachbarschafts­kommissarin haben werden, weil es bis jetzt nicht gelöst worden ist.

Ich halte das deswegen für eine so dramatische Frage, weil wir an einem Wendepunkt der Europäischen Union stehen. Wir haben am 1. Mai zehn neue Mitglieder aufgenom­men. Das war gut und richtig, und ich bekenne mich voll dazu, dass die Europäische Union Verantwortung auch für die Entwicklung auf dem Balkan und insoweit auch für jene Staaten hat, die noch nicht unmittelbar vor der Tür stehen. Darum kommen wir nicht herum. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auch Verant­wortung dafür, dass diese Europäische Union das wird, was ihre Bürgerinnen und Bürger von ihr erwarten. Das ist eine Frage, die davon abhängt, ob es gelingt, die Europäische Union auch leistungsfähig zu zeigen etwa bei der Gewährleistung von wirtschaftlich aufstrebender Entwicklung, von Arbeit und Beschäftigung, von der man leben kann, von einem Mindestmaß an sozialer Absicherung, und letztendlich natürlich auch von der Frage, ob es möglich ist, zu einer gemeinsamen europäischen Außen­politik zu kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Dynamik der ständigen Erweiterung statt Nachbarschaftspolitik bringt uns in eine Situation, in der nicht mehr gewährleistet ist, ob diese Europäische Union die Ziele, an denen die Menschen insbesondere


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hängen, auch wirklich zu erreichen vermag. Insoweit sind Sie als Kommissarin künftig auch das Opfer einer Unterlassung der Europäischen Räte der vergangenen Jahre. Diesbezüglich haben alle, die dringesessen sind, auch Fehler zu verantworten.

Ich wünsche Ihnen, Frau Bundesministerin, für die Arbeit, die hier auf Sie zukommt, alles Gute. Wir werden diesbezüglich sehr konkrete Vorschläge brauchen, und ich denke, daran wird unter anderem auch das Wohl der EU insgesamt hängen, weil wir die Union so entwickeln müssen, dass die Menschen zu ihr ja sagen können. Ich habe ein paar Punkte dazu angedeutet. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

12.18

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Hakl zu Wort. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


12.18

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Benita! Hohes Haus! Es ist ein lachendes und ein weinendes Auge, das wir heute haben, denn unsere erste weibliche Außenministerin in Österreich wird uns in Richtung Europäische Kommission verlassen. Wir lachen, denn sie wird unsere erste weibliche österrei­chische Kommissarin in einem der wichtigsten Ressorts, sie wird unsere erste Euro­päische Außenministerin! Diese hohe Auszeichnung, liebe Benita – nicht nur für deine Arbeit, sondern im Besonderen auch für ganz Österreich –, wird auch im Ausland erkannt. So schreibt zum Beispiel die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass die große „Auszeichnung“ wohl nur von „Kleingeistern“ nicht verstanden wurde, wenn sie im Hauptausschuss die Zustimmung zu deiner Nominierung nicht gegeben haben. Aber ganz Europa hat verstanden, wie wichtig das auch für Österreich ist. Und dafür danken wir dir und auch dem Kommissionspräsidenten ganz herzlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Benita! In den letzten Jahren hast du mit Kompetenz, mit Augenmaß, mit Profes­sionalität, immer freundlich im Ton und hart in der Sache, den erfolgreichen Weg der ÖVP-Außenpolitik nach „Mr. Europa“ Alois Mock und nach Wolfgang Schüssel fortge­setzt. Du hast in den zehn Jahren deiner Tätigkeit aber ganz besondere eigene Ak­zente gesetzt.

Was ist uns da ganz besonders in Erinnerung? (Abg. Dr. Matznetter: Genua!) Und woran erinnern wir uns besonders gerne, weil es auch eine Ahnung davon gibt, wie du in Zukunft deine Arbeit gestalten wirst? (Abg. Dr. Pilz: Genua!)

Als Allererstes ist für uns alle natürlich unvergessen, wie du im Jahr 2000 mit schier unermüdlichem Einsatz gegen die ungerechten Sanktionen gegen Österreich gekämpft und letztlich deren Aufhebung erwirkt hast – ein Erfolg nicht nur für Österreich, son­dern, wie ich glaube, ein noch viel größerer für ganz Europa, weil damit eine Spaltung Europas verhindert wurde. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Du, Frau Minister, warst die Erste, die einen besonderen Schwerpunkt in der Entwick­lungspolitik gesetzt hat (Abg. Parnigoni: Diese Rede gehört am Parteitag der ÖVP gehalten! Da ist sie fehl am Platz!), in der Entwicklungspolitik, für die erstmals seit Jahrzehnten stark steigende Mittel zur Verfügung stehen, um den ärmsten Menschen der Welt zu helfen. Du hast dort vor allem auch die Strukturen professionalisiert, damit den NGOs und unseren Partnerländern, vor allem im Süden Afrikas, dort, wo die Men­schen nach wie vor hungern, wo sie ohne Wasser und in Armut und Krieg leben, eine größere Verlässlichkeit und auch schnelleres Handeln geboten werden kann. Sechs


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Millionen Menschen in den ärmsten Ländern der Welt – fast so viele, wie in Österreich leben – können sich dank dir, Benita, auf Österreich verlassen!

Du warst auch die Erste in Österreich, die im schrecklichen Konflikt in Darfur geholfen hat – und wer schnell hilft, hilft doppelt!

Du warst aber vor allem auch die Erste, die im Jahr 2000 als OSZE-Vorsitzende enga­giert, hoch professionell und kompetent einen besonderen Schwerpunkt auf die brand­gefährlichen Krisenherde in Südosteuropa, im Kaukasus und in Zentralasien gelegt hat. Genau das, was in der europäischen Politik vielleicht noch ein bisschen vermisst wird, hast du im Jahr 2000 während deines OSZE-Vorsitzes vorweggenommen. Viele haben die Wichtigkeit dieses Schwerpunktes erst nach dem 11. September 2001 so richtig verstanden.

Du warst auch die Erste, die im Rahmen der regionalen Partnerschaften eine beson­dere Zusammenarbeit und besondere Beziehungen zu den neuen EU-Mitgliedsländern aufgebaut hat. Und du wirst nun im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik diese besonderen Beziehungen auch zu den nunmehrigen Nachbarn der EU aufbauen.

So wie du dich in der Entwicklungspolitik für die Schwachen und die Ärmsten einge­setzt hast, wirst du, dessen bin ich sicher, ein besonderes Augenmerk auch und ge­rade auf die kleinen Länder in und außerhalb Europas richten.

Besonders sensibel ist die Frage des EU-Beitritts der Türkei. Wie sensibel sie ist, dafür braucht keiner von uns irgendwelche Umfragen zu lesen, wir brauchen nur auf die Straße zu gehen und mit den Menschen zu sprechen. Herr Dr. Van der Bellen! Ich möchte daran erinnern, dass es zu jenem Zeitpunkt, als der Türkei die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erstmals in Aussicht gestellt wurde, die EU in der heutigen Form noch gar nicht gab. Damals gab es noch die EWG, eine reine Zoll- und Wirtschafts­union – und die Türkei, die sich sicherlich sehr schnell und sehr positiv verändert hat, steht einer ebenso geänderten, vielleicht noch schneller veränderten Europäischen Union gegenüber. (Abg. Scheibner: Redezeit!)

Mit der Unterstützung von unserer Dr. Benita Ferrero-Waldner wird Europa sicherlich Wege zur Vertiefung der besonderen Partnerschaft mit der Türkei finden, ohne dass eine der beiden Seiten unzufrieden ist und ohne dass die Menschen da oder dort über­fordert werden. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Abschließend, liebe Benita: Herzlichen Dank und viel Glück und Erfolg für deine Zu­kunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.24

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Lunacek zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.24

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Ple­num! Frau Ministerin, auch ich möchte Ihnen zuerst herzlichen Dank für Ihr Bemühen in diesen letzten neun Jahren – von denen ich fünf Jahre als Abgeordnete erlebt habe – und für Ihren Einsatz für die Außenpolitik sowie für die Entwicklungspolitik dan­ken, auch wenn dieser Einsatz leider – und sicher auch für Sie – nicht immer zu den Erfolgen geführt hat, die Sie sich beziehungsweise auch ich mir gewünscht hätte.

Mein Kollege Van der Bellen hat zuvor schon einige der Punkte hervorgehoben: Kon­fliktprävention ist Ihnen ein Anliegen, auch die Entwicklungszusammenarbeit ist Ihnen ein Anliegen, ebenso der Umstand, dass, wie Sie selbst erwähnt haben, jetzt sehr viele – nämlich zu 25 Prozent – Frauen zu Botschafterinnen ernannt wurden. Das sind


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sicherlich Fortschritte. Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass es das zum Beispiel auch bei den Besetzungen der Sektionen gegeben hätte und wir jetzt im Außenminis­terium zumindest eine Frau in der Position der Sektionschefin hätten – und nicht keine. Aber gut!

Frau Ministerin, Sie haben von Ihrer Vergangenheit in diesen letzten neun Jahren ge­sprochen und einen Ausblick auf Ihre Arbeit als zukünftige Kommissarin gegeben. Was mir dabei gefehlt hat, ist der Ausblick auf die österreichische Außenpolitik, und da richte ich meine Worte vorrangig an Herrn Bundeskanzler Schüssel.

Herr Bundeskanzler! Spätestens mit dieser heutigen – wie sie das ja auch selbst bezeichnet hat – Abschiedsrede der Frau Ministerin haben wir ein außenpolitisches Vakuum, und dafür sind Sie verantwortlich! Eine Ministerin, die eigentlich schon Kom­missarin ist, kann die wichtigen Fragen, die jetzt anstehen, nicht erledigen. Das ist ganz klar. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Beispiel wird die jetzt anstehenden Budgetverhandlungen, Herr Bundeskanzler, wohl nicht mehr die Frau Außenministerin führen. Führen Sie sie selbst oder über­lassen Sie das alles dem jetzt leider nicht mehr anwesenden Finanzminister? (Abg. Mag. Molterer: Die sind schon abgeschlossen!)

Wie sieht die Vorbereitung der EU-Präsidentschaft aus? Ist dafür tatsächlich eine per­sonelle Verstärkung vorgesehen? – Nein! Im nächsten Jahr müssen im Außenamt noch 150 Posten abgebaut werden! Und dann stockt man vielleicht wieder um ein paar für die Präsidentschaft auf? Das kann nicht Ihr Ernst sein – als eine Regierung, die sich so europafreundlich gibt!

Ein Zweites: Monterrey – die Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Frau Ministerin! Sie haben in Ihrer Rede dazu, nämlich zum Budget, kein Wort ver­loren. Es war doch Konsens in Monterrey, diese Mittel bis 2006 auf 0,33 Prozent des BNE zu erhöhen. Ich bin neugierig, ob das jetzt im Budget so steht. Davon haben Sie kein Wort erwähnt. (Abg. Dr. Khol: Sie darf ja nichts sagen zum Budget!) Steht es also nicht drinnen? Das ist jedenfalls zu befürchten.

Die frühere niederländische Entwicklungsministerin Herfkens, die jetzt als Sonderbe­auftragte des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan für dieses Thema zuständig ist, hat mir letzte Woche gesagt: Österreich bietet hier ein düsteres Bild! – Dieses haben Sie nicht widerlegt. Frau Ministerin! Herr Bundeskanzler! Hier herrscht ein Vakuum!

Was den Beginn der Beitrittsverhandlungen der Türkei angeht: Auch ich vertrete hier, um es kurz zu machen, die Position, die mein Klubobmann Van der Bellen vorgetragen hat, aber: Wer bereitet denn die Bevölkerung in Österreich auf diesen Beitritt vor? Warum gibt es nicht schon längst eine Informationskampagne über Pro und Kontra, damit in der Bevölkerung nicht die Ängste vorrangig sind, sondern wirklich darüber diskutiert wird? So etwas findet nicht statt!

Noch ein paar weitere inhaltliche Punkte. Wie wird denn in Zukunft die Politik in Bezug auf den Sudan, auf Russland aussehen? Gibt es klare Worte zu dem, was Präsident Putin zurzeit macht? In der Vergangenheit habe ich das vermisst! Es war immer eher ein Weg der Mitte, so wie schon beim Irak-Konflikt, diese Vorgangsweise gegenüber den Medien, gegenüber Tschetschenien zu verurteilen. Wer wird das in Zukunft machen, Herr Bundeskanzler?

Die Außenpolitik ist so etwas wie der Scheinwerfer eines Landes im Ausland. Derzeit kommt mir vor, Sie haben diesen Scheinwerfer ausgeschaltet, wie in einer außenpoli­tischen Geisterfahrt. Das ist gefährlich, Herr Bundeskanzler! Geisterfahrten sind ge­fährlich, nicht nur auf der Autobahn, sondern auch in der Außenpolitik, denn Sie haben noch keine Nachfolge benannt, es ist aber bereits höchste Zeit.


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Andere Regierungen haben das sehr wohl gemacht. Andere Minister und Ministerinnen sind zurückgetreten, sobald sie nominiert wurden. Wir haben niemanden, wir wissen noch nicht einmal, wer es sein wird. Die Ministerin hält ihre Abschiedsrede, der Bundeskanzler aber sagt bisher gar nichts darüber, wer die Nachfolge antreten wird. Machen Sie es selbst? Wer wird eine aktive Außenpolitik vorantreiben?

Das Gewicht Österreichs in der EU hat schon in den letzten Jahren gelitten, vorrangig durch die Beteiligung der Freiheitlichen. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.) Ein rasches Handeln wäre notwendig gewesen! Aber das haben Sie, Herr Bundeskanzler, leider nicht gemacht.

Zeigen Sie jetzt, dass Sie hier einen anderen Weg gehen! Ich fordere Sie auf, das Außenamt sofort neu zu besetzen, um dieser außenpolitischen Geisterfahrt ein Ende zu setzen, damit sowohl was das Budget betrifft als auch was die Rolle Österreichs in der EU und im gesamten außenpolitischen Rahmen betrifft endlich wieder Außenpolitik gemacht werden kann und nicht halbe/halbe zwischen Kommission und Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

12.30

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch zu Wort. Seine Redezeit beträgt ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


12.30

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Frau Außenministerin, Sie können auf zehn Jahre politische Tätigkeit in der Bundesregierung zurückblicken. In diese zehn Jahre fallen in der Tat wesentliche Ereignisse und wesentliche Schritte für unsere Re­publik. Einige Jahre davon konnten wir Freiheitliche als Ihre Partner sehr eng mit Ihnen zusammenarbeiten und diese Schritte auch wesentlich mitgestalten. Ich glaube, dass diese Zusammenarbeit gut funktioniert hat. Ich danke Ihnen dafür, dass wir das tun konnten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der letzte wesentliche Schritt war die Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedsländer. Und diese Erweiterung haben wir Freiheitliche auch mitgetra­gen – im Sinne der gemeinsamen Verantwortung für die Entwicklung der Europäischen Union hin zu einer guten Zukunft.

Sie, Frau Außenministerin, werden in Ihrer Funktion als Kommissarin auch ganz neue Herausforderungen zu bewältigen haben. Sie werden vor allem die Außenbeziehungen der Union neu gestalten müssen. Herr Kollege Einem hat das richtig angeschnitten: Wenn man die Außenbeziehungen, die Nachbarschaftspolitik konzipieren will, dann muss man definieren können, wer ein Nachbar ist und wer nicht, wer also Mitglied der Europäischen Union werden soll und werden wird.

Deshalb wird die Europäische Union in der Zeit, in der Sie Mitglied der Kommission sein werden, eine sehr entscheidende Frage beantworten müssen, nämlich: Wo sind die Grenzen der Europäischen Union? Es ist dies eine Frage, um deren Beantwortung sich die europäischen Ebenen in den letzten Jahren immer herumgeschwindelt haben. Aber jetzt wird diese Frage zu beantworten sein. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Dr. Spindelegger.)

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, geht es auch um die möglichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und deren möglichen Beitritt. Und gerade deswegen ist das ein sehr wichtiges Thema. Man kann daher nicht sagen, das sei der­zeit nicht wichtig, das sei eine Debatte, die sich Ende des Jahres abspielen wird, dar­über werden wir später einmal reden, wenn die Beschlüsse zu fassen sind und wenn die Berichte auf dem Tisch liegen. – Nein, meine Damen und Herren, diese Debatte ist


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jetzt zu führen, denn die Beschlüsse über diesen Beitritt beziehungsweise über die Verhandlungen darüber stehen vor der Tür! Und wir haben hier Position zu beziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: ... Haider-Position oder die andere?)

Herr Kollege Van der Bellen und auch Frau Kollegin Hakl haben es richtigerweise erwähnt (Rufe bei der SPÖ: Welche Position haben Sie?): Als vor 40 Jahren damit begonnen wurde, der Türkei Avancen in Bezug auf eine Beitrittsoption zu machen, war die Lage eine ganz andere. Wir hatten es mit der Europäischen Wirtschaftsgemein­schaft zu tun, die ausschließlich ökonomische Ziele verfolgt hat.

Diese 40 Jahre sind auch ein ganz deutlicher Beweis dafür, dass die Europäische Union und alle jene, die diese Voraussagen gemacht haben, eigentlich in ihrem tiefsten Inneren wussten, dass die Türkei kein europäischer Staat ist, und dass alle jene Vor­aussagen und alle jene Versprechungen, die man der Türkei gegenüber gemacht hat, eigentlich nicht ernst gemeint waren.

Deshalb hat es auch 40 Jahre gedauert. Deshalb hat man auch in diesen 40 Jahren nie den Mut gehabt, zu sagen, dass sich die Lage erheblich geändert hat, dass wir heute nicht mehr nur eine Wirtschaftsgemeinschaft sind, sondern eine politische Schicksalsgemeinschaft, die eine ganz klare Zukunftsvorstellung hat – auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Und deshalb sind hier neue Maßstäbe anzulegen! (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir müssen auch den Mut haben, die Türkei selbst zu betrachten, und endlich erkennen, dass es in der Türkei selbst nur eine ganz kleine intellektuelle Schicht ist, die den Beitritt zur Europäischen Union betreibt, und dass die Masse der Bevölkerung, aber auch die Masse der politisch Aktiven diese Geisteshal­tung nicht mitträgt. (Abg. Eder: Was wollen Sie?) Wir haben das ja in den letzten Tagen mit dieser Strafrechtsreform der türkischen Republik erlebt. Es hat das türkische Parlament eine Verhaltensweise an den Tag gelegt, die dazu geführt hat, dass Erweiterungskommissar Verheugen, der immer für den Beitritt der Türkei eingetreten ist, halt gerufen und gesagt hat: Wir müssen jetzt neu überprüfen, ob die Verhältnisse von heute noch so zutreffend sind wie vor 40, vor 20, vor zehn Jahren!

Meine Damen und Herren! Der Beitritt der Türkei ist ein essentieller Punkt in der Ent­wicklung der Europäischen Union. Die Europäische Union muss sich auf die Vertie­fung, die Arrondierung des europäischen Gebietes vor allem im Balkanraum – die Staaten sind genannt worden – konzentrieren und endlich klarmachen, dass es weitere Erweiterungsschritte nicht geben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

12.35

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt der Herr Bundes­kanzler zu Wort. Herr Bundeskanzler, vereinbarungsgemäß ist die Redezeit für Sie auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


12.36

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich erkläre mich mit dieser Zeitbeschrän­kung natürlich einverstanden, weil auch der Vizekanzler noch zu Wort kommen soll.

Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht einige sachliche Aufklärungen, auch und vor allem in Richtung Professor Van der Bellen, bringen.

Erstens: Das Budget des Außenministeriums ist in der Zeit Benita Ferrero-Waldners nicht gesunken, sondern gestiegen. (Abg. Mag. Lunacek: Prozentuell!) Sie ist im Jahr 1994 mit einem Budget von 270 Millionen € angetreten, 2004 gab es dann 340 Millionen €. Die EZA-Mittel sind von 50 Millionen auf 90 Millionen € gestiegen. (Abg. Mag. Lunacek: Es geht um Prozentsätze!)


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Sie werden verstehen, dass wir nicht jetzt schon die entsprechenden Zahlen für 2005 und 2006 nennen können, aber ich darf vor allem Frau Abgeordnete Lunacek be­ruhigen: Die amtierende Außenministerin, die höchst aktiv ist und überhaupt nicht die Scheinwerfer ausgeschaltet hat, hat beide Budgets für 2005 und 2006 bereits durch­verhandelt; sie werden gerade technisch eingegeben. Sie werden diese Zahlen dann sehen – das Monterrey-Ziel von 0,33 Prozent ist darin enthalten. Es ist wiederum ein großer Erfolg unserer mutigen, umsichtigen und sehr professionell agierenden Außen­ministerin! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweitens: Ich bitte Sie, Herr Professor, nicht die gleiche Beckmesserei zu betreiben, die es schon im Juli beziehungsweise August gegeben hat, als es darum gegangen ist, wer österreichischer Kommissar, österreichische Kommissarin wird und welches Ressort vergeben wird. Ich habe mich an die Spielregeln gehalten, die da waren, dass Barroso, der neue Präsident der Kommission, das Recht hat, sein Team zusammen mit den Kompetenzen vorzuschlagen.

Heute versteht, glaube ich, jeder, warum ich gar nicht anders handeln konnte. Jeder versteht – und Sie haben es ja heute auch dankenswerterweise mit einer parteiüber­greifenden Einstimmigkeit bestätigt –, unsere Außenministerin bekommt ein großarti­ges, ganz schwieriges und unerhört wichtiges Ressort, nicht irgendeine Randfrage, nicht irgendein Orchideenthema, sondern das zentrale Ressort der Kommission, näm­lich die Außenbeziehungen der gesamten Union!

Wenn Sie, Frau Abgeordnete, meinen, das Gewicht Österreichs in der Union habe gelitten, dann – entschuldigen Sie vielmals! – schauen Sie auf die Außenministerin! Sehen Sie, welche Funktion sie bekommen hat, dann haben Sie gleich die richtige Ant­wort auf Ihre Befürchtungen dabei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Ich sage auch sehr offen, es freut mich das persönlich sehr, denn es kann sich nie­mand von Ihnen wirklich vorstellen, wie es in den ersten Monaten des Jahres 2000, als diese Bundesregierung neu angetreten ist, wirklich gewesen ist, welcher Druck, welche Ablehnung den Repräsentanten entgegengeschlagen ist. (Abg. Mag. Lunacek: Ja, aber das war nicht unsere Verantwortung, sondern Ihre!) Das kann sich eigentlich niemand vorstellen, und ich wünsche es auch wirklich niemandem. Das haben zum großen Teil die Außenministerin und ich durchstehen müssen, und sie hat in einer unglaublichen Art und Weise für Österreich gekämpft.

Es ist mehr als nur eine Pointe der Geschichte, es ist eine wirkliche Befriedigung – auch für mich – und bedeutet Gerechtigkeit, dass diesem Land die Würde zurück­gegeben wurde in der Person Benita Ferrero-Waldners, die vor vier Jahren quasi im Schmuddeleck gestanden ist und heute für die ganze Union die Außenbeziehungen ordnet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sagt es nicht, weil sie dafür zu vornehm ist, und das ist auch gut so, aber lassen Sie es wenigstens mich, auch angesichts von einigen hunderttausend Fernsehzu­schauern, sagen. (Abg. Mag. Posch: Das ist aber peinlich!) – Das ist nicht peinlich. Ihr Zwischenruf ist peinlich, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Benita Ferrero-Waldner war und ist die erste Außenministerin Österreichs und hat da­mit den Weg dafür gebahnt, dass Frauen jede Funktion in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft einnehmen können. Sie hat es mit einer ganz eigenartigen, ganz großartigen Mischung von Professionalität, Mut, Umsicht und Charme getan, auf die wir alle gemeinsam stolz sein können. Ich lasse dich gerne, ich lasse dich ungern gehen als Außenministerin. (Abg. Mag. Posch: Das war jetzt ein ... Versprecher!) Ich


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verabschiede dich gerne in eine so wichtige Funktion wie die der österreichischen Kommissarin für die Außenbeziehungen.

Ich wünsche dir viel Glück in dieser spannenden Zeit! Diese Zeit ist nicht einfach, denn die Union gruppiert sich um. Der Nizza-Vertrag wird – hoffentlich! – durch den neuen Vertrag von Rom, der ja erst unterschrieben werden wird, abgelöst. Es wird die Union eine ganz neue Rolle in den Außenbeziehungen, auch in den verteidigungs- und sicherheitspolitischen Beziehungen spielen. Ich wünsche dir das Gleiche, was du eigentlich hier bewiesen hast: dass Außenpolitik in Österreich und in Europa nichts mit der Arbeit im Elfenbeinturm zu tun hat, sondern mitten unter den Menschen stattfindet, draußen, dort, wo die großen Probleme sind. Volle Kraft für dich, volle Unterstützung und komm auch möglichst oft hierher ins Parlament und in die österreichische Öffent­lichkeit, informier uns offen und ehrlich, alle Fraktionen, parteiübergreifend! Wir werden das brauchen. Wir werden dich auch genauso unterstützen, wie du das immer für Österreich getan hast. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.41

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vize­kanzler Gorbach. Herr Vizekanzler, auch für Sie 5 Minuten. Bitte sehr pünktlich Schluss machen, sonst geht es sich nicht aus.

 


12.41

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nicht erst seit heute und nicht erst seit der heutigen Rede mit Rückblick und Vorausschau der amtierenden Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Wald­ner, sondern als diese österreichische Bundesregierung sie nominiert hat, bestellt hat für eine der wichtigsten Positionen, die wir überhaupt besetzen können, nämlich in der Kommission dieses so wachsenden Europas, war ich fest überzeugt, dass wir damit einen guten Beitrag leisten, in Europa die notwendige Kommission der besten Köpfe bilden zu können. Sie ist nicht nur mit dabei, sie wird dort Österreich nicht ausschließ­lich im Sinne von österreichischen Interessen vertreten, aber sie wird Österreich, Rot­weißrot, sehr würdig vertreten, weil dabei ihre Erfahrung zählt, weil dabei ihr lösungs­orientiertes Handeln zählt, weil auch ihre Fähigkeit, lösen und binden zu können, zählt, weil sie mit Konsequenz und Härte, aber vor allem auch mit Charme, also sehr öster­reichisch, in Europa unterwegs sein wird.

Meine Damen und Herren! Wenn wir darüber diskutiert haben, wofür sie zuständig sein wird, dann glaube ich, wenn sie jetzt vom Kommissionspräsidenten mit der Zuständig­keit Außenbeziehungen und Nachbarschaftspolitik betraut wurde – und hier stimmt das Wort „betraut“ wirklich –, dann ist das nicht nur eine Anerkennung – also mehr als Ak­zeptanz – ihrer Person als solcher, sondern dann ist das eine notwendige und richtige Gott sei Dank erfolgte Anerkennung von ganz Österreich.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir erkennen müssen, dass in den nächs­ten Jahren in diesem Europa wichtige Aufgaben anstehen. Ich denke etwa an die Lissabon-Strategie, das ehrgeizige Ziel, im Wettbewerb weltweit das beste wissensba­sierte Land, die beste Region zu sein.

Damit komme ich auch zu wirtschaftlichen Beziehungen und Zusammenhängen mit der Außenpolitik. Ich sage, Wirtschaftspolitik ist auch Außenpolitik, und die beste Außen­politik ist gut für die Wirtschaftspolitik, Stichwort Export. Ich habe in den letzten Jahren auch als ein aus der privaten Wirtschaft Kommender, aber auch als Ressortverantwort­licher kennen und schätzen lernen dürfen, dass in den letzten Jahrzehnten eine wirk­lich aktive und gute Außenpolitik gemacht worden ist, die unserer Wirtschaft enorm hilft


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und einen enormen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Exportrate Österreichs etwa im ersten Halbjahr dieses Jahres um 11,1 Prozent höher war, was 50 000 bis 70 000 Ar­beitsplätze bedeutet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Fokus ist natürlich hier auf die südosteuropäischen Länder in Europa gerichtet, mit denen Österreich schon seit vielen Jahren traditionell gute Wirtschaftsbeziehungen pflegt und die ein doppelt so hohes Wachstumspotential und eine Dynamik haben, als dies bei den bisherigen EU-Mitgliedsländern der Fall ist. Das heißt, gerade dort wird man als kleines Land dann gut reüssieren können, wenn die bilateralen Beziehungen gut sind, wenn man also gute Außenpolitik gemacht hat. Diese Basis hat die zukünftige Kommissarin und jetzige Außenministerin zweifelsohne gelegt. Ich danke ihr ganz herzlich dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dass man Verbündete braucht, um österreichische Interessen in Europa gut durch­zubringen, habe ich zuletzt im Juni des Jahres spüren dürfen, als ich gerade auf Grund der guten Beziehungen mit Unterstützung der Außenministerin etwas abwehren konn­te, was zum Schaden Österreichs, und zwar insbesondere eines Landes, nämlich Ti­rols, gewesen wäre, als ich mit Ungarn, der Slowakei, der Tschechischen Republik und anderen mehr dieser neuen Mitgliedsländer der Europäischen Union etwa den Angriff auf das Wochenendfahrverbot abwehren konnte.

Diese Beziehungen werden auch in Zukunft wichtig sein, und ich bin überzeugt, die Basis, die Benita Ferrero-Waldner gelegt hat, wird gut fortgeführt, von wem auch immer – gedulden Sie sich noch etwas! Ich bin als Ressortminister froh und dankbar, dass Österreich ein derart gutes Standing in Europa hat und weiterhin haben wird, weil wir eine gute Entsendung vornehmen und weil wir eine gute Werbung, eine gute Visi­tenkarte in der Europäischen Kommission abgeben werden, eben mit dir, liebe Benita. Ich wünsche dir nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“, dass alle hier im Hause versammelten Fraktionen und Abgeordneten gemeinsam die österreichische Außen­politik mittragen, denn gemeinsam sind wir dann stark. Österreich ist in diesem Europa stark, und das stärkt auch dich als österreichische Kommissarin in europäischen Ange­legenheiten. – Alles Gute! Ein herzliches Glückauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.46

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur letzten Redner-/Rednerinnen­runde. Ich habe festgelegt, die Redezeit auf 3 Minuten pro Redner/Rednerin zu redu­zieren, um noch bis 13 Uhr allen Fraktionen die Möglichkeit zu einer Wortmeldung zu geben; ich werde auch sehr pünktlich abläuten.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wurm. – Bitte.

 


12.47

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Außenministerin, es ist zweifellos eine Ehre für Sie und für ganz Österreich, dass Sie und damit auch wir in Zukunft in der Außenpolitik der EU eine gewichtige Rolle spielen werden. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute, vor allem auch deshalb, weil damit die Chance besteht, österreichische Ansichten, Ideen und auch Werte im gesamteuro­päischen Kontext unterzubringen und somit in Europa mitzugestalten.

Zu Ihrem Amtsverständnis haben Sie kurz nach Ihrer Nominierung gesagt, Sie wollen Ihr österreichisches Wissen einbringen, die Entscheidungen auf europäischer Ebene mittragen und diese den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren. Ich hoffe, dass das nach Änderung der Geschäftsordnung hier im Hohen Haus möglich sein wird, dass Sie der österreichischen Öffentlichkeit, dem Nationalrat über die Ent-


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scheidungen berichten können und diese im Vorfeld auch diskutieren können. (De­monstrativer Beifall des Abg. Dr. Khol.)

Frau Ministerin und designierte EU-Kommissarin! Lassen Sie mich noch drei persön­liche Anliegen Ihnen mit auf den Weg geben. Ein wichtiges Anliegen, das mir immer schon am Herzen gelegen ist, ist die österreichische Neutralität. Da sind noch viele Fragen offen. Wie ist beim Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheits­politik die Rolle der Neutralen? Wie ist die Rolle der NATO im Verhältnis zur EU?

Frau Ministerin, wenn Sie nach Brüssel gehen, vergessen Sie die Neutralität der Öster­reicher und Österreicherinnen nicht! Sie ist den Österreichern ein wichtiges Anliegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu Ihren Aufgaben wird auch gezählt, dass Sie einen Rahmen für politische Maßnah­men gegen den internationalen Terror aufbauen. Nun haben sich auf europäischer Ebene schon verschiedene Truppen gebildet. Ich rede von der europäischen Polizei, von EUROJUST, auch von den Diskussionen über den europäischen Staatsanwalt. Dafür zu sorgen, dass bei all den wichtigen Maßnahmen, die gegen den internationa­len Terror zu setzen sind, die Bürgerrechte, die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger und Bürgerinnen nicht auf der Strecke bleiben, auch dazu sind Sie aufgerufen und auch das liegt in Zukunft in Ihren Händen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der dritte und letzte Punkt, und der ist mir sehr wichtig, und Sie haben sich dazu be­kannt: Die Frauen, die Frauenrechte, die Frauenbeteiligung und die Gleichstellung der Frauen sollen in Europa nicht auf der Strecke bleiben, sie sollen sich vielmehr in den Konzepten und in den Programmen wieder finden. Frau Ministerin, da haben Sie Hand­lungsbedarf! Europa muss auch ein Europa der Frauen bleiben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Abschluss wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der Anhörung vor dem Europäischen Parlament und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für die Weiterentwicklung von Europa, damit dieses Europa sozialer und demokratischer wird und auch einen wesentlichen Beitrag zum Frieden in der Welt leistet. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Spindel­egger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.50

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Vor allem liebe Benita Ferrero-Waldner! Heute haben alle Redner (Abg. Dr. Cap: Auch die Rednerinnen!), alle Fraktionen der Außenministerin ihre besondere Wertschätzung ausgedrückt. Das ist, wie ich meine, ein Kompliment, meine Damen und Herren, das Benita Ferrero-Waldner auch in Zukunft begleiten wird, und zwar ein besonderes Kompliment, denn damit sind auch alle Scharmützel, die es während ihrer Amtszeit da und dort gegeben hat, glaube ich, vergessen. Das ist ein sehr guter Start für sie als neue Außenkommis­sarin der Europäischen Union.

Ich darf mich dem auch persönlich sehr anschließen. Ich glaube, dass Benita Ferrero-Waldner uns jetzt noch sehr gut als Außenministerin vertreten wird. Heute Nachmittag fliegt sie zur UNO-Generalversammlung nach New York. Frau Kollegin Lunacek, sie gibt das nicht auf, sondern sie vertritt uns weiterhin als Außenministerin. Sie führt noch viele bilaterale Gespräche, bevor sie ihr neues Amt antreten wird.


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 65

Wenn wir die klassischen Felder der Außenpolitik betrachten, dann wird auch klar, dass zehn Jahre Außenpolitik durch Benita Ferrero-Waldner ihre Spuren bei uns hinterlassen werden. In der Europapolitik, unserem wichtigsten Ziel der Außenpolitik, bleibt das Markenzeichen für sie: gekämpft wie eine Löwin in den Fragen der Sanktio­nen und Österreich wiederhergestellt als ein beliebtes, als ein anerkanntes Land in dieser Europäischen Union. Das wird ein Markenzeichen sein, das noch lange für Benita Ferrero-Waldner gelten wird, auch wenn sie nicht mehr Außenministerin ist. Dafür möchte ich mich auch bei dir herzlich bedanken, das war eine wirklich großartige Leistung, die dir die Österreicherinnen und Österreicher nie vergessen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten, meine Damen und Herren, zur Nachbarschaftspolitik. Ich darf daran erin­nern, dass das Projekt der regionalen Partnerschaft, das sie entwickelt hat, vielfach auch in diesem Haus belächelt, als kleinlich angesehen und als nicht erfolgreich an­gesehen wurde. Das, was dahinter steht, ist eine Idee, die uns noch lange in der Außenpolitik begleiten wird, denn dahinter steht, dass man eine Region Mitteleuropa wieder mit Leben erfüllt, dass diese Region Mitteleuropa in der ganzen Europäischen Union ihre Spuren hinterlassen wird und dass die Staaten, die zu diesem Mitteleuropa gehören, auch in einer Art und Weise zusammenarbeiten werden, dass man in der Europäischen Union auf dieses Mitteleuropa schauen wird. Das ist eine Marke Benita Ferrero-Waldner, die langfristig die österreichische Außenpolitik bestimmen wird.

Zum Dritten: Was internationale Organisationen anlangt, dürfen wir nicht vergessen, dass es dieser Außenministerin durch ihren persönlichen Einsatz, durch ihre persön­lichen Kontakte auch zum Generalsekretär der Vereinten Nationen gelungen ist, den UNO-Standort in Wien zu halten. Das alles miteinander wird zeigen, dass zehn Jahre Außenpolitik durch Benita Ferrero-Waldner ein hervorragendes Markenzeichen für diese österreichische Außenpolitik auch in Zukunft bleiben werden. Sie wird mit ihrer gewinnenden, sympathischen Art Europa erobern, und wir werden sie auf diesem Weg begleiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.54

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.54

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich habe jetzt ein bisschen ein Unbeha­gen bei dieser ganzen Diskussion, und ich möchte auch offen sagen, warum. Wir ver­mischen da jetzt irgendwie zwei Themen. Das eine Thema ist die Frage Abschied von der Frau Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner und alles, was da automatisch dazugehört, dass man eher das Positive herausstreicht, lobt und ihr gute Wünsche mit auf den Weg gibt. Das, was eigentlich auf der Tagesordnung steht, ist eine Erklärung der Bundesregierung zur österreichischen Außenpolitik, und es ist irrsinnig schwierig, weil vor lauter Blumensträußen und Nettigkeiten die Außenpolitik etwas zu kurz kommt.

Frau Außenministerin! Selbstverständlich, Ihr Einsatz sei gewürdigt, und ich wünsche Ihnen für die Aufgabe, die jetzt auf Sie zukommt, von Herzen alles, alles Gute. Ich möchte aber trotzdem aus der Vergangenheit ein paar außenpolitische Kritikpunkte jetzt mitnehmen, weil sie für uns die Richtlinie für die zukünftige Außenministerin oder den zukünftigen Außenminister sind.

Zwei Beispiele. Ein Beispiel ist heute schon angeklungen, es war der Irak-Krieg. Für uns ist es wichtig, dass Österreich gerade in der Frage des Völkerrechts eine sehr klare Position einnimmt. Das war in der Vergangenheit leider nicht der Fall. (Bundes­kanzler Dr. Schüssel: Immer!) Da war der berühmte Satz mit der Mitte. Jetzt ist es


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bestätigt worden. Kofi Annan hat klar gesagt, dieser Krieg war völkerrechtswidrig, war illegal. Ich wünsche mir von einer zukünftigen Außenministerin, dass sie da klare Posi­tionen bezieht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein zweites Beispiel: Entwicklungszusammenarbeit. Wir Grünen setzen uns vehement auf allen Ebenen für eine „fairere Weltordnung“ – unter große Anführungszeichen gesetzt – ein. Ein wichtiges Instrument dafür ist eine Umverteilung. Das bedeutet, Ent­wicklungsgelder, Gelder für Entwicklungszusammenarbeit sollen auch eine bestimmte Höhe erreichen. Da gibt es ein großes Versprechen, das auch Österreich unterschrie­ben hat, mittlerweile schon vor zwölf Jahren, wo wir bei weitem nicht auf dem Weg sind, das auch zu erfüllen. Das bedeutet, einen bestimmten Anteil des Bruttoinlands­produktes für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Das ist eine globale Verantwortung, das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Österreich ist da eines der schwächsten Länder, ist gemeinsam mit Japan und den USA Schlusslicht im Rahmen der OECD-Staaten. Ich wünsche mir von einer zukünftigen Außenministerin, dass diese Aufgabe Umverteilung, europäische Entwicklungszusammenarbeit, auch Gelder in diese Länder zu investieren, ernst genommen wird und im österreichischen Budget auch eine Verankerung findet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit sind wir jetzt auch schon beim Problem. Herr Bundeskanzler! Wir würden wirk­lich gern österreichische Außenpolitik diskutieren. Wir wissen allerdings nicht, mit wem, wir wissen nicht, wann es eine neue Außenministerin geben wird, und wir wissen auch nicht, was die Schwerpunkte sind. Wir wissen auch nicht, wie sich Österreich bei wich­tigen Entscheidungen, die jetzt zum Beispiel im Dezember mit dem Europäischen Rat anstehen, verhalten wird.

Nichts gegen eine Abschiedsfestrede, das können wir gerne machen, aber es darf dabei die inhaltliche Diskussion über die Zukunft, über die österreichische zukünftige Außenpolitik nicht einfach so unter den Teppich gekehrt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.57

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Ab­geordneter Dipl.-Ing. Scheuch. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren hier im Plenum! Ich möchte eigentlich meine 3-Minuten-Rede, die etwas ge­kürzt wurde, damit beginnen, dass ich eine klare Antwort auf das gebe, was in den letz­ten Stunden an Zwischenrufen gekommen ist, wo sehr oft gefragt wurde: Welche Hal­tung hat denn jetzt die FPÖ zum Thema Türkei-Beitritt? Es wurde sehr viel dazwischen gerufen, es hat viele schwammige Antworten gegeben. Es ist eine wichtige Frage, die Damen und Herren vor den Fernsehschirmen wissen es genau.

Es sind 87 Millionen Einwohner, die hier neu dazukommen sollen, es sind 45,5 Milliar­den €, die dieser Beitritt kostet. – Also alles in allem sicher eine Thematik, die sehr kritisch zu behandeln ist. Die kritische Haltung der Freiheitlichen in dieser Frage war von Anfang an klar. Wir Freiheitlichen – und das sage ich jetzt ganz klar und deutlich – lehnen den Beitritt der Türkei und auch Beitrittsverhandlungen mit einem zwingenden Beitritt ganz klar ab! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Zwischenruf der Abg. Dr. Gla­wischnig.)

Es sind religiöse Grenzen, es sind geographische Grenzen, es sind ethische Grenzen. Es gibt sehr vieles, was man hier zu diskutieren hat, und ich bin davon überzeugt, dass


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es eine klare Aufforderung geben muss, aber nicht nur an die Bundesregierung, son­dern an alle in Brüssel Verantwortlichen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Denn wenn Sie sich, anstatt zwischenzurufen, einmal mit der Materie beschäftigt hätten, dann wüssten Sie, dass diese Entscheidung in Brüssel fallen wird. Wer schreit, hat nicht Recht! Das hat sich in den letzten Jahren des Parlamentarismus nicht geän­dert. Wer schreit, auch Herr Öllinger, hat nicht Recht! Das ist leider so. Es nützt nichts. Im Endeffekt wird das in Brüssel entschieden. Deswegen geht dieser Appell nicht nur an die Bundesregierung, er geht genauso an alle anderen Regierungen, an alle ande­ren Landes- und Bundeshauptstädte quer durch Europa: in dieser Frage klar zu ent­scheiden, nämlich zuerst ein Ja zu Österreich, dann ein Ja zu Europa und dann erst darüber hinaus blicken, wie wir uns weiterentwickeln.

Aus all den erwähnten Gründen und auf Grund all dieser Dinge ist es sehr wichtig, dass wir eine vernünftige Vertretung in der Außenwirkung von Österreich haben. Es ist hier Gott sei Dank durch die Bestellung der jetzigen Außenministerin etwas einge­treten, was wir in Österreich noch nicht hatten: Wir haben eine Außenvertretung auf europäischer Ebene und wir haben eine Außenvertretung auf nationaler Ebene.

Es sind hier sehr viele lobende, sehr viele ehrende, sehr viele unterstützende Worte gefallen, aber auch sehr viele erwartungsvolle Worte. Genau diese erwartungsvollen Worte sind es, an die wir Freiheitlichen uns anschließen wollen, weil es uns besonders wichtig ist, nicht nur die Interessen Europas zu vertreten, nicht nur künftig Europas Außenpolitik mitzugestalten, sondern vor allen Dingen auch die Interessen Österreichs zu vertreten. Wir haben es in den letzten Jahren sehr oft gemerkt, dass es besonders wichtig ist, in einer erweiterten Union, wo die Kommission vergrößert wird, österrei­chische Interessen zu vertreten, die österreichischen Standpunkte zu vertreten und damit auch für die Sicherheit und das Wohlbefinden der österreichischen Bürger zu sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Sinne, sehr geehrte Frau Außenminister, wünschen wir Freiheitlichen Ihnen – bevor wir erstmals in die neu verordnete Mittagspause gehen müssen, die wir nicht unbedingt befürwortet haben, die sozusagen jetzt einmal einen Probegalopp macht – viel Erfolg! Wir wünschen Ihnen von Seiten der FPÖ viel Kraft für Österreich! Ich schließe mit einem kräftigen Glückauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.00

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, ich möchte Ihnen am Ende der Debatte auch in meinem Namen alles Gute und viel Erfolg für Ihre neue Funktion wünschen. Alles Gute!

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung vereinbarungsgemäß für eine halbe Stunde. Die Sitzung wird um 13.30 Uhr wieder aufgenommen.

(Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 13.31 Uhr wieder aufgenom­men.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

2. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 1, 8, 11, 12, 14 bis 16, 18, 22, 29, 31 und 34 sowie über die Bürger­initiativen Nr. 5, 6, 8, 16 und 17 (561 d.B.)

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Freund. Seine gewünschte Rede­zeit beträgt 6 Minuten. – Bitte.

 


13.32

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Auf der heutigen Tagesordnung steht der Sammelbericht für Petitionen und Bürgerinitiativen. In dieser Gesetzgebungsperiode wurden bereits 36 Petitionen und 18 Bürgerinitiativen an den Ausschuss gerichtet und behandelt. Das zeigt mir als Fraktionsvorsitzendem der ÖVP im Ausschuss, dass die Bevölkerung diese Instru­mente der direkten Demokratie annimmt und auch nutzt.

Ich habe es hier im Plenum schon einmal gesagt und möchte es heute wiederholen: Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen ermöglicht die direkte Kommunika­tion mit der Politik und ist somit ein wichtiges Bindeglied zwischen den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Parlament. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der SPÖ.) Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich mit ihren Anliegen und Problemen direkt an die Volksvertreter im Parlament zu wenden. Dazu wurden wir von den Men­schen in unseren Wahlkreisen in den Nationalrat gewählt, um sie bestmöglich zu ver­treten.

Die Anliegen, die an den Ausschuss geschickt werden, sind sehr vielfältig, und sie alle werden in diesem Rahmen ernsthaft behandelt. Mit den vorgebrachten Themen wird keineswegs leichtfertig umgegangen – ganz im Gegenteil! Es gibt viele Beispiele dafür, und meine Kollegen von der ÖVP werden sich mit den einzelnen Themenbereichen noch näher beschäftigen.

Zunächst möchte ich aber auf eine wichtige Neuerung hinweisen. Bereits beim letzten Sammelbericht im November 2003 konnte berichtet werden, dass Vertreter der Volks­anwaltschaft in unseren Ausschusssitzungen zu aktuellen Aussprachen zugezogen werden. Sie beschäftigen sich wie auch der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitia­tiven mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Im vergangenen Jahr wurde die Volksanwaltschaft in mehr als 15 000 Fällen in Anspruch genommen. Sie ist wie wohl keine andere Institution mit Bürgeranliegen beschäftigt und hat auch aus dieser Erfah­rung heraus bereits zahlreiche Anregungen an die Gesetzgebung gerichtet. Außerdem nimmt die Volksanwaltschaft seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahre 1977 eine aktive Rolle zur Schaffung von parlamentarischen Ombudsmann-Einrichtungen ein. Von diesen Erfahrungen profitiert die Arbeit im Ausschuss und somit auch jeder einzelne Bürger.

Ich möchte hier betonen, dass die Kommunikation ganz besonders gut funktioniert. Volksanwältin Rosemarie Bauer hat bereits einer Sitzung des Ausschusses beige­wohnt, was sich für uns als eine interessante Begegnung mit ihren Anliegen erwiesen hat. Diese erstmalige Zusammenarbeit zeigt uns, dass man sich gegenseitig ergänzt und beiderseitig profitiert. Im nächsten Ausschuss wird wahrscheinlich Volksanwalt Peter Kostelka bei uns sein. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dieser Neuerung in der laufenden Gesetzgebungsperiode einen wichtigen Meilenstein für die Bürgernähe im Parlament gesetzt haben.

Nun möchte ich auf einige Petitionen und Bürgerinitiativen konkreter eingehen, an denen sich zeigt, was der Ausschuss im vergangenen Jahr geleistet hat. Es wurden zahlreiche Stellungnahmen der Ministerien und Länder eingeholt und Sachverhalte an verschiedene Ausschüsse verwiesen. Betonen möchte ich dabei die gute Zusammen­arbeit unter den Fraktionen im Petitionsausschuss. Die Petition Nr. 31 betreffend Un­terstützung für die gemeinsamen Probleme in der Europaregion Tirol wurde an den


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Außenpolitischen Ausschuss verwiesen. Die Petition Nr. 34 betreffend die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes ging an den Finanzausschuss. Petition Nr. 11 und Bür­gerinitiative Nr. 5 betreffend Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichi­schen Bildungssystem gingen an den Verfassungsausschuss. Das ist nur ein kleiner Auszug aus den Anliegen, die in dem Ausschuss weiterbehandelt wurden.

Von Seiten der Opposition kommt immer wieder der Vorwurf, dass die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger im Ausschuss durch Kenntnisnahme einfach abgestellt wer­den. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das nicht richtig ist! Wir nehmen jedes Anliegen ernst, und kommt es zur Kenntnisnahme einer Petition, so heißt das nicht automatisch, dass sie in der Versenkung verschwunden ist. Es werden Stellungnah­men eingeholt, und es kann passieren, dass bereits gleich lautende Anträge in den einzelnen Ausschüssen liegen oder sonst im Parlament eingebracht wurden. Deshalb kommt es eben hin und wieder zu dieser Vorgangsweise.

Ich möchte noch die Bürgerinitiative Nr. 16 betreffend das Bundestierschutzgesetz her­ausstreichen, was ja gerade für den ländlichen Raum und für die Tiere sehr wichtig war. Für uns ist es insbesondere wichtig gewesen, dass die Planungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe weiterhin gewährleistet sein muss, dass man die wirt­schaftlichen Auswirkungen abwägen und den Fortbestand unserer bäuerlichen Fami­lien sichern muss, dass es letzten Endes zu angemessenen Übergangsfristen gekom­men ist und dass es keine Nachteile in der österreichischen Nahrungsmittelproduktion geben darf. Wir haben uns mit diesen Themenbereichen wirklich sehr eingehend be­schäftigt, und ich glaube, es ist dementsprechend auch ein zufrieden stellendes Gesetz herausgekommen.

Ich möchte zum Abschluss eines ganz besonders betonen und diese Gelegenheit hier nutzen, um mich bei der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Wurm, und auch bei allen anderen im Ausschuss vertretenen Parteien nochmals sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit zu bedanken. Noch einmal möchte ich betonen, dass die Tätigkeit in diesem Ausschuss sehr interessant ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

13.38

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

 


13.38

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie auch mich einen Überblick geben über das, was unser Ausschuss in den letzten zwei Jahren geleistet hat. Beim Kollegen Freund bedanke ich mich herzlich für die angenehmen Worte und für die Zustimmung. So, wie wir im Ausschuss miteinander umgehen, ist dies, glaube ich, ein sehr wichtiges Signal für die Bürger und Bürgerinnen, dass ihre Anliegen hier ernst genommen werden und dass es nicht um ein politisches Hickhack geht, sondern dass es uns darum geht, die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen entsprechend zu platzieren und ernst zu nehmen. Herz­lichen Dank auch, Herr Kollege Freund! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Walch.)

Wie schon erwähnt, haben wir uns in den letzten zwei Jahren mit 18 Bürgerinitiativen und 37 Petitionen beschäftigt. Ich sage das deshalb, weil es auch dokumentiert, dass hier eine Fülle von Eingaben eingelangt sind, dass die Bürger und Bürgerinnen viele Anliegen haben und dass es sehr unterschiedliche Themen sind, die hier behandelt werden müssen. Da geht es zum Beispiel um die Pensionsreform oder um das Verbot von Tierversuchen an großen Menschenaffen. Immer wieder werden von den Bürgern und Bürgerinnen Probleme aufgezeigt in Bezug auf die Verkehrssituation, in Bezug auf


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Lärm oder Trassenverordnungen, all das wird direkt an uns herangebracht. Die Han­delsware Wasser war ebenfalls ein Thema. Immer wieder geht es um die Chancen­gleichheit im Bildungssystem. Ein Thema waren auch die Berufsfeuerwehren, die darum kämpfen, dass sie ein einheitliches Berufsbild in ganz Österreich bekommen; und, und, und.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was machen wir dann im Ausschuss mit all diesen Vorlagen, die uns zugewiesen werden und die an uns gelangen? – Sie werden behan­delt, es werden Stellungnahmen eingeholt und zur Kenntnis genommen, sie werden einem anderen Ausschuss, einem Fachausschuss zugewiesen und dann dort weiter­behandelt, oder sie werden vertagt. Auch das ist immer wieder eine Tatsache, mit der wir uns allerdings nur schwer zufrieden geben können. Häufig hat die Vertagung einen Sinn, weil gerade verschiedene Arbeitskreise tagen, aber oft hätten wir von der Oppo­sition es gerne gehabt, dass die Anliegen schneller behandelt worden wären.

Was ich aber von unserem Ausschuss auch noch sagen und behaupten kann: Ich glaube, dass dies der Ausschuss ist, der mit den Anliegen der Bürger und mit deren Problemen direkt in Kontakt tritt. Es ist dies sicherlich der bürgerfreundlichste Aus­schuss, und ich glaube, dass dieses Instrument, das vor zirka 15 Jahren geschaffen wurde, ein wichtiges und notwendiges für die österreichische Bevölkerung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde hier und heute schon erwähnt, dass unser Wunsch und auch der Wunsch der Volksanwaltschaft nun Wirklichkeit geworden ist, nämlich die halbjährliche Bericht­erstattung des jeweils vorsitzenden Volksanwaltes oder der jeweils vorsitzenden Volks­anwältin, um über die Auswirkungen der verschiedenen Gesetze, die wir hier als Ge­setzgeber beschließen, zu berichten. Dazu kann ich sagen, dass dieser Beginn ein wichtiger, ein notwendiger und ein fruchtbringender ist, für den Petitionsausschuss, für die Volksanwaltschaft und vor allen Dingen für die Bürger und Bürgerinnen in diesem Staat! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Antrag erwähnen, den ich schon im Jahre 2003 eingebracht habe, wonach eine Geschäftsordnungsänderung in dem Sinne notwendig wäre, dass in Zukunft auch die Berichte der Volksanwaltschaft von unserem Ausschuss behandelt werden sollten. Es wurde eine erste Lesung dazu abgehalten. Ich kann mich erinnern, Herr Abgeordneter Scheibner hat damals das Wort dazu ergrif­fen und darauf hingewiesen, dass man das im Konvent behandeln sollte. Wenn nun aber in diesem Haus eine Geschäftsordnungsänderung anstehen soll, wie zu lesen war, nämlich in Bezug auf Rederechte der europäischen Abgeordneten, der Parlamen­tarier und eventuell auch der Kommissare, dann könnte man doch gleich auch hier die nötige Reparatur vornehmen oder das Nötige hinzufügen, nämlich dass die Berichte der Volksanwaltschaft in diesem Ausschuss, der sich mit den Anliegen der Bürger befasst, behandelt werden. Ich glaube, das wäre eine höchst notwendige Reform.

Als Nächstes möchte ich mich auch mit einem Teil meines Antrags, den ich im Jahre 2003 eingebracht habe, befassen. Ich möchte darauf hinweisen, dass in der Ge­schäftsordnung des Nationalrates immer noch eine wahrhaft anachronistische Bestim­mung drinsteht, nämlich dass Bürgerinitiativen erst ab dem 19. Lebensjahr eingebracht werden können. Wir wählen die Mitglieder des Nationalrates mit 18 Jahren, da hat man schon das aktive Wahlrecht; dass dann eine Bürgerinitiative erst mit 19 Jahren einge­bracht werden kann, ist, glaube ich, anachronistisch. Hier sollte man den Bürgern – den Jugendlichen, sage ich – die Möglichkeit bieten, nicht erst ab dem 18. Lebensjahr, sondern, so wie es meine Forderung ist, schon ab dem 16. Lebensjahr eine Bürger­initiative einzubringen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das wäre ein wichtiger Schritt, um die Partizipation von Jugendlichen, die Teilhabe von Jugendlichen an der Demokratie zu ermöglichen. Das würde auch, so bin ich über­zeugt, belebend wirken, nicht nur im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen, sondern auch im Parlament. Es wurde heute früh im Hauptausschuss angeregt, dass zum Beispiel parlamentarische Enqueten für die Allgemeinheit offen sein sollten; auch das wäre ein Stück mehr gelebte Demokratie hier in diesem Haus. Ich glaube, es täte uns auch hier in Österreich gut, mehr direkte Demokratie in unserem Parlament einfüh­ren zu können.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen – auf verschiedene einzelne Bür­gerinitiativen werden meine Kolleginnen und Kollegen eingehen –: Ich wünsche mir für unseren Ausschuss weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Frak­tionen. Bisher hat das im Interesse der Bürger und Bürgerinnen der Republik Öster­reich wunderbar funktioniert! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.45

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster erteile ich Frau Abgeordneter Rossmann das Wort. Ihre gewünschte Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Frau Ab­geordnete.

 


13.45

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Hohes Haus! (Abg. Dr. Cap: Das wollen wir jetzt hören!) Das freut mich, dass Sie das hören wollen und hoffentlich aufmerksam zuhören! (Abg. Eder: Natürlich! – Abg. Dr. Cap: Klar!)

Wir diskutieren heute hier zwölf Petitionen und fünf Bürgerinitiativen. Viele sind berech­tigte Anliegen, die unsere Bürger bewegen. Aber ich sage auch – und da hören Sie mir (in Richtung SPÖ) gut zu! –, es kommt vieles gerade aus Ihrer Fraktion, von dem man schon sagen kann, dass es auf rein politisches Kalkül zurückzuführen ist. Wir haben es heute am Vormittag schon gesehen: Sie schlagen einfach wirklich aus den Gefühlen der Menschen politisches Kleingeld! (Abg. Öllinger: Und das von der FPÖ! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Sie bringen die Menschen zu Unterschriftsaktionen – ich werde Ihnen gleich beweisen, warum – und zwingen die Menschen, zu unterschreiben (Widerspruch bei der SPÖ), oder Sie ersuchen die Menschen, zu unterschreiben – ich korrigiere mich –, und das Parlament wird missbraucht, indem Sie das dann als Petition einbringen. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Ich nenne gleich ein Beispiel des Kollegen Heinzl, er hat nämlich eine Petition zur Rettung, Erhaltung der Mariazellerbahn eingebracht. (Abg. Heinzl: So ist es!) Es geht aus den Stellungnahmen ganz klar hervor, dass das eine Petition war, nur weil Herr Kollege Heinzl, der gerne in seinem Wahlkreis herumgeht (Abg. Eder: Das ist ja sein Recht!) – das ist alles legitim (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist seine Pflicht!) –, die Leute bittet, zu unterschreiben, und den Leuten erzählt, die Mariazellerbahn werde ein­gestellt, und Sonstiges. (Abg. Dr. Cap: Warum sperren Sie es zu?)

Wenn Sie die Stellungnahmen genau lesen – und ich hoffe, Sie als Klubobmann haben sie gelesen –, dann werden Sie sehen, dass hier absolut eine Unwahrheit verbreitet wird, nämlich eine Unwahrheit insofern, als man den Leuten erzählt, der Bund habe kein Geld bereitgestellt und auch das Land Niederösterreich habe sich nicht beteiligt. (Abg. Heinzl: Sagen Sie mir: Wo ist das Geld?) All das trifft nicht zu! Ganz im Gegen­teil: Am 9. Dezember wurde ein Vertrag zwischen dem Bund und dem Land Niederös­terreich unterzeichnet. Es ist vom Land Niederösterreich und auch vom Bund ganz klar Geld geflossen zur Erhaltung der Mariazellerbahn! (Abg. Heinzl: ... Geld geflossen?


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Das ist die Unwahrheit! Nicht 1 € ist geflossen!) Das müssen sie zur Kenntnis nehmen! (Abg. Heinzl: Nicht einmal 1 Cent!) Das erzählen Sie den Menschen draußen – aber wir werden dafür sorgen, dass die Menschen in Ihrem Wahlkreis die richtige Informa­tion bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte zu einer weiteren Petition kommen – die kommt auch von Ihnen, Herr Kol­lege Heinzl –, nämlich der Petition zur Erhöhung des Kilometergeldes. Ich sage dazu: Der Intention könnten wir durchaus beipflichten: Wir teilen die Meinung, dass das Kilo­metergeld über kurz oder lang erhöht werden muss. Aber ich erinnere Sie schon an eines: Warum werden Sie, bevor Sie so eine Petition einbringen, nicht bei ehemaligen hochrangigen SPÖ-Politikern vorstellig? – Ich nenne nur einen Namen: Ruttenstorfer, ÖMV. Dort ist nämlich der hausgemachte Benzinpreis, den Sie rascher bewältigen könnten als mit dieser Petition. (Abg. Reheis: Der hausgemachte Benzinpreis! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der hausgemachte Benzinpreis, selbstverständlich! (Abg. Riepl: Wollen Sie nun das Kilometergeld erhöhen oder nicht?)

Ich erinnere auch daran: Welche Regierung hat den Autofahrern die größten Belastun­gen beschert, die es in dieser Republik je gegeben hat? – Das war eine Regierung mit einem sozialdemokratischen Finanzminister, unter Bundeskanzler Klima, Verkehrsmi­nister Klima, Bundeskanzler Vranitzky. (Abg. Mag. Wurm: Wirtschaftsminister Schüs­sel!) Sie haben die Luxussteuer erfunden, Sie haben die NoVA, die Normverbrauchs­abgabe, erfunden. (Abg. Dr. Cap: Schüssel war Wirtschaftsminister!) Sie haben die Stempelmarkengebühren erhöht, und Sie haben den Allgemeinen Absetzbetrag völlig gestrichen. Das haben Sie anscheinend alles vergessen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was haben wir gemacht? – Wir haben die Pendlerpauschale rückwirkend mit 1. Jän­ner dieses Jahres – das wollen Sie nicht hören! – um 15 Prozent erhöht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wer hat denn die Vignette erfunden? – Wir haben die Pendlerpauschale um 15 Prozent erhöht, in Kärnten gibt es darüber hinaus noch eine Erhöhung durch das Land, und wir haben die Lehrlingsfreifahrt eingeführt. Das sind Schritte, die diese Bundesregierung setzt. Ich bin sicher, dass es uns über kurz oder lang gelingen wird, auch das Kilometergeld zu erhöhen. (Abg. Heinzl: Wann?)

Jetzt komme ich aber auf eine Petition zu sprechen, über die wir uns alle einig sind; es wurden ja heute auch schon der Konsens und die gute Zusammenarbeit im Petitions­ausschuss gelobt. Es handelt sich dabei um die Petition bezüglich Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichischen Bildungssystem. Es geht um den gleich­berechtigten Zugang zu Bildung und Wissen für Gehörlose. Die österreichische Ge­bärdensprache ermöglicht es gehörlosen Menschen, jene Sprachkompetenz zu entwi­ckeln, die sonst nur hörende Menschen erreichen. Das Drängen gehörloser Menschen in die Lautsprache – und darüber sind wir uns auch alle einig – sehen wir als Diskrimi­nierung. In diesem Bereich ist wirklich viel zu tun, und deshalb haben wir diese Petition auch gemeinsam eingebracht. Die österreichische Gebärdensprache sollte wirklich als nichtethnische Minderheitensprache in unserer Verfassung verankert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es betrifft die Bereiche der Frühförderung, vor allem auch in Schulen, der gesamten Berufsausbildung und den universitären Bereich. Wir haben bereits im Unterrichtsaus­schuss ausführlich darüber diskutiert, und wir sind uns dessen auch bewusst, dass das Geld kosten wird, und das ist eigentlich das Problem. Wenn es jedoch um das Aus­merzen dieses großen Mangels und dieser Diskriminierung geht, dann dürfte es nicht am Geld scheitern, sage ich auch. Deshalb sind wir bestrebt, durch ein neues Gesetz für die pädagogischen Hochschulen eine dementsprechende Ausbildung für LehrerIn­nen zu ermöglichen. Es kann jedenfalls nicht so bleiben, wie es jetzt noch ist, dass nämlich LehrerInnen an Gehörlosenschulen die Gebärdensprache nicht einmal beherr-


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schen müssen. Das ist doch nahezu unvorstellbar! Ein großer Teil hat nicht einmal Grundkenntnisse der Gebärdensprache.

Auch im Regelschulbereich soll die Gebärdensprache Eingang finden, beispielsweise für Geschwister, die sich dafür interessieren. Auch im Bereich der Erwachsenenbildung sollte Eltern viel mehr Gebärdensprachkurse angeboten werden. Auch eine entspre­chende Adaptierung des Unterrichts und von Prüfungen sollte dringend erfolgen. Englischprüfungen beispielsweise werden derzeit mündlich durchgeführt. Gerade für Gehörlose wäre jedoch eine schriftliche Englischprüfung wesentlich einfacher zu be­wältigen.

Auch im beruflichen Bereich sollte die Gebärdensprache Eingang finden, denn heute können wir nicht von freier Berufswahl sprechen, wenn wir von Gehörlosen sprechen. Die Sprachbarrieren müssen wirklich beseitigt werden. Es gilt, vom Lehrplatz weg eine Begleitung zu ermöglichen, indem man kostenlos einen Gebärdendolmetsch zur Verfü­gung stellt, die Kollegen schult und den Ausbildner. All das ist noch zu tun. Ich sage aber auch, dass unser Bundesminister, Herbert Haupt, ein sehr, sehr offenes Ohr dafür hat und über das Bundessozialamt bereits Budgets für Dolmetsche zur Verfügung stellt. Das geschieht auch erstmalig. Ihnen ist das während vieler Jahre sozialde­mokratischer Sozialminister nicht eingefallen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Lentsch.)

Es ist aber noch immer zu wenig. Es gilt, noch viel zu tun, und wir sind wirklich dahin­ter, dass dieses Gesetz auch dementsprechend umgesetzt wird. Mich freut es, dass das alle vier Parteien in diesem Haus so sehen. In diesem Sinne sage ich auch danke für die Zusammenarbeit. Ich will das nicht besonders herausstreichen, denn für mich ist gute und vor allem parteienübergreifende Zusammenarbeit eigentlich die Grundvoraus­setzung dafür, dass man etwas Positives bewirken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.53

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Heinzl zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Be­stimmungen: zunächst den zu berichtigenden, dann den berichtigten Sachverhalt. 2 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.54

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Rossmann hat hier behauptet, dass seit dem 9. Dezember 2003 seitens des Bundes und auch seitens des Landes Niederösterreich neues Geld für die Erhal­tung der Mariazellerbahn geflossen sei.

Ich berichtige tatsächlich: Es ist seit diesem Datum kein Cent für die Erhaltung der Mariazellerbahn, weder für die Infrastruktur noch für neues Wagenmaterial, seitens des Bundes geflossen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haidl­mayr zu Wort. Sie wünscht eine Redezeit von 7 Minuten. – Bitte.

 


13.55

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also manchmal könnte man glauben, man ist im falschen Aus­schuss gesessen: Nach den Worten der ersten beiden Redner zu schließen, die einan­der eigentlich nur Honig um den Mund geschmiert haben, ist alles gut gelaufen. So ist es aber absolut nicht. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wie sprechen Sie eigentlich über Kol­legin Wurm? Das war die zweite Rednerin!) Sie wissen, dass es in diesem Ausschuss


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ordentlich kracht und scheppert, weil die Bürgerinitiativen und Petitionen der Menschen von den Regierungsparteien ganz einfach nicht ernst genommen werden. Nach Mög­lichkeit versucht man, sie zu vertagen oder bloß zur Kenntnis zu nehmen. Nur ganz, ganz wenige finden den Weg in die entsprechenden Ausschüsse, aber dort bleiben sie auch wieder liegen, weil die Regierungsparteien verhindern, dass sie dort auf die Tagesordnung gelangen und behandelt werden. Das ist der Weg einer Petition oder einer Bürgerinitiative, das passiert damit bei uns im Parlament, und nichts anderes, und nur das! Das möchte ich hier jetzt einmal festhalten, weil sich die BürgerInnen, die die Bürgerinitiativen einbringen, oft wundern, warum das alles so lange dauert bezie­hungsweise warum sich in diesem Bereich nichts tut. Es dauert so lange und es tut sich deshalb nichts, weil es immer vertagt wird, und so lange es auch dauert, es wird immer wieder vertagt. Wenn sich dann im Endeffekt gar nichts mehr tut, dann wird zur Kenntnis genommen, und für die Leute war die ganze Arbeit umsonst und ist pfutsch. Das ist das Bild, das der Wahrheit entspricht, und das möchte ich hier schon einmal festhalten, denn die Leute wollen auch wissen, was los ist! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich denke, es ließe sich locker eine Statistik erstellen, die meine Aussagen bestätigt, wir bräuchten uns nur anzusehen, wie viele Bürgerinitiativen und Petitionen zur Kennt­nis genommen und wie viele wie oft vertagt worden sind. Wie viele haben in den Aus­schüssen tatsächlich ihren Platz auf den Tagesordnungen gefunden? Ich garantieren Ihnen: 50 Prozent sind vertagt worden, 30 Prozent sind zur Kenntnis genommen wor­den, 25 Prozent liegen irgendwo in den Ausschüssen und 5 Prozent waren auf den Tagesordnungen. Wenn das ein gutes Ergebnis sein soll: Na servus! Ich finde das absolut nicht.

Dass das wirklich so ist, möchte ich jetzt am Beispiel einer einzigen Petition bezie­hungsweise Bürgerinitiative darstellen. Es geht dabei um die Anerkennung der Gebär­densprache. Ich weiß es zwar nicht genau, aber wir behandeln das im Parlament bereits seit etwa acht Jahren. Die gehörlosen Menschen, die strampeln sich ab, um endlich das Recht zu bekommen, dass ihre Sprache auch als Sprache anerkannt wird. Zuerst hat man das ewig vertagt, dann hat man versucht, das Ganze hinauszuzögern, und dann hat man einen Unterausschuss eingerichtet. Bei einem Unterausschuss weiß man ohnehin, worum es sich dabei in der Regel handelt, nämlich praktisch um ein Begräbnis für die betreffende Angelegenheit. Dass es in diesem Fall kein Begräbnis geworden ist, dafür habe ich gesorgt. Wir haben zunächst einmal die Konstituierung gehabt, dann war ein halbes Jahr lang wieder nichts. Nach dem halben Jahr bin ich dann einmal ganz wild geworden. Wir haben dann eine Enquete gehabt, und jetzt gibt es den Enquetebericht – und seither geschieht wieder nichts!

Frau Rossmann, jetzt geht es um das offene Ohr des Herrn Ministers, das Sie ange­sprochen haben. So offen dürfte das allerdings nicht sein. Sie wissen, dass im Regie­rungsübereinkommen steht, dass die Gebärdensprache als Sprache anerkannt wird. Punkt! Das ist einmal das Erste. Das Zweite: Es hat einen Vorentwurf gegeben zu einem Behindertengleichstellungsgesetz, in dem die Gebärdensprache noch enthalten gewesen ist. Jetzt gibt es einen Entwurf, der versandt wurde, und in diesem ist die An­erkennung der Gebärdensprache plötzlich nicht mehr enthalten. Das bedeutet, man hat das Thema „gehörlose Menschen und Anerkennung der Gebärdensprache“ inzwischen wieder entsorgt.

Wenn jetzt gesagt wird, man müsse das in der Bundesverfassung, im Artikel 8 oder wo auch immer unterbringen, dann muss ich sagen: Das ist das doch alles ein Schmäh! Bitte, wer glaubt Ihnen das noch? Sie können das schon irgendwo unterbringen, aber es fragt sich nur, wann sie das tun werden. Da werden wir wahrscheinlich früher ein Behindertengleichstellungsgesetz haben. Außerdem wir ja die Bundesverfassung jetzt


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geändert, das wissen wir ja. Was ist aber dann im nächsten Papier? Wird es dann wieder entsorgt? Wir haben ja den Österreich-Konvent, und ich schaue mir etwa nur den § 7 Abs. 3 an – die Gleichstellung behinderter Menschen –, das ist dort im Konvent bereits entsorgt worden. Wenn Sie also jetzt ankündigen, die Gebärdensprache noch in den § 8 reinzugeben, dann folgere ich daraus, dass Sie das im Konvent wieder entsorgen werden.

Halten Sie doch die Leute nicht für blöd! Die wissen schon, was Sie in dieser Sache tun, nämlich nichts, weil Sie gar kein Interesse daran haben. Sie haben absolut kein Interesse an der Anerkennung der Gebärdensprache, sondern Sie wollen, dass alle irgendwie, egal wie schlecht, aber irgendwie hören, und wenn sie nichts hören, dann sollen sie zu mindestens laut reden, damit es die anderen hören. Doch das ist es nicht! Es geht ganz klar um eine Sprache, und gehörlose Menschen haben Anspruch auf An­erkennung ihrer Sprache. (Beifall bei den Grünen.)

Wir alle miteinander sind aufgefordert, uns die Gebärdensprache anzueignen. Es würde keinem von uns schaden, wenn wir das könnten, und somit könnten wir auch mit gehörlosen Menschen kommunizieren. Es ist unser Auftrag, Gebärdensprache zu ler­nen, und nicht der Auftrag gehörloser Menschen, sich uns anzupassen. So kann es nicht sein!

Ich ersuche Sie deshalb noch einmal, Frau Rossmann, wenn der Herr Minister ein offe­nes Ohr hat, dann soll er, bitte, den Passus Anerkennung der österreichischen Gebär­densprache in den Entwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes, der sowieso ein Mist ist, aber das steht jetzt nicht auf der Tagesordnung, zumindest wieder hinein­schreiben, denn dann steht es zumindest wieder drinnen. Aber derzeit haben wir es nirgends. So ist es nicht, wie Sie das hier erzählt haben, sondern es schaut in der Praxis ganz anders aus.

Ich weiß nicht, warum plötzlich alle in Lieblichkeiten verfallen und so tun, als wenn das irgendwie der schönste Ausschuss wäre mit der größten Harmonie – nur weil es heute einen Bericht gibt. Das ist es ganz einfach nicht, und Gott sei Dank ist es das nicht, sage ich jetzt einmal, denn sonst würden wir ohnehin schlecht ausschauen, wenn das so wäre. Dann würden wir von der Opposition nämlich auch noch bereit sein, alles zur Kenntnis zu nehmen oder zu vertagen. Das tun wir eben nicht, und deshalb gibt es eben einfach keine Harmonie. (Beifall bei den Grünen.)

Ich wollte auch noch zu den vielen Petitionen Stellung nehmen, die gerade im Bereich Verkehr da drinnen sind. Was ist denn daraus geworden, bitte? – Gar nichts! Kein Mensch macht irgendetwas, es ist teilweise nicht einmal einem Ausschuss zugewie­sen, sondern es liegt und liegt und liegt und vergilbt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Dann ist die Legislaturperiode zu Ende, die Arbeit war vergeblich, und die Leute können wieder von vorne anfangen mit ihren Petitionen und Bürgerinitiativen. Deshalb würde ich mir auch wünschen, dass die Arbeit von Bürgerinitiativen und Petitionen nicht verfallen, nur weil eine Legislaturperiode zu Ende ist, sondern dass sie dann in der nächsten Legislaturperiode sehr wohl weiter behandelt werden. Das wäre für mich zumindest einmal ein Signal, dass man die Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt, die sich die Arbeit machen, Bürgerinitiativen zu gründen und Unterschriften einzuholen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. (Abg. Öllinger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Kurzbauer –: Das wird aber jetzt schwer! – Abg. Freund: Das glaube ich nicht!)

 



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14.03

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Wir behan­deln den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen. Es wurde bereits darauf hingewiesen. Kollegin Mares Rossmann ist in ihrem Debattenbei­trag im Besonderen auf die Petition Nr. 16 „Für den Erhalt der Mariazellerbahn“ einge­gangen, und zwar vorwiegend aus steirischer Sicht. Ich darf mich jetzt als niederöster­reichischer Abgeordneter selbstverständlich auch mit dem Erhalt der Mariazellerbahn beschäftigen.

Geschätzte Damen und Herren! Die Mariazellerbahn führt von der Landeshauptstadt St. Pölten durch eine wunderschöne Gegend, durch das Pielachtal, dann weiter in das Alpenvorland nach Mariazell, und es ist selbstverständlich ein wichtiges Anliegen, dass dieser Bahnbetrieb weiterhin aufrecht bleibt.

Einerseits ist sie eine wichtige Verbindung für die Pendler und Schüler. Andererseits zeigt sich in den letzten Jahren ganz besonders, dass sie immer mehr zu einer attrakti­ven Bahn im Bereich des Tourismus wird. Das zeigen auch die Zahlen. So hat sich die Frequenz in den letzten Jahren im Touristikbereich enorm gesteigert. 17 Gemeinden und die Bevölkerung des Pielachtals, aber auch des Mariazellerlandes haben in den letzten Jahren ein ganz klares Bekenntnis zu dieser traditionsreichen Bahnverbindung abgegeben.

Zum Vorwurf, den Kollege Heinzl erhoben hat, muss ich schon darauf hinweisen, dass in der Petition steht, dass weder vom Bund noch vom Land Niederösterreich unmittel­bar in die Infrastruktur investiert wurde, und zwar seit Minister Streicher Verkehrsminis­ter war, das war Mitte der neunziger Jahre. Das stimmt einfach nicht! Es wurden sehr wohl im Bereich der Infrastruktur Maßnahmen gesetzt.

Jetzt möchte ich noch besonders darauf hinweisen, dass im Rahmen dieser Petition seitens des Bundes vom Ministerium, aber auch seitens des Landes Niederösterreich Stellungnahmen eingeholt wurden. Da ist eigentlich der Fahrplan ganz klar festge­schrieben, wie es in Zukunft mit der Mariazellerbahn weitergehen wird.

Erstens einmal wird die wichtige Feststellung getroffen, dass die Mariazellerbahn – und das wird auch seitens des Landes Niederösterreich so gesehen – ein wichtiges ver­kehrs- und wirtschaftspolitisches Rückgrat der Regionen Pielachtal und Mariazellerland ist. Das ist ein ganz klares Bekenntnis. Das Land Niederösterreich hat das auch er­kannt und hat gegenüber den Verantwortlichen des Bundes, aber auch den ÖBB mehr­mals darauf hingewiesen. Das Land hat mehrmals die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung eines dauerhaften fahrplanmäßigen Regelbetriebes eingefordert und auch angeboten, gemeinsame Lösungen zu finden.

Ich denke, ein wichtiger, also wesentlicher Schritt wurde im Dezember 2003, also im Vorjahr, gesetzt, als ein Infrastrukturvertrag zwischen dem Bund und dem Land Nieder­österreich abgeschlossen wurde, in dem der Bund jetzt einmal für die nächsten fünf Jahre eine Bestandsgarantie abgegeben hat. In diesem Vertrag wurde weiters verein­bart, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird. In dieser Arbeitsgruppe werden die Vor­aussetzungen geprüft und diskutiert, ob eine Umspurung auf der Mariazellerbahn, die für den Erhalt zweifelsohne notwendig ist, auch möglich ist.

Zufällig ist heute im Pielachtal eine Diskussion im Gemeindegebiet von Hofstetten, in der diese Arbeitsgruppe die Bevölkerung informiert, ihr also einen Zwischenbericht gibt. Wir alle gehen davon aus, dass die Mariazellerbahn langfristig gesichert ist.

Sollte eine positive Stellungnahme der Arbeitsgruppe letztlich erfolgen, wenn die Arbei­ten abgeschlossen sind, dann ist in diesem Vertrag bereits vereinbart, dass von den


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Kosten für die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen im Zuge des weiteren Ausbaus 80 Prozent der Bund und 20 Prozent das Land Niederösterreich übernimmt.

Geschätzte Damen und Herren! Die Voraussetzung ist letztlich dann noch, dass der Fahrbetrieb von einem Betreiber aufrechterhalten wird. Wir wissen, dass das seitens des Bundes nicht möglich ist und als wettbewerbsverzerrend eingestuft würde. Daher denke ich, dass innerhalb der nächsten Jahre, also im Rahmen dieses Kontingents von fünf Jahren, solange eben die Bestandsgarantie läuft, die Entscheidungen getroffen werden. Wir alle gehen davon aus und alle Verantwortungsträger sind auch davon überzeugt, dass die Mariazellerbahn weiter fährt und nachhaltig gesichert ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


14.08

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte speziell mit drei Petitionen des Sammelberichts befassen, natürlich als Erstes gleich einmal mit der Mariazellerbahn.

Lieber Herr Abgeordneter Kurzbauer, auch ich bin niederösterreichischer Abgeordne­ter, wie du weißt. Deiner Beschreibung der Mariazellerbahn als wunderschöner Bahn in das Alpenvorland kann ich mich natürlich nur vollinhaltlich anschließen. Aber es ist auch eine Tatsache, dass für den Erhalt der Mariazellerbahn seitens der Bundesregie­rung seit dem Jahr 2000 wiederholt Versprechungen abgegeben worden sind.

Herr Abgeordneter Kurzbauer, du weißt so gut wie ich, dass diese Mariazellerbahn allein auf Grund von Sonntagsreden, die in den Gemeinden entlang des Pielachtals und der Bahn, aber auch hier im Hohen Haus und im niederösterreichischen Landtag gehalten werden, nicht weiterbestehen kann. Diese Bahn braucht eben Geld für die Infrastruktur und vor allem auch für das Wagenmaterial. Ich weiß nicht, ob alle Damen und Herren hier im Hohen Haus wissen, dass diese Bahn mit Lokmaterial aus dem Jahre 1911 und Personenwagen aus dem Jahre 1912 fährt. Eisenbahnexperten mei­nen, wenn nicht bald Geld in diese Bahn investiert wird – ich lade Sie einmal ein, fah­ren Sie einmal mit dieser Bahn, ich kann Ihre Sicherheit allerdings nicht mehr garantie­ren, Herr Abgeordneter Freund –, brauchen wir uns über die Zukunft dieser Bahn nicht mehr zu unterhalten, weil sie aus Sicherheitsgründen dann nicht mehr fahren und der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Es hat mir persönlich sehr Leid getan, dass Sie, obwohl Sie das wissen, diese Petition „Für den Erhalt der Mariazellerbahn“ im Petitionsausschuss mit Ihrer Regierungsmehr­heit mittels, wie ich meine, Staatsbegräbnis erster Klasse, Erledigung durch Kenntnis­nahme, einfach erledigt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die zweite Petition befasst sich mit der Erhaltung des Personalstandes der Kriminalpolizei St. Pölten. Es ist die Petition Nummer 18. Wie aus dem Ministerium für Inneres in einer Stellungnahme vom 19. Mai 2004 zur Petition ausgeführt wird, ist man im Ministerium der wahrlich irrigen Ansicht, dass derzeit nur 19 Kriminalbeamte in der Bundespolizeidirektion St. Pölten zur Bekämpfung der Krimi­nalität Dienst tun und die Umsetzung des „Team 04“-Entwurfes „nur“ – unter Anfüh­rungszeichen gesetzt – eine geringe Absenkung der Zahl der Planstellen von 19 auf 16 zur Folge hätte. Tatsächlich, sehr geehrte Damen und Herren, sind derzeit aber 29 Planstellen für Kripobeamte in der Bundespolizeidirektion St. Pölten vorhanden.

Die Umsetzung des „Team 04“-Entwurfes führt also nicht zur Verringerung von nur drei Planstellen, wie das fälschlicherweise vom Ministerium verlautbart wurde und wie es


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das Ministerium glaubt, sondern zu einer Kürzung des Personalstandes um satte 48 Prozent. Die Kriminalabteilung St. Pölten wird also fast halbiert, obwohl auch in St. Pölten die Zahlen in der Kriminalstatistik steil nach oben steigen.

Die Regierungsparteien haben im Petitionsausschuss leider auch diese Petition durch Kenntnisnahme erledigt, obwohl das Innenministerium offensichtlich und beweisbar mit falschen Zahlen operiert.

Die letzte Petition, die ich noch kurz behandeln möchte, ist natürlich die Petition Num­mer 34 „Für die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes“. Es wurde schon gesagt: Seit dem Jahr 1997 ist das amtliche Kilometergeld von 36 Cent pro Kilometer nicht mehr angehoben worden. Eine Erhöhung ist dringend erforderlich. Ich freue mich dar­über, dass der Petitionsausschuss diese Petition dem Finanzausschuss zugewiesen hat. Ich freue mich auf die Diskussion im Finanzausschuss und hoffe, dass der Finanz­ausschuss diese Petition bald behandeln wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


14.13

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Abgeord­neter Heinzl! Ich muss Ihnen eines sagen: Ich kenne die Diskussion, denn ich war drin­nen, und ich weiß, die Mariazellbahn (Abg. Heinzl: Mariazellerbahn! E! R! Maria­zeller!) – klar – ist nur ein Politikum von Ihnen, denn natürlich hat sich das Ministerium darum gekümmert und auch das Land Niederösterreich. Und wenn ich eine Gewähr­leistung für fünf Jahre Bestandsrecht für diese Bahn habe, dann kann man nicht sagen, dass nichts passiert ist.

Wir haben Sie gefragt und wir waren im Petitionsausschuss eigentlich irgendwie der Meinung, diese Petition wird zur Kenntnis genommen, weil sie für uns ja erledigt war, aber Sie haben in Niederösterreich wahrscheinlich keine Themen außer zwei, drei – darauf werde ich jetzt eingehen –, und deshalb muss die Mariazellbahn (Abg. Heinzl: Mariazellerbahn!) – gut – weiterhin herhalten für Ihre Politik. Bitte, wenn das Ministe­rium das schon unterstützt, dann sollte man es auch zur Kenntnis nehmen. Fünf Jahre Bestandsgarantie! Das ist immerhin etwas, wo vorher nichts war.

Wenn ich den Personalstand von St. Pölten hernehme, dann muss ich sagen, da müssten wir uns nur mit solchen Dingen beschäftigen, weil diese Diskussion natürlich in ganz Österreich von den Sozialdemokraten herbeigeredet worden ist. Das heißt, wir haben überall die Diskussion über Wachzimmerschließungen gehabt. Abgeordnete Wurm hat sich besonders darum gekümmert, wenn auch erst im Nachhinein, als schon alles abgeschlossen war. (Abg. Mag. Wurm: Nicht im Nachhinein! Von Anfang an! Sie springen jetzt auf den Zug auf!)

Es ist so, dass dort in dem Ausschuss weiterhin probiert wird, diese billige Politik zu machen, um diese Dinge hineinzutragen. Ich finde, das ist nicht in Ordnung. Es hat in dem Ausschuss für Inneres behandelt zu werden und nicht in anderen Bereichen. (Abg. Heinzl: Wieso haben Sie dagegen gestimmt?) Ich meine, ich kenne Sie schon, denn wir haben ja dort diskutiert. Wenn Sie Bürgerinitiativen unterstützen würden, dort, wo es notwendig ist, weil es eben nicht in Ausschüssen behandelt wird, dann wäre ich ja dankbar, aber billige Politik zu machen, das ist ein bisschen zu wenig. (Abg. Heinzl: Aber Sie haben dagegen gestimmt!) – Gut.

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Ich nehme das mit der Gehörlosensprache sehr ernst. Wir haben es doch hier im Parlament einige Male erlebt, wie großartig das ist. (Abg. Haidlmayr: Aber Sie tun nichts!) Wir unterstützen das, und ich glaube, es geht auch


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den richtigen Weg. Abgeordnete Rosmann hat das, wie ich meine, auch gesagt: Das ist für uns und für diese Regierung etwas sehr Wichtiges. Wir haben das einige Male bewiesen. Ich glaube auch, dass wir eine Regelung bekommen werden, mit der wir alle zufrieden sein werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haidlmayr: Sie von der „F“ sind zufrieden!)

Es gibt also sehr viele Petitionen, die eine Bedeutung haben – die Motorradfahrer woll­ten die Busspur verwenden; das ist alles legitim –, aber es gibt auch wesentliche Dinge, die mich als Tiroler zum Beispiel beschäftigen und die mir, da ich Präsident des Tiroler Traditionsverbandes bin, auch ein Anliegen sind.

Wir haben mit Deutschland die Vereinbarung, dass Traditionswaffen zu Veranstaltun­gen über die Grenze mitgenommen werden können. Das ist mit Italien nicht möglich. Jetzt gibt es eine Petition, in der nicht nur die Tiroler, sondern auch die Welschtiroler, die Trentiner, die Südtiroler gemeinsam probieren, das Parlament ein bisschen hell­hörig dafür zu machen, dass man dort ein Problem hat, dass man dort immer noch behandelt wird wie jemand, der etwas – sage ich einmal unter Anführungszeichen – „Unanständiges“ getan hat. Dabei ist es nichts anderes, als die Tradition – und ich glaube, dass das auch wichtig ist – nach außen zu tragen, zu Veranstaltungen zu gehen. Es gibt da Freundschaftsgruppen mit vielen verschiedenen Facetten.

Ich glaube, es wäre wichtig für das Parlament, dass wir uns einmal damit beschäftigen und vielleicht auch den zukünftigen Außenminister oder die Außenministerin – ich weiß es ja nicht – beauftragen, aktiv mit der italienischen Regierung unter Umständen etwas auszuverhandeln, was allen – sage ich einmal – vernünftig erscheint. Ich glaube, es kann ja wohl nicht so sein, dass man mit Traditionswaffen, die nicht funktionieren, nicht einmal über die Grenze gehen darf. Diese Zeiten müssen, wie ich meine, vorbei sein. Fakt ist: Wir leben in einem gemeinsamen Europa, und in einem gemeinsamen Europa muss das möglich sein.

Wir haben auch die Mobilfunk-Petition von Schwertberg, und ich nehme das ernst, nämlich die Angst der Bevölkerung vor Strahlen, vor vielen verschiedenen Facetten, die momentan gegeben sind, wofür es aber keine Regelung gibt. (Abg. Mag. Wurm: Seit vier Jahren liegt die Petition im Haus!) Aber ich kann Sie beruhigen. Das hat sich ein bisschen überholt. Es gibt gemeinsam mit den Ministerien, dem BMVIT und dem Umweltministerium, eine Arbeitsgruppe mit Experten, die demnächst etwas vorstellen wird. (Abg. Mag. Wurm: Minister Schmid hat das zurückgezogen!) Wir haben immer auf eine europäische Richtlinie gewartet, aber die Europäer haben uns enttäuscht, Brüssel hat uns enttäuscht, weil man sie uns nie gegeben hat. Wir wollten keinen eigenständigen Weg gehen, aber jetzt gehen wir diesen eigenständigen Weg. (Abg. Mag. Wurm: Vier Jahre ist das schon her! Der Minister Schmid hat das damals ver­sprochen und es wieder zurückgezogen!) Wir werden die Ergebnisse in Kürze präsen­tiert bekommen. Auch da sind wir die Ersten, die wirklich auch etwas umsetzen.

Das zu verwenden, um Ängste zu schüren, das ist – das habe ich jetzt wieder gehört –so typisch. Mitarbeiten wäre besser. Wir probieren, da einen richtigen Weg zu gehen. Das ist genauso bei der Sicherheit, das ist genauso bei Strahlen. Vor allem: Wenn Menschen Angst vor etwas haben, dann soll man sie ernst nehmen und soll ihnen ein Angebot machen. Das ist unsere Politik in dieser Regierung. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.18

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet. – Beginnen Sie bitte Ihre Aus­führungen mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung.

 



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14.18

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeord­neter Wittauer hat in seiner Rede behauptet, ich hätte mich erst im Nachhinein um die Verhinderung der Wachzimmerschließung gekümmert. Er hat dabei das Wachzimmer in Innsbruck am Hauptbahnhof gemeint. (Abg. Wittauer: Trittbrettfahrer! Wir Freiheit­lichen haben uns dafür stark gemacht!)

Ich berichtige tatsächlich: In dem Moment, als ich davon erfahren habe und der Innen­minister es noch abgestritten hat, dass überhaupt etwas geschlossen wird, habe ich dann 7 000 Unterschriften gesammelt. Jetzt haben wir zumindest einen Filialbetrieb eines Wachzimmers am Bahnhof. (Abg. Wittauer: Das ist eine Rede, Herr Präsident!) Und das ist gut für die Sicherheit der Bevölkerung in Innsbruck und für die Innsbrucker und Innsbruckerinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

 


14.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sie haben ja jetzt ein bisschen ein Schauspiel erlebt, wie ernst es die Regierungsfraktionen mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger nehmen. (Abg. Scheibner: So obergescheit!) Was ihnen genehm ist, das ist eine berechtigte Bürgerinitiative und Petition, was ihnen nicht genehm ist, ist offensichtlich keine, wenn ich den Ausführungen des Kollegen Wittauer richtig folgen konnte. (Abg. Scheibner: Das oberlehrerhafte Gequake können Sie sich sparen! Zu Beginn der Debatte waren Sie gar nicht herinnen!) Was haben Sie gesagt, Herr Kollege Scheibner? (Abg. Scheibner: Sie sind oberlehrerhaft!) Entschul­digung! (Abg. Scheibner: Am Beginn der Debatte nicht da sein und jetzt die anderen kritisieren!) Das ist doch ein völliger Blödsinn, was Sie sagen. Ich war am Anfang der Debatte heute selbstverständlich hier. (Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Außerdem, Kollege Scheibner, würde ein wirkliches Ernstnehmen der Bürgerinnen und Bürger bedeuten (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nehmen Sie das Wort „Blödsinn“ zurück! – Abg. Scheibner: Wir brauchen Ihr oberleh­rerhaftes Getue nicht!), dass man diesen Ausschuss endlich einmal, wie Kollegin Wurm zu Recht angemerkt hat, betreffend Geschäftsordnung verändert, damit man die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger auch wirklich zeitgerecht an die entsprechenden Ausschüsse weiterleitet, damit sie dort auch in einer Zeit behandelt werden können, dass es noch möglich ist, diese in Gesetzesvorlagen einzubringen. (Abg. Scheibner: Das Abqualifizieren unserer Redner können Sie sich sparen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich will nicht schreien, Herr Präsident! Vielleicht könnten Sie Ihren Klubkollegen ein bisserl ...

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Vielleicht könnten Sie sich auch ein bisserl in Ihrem Ton mäßigen! Das wäre auch zweckdienlich. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Danke, Herr Präsident!)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (fortsetzend): Jetzt müssen Sie mir nur erklären, Herr Präsident, in welcher Form ich irgendwie Kollegen Scheibner ange­griffen habe. Ich habe rein klar gemacht, dass es aus unserer Sicht wichtig ist, die An­liegen der Bürgerinnen und Bürger auch so ernst zu nehmen, dass sie das Gefühl haben, dass ihre Anliegen zeitgerecht behandelt werden. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Ich werde Ihnen ganz konkret einige Beispiele von Petitionen nennen, die Sie mit Mehrheit vertagt haben, zum Beispiel die Petition Nummer 28 für die Erweiterung der Bürgerbeteiligung bei Genehmigungsverfahren von Windkraftprojekten. Das wurde zum Beispiel mit Ihrer Mehrheit vertagt. (Abg. Wittauer: Das ist jetzt bei der UVP vor­gesehen! Wir werden doch nicht einem Gesetz vorgreifen!) Wir waren der Auffassung, dass das in den Ausschuss gehört und dort auch behandelt werden sollte.

Sie haben genauso die Petition Nummer 33 betreffend Verankerung des Sozialstaates in der Verfassung vertagt. Auch das ist ein Thema, das derzeit in der Öffentlichkeit in­tensiv diskutiert wird und wo die betroffenen Menschen auch das Recht haben würden, dass es entsprechend ernst genommen wird.

Auch die Stilllegung beziehungsweise Umrüstung bestehender Kohlekraftwerke wurde mit Ihren Stimmen vertagt.

Ich gehe auf zwei Bereiche ein, die aktuell jetzt im Sommer umgesetzt wurden. Es geht um die Umsetzung der Agrarreform. Auch hier lagen zwei Petitionen vor; eine der stei­rischen Kürbisbauern und eine betreffend die Verteilung der Milchquote in Österreich. Auch diese beiden Petitionen haben Sie hier wieder vertagt. (Abg. Wittauer: Es ist an einen Ausschuss verwiesen worden! – Zwischenruf des Abg. Freund.)

Das ist einfach eine Vorgangsweise, die ich nicht für zielführend halte, wenn es um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Österreich geht. Es ist eher alles andere als Harmonie, was im Ausschuss herrscht, Kollege Freund. Es wäre angemessen und zeitgemäß, dass es effizient zu Stellungnahmen kommt (Abg. Freund: Das machen wir bereits!), dass wir das auch entsprechend breit anlegen und nicht einschränken, wie wir in vielen Diskussionen gesehen haben, und uns auch ein bisschen um Minderhei­tenrechte kümmern. Das wäre angemessen, und das würde ich mir auch erwarten. (Abg. Wittauer: Wir werden doch nicht doppelt arbeiten!)

Insbesondere ist mir sehr wichtig – wie das auch Kollegin Wurm gemeint hat –, dass die Berichte der Volksanwaltschaft behandelt werden. Das wäre ein wichtiger und, wie ich glaube, auch effizienter Schritt, denn die Volksanwaltschaft ist jene Einrichtung, die wirklich laufend mit BürgerInnenproblemen zu tun hat. Auch in den Gesprächen, die wir bisher führen konnten, zeigt es sich ganz klar: Es gibt bestimmte Anliegen, die gehäuft auftauchen. Daher wäre es sehr zweckmäßig, diese Berichte hier im Haus zu diskutie­ren und auch entsprechend rechtzeitig in die legistischen Maßnahmen mit einzube­ziehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sogar die eigene Fraktion ist nicht sehr begeistert von dieser Rede!)

Ich glaube, wenn wir über direkte Demokratie reden, Kollege Wittauer und Frau Kolle­gin Rossmann, dann müssen wir die Emotionen der Bevölkerung ernst nehmen. Wir dürfen nicht, so wie Sie gemeint haben, hier von billiger Parteipolitik sprechen (Abg. Wittauer: Das machen Sie gerade wieder!), wenn es um Anliegen geht, die draußen in den Regionen viele, viele Menschen bewegen, ob es Verkehrsprojekte sind, ob es Projekte sind, durch die Umwelt bedroht ist, oder ob es um soziale Fragen geht.

Das ist uns ein großes Anliegen, und die Frage der direkten Demokratie wird auch im Rahmen des Konvents derzeit sehr intensiv diskutiert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte.

 


14.24

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Zuhörer auf der Galerie! Auch ich möchte die Gelegenheit nützen, ein


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paar Worte zum Petitionsausschuss zu sagen. Wir haben nicht sehr oft die Gelegen­heit, uns diesbezüglich mit Debattenbeiträgen zu melden, da es immer wieder zu Sam­meldiskussionen kommt und die Diskussion eigentlich auch in verschiedenen anderen Ausschüssen laufend stattfindet. Aber ich glaube, dass aus den Stellungnahmen und den Worten der ersten Redner hervorgeht, dass es doch sehr viel Harmonie gibt. Ich nehme, da ich in der zweiten Periode auch in diesem Ausschuss bin, diese Worte von drei Parteien auch im Ausschuss so wahr, dass es nicht nur Diskrepanz gibt. Die grünen Redner haben von einem absoluten Streitklima, von einer Nichtbehandlung, von einer Nichtarbeit dieses Ausschusses gesprochen, und ich glaube, dass dieser Eindruck eigentlich komplett falsch ist. Ich möchte das noch einmal betonen: Dieser Eindruck ist falsch.

Wenn im Ausschuss Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt werden, die wir ver­tagen, dann ist es primär dann der Fall, wenn auch eine Mehrheit im Ausschuss dieser Vertagung zustimmt, weil diese Thematik, weil diese Problematik auch in anderen Aus­schüssen behandelt wird oder weil im Ministerium gerade ein Gesetzestext in Aus­arbeitung ist, weil das Thema also zurzeit in Behandlung ist. Dann ist eine Vertagung meiner Meinung nach auch sinnvoll, weil es ja nicht zielführend ist, in der Mitte eines Gespräches, in der Mitte einer Meinungsfindung dann die Arbeit der Bürgerinitiative entsprechend zur Bearbeitung zu bringen, weil es keine endgültige Aussage diesbe­züglich geben kann.

Ich glaube also, dass dieser Ausschuss ein doch eher harmonischer ist, auch wenn es natürlich immer wieder einzelne Debatten gibt. Und das ist auch der Sinn eines Aus­schusses. Wenn ständig alles einhellig wäre, dann wäre es auch nicht parlamenta­rische Arbeit. Ich glaube, dass die Diskussion und die gemeinsame Meinungsfindung natürlich auch in diesem Ausschuss im Mittelpunkt stehen müssen.

Lassen Sie mich aber trotzdem kurz zu einer Petition, auch wenn sie schon öfter erwähnt worden ist, Stellung nehmen, die mir als Tiroler natürlich ganz besonders am Herzen liegt, das ist die Petition der Tiroler Schützenkompanien. Ich glaube, auch diese Petition ist eine sehr ernst zu nehmende Petition. Die Schützen in Tirol sind Traditionsvereine mit über 15 000 Mitgliedern, 230 Kompanien über das ganze Land verteilt. Ich glaube, eine Petition, die, von einer breiten Basis getragen, aus allen Ge­sellschaftsschichten kommt, sollte auch eine entsprechende Kenntnisnahme, eine ent­sprechende Bearbeitung nach sich ziehen.

Ich erinnere mich noch gut daran, als mein Kollege Gahr vor ungefähr einem Jahr den ersten Schritt oder einen der wichtigsten Schritte für die Schützen verkünden hat kön­nen. Damals haben wir eine Einigung im Bereich des Innenministeriums erzielt, dass Schützen in Deutschland und in Österreich jetzt bei traditionellen Veranstaltungen gemeinsam auch mit ihren Waffen auftreten können. Es tut uns Tirolern aber weh, wenn wir nach wie vor diese Trennung innerhalb Süd- und Nordtirols haben und diese Möglichkeit in unseren zwei Teilen Tirols zurzeit nicht gegeben ist.

Daher wurde dieser Antrag natürlich von uns, von vielen Abgeordneten aus allen Par­teien oder fast allen Parteien, unterstützt. Es war uns ein Anliegen, dass dieser Antrag auch über das Außenministerium in Zukunft noch stärker behandelt und noch stärker unterstützt wird, damit diese Ungerechtigkeit endlich aus der Welt geschafft wird. Wir wollen den Zentralalpenraum als ein kulturelles, als ein geistiges Zentrum mit den doch gleichen Wurzeln auch in Zukunft erhalten. Wir betonen immer wieder die Zusammen­gehörigkeit zwischen Nord- und Südtirol, aber bei kleinen elementaren Problemen drohen wir eigentlich zu scheitern.

Deswegen freue ich mich, dass dieser Antrag an den außenpolitischen Ausschuss wei­tergeleitet worden ist, und hoffe, dass dort in den nächsten Jahren auch eine Lösung


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möglich sein wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

14.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


14.29

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Schweisgut! Meine Wahrnehmung ist auch eher differenziert, nämlich dass der Aus­schuss nicht immer von Einheit und Harmonie geprägt ist. Zwischen Reden und Han­deln ist oft ein sehr weiter Weg. Manche schreiben Bücher betreffend „die Wüste“ darüber.

Ich möchte mich mit der Petition Nummer 11 und der BürgerInneninitiative Nummer 5 beschäftigen, die ja parteiübergreifend eingebracht wurde, was ich wirklich positiv finde. Ich möchte hier auch festhalten, dass die Chancengleichheit gehörloser Men­schen und unsere Forderung, die Forderung der Grünen nämlich, die Gebärdenspra­che in den Verfassungsrang zu heben, noch lange nicht Realität sind, obgleich Kollegin Rossmann heute bekundet hat, dass es ein Anliegen der Regierungsparteien ist. Ich hoffe auf Bewegung in dieser Sache.

Ich glaube, dass diese Petition und die Bürgerinitiative so wichtig ist, dass man ihr noch Raum widmen sollte. Die Unterzeichneten unterstützen nämlich verschiedene Maßnahmen, beginnend bei der Frühförderung. Ich habe 18 Jahre in dem Bereich ge­arbeitet und halte es für total wichtig, dass Gebärdensprache und Lautsprache nebeneinander existieren können, dass aber vor allem die Gebärdensprache einen anderen als den derzeitigen Stellenwert bekommt.

In erster Linie ist die Frühförderung wesentlich. Es geht um ein österreichweites Neu­geborenen-Screening, das meines Wissens derzeit nicht flächendeckend ist, obwohl es wichtig wäre, dass bei jedem neugeborenen Kind in Österreich getestet werden kann, ob Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit vorliegt oder nicht. – Mehr kann man sowieso nicht testen. Dann – im Alter von drei, vier Monaten – kann man sofort erste Schritte einleiten, sei es Hörgeräteversorgung oder auch Cochlear-Implantate.

Weiter geht es in der Schule: Ich denke, es ist sehr wichtig – das wurde heute auch schon gesagt –, dass auch hörende Lehrerinnen und Lehrer die Gebärdensprache be­herrschen. Wenn bilingual unterrichtet wird, sollte das Pflicht sein, sodass beides ange­boten werden kann. Die Qualität der Gehörlosenbildung an sich sollte in der Regel­schulausbildung angehoben werden.

Gebärdensprache als eigenes Unterrichtsfach ist ein spannendes Thema, wie es auch weitergehend wichtig ist, dass Jugendliche, die gehörlos oder schwerhörig sind, die Berufsausbildung ihrer Wahl in Anspruch nehmen können, ohne vor Sprachbarrieren zu stehen, durch die sie gehindert werden. Es muss auch ein Recht auf eine kosten­freie Begleitung durch Dolmetscherinnen oder Dolmetscher geben. Auch für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer müssen Dolmetscher und Dolmetscherinnen zur Verfü­gung gestellt werden können. Natürlich muss auch im Hochschulbereich, an den Uni­versitäten der Zugang zu höherer Bildung für Gehörlose möglich sein.

In der Folge gab es von uns einen Initiativantrag, es gab auch einen Antrag der Grü­nen, und es ist ein bisschen Bewegung in die Sache gekommen. Kollegin Lapp hat einen Unterausschuss dazu sehr gut geleitet, in dem wir Expertinnen und Experten zu diesem Thema hören konnten, und alle waren sich einig, dass die Anerkennung der Gebärdensprache etwas sehr Wichtiges sei.


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Es gibt zwei Möglichkeiten: Bundesminister Haupt plädierte in diesem Hearing für eine möglichst rasche Anerkennung der Gebärdensprache und meinte, man könne das auch im Behindertengleichstellungsgesetz verankern. Leider ist die Thematik jetzt nicht mehr im Gesetzestext vorhanden, sondern nur mehr in den Erläuterungen, was ich sehr bedaure.

Bundesminister Haupt hat aber auch gemeint, dass Artikel 8 des Bundes-Verfassungs­gesetzes eine Möglichkeit wäre, die Gebärdensprache verfassungsrechtlich anzuer­kennen.

Jetzt orte ich wieder ein bisschen einen Stillstand, aber wir werden sehen, wie diese Sache weitergeht. Ich hoffe im Sinne der gehörlosen und schwerhörigen Menschen in diesem Land, dass die Gebärdensprache wirklich ein Beitrag zur Chancengleichheit sein kann und dass es nicht nur Absichtserklärungen aller Fraktionen, sondern – in dem Fall wirklich mit der Hilfe aller – eine Umsetzung in die Wirklichkeit gibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.33

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

 


14.34

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde heute von einem meiner Vorredner schon ge­sagt, dass der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen das Bindeglied zwischen der Bevölkerung und der Politik sein soll, dass ein Sich-auseinander-Setzen seitens der Politik mit den Anliegen, mit den Bedürfnissen der Bevölkerung erfolgen soll.

Die Frage ist natürlich, wie effizient der Ausschuss ist – bei bestem Willen der einzel­nen Ausschussmitglieder – und wie wirksam er als Brücke zwischen Politik und Bür­gern ist, insbesondere bei Anliegen, die kurzfristige Maßnahmen erfordern.

Ich habe mir erlaubt, am 16. März eine Petition einzubringen, die sich mit dem Thema Erstaufnahmezentrum Thalham befasst, wo es – ich will mal sagen – arge Sorgen und Nöte der Bevölkerung von St. Georgen gibt. Bis jetzt ist aus dieser Petition, mit der auch 3 500 Unterschriften abgegeben wurden, keine Konsequenz für die Bevölkerung ersichtlich. (Abg. Dr. Fekter: Das stimmt ja nicht! Es ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, und in St. Georgen gibt es einen eigenen Integrationsausschuss!)

Liebe Frau Kollegin Fekter, das Problem ist nur, dass sich die Situation für die Bevöl­kerung nicht verändert hat. (Abg. Dr. Fekter: Das ist ja nicht wahr!) Die Arbeitsgruppe wurde wohl auf Grund der Tatsache eingesetzt, dass es drunter und drüber ging, dass es täglich eine Vielzahl von Anzeigen gibt, dass es täglich eine Menge von Übergriffen gibt, dass es täglich Untertauchende in einer Größenordnung zwischen 5 und 30 Per­sonen gibt (Abg. Dr. Fekter: Die Exekutive ist auch verstärkt worden! – Zwischenrufe bei der SPÖ), dass der Hubschrauber des Innenministeriums unterwegs ist, um jene wieder einzufangen, die abhanden gekommen sind oder deren Identität noch nicht einmal festgestellt wurde. (Abg. Dr. Cap: Das geht so nicht!)

Ich denke, dass hier tatsächlich kurzfristige Maßnahmen erforderlich sind. Frau Kolle­gin Fekter! Es wurde im Zusammenhang mit dem Erstaufnahmezentrum beispiels­weise auch andiskutiert, eine Hausordnung zu verhängen beziehungsweise herauszu­geben. (Abg. Dr. Fekter: Die ist auch erstellt worden!) Aber es sei unzumutbar, dass bis zur Feststellung der Identität und zur Ersteinvernahme eine Ausgangssperre ver­hängt wird! Es ist zwar jemandem, der eine Kur macht, zumutbar, dass er am Abend anwesend ist, es ist selbstverständlich dem Präsenzdiener zumutbar, dass er in der


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Kaserne und anwesend ist, aber es ist dem Asylwerber, der es mitunter gar nicht ernst meint, sondern aufgegriffen wurde, nicht zumutbar.

Ich sage, es ist der Bevölkerung, die infolge der dortigen Übergriffe darunter zu leiden hat, nicht zumutbar! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Sie wissen aber schon, dass diese Ausgänge jetzt kontrolliert werden!)

Es stellt sich auch die Frage, warum man aus einer funktionierenden Bundesbetreu­ungsstelle ein Erstaufnahmezentrum machen muss. Die Forderung der Freiheitlichen war immer, die Erstaufnahmezentren in Grenznähe anzusiedeln und die Verfahren, die Ersteinvernahme und die Feststellung, ob ein Asylanspruch besteht, so rasch wie möglich abzuwickeln.

Ich stelle fest, dass auch in der Vollziehung des Asylgesetzes ein Missbrauch stattfin­det, und zwar dergestalt, dass das Schlupfloch der Traumatisierung äußerst strapaziert wird. Das heißt, wenn man sich heute fragt, welche Leute in den Erstaufnahmezentren sind und wie sie nach Österreich gekommen sind, dann müsste die Schlussfolgerung sein: All jene, die über unsere Nachbarländer, die ja Mitglieder der Europäischen Union sind, oder über die Schweiz und Liechtenstein hereinkommen könnten, sind dorthin zu­rückzustellen – in diese Länder, also dorthin, wo sie die EU erstmals gleichsam betre­ten haben. Das findet nicht statt, weil natürlich das Schlupfloch Traumatisierung ver­wendet und den Asylwerbern auch mitgeteilt wird, dass das eine Maßnahme ist, die sehr wirksam ist, wenn es darum geht, in Österreich Asyl zu erlangen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte damit aufzeigen, dass durch Petitionen und Bürgerinitiativen und auch durch den Ausschuss sicherlich gute Arbeit geleistet wird, dass es aber auch ein gewisses Maß an Ineffizienz gibt, insbesondere dort, wo Sofortmaßnahmen zu setzen sind. Ich denke, der Bevölkerung von St. Georgen ist schnell zu helfen, bevor es irgendwelche Eskalationen gibt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap – in Richtung ÖVP –: Sie lassen sich schon viel ge­fallen vom Koalitionspartner!)

14.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.39

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Sieben von 17 Petitionen beschäftigen sich mit verkehrspoli­tischen Problemkreisen! Sieben von 17: Das ist immerhin mehr als ein Drittel. Heute ist der „autofreie Tag“ – ein EU-weiter Impulstag, der uns gerade verkehrspolitisch auf be­stimmte Bereiche verweist: Schonung der Interessen der Anrainer, Rücksicht auf Betroffene, das Vorantreiben vor allem von emissionsfreien Mobilitätsformen.

Vor diesem Hintergrund möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen: Es gibt einer­seits viele Anliegen der Bevölkerung verkehrspolitischer Natur. Ich darf nur aufzählen: Es geht um bessere Fahrpläne, um die Aufrechterhaltung von Nebenbahnen, um bes­sere Anbindungen im öffentlichen Verkehr oder um die Berücksichtigung von Umwelt- und Anrainergesichtspunkten bei Straßenneubauten wie zum Beispiel bei der S 1. Es geht darum, statt Autobahnen laut Generalverkehrsplan nur ortspassende Umfahrun­gen zu machen, oder auch darum – wie von Ihnen beantragt wurde –, die Frage des Kilometergeldes wieder neu zu betrachten.

Auf der anderen Seite tritt die Verkehrspolitik in diesem Haus oft all diese AnrainerIn­nenanliegen und Anliegen der EU im Hinblick auf zukunftsträchtige und umweltfreund­liche Mobilität immer wieder mit Füßen.


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Auf diese Diskrepanz möchte ich noch anhand eines ganz aktuellen Beispiels hinwei­sen: Wir haben heute nicht nur den „autofreien Tag“, heute ist auch von betroffenen Damen und Herren aus dem Gasteinertal eine neue Petition eingereicht worden. Es geht darum, dass eine Bahnausbaustrecke endlich einer UVP unterzogen wird. Es wurde zugesichert, dass eine UVP stattfindet, und es ist auch der Rechtsanspruch dieser Damen und Herren, dieser Bürgerinnen und Bürger, dass jetzt eine UVP durch­geführt wird. Es gibt sogar eine Verankerung in einem Mediationsverfahren, also einen Vertrag darüber.

Was ist aber real der Fall? – Es wird „gestückelt“ und sofort ein Baulos ausgeschrie­ben, das an sich erst geprüft werden muss. Anhand dieses ganz konkreten, heute aktuellen Falles einer Petition von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern aus Bad Gastein kann man die Problematik der realen Verkehrspolitik vor Ort ermessen. Da sind wir in diesem Haus gefordert, wirklich auf Seiten der Betroffenen zu stehen und sowohl die Arbeit im Petitionsausschuss voranzubringen und voranzutreiben, als auch – und das ist ja auch mein Grundanliegen: „autofreier Tag“ – generell in der Ver­kehrspolitik mehr Rücksicht auf die Betroffenen zu nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Das sollte uns allen hier ein Auftrag sein, und wir müssen das nicht nur im Petitions­ausschuss, sondern verstärkt im Verkehrsausschuss und auch hier im Plenum disku­tieren. Wir brauchen eine Trendwende, eine Kehrtwendung in Richtung einer moder­nen Verkehrspolitik, die bürgerInnennahe ist, die anrainerInnennahe ist, die Mobilitäts­formen in Hinblick auf die Erfüllung des Kyoto-Ziels und vor allem eine billigere, kostengünstigere und Menschenleben rettende Mobilität unterstützt.

Bei allen Petitionen ist nämlich Folgendes im Hintergrund: Alle Petitionen dringen dar­auf, die Verkehrssicherheit sowohl beim öffentlichen Verkehr als auch beim motorisier­ten Individualverkehr im Auge zu behalten, und ich glaube, das sind vor allem auch AnrainerInneninteressen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.43

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Grander zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.43

Abgeordnete Maria Grander (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe auf die Petition Nr. 31 ein. Darin geht es um das Anliegen des Bundes der Tiroler Schützenkompanien betreffend die Unterstützung für die gemeinsamen Probleme in der Europa-Region Tirol. (Abg. Haidlmayr: Die wichtigste Petition der ÖVP!)

Im ersten Punkt gehen die Schützen – gemäß ihrem Grundsatz, dem Schutz von Hei­mat und Vaterland – auf die Transitproblematik der Region Tirol ein. Ihr Anliegen ist es, den Lebensraum der Bevölkerung im Rahmengebiet der Alpenkonvention sowie ent­lang der Transitrouten zu schützen. Auf Grund der Tatsache, dass auf der Brennerrou­te in den letzten drei Monaten Zuwachsraten von mehr als 20 Prozent beim schweren Güterverkehr verzeichnet wurden und insgesamt mehr als 80 Prozent der gesamten Straßengüter beim Transit durch Österreich den Brenner überqueren, besteht für Tirol ein Verkehrsproblem.

Diese Entwicklung bringt eine immer höher werdende Umweltbelastung, die mit einer steigenden Belastung für die Bevölkerung einhergeht, mit sich. Im Jahr 2002 wurde mit dem Bau der Unterinntaltrasse begonnen. Im April des heurigen Jahres wurde ein Abkommen zwischen Österreich und Italien für den Brenner-Basistunnel unterzeichnet. Die Weichen für den Ausbau der Eisenbahnstrecke auf dem Brennerkorridor sind somit


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 87

gestellt. Ziel muss es sein, Bauarbeiten an der Unterinntaltrasse weiterhin rasch zu bewältigen und das Projekt des Brenner-Basistunnels voranzutreiben.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gesundheit der Menschen Vorrang vor dem freien Warenverkehr haben muss!

Die Weichen für den Ausbau der Eisenbahnstrecke auf dem Brennerkorridor sind ge­stellt, und einer leistungsfähigen Infrastruktur im Schienenbereich muss weiterhin be­sondere Bedeutung zukommen. Diese Regierung hat mit der Reform der Österreichi­schen Bundesbahnen bereits wichtige Akzente gesetzt.

Wenn ich heute wieder die „TT“, die „Tiroler Tageszeitung“, lese, bin ich der Meinung, ein gemeinsamer Lobbyismus und eine gemeinsame Sprache führen schneller zum Ziel. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt der Petition befasst sich mit dem traditionellen Tragen der Waffen, was mein Kollege Schweisgut bereits angerissen hat. Allein in Tirol gibt es 233 Kompa­nien mit 15 000 aktiven Schützen, die durch ihre Waffen die Tradition der Wehrbereit­schaft symbolisieren. Für uns Tiroler haben die Schützen einfach einen großen Wert in der Tradition. Ich denke, das darf auch so sein und das darf man auch hier vertreten! (Beifall bei der ÖVP.)

Um noch einmal kurz darauf einzugehen: Auf Grund eines im Jänner 2004 beschlosse­nen Abkommens zwischen Österreich und Bayern ist den Schützen das Tragen ihrer Waffen auch in Bayern ohne Sondergenehmigung möglich. Somit steht der Traditions­pflege zwischen Bayern und Tirol nichts mehr im Wege. Jedoch ist es den Schützen sowohl aus Tirol als auch aus Bayern nach wie vor verboten, ihre historischen Waffen zu den kulturellen Veranstaltungen im Sinne der Brauchtumspflege nach Südtirol und Trentino mitzunehmen. Es wäre daher wünschenswert, ein derartiges Abkommen auch mit der Republik Italien, beschränkt auf Südtirol und Trentino, zu vereinbaren, damit die Tiroler Schützen traditionell im Austausch zwischen Süd und Nord mit den zur Tracht gehörenden historischen Waffen ausrücken können.

Das dritte Anliegen der Petition betrifft die Lösung der Ortsnamengebung in Südtirol. Die historisch gewachsenen ladinischen, deutschen und italienischen Orts- und Flur­namen sollen abgesichert werden und damit die Sprache der alteingesessenen Bevöl­kerung wahren.

Die Schützen werden, das habe ich bereits angeführt, als Traditionsträger wahrgenom­men. – Und das sind sie auch in sehr starkem Ausmaß. Darüber hinaus sind sie ein wichtiges gesellschaftliches Element, das Fragen der Zeit im heimatbewahrenden be­ziehungsweise im -beschützenden Sinn aufzeigt, diskutiert und Vorschläge und Lösun­gen erarbeitet.

So ist auch diese Petition zu verstehen, und ich bitte um Unterstützung der Anliegen der Tiroler Kultur- und Gesellschaftsträger beziehungsweise des Traditionsvereins. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.48

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir uns heute über den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerrechte unterhalten, so sollten wir dies auf Basis eines guten Gefühls tun. Wir diskutieren einen Bericht, der dokumentiert, dass wir uns mit den unmittelbaren Sorgen, mit den Proble­men und mit den Anliegen von Teilen – und, ich glaube, in vielen Fällen sogar der


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Gesamtheit der österreichischen Bevölkerung – auseinander gesetzt haben. Wir haben uns mit Themen befasst, die direkt aus den Vereinen, aus den Aktionsgruppen, aus den Nachbarschaftshilfen oder den Bürgerinitiativen an uns herangetragen wurden und in vielen Fällen nicht den geringsten parteipolitischen Hintergrund haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit Bürgerbeteiligung in reinster Form zu tun, mit Menschen, die sich interessieren, die sich für andere einsetzen und die für eine Sache eintreten, von der sie überzeugt sind. Es ist nun an der Zeit, diesen Menschen zu danken und ihnen zu sagen: Nur weiter so, und weiterhin Petitionen und Bürger­initiativen einbringen! (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! An uns liegt es, das Engagement dieser Menschen in einer würdigen und anspruchsvollen Art weiter- und fortzuführen. Doch ich muss fra­gen: Geschieht das immer? – Betrachte ich zum Beispiel diese zwölf Petitionen und fünf Bürgerinitiativen des aktuellen Berichtes, so muss ich feststellen, dass sich dar­unter so manche befinden, die bis zu ihrer Behandlung ein Jahr oder sogar noch länger warten mussten.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Ist das der richtige Umgang mit den Anliegen unserer Bevölkerung? – Ich muss darauf antworten: Nein! In Anbetracht solcher Ver­säumnisse dürfen wir uns auch nicht wundern, dass es Umfragen und Aussagen gibt, denen zufolge wir alles andere als gute Noten von den Bürgerinnen und Bürgern unse­res Landes bekommen.

Wir, meine Damen und Herren, müssen jetzt beweisen, dass wir qualitätsvoll, zügig und vor allem richtig entscheiden können. Es darf niemals passieren, dass wir uns als Schubladisierer betätigen. Wir Mitglieder des Bürgerrechts- und Petitionsausschusses müssen verstehen – anstatt zu vertagen und zu verschieben!

Über alle Parteigrenzen hinweg beklagen wir uns immer wieder über den schwin­denden Gemeinschaftssinn oder über die so genannte Ellbogengesellschaft, die die angebliche Ursache einer zunehmenden Entsolidarisierung ist. Hier haben wir jedoch einen Ausschuss, der per definitionem genau das Gegenteil von dem ist, was wir als Problem betrachten.

Natürlich sind wir in diesem Ausschuss oft mit Problemen und Schwierigkeiten befasst, natürlich richtet sich vieles von dem, was kritisiert und gefordert wird, vor allem gegen die Politik, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, vertreten und beschließen, aber ich glaube, es ist gut, dass solche Petitionen eingebracht wer­den. Dennoch bitte ich Sie, diese Anliegen nicht nur durch Ihre parteipolitische Brille zu sehen.

Auch wenn meine Partei, die SPÖ, mitgeholfen hat, alleine acht der zwölf behandelten Petitionen einzubringen, so glaube ich wohl, dass es zu all diesen Themen möglich gewesen wäre, eine gute gemeinsame Lösung für die Menschen zu erreichen. Wir könnten gemeinsam dafür Sorge tragen, dass keines von den an uns herangetragenen Themen durch Kenntnisnahme endabgewickelt wird und letztendlich abgehakt in ir­gendeinem Bericht landet, sondern dass wir dies wirklich behandeln, differenziert dis­kutieren und einer echten Lösung zuführen. Heute leiten wir ja maximal an den Außen­politischen Ausschuss oder an den Finanzausschuss weiter.

Meine Damen und Herren! Das Instrumentarium der Petition und der Bürgerinitiative ist ein wichtiges und wertvolles für dieses Haus. Wir müssen es pflegen und dankbar da­für sein, dass es Menschen gibt, die dieses Instrument anwenden. Wenn ich nun sage: Nur weiter so!, dann gilt das genau für diese Menschen. Aber für uns muss es in Zu­kunft heißen: Vieles muss anders werden, vieles muss sich ändern.


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Ich hoffe, dass gerade die Damen und Herren von den Regierungsparteien in Zukunft dafür bereit sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

 


14.52

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Natürlich ist der Petiti­onsausschuss – so sehe ich das – der verlängerte Arm eines modernen Bürgerbeteili­gungsverfahrens und hat nicht nur mit dem Umsetzen von Projekten zu tun, sondern vor allem auch mit anderen Dingen, nämlich mit der Frage: Inwieweit gibt es Rechts­sicherheit bei manchen Anfragen, inwieweit gibt es Ansprüche, die geltend gemacht werden können? – Das ist für mich ein Bereich, der ganz wichtig ist.

Ich kann in einem Punkt den Grünen nicht ganz zustimmen, vor allem der Kollegin Haidlmayr und der Kollegin Moser nicht, denn gewisse Petitionen haben durchaus auch Erfolg. Ich denke etwa an die Petition, die die Aufhebung rückwirkender Gerichts­gebührenforderungen gegenüber Wohnbauförderungsbeziehern betrifft. Das ist ein aktueller Fall. Dem Vernehmen nach hat sich da in den letzten zwei Tagen eine Ver­besserung eingestellt. Das Justizministerium hat nun zur Kenntnis genommen, dass diese Nachforderungen doch nicht dem Vertrauensschutz und der Rechtssicherheit dienen. – Es geht also etwas weiter. Man kann nicht sagen, dass gewisse Dinge ein­fach auf die lange Bank geschoben und in der Schublade abgelegt werden. Tausende Familien in Salzburg profitieren von dieser Petition und die letztendliche Konsequenz war, dass über die Parteigrenzen hinweg alle Abgeordneten im Lande Salzburg und genauso hier im Hohen Hause diese Petition mit Nachdruck verfolgt haben. Das ist im Interesse vieler Familien, vieler Jungfamilien, die urplötzlich 2 000 bis 7 000 € nach­zahlen hätten müssen. – Das ist nun sicher ein Positivum.

Da Frau Kollegin Moser dieses Thema heute schon angesprochen hat, möchte ich zu einer aktuellen Sache etwas sagen, nämlich zu Gastein. Heute ist eine Petition einge­bracht worden betreffend Neubau einer Hochleistungsstrecke im Gasteinertal. Das ist keine Frage, da geht es auch um Rechtssicherheit. Ich habe diese Petition unterschrie­ben, weil ich mir gedacht habe, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rechtssicherheit und in die Gesetzgebung sollte nicht auf das Abstellgleis gestellt wer­den. Das ist das Entscheidende, deswegen habe ich diese Petition auch unterschrie­ben, wohlwissend, dass der Schienenverkehr und auch der Straßenverkehr durchaus unterschiedliche Positionen und Interessen hervorrufen können.

Wir wissen um die Interessen der Regionen, wir wissen um die Interessen des Rechts­trägers, der die Schiene betreibt. Wir wissen auch um die Wertschöpfung eines Tales wie des Gasteinertales, das natürlich eine Wertschöpfung von Hunderten Millionen Schilling erbringt. Und wir wissen vor allen Dingen darum, dass der Lebensraum der Menschen geschützt gehört. Das ist das Entscheidende einer Petition; das ist das, was wir ständig immer wieder, auch wenn die Mühlen langsam mahlen, beachten müssen.

Kompliment! Kompliment an alle Bürgerinitiativen! Von ihnen hat heute überhaupt noch keiner gesprochen, nämlich dass sie sich uneigennützig in ihrer Freizeit für die Belange anderer einsetzen, nicht nur für die eigenen, ureigensten Belange, sondern auch für die Belange anderer.

Und Kompliment der Bürgerinitiative Gastein! Sie hat auch innovative Vorstellungen. Ich weiß nicht, ob die Damen und Herren anwesend sind. – Freut mich. – Unter dem Titel „Güter und Güterzüge in Gastein“ bereitet sie das anständig auf. (Der Redner hält ein Dokument in die Höhe.) Sie erklären das Problem auch dem Herrn Präsidenten des


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Nationalrates. Das Ganze ist also anständig aufbereitet, einfach toll. Das ist ein Pro­dukt der Gasteiner. Kompliment, Gratulation! – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der Freiheitlichen sowie der Abg. Rest-Hinterseer.)

14.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


14.56

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Werte Frau Staats­sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen zusammensetzen, haben wir selten weniger als 30 Ta­gesordnungspunkte vor uns; so zahlreich sind die Anliegen, die auf direktem Wege an uns herangetragen werden. Und so verschieden die Anliegen auch sind, sie haben durchwegs eines gemeinsam – wenn man von ein paar politisch motivierten Ausnah­men absieht, Stichwort: Petition zur Erhaltung der deutschen Mutter- und Amtssprache, für die sich Kollege Scheuch stark gemacht hat –: Sie betreffen die unmittelbaren Lebensinteressen der Menschen.

Die Menschen unterschreiben für eine Überzeugung, aber besonders gern für ein An­liegen, zu dem sie ein besonderes Naheverhältnis haben – oft aus dem unmittelbaren Lebensumfeld, wie das mein Vorredner auch erkannt hat, wie eben die Petition betref­fend „Für den Erhalt der Mariazeller Bahn“, die heute schon mehrfach erörtert worden ist. Oder auch die Petition gegen Fahrplanverschlechterungen der Zugverbindung Marchegg – Wien, um nur einige zu nennen.

Da Frau Kollegin Rossmann versucht hat, das heute so abfällig darzustellen, möchte ich sagen: Hiebei und bei anderen derartigen Petitionen geht es um die gedeihliche Entwicklung von Regionen, die eigentlich nicht nur ein regionales Thema, sondern ein gesamtösterreichisches Anliegen sein sollte, denn niemand von uns kann Interesse daran haben, dass ganze Regionen durch Abwanderung und Betriebsabsiedelungen veröden, und zwar in erster Linie deswegen, weil Infrastruktur ausgehöhlt oder nicht adäquat ausgebaut wird.

Wirtschaft hat sich immer entlang von Verkehrswegen entwickelt. Daran hat sich seit den Römern nicht viel geändert, daraus erklärt sich auch die große Zahl an Petitionen im Themenumfeld Verkehr. Wenn Sie nun an dieser Schraube drehen, so drehen Sie den Lebensnerv einer Region ab, anstatt durch besondere Impulse Regionen wieder als Betriebsstandorte und Wohnorte attraktiv zu machen. Das ist kein lokales Problem im Mariazeller Land oder sonst wo, sondern es ist ein österreichweites Phänomen, dass vor allem junge Menschen gezwungen sind, ihre Heimatgemeinden zu verlassen, weil sie dort keine Erwerbschancen mehr vorfinden und das öffentliche Verkehrsnetz, besonders in ländlichen Regionen, praktisch abgeschnitten wird – mit der Konsequenz, dass Regionen zunehmend aussterben.

Ganz besonders akut ist das Problem in der Steiermark, wo ich herkomme, weil es dort durch eine völlig verfehlte Verkehrspolitik des Landes noch verschärft wird. Die Steier­mark hat im Bereich Verkehrspolitik durch Frau Landeshauptmann Klasnic und den zuständigen Verkehrsreferenten eine sehr, sehr schwache Lobby (Abg. Grillitsch: Wer war Verkehrsreferent? War das nicht Herr Ressel? Wie viele Jahre war Ressel Ver­kehrsreferent?), was sich auch darin gezeigt hat, dass die Steiermark im Generalver­kehrsplan – auch unter der Ministerschaft eines Steirers, der aus Ihren Reihen (in Rich­tung Freiheitliche) gekommen ist – weitgehend unberücksichtigt geblieben ist. Und vom Theater um den Semmering-Basistunnel möchte ich hier gar nicht sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das alles geht auf Kosten der Zukunftschancen der Regionen und der dort lebenden Menschen, vor allem der jungen Menschen. Und das darf eine verantwortungsvolle Politik nicht zulassen, hier muss aktiv gegengesteuert werden! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Politik ist eben planvolles Gestalten der Zukunft. Das erkennen die Menschen, die solche Bürgerinitiativen und Petitionen unterstützen, genau. Ich hoffe, dass Sie von der rechten Seite dieses Hauses das auch irgendwann einmal erkennen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über Punkt 3 der Tagesordnung, damit die verlangte Be­handlung eines Dringlichen Antrags gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfin­den kann.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grund­sicherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen (448/A) (E)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 448/A (E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Mit der Vorlage eines Entwurfs zur neuerlichen Veränderung des Pensionsrechts hat die Bundesregierung Konfusion und Verunsicherung in Zusammenhang mit dem Pen­sionsrecht der Zukunft in bisher ungekannte Höhen getrieben:

Eine Vielzahl einander konkurrierender Übergangs-, Parallel- und Detailbestimmungen produzieren Unsicherheit und Verwirrung unter jenen Menschen, die in den nächsten Jahren in Pension zu gehen gedenken.

Die seit Jahren immer wieder vom Zaun gebrochene Debatte um Stückwerk-Reformen des Pensionsrechts – stets gefolgt von Versprechungen, die jeweilige Reform sei nun der „große Wurf“, der nun auf Jahre und Jahrzehnte hinaus Pensionen sichern wür­den – wiederum hat gerade junge Menschen extrem verunsichert. Mehr als sechzig Prozent der in aktuellen Umfragen befragten jungen Menschen geben an, nicht mit einer existenzsichernden Pension im Alter zu rechnen.

Es ist fraglos eine Leistung dieser Bundesregierung, im einst gerade für das System der sozialen Sicherung weithin gerühmten Österreich Zukunfts- und Existenzängste geschürt und an die Spitze getrieben zu haben.

Der nunmehr vorgelegte Gesetzesentwurf reiht sich nahtlos ein in die Serie der Stück­werkreformen der letzten Jahre. Eine Vielzahl von sich zum Teil konkurrierenden Über­gangsbestimmungen und die ungeheure Komplexität des von der Regierung vorge­schlagenen Systems mit unterschiedlichen Parallelrechnungen (der Rechtslagen 2004 und der Rechtslage nach etwaiger Umsetzung des Entwurfs), Vergleichsrechnungen (zwischen Rechtslage 2003 und Rechtslage 2004), unterschiedlichen Beitragshöhen (je nach Versicherungssystem) und unterschiedlichen Möglichkeiten der zeitlichen Ge­staltung des Pensionsantritts (je nach Geschlecht) macht das im Entwurf vorgesehene Regelwerk für die Versicherten undurchschaubar, für die Pensionsversicherungen schwer administrierbar.


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Völlig unrealistische Annahmen bei der Berechnung der Kosten setzen dem Gesetzes­vorhaben außerdem zeitlich absehbare ökonomische Grenzen:

Die Finanzierung der Kinderbetreuungszeiten aus Mitteln des ohnehin defizitären Familienlastenausgleichsfonds wird dem FLAF bis 2010 ein zusätzliches Minus von mindestens 1 Mia € bescheren.

Die in den Berechnungen der Bundesregierung etwa angenommenen Werte der Pro­duktivitätssteigerung etwa von 1,97% für 2005 entspringen bestenfalls der Phantasie oder dem Wunschdenken der Regierung. Das Wifo hat in seiner Juliprognose – ohne­hin bereits eine gegenüber dem Frühjahr verbesserte Voraussage – einen Wert von 1,6% angenommen. Dies gilt auch für die Annahmen der Folgejahre.

Neben der Tatsache, dass die Berechnungen der Regierung von Szenarien ausgehen, deren Parameter um 20% zu hoch angesetzt wurden, kamen bei Entwicklung und Be­rechnung der Auswirkungen des vorliegenden Gesetzesentwurfs Modell-Erwerbsver­läufe zur Anwendung, die jeden Bezug zur Lebensrealität der Versicherten vermissen lassen.

So findet in den Modellverläufen die Tatsache, dass statistisch betrachtet

jedeR ArbeitnehmerIn zumindest einmal in drei Jahren ca. hundert Tage arbeitslos ist

nur 29% aller Frauen nach Phasen der Kinderbetreuung wieder auf ihren vorherigen Arbeitsplatz zurückgehen können

oder aber

Frauen nach Betreuungsphasen oft sehr lange Phasen schlecht bezahlter Teilzeitarbeit in Kauf nehmen müssen

keine auch nur annähernd ausreichende Berücksichtigung.

Den Preis für diese völlig absurden Annahmen zahlen

Frauen, deren Erwerbskarrieren anders als in den Modell-Erwerbsverläufen von sehr langen Phasen der Kinderbetreuung, der Teilzeitarbeit sowie der Betreuung von Famili­enangehörigen sowie – daraus resultierend – häufigem Wechsel der ArbeitgeberInnen und entsprechend verminderten Karrierechancen gekennzeichnet sind;

Menschen, die Zeit in ihre Ausbildung investieren;

Menschen, die den Aufruf zu lebensbegleitender Weiterbildung ernst nehmen und Geld, vor allem aber (versicherungsbeitragsfreie) Zeit investieren;

Menschen mit niedrigem Einkommen, die von den aus der Neuregelung der Pensions­höhen resultierenden Pensionskürzungen besonders hart getroffen werden;

Versicherte nach dem ASVG, die trotz höherer Beiträge keine höheren Pensionen erhalten als etwa Versicherte nach anderen Versicherungssystemen.

Obwohl das österreichische Pensionsrecht in den letzten zehn Jahren drei Mal sehr tiefgreifend verändert wurde und mit der Umsetzung des vorliegenden Gesetzesent­wurfs nunmehr weitere tiefe Eingriffe vorgenommen wurden, verhinderte die andau­ernde Auseinandersetzung mit den Stückwerkreformen und die Tatsache, dass die vorgenommenen und geplanten Veränderungen stets geheim verhandelt wurden eine ausführliche und öffentliche Debatte über die generellen Anforderungen an ein System der Alterssicherung in der Zukunft. Auch die Kommission zur langfristigen Pensionssi­cherung verabsäumte es, Alternativen zum gegenwärtigen System der Alterssicherung zu diskutieren oder gar zu berechnen. Und schließlich führte die Nichteinbindung der Oppositionsparteien mit ihren durchaus unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich


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einer sozialen Sicherung im Alter dazu, dass etwa das Modell einer Grundsicherung in Kombination mit einer beitragsfinanzierten Pension aus Erwerbstätigkeit weder disku­tiert noch berechnet wurde.

Tatsache ist, dass die im gegenwärtigen System eingesetzten Mittel aus Steuern sehr ungerecht verteilt werden. Gerade Menschen mit niedrigen Pensionen und Frauen wer­den von den ins System fließenden Steuermittel besonders wenig begünstigt. Men­schen mit hohen Pensionen hingegen profitieren davon überdurchschnittlich.

Die Verteilung der über Steuern aufgebrachte Mittel zur sozialen Sicherung im Alter ist jedoch ein wesentliches Kriterium der Gerechtigkeit.

Nach Vorstellung der Grünen sind diese Mittel in Form einer Grundsicherung gleichmä­ßig auf alle Versicherten aufzuteilen, um allen Menschen unabhängig von ihrer sozia­len Herkunft, ihrer Stellung in der Gesellschaft, ihres Geschlechts oder des von ihnen gewählten Lebensentwurfs eine menschenwürdige Existenz im Alter zu garantieren.

Neben dieser Grundsicherung ist eine nach dem Umlageverfahren funktionierende bei­tragsfinanzierte Pension aus Erwerbsarbeit zu stellen, die nach rein versicherungsma­thematischen Kriterien zu Stande kommt und daher keiner Steuermittel bedarf. In diese Pension haben – ähnlich dem vorgelegten Gesetzesentwurf – auch Beiträge für jene (Ersatz-)Zeiten zu fließen, die auf Basis der gegenwärtigen Rechtslage nicht oder nur pauschal ins System fließen.

Die Darstellung möglicher Alternativen und ihrer Wirkungen ist Voraussetzung für eine breite und öffentliche Debatte über die Zukunft des Pensionssystems, die zur Wieder­gewinnung des Vertrauens sowohl der kurz vor Pensionsantritt wie auch der jungen Menschen unabdingbar ist. Die Chance auf eine derartige öffentliche Diskussion zu vergeben bedeutete, eine ganze Generation von Menschen in Unsicherheit über ihre Zukunft zu belassen und Politikverdrossenheit, Ablehnung von politischer wie gesell­schaftlicher Partizipation und gesellschaftliche Entsolidarisierung in Kauf zu nehmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR folgenden

Dringlichen Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere aber der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, ehestens, jedoch spätestens bis 1. Dezember 2004, Kosten und Wirkung eines Modells der Alterssicherung zu be­rechnen bzw. öffentlich darzustellen, das folgenden Kriterien entspricht:

Existenzsichernde Grundsicherung durch eine Sockelpension für alle, die aus den ge­genwärtig über Steuern aufgebrachten Mittel zur sozialen Sicherung im Alter finanziert wird.

Beitragsfinanzierte Versicherungspension aus Erwerbsarbeit, die sich nach rein versi­cherungsmathematischen Kriterien errechnet.

Die Versicherungspension funktioniert nach dem Prinzip „gleicher Beitrag – gleiche Leistung“.

Sockelpension und Versicherungspension sind in Höhe der gegenwärtigen ASVG-Höchstpension gedeckelt.


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Pensionssplitting für alle im Zuge einer Partnerschaft erworbenen Ansprüche aus der Versicherungspension, unabhängig davon, ob es sich dabei um Zeiten etwa der Kin­derbetreuung oder der Hospizkarenz o. Ä. handelt.

Zur Berechnung des Modells sind alle gegenwärtig aus Steuern finanzierten Mittel zur Alterssicherung unabhängig von der Art des Pensionsversicherungsverhältnisses her­anzuziehen.

Finanzierung von Beiträgen für Zeiten der Kinderbetreuung, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit usw. aus den jeweils relevanten Töpfen (FLAF, AMS...).

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß. § 74a i. V. mit § 93 Abs. 1 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich erteile nun Herrn Abgeordnetem Öllinger als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort.

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht über­schreiten. – Herr Antragsteller, Sie haben das Wort.

 


15.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten ja heute Vormittag schon die Möglichkeit, ansatzweise unsere Kritik an dem, was Sie als „Meilenstein“ oder „neue Jahrhundertreform“ bezeichnen, zu äußern.

Ich habe Ihnen schon am Vormittag gesagt: Wir Grüne sagen ja zu einer Harmonisie­rung der Pensionssysteme. Ja – aber nur nach dem Prinzip, dass gleicher Beitrag auch gleiche Leistung bedeutet. Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Partnerbeiträgen für bestimmte Gruppen operieren, um damit verstecken zu wollen, dass es eben doch nicht gleiche Beiträge gibt, die dann die gleiche Leistung ergeben, dann ist das der erste grundlegende Fehler.

Wir sagen auch ja zu einer Durchrechnung. Der Herr Bundeskanzler hat Recht gehabt: Ja, es sind alle vier Parteien im Prinzip für eine Durchrechnung der gesamten Lebens­zeit. Ja! Aber damit die Durchrechnung nicht derart katastrophale Folgen zeitigen kann, wie sie sie in diesem System hat, braucht es, egal, ob Sie das eine Grund­pension, eine Grundsicherung, eine Mindestpension oder eine Sockelpension nennen, etwas, was das – was die lebenszeitliche Durchrechnung für viele Menschen ja auch bedeutet, die nämlich nicht lebenszeitlich arbeiten zu können –, abfedert.

Es gibt genügend Gruppen, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich komme noch darauf zu sprechen –, für die Ihre Zauberformel „45 – 65 – 80“ kein Maßstab sein kann. Ich weise Sie darauf hin, dass diese Zauberformel „45 – 65 – 80“ einem Modell von Lebensarbeit entspricht, das für die meisten Menschen, vor allem aber für Frauen, nicht mehr Realität ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich werde Ihnen dazu auch noch Beispiele bringen, aber zunächst zur grundsätzlichen Kritik. Wir Grüne wären bei einem Pensionsmodell oder bei einer Pensionsreform dabei, bei der wir, Herr Abgeordneter Molterer, darüber diskutieren und uns einig sein könnten, dass wir die Pensionsausgaben, gerade im Hinblick auf die zu erwartenden demographischen Anforderungen, stabilisieren. Es soll nicht mehr werden. Wir brau­chen das Geld, gemessen am BIP, auch für andere wichtige Aufgaben, für die Bildung etwa.


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Was machen Sie? – Sie kürzen bei der Bildung. Sie kürzen in anderen Bereichen, und Sie kürzen auch bei den Pensionen. Das ist nicht unser Modell, Herr Abgeordneter Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen – das stammt ja nicht von mir, es stammt aus Ihren Unterlagen (der Redner hält diese in die Höhe) – Folgendes: Wenn Sie mir, Herr Abgeordneter Molte­rer, erklären können, warum die Ausgaben – das stammt aus den Beilagen zu Ihrem Entwurf – im ASVG zwischen 2005 und 2010, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, also der gesamten Wertschöpfung des Landes, von 9 Prozent auf 8,3 Prozent absinken, was eindeutig eine Senkung um ein ¾ Prozent des BIP innerhalb weniger Jahre ist, obwohl wir im Jahr 2010 mit Sicherheit mehr Pensionisten haben und nicht weniger, wenn Sie diese Senkung – nicht diese Stabilisierung – in Übereinstimmung bringen können damit, was der Herr Bundeskanzler heute am Vormittag gesagt hat, nämlich, es werde allen durch diese Reform besser gehen, dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Erklärung. Dann wünsche ich Ihnen wirklich viel Glück! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)

Zurück zu dieser Formel „45 – 65 – 80“. Ich meine: Es stimmt überhaupt nichts an die­ser Formel. Es kann keine Norm mehr für ein Erwerbsleben geben. (Abg. Mag. Molte­rer: Für das System!) Das wissen Sie, Herr Abgeordneter Molterer!

Viele Menschen arbeiten ihr ganzes Leben lang, bringen aber trotzdem in der Erwerbs­arbeit nur 30 Jahre zu, Frauen beispielsweise, 15 Jahre, 20 Jahre. (Abg. Steibl: Bei uns sind nur sieben Jahre notwendig!)

Viele Menschen arbeiten 35 Jahre und können nicht länger arbeiten, etwa Schwer- und Schwerstarbeiter.

Viele Menschen würden gerne länger arbeiten oder würden überhaupt gerne erst in das Arbeitsleben einsteigen können. Das ist eine Herausforderung, die auf uns zu­kommt. Das wissen Sie auch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das sind junge Menschen, die zwar eine gute Ausbildung, aber keine Chance haben, in das Erwerbs­leben einzusteigen. Was sagen Sie denen, Herr Abgeordneter Molterer? – Pech ge­habt?! Du musst eben irgendwie bis 75 arbeiten, damit du auch nur eine ausreichende Pension erhältst. – Das kann es wohl nicht gewesen sein.

Was ich meine, ist: In dieser Zauberformel „45 – 65 – 80“, die Sie ja immer wieder be­schwören, liegt das Problem. Es gibt nicht mehr den einen Erwerbsverlauf, so wie ihn unsere Väter- und Müttergeneration – hauptsächlich die Väter – noch hatten, nämlich mit 15 Jahren in das Arbeitsleben einsteigen, einen Job bis 65 – oder bis 60 – durch­machen und dann die wohlverdiente – ich sage: wohlverdiente – Pension genießen. Das ist vorbei. Das ist für viele Menschen nicht mehr Realität, zumindest für die Hälfte derer, die sich im Erwerbsleben befinden. Das ist vorbei!

Ein Pensionssystem, das darauf nicht Rücksicht nimmt, das diesen Umstand nicht berücksichtigt und das diesen Menschen nicht zumindest während der Pension eine Grundlage, sprich eine Grundsicherung, schafft, solch ein Pensionssystem ist nicht nachhaltig konzipiert.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Vorzug einer Grundsicherung, einer Mindestpension, einer Sockelpension, oder wie Sie es auch immer nennen wol­len. Diese kann diese Ungerechtigkeiten zwischen den verschiedenen Gruppen tat­sächlich beseitigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist auch nicht einzusehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass im beste­henden Pensionssystem – wenn ich jetzt davon ausgehe, dass ja Steuermittel in das bestehende Pensionssystem oder in die Pensionssysteme einfließen, Steuermittel im Ausmaß von zirka einem Drittel der gesamten Aufwendungen für Pensionen – diejeni-


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gen mehr davon haben, die ohnehin schon eine höhere Pension erhalten. Das wird durch Ihr Pensionssystem, durch Ihren Vorschlag reproduziert.

Wir sagen ganz klar als Alternative: Unabhängig von den Erwerbsverläufen, unabhän­gig vom Geschlecht, unabhängig davon, ob jemand unterbrochen hat – und das ist in der Regel nicht freiwillig –, unabhängig davon, ob jemand lange Ausbildungsgänge hatte oder nicht, soll es eine Grundsicherung für alle geben und zusätzlich die Versi­cherungspension. Das wäre unserer Meinung nach wesentlich gerechter als das Modell, das auf eine Norm abstellt, nämlich „45 – 65 – 80“. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt aber noch einmal zurück zum Thema. Das eigentliche Problem bei diesen 45 Jahren, die sozusagen die Norm bilden sollen, ist, dass dieses Modell ungerecht ist für jene, die – ich habe es schon erwähnt – etwa erst später einsteigen können, weil sie nicht die Chance auf einen Arbeitsplatz haben oder weil sie eine lange Ausbildung hatten.

Ich habe am Vormittag ein Beispiel dazu gebracht: Nehmen Sie die Universitätslekto­rinnen und -lektoren! Diese stehen jetzt gerade – und das war ja nicht zufällig an Frau Bundesministerin Gehrer adressiert – vor einer Kürzung ihrer ohnehin schon sehr knappen Gehälter um 30 Prozent, quer durch Österreich an allen Universitäten. Sie leben von zirka 1 000, 1 200 €, wenn es gut geht, aber sie dürfen davon nicht das ganze Jahr leben, sondern eben nur jene neun Monate lang, in denen sie unterrichten. (Abg. Scheibner: Wie hoch soll die Grundsicherung sein?) Drei bis vier Monate im Jahr kein Einkommen, drei bis vier Monate im Jahr auch keine Sozialversicherung! Auf zehn Jahre gerechnet bedeutet das schon eine erhebliche Minderung für die Voraus­setzungen für eine Pension.

Herr Abgeordneter Scheuch, Sie verstehen es nicht! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Ich versuche aber, es Ihnen zu erklären, und ich komme auch noch auf die speziellen Beispiele zu sprechen, die Sie eigentlich verstehen sollten und an denen man merkt, dass die FPÖ eigentlich nur eines kann, nämlich pausenlos umfallen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Da sagen Sie ja ganz etwas Neues! Da klatscht nicht einmal einer!)

Herr Abgeordneter Scheuch! Universitätsassistenten und -assistentinnen erhalten jetzt neue Verträge über ein Monatsgehalt in der Höhe von 900 €. Von diesen 900 € sollen sie mehrere Jahre leben. Dieser Vorschlag ist gerade aktuell in Debatte. – Glauben Sie, dass diese Universitätsassistenten und -assistentinnen, genauso wie die Personen im Reinigungsbereich – früher hat man „Putzfrauen“ dazu gesagt –, jemals die Chance auf eine ausreichende Alterssicherung haben? Glauben Sie das wirklich? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ja!) Ich werde noch dazu kommen, Herr Abgeordneter Scheuch, und Ihnen das anhand der Beispiele Ihres Ministeriums erläutern! (Abg. Scheibner: Wie hoch soll die Grundsicherung sein?)

Es gibt da aber nicht nur Probleme für jene, die unterbrochene Erwerbsverläufe haben. So ist zum Beispiel der Formelteil 45 für Personen nicht bewältigbar, die Schwerarbeit leisten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Ich möchte schon dar­auf hinweisen, dass Ihnen, Herr Abgeordneter Scheuch, dieses Problem eigentlich nicht egal sein sollte, denn Sie und Ihre Partei haben in der Vergangenheit immer ganz groß den Mund aufgemacht, wenn es darum hätte gehen sollen, die Schwerarbeiter abzusichern!

Ich erinnere Herrn Kollegen Walch – der jetzt wieder hier ist – daran, dass er noch im Jahr 2002, und zwar im September, Oktober und November, also noch vor den Wah­len, davon gesprochen hat, dass mit den Freiheitlichen eine weitere Anhebung bei den Frühpensionen nicht machbar ist.


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Herr Kollege Walch! Erinnern Sie sich! Was ist gekommen? – Die Abschaffung der Frühpensionen!

Ich erinnere auch Frau Kollegin Rauch-Kallat daran, dass sie es war, die im September und Oktober 2002 vor den Wahlen gesagt hat: Von Seiten der ÖVP ist keine weitere Anhebung bei den Frühpensionen geplant. – Dann haben Sie die Frühpensionierungen auch wegen lang dauernder Versicherungszeiten und wegen geminderter Erwerbs­fähigkeit abgeschafft und haben als Ausgleich dafür eine Schwerarbeiterregelung ver­sprochen. – Gut.

Wie aber steht es bis jetzt um die Schwerarbeiterregelung? Was haben wir von der Schwerarbeiterregelung, außer dem Wissen, dass nicht viel mehr davon erfasst wer­den sollen als jene, für die derzeit die Nachtschichtarbeitsregelung gilt? Sie wissen bis dato immer noch nicht, welche Personengruppen genau hineinfallen sollen. – Ich weiß aber jetzt schon, Herr Kollege Walch, dass es kaum einen Schwerarbeiter oder eine Schwerarbeiterin in Österreich geben wird, die 45 Jahre arbeiten kann! Das sollten eigentlich auch Sie wissen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich lese Ihnen gerne aus dem Schreiben vor, das Sie genauso erhalten haben wie alle anderen Fraktionen: Es stammt von Leuten, die im Tunnelbau arbeiten, ist an den Bun­deskanzler gerichtet und ein durchaus eindrucksvolles Schreiben. – Darin heißt es:

„Wir arbeiten rund um die Uhr und das im Durchlaufbetrieb, das heißt, der Vortrieb steht nur ein- bis zweimal im Jahr für ein paar Tage still (Weihnachten und Ostern), an­sonsten sind wir 9 Tage auf der Baustelle und drei Tage zu Hause, egal ob Samstag, Sonntag oder Feiertag. ... Wir stehen oft monatelang im kalten Bergwasser, über Staub und Lärmbelastung auf Tunnelbaustellen brauche ich keine Worte verlieren.

Ich mache mir schon längere Zeit Gedanken, wie es mit uns weitergehen soll, für andere leichte Arbeiten sind wir schon zu alt. Unser einziger Lichtblick war es bis jetzt, mit 55 Jahren in Pension zu gehen und ein wenig von der versäumten Freizeit nachzu­holen beziehungsweise uns von der schweren Arbeit erholen zu können, damit das Leben, das wir geführt haben, einen Sinn hatte.

Wenn es nach euren Wünschen geht und wir bis 65 Jahre arbeiten sollen, kann ich Ihnen garantieren, dass 85 Prozent der Tunnelarbeiter die Baustelle in einem Sarg ver­lassen werden.“ (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Herr Kollege Scheuch, Sie können die „65 Jahre“ auch durch „60 Jahre“ ersetzen. Bei diesen Personengruppen – und das wissen Sie – ist nicht zu erwarten, dass diese von einer Schwerarbeiterregelung profitieren werden, bei der Sie 45 Jahre Beschäftigung verlangen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist leider so!)

Herr Kollege Scheuch, ich halte einmal mehr fest: Die Schaffung einer Schwerarbeiter­regelung ist Schwerstarbeit! Aber das haben Sie sich aufgebürdet. Was wir wissen, ist: Wäre Umfallen auch eine Kategorie der Schwerarbeit, dann hätte die FPÖ schon längst ein Anrecht auf die Schwerarbeiterkategorie! So oft, wie Sie in dieser und in allen anderen Fragen der Pensionsreform umgefallen sind, das ist wirklich Schwerst­arbeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Interessant ist – und das führt durchaus zu Ihnen, Frau Staatssekretärin –, dass wir in den letzten Tage von verschiedener Seite natürlich auch verschiedene Darstellungen über die Pensionsreform erhalten haben. (Abg. Eder: Sie braucht Nachhilfe in der Pensionsreform!)

Es gibt auch Beispiele von Seiten des Sozialministeriums, die vermutlich nicht Sie er­rechnet haben, Frau Staatssekretärin, sondern Personen aus Ihrer Abteilung. In einem


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Fall geht es nach einer Aussendung der APA vom 9. September um einen Arbeiter, Versicherungsbeginn mit 15, Pensionsantritt mit 60, 45 Versicherungs- und Beitrags­jahre, und es wird ein Vergleich zwischen der alten Pensionsregelung und dem Pensi­onsrecht 2004, also der Pensionssicherungsreform 2003 und der Rechtslage neu, angestellt.

Interessant ist dabei, dass Ihr Ministerium und die Mitglieder der Bundesregierung immer gesagt haben, dass das, was die Arbeiterkammer errechnet hat, eine scham­lose Übertreibung sei. – Das stimmt nicht! Jetzt lese ich nämlich in Ihrem Beispiel, dass dieser Arbeiter, von dem ich gesprochen habe, durch die Rechtslage 2004 eine Pensi­onskürzung von 9,5 Prozent hätte.

Das ist interessant, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn gerade Sie sind in den letzten Monate überall in der Öffentlichkeit aufgetreten und haben gesagt: Die Bei­spiele der Arbeiterkammer und aller anderen, die davon sprechen, dass es bis zu zehn Prozent Pensionskürzung geben soll, seien Schimäre, Lüge, Unwahrheit oder – wie der Bundeskanzler gesagt hat – Gräuelpropaganda! – Jetzt steht aber im Rechenbei­spiel des eigenen Ministeriums, dass die Pensionssicherungsreform für diesen Men­schen eine Pensionskürzung um 9,5 Prozent, und zwar von einem Jahr auf das andere Jahr, gebracht hätte!

Ich weiß schon, meine Damen und Herren: Der Bundeskanzler und die Bundesregie­rung sind inzwischen draufgekommen, dass eine Pensionskürzung um zehn Prozent von einem Jahr auf das andere verfassungsrechtlich vermutlich dem Vertrauensschutz nicht standhalten würde. Darum wird jetzt bis 2006 diese Deckelung von zehn Prozent auf fünf Prozent herunter genommen, um danach wieder angehoben zu werden.

Nun aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich hier wieder eine Tabelle der von Ihnen nicht geliebten Arbeiterkammer, in welcher jetzt schon dargestellt ist, wie sich das neue Pensionsrecht theoretisch auf ein und dieselbe Person im Ablauf in den nächsten 20 bis 30 Jahren auswirkt. – Interessant ist: Die Kürzung 2004 ist noch relativ gering. Dann steigt sie an auf 20 Prozent, und zwar in den Jahren 2014 und 2016, und fällt dann wieder ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun?! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun, dass ich, wenn ich das Pech habe, in den Jah­ren 2014, 2015, 2016 oder 2017 in Pension zu gehen, unter Umständen eine Pensi­onskürzung von 20 Prozent habe, während ich, wenn ich im Jahr 2004 in Pension gehe, gleiche Voraussetzungen vorfinde wie später, also etwa 2040, nämlich – unter Anführungszeichen – „nur“ eine Pensionskürzung von 5 bis 10 Prozent. – Das ist das grundlegende Problem bei Ihrer Pensionsreform, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir hätten uns gewünscht, dass wir uns zu Gesprächen über eine Pensionsreform zusammensetzen. Wir Grüne haben schon seit Jahren ein sehr konkretes Modell: die Grundsicherung und als zweite Säule eine Sozialversicherungspension. Frau Staats­sekretärin! Frau Bundesministerin! Warum ist in der Pensionsreformkommission nie darüber gesprochen worden, dass das vielleicht eine Alternative wäre? Warum waren Sie nicht bereit, sich mit den Vertretern der Oppositionsparteien, mit der SPÖ und den Grünen zusammenzusetzen? (Zwischenruf des Abg. Dolinschek.) Warum haben Sie ein Jahr in einer Pensionsreformkommission verhandelt, von der nicht viel nach außen gedrungen ist und deren Ergebnis, das jetzt vorliegt, verunsichert?

Das Ergebnis verunsichert nicht nur uns, sondern auch die Menschen draußen. Warum glauben Sie, dass 76 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher – wenn man die-


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ser neuen NEWS-Gallup-Umfrage Glauben schenken darf; und ich glaube das – der Meinung sind, dass auch diese neue Pensionsreform Ungerechtigkeiten beinhaltet und dass sie kein Vertrauen in diese Pensionsreform haben, was Gerechtigkeit betrifft?

Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, kom­men Sie jetzt daher und wollen innerhalb von ein, zwei Monaten im Rahmen einer kaum öffentlichen Debatte ein Modell durchpeitschen, von dem Sie genau wissen, dass es Pensionskürzung und nicht Pensionssicherung bedeutet?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind überzeugt davon, dass es notwen­dig und auch wichtig ist, dieses Pensionssystem zu stabilisieren. Wir sind aber nicht davon überzeugt – und werden das immer bekämpfen –, dass Pensionsstabilisierung auch Pensionskürzung in diesem Ausmaß bedeuten muss! Da machen wir nicht mit!

Und seien Sie versichert, wenn Sie die Menschen jetzt auf die zweite und dritte Säule verweisen: Das wird ihnen nicht helfen und keine Alternative sein! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Darum antworte ich zum Abschluss mit dem Satz des Herrn Sozialministers, der heute nicht da ist:

„Die unter 50jährigen werden mit Verzögerungen die Zeche zahlen.“ Das hat der Herr Sozialminister allerdings schon 1997 gesagt, aber in diesem Punkt war er weise! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort gemeldet. Ihre Redezeit ist auf 10 Minuten ein­gestellt. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


15.22

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Rauch-Kallat! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich darf hier gleich an das anschließen, was unser Sozialminister Herbert Haupt 1997 gesagt hat, nämlich dass die unter 50-Jährigen die Zeche zahlen: Er hat damals nämlich genau gewusst, dass wir seit 20 Jahren Handlungsbedarf haben, und zwar für die Jungen, damit sie einmal eine sichere Pension bekommen, und für die Frauen, bei welchen es in den vergan­genen Jahrzehnten große Ungerechtigkeiten gegeben hat, sowie für jene, die schwer und lange arbeiten. – Das muss man hier einmal mit allem Nachdruck sagen und dies­bezüglich hat Bundesminister Haupt nicht nur vollkommen richtig geredet, sondern jetzt gemeinsam mit dieser Regierung auch richtig gehandelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem: Werte Abgeordnete der Grünen Fraktion! „65-45-80“ ist eine Formel, die eigentlich unbestritten ist. (Abg. Öllinger: Nein! Nein! Nein!) Sie ist unbestritten im SPÖ-Programm, sie ist unbestritten bei den Sozialpartnern, sie ist unbestritten bei der Arbeiterkammer, und sie ist unbestritten bei der Gewerkschaft. Es ist dies ein Modell, das dem System der Lebensstandarderhal­tung dient.

Wenn ich mir Ihr Grundsicherungsmodell anschaue, in dem es nur heißt, dass auf Grundsicherung jeder Anspruch hat, der das gesetzliche Pensionsalter von 60 bezie­hungsweise 65 Jahren erreicht, dann denke ich, dass in unserem Modell wesentlich mehr Spielraum enthalten ist. Wir sollten uns daher nicht nur an dieser Formel aufhän­gen, sondern einmal schauen, wie das gesamte System aussieht. (Zwischenrufe bei den Grünen.)


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Es ist dies ein System, das wirklich den Wendepunkt in der österreichischen Pensions­geschichte einleitet. Es gab 16 Jahre Stillstand und leere Versprechungen, und wenn jetzt etwas geschieht, dann kann man wirklich nicht sagen, dass hier etwas durchge­peitscht wird. Meine Damen und Herren! Lassen wir die Kirche im Dorf! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte auf zwei ganz bestimmte Punkte dieses Dringlichkeitsantrages eingehen: Erstens wird kritisiert, dass dieser vorliegende Entwurf zu kompliziert und unübersicht­lich ist (Abg. Öllinger: Ja!), zweitens wird diskutiert, dass die Vorschläge, wie sie hier vorliegen, sozial nicht ausgewogen und vor allem belastend für die Frauen sind. (Abg. Dr. Glawischnig: Allerdings!)

Zu Ersterem: Es ist natürlich nicht einfach, legistisch einen Wulst von Sonderregelun­gen der letzten Jahrzehnte zu beseitigen. Sie wissen, wie viele verschiedene Pensi­onssysteme es für die unterschiedlichen Berufsgruppen gegeben hat. Allerdings betrifft die Kritik, die Sie hier anwenden, in erster Linie die Übergangsbestimmungen, somit einen Bereich, der im Laufe der Zeit an Bedeutung verlieren wird.

Was mich besonders stört, ist, dass Sie in Ihrem grünen Modell überhaupt nicht auf derartige Übergangsbestimmungen eingehen. Sie lassen damit drei Millionen Men­schen über ihr pensionsrechtliches Schicksal im Unklaren. Und Sie haben auch in die­sem Bereich den viel gerühmten Vertrauensschutz, zu dem wir stehen, einfach igno­riert! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass der Entwurf sozial unausgewogen wäre. (Abg. Eder: Das steht aber fest!) Meine Damen und Herren! Wir haben nämlich dort, wo auf Grund besonderer Erwerbsverläufe und Lebenssituationen Sonderbestimmun­gen notwendig sind, sehr wohl darauf Bedacht genommen. Das gilt einerseits für Men­schen, die besonders lange Beitragszeiten haben. Das heißt: Frauen werden in den nächsten Jahren weiterhin mit 55 Jahren, Männer mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen, wenn sie lange Versicherungszeiten haben, inklusive Beitragszeiten der Kinder­erziehung, inklusive Beitragszeiten für Präsenz- und Zivildienst.

Meine Damen und Herren! Das ist eine soziale Maßnahme, die auf individuelle Bedürf­nisse Rücksicht nimmt!

Außerdem werden Menschen, die in ihrem Erwerbsleben besonderen Belastungen ausgesetzt sind, auch von der Möglichkeit des frühen Pensionsantrittsalters profitieren, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits zeitlich, weil sie pro Schwerarbeitsjahr drei Monate früher gehen können, zweitens auch durch eine höhere Pension, weil wesent­lich geringere Abschläge als bei allen anderen Frühpensionen vorgesehen sind.

Jetzt frage ich: Wo ist im grünen Modell eine Schwerarbeiterregelung? Wo wird in die­sem Modell Rücksicht genommen auf jene Gruppe von Menschen, die – wie Sie ganz richtig zitiert haben – krank sind, die schwerst gearbeitet haben und die ein Recht dar­auf haben müssen, dass man sie besonders behandelt und dass sie einen besonderen Zugang haben? – Ich verstehe es nicht, dass Sie von den anderen Dinge fordern, die hier ohnedies gut gelöst werden, und selbst eigentlich keine Vorschläge haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Besonderes Augenmerk hat diese Regierung auch auf eine gerechte Abgeltung für die Frauen gelegt, und zwar im Hinblick auf die Leistungen, die Frauen für die Gesellschaft erbringen. Im Besonderen besteht bei Frauen mit Kindern immer noch ein Unterschied, und diesbezüglich muss etwas getan werden.

Frauen werden zukünftig gewinnen, weil pro Kind 48 Monate an Kindererziehungs­zeiten angerechnet werden, weil die Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes sowie


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der Pflege eines nahen Angehörigen als Versicherungszeiten aus der Erwerbstätigkeit gelten werden, weil die Leistungen des Familienlastenausgleichsfonds für die Pflege behinderter Kinder von 30 Jahren auf das 40. Lebensjahr ausgedehnt werden, weil nur mehr sieben Jahre, also 84 Versicherungsmonate, auf Grund einer Erwerbstätigkeit notwendig sind, um eine Alterspension zu bekommen, und weil Frauen vor allem in diesem Bereich einen wesentlich leichteren Zugang haben werden.

Frauen sind auch deshalb die Gewinner, weil alle Monate der Kindererziehung für jene ab 1. Jänner 2005 geborenen Kinder mit 1 350 € in die Pensionsberechnung als Bei­tragsgrundlage einfließen. Das ist oft wesentlich mehr, als Mütter heute in einem durchschnittlichen Erwerb tatsächlich verdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass gerade diese Beitragsgrundlage dazu gezählt wird, dass sie kumulativ zur Erhöhung des eigenen Einkommens beziehungsweise der späteren Pension dazugerechnet wird. Diese Beitragsgrundlage von 1 350 € gilt auch für die Zeiten der Familienhospizkarenz.

Außerdem haben wir auch ein freiwilliges Pensionssplitting eingeführt, was ein ganz wichtiger Beitrag auch zur eigenständigen Altersvorsorge für Frauen ist. – Ich bin eine Befürworterin der Freiwilligkeit. Entscheidungsfreiheit zwischen den Ehepartnern soll möglich sein, und eine Verpflichtung würde dem absolut widersprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zeiten der Notstandshilfe werden auch hier wieder für die Pensionszeiten angerechnet und finden entsprechende Berücksichtigung. Auch in Bezug auf die Korridorpension ist anzumerken: Die Einführung des Pensionskorridors betrifft nicht nur Männer, sondern letztendlich können Frauen über Jahrzehnte hinweg noch vor dem 62. Lebensjahr in Pension gehen, nämlich bis zum Jahre 2017 sogar vor dem 60. Lebensjahr.

Meine Damen und Herren! Was die auch in Ihrem Antrag angesprochenen Belastun­gen des Familienlastenausgleichsfonds betrifft, müssen wir uns schon über Folgendes im Klaren sein: Wenn wir gerade den Frauen und den Familien für ihre Leistungen Ge­rechtigkeit widerfahren lassen wollen, wenn wir Pensionsleistungen rechtlich absichern und daher finanzieren wollen, müssen wir auch eine teilweise Finanzierung dieser Verbesserungen aus den Mitteln des FLAF akzeptieren. Man kann nicht einerseits eine finanzielle Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung für Pensionszeiten einfor­dern – wie Sie das tun –, andererseits jedoch die tatsächliche Vorsorge für diese Fi­nanzierung kritisieren.

Meine Damen und Herren! Frauen profitieren von dieser Harmonisierung – und das sage nicht nur ich, sondern das ist auch nachzulesen in einer der letzten Ausgaben der „Kleinen Zeitung“. Der AK-Experte Wenig hat in einer „Telefonstunde“ Auskunft gege­ben über die verschiedenen Systeme, über die Pensionsharmonisierung, und hat ge­sagt, es gebe gute Nachrichten für viele Mütter. Ich glaube, diesem Experten kann man auch nicht unterstellen, dass er von der Regierung oder vielleicht sogar von uns Frei­heitlichen beauftragt worden wäre, etwas Derartiges zu sagen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP. – Abg. Eder: Ein Agrarexperte!)

Frauen, die Kinder haben, sind die Gewinnerinnen dieser Harmonisierung! Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, dass die Frauenpensionen viel zu niedrig sind. Da gebe ich Ihnen Recht, Frauenpensionen sind heute noch viel zu gering, nur ist es nicht Aufgabe eines Harmonisierungssystems, für einen Ausgleich zu sorgen. Das Versäum­nis geht auf die letzten Jahrzehnte zurück (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), in denen man es einfach hingenommen hat, dass nach wie vor den Frauen für gleiche Leistung, für gleiche Arbeit nicht der gleiche Lohn bezahlt wurde, und die Gewerk­schaften haben es auch verabsäumt, im Bereich Mindestlohn vor allem für die Frauen


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etwas zu tun. (Abg. Öllinger: Das ist etwas zu einfach!) Daher ist es für mich unseriös, jetzt all das auf die Pensionssysteme und die Harmonisierung aufrechnen zu wollen, denn das ist einfach ein falscher Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nun noch kurz zur Grundsicherung, meine Damen und Herren! Unser Zugang zu einer Sicherheit und somit zu einer Grundsicherung ist ein anderer, und der heißt: sieben Jahre Erwerbstätigkeit – reduziert von 15 Jahren; ein großartiger Erfolg! –, und für Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, der Familienleistungen, die so wichtig sind, und des Notstandes übernimmt der Staat die Verantwortung. Er macht aus den bisheri­gen Ersatzzeiten echte Beitragszeiten, die wesentlich besser aufgewertet werden, in die niemand mehr eingreifen kann und die zu dieser Basispension aus sieben Jahren Erwerbstätigkeit, die unbedingt notwendig sind, dazugerechnet werden. Ich meine, das ist leistungsorientiert, das ist gerecht, aber das ist vor allem sozial sehr ausgewogen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zusätzlich haben wir noch weitere Verbesserungen geschaffen, nämlich im Bereich der Ausgleichszulage. Die Ausgleichszulage für Einzelpersonen haben wir in den letzten Jahren erhöht, sie liegt bei derzeit 653 €, und wir haben auch den so genannten Famili­enrichtsatz – das heißt, wenn von einer kleinen Pension zwei Personen leben müs­sen – um über 20 Prozent, und zwar auf 1 050 € angehoben. – Weitere begleitende Maßnahmen zu jenen Dingen, die wir gesetzt haben, um in Zukunft auch Frauen einen verbesserten Zugang zu einer eigenständigen Pension zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vielleicht noch kurz zu den Zahlen bezüglich Grundpension. Wenn Sie eine Grundpen­sion von 650 € pro Monat verlangen, so wären das Mehraufwendungen von insgesamt 4,5 Milliarden €. 4,5 Milliarden €, die wir zu jener Summe dazuzählen müssen, die bereits jetzt an Pensionsleistungen erbracht wird, und das sind zurzeit 22,5 Milliar­den €. 4,5 Milliarden €, das wäre eine Erhöhung um 20 Prozent. (Abg. Öllinger: Nicht dazuzählen!)

Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, haben gesagt, Sie wollen nicht, dass mehr Geld investiert wird, sondern Sie wollen, dass eine Grundsicherung eingeführt wird, weil es dafür nicht mehr Geld braucht. (Abg. Öllinger: Gleich viel!) Diese Berech­nungen – und ich verlasse mich da wirklich auf unsere Fachleute in der Sektion – sind keine persönlichen Berechnungen. (Abg. Öllinger: Welche Berechnungen?) Die Zah­len stimmen, und daher muss man sich doch einmal vor Augen halten, dass noch wesentlich mehr Mittel notwendig wären. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Sie haben in Ihrem Antrag, den ich sehr genau gelesen habe, auch angeführt, dass die durchschnittliche Frauenpension bei 618 € pro Monat liege. Ich darf Sie korrigieren – natürlich auch nicht besonders erfreulich –: Die durchschnittliche Frauenpension liegt bei 745 €. Für mich nicht erfreulich ist, dass derzeit von jenen Frauen, die über 60 Jahre alt sind, 33 Prozent überhaupt keine Pension haben. Und das ist nicht die Folge dessen, was diese Regierung macht, sondern das ist eine Folge dessen, was an Versäumnissen in den letzten Jahrzehnten erfolgt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Unser Prinzip für das vorliegende Pensionsmodell lautet: Gleiche Beiträge bringen gleiche Leistungen, Ungleichbehandlungen und Sonderrechte bestimmter Berufsgruppen werden aufgehoben und abgebaut, und jeder Euro muss in Zukunft gleich viel wert sein. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja leider nicht!) Es wird ein individuelles Konto für jede Versicherte/für jeden Versicherten geben, erstmals besteht ein gesetzlich garantierter Anspruch auf diese erworbenen Gutschriften, auf diese erworbenen Zeiten. Das Geld liegt sicher wie auf einer Bank, es kann nicht eingegriffen werden. (Abg. Eder: Die Praxis schaut anders aus! Das ist die falsche Rede!)


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Wichtig ist auch, dass in diesem Zusammenhang festgestellt wird, dass der allgemeine Pensionskuchen, der zur Verfügung steht, nicht schrumpft, sondern dass nur die ein­zelnen Stücke anders verteilt werden. Jene, die ein etwas größeres Stück brauchen, jene, die auf Grund Ihrer langen Erwerbstätigkeit, auf Grund Ihres Lebensverlaufes einen besseren Zugang zur Pension haben, werden ein etwas größeres Stück bekom­men, und jene, die es nicht brauchen – und wir werden auch die Politiker wie schon im Vorjahr ein bisschen auf „Diät“ setzen (Abg. Öllinger: Das stimmt auch nicht!), ebenso jene, die Sonderregelungen im Bereich der Sozialversicherungspensionen haben –, werden ein etwas kleineres Stück bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Diese „Diät“ hätten alle Österreicher gerne!)

Die Pensionsharmonisierung, die jetzt in Begutachtung ist, kann die Versäumnisse, die in den vergangenen Jahrzehnten geschehen sind, sicher nicht von heute auf morgen korrigieren, sie ist aber ein gutes Paket von Maßnahmen vor allem für die Frauen – in Verbindung mit den Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, in Verbin­dung mit den Maßnahmen zur Steuerentlastung –, und sie ist ein sehr ambitionierter Ansatz, die sozialrechtliche Position der Frauen im Besonderen nachhaltig zu verbes­sern.

Die Harmonisierung, meine Damen und Herren, führt die Frauen keineswegs zurück an den Herd (Abg. Eder: Die sind schon dort!), sondern vor allem in eine eigenständige Alterssicherung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Der Jugend eröffnen wir damit eine langfristige und nachhaltige Perspektive auf eine eigenständige, adäquate Pension, vor allem gesetzliche Pension, und Menschen mit besonderen Erwerbsver­läufen erleichtern wir den Zugang zur Pension. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


15.39

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt sehr inter­essiert zugehört, und ich finde, Frau Staatssekretärin Haubner, Sie machen es sich schon sehr, sehr einfach! Sich stellen sich einfach hin und sagen: Ja, die Welt ist unge­recht, den Frauen geht es einfach schlechter, das kann man durch’s Pensionssystem eben nicht ausgleichen – und Ende. Wir schaffen ein Pensionssystem – egal, ob es den Frauen danach besser oder schlechter geht, die großen Ungerechtigkeiten kann das Pensionssystem ohnehin nicht ausgleichen. – Bei diesem Argument sollte man eine Minute verweilen. (Abg. Dolinschek: Sie wollen eine Volkspension für alle!)

Selbstverständlich kann das Pensionssystem nicht alle Ungerechtigkeiten dieser Welt ausgleichen, aber es sollte zumindest eines nicht tun: nämlich diejenigen, die tatsäch­lich immer noch diskriminiert sind – beim Einkommen, bei der Pension –, auch noch bestrafen! Das ist schon einzigartig. Diesen Vorwurf müssen Sie sich angesichts die­ses Pensionsmodells aber gefallen lassen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Selbstverständlich, selbstverständlich!

Sie von den Koalitionsparteien haben von der Formel 45 – 80 – 65 gesprochen und behauptet, diese sei unbestritten. – Dazu: Das ist eine Formel, die eben genau für die Lebensrealitäten von Frauen, aber auch für jüngere Menschen völlig ungeeignet ist. Da


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stößt Ihr Pensionsmodell einfach an die Grenzen der Realität. Wenn Ihnen jedoch gleichgültig ist, wie die Lebensverläufe von Frauen beziehungsweise von jüngeren Menschen tatsächlich ausschauen, dann kann man natürlich mit so einem Pensions­modell arbeiten, aber uns ist das eben nicht egal!

Dazu folgende Argumente: Im Durchschnitt ist jeder Arbeitnehmer/jede Arbeitnehmerin in drei Jahren hundert Tage arbeitslos. – Das ignorieren Sie in Ihrem Modell jedoch völlig!

Nur 30 Prozent der Frauen kehren nach der Phase der Kinderbetreuung wieder auf ihren vorherigen Arbeitsplatz zurück. Das bedeutet nicht nur, dass sie in Teilzeit arbei­ten, sondern dass sie auch dann, wenn sie zurückkehren, oft geringer bezahlt wieder­einsteigen, oft an minderqualifizierten Positionen. Das sind dann eben die „berühmten“ Erwerbseinbrüche, Einkommenseinbrüche im Leben einer Frau. Das brauchen Sie sich doch nur anzuschauen: schlechte Bezahlung nach Betreuungsphasen!

Frauen, die in Bildung investiert haben, Frauen, die auf die Universität gegangen sind, viele Menschen, die nach einem Studium, nach einer Berufsausbildung sozusagen in einem Graubereich arbeiten, die noch nicht pensionsversichert sind, die auf Werkver­tragsbasis arbeiten, die in Projekten arbeiten: Das ist das moderne Arbeitsleben, das ist das Leben von 25- bis 35-Jährigen! – Das haben Sie jedoch völlig ausgeblendet aus Ihrem Modell! (Beifall bei den Grünen.)

Ihre Formel 45 – 80 – 65 passt nicht für Frauen! Im Gegenteil: Dadurch wird deren Situation sogar noch verschärft!

Der zweite Punkt, den es sich dabei anzuschauen lohnt, ist die Frage der gerechten Verteilung von Pensionsmitteln. Sie von den Koalitionsparteien haben vorhin gesagt, die Zahlen, die Ihre Experten auf der Basis unseres Modells durchgerechnet hätten, würden zeigen, dass es dann mehr an Zuschüssen geben müsse. – Unser Modell ist jedoch in Wirklichkeit ein ganz anderes, ist nämlich aufkommensneutral. Daher er­suche ich Sie, mit mir noch einmal diese beiden Zahlen durchzugehen.

Im Moment erhalten 7 Prozent der PensionsbezieherInnen über 25 Prozent des ge­samten Pensionskuchens, vorzugsweise Männer. 21 Prozent, also ein sehr großer Teil der Pensionistinnen und Pensionisten, beziehen nur 7 Prozent des Pensionsvolumens. Ist das nicht ein Missverhältnis, das auszugleichen es sich lohnt, nämlich das Gesamt­volumen gerechter zu verteilen?! (Beifall bei den Grünen.)

Mit unserem Sockelmodell wäre das möglich, und mit unserem Sockelmodell, bei dem dann die versicherungsmathematische Pension dazukommt, wird diese Ungerechtig­keit dramatisch aufgezeigt.

Ein großer Vorwurf von uns ist – deswegen heute dieser Dringliche Antrag –, dass dieses unser Modell in der gesamten Diskussion rund um die Pensionsreform nie ernsthaft angeschaut, durchgerechnet, bewertet oder geprüft wurde: weder von der Ursprungskommission, von der Tomandl-Kommission, noch bis zum heutigen Tage.

Uns, meine Damen und Herren, ist es zu wenig, in Oppositionsrhetorik, in Kritik zu ver­harren, denn hiefür ist uns dieses Thema zu wichtig. Daher: Wir wollen, dass Sie unser Modell einmal durchrechnen und vergleichen: Was bringt es an Vorteilen im Vergleich zum Vorschlag der Bundesregierung?

Das ist ein sehr konstruktiver Zugang. Und: Wir wollen nichts anderes, als dass Sie sich dieses Modell, das in der Schweiz sehr gut funktioniert – das zeigen die Zahlen, die wir vorgelegt haben –, im Detail anschauen. Dann würden Sie sich wahrscheinlich nicht mehr hier herstellen und Ihr Modell so vehement verteidigen. (Beifall bei den Grünen.)


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Dritter Punkt: die Lebensrealitäten von Frauen beziehungsweise jungen Menschen. Wenn man Ihr Pensionsmodell unreformiert lässt, dann würde man bis zum Jahre 2050 ein Sammelsurium an Parallelrechnungen, an Parallelbewertungen haben. Bis zum Jahre 2050 müssen die Pensionskassen nicht nur eine Pension, sondern zwei oder drei aus- und kompliziert berechnen. Für Menschen meines Alters beziehungsweise für Jüngere ist das völlig unübersichtlich. Daraus resultiert ja auch diese große Verun­sicherung, die man jetzt überall merkt.

Reden Sie einmal mit Leuten zwischen 25 und 40 Jahren: Die glauben nicht mehr daran, dass sie einmal eine adäquate Pension bekommen werden. Und das haben Sie bewirkt, und zwar durch eine Debatte, die von 1997 bis zum heutigen Tage geführt wurde und wird, eben auch mit Worten wie, diese Pensionsreform sei eines der modernsten und anspruchsvollsten Reformprojekte Europas. – Auf der anderen Seite sieht man dann in der „ZiB 1“ Graphiken, bei denen einem geradezu schwindlig wird, wo sich niemand mehr auskennt. Auch ich brauche manchmal tagelang, um – ohnehin nur ansatzweise – nachvollziehen zu können, was mit Ihrem Modell wirklich vorgelegt worden ist.

Für einen Politiker ein sehr wichtiger Kritikpunkt, nämlich der, dass es große Verun­sicherung, dass es Misstrauen und Sorge der Menschen gibt. Niemand kann sich mehr auf irgendetwas verlassen, und die Leute sagen: Das Einzige, was sicher ist, ist, dass wir weniger an Pension bekommen werden! – Das ist doch ein Argument dafür, dass man Politik in Österreich nicht so machen sollte. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Walther.)

Im Jahre 2002 hieß es, Wirtschaftsminister Bartenstein wünsche derzeit keine Diskus­sion über eine weitere Pensionsreform. Eine Pensionsreformdiskussion in Permanenz, so Bartenstein, sei den Österreichern – nur den Österreichern, den Österreicherinnen offensichtlich nicht – nicht zumutbar. – Das ist genau der Punkt: Was wir brauchen, ist ein verlässliches, ist ein einfaches System, angesichts dessen man ausschließen kann, dass schon bald wieder eine Reform ins Haus steht.

Aber: Die nächste Reform steht ja sozusagen schon wieder vor der Tür, weil Ihr Modell nicht nur an die Grenzen der Lebensrealität von jüngeren Menschen beziehungsweise Frauen stößt, sondern auch an ökonomische Grenzen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Unbestritten ist, dass es eine verbesserte Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten gibt, aber: Wenn Sie die Kinderbetreuungszeiten aus dem FLAF finanzieren wollen, jedoch nicht dazusagen, dass der FLAF bis zum Jahre 2007 beziehungsweise 2010 massive Defizite haben wird und dadurch der Druck, geradezu der Zwang für eine nächste Pensionsreform, nämlich für eine Kürzung, wieder gegeben ist, dann ver­schweigen Sie das – oder es ist Ihnen das nicht einmal bewusst.

Jedenfalls stoßen Sie auch in diesem Punkt an ökonomische Grenzen, ignorieren das aber einfach. Die nächste Pensionsreform ist fix – und auch diese nächste wird wieder Pensionskürzungen zur Folge haben, wenn Sie nicht doch noch zu einem anderen Modell übergehen. – Deswegen dieser unser Dringlicher Antrag.

Frau Staatssekretärin Haubner, wir haben mit unserem Modell nicht daran gedacht, eine Sockelpension sozusagen zusätzlich und irgendwoher zu finanzieren, sondern eine Sockelpension soll im Wesentlichen für alle Menschen – egal, wie lange sie gearbeitet haben, ob sie gar nicht gearbeitet haben – eine Armutsabsicherung im Alter darstellen. Das soll einfach fix für jeden Menschen zur Verfügung stehen und aus bestehenden Steuererträgen, die ins Pensionsmodell hineinfließen, finanziert werden. Dazu sollte dann die versicherungsmathematisch berechnete Pension kommen, wo wirklich 1 € für alle gleich viel wert ist, auch sozusagen am Ende des Tages.


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Sollten Sie das ein bisschen vereinfacht dargestellt haben wollen: Wir haben das im­mer als „Capuccino“ beschrieben. Das heißt, der „schwarze Kaffee“ soll für alle garan­tiert da sein. Die „warme Milch“, die dazu kommt, ist das versicherungsmathematisch Berechnete, und der „Schokostreusel“ sind private Versicherungszeiten, Versiche­rungszeiten, die wir staatlich nicht fördern würden, die sich nach unserem Modell aber jeder, der gut verdient, draufstreuen könnte. Damit gäbe es jedenfalls ein Gefühl der Sicherheit.

Dieses Modell von uns Grünen ist so bestechend, sodass ich nur ideologische Grün­de dahinter vermuten kann, dass es während dieser ganzen Pensionsreformdiskussion von Ihnen kein einziges Mal ernsthaft durchgerechnet und überprüft worden ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Walther.)

Diese Frage ist gerade für junge Menschen und für Frauen viel zu wichtig, als dass sie jetzt in diesem Chaos an Zersplitterungen, an Parallelrechnungen, an Schönreden et cetera untergehen sollte. Ich bitte Sie daher ernsthaft: Schauen Sie sich dieses Modell einmal an, rechnen Sie es durch, und dann diskutieren wir ein Alternativmodell, mit dem unserer Überzeugung nach – und viele Österreicherinnen sehen das auch so – dem großen Problem Frauenarmut im Alter endgültig ein Riegel vorgeschoben wer­den würde. (Beifall bei den Grünen.)

15.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler. – Bitte.

 


15.48

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedauere, wie diese Diskussion derzeit geführt wird, auch wie sie heute am Vormittag geführt wurde, und zwar deswegen, weil ich es eigentlich so empfunden habe, dass wir in den vergangenen Monaten in der Diskussion rund um die Themen Pensionsharmo­nisierung und Pensionssicherung in vielen Bereichen, und zwar sowohl mit der SPÖ als auch mit den Grünen, durchaus auf einem Nenner waren; Sie haben das ja auch heute angesprochen.

Daher bedauere ich, wie diese Diskussion jetzt geführt wird, denn das, was Sie von SPÖ und Grünen jetzt tun, erzeugt Verunsicherung, verunsichert, da Sie mit der Angst der Menschen operieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.) – Doch! Das, was Sie tun, bringt Verunsicherung, denn Sie operieren mit der Angst der Menschen, wenn Sie behaupten, die Pensionen würden um die Hälfte gekürzt.

Ich bedauere diese Art der Diskussion auch dann, wenn man damit versucht, Frauen zu verunsichern. Ich lehne das ab! Sie von der SPÖ verlässt immer dann der Mut, wenn es darum geht, Reformen umzusetzen! Dann verlässt Sie der Mut, meine Damen und Herren von der SPÖ! Und das ist genau der falsche Weg. Wir handeln – Sie hin­gegen theoretisieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Glawischnig, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ja, was eine Grundversorgung anlangt, haben wir einen unterschiedlichen, einen anderen Zugang zu diesem Thema; vor allem was diesen Antrag der Grünen anlangt.

Wir wollen weg vom Versorgerprinzip – hin zu fairen und gerechten Pensionen (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Matznetter), hin zu einer fairen und gerechten Pensionsvor­sorge. (Abg. Öllinger: Zur Entsorgung!) Dieser unser Weg ist ein anderer; da gebe ich Ihnen Recht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Gerade auf die geschlechtsspezifischen und sozialen Aspekte sowie auf die Aspekte der Jugend geht diese Harmonisierung ganz besonders ein – Frau Staatssekretärin Haubner ist in ihren Ausführungen bereits darauf eingegangen; ich werde es dann auch noch tun. Gerade diese Aspekte werden hier ganz besonders beachtet.

Der Unterschied ist, dass wir wollen, dass die älteren Menschen, wenn sie in Pension gehen, jenen Lebensstandard, den sie sich erworben, erarbeitet haben – ich betone: erarbeitet haben!, denn für uns zählt auch Leistung –, halten können, dass sie sich eben ihre Wohnung, ihr Auto auch im Alter leisten können. Das ist unser Zugang, und das ist sozial. Wir wollen, dass die Menschen dafür, dass sie etwas eingezahlt, etwas geleistet haben, auch eine entsprechende Altersversorgung bekommen. Das, was Sie machen wollen, käme einer Enteignung gleich und widerspräche auch dem Versiche­rungsprinzip. Ich sage das in aller Deutlichkeit, so klar und dezidiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Weinzinger: Lesen, Frau Kollegin, lesen!) – Sagen Sie nicht „lesen!“, denn ich habe gelesen.

Das, was Sie haben wollen – das ist vor allem an die Adresse der Grünen gerichtet –, ist, dass Sie alle Menschen letztlich zu Sozialhilfeempfängern machen. (Abg. Öllinger: Was? – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Das ist Ihre Umverteilungsphilo­sophie! Sie geht nicht in Richtung Gerechtigkeit, sondern in Richtung Gleichmacherei! Das, was Sie machen wollen, ist Gleichmacherei. Für uns aber zählt auch Leistung.

Frau Kollegin Glawischnig, Sie haben vorhin beispielsweise erwähnt, welch gute Modelle es in Bezug auf die Grundversorgung gibt. Aber schauen Sie einmal nach Holland, nach England, in die Schweiz – Sie haben es vorhin erwähnt. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Was ist dort schlecht?) Welche Modelle gibt es dort? – Dort werden Mini­malpensionen ausbezahlt, Minimalpensionen! (Abg. Öllinger: Die Schweiz nicht!)

Wir gehen davon aus, dass wir mit der ersten Säule den hohen Lebensstandard, den wir in Österreich Gott sei Dank haben, aufrechterhalten können. Das ist unser Zugang zum Thema Grundversorgung.

Wir haben ein soziales Auffangnetz. Sie, meine Damen und Herren, fordern ein sozia­les Auffangnetz, aber das haben wir bereits, nämlich in Form der Ausgleichszulagen. Frau Staatssekretärin Haubner hat es schon erwähnt, das ist unsere Grundsicherung, und sie hat auch schon gesagt, dass wir hier in der Regierungszeit seit dem Jahr 2000 ganz entscheidende Verbesserungen erreicht haben, eben 10,8 Prozent Erhöhung für Alleinstehende, 20,6 Prozent an Erhöhung für Ehepaare. Das ist Grundsicherung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Da Sie immer wieder davon sprechen, dass die Einkommensschere auseinander klafft und Frauen niedrigere Pensionen bekommen: Ja, wir sollten diesbezüglich konstruktiv zusammenarbeiten und gemeinsam versuchen, Verbesserungen zu erreichen. Ich stehe dazu, aber das ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Arbeitnehmerpolitik der SPÖ (Zwischenruf der Abg. Bures), unter der Verantwortung von SPÖ-Sozialministern, von SPÖ-Staatssekretärinnen und SPÖ-Frauenministerinnen. Das ist die Wahrheit! Sie hätten ja all das, was wir jetzt vorschlagen, umsetzen können, haben aber nichts wei­tergebracht! Sie theoretisieren – wir handeln! So war das auch in den letzten Jahrzehn­ten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Das war in den letzten Jahrzehnten so?)

Wir haben keine Pensionen gekürzt, ganz im Gegenteil: Gerade unter dieser Regie­rung sind viele, viele Verbesserungen gekommen, insbesondere auch für Frauen. Da Frau Glawischnig vorhin gemeint hat, es gebe Nachteile für junge Frauen, für Studen­tinnen: Allein die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes – ein Aspekt! – ist ein Vorteil, oder ist das etwa ein Nachteil? – Wir stehen dazu! (Zwischenruf der Abg. Dr. Gla­wischnig.)


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Meine Damen und Herren! Ein Pensionssystem kann nicht all diese Ungerechtigkeiten, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, korrigieren – es sind da auch die Sozi­alpartner gefordert sind, ich sage das auch in aller Deutlichkeit –, das geht nicht, das ist unmöglich. Aber das kann man auch nicht einer Regierung anlasten, die seit ein paar Jahren die Verantwortung trägt.

Gerade wir von Seiten der ÖVP-Frauen haben uns seit 1997 massiv dafür eingesetzt, dass es beispielsweise zu Verbesserungen in Bezug auf die Anrechnung der Kinder­zeiten kommt. Damals haben wir von Ihnen in der Koalition keine Unterstützung be­kommen. Wir haben uns dafür eingesetzt, daher weise ich den Vorwurf, Frau Kollegin Heinisch-Hosek – sie ist jetzt, glaube ich, nicht im Saal –, dass wir von Seiten der ÖVP-Frauen hier versagt hätten, ganz entschieden zurück!

1 Milliarde € investiert diese Regierung in die bessere Bewertung von Ersatzzeiten, vor allem in die bessere Bewertung von Kinderbetreuungszeiten. 1 Milliarde €! Und da sa­gen Sie, das sei eine Kleinigkeit?! Das haben Sie heute Vormittag gesagt. 1 Milliarde €, das ist eine Leistung, die vor allem für die Mütter, für Frauen und die Familien ganz wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage es noch einmal: vier Jahre Kinderbetreuungszeit, 1 350 € – eine Verdoppe­lung in all diesen Bereichen, und das auch rückwirkend und zusätzlich zum Arbeits­entgelt.

Da Sie vorhin gesagt haben, dass diese Regelung so viele Nachteile für Frauen bringt, erwähne ich es noch einmal: Sieben Jahre Erwerbstätigkeit plus Ersatzzeiten werden in Zukunft ausreichen, um eine eigenständige Altersvorsorge zu erreichen. Das ist gerade für Frauen ganz besonders wichtig. Uns liegen eben auch Frauen, die ihre Er­werbstätigkeit unterbrechen, um sich der Kinderbetreuung zu widmen, ganz besonders am Herzen, weil das ein gesellschaftlicher Wert ist. Das ist uns, das ist dieser Regie­rung etwas wert! Wir stehen dazu!

Sagen Sie doch, dass Sie dagegen sind, wenn es so ist. Gerade das vierte Jahr der pensionsbegründenden Anerkennung ist wichtig, weil Frauen dann den Wiedereinstieg schaffen können, weil es beim Wiedereinstieg eine niedrigere Entlohnung gibt. Ja, das stimmt, und gerade deswegen setzen wir diese Maßnahmen. Es sind richtige, wichtige und wertvolle Maßnahmen.

Auch beim Arbeitslosengeldbezug kommt es bei den Ersatzzeiten zu Verbesserun­gen – Frau Glawischnig, Sie sagen hier einfach etwas wider besseres Wissen. (Abg. Dr. Glawischnig: Ich habe ja gesagt, es kommt zu Verbesserungen!) Auch da gibt es Verbesserungen. Oder: die Anrechnung des Pensionsbeitrages beim Partnereinkom­men in Bezug auf die Notstandshilfe – das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt, weil hier sehr oft Frauen benachteiligt sind.

Noch einmal: Wenn Sie uns nicht glauben, dann glauben Sie doch den Experten. Tomandl und Mazal haben sich dazu ganz klar geäußert – das ist nachzulesen – und gesagt, dass gerade die Frauen die Gewinnerinnen dieser Pensionsharmonisierung sind. Die Frauen sind die Gewinnerinnen dieser Pensionsharmonisierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dolinschek: Ja, richtig!)

Ich sage es noch einmal zum Abschluss – Sie wollen es nicht hören (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter) –: Kommen Sie doch zurück ins Boot! Gehen Sie mit uns einen konstruktiven, einen zukunftsorientierten Weg! – Sie theoretisieren, wir hingegen han­deln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Silhavy. – Bitte.

 



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15.57

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Frau Kollegin Scheucher-Pichler, Sie haben von „Mut“ gesprochen, und genau das ist das Erschreckende. Wir erwarten uns nicht, dass die Menschen Mut für eine Reform brauchen, sondern dass eine Reform mit Sachverstand angegangen wird und dass sie Gerechtigkeit und Sicherheit mit sich bringt, jedoch nicht Mut zum Risiko. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Zum Dringlichen Antrag der Grünen: Herr Kollege Öllinger, es tut mir Leid, aber ich bezweifle, dass die Grünen ein durchgerechnetes und völlig durchkonzipiertes Pensionskonzept haben – es hätte mich aber gefreut, wenn wir die­ses hier aufliegen gehabt hätten. Es stimmen einige Ihrer im Antrag formulierten Krite­rien auch durchaus nicht mit unseren Vorstellungen, nämlich den Vorstellungen der Sozialdemokratie überein.

Wir gehen von einer Pension aus, die den Lebensstandard sichert. Wir sind dafür, dass diese Lebensstandardsicherung begleitet wird von einer bedarfsorientierten Grundsi­cherung, zu der aber, Frau Staatssekretärin, wesentlich mehr als die Ausgleichszulage gehört, das möchte ich hier auch betonen.

Wir sind auch gegen ein verpflichtendes Pensionssplitting, und wir sind keineswegs für eine Volkspension.

Ein bisschen erinnert mich die Diskussion, die jetzt hier geführt wird, an die Pensions­diskussionen, die wir schon in Ausschüssen geführt haben. Damals sind die Freiheit­lichen dort mit ihrem so genannten Drei-Säulen-Modell aufgetreten und haben gesagt, dass 8 000 S Pension für alle müssen reichen, dann kämen die zweite und dritte Säule. (Abg. Dolinschek: Das war ja vor ein paar Jahren! Heute ist das natürlich mehr als 8 000 S!) Ein bisschen anders, das gebe ich schon zu, aber auch auf diesem Volks­pensions-Modell aufbauend.

Ich möchte Ihnen erklären, warum wir dem Antrag zustimmen. Wir werden dem Antrag zustimmen, obwohl wir nicht mit dem Modell einverstanden sind (Abg. Dr. Glawisch­nig: Was wollen denn Sie?), aber weil es darum geht, dass die Berechnung erfolgt, dass es zu einer tatsächlichen öffentlichen Darstellung kommt, welche Auswirkungen welche Maßnahmen haben. Das unterstützen wir, weil wir glauben, dass das die ganze Diskussion versachlichen kann. (Abg. Dolinschek: Das ist ja unfinanzierbar von den Grünen!) – Dann kann man es aber trotzdem rechnen und das Ergebnis vorstellen, Herr Kollege Dolinschek. Und dann stellen Sie sich auch einer öffentlichen sachlichen Diskussion und argumentieren nicht immer mit Vorurteilen und Polemik! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich meine, dass angesichts der heutigen Aktuellen Stunde eine Versachlichung dieser Diskussion besonders dringlich ist, insbesondere wenn ich an die verbalen Entgleisun­gen des Bundeskanzlers in dieser Aktuellen Stunde denke. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Immerhin hat es der Herr Bundeskanzler für notwendig gehalten – zwar erst auf Anregung, aber doch –, von der Regierungsbank aus zu sagen, dass er sich dafür entschuldigt. Sie werden dann ja wohl zugestehen, dass das eindeutig eine ver­bale Entgleisung war. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es zeugt auch davon, dass die von uns aufgezeigte Kritik offensichtlich den Nagel auf den Kopf getroffen hat, denn sonst wäre solch eine Aufgeregtheit ja nicht vonnöten gewesen.

Sie, die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ, wissen ganz genau, dass Sie mit den Ge­setzen Ihrer so genannten Harmonisierung die Ungerechtigkeiten der „Pensionssiche­rungsreform 2003“, die Sie mit diesem missbräuchlich verwendeten Namen bezeich-


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nen, mit Ihrer Mehrheit fortschreiben. Und das ist genau der Punkt, den wir als ersten an Ihrem Modell kritisieren. Sie verschärfen Dinge, die Sie im Jahr 2003 beschlossen haben. Sie führen kurzfristige Entschärfungen herbei – Kollege Öllinger hat das ja sehr deutlich ausgeführt –, um in späterer Folge eine Verschärfung durchzuführen, nämlich für alle Leute, die das Pech haben, zwischen dem Jahr 2013 und 2016, sage ich ein­mal, in Pension zu gehen. Das ist der erste springende Punkt unserer Kritik. (Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Frau Staatssekretärin! Sie haben gesagt, die Frauen werden profitieren, und haben auch angeführt – das haben wir heute schon ein paar Mal gehört –, was für die Frauen alles toll ist. Jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Die plus 2 Prozent bei der Reform 2003, die Sie so stolz als den großen Gewinn der Frauen bezeichnet haben, bedeuten 50 €. Wenn ich jetzt nach Ihrem neuen Harmonisierungskonzept vorgehe, sind es 1 157 € pro Kind für die Kindererziehungszeiten, das heißt 30 € mehr, also sind es 80 €. Eine Frau, die zuerst 1 500 € verdient hat, dann auf Teilzeit gegangen ist, dann nur noch 750 € in Teilzeit verdient hat, wissen Sie, wie viel die dann durch Ihr Konzept monatlich verliert? – 13 €! Das heißt, zweieinhalb Jahre Teilzeit nehmen den so genannten Gewinn Ihrer ganz „tollen“ Berechnung der Kindererziehungszeiten sofort wieder weg. Und zweieinhalb Jahre Teilzeit sind heute bei Frauen keine Seltenheit.

Die Unübersichtlichkeit ist der nächste Punkt – das können Sie sich selbst anschauen. Ich habe heute gemerkt, Kollege Dolinschek weiß nicht einmal, wie alles berechnet wird. Also offensichtlich sind auch die Damen und Herren, die beabsichtigen, das hier zu beschließen, nicht in der Lage, die Übergangsregelungen entsprechend zu interpre­tieren und zu lesen. Ich meine, es müsste Ihnen als Erstes zu denken geben, wenn Sie hier etwas beschließen sollen, was Sie offensichtlich nicht in der Lage sind zu lesen und zu interpretieren.

Die Schwerarbeit ist eine Hülse, wir wissen nach wie vor nicht, wer jemals unter die Bezeichnung „Schwerarbeiter“ fällt. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass Minister Bartenstein und Minister Haupt darüber streiten, ob es 5 000 oder vielleicht doch 6 000 Menschen sein dürfen.

Last not least: Natürlich kann man nicht alles über das Pensionssystem machen. Es wäre daher gut – Kollege Dr. Mitterlehner ist leider nicht im Saal –, wenn Sie einmal einen Appell an die Wirtschaft richten würden, dass die Frauen bei der Entlohnung nicht diskriminiert werden sollen, denn die Wirtschaft ist letztlich dafür maßgebend, ob Frauen einen Job finden, ob Frauen gleich bezahlt werden oder nicht. (Abg. Murauer: Wer hat die Kollektivverträge gemacht?) Und daher sollte Ihr Appell einmal in die Rich­tung gehen, dort die Frauen gleich zu behandeln. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Meine Damen und Herren! Es ist beschämend, dass Sie offensichtlich auch jetzt nicht bereit sind, den guten Willen aller hier anwesenden Fraktionen anzuerkennen, zu er­kennen, dass man, wenn man ein Pensionssystem harmonisieren will, Schwächen, die offensichtlich vorhanden sind, schlimme Maßnahmen abschwächen könnte und sollte. Sie sollten auf die sachlichen Argumente eingehen, versuchen, die Schwächen sozu­sagen auszubessern. Sie sind jedoch in einer Verteidigungsposition, Sie sind nervös, mehr als nervös.

Ihren „partnerschaftlichen“ Gedanken finde ich überhaupt bemerkenswert. Für die Bau­ern, hat heute der Herr Bundeskanzler gesagt, wird es einen „partnerschaftlichen Bei­trag“ geben. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum gibt es diesen „part­nerschaftlichen Beitrag“ nicht für uns alle, die wir versichert sind? (Rufe bei der ÖVP: Gibt es eh!) Wo ist da Gerechtigkeit? Zwischen 15 Prozent und 22,8 Prozent? – Das ist sehr schön, denn es freuen sich alle ASVG-PensionistInnen, wenn sie in Zukunft auch


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einen niedrigeren Beitrag zu zahlen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Es zahlt ja der Arbeitgeber auch!)

Wenn Sie zumindest diese Erkenntnis an den Tag legen, dann haben der heutige Tag und die heutige Diskussion schon einen Fortschritt gebracht. Ich befürchte allerdings, dass Sie nicht lernfähig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


16.05

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ist ein Pensionssystem gerecht oder nicht? – Tatsache ist, dass die Bevölkerung in Österreich mit dem System der Vergangenheit, das nicht zeitgemäß war und ist und das Ungerechtigkeiten im Pensionssystem fortgeschrieben hat, nicht einverstanden war und ist. Deshalb muss dieses Pensionssystem harmonisiert werden. (Abg. Dr. Glawischnig: Ja, okay, passt!)

Wenn die Grünen jetzt eine Grundsicherung statt einer Pensionskürzung für Frauen und jüngere Menschen verlangen, dann muss ich sagen: Wenn diese Grundsicherung so ausschaut, dass praktisch jeder 650 € bekommt – das steht zwar nicht im Antrag, aber ich habe mittlerweile herausgefunden, Sie meinen, 650 € für jeden, ob er nun ge­arbeitet hat oder nicht –, „Habe die Ehre!“, dann explodieren die Kosten! (Zwischenruf bei den Grünen.) Vielleicht wollen Sie ja alle zurück an den Herd oder an den Ofen bringen, Männer und Frauen, ganz egal, oder die Männer vielleicht in den Keller – hof­fentlich gibt es dort einen Wein, dann bleiben sie gerne unten –, aber zu arbeiten brau­chen sie nicht.

Wir sind dafür, dass auch eingezahlt wird, nähern uns aber Ihren Vorstellungen schon an, wenn wir sagen, dass Frauen nicht mehr 15 Erwerbsjahre brauchen, sondern nur noch 7 Jahre. Wenn sie zwei Kinder haben, dann kommen sie auch auf 15 Jahre, und erwerben so einen Pensionsanspruch. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Außerdem werden jetzt mit dieser Reform für die Frauen sämtliche Verbesserungen durchgeführt, die vorher nicht gemacht wurden.

Man kann das Ganze jetzt weiterspinnen und fragen: Wie hoch ist die Lebenserwar­tung? Wie schaut die Pensionshöhe aus? – Frauen haben tatsächlich eine viel gerin­gere Pension als wir Männer – das ist so –, aber Frauen sind auch durchschnittlich zwölf Jahre länger in Pension als Männer. (Zwischenruf der Abg. Bures.) Und wenn Sie die Summe ausrechnen, dann kommen Sie auf 373 000 € Pensionsanspruch für Frauen und 376 000 € für Männer; da sind wir nicht so weit auseinander. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Und durch die Harmonisierung werden die Frauen die Männer überholen, davon bin ich überzeugt.

Für jene Versäumnisse, die im Erwerbsleben eine Pensionsminderung vor allem für Frauen bedeuten, sind andere Parameter verantwortlich. Wenn jemand im Erwerbs­leben wenig verdient und daher weniger einzahlt, hat er eine geringere Pension, das ist natürlich so. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Wir wollen hier sämtliche Dinge auffangen. Für uns muss die Kinderbetreuungszeit gleich viel wert sein wie die Erwerbsarbeit. (Abg. Silhavy: Auch das stimmt nicht! – Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Deswegen haben wir auch die 1 350 € als Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten, für Zeiten der Arbeitslosigkeit, für Zeiten des Zivildienstes, für Zeiten des Präsenzdienstes vorgesehen, sodass das, wenn eine Frau Teilzeit beschäftigt ist während dieser Zeit, in der sie auch für ihre Kin-


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der sorgt und ihre Kinder erzieht, aufgerechnet wird auf 1 350 €. Das ist in unseren Augen eine familienpolitische Großtat, die hier gesetzt wird, die notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber für die Versäumnisse im Erwerbsleben müssen Sie einen anderen Schuldigen su­chen. Diesbezüglich hat die Gewerkschaft bisher geschlafen. Ich vermisse überhaupt sämtliche Vertreter hier: Herr Präsident Verzetnitsch ist nicht hier, Nürnberger ist nicht hier, sämtliche Vertreter aus der Gewerkschaft sind nicht anwesend. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Frau Csörgits, jetzt melden Sie sich endlich zu Wort, Gott sei Dank. Aber die Reihen der Sozialdemokratischen Partei sind halt relativ trist besetzt, muss ich sa­gen. Wahrscheinlich interessiert Sie das gesamte Pensionssystem eigentlich gar nicht. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Wir wollen die Pensionen nachhaltig sichern. Es ist auch ein Nachhaltigkeitsfaktor bei dieser Pensionsharmonisierung eingebaut. Der Sozialminister wird beauftragt, alle drei Jahre zu prüfen, ob das Pensionssystem so aufrechtzuerhalten ist, ob es finanzierbar ist. Und daran arbeiten wir.

Schauen Sie es sich an: Wir haben sämtliche Verbesserungen für Leute, die schwer arbeiten, hier durchgesetzt. Für diesen Bereich haben Sie in all den Jahren, die Sie Verantwortung in diesem Land getragen haben, nichts getan. Wenn jemand 16 Jahre Schwerarbeit leistet, werden ihm 4 Jahre dazu geschenkt. Dadurch ist es möglich, dass bei diesen Leuten Zeiten, in denen sie zwischendurch arbeitslos sind, als volle Beitragszeiten bewertet werden, und sie können auch früher in Pension gehen. Das ist nämlich das Wichtige dabei, sehr geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Und jene, die lange gearbeitet haben, einen langen Erwerbsverlauf haben ... (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Herr Wirtschaftsexperte der SPÖ, kommen Sie ein bisschen weiter herunter, ich verstehe Sie von dort oben nicht! Mit Ihrem Wirt­schaftsprogramm sind Sie sowieso schon baden gegangen, mit dem Pensionspro­gramm ebenfalls. Was wollen Sie hier überhaupt? Hören Sie zu, vielleicht kennen Sie sich dann aus!

Für Langzeitarbeitnehmer wurde ebenfalls eine Möglichkeit geschaffen. Für jene, die knapp vor der Pension stehen, gibt es Übergangsregelungen, jene, die über 50 sind, können weiterhin mit dem 60. Lebensjahr in Pension gehen, wenn sie ihre 45 Erwerbs­jahre inklusive Präsenzdienstzeit erreichen; Mütter ebenfalls.

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wesentliche Dinge sind in die Pensions­harmonisierung eingeflossen. Ich glaube, es ist ein gutes Programm, wir werden daran weiterarbeiten, und es bringt viele Verbesserungen für Frauen, für schwer arbeitende Menschen und für jene, die einen langen Erwerbsverlauf haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Weniger Pension vor allem!)

16.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Silhavy zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Sie kennen die Geschäfts­ordnung, Frau Kollegin.

 


16.11

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Kollege Dolinschek hat soeben behauptet, die Kindererziehungszeiten würden mit 1 350 €, dem durchschnittlichen Erwerbseinkom­men, bewertet. Das ist falsch! Zum Tragen kommen 1 157 €. Es handelt sich hier um das Durchschnittseinkommen der Frauen und nicht um das Medianeinkommen.


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Zum Zweiten werden die Arbeitslosenersatzzeiten nicht mit diesen 1 157 € bewertet, sondern mit 70 Prozent der Bemessungsgrundlage.

Abschließend: Kollege Nürnberger fehlt nicht, sondern Kollege Nürnberger gehört nicht mehr diesem Hause an. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Grünen.)

16.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. Sie hat das Wort.

 


16.11

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Das Modell der Bundesregierung zur Harmonisie­rung der Pensionen setzt die bereits im Jahr 2003 begonnene Abkehr vom traditionel­len Versorgermodell hin zu einem eigenständigen und gerechten Alterssicherungs­system für Frauen konsequent fort.

Bleiben wir bei den Anregungen, die Frau Abgeordnete Glawischnig genannt hat – schauen wir uns die Lebensrealitäten und schauen wir uns die unterschiedlichen Lebensverläufe von Frauen an! Da brauchen wir nicht sehr weit zu gehen, es reicht, meine Generation zu vergleichen mit der Generation meiner oder unserer Töchter. Während die Frauen meiner Generation selten durchgehende Lebensarbeitsverläufe gehabt haben, schon sehr oft nach dem ersten Kind zu Hause geblieben sind, oft gar nicht wieder eingestiegen sind, sehr spät wieder eingestiegen sind, ist die Generation unserer Töchter weitaus besser ausgebildet, Gott sei Dank. (Abg. Bures: Dank der SPÖ!) Wir haben auch schon mehr Hochschulabsolventinnen als -absolventen und haben vor allem auch durchgehendere Lebensarbeitsverläufe. Wir haben leider viele, die sich nicht mehr für ein Kind entscheiden – ich denke, auch das ist ein Thema. Aber die Ausbildung, die Lebenskarrieren und Lebensläufe von Frauen, vor allem wenn sie kinderlos bleiben, egal ob freiwillig oder unfreiwillig, sind heute durchaus mit jenen von Männern vergleichbar.

Meine Damen und Herren! Tun wir doch nicht so: Die Frauen sind keine armen Hascherln, sie waren es auch früher nicht, und sie wollen auch nicht als solche behan­delt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie wollen gleichberechtigt behandelt werden und wollen auch die gleiche Anerkennung haben.

Wo tatsächlich Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten bestehen, ist dort der Fall, wenn ein Kind unterwegs ist und die Frau oder der andere Elternteil – es sind leider erst 2,5 Prozent Männer, aber ich hoffe, dass es mehr werden – die Arbeitskarriere unter­brechen und tatsächlich Einkommenseinbußen und damit auch Pensionseinbußen in Kauf nehmen muss. Und genau da setzt dieses Modell an, denn die Pensionsharmo­nisierung sieht eine massive Kompensation für die Unterbrechung der Erwerbstätig­keiten zugunsten der Kinderbetreuung vor, die immer noch hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Für die eigenständige Alterssicherung jener Frauen, die ihre Erwerbs­tätigkeiten zugunsten der Kinderbetreuung unterbrochen oder aufgegeben haben, investiert diese Regierung insgesamt 1 Milliarde € zusätzlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Pensionsharmonisierung gilt für alle unter 50-Jährigen – das ist eine Änderung gegenüber dem Modell vom Juli – und sieht vor allem eine Verbesserung und eine Rechtssicherheit für Frauen, die demnächst in Pension gehen werden, vor.

Lassen Sie mich ganz kurz zu den frauenspezifischen Maßnahmen dieser Pensions­reform kommen.

Es kommt zu einer Verdoppelung der Beitragsgrundlage gegenüber dem Jahr 1999: 1 350 € pro Monat, ein aufgerundetes – Sie haben es selbst gerade gesagt, Frau Kol­legin Silhavy – frauenspezifisches Medianeinkommen. Das ist gegenüber der alten


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Bemessungsgrundlage, der sozialdemokratisch beschlossenen Bemessungsgrundlage (Zwischenruf der Abg. Silhavy) – ja, von sozialdemokratischen Sozialministern! –, in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes eine Erhöhung von mehr als 100 Prozent. Im Jahr 1999 lag sie bei 589,52 €.

Meine Damen und Herren! Das ist fair und gerecht für alle; vor allem aber für Frauen aus niedrigen Einkommensgruppen ist das eine wesentliche Verbesserung und bringt das eine Pensionserhöhung im Alter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch etwas, Frau Kollegin Silhavy: Sie dürften hier irgendwie einem Irrtum unterliegen. Dies gilt additiv zu jedem Einkommen, das eine Frau in dieser Zeit hat. Das heißt, wenn eine Frau Teilzeit oder Vollzeit arbeitet in der Zeit und 750 € verdient, dann wer­den diese 1 350 € dazugezählt, und die Bemessungsgrundlage beträgt 2 100 €. Das ist mehr, weit mehr, als der Durchschnitt der Frauen in Österreich verdient. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Das, Frau Kollegin, ist tatsächlich fair und gerecht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das vierte Jahr der Pensionsanrechnung für Kindererziehungszeiten soll vor allem die Anlaufverluste durch die leider oft vorkommende geringere oder gleiche, aber fast nie höhere Bezahlung für Frauen beim Wiedereinstieg ausgleichen. Auch das ist fair und gerecht und bedingt vor allem die Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensverläufe von Frauen.

Zusätzlich gilt natürlich die bereits mit der Pensionssicherungsreform eingeführte Ver­kürzung des Durchrechnungszeitraumes um drei Jahre pro Kind im Zusammenhang mit der Parallelrechnung. Die Langzeitversichertenregelung, die Hacklerregelung ent­hält eine frauenspezifische Bestimmung. Demnach kann nämlich eine Versicherte mit 55 Jahren in Pension gehen, wenn sie 480 Beitragsmonate erworben hat, und als Bei­tragsmonate sind bis zu 60 Monaten Kindererziehungszeiten anzurechnen. Das ist fair und gerecht. – Sie wollen einen Korridor mit Abschlägen für Frauen! Ich verstehe das überhaupt nicht, meine Damen und Herren!

Vielleicht ganz kurz noch: Die Voraussetzungen für einen Pensionserwerb – Frau Staatssekretärin Haubner hat es schon gesagt – werden durch die Pensionsharmoni­sierung generell nur mehr sieben Jahre Erwerbstätigkeit plus ausreichend Versiche­rungszeiten, früher Ersatzzeiten genannt, für die Differenz auf 15 Jahre Beitragsleistun­gen sein. Das, meine Damen und Herren, ist vor allem fair und gerecht für Frauen mit mehr als drei Kindern, und wir haben das jetzt Gott sei Dank geschafft. Wir haben es vor zwölf Jahren schon versucht in der SPÖ/ÖVP-Koalition. Da ist es uns leider nicht gelungen, sozialdemokratische Sozialminister waren dagegen. Damals wollten wir nur auf zwölf Jahre absenken, und Sie waren dagegen.

Es gibt Verbesserungen beim Arbeitslosengeld und bei der Notstandshilfe: 70 Prozent statt bisher 55, 92 Prozent des Arbeitslosengeldes bei der Notstandshilfe und vor allem die Bemessung der Notstandshilfe für die Pension, auch wenn die Notstandshilfe nicht ausbezahlt wird. Auch eine Leistung, die diese Regierung zustande gebracht hat zum Unterschied von früheren Regierungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mit der Einführung der Möglichkeit eines freiwilligen Pensi­onssplittings soll zusätzlich zur Abgeltung von Kindererziehungsarbeit durch den Staat ein Ausgleich zwischen den Eltern eines Kindes hergestellt werden. Die Eltern können so eine Abgeltung der Verluste an Pensionszeiten für jenen Elternteil vereinbaren, der zugunsten der Kindererziehungsarbeit für einen begrenzten Zeitraum auf Erwerbstätig­keit ganz oder teilweise verzichtet. Das ist „fair share“. Das ist fair und gerecht für jenen Elternteil, der sich überwiegend der Familienarbeit widmet. Und die Leistungen


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des Familienlastenausgleichsfonds für die Pflege von Kindern mit Behinderungen wer­den vom 30. auf das 40. Lebensjahr des Kindes ausgedehnt.

Meine Damen und Herren! Das ist fair und gerecht, vor allem für die Leistungen von Eltern und vor allem Müttern von behinderten Kindern. Das ist mir auch ganz beson­ders wichtig.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nur ganz kurz noch eingehen auf Vor­würfe, die von verschiedenen Frauengruppierungen in den letzten Tagen erhoben wur­den. Die GPA-Frauen verweisen am 15. September, also genau vor einer Woche, dar­auf, dass die derzeit durchschnittliche Frauenpension mit 618 € um 42 Prozent unter der durchschnittlichen Männerpension von 1 060 € liegt.

Meine Damen und Herren! 60 Jahre sozialdemokratische Dominanz in den Gewerk­schaften – ja, was haben denn die GPA-Frauen in dieser Zeit gemacht?! Das ist ja das Ergebnis 60 Jahre sozialdemokratischer Dominanz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Bures verwies darauf, dass Frauen mit einer durchschnittlichen Pen­sion von 695 € – da ist sie sich nicht ganz einig mit den GPA-Frauen – bereits jetzt um ein Drittel weniger als Männer bekommen. Ja, meine Damen und Herren, das war eine falsche Pensionspolitik sozialdemokratischer Sozialminister in den letzten Jahrzehnten!

Sie haben auch eine Absenkung der Zahl der notwendigen Beitragsjahre für Frauen abgelehnt; ich habe es vorhin schon gesagt. Sie haben es auch immer verabsäumt, Kindererziehungszeiten als pensionsbegründende Zeiten zu werten. (Beifall bei der ÖVP.) Jahrelang haben wir in der Koalition darum gekämpft – diese Regierung hat es jetzt gemacht.

Sie haben auch bei den Notstandshilfezahlungen nichts gemacht: keine Notstandshilfe, keine Pensionsbegründung – ein Ergebnis sozialdemokratischer Sozialminister. Wir haben das jetzt geändert, und wir werden das jetzt ändern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich brauche ja gar nicht darauf zurückzukommen, dass das Karenzgeld für alle bei Ihnen, in unserer großen Koalition leider nicht durchzusetzen war. Diese Regierung hat es gemacht, fair und gerecht für alle Frauen mit Kindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren, jetzt noch ein Letztes. Die Frauensprecherin der SPÖ hat am 13. September gesagt: Mit dieser Pensionsreform würde diese Regierung nur das Lebensmodell mit Kind fördern.

Meine Damen und Herren! Als Ministerin einer Regierung, auch als Frauenministerin bekenne ich mich zur Gleichstellung von Frauen und Männern und werde auch in Hinkunft alles dafür tun. Aber als ehemalige Familienministerin und als Vertreterin einer Familienpartei nehme ich diesen Vorwurf gerne auf und werte ihn als größtes Kompli­ment. Wir danken Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.22

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen auf der Regierungsbank! Ich habe jetzt nicht mitgezählt, wie oft der Slogan „fair und gerecht“ gefallen ist, aber es ist ein bisschen so, wie wenn ich jetzt zwanzigmal hintereinander behaupten würde, Frau Ministerin: Ihre Jacke ist grün! Ja, sie ist grün! Sie ist grün! – Diese Pensionsreform ist fair und gerecht! Sie ist fair und


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gerecht! Ja, sie ist fair und gerecht! So, wie Ihre Jacke grün ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Frau Weinzinger! Die Jacke ist wirklich grün! Die Harmonisierung ist wirklich fair und gerecht! – Abg. Steibl: Haben Sie keine Rede vorbereitet? – Ruf bei der ÖVP: Emanze!) Das Problem Ihrer Wahrneh­mungsausprägung haben wir ja schon erlebt!

Das, was wir jetzt gehört haben, waren ein paar wirklich gewagte Behauptungen. Sie sind 2003 hergegangen, haben dramatische Verschlechterungen für die Frauenpen­sionen eingeführt, indem Sie die Durchrechnung von 15 auf 40 Jahre ausgeweitet haben, bewerten jetzt ein paar Jahre ein bisschen besser und sagen, jetzt haben wir einen Beitrag geleistet, dass das System fair und gerecht ist. Wir haben eine Scheuß­lichkeit von vorher ein bisschen weniger scheußlich gemacht. – Das nennen Sie fair und gerecht!

Sie von den Koalitionsparteien sagen, die Pensionshöhe von Frauen beträgt etwas mehr als die Hälfte der Pension von Männern im Durchschnitt, und das ist im Wesent­lichen die Schuld der GPA, wenn ich da jetzt richtig zugehört habe – aber das ist fair und gerecht.

Kollege Dolinschek ist da gestanden und hat gesagt, die Frauen haben ein wenig mehr als die Hälfte der Pension von Männern, dafür bekommen sie sie aber viel länger, und das soll auch so bleiben. So quasi: Mehr könnten wir uns nicht leisten. Pro Monat ist es schon okay, wenn die Frauen am Existenzminimum leben müssen im Alter. Das ist fair und gerecht. – In Ihrer Diktion vielleicht, bei uns nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zusammenfassend könnte man sagen, um auch noch ein Schlagwort aufzugreifen: Es gibt nicht nur die gut ausgebildeten Frauen in den Städten mit gut qualifizierten Jobs und einer guten Infrastruktur, Frauen mit gutem Einkommen, die sich eine private Infra­struktur organisieren können. Es gibt viel mehr Frauen am Land, wo es keine Kinder­betreuungseinrichtungen im ausreichenden Maße gibt, wo es nur ganz wenige Teilzeit­jobs gibt, häufig nicht erreichbar, weil die Mobilität nicht gewährleistet ist, wo Frauen also gezwungen sind, länger, als sie es vielleicht wollen, zuhause zu bleiben, sich der Kinderbetreuung zu widmen und danach in schlecht bezahlte prekäre Arbeitsverhält­nisse einzusteigen, wenn sie überhaupt das Glück haben, einen Job zu finden. Und was sagen Sie diesen Frauen, die Sie mit Ihrer Pensionsreform bestrafen? – Versäum­nis im Erwerbsleben, selber schuld! Das ist Ihre Antwort an die Frauen, die massiv durch Ihre Pensionsreformen zum Handkuss kommen.

In einem Punkt gebe ich der Frau Staatssekretärin Recht, nämlich wenn sie sagt, der Vorwurf, die Pensionsreform treibe die Frauen zurück an den Herd, sei falsch. Das stimmt, der Vorwurf wurde auch nicht erhoben. Die Pensionsreform hat ja genau den gegenteiligen Effekt und bringt die Frauen in ein Dilemma, das ich für unverantwortbar halte.

Sie sagen de facto den Frauen: Ihr müsst euch jetzt entscheiden: Entweder wollt ihr im Alter eine existenzsichernde Pension haben, die annähernd an jene der Männer her­ankommt – gleich wird sie nicht sein, weil der Einkommensunterschied gegeben ist –, oder aber ihr wollt Familie und Kinder, so wie das die Männer ganz selbstverständlich haben! Entscheidet euch, beides gleichzeitig geht mit dieser Regierungspolitik nämlich nicht!

Das nennen Sie fair und gerecht? Das ist alles andere als fair und gerecht, und darum glaube ich, dass es dringend notwendig ist, sich mit dem grünen Grundsicherungs­modell im Alter auseinander zu setzen, das einmal anzuschauen und zu rechnen. Rechnen wäre einmal angesagt! (Beifall bei den Grünen.)


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Einigen Vorrednerinnen und Vorrednern der Regierungsfraktionen kann ich sagen, es wäre manchmal hilfreich für die Debatte, bevor man zum Rednerpult geht, mehr als die Überschrift eines Dringlichen Antrags gelesen zu haben. Sonst kann man nämlich einigen Irrtümern aufsitzen, und ich darf ein paar dieser Irrtümer jetzt korrigieren und das grüne Grundsicherungsmodell nochmals erläutern.

Es besteht aus drei Elementen. Unverzichtbar sind davon zwei. Das eine ist die Sockelpension, eine grundgesicherte Pension, die einen ganz wesentlichen Vorteil bringt, auf den ich gleich noch eingehe, und das Zweite ist jedenfalls das, was Sie als Leistung eingemahnt haben – wenn Sie weiter gelesen hätten als bis zur Überschrift, hätten Sie es festgestellt –: Das, was man durch seine Erwerbstätigkeit an Ansprüchen erworben hat, wird eins zu eins ausbezahlt. Es wird beides zusammenkommen, das ist nämlich der riesige Fortschritt, wie wir eine Existenzsicherung plus eine Lebensstan­dardsicherung garantieren. Dieses Modell sollten Sie sich einmal genauer anschauen.

Der Unterschied zu Ihrem ist nämlich folgender: Sie haben vorher gesagt, der Riesen­vorteil Ihrer Pensionsharmonisierung ist, dass Frauen hinkünftig nicht mehr mindestens 15 Versicherungsjahre brauchen, sondern nur noch sieben. Viel besser also. Okay. Nach unserem Modell brauchen genau dieselben Frauen oder auch Männer mindes­tens null Versicherungsjahre, um ebenfalls eine existenzsichernde Grundpension zu bekommen. Doppelt so gut, oder? (Ruf bei der ÖVP: Und wer zahlt das?)

Noch dazu ist unser Modell aufkommensneutral – wenn Sie es nachrechnen würden, würden Sie es sehen. Nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag erreichen, als dass Sie es sich anschauen und es durchrechnen. Wenn man eine Grundsockelung einführt, wenn man die Erwerbszeitenansprüche ausbezahlt und umrechnet, wenn man eine Deckelung einzieht wie vorgeschlagen, wenn man das noch abgleicht mit dem, was jetzt an Sozialhilfe und Ausgleichszulagen ausgezahlt werden muss, dann ist das ein aufkommensneutrales Modell. Es wird nicht teurer, es wird nur tatsächlich fairer und tatsächlich gerechter im Unterschied zu Ihrer Reform. (Beifall bei den Grünen.)

Schließlich kann man, glaube ich, die Qualität des Modells durchaus daran bemessen: Wenn der Frau Staatssekretärin nichts anderes einfällt, daran zu kritisieren, als dass wir die Übergangsregelungen noch nicht ausgearbeitet haben, dann ist die Grundan­nahme offensichtlich nicht so schlecht. Ich kann Ihnen daher nur dringend ans Herz legen, wenn Sie auch nur einen Funken Interesse an Fairness und Gerechtigkeit haben: Seien Sie so fair und gerecht, und rechnen Sie diese Annahmen einmal durch! Schauen Sie sich die Zahlen an, und dann tun Sie das, was für die Bevölkerung mehr bringt und nicht für den Finanzminister mehr bringt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. 7 Minu­ten Wunschredezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.29

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einleitend einen Aus­schnitt aus einem Artikel in der „Presse“ mit dem Titel „Wie arm sind die Frauen? Eine heuchlerische Debatte“ zitieren.

„Sie sind mindestens genauso gut ausgebildet wie Männer, sie fordern dieselben Jobs ... Nur von der Politik werden junge Frauen manchmal immer noch behandelt wie in der Staubsaugerwerbung der Sechzigerjahre – als hilfsbedürftige Hascherln, die stets Sonderregelungen brauchen und für politische Polemik herhalten müssen.“


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Das machen Sie von der SPÖ und den Grünen, und das hat zum Beispiel jetzt auch meine Kollegin Weinzinger getan, wenn sie behauptet, wir stellen die Frauen vor die Entscheidung: Kind oder Pension. Wir sagen, es gibt Kind und Pension. Vielleicht hat der Nachhilfeunterricht von der Frau Bundesminister und von der Frau Staatssekretärin noch nicht gewirkt, ich erinnere daher noch einmal daran: 1 350 € Bemessungsgrund­lage, und es besteht auch die Möglichkeit eines Zuverdienstes.

Ich möchte auch noch etwas zu einer Aussage von Kollegin Silhavy sagen, die ich nicht ganz verstehe, aber es wird wahrscheinlich bei der sozialdemokratischen Oppo­sition wirklich so sein: Sie ist einfach gegen alles, was im Antrag der Grünen steht, aber – und das ist, glaube ich, ihre wahre Politik – sie wird ihre Zustimmung dazu ge­ben. Das werde ich den Frauen in der Steiermark erklären: dieses „realistische“ Den­ken seitens der SPÖ-Frauen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Walther.)

Es ist schon sehr viel gesagt worden, aber noch nicht eingesickert, zumindest nicht in die Köpfe der Opposition. Daher möchte ich ein wiederholtes Mal die wesentlichen Punkte, die zur Verbesserung der Frauen- und der Müttersituation und möglicherweise auch der Vätersituation – es gibt auch Väter, die den Mut und die Zeit und die Kraft haben, länger ihre Kinder zu betreuen – geführt haben, aufzählen.

Ich beginne mit der Anspruchsvoraussetzung für eine Pension, mit der Einführung eines Pensionskontos. – Frau Kollegin (in Richtung der Abg. Mag. Weinzinger, die im Begriffe ist, den Saal zu verlassen), Sie sollten zuhören, anstatt diesen Saal zu verlas­sen, denn Sie haben ja, glaube ich, mit Ihrer Partei diesen Antrag eingebracht. Oder täusche ich mich? (Abg. Mag. Weinzinger bleibt kurz stehen, hört sich den Satz zu Ende an und verlässt dann den Saal.)

Frauen können schon mit sieben Erwerbsjahren eine eigene Pension erhalten, was bisher erst mit 15 Erwerbsjahren möglich war. Was bedeutet das? – Das bedeutet – und das stellt eine außerordentliche Verbesserung für alle Mütter dar –, dass die Müt­ter, die bisher keine Pension hatten, weil sie die erforderlichen Zeiten nicht zusammen­gebracht haben, weil sie eine Familie gegründet und sich um ihre Kinder gekümmert haben, jetzt endlich auch sozial- und pensionsrechtlich die Absicherung bekommen, die ihnen zusteht.

Eine weitere wesentliche Maßnahme ist die Anrechnung der Kindererziehungszeiten; das wurde auch schon x-mal erwähnt, ich bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen. Bisher wurden zwei Jahre, in Zukunft werden durch diese Harmonisierung vier Jahre der Kindererziehung pensionsbegründend einberechnet. Bei Zwillingen kommt, analog zum Kinderbetreuungsgeld, die Hälfte dazu. Dies ist auch bei Mehrlingsgeburten so.

Da diese Leistungen herausragend sind, müssen auch Sie, meine sehr geehrten Kolle­ginnen und Kollegen von der Opposition, diese anerkennen. Vielleicht ist die Fähigkeit, etwas anzuerkennen, eine Tugend, vielleicht ist das manchmal nicht so einfach, aber es wäre ein schöner Zug, wenn auch Sie mitgehen würden, denn das würde einiges zum Wohle der Mütter und der Väter in Österreich bewegen. Haben Sie daher den Mut, da mitzugehen!

Wir haben nun Maßnahmen eingebracht, auf die wir Frauen – das wurde zwar schon gesagt, aber man muss es immer wieder sagen – unter SPÖ-Bundeskanzlern nahezu 30 Jahre und unter SPÖ-Frauenstaatssekretärinnen beziehungsweise Frauenministe­rinnen 22 Jahre lang vergeblich gewartet haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber bei uns heißt es: Handeln statt versprechen, durchsetzen statt blockieren! – Auch ein Satz, den Sie sich merken können! (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit der Abg. Bures.)


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Für die Mütter heißt es weiters ... (Abg. Bures: Das war eine echte Ansage!) – Das war nicht nur echt, das war auch wahr, Frau Kollegin! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerliche ironische Heiterkeit der Abg. Bures.)

Für die Mütter heißt es weiters, dass sie in der Zeit der Kindererziehung versichert sind, auch wenn sie keine Beiträge leisten. – Das werden Sie wohl auch hinaustragen müssen.

Die Unterscheidung von Beitragszeiten und Ersatzzeiten gibt es nicht mehr, alle Zeiten werden gleich bewertet. Mütter bekommen daher Kindererziehungszeiten genauso wie Versicherungszeiten angerechnet.

Die Bemessungsgrundlage mit einem durchschnittlichen Einkommen von 1 350 € ist schon erwähnt worden. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal sagen: Die Gewerkschaft hat es in der Hand, da noch einige Verbesserungen herbeizuführen. (Zwischenruf der Abg. Walther.)

Es gibt bei den Kollektivvertragsverhandlungen keine einzige Frau im Verhandlungs­team. Ich denke, dass diese Verhandlungen sehr sozial orientiert geführt werden soll­ten. Daher mein Appell an die Sozialdemokratie: Bitte schaut, dass dort etwas weiter­geht! Dann könnten wir noch einiges verbessern, und zwar auch bei den Grundgehäl­tern im Bereich der so genannten Frauenberufe.

Abschließend lassen Sie mich noch sagen: Alfred Dallinger, Sozialminister und Sozia­list, hat 1988 davon geträumt, die Pensionssysteme zu harmonisieren. Uns ist es nun gelungen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordne­ten Silhavy und Walther.)

16.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Riepl zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Sie kennen die Geschäfts­ordnung, Herr Abgeordneter. – Bitte.

 


16.35

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrte Damen und Herren! Meine Vorred­nerin hat behauptet, dass es bei den Kollektivvertragsverhandlungen keine Frauen in den Verhandlungskomitees gibt. (Abg. Steibl: Gibt es schon, nämlich eine Sekretärin!)

Ich stelle richtig: Selbstverständlich gibt es bei den Kollektivvertragsverhandlungen Frauen in den Verhandlungskomitees – nicht nur eine, sondern mehrere. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Ach geh! Seit wann?)

16.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


16.36

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs ganz kurz zum Dringlichen Entschließungsantrag der grünen Fraktion Stellung nehmen und vor allem noch einmal, was zwar schon sehr ausführlich meine Kollegin Silhavy gemacht hat, erklären, warum wir diesem Antrag sehr wohl zustimmen. Frau Kollegin Steibl, es wäre vielleicht gut gewesen, der Frau Kollegin Silhavy zuzuhören. (Abg. Steibl: Das habe ich auch getan!) Sie hat ganz klar und deutlich gesagt, dass das Modell, das in diesem Antrag vorgeschlagen wird, nicht jenes Modell ist, welches die Sozialdemokratie unterstützt, sondern dass wir ein ganz anderes Modell vorschlagen, dass wir uns aber nicht dagegen aussprechen, um eine seriöse Debatte führen zu können, dass dieses Modell durchgerechnet wird, dass die Zahlen auf den Tisch kommen. (Abg. Steibl: Das ist ja nicht logisch!) Aber Sie sind


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sogar gegen die Durchrechnung eines Modells! Es geht nicht um die Zustimmung zum Inhaltlichen, sondern es geht darum, eine seriöse und sachliche Diskussion führen zu können. (Abg. Steibl: Aber geh! Das ist mir etwas Neues!) Aber Sie sind nicht einmal dazu in der Lage, das haben wir soeben erlebt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Das Modell der Sozialdemokratie geht von einer den Lebensstandard sichernden Pen­sion aus. Frau Kollegin Scheucher, wir reden wirklich von einer lebenssichernden Pen­sion! Sie aber machen mit dem Modell 2003 und mit dem Modell, das Sie jetzt präsen­tieren, in Wirklichkeit eine Reform, die Frauen in Zukunft in die Altersarmut treiben wird und wo von Lebensstandardsicherung keine Rede sein wird.

Eigentlich hat sich auch schon heute in der Früh in der Aktuellen Stunde gezeigt, dass das ein einziger Schwindel ist, den Sie hier verbreiten. Es ist eine Mogelpackung, die Sie hier präsentieren! Das wird eine Pensionskürzung sein, eine Fortsetzung des Mo­dells aus 2003, die vor allem zu Lasten der Frauen und der jungen Menschen in Öster­reich gehen wird.

Im Jahr 2003 waren viele Menschen von massiven Pensionskürzungen betroffen, vor allem Arbeiterinnen und Angestellte. Diese werden im Alter wesentlich weniger haben. Es haben 627 559 Menschen an einem Pensions-Volksbegehren teilgenommen und haben damit gegen Ihre Kürzungsmaßnahmen demonstriert.

Es sagen heute – wir haben es schon gehört, es liegen Umfrageergebnisse vor –76 Prozent der Bevölkerung, dass die Belastungen, die diese blau-schwarze Bundes­regierung bei der Pensionsreform plant, ungerecht verteilt sind. Diese Menschen haben Recht! Es ist eine ungerechte Reform, die Sie uns heute hier präsentieren, und sie verdient ihren Namen nicht. Sie wird nämlich dazu führen, dass zu den Pensions­verlusten von 2003 noch einmal Kürzungen hinzukommen, die diese nahezu verdop­peln. Es werden Frauenpensionen herauskommen, bei welchen die Frauen in Wirklich­keit noch einmal 20 Prozent verlieren werden.

Frauen mit einer durchschnittlichen Pension von 700 € werden durch Ihre Reform – nicht auf Grund von 30 Jahren Sozialdemokratie, da hat es lebensstandardsichernde Pensionen gegeben – heute 20 Prozent weggenommen. Das heißt, dass diese Frauen im Monat von 560 € leben müssen. Damit machen Sie, Frau Bundesministerin, die Frauen zu – wie Sie sie bezeichnet haben – „armen Hascherln“, die das selbst nicht sein wollen. Das machen Sie mit Ihrer Pensionsreform und mit Ihren Pensionskürzun­gen, die Sie zu verantworten haben. Das ist ungerecht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenbemerkung von Bundesministerin Rauch-Kallat.)

Als Frauenministerin hätten Sie eigentlich das Augenmerk darauf zu richten, dass Frauen nicht ungleich behandelt werden. Doch es ist eine ungleiche Behandlung, wenn Männer drei Jahre vor dem Regelpensionsalter zumindest theoretisch die Chance haben, in einem Korridor in Pension zu gehen. Frauen haben bei Ihnen nicht diese Möglichkeit! (Abg. Steibl: Die können mit 60 Jahren in Pension gehen!) Frauen ver­wehren Sie die Chance, drei Jahre vor dem Regelpensionsalter in Pension zu gehen, und das ist eine Ungleichbehandlung, die ÖVP und FPÖ zu verantworten haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das heißt, Sie wollen die Frauen schon jetzt mit 65 Jahren in Pension schicken!)

Es ist auch eine Ungleichbehandlung, dass Sie bei Schwerarbeitern mit dem 60. Le­bensjahr beginnen. Das bedeutet, es gibt für Sie in diesem Land keine Frauen, die schwer arbeiten. Offensichtlich leben Ihrer Meinung nach, wie wir heute wissen, Herr Kollege Dolinschek, die Frauen schlicht und einfach zu lang, sie kommen Ihnen zu teuer, darum kürzen Sie ihnen die Pensionen. Das war Ihre Botschaft des heutigen Tages! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist unter der Gürtellinie gewesen! – Anhaltende


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Gegenrufe der Abgeordneten Silhavy und Walther.) Es gibt keine Harmonisierung! Es gibt keine gleichen Beiträge bei gleichen Leistungen! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – in Richtung der Abgeordneten Silhavy und Walther –: Hat er gesagt, sie leben zu lange? – Gegenruf der Abg. Silhavy. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Also bitte: Lüge!) – Ich verstehe die Aufregung, Herr Kollege! Die Frauen sind auch aufgeregt darüber, dass Sie ihnen die Pensionen massiv kürzen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist peinlich, dieser Auftritt!)

Das Bedauerliche dabei ist: Sie hätten die Chance gehabt, tatsächlich ein faires Pensi­onssystem einzuführen, haben diese jedoch nicht genützt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie hatten die Chance 30 Jahre lang!) Sie hätten die Chance gehabt, wirklich eine Har­monisierung, die gleiche Beiträge und gleiche Leistungen gebracht hätte, einzuführen, haben jedoch diese Chance vertan und nichts anderes als eine Pensionskürzungs­reform gemacht, die Sie jetzt durchsetzen, eine „Reform“, die für viele Tausende Men­schen, vor allem für Frauen und junge Menschen, in Wirklichkeit Altersarmut zur Folge haben wird. (Abg. Dolinschek: Das ist keine Pensionskürzungsreform, sondern eine Pensionssicherungsreform! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir von der Sozialdemokratie haben ein Pensionsfairness-Modell ausgearbeitet, ein Modell, das von Versicherungsmathematikern bereits durchgerechnet wurde. Sie hät­ten die Chance gehabt, ein wirklich faires Modell umzusetzen, haben diese jedoch ver­tan! Die Leidtragenden werden Frauen und junge Menschen sein. Leider! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.41

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Frau Kollegin Bures, es ist ganz einfach unfair und unseriös, dass Sie ständig die Frauen zu verunsichern versuchen, indem Sie von „Schwindel- und Mogelpackungen“ reden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Debatte am heutigen Vormittag und auch diese jetzt haben ganz eindeutig gezeigt, dass Sie von der SPÖ einfach nur versuchen, Ihre versäumte Frauenpolitik zu kaschie­ren. Sie von der SPÖ hatten, als Ihre Partei Jahre hindurch die Frauenministerin ge­stellt hat, die Chance, positive Taten zu setzen. Eine Frage in diesem Zusammenhang: Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum die Frauenpensionen heute so niedrig sind, warum viele Frauen nicht einmal eine Pension haben?! (Abg. Bures: Warum kürzen Sie sie?)

Auf diese meine Frage kann ich Ihnen die Antwort geben: Schuld daran ist die ein­deutig verfehlte Lohn- und Frauenpolitik, während Sie von der SPÖ an der Regierung waren! Es hat nicht in Ihr System gepasst, Kindererziehungszeiten mit einzuberech­nen – und deswegen sind es gerade die Frauen, die jetzt darunter leiden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Bures: Sie haben keine Ahnung! – Abg. Silhavy: Es ist unglaublich!)

Nun zum Vorschlag der Grünen, der ein theoretisches, aber unrealistisches Modell dar­stellt. Kollegin Weinzinger hat zuvor davon gesprochen, eine Rechnung anstellen zu wollen. – Diese Rechnung wurde bereits durchgeführt, und zwar von einer Fachsektion im Sozialministerium, und Frau Staatssekretärin Haubner hat die Zahlen bereits genannt, dass nämlich bei einer Verwirklichung des Modells der Grünen ein Mehrauf­wand für die gesetzlichen Pensionen in Höhe von 4,5 Milliarden € erforderlich wäre.


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 122

Das heißt, dass zum gegenwärtigen Leistungsaufkommen über 20 Prozent für die Pen­sionen dann dazukommen müssten.

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie das finanziert werden soll? – Klar: Sie sind in der Opposition, und da haben Sie sozusagen auch das „Privileg“, sich um Finan­zierungen nicht kümmern zu müssen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist unglaublich!) Ihr wahres Gesicht, sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, müssen Sie dann zeigen, wenn Sie verantwortungsvolle Frauenpolitik machen müssen, auch dann, wenn Sie vielleicht irgendwann einmal Regierungsverantwortung haben sollten.

In Oberösterreich, wo Ihre Kollegen von den Grünen Regierungsverantwortung tragen, haben Sie jedenfalls einer Verminderung des Budgets für das Frauenressort zuge­stimmt. (Oh-Ruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch. – Zwischenrufe bei den Grünen.) Es ist Ihnen dort offensichtlich völlig egal, dass wichtige und notwendige Frauenprojekte – Projekte, die von der heutigen Staatssekretärin und damaligen oberösterreichischen Landesrätin Ursula Haubner unterstützt wurden – nicht mehr realisierbar sind. (Zwi­schenruf bei den Grünen.) – Das ist die wahre Frauenpolitik der Grünen, wenn diese Verantwortung tragen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Tatsache ist, dass der Lebensverlauf von Frauen mit diesem Harmonisierungsmodell mehr denn je berücksichtigt wird. Faktum ist weiters, dass durch eine verstärkte Anrechnung von Kindererziehungszeiten und bei flachem Einkommensverlauf – und das ist gerade das soziale Modell an dieser Harmonisie­rung – die Pension stärker steigt, als sie durch eine Verlängerung der Durchrechnung sinkt. Das sind Tatsachen, die Sie ganz einfach akzeptieren müssen.

Auch bei der Teilzeitbeschäftigung, die von Ihnen ständig angesprochen wird, wird in Zeiten der Kindererziehung die Beitragsgrundlage erhöht, da doppelte Beitragsgrund­lagen angerechnet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen dazu, dass Frauen in Zukunft leichter eine Eigenpension erreichen – und da ist es nur gut so, dass anstatt der bis jetzt gel­tenden 15 Erwerbsjahre künftig nur sieben Erwerbsjahre notwendig sind, um endlich zu einer eigenständigen Pension für Frauen zu kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen: Machen Sie endlich Schluss mit Ihrer Polemik und mit diesen Falschinformationen! Denken Sie daran, dass auch Sie Verantwortung für die Frauen in Österreich haben sollten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Walther zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit, und Sie stellen die zu berichtigende Passage an den Beginn.

 


16.46

Abgeordnete Heidrun Walther (SPÖ): Es wurde hier behauptet, dass die Gewerk­schaften (Abg. Steibl: Wer hat das behauptet?) – ich glaube, auch Sie, Frau Steibl – eine Lohnpolitik betrieben hätten, die die Frauen extrem benachteiligt hätte, und dass die Gewerkschaften daher dafür verantwortlich seien, dass die Frauengehälter so nied­rig sind. (Abg. Steibl: ..., dass das richtig ist! Seit 30 Jahren!)

lch berichtige jetzt dahin gehend: Bei Gewerkschaftsverhandlungen sitzen immer meh­rere Partner am Tisch: neben Vertretern der Gewerkschaft auch die der Industriellen­vereinigung und des Wirtschaftsbundes, also auch Ihrer Organisationen. (Abg. Steibl: Diese tatsächliche Berichtigung braucht eine tatsächliche Berichtigung! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

 


16.46


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 123

Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete, das war an der Grenze einer tatsächlichen Berichtigung, aber bitte: Übung macht den Meister! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Abgeordneter Rest-Hinterseer. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


16.47

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Nach dieser massiven Attacke und nach vielen Debattenbeiträgen möchte ich jetzt zu etwas zurückkehren, was Sie von den Regierungsparteien sowieso immer gerne hören, nämlich sehr plakative Aussprüche. Daher: Reden wir doch einfach einmal über das Leben!

Ich möchte Ihnen jetzt von ein paar Frauen erzählen, die mich in letzter Zeit angerufen haben, Bergbäuerinnen, mit denen ich vor rund 14 Jahren vor das Parlament in Wien gezogen bin, um für eine Bäuerinnenpension zu kämpfen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die Bäuerinnen sind sowieso die Gewinnerinnen der Pensionsreform!) Damals war es so, dass uns die damalige und jetzt noch immer, glaube ich, im Amt befindliche Aloi­sia Fischer, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Bäuerinnen, aufgezeigt hat, warum Bergbauern oder Bergbäuerinnen überhaupt eine Pension brauchen, indem sie sagte, man solle dabei jedoch den Männern nicht zumuten, Geld hergeben zu müssen, denn dabei würden Männer immer so ein schlechtes Gefühl bekommen. Die Frauen sollten daher, so Aloisia Fischer, mit 30 von 100 Prozent der Betriebspension zufrieden sein. Es sei für Männer ganz schlecht, wenn sie so viel Geld hergeben müssen. – Das hat Frau Fischer damals auch vor einem Gremium gesagt; das kann man nachlesen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was für ein Gremium war das?)

Wir haben uns jedoch nicht entmutigen lassen, wobei man dazu sagen muss: Bei diesen 30 Prozent ging es um den Unterhaltsanspruch von Frauen, nicht um einen eigenständigen Pensionsanspruch.

Eine dieser Frauen, eine Bergbäuerin, ist jetzt mittlerweile in Pension. Sie bekommt eine Pension von 195 €. Diese Pension, die sie jetzt bezieht, führt dazu, dass ihr Mann keine Ausgleichszulage bekommt. Summa summarum bekommt dieses Ehepaar zu­sammen jetzt weniger an Pension, als der Mann alleine bekommen hätte.

Da bewegen wir uns also in einem Bereich, wo Sie von den Regierungsparteien nicht sagen können: Da haben sozialdemokratische Vertreter nicht richtig gearbeitet! Wir bewegen uns hier im Bereich der Landwirtschaft, wo von vielen die Ansicht vertreten wird, dass diese ohnehin so gut von dieser Regierung behandelt wird.

Von einer Harmonisierung im Bereich der Landwirtschaft sind wir jedoch geradezu Lichtjahre entfernt! (Beifall bei den Grünen.) Es gibt weder eine Harmonisierung zwi­schen den Beitragsleistungen von großen und kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, keine Harmonisierung zwischen Männern und Frauen, die in der Landwirtschaft genau­so lang, ihr Leben lang nämlich, gearbeitet haben, und keine Harmonisierung zwischen Voll- und Nebenerwerbsbetrieben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Lösungsvorschläge!)

Ich möchte Sie jetzt fragen: Warum gibt es nun wieder so komplizierte Regelungen für Frauen unter und für Frauen über 50 Jahren? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Verfassungs­rechtlich begründet!)

Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel erzählen: Eine andere Bergbäuerin aus dem Westen, in einer kleinen Berglandwirtschaft tätig, ist jetzt 51 Jahre alt. Sie war vor ihrer Berufstätigkeit als Bäuerin unselbstständig erwerbstätig und hat einige Beitragsjahre erworben. Sie hat dann geheiratet. Mit 30 Jahren hat sie zu überlegen begonnen, wie


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sie wieder zu Beitragszeiten kommen könnte, denn damals war es nicht möglich, dass sie einzahlt. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Was hat das mit dem Alter zu tun?)

Beim Nachfragen in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern hat sie dann glück­licherweise erfahren, dass das Pachten des Betriebes für sie möglich wäre. Das hätte sie schon neun Jahre früher machen können. Leider hat es die Sozialversicherungs­anstalt der Bauern verabsäumt, ihr das mitzuteilen. Besonders kundenfreundlich! Die Bäuerin hat dann drei Pflegekinder im Alter von vier Tagen bis zweieinhalb Monaten in Pflege genommen. Sie hatte keinen Anspruch auf Wochengeld und Erziehungsgeld. Die Kinder wurden eines nach dem anderen adoptiert, und zwar, als sie alle älter als vier Jahre waren.

Sie hat sich gedacht, sie kann nun zumindest die fehlenden Beitragszeiten annähernd kompensieren. Das hat sie gedacht! Sie hat sich jetzt ganz konkret ihre Versicherungs­zeiten berechnen lassen, und siehe da: Ihre Kindererziehungszeiten nützen ihr wenig. Man hat nämlich bei der politischen Entscheidung auf die Pflegekinder vergessen. Nur Kinder, die nach dem 31. Dezember 1987 mit einem Pflegschaftsvertrag in Pflege ge­nommen wurden, zählen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wer war denn da in der Regie­rung?) Das ist zu spät für diese Bäuerinnen und für viele Frauen, die Pflegekinder aufgenommen, diese mit einem ganz kleinen Pflegegeldbeitrag aufgezogen haben und in dieser Zeit keine Versicherungszeiten erwerben konnten. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Mit 51 ist sie noch nicht pensionsberechtigt!)

Warum können wir nicht gerade jenen Frauen entsprechend dem Grundsicherungs­modell, wo alle gleich behandelt werden – es gibt einen Sockel und dann zusätzliche Beiträge, je nach Erwerbsart und je nach Erwerbsdauer –, helfen? Diese wären jetzt im Pensionsalter, bekommen aber keine Pension. Es gibt immerhin 400 000 Frauen in Österreich, die überhaupt keinen Pensionsanspruch haben. Herr Kollege Scheuch, das scheint Sie nicht zu berühren. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wer sagt denn das?)

Warum werden bei diesen Frauen nicht alle Kindererziehungszeiten gleich angerech­net, egal, ob sie jetzt über oder unter 50 Jahre alt sind? Das ist jetzt ein aktuelles Modell dieser Regierung, Herr Kollege Scheuch, bei dem die Frauen, die über 50 sind, schlechter behandelt werden.

Erst die künftigen Kindererziehenden können eine bessere Bemessungsgrundlage für Kinder erlösen. Warum? Warum gilt dies nicht auch für die Frauen, die gerade jetzt schlecht gestellt sind, weil sie weniger Beitragszeiten haben, weil sie geringere Bei­tragshöhen haben? Wieso können wir nicht genau auch für diese Frauen das Modell der Grundsicherung anwenden, das im Übrigen längst von der Katholischen Sozial­akademie durchgerechnet wurde, und zwar schon vor Jahren? Man hat schon damals herausgefunden, dass die Kosten für Sozialhilfe bei weitem höher liegen, als wenn alle Leute eine Grundsicherung hätten. Das weiß man längst, das ist Schnee von gestern.

Also warum nicht eine Grundsicherung für die Frauen in diesem Alter, die jetzt schlecht behandelt werden, ab sofort einführen? (Beifall bei den Grünen.)

16.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Dr. Moser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.54

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin, Kollegin Achleitner, hat behauptet, dass in Oberösterreich das Frauenbudget mit Zustimmung der grünen Abgeordneten gekürzt wurde.


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Das entspricht nicht der Realität! Im Gegenteil: Gegenüber dem Vorjahr 2003 ist das Frauenbudget sogar angehoben worden. Zusätzlich ist mittelfristig die Sicherung aller frauenspezifischen Projekte vereinbart. Drittens ist insgesamt paktiert worden, dass die Sozialausgaben im Land Oberösterreich um 7 Prozent gesteigert werden. Bitte, das ist die Tatsache. (Beifall bei den Grünen.)

16.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Marek. Wunschredezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


16.55

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich möchte eingangs ein paar sehr klare Worte und Klarstellungen zu den Ausführungen von Frau Kollegin Heinisch-Hosek von heute Vormittag bringen.

Sie, Kollegin Heinisch-Hosek, und die SPÖ sprechen sicher nicht für alle österreichi­schen Frauen, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.) Die Frauen in diesem Land wollen nämlich nicht unter eine Glocke gestellt und dann per Gesetz rundum geschützt werden.

Aber das ist anscheinend das Einzige, was Ihnen dazu einfällt, denn ganz offensicht­lich werden Sie nicht einmal in Ihrer eigenen Partei wirklich ernst genommen. (Abg. Marizzi: Ha, ha, ha!) Denn sonst wäre nicht – ich weiß, Ihnen kommt es schon bei den Ohren heraus, aber ich muss es wiederholen, weil es stimmt – unter jahrzehntelanger sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung und SPÖ-dominiertem ÖGB die Einkom­mensschere zwischen Männern und Frauen so weit auseinander gedriftet und die Situation heute so, wie sie ist. Es ist einfach unredlich, Herr Kollege Cap, wenn Sie ständig so tun, als wäre dies erst seit 2000 passiert. (Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Text?)

Noch ein Wort zu der Behauptung der Frau Kollegin Heinisch-Hosek, in der ÖVP habe sich niemand je für die Anliegen der Frauen eingesetzt. Ich halte das, Frau Kollegin, für eine unglaubliche Entgleisung Ihrerseits und weise das auf das Schärfste zurück (Beifall bei der ÖVP), und zwar gerade im Namen der ÖVP-Frauen, die sich immer sehr für die Anliegen der Frauen eingesetzt haben und das auch heute tun. Aber ich muss sagen, das zeugt von der SPÖ-typischen Intoleranz und Ignoranz.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Das Wort „Ignoranz“ verwenden wir nicht, Frau Kollegin! Ich bitte Sie, das zurückzunehmen.

 


Abgeordnete Christine Marek (fortsetzend): Ich nehme diesen Ausdruck zurück.

Ihre Position beweist aber einmal mehr, wie eingeengt Ihr Blickfeld durch die rote Par­teibrille ist. Alles, was da nicht hineinpasst, wird als schlecht abgelehnt. Im Gegensatz zu Ihnen maßen wir uns nicht an, individuelle Entscheidungen zu bewerten, sondern wir akzeptieren diese und versuchen, die jeweils bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen und bereitzustellen.

Meine Damen und Herren! Wir müssen heute die jahrzehntelangen Versäumnisse der SPÖ-geführten Regierungen aufarbeiten, die es mit einer fast schon bewundernswer­ten Hartnäckigkeit geschafft haben, die Tatsache zu ignorieren, dass immer weniger Beiträge auf immer mehr Menschen aufgeteilt werden müssen. – Das zum einen.

Meine Damen und Herren! Damit bin ich beim Thema Harmonisierung der Pensionen und bei den darin enthaltenen und heute schon mehrfach diskutierten Maßnahmen speziell für die Frauen.

Meine Damen und Herren von den Grünen und auch von der SPÖ! Was Sie immer vergessen, wenn Sie über die Auswirkungen speziell auf die Frauen sprechen, ist die


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Tatsache, dass gerade die jüngeren Frauen mittlerweile ganz andere Lebensverläufe haben als unsere Mütter und auch die Generation dazwischen. Zum einen sind Frauen heute immer besser ausgebildet. Laut dem Österreichischen Hochschulbericht 2002 sind die Frauen nicht nur bei den Studienanfängern in der Mehrheit, sondern auch die Absolventen an Österreichs Universitäten sind mittlerweile zu mehr als 50 Prozent weiblich. (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Bei der Matura sieht es für die Mädels noch besser aus. Da sind wir nämlich schon bei fast 60 Prozent. Damit sind bereits die Chancen und Bedingungen für den Beruf und den Berufseinstieg deutlich besser, als es früher der Fall war. Ich glaube nicht, dass das hier irgendjemand bestreiten wird.

Wenn ich mir die jungen Frauen ansehe, dann stelle ich fest, wir haben mittlerweile auch ein ganz anderes Selbstbewusstsein und stehen ganz anders im Leben als unsere Mütter beziehungsweise die Generation dazwischen. Frauen wissen heute meistens sehr genau, was sie wollen, und vor allem auch, wohin sie wollen. Diese modernen Frauen sind sehr weit weg vom Bild der armen, hilflosen Hascherln, das Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, uns immer glauben machen wollen.

Das gilt nicht nur für eine kleine Minderheit der jüngeren Frauen, sondern betrifft einen sehr, sehr großen Teil. Gerade die jüngeren Frauen sind zu einem sehr beträchtlichen Teil erwerbstätig. Laut Wifo waren 2003 fast 80 Prozent aller Frauen zwischen 25 und 50 Jahren erwerbstätig. Auch das wird von dieser Bundesregierung ganz klar unter­stützt. Ich verweise nur auf die erhöhte Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld.

Außerdem dürfen wir auch nicht vergessen, dass auf Grund der demographischen Ent­wicklung spätestens 2010 auf dem Arbeitsmarkt dramatische Veränderungen eintreten werden und dann die Frauen als gut qualifizierte Arbeitskräfte dringend auf dem Ar­beitsmarkt benötigt werden.

Ich glaube daher, dass die Änderungen im Pensionssystem mit den Maßnahmen ge­rade für die Frauen durchaus ausgewogen sind. Durch die langsame und sukzessive Steigerung des Durchrechnungszeitraums werden diejenigen, die in den nächsten Jah­ren in Pension gehen, nicht unnötig hart getroffen. Andererseits finden die Veränderun­gen in den Lebens- und Karriereverläufen der heute jungen Frauen Berücksichtigung im System.

Das ist der wesentliche Unterschied zwischen uns und Ihnen, meine Damen und Herren. Wir denken an morgen, Sie sind und bleiben im Gestern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf daher den Entschließungsantrag der Abgeordneten Marek, Dolinschek, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit durch Pensionsharmonisierung einbrin­gen.

Ich erläutere ihn gemäß § 55 Abs. 3 in Verbindung mit § 53 Abs. 4 und ersuche den Präsidenten um Vervielfältigung und Verteilung.

Der Antrag umfasst in seinen Kernpunkten die vorgeschlagenen Maßnahmen im Zuge der Pensionsharmonisierung, wie Pensionskonto, „Pensionskorridor“, einheitliche Bei­träge und gleiche Leistungen sowie etwa die ausreichende Berücksichtigung von Er­satzzeiten gerade für Frauen, außerdem einen Nachhaltigkeitsfaktor und faire Über­gangsregelungen. – Die Details finden Sie in dem Ihnen vorliegenden Antrag. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von der Abgeordneten Marek in seinen Kernpunk­ten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Marek, Dolinschek ist hinrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung; er wird jetzt verteilt.


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Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Marek, Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtig­keit durch Pensionsharmonisierung

Die Bundesregierung hat die Absicht, dem Nationalrat ein harmonisiertes Pensions­system vorzulegen, das für alle Österreicherinnen und Österreicher gerecht und fair ist und gleichzeitig die Pensionsfinanzierung langfristig sicherstellt. Das neue „Allgemeine Pensionsgesetz“ wird dazu dienen, dieses Ziel zu realisieren.

Die Hauptpunkte der Harmonisierung sind:

Das Pensionskonto ist das Kernstück der Pensionsharmonisierung. Für jeden Pensi­onsversicherten wird ein transparentes, persönliches Pensionskonto eingerichtet. Auf diesem Konto werden die eingezahlten und aufgewerteten Beiträge sowie die erworbe­nen Leistungsansprüche (z.B. Zeiten der Kindererziehung, Arbeitslosigkeit, etc.) aus­gewiesen. Die Aufwertung der erworbenen Ansprüche erfolgt mit der Entwicklung der durchschnittlichen jährlichen Beitragsgrundlagensteigerung, das bedeutet in etwa mit der Lohnentwicklung.

Der neueingeführte Pensionskorridor ermöglicht in Hinkunft jedem frei zu wählen, wann er in Pension gehen möchte. Zwischen dem 62. und 68. Lebensjahr kann jeder mit ent­sprechenden Zu- oder Abschlägen versicherungsmathematischer Natur seinen Pensi­onsantritt frei wählen.

Ein weiterer Hauptpunkt der Pensionsharmonisierung besteht in einheitlichen Beitrags­sätzen mit gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen. Der Beitragssatz liegt in Zu­kunft, egal ob für Arbeitnehmer, Bauern oder Selbstständige einheitlich bei 22,8 %, dem bisherigen Niveau des ASVG. Bei Selbstständigen und Bauern wird ein Teil des Pensionsbeitrages aus öffentlichen Mitteln als Ausgleichsleistung finanziert.

Im Bereich der Ersatzzeiten kommt es zu einer einheitlichen Bewertung von Zeiten der Kindererziehung, des Präsenz- und Zivildienstes und der Hospizkarenz. Die Pensions­harmonisierung nimmt darauf Rücksicht, dass ohne Kinder das umlagefinanzierte Pen­sionssystem zusammenbrechen würde. Es wird daher vom Gesetzgeber anerkannt, dass Kindererziehung einen hohen gesellschaftlichen Wert hat und höhere Pensionen durch eine bessere Anrechnung der Kindererziehungszeiten vorgesehen. Zeiten der Kindererziehung, des Präsenz- und Zivildienstes sowie der Hospizkarenz werden in Hinkunft mit einer Beitragsgrundlage von 1.350,– € monatlich, das ist mehr als doppelt so hoch wie bisher, angerechnet.

Aber auch für Frauen gibt es durch die Pensionsharmonisierung gewaltige Verbesse­rungen. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten wird verbessert, 7 Jahre Erwerbs­tätigkeit reichen für eine Eigenpension aus, ein freiwilliges Pensionssplitting ist in Hin­kunft möglich und beim Pensionsbeitrag erfolgt in Zukunft bei der Notstandshilfe keine Anrechnung des Partnereinkommens mehr.

Für Schwerarbeiter gibt es in Hinkunft einen begünstigten Pensionsantritt. Wenn ein Versicherter 45 Versicherungsjahre zurückgelegt und davon zumindest 180 Monate Schwerarbeit geleistet hat, kann er je Schwerarbeitsjahr um 3 Monate früher in Pen­sion gehen, frühestens jedoch mit 60 Jahren. Ebenso gilt ein begünstigter Abschlag für Schwerarbeiter, wenn sie vor dem Regelpensionsalter von 65 Jahren in Pension gehen.


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Zur Flexibilisierung unseres Pensionssystems wird ein Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt. Mit diesem Nachhaltigkeitsfaktor wird unser Pensionssystem automatisch flexibel er­halten. Der Nachhaltigkeitsfaktor passt die Pensionen an die demographische Entwick­lung, an das Verhältnis von Beitragszahlern und Pensionisten an und reguliert den Steigerungsbetrag, den Beitragssatz, das Antrittsalter, die Pensionshöhe und den Bun­desbeitrag. Dieser Nachhaltigkeitsfaktor ist der entscheidende Schlüssel dafür, dass die Pensionssicherungsreform die Finanzierbarkeit der Pensionen für Jahrzehnte sicherstellen kann.

Mit einer fairen Anpassung der Pensionen wird sich in Hinkunft die jährliche Pensions­anpassung am Verbraucherpreis orientieren. Nur diejenigen Personen, die höhere Pensionen beziehen, erhalten von 2006 bis 2008 einen Fixbetrag.

Mit fairen Übergangsregelungen wird ein fairer Weg in das neue System eingeschla­gen. Das harmonisierte Pensionsrecht tritt mit 1. Jänner 2005 in Kraft. Mit einer Paral­lelrechnung wird ein fairer Übergang für alle geschaffen. Härtefällen wird insoferne vorgebeugt, als der Schutz vor Verlusten für Neupensionisten von bisher 10 % auf höchstens 5 % Verlust im Jahr 2004 abgesenkt wird und erst in den folgenden Jahren jeweils um 0,25 % pro Jahr ansteigt. Erst 2024 beträgt der Schutzdeckel sodann wie­der 10 %. Gleichzeitig wird im Rahmen der Pensionsharmonisierung auch sicherge­stellt, dass diejenigen, die lange gearbeitet haben, auch früher in Pension gehen können. Frauen mit 40 Beitragsjahren und Männer mit 45 Beitragsjahren können auch weiterhin mit 55 bzw. 60 Jahren in Pension gehen, wobei es bis zum Jahr 2007 für diese Gruppe keine Abschläge gibt.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass es durch das Projekt Pensions­harmonisierung zu einem fairen gleichen Pensionssystem für alle Österreicherinnen und Österreicher kommt, das gleichzeitig auch die langfristige Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems sicherstellt.

Angesichts dieses fairen und richtungsweisenden Projekts der Bundesregierung stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat begrüßt das von der Bundesregierung in Angriff genommene Projekt einer fairen und gerechten Pensionsharmonisierung für alle Österreicherinnen und Österreicher und ersucht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dem Natio­nalrat so rechtzeitig eine Regierungsvorlage zuzuleiten, dass damit ein Inkrafttreten mit 1. Jänner 2005 sichergestellt werden kann.

Diese Regierungsvorlage soll folgende Schwerpunkte enthalten:

Einführung eines Pensionskontos.

Schaffung eines Pensionskorridors, der es jedem ab 62 Jahren ermöglicht, frei zu wählen, wann er in Pension gehen will.

Einheitliche Beitragssätze mit gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen. Für be­stimmte Gruppen, die einen verminderten Leistungszugang haben, wird ein Teil des Pensionsbeitrages aus dem Steueraufkommen finanziert.

Einheitliche Bewertung der Ersatzzeiten.

Besserstellung der Frauen durch höhere Anrechnung der Kindererziehungszeiten, Er­leichterung des Zugangs zu einer Eigenpension, Möglichkeit eines freiwilligen Pensi-


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onssplittings und Erwerb von Ersatzzeiten auch bei Anrechnung des Partnereinkom­mens bei Notstandshilfebezug.

Begünstigte Pensionsantrittsregelung für Schwerarbeiter und Langzeitversicherte.

Nachhaltigkeitsfaktor zur Sicherung unseres Pensionssystems.

Faire Pensionsanpassung.

Übergangsregelungen, die dem Vertrauensschutz entsprechen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelberger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.01

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich muss gleich zu Beginn meiner Rede eines attestieren, was den Mitgliedern der Bun­desregierung wirklich gelungen ist: Sie sind Weltmeister, nämlich Weltmeister, wenn es darum geht, den Menschen Ihre unsoziale Politik auch noch als gut und fair verkaufen zu wollen. Das Bedenkliche an Ihren Äußerungen ist aber, dass Sie bewusst Unwahr­heiten verbreiten und jede Österreicherin/jeder Österreicher glaubt: Ganz toll, was diese Regierung macht! Ich bekomme künftig dank dieser Harmonisierung vielleicht noch eine höhere Pension, als bisher angenommen.

Für mich aber bedeutet Pensionsharmonisierung etwas ganz anderes, nämlich dass künftig alle die gleiche Pension bekommen sollen, ob junge oder auch ältere Men­schen. Das wäre fair, das wäre gerecht! Ich bin überzeugt davon, dass dieser vorlie­gende Antrag der Grünen, obwohl ich gegen eine Volkspension, gegen ein Pensions­splitting bin (Abg. Steibl: Aber Sie unterstützen ihn!), dazu dienen kann, dass es zu faireren Regelungen im Zusammenhang mit den neuen Berechnungsmodellen kommt.

Ich möchte nun noch einmal auf den heutigen Vormittag eingehen. Der Herr Bundes­kanzler hat ganz eindeutig gesagt, dass es mit dieser Pensionsreform erstmals keine Privilegien mehr gibt. – Genau das Gegenteil ist der Fall, denn wieder bevorzugen Sie einige Berufsgruppen. Tatsache ist, dass die Gewerbetreibenden und auch die Bauern viel weniger für die Pensionen einzahlen als die Arbeiter und Angestellten. Faktum ist auch, dass es bei den Beamten eine Deckelung für 1 bis 7 Prozent gibt, aber nicht für die Arbeiter und Angestellten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abgesehen davon, dass viele Menschen auf Grund Ihrer verfehlten Arbeitsmarktpolitik gar nicht die Möglichkeit haben, 40 bis 45 Jahre im Berufsleben zu verbringen, wird den Frauen von vornherein die Möglichkeit genommen, bis 2028 den so genannten Pensionskorridor zu nützen, was die Männer machen können. Das bedeutet aber auch, dass im Gegensatz zu Ihren Äußerungen gerade die Frauen die großen Verliererinnen Ihrer Harmonisierungsreform sind. (Rufe bei der ÖVP: Falsch!) Gerade bedingt da­durch, dass viele Frauen, die vorerst vielleicht einen Fulltimejob haben und dann Kin­der bekommen, anschließend auf eine Teilzeitregelung angewiesen sind, bedeutet das, dass diese Frauen bei ihren Pensionen zusätzlich zu Ihrem Pensions-Pfusch aus den Jahren 2000 und 2003 Verluste bis zu 20 Prozent erleiden müssen, noch dazu, wo sie sieben Jahre länger arbeiten müssen.

Das soll fair sein, Frau Ministerin? Das verstehe ich nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Warum verschweigen Sie, dass bis zum Jahr 2007 zwar 2 000 Frauen von dieser Pensionsregelung profitieren, aber 1,1 Millionen berufstätige Frauen gewaltig unter die Räder kommen und künftig mit massiven Pensionsverlusten rechnen müssen?


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Aber ich sage Ihnen ganz offen: Bei den Rechenkünsten Ihres Finanzministers, für den es plötzlich ein Rätsel ist, dass ihm Hunderte Millionen an Einkommensteuer fehlen, und wo sich jetzt das Budgetdefizit verdoppelt, wundert es mich nicht, wenn Sie sich hierher stellen und sagen, dass die Frauen künftig eine gute Pension bekommen werden. (Abg. Murauer: ... so gut wie der Edlinger!)

Meine Damen und Herren! Machen Sie Schluss mit Ihrer Abgehobenheit! Schauen Sie der Realität ins Auge! Ich weiß, dass es schwierig ist für jemanden, der überhaupt noch nie gehackelt hat (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen), darüber nachzu­denken, was es bedeutet, künftig 45 Jahre oder mehr in einem Betrieb arbeiten zu müssen, und das vielleicht noch unter schwierigen Bedingungen und mit gewaltigen Einbußen. (Abg. Grillitsch: Unvorstellbar!)

Wo bleibt denn die Hackler-Regelung, diese Schwerarbeiter-Regelung, von der wir so viel hören? Bis heute habe ich sie nicht gesehen. Hören Sie endlich einmal auf, die Menschen für blöd zu verkaufen! Ich denke, Sie glauben den Schmarren selbst nicht, den Sie hier im Parlament verzapfen. (Abg. Scheibner: Unglaublich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Ordnungsruf? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Adresse der Frau Kollegin Steibl, die gesagt hat: Wir handeln statt zu verspre­chen!: Wenn solche Ergebnisse herauskommen, lassen Sie das Handeln! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen: Ordnungsruf!?)

17.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.06

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Werte Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter aus der Steiermark, der vielleicht einmal etwas „gehackelt“ hat und es zustande gebracht hat, in der Sozialversicherung ein EDV-Projekt zu machen, wo Millionen Schilling ver­schleudert wurden, weil er nicht in der Lage war, das richtig zu machen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Sie haben kein Recht, hier von „Schmarren“ zu reden, wenn Sie sich nicht einmal die Dinge richtig durchlesen, um die es eigentlich geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denn: Wie sieht denn Ihre Wahrheit aus, Herr Kollege? – Sie sagen, alle sollen die gleiche Pension bekommen. Haben Sie überhaupt Ihr SPÖ-Programm gelesen? Haben Sie das durchgelesen? Wir haben es doch heute gehört: Sie wollen auch einen Durchrechnungszeitraum und nicht, dass alle die gleiche Pension bekommen. Wechseln Sie zu den Grünen hinüber, denn dort passen Sie mit dieser Ansicht besser hin! (Abg. Bures: Andere Ausgleichs...!)

Haben Sie ihm zugehört? Er hat das so gesagt, und insofern muss er schon aufpassen und sollte sich vielleicht Ihr eigenes Programm genauer durchlesen.

Die Pensionen der nächsten fast 10, 15 Jahre beruhen ja auf den Gesetzen, die Sie gemacht haben. Das sollten Sie auch nicht vergessen: dass die, die dann vielleicht jammern, dass sie zu wenig bekommen, diejenigen sind, die auf Grund der Gesetze, die Sie gemacht haben, dann eben auch weniger Pension haben.

Tun Sie nicht immer so, als seien Sie an nichts beteiligt, und überlegen Sie einmal, dass die jetzige Regierung sich wirklich Mühe gibt, das, was jahrzehntelang verab­säumt wurde, nachzuholen: rechtzeitig das niedrige Einkommen von Frauen anzuhe­ben, eine bessere Vorsorge für Frauen zu machen, endlich eine eigenständige Pensi-


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onsvorsorge und eine eigenständige Pension für Frauen zu erreichen. Wir gehen das endlich einmal an und bemühen uns, das zu tun, was Sie versäumt haben.

Sagen Sie es doch auch einmal laut und stehen Sie dazu, dass Sie all das nicht geschafft haben! Sie jammern und lamentieren hier, obwohl Sie doch jahrzehntelang die Möglichkeit hatten, etwas zu verbessern und zu verändern. Nur: Sie haben es eben nicht geschafft. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bei den Grünen würde mich schon interessieren: Was wollen Sie eigentlich? Sie sa­gen, Sie wollen eine Grundpension für alle. Wir haben gehört, das kostet mindestens 4 Milliarden, aber das ist kein Problem, das können wir uns leisten. Wenn wir sagen, wir wollen hier Verbesserungen für Frauen, auch für Einzelne, wo wir auch sagen, wie sie finanzierbar sind, wie man sich das in den nächsten Jahren wird leisten können, dann sagen Sie: Das ist nicht finanzierbar, das ist nicht leistbar! (Abg. Dr. Glawisch­nig: Sie haben es eben nicht verstanden!)

Ihre Wahrheit ist: Das, was Sie wollen, ist alles machbar, ist alles möglich. Das, was andere wollen, kann man nicht finanzieren und ist nicht machbar. – So einfach kann man es sich leider auch nicht machen, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Dann kann man auch nicht sagen, Frau Abgeordnete Glawischnig, die Regierung mache es sich sehr einfach. Es ist Polemik aus der untersten Schublade, zu sagen, dass es sich die Regierung wirklich einfach macht, denn es haben hier – und das wissen Sie selbst – Unmengen von Gesprächen mit Experten, Runden und Verhand­lungen und was weiß ich alles stattgefunden; es ist ja alles größtenteils auch in den Medien transparent gewesen.

Man macht es sich Ihrer Meinung nach also einfach, wenn man Verantwortung über­nimmt und sagt: Jetzt muss aber ein Punkt gemacht werden! Das ist es doch, was Sie auch aufregt: dass seit 1997 über dieses Thema diskutiert wird. Wir sagen: Jetzt muss ein Punkt gemacht werden! Wir übernehmen die Verantwortung und sagen: So geht es jetzt weiter: Wir sichern die Pensionen, wir machen ein gerechtes System mit einem einheitlichen Pensionskonto für alle. – Und auch das passt Ihnen wieder nicht.

Ihnen kann man es sowieso nicht recht machen. Das ist für uns aber kein Problem, denn wir wollen eine Pensionssicherung für die Bürgerinnen und Bürger in Österreich, und das haben wir mit diesem neuen System erreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sollten, wenn wir über die Frage diskutieren, für wen denn die Pensionsharmonisie­rung Vorteile bringt, bedenken, dass vor allem für Menschen im niedrigen Einkom­mensbereich Maßnahmen gesetzt wurden, und das sind nun einmal vor allem Frauen. Insofern wird damit für Frauen im Niedriglohnbereich eine Verbesserung – und das sagen die Experten! – von bis zu 34 Prozent erreicht werden. Ich glaube, das ist schon eine Maßnahme, über die man – wenn man will – sagen kann, dass es eine gute und eine schöne Maßnahme ist und dass wir damit einen echten Akzent für Frauenpolitik in dieser Regierung gesetzt haben.

Auch dass Frauen bereits nach 40 Beitragsjahren ohne Abschläge in Pension gehen können, ist nicht nichts, sondern ist genau das, was dazu führt, dass es zu einer Ver­besserung für die Frauen kommt und dass wir in der Zukunft auch eine eigenständige Alterspension für die Frauen anstreben und auch erreichen werden.

Sie müssen auch überlegen: Warum war das denn bis jetzt nicht möglich? – Weil es eben vielen kein Anliegen war! Man muss aber irgendwann einmal einen Stichtag setzen und einen Punkt setzen und sagen: Ab dann gilt das neue System. Und es wird in der Zukunft, nach der Reform, eigenständige Pensionen für Frauen geben, und ich


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glaube, auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, der auch wert ist, dass man ihn positiv erwähnt.

Noch etwas zum Schluss: Sie unterschätzen auch die Jungen, wenn Sie sagen, dass das für die Jungen nicht durchschaubar, nicht machbar und nicht möglich ist, denn den Jungen sind die Pensionen nicht so wichtig, den Jungen ist vielmehr wichtig, dass das, was sie einmal bekommen werden, in transparenter und nachvollziehbarer Weise er­kennbar ist. Und das wird mit diesem einheitlichen Pensionskonto der Fall sein, näm­lich dass man weiß: Was habe ich eingezahlt?, dass man weiß: Was hat der Staat dazugezahlt?, und dass man auch weiß, wie die Pension einmal aussehen wird – das heißt, dass es hier Transparenz und Gleichbehandlung gibt. Und das ist genau das, was auch die Jungen wollen. Fragen Sie sie einmal, und dann werden Sie sehen, dass wir hier Recht behalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. 5 Mi­nuten Wunschredezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.12

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Zuerst einmal ein paar grundsätzliche Bemerkungen – speziell für Sie, Kollegin Ridi Steibl – im Zusammenhang mit Kollektivvertragsverhandlungen:

Erstens: Bei Verhandlungen sitzen mindestens zwei am Tisch. Das heißt also, auch wenn wir uns etwas vorstellen, wünschen und entsprechende Forderungen einbringen (Ruf bei der ÖVP: Welche?), kommt es immer darauf an, was die Unternehmer dazu sagen. Und da würde ich Sie wirklich bitten: Drehen Sie sich um und reden Sie mit dem Kollegen Mitterlehner, der zwei Reihen weiter hinten sitzt, vielleicht kann dieser bei der einen oder anderen Forderung von Seiten der Arbeitgeber zu Gunsten der Frauen ja sagen! – So viel einmal dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Murauer: Um welche Forderung geht es da? Von welcher Forderung reden Sie da? Ein bisschen konkret auch werden! – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich rege mich nicht auf, es ist nur eine Feststellung. Und ich bedauere, dass in Ihrer Fraktion anscheinend so wenige Kollegen und Kolleginnen über Kollektivvertragsverhandlungen Bescheid wissen, denn das ist schon etwas Wichtiges, es betrifft ja alle Leute in diesem Land.

Das Zweite – es ist schon korrigiert worden –: Wir haben in unseren Verhandlungs­teams Frauen. Die Unternehmerseite hat bedauerlicherweise zum Beispiel bei einer der wichtigsten Kollektivvertragsrunden, nämlich bei jener der Metallindustrie, keine Frauen, und auch in den anderen Bereichen ist ihr Anteil sehr verschwindend. Viel­leicht würde, wenn dort die Frauen mehr zu reden hätten, auch die Kollektivvertrags­politik ein bisschen anders ausschauen. Ich darf Sie wirklich noch einmal bitten, viel­leicht ein bisschen positiv auf Ihren Kollegen einzuwirken.

Eine Bemerkung noch zu Christine: Ich bin etwas enttäuscht, weil gerade sie jemand ist, von der ich weiß, dass sie weiß, wie Kollektivvertragsverhandlungen laufen. Ich bedauere daher deine Aussage ein bisschen, Christine, denn sie war gerade in diesem Zusammenhang nicht gerade sehr qualifiziert. – So viel dazu.

Einen weiteren Punkt im Zusammenhang mit den Einkommensunterschieden möchte ich hier schon auch darstellen: In den Kollektivverträgen gibt es keine unterschiedliche Bewertung, keine unterschiedlichen Lohngruppen von Männern und Frauen mehr. Was zum Tragen kommt, ist die unterschiedliche Bewertung der Tätigkeiten, aber da stoßen wir auch immer auf taube Ohren der Unternehmervertretungen. Also auch das wäre ein Ansatzpunkt, wo Sie positiv mitwirken können.


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Aber – und das ist vielleicht gerade jetzt interessant – das, was sich wirklich gravierend niederschlägt, nämlich im negativen Sinne, ist der Umstand, dass Frauen nach einer Babypause nicht sofort und nicht rasch wieder in den Arbeitsprozess einsteigen können. Das tragen sie wirklich wie einen Mühlstein ihr ganzes Leben lang mit, meine Damen und Herren! Und da haben gerade Sie mit Ihrem nicht gerade glücklichen Ge­setz im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld eine Situation geschaffen, in der Frauen länger aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind und schwieriger wieder einsteigen können, was natürlich auch dazu führen wird, dass sich die Einkommens­unterschiede verschärfen werden.

Liebe Frau Bundesministerin! Wir sind uns einig darüber, dass wir mehr Männer in Karenz haben wollen, aber ich darf Sie schon daran erinnern, dass genau Ihre Regie­rungskollegen diejenigen waren, die bei der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes den Kündigungsschutz für Väter, die in Karenz gehen wollen, wesentlich verschlechtert haben. – Herzlichen Dank! Der Kündigungsschutz ist verkürzt worden! Welcher Vater soll da noch den Mut aufbringen, wirklich anzumelden, dass er einen Teil der Karenz­zeit für sich reklamieren möchte, wenn er dann vor der Situation steht, dass ihn der Unternehmer vielleicht hinauswirft?! – Das zu Ihrer „familienfreundlichen“ Politik. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weil Sie, Frau Staatssekretärin, gesagt haben, auch das Modell der Sozialpartner und -partnerinnen und insbesondere das Modell des ÖGB beinhalten diese Leitzahlen 45 – 65 – 80: Ja, natürlich, dazu bekenne ich mich auch! Aber ich darf Ihnen schon in Erin­nerung rufen, dass die Rahmenbedingungen, unter denen wir uns das vorstellen, welche sind, die sich eben in der Gesetzesvorlage, die Sie eingebracht haben, leider nicht wieder finden.

Da der Herr Bundeskanzler heute bemerkt hat, wir hätten auf Grund des Druckes der Sozialdemokratischen Partei den Verhandlungstisch verlassen, möchte ich Ihnen sagen, dass die Gründe folgende waren:

Erstens: Unsere Forderung nach Rücknahme der Pensionsreform 2003 und deren Grauslichkeiten ist nicht erfüllt worden.

Zweitens: Die Anrechnung der Kinderbetreuungszeiten ist weit geringer als das, was wir wollten.

Drittens: Die Korridor-Lösung gilt nur für Männer. Die Frauen fallen da durch.

Viertens ist auch die Frage der Schwerarbeiterregelung etwas, was man sich vielleicht nur durch einen Nebel vorstellen kann und bei dem Frauenberufe überhaupt nicht be­rücksichtigt werden.

Das heißt also, es gab da gute Gründe, den Verhandlungstisch zu verlassen, und ich darf hier mitteilen, dass auch Kollege Vizepräsident Klein, der nicht meiner Fraktion angehört, den von Ihnen eingebrachten Vorschlag sehr vehement kritisiert hat. (Abg. Scheibner: Was war bei der gemeinsamen Präsidiumssitzung mit der SPÖ? Was war bei der Sitzung?) Es gab also viele Gründe, den Verhandlungstisch zu verlassen.

Ich darf auch noch in Erinnerung rufen, dass auch sehr viele Rahmenbedingungen, die wir als Sozialdemokraten und -demokratinnen verlangt haben, nicht berücksichtigt wor­den sind. Wo sind denn die Bestimmungen und die Möglichkeiten, dass ältere Männer und Frauen auch länger gesund im Arbeitsprozess bleiben können? Wo denn, bitte? Wo ist denn Ihr Engagement dafür, dass es endlich auch dazu kommt, dass Schwarz­arbeit eingeschränkt wird? Wir haben vor vielen Monaten, vor langer Zeit einen Antrag gestellt, um die Schwarzunternehmer in den Griff zu bekommen. Ihr Engagement: Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts, das geht mich nichts an! – Wunderbar, die Arbeits-


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losen werden Ihnen dankbar dafür sein! Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen: Kein Thema für Sie! (Abg. Amon: ... immer dagegen gestimmt!)

Es gibt also viele, viele Gründe, nicht für dieses Pensionskonzept zu stimmen. Und die Regierung wird dafür auch die Rechnung bekommen, Herr Kollege! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.18

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe schon, dass ihr aufgeregt seid, speziell die Kolleginnen und Kollegen von den Sozial­demokraten, aber auch von den Grünen, denn heute findet die Diskussion über die Pensionsharmonisierung statt, die ihr jahrzehntelang verschlafen habt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Und ihr wart hauptverantwortlich dafür, dass so viele unter­schiedliche und ungerechte Systeme in Österreich geschaffen wurden: ob das die Politikerpension war, die auf Druck der Freiheitlichen 1997 abgeschafft wurde, ob das bei den hohen Beamten oder den ÖBB war, und noch vieles andere mehr. Auf eine Gruppe habt ihr jedoch vergessen: auf die große Menge der Arbeiter und Angestellten! Die waren euch noch nie viel wert (Ruf bei der SPÖ: Mein Gott!), denn sonst hätten wir für sie ein gerechteres System.

Es ist schon traurig, muss ich sagen, wenn sich Kollege Spindelberger von der SPÖ, angeblich Geschäftsführer der Sozialversicherung Steiermark, an dieses Rednerpult stellt und nicht einmal weiß, wie viel ein Arbeiter und ein Angestellter an Pensionsbei­trag zahlen. – Ist Kollege Spindelberger im Saal? Ich möchte es nämlich von ihm wis­sen. – Er behauptet nämlich immer, dass die das meiste zahlen. Ich möchte ihn einmal aufklären. Bitte aufpassen, stell dir vor, solch einer hat das Sagen in der Sozialver­sicherung! Wie wird denn das Budget dann dort ausschauen? – Gute Nacht!

Jetzt ist beabsichtigt, dass die Unternehmer 17,5 Prozent zahlen, die Bauern 15 Pro­zent. Und wie viel zahlen der Arbeiter und der Angestellte? – 10,25 Prozent zahlen sie! Und den Rest, von dem er immer redet, zahlen nicht der Arbeiter und nicht der Ange­stellte, sondern der Arbeitgeber. Bitte aufpassen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.) Lesen – denken – sprechen!, heißt die Devise. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist eine ganz interessante Situation: Da gibt es einen Dringlichen Antrag von den Grünen – also die Oppositionspolitik von Grün und Rot funktioniert ganz gut, muss ich sagen: Am Vormittag ist eine Aktuelle Stunde, am Nachmittag stellen sie einen Antrag (Abg. Mag. Molterer: Aber beides geht in die Hose!) –, und es ist schon interessant, wenn man den Antrag einmal genau liest. Da steht nämlich in der Kritik Folgendes:

„Die Finanzierung der Kinderbetreuungszeiten aus Mitteln des ohnehin defizitären Familienlastenausgleichsfonds wird dem FLAF bis 2010 ein zusätzliches Minus von mindestens 1 Milliarde € bescheren.“

Im selben Antrag steht dann hinten die Forderung – bitte lesen, auch die Grünen! –:

„Finanzierung der Beiträge für Zeiten der Kinderbetreuung, der Arbeitslosigkeit, der Krankheit und so weiter aus den jeweils relevanten Töpfen (FLAF, AMS ...).“ (Abg. Scheibner: Ah! Da schau! Sehr gescheit!)

Was passt da zusammen?


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Liebe Kollegen von den Grünen, passt jetzt gut auf! (Abg. Scheibner: Die hören nicht zu!) Ich weiß nicht, ob ihr überhaupt euren eigenen Antrag gelesen habt, denn es ist schon ein bisschen bemerkenswert, dass auf der zweiten Seite im drittletzten Absatz Folgendes steht:

„Tatsache ist, dass die im gegenwärtigen System eingesetzten Mittel aus Steuern sehr ungerecht verteilt werden. Gerade Menschen mit niedrigen Pensionen“ – wer ist das? – „und Frauen werden von den ins System fließenden Steuermittel besonders wenig be­günstigt.“

Wo sind die Männer? Oder gibt es bei euch nur mehr Frauen? (Abg. Dr. Glawischnig: Die Männer sind mit gemeint!) Also, meine Herren, stellt euch auf die Füße, denn sonst gibt es bei den Grünen wahrscheinlich keine Männer mehr! – Dies dazu.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich dann die Rede des Kollegen Darabos oder der Kollegin Bures höre, dann muss ich sagen: Eigentlich hätte dieser Antrag der Grü­nen an die Roten gehen müssen, denn die waren ja in den letzten 30 bis 50 Jahren die Verursacher (Rufe bei der SPÖ: Hundert! Hundert!), wie ich schon gesagt habe, sie waren diejenigen, die diese ungerechtfertigten Systeme geschaffen haben!

Wir von den Freiheitlichen beziehungsweise unsere Führungsmannschaft ist hergegan­gen und hat dementsprechend gut ein Pensionssicherungsmodell ausgehandelt ... (Abg. Öllinger: Umfallen!) – Seid nicht so nervös! Soll ich einen Arzt anrufen, oder was?

Wir haben gemeinsam ein Programm erarbeitet (Ruf bei der SPÖ: Wo?), eine Pensi­onssicherung auch für die Jugendlichen, damit die eine Chance haben. Ihr verun­sichert, wir sichern! Was mich besonders freut: Heute hat ein Kollege schon gesagt, der Walch hat immer gesagt, 45 Jahre sind genug. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist durchgesetzt: 45 Jahre sind genug (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP) – jetzt vorläufig bis 2010, und wenn wir noch in der Regierung sind, wird es wieder verlängert werden. 45 Jahre sind genug!

Nur wird es das bei der SPÖ nicht spielen, und wenn ich mir euer Programm, euer Wirtschaftsprogramm anschaue, dann muss ich sagen: Na Mahlzeit! Gute Nacht, Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Nur Belastungen! – Und so hätte auch eure Pensi­onsharmonisierung ausgeschaut: Die Reichen würden reicher und die Armen ärmer. Ihr würdet sagen: Armer, hilf mir, damit es mir nicht auch so geht wie dir! – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Restrede­zeit seiner Fraktion: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.23

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Damen und Herren des Hohen Hauses! Dass ich zu diesem Punkt als Letzter zu Wort gemeldet bin, veranlasst mich, zu sagen: Seit 105 Jahren gibt es die Sozialdemokratie und die Gewerkschaft in unserem Land. Vielleicht änderst du, lieber Kollege Walch, daher deine Rededisposi­tion: Nicht 30 Jahre lang, nicht 50 Jahre lang, sondern 100 Jahre lang sind wir an allem schuld, was es in diesem Lande gibt; das ist vielleicht passender. (Abg. Walch: Da habe ich euch eh schon wieder vieles geschenkt! 70 Jahre!) In Wirklichkeit stimmt es schon: Wir sind natürlich schon „schuld“ daran, dass es vielen Menschen bis vor weni­gen Jahren in diesem Land sehr gut gegangen ist. Darauf sollte man schon hinweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

Man hat heute bei den Debattenbeiträgen, von jenem des Bundeskanzlers angefangen über jene der Kolleginnen Steibl und Marek bis hin zu anderen, gesehen, dass es da in


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Bezug auf die sozialdemokratische Gewerkschaft anscheinend eine bestimmte Linie gibt: Da muss man ein bisschen anpatzen. – Das ist aber schief gelaufen. (Abg. Steibl: Anpatzen nicht, wir sagen nur die Wahrheit!) Nun, wenn gesagt wird, wir seien schuld, weil es den Frauen durch die Lohnpolitik so schlecht geht, dann ist das halt so. Ich glaube, für Lohnverhandlungen, für Kollektivvertragsverhandlungen ist das Hohe Haus kein geeigneter Ort. Ich gehe davon aus, dass das auch Herr Mitterlehner so sieht. Das sollte man auf einem anderen Feld machen. Aber wenn schon darüber diskutiert wird, dann möchte ich drei Bemerkungen dazu machen:

Das Erste: Bei den Lohnverhandlungen sitzen in der Regel auch christliche Gewerk­schafter auf der Seite der Gewerkschaften am Verhandlungstisch. Das festzuhalten ist, glaube ich, auch wichtig.

Das Zweite ist: Es wird immer über die Lohnpolitik gesprochen. Richtig ist: die Kollek­tivvertragspolitik, diese wird gestaltet. Jeder von Ihnen weiß: Das sind die Mindest­löhne. Die in den Betrieben tatsächlich bezahlten Löhne werden in den Betrieben aus­gemacht. Da kann die Gewerkschaft nur in Form der Schulung der Betriebsräte mithel­fen, aber in Wirklichkeit diktiert vielfach auch der Chef, was der Lohn ist – und daher sind wir wieder auf der Seite der Arbeitgeber und in vielen Bereichen auf der Seite der ÖVP.

Das Nächste ist, dass natürlich bei den Arbeitgebern, auf Seite der Wirtschaftskam­mer – diesen Eindruck habe ich (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) – genauso wie bei uns auch die Position vorbereitet wird betreffend die Frage: Wie weit kann man gehen? Aber ich lade Sie, Frau Kollegin Marek, gerne ein: Reden wir uns zusammen und versuchen wir, Kollegen Mitterlehner davon zu überzeugen, dass man bei den in wenigen Tagen beginnenden großen Kollektivvertragsrunden besondere Dinge für die Frauen machen soll (Präsident Dr. Khol gibt neuerlich das Glockenzei­chen), um für sie Besserstellungen zustande zu bringen. Ich bin dafür, ich bin gerne bereit, mit Ihnen an einem Strang zu ziehen, wenn es darum geht.

Und im Übrigen bleibt es so, wie es ...

17.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege! Ihre Redezeit ist schon lange abgelaufen! Ich bitte, dass das jetzt wirklich Ihr Schlusssatz ist.

(Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Riepl.)

Letzte Wortmeldung dazu: Frau Abgeordnete Mandak. Restredezeit ihrer Fraktion: 4 Minuten. – Sie sind am Wort, Frau Kollegin.

 


17.26

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Walch, uns sagst du, wir sollen nicht aufgeregt sein, und dann stehst du hier und wirst ganz narrisch und „fuddelig“. (Abg. Scheibner: Also bitte! Was ist denn das? – Abg. Großruck: Er hat halt ein Temperament! Er ist temperamentvoll!)

Hör einmal zu – jetzt wirklich in aller Ruhe: In dem Entschließungsantrag, den du nicht ganz verstanden hast, geht es darum, dass die Finanzierung von Beiträgen für Pensi­onsersatzzeiten jeweils aus dem dafür zuständigen Topf zu erfolgen hat. Eine ganz klare Regelung! Wenn man es sich genau anschaut, erkennt man es, aber wenn man ... (Abg. Scheibner: Aber das kritisiert ihr vorher!) – Nein, wir kritisieren, dass zum Beispiel das Kinderbetreuungsgeld aus dem FLAF genommen wird. Dafür ist er nicht da! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aber die Kinderbetreuungszeiten ...!) Die Ersatz­zeiten während der Kinderzeit – okay, gut. (Abg. Scheibner: Das kritisiert ihr zuerst, und dann fordert ihr es! Sie haben es ja selber nicht gelesen!)


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Ich möchte gerne auf eine Debatte zurückkommen, die jetzt ganz zum Schluss geführt worden ist, weil ich manche Aussagen so nicht im Raum stehen lassen möchte. Es wurde hier das Bild gezeichnet – das wurde uns wieder vorgeworfen –, wir würden Frauen als die „armen Hascherln“ darstellen, die man jetzt schützen und behüten muss. (Abg. Steibl: Das tut ihr ja die ganze Zeit: „Frauen sind Opfer ...“!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die durchschnittliche Frauenpension beträgt 614 € im Monat, die Ausgleichszulage beträgt 650 € im Monat. Die durchschnittliche Frauenpension – bitte, hören Sie einmal zu und nehmen Sie das zur Kenntnis! – liegt unter der Ausgleichszulage! Wir haben es auch – nicht ausschließlich, aber auch – mit Armut von Frauen im Alter zu tun. Verschließen Sie Ihre Augen nicht, das ist eine Tatsache! Und diese Frauen sind keine „armen Hascherln“, aber sie sind arme Frauen! Und uns geht es politisch darum, dass diese Armut verhindert wird, wo immer es geht. Wenn Sie da nicht mithalten können und wollen, dann lassen Sie es sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bezüglich der Gerechtigkeit für Frauen warten wir ja schon sehr lange auf etwas, was Sie, Frau Ministerin Rauch-Kallat, einmal im Familienausschuss versprochen haben, nämlich eine Beurteilung der Pensionsreform 2003 nach Gender Mainstreaming-Krite­rien. Sie sind sie bis heute schuldig geblieben. Da würde sichtbar werden, dass die Frauen trotzdem benachteiligt werden, obwohl es punktuelle Verbesserungen gibt. Ich gestehe Ihnen diese Verbesserungen gerne zu, nur: Sie verbessern auf der einen Seite, und auf der anderen Seite machen Sie durch den lebenslangen Durchrech­nungszeitraum so viel kaputt, dass all das vorher Verbesserte aufgehoben beziehungs­weise ins Minus getragen wird. Das ist die Kritik, die wir haben. Bitte, rechnen Sie es sich durch – aber nicht anhand dieser verschwommenen Rechnungen, die das Ministe­rium macht. Schauen Sie sich einmal an, auf welcher Basis die Rechnungen erfolgen, dann wird Ihr Urteil vielleicht auch anders ausschauen! (Beifall bei den Grünen.)

Zusammenfassend sei festgehalten, für uns ist klar, dass diese Pensionsreform, so wie sie vorliegt, keine Harmonisierung darstellt – das sagen Ihnen mittlerweile auch die Expertinnen und Experten; das ist sie nicht! – und zum Zweiten völlig verunsichert. Ich war jetzt im Vorarlberger Wahlkampf sehr viel mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt, vor allem auch mit Jugendlichen, die sagen, ihre Lebensentwürfe seien ganz andere – freiwillig oder unfreiwillig. Auf all diese Rahmenbedingungen nehme diese Pensionsre­form jedoch keine Rücksicht.

Das Grundsicherungsmodell der Grünen wäre eine Antwort auf all diese Fragen. Leider ist, wie man immer wieder sieht, kaum jemand von Ihnen bereit, sich mit diesem Modell auseinander zu setzen. Natürlich gibt es Unterlagen dazu. Schauen Sie sich die an!

Sie reden immer von einer Jahrtausendreform. Dann müssen Sie aber auch den Sockel neu aufbauen. Wir haben heute gesellschaftspolitisch andere Rahmenbedin­gungen als noch vor hundert Jahren. Es verlaufen die Erwerbskarrieren völlig anders. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen!

Uns geht es darum, ein Pensionssystem aufzubauen, das wirklich gerecht ist – für Männer und für Frauen, für jene, die lange Durchrechnungszeiträume haben, aber auch für all jene, die zum Beispiel lange Ausbildungszeiten haben und sehr viel in Aus- und Weiterbildung investieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Die Restredezeit seiner Fraktion beträgt 5 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 



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17.31

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Es war ein ganz interessanter Nachmittag. Er hat vor allem eines gezeigt, nämlich dass es in der Politik nicht genügt, in Überschriften zu reden, sondern es geht um die Substanz. (Abg. Öllinger: Ja! Genau!) Wir haben heute gese­hen, wo Substanz ist, und wir haben genau gesehen, wo die Überschriften sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bei uns, meine Damen und Herren, ist die Substanz für die notwendige Sicherung der Altersvorsorge auch in Zukunft!

Alle treten hierher an dieses Rednerpult und behaupten, alle vier Fraktionen stünden für die Harmonisierung. – Okay! (Zwischenrufe bei Abgeordneten der Grünen.) Testen Sie, was vorliegt! Hier liegt ein Entwurf vor, der die Harmonisierung tatsächlich schafft: ein einheitliches, faires und gerechtes Pensionssystem für alle! (Abg. Dr. Wittmann: Ein schlechtes ...!) Das hat Substanz und ist keine Überschrift.

Meine Damen und Herren! Dieser Nachmittag hat auch Folgendes gezeigt: Wenn es ernst wird, verlässt manche der Mut! (Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!)

Die SPÖ schreibt zum Beispiel in ihrem Konzept: Selbstverständlich soll es eine lebenslange Durchrechnung geben. – Wir machen es, die SPÖ aber kritisiert es! (Abg. Dr. Stummvoll: Angst vor der eigenen Courage!)

In Ihrem Konzept steht: 45 – 65 – 80. – Wir machen es, Sie kritisieren es! Jeder kann sich ein Bild davon machen, wer in Österreich tatsächlich den Mut zur Verantwortung hat, den Mut für die Zukunft hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie werden mit dieser Art der Politik eines riskieren – und das bereitet mir große Sorge –: Wenn wir in Sachen Altersvorsorge offen und ehrlich an die Probleme heran­gehen (Abg. Dr. Gusenbauer: Selten schwache Rede!) – Herr Kollege Gusenbauer, bei manchen Ankündigungen von Ihnen hatte ich ursprünglich diesen Eindruck, nach Ihren heutigen Ausführungen nicht mehr –, dann müssen wir so ehrlich sein (Abg. Öllinger: Ja!), zu sagen, dass eine Pensionssicherungsreform und eine Pensionshar­monisierung natürlich Veränderungen mit sich bringen.

Wenn wir nicht diese Ehrlichkeit haben, den Menschen in unserem Land zu sagen: Jawohl, die Harmonisierung ist richtig, sie bringt aber auch Veränderungen!, dann wer­den sie das Vertrauen in die Politik verlieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hier geht es wirklich um etwas sehr Wichtiges, es geht um die Frage der Balance und der Gerech­tigkeit zwischen Jung und Alt in diesem Land, zwischen Beitragszahlern und Pensions­empfängern. (Abg. Öllinger – eine Graphik in die Höhe haltend –: Da, schauen Sie sich das an! Wo ist da die Balance?) Und hier geht es um Gerechtigkeit zwischen den Berufsgruppen in diesem Land. (Abg. Dr. Glawischnig: Und zwischen Männern und Frauen!)

Ich werde es, wir werden es sicher nicht zulassen, dass aus parteipolitischer Über­legung eines der wichtigsten Zukunftsprojekte, die wir uns vorgenommen haben, in den Überschriften stecken bleibt. Wir werden (Abg. Bures: Weiter kürzen!) uns daher ganz klar und konsequent zu dieser Linie bekennen, den Menschen offen ins Auge blicken und sagen: Wir machen faire und gerechte Lösungen! (Abg. Parnigoni: Gleich in den Beichtstuhl! Von hier gleich in den Beichtstuhl!) Diese schaffen Gerechtigkeit zwischen Jung und Alt und zwischen Berufsgruppen.

Sie von der SPÖ verlässt der Mut. Wir haben den Mut zur Zukunft, zu einer sicheren Altersvorsorge, die auf einem modernen Drei-Säulen-Modell beruht, mit dem auch die jungen Menschen in diesem Land wissen, dass sie bei dieser fairen und gerechten


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Pensionsharmonisierung in Zukunft gut aufgehoben sind. (Abg. Mag. Kogler: Das ist ja Orwellsches ...!)

Das ist das wichtige Signal, das wir geben. Uns verlässt nicht der Mut. Wir halten Kurs, wir halten Linie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsan­trag 448/A (E) der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grund­sicherung statt Pensionskürzungen für Frauen und jüngere Menschen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Der Antrag findet nicht die notwendige Mehrheit und ist daher abge­lehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Marek, Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit durch Pensionsharmonisierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag findet die Mehrheit und ist daher ange­nommen. (E 69.)

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1854/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit der Ordnungszahl 1854/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Ver­lesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, der Erstredner allerdings 10 Minuten.

Ich bitte nunmehr Herrn Abgeordneten Dr. Pirklhuber, mit zehnminütiger Redezeit die Debatte zu eröffnen. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.37

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Wittauer.) Vielleicht kann sich Herr Kollege Wittauer auch wieder auf seinen Platz begeben, damit er der Diskussion lauschen kann. (Abg. Scheibner: Schon wieder so oberlehrerhaft!)

Es geht ja um eine wichtige Frage in unserer heutigen Kurzdebatte, und zwar um einen Themenbereich, der genau jenen Mut zur Verantwortung erfordert, den Herr Klubob­mann Molterer soeben zitiert hat, der aber Ihnen von den Regierungsparteien im Sozi­albereich leider abhanden gekommen ist, ebenso im Umweltbereich, ganz zu schwei­gen von der Landwirtschaft.

Konkret geht es um die Verantwortung im Bereich der gentechnikfreien Landwirtschaft, der gentechnikfreien Lebensmittel, also genau jener Bereich, für den die österrei-


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chische Bevölkerung ihren Willen durch ein Volksbegehren deutlich zum Ausdruck ge­bracht hat.

Wie sieht die aktuelle Situation aus, meine Damen und Herren? – Es ist so, dass die Gefahren in den letzten Jahren immer wieder heruntergespielt worden sind. Ich möchte hier auf zwei aktuelle Aspekte eingehen, um Ihnen zu zeigen, dass viele dieser Gefah­ren nach wie vor völlig im Dunklen liegen.

Das Erste können Sie im Internet auf http://science.orf.at nachlesen. Eine amerika­nische Untersuchung zeigt, dass Pollen von Gentech-Gras bis zu 20 Kilometer flie­gen – das ist eine reale Felduntersuchung – und dass Bestäubungen von Wildformen, also von anderen Grassorten, bis zu einer Entfernung von 14 Kilometern nachgewie­sen werden konnten. Herr Bundesminister, das wäre eine wahnsinnige Gefahr für den ganzen Alpenraum, wenn es in Zukunft so zu einer Verbreitung gentechnisch verän­derter Futtergräser in der Landwirtschaft kommt. Das ist ein ganz konkreter Aspekt. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Das gibt es nicht, sagen Sie? – Schauen Sie einmal auf diese Homepage! Sie werden feststellen, dass diese Studie real ist und dass dieses Gras sehr wohl existiert.

Das Zweite, meine Damen und Herren, ist die Nichtzulassung einer bestimmten gen­technisch veränderten Sorte durch die EU-Kommission, nämlich der Mais-Sorte MON 863. Warum ist diese nicht zugelassen worden? – Weil französische Wissen­schaftler festgestellt haben, dass es nach Fütterungsversuchen bei Ratten zu Verände­rungen der Nieren, der Lymphsysteme et cetera kommen kann. Es ist offensichtlich ein Riesengefahrenpotential, das man sehen muss, nämlich dass gentechnisch veränderte Futtermittel Veränderungen bei den Tieren verursachen können. Da gibt es eine Grau­zone, Herr Bundesminister, die gerade in Österreich noch überhaupt nicht untersucht worden ist.

Was sind die derzeitigen Rahmenbedingungen? Welche Veränderungen hat es in den letzten Jahren gegeben? Es sind inzwischen 17 Sorten im EU-Sortenkatalog eingetra­gen. Das bedeutet prinzipiell, dass sie in der gesamten Europäischen Union angebaut werden könnten. Andererseits sind wir säumig bei der Umsetzung der EU-Freiset­zungsrichtlinie 18/2001. Daher gibt es jetzt auch eine Vorlage zur Novelle des Gen­technikgesetzes, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, Herr Bundesminister.

Drittens gibt es auf europäischer Ebene immer noch keine verbindlichen Schwel­lenwerte für Saatgut. Der letzte Vorschlag der EU-Kommission – 0,3 Prozent für Raps und Mais – wurde im entsprechenden Regelungsausschuss wieder abgelehnt. Ich hoffe, auch die Agrarminister werden dagegen sein. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

All das sind Probleme, meine Damen und Herren, die die österreichische Lebensmittel­sicherheit, die die österreichische Landwirtschaft und die Gesellschaft meiner Meinung nach ganz massiv bedrohen!

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder ein Bündel von Maßnahmen vorgeschla­gen. Das Parlament war dabei ein aktives Forum. Wir haben hier im Haus zwei kon­krete Initiativen zusammengebracht, nämlich zwei Mal einen Vier-Parteien-Antrag. Ich erinnere an den ersten dieser Anträge im Mai 2002. Damals haben wir den Bundes­minister – es war das noch Herr Bundesminister Molterer – aufgefordert, rasch die rechtlichen Rahmenbedingungen für gentechnikfreie Regionen auf allen Ebenen zu klären, einerseits wirtschaftlich, wissenschaftlich und andererseits insbesondere die Frage der Haftung mit der Frist bis Herbst 2002. Bis heute ist das nicht geregelt wor­den. Jetzt, mit der Regierungsvorlage zur Novelle des Gentechnikgesetzes gibt es eine


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Diskussion über strenge Haftungsregelungen. Herr Bundesminister, dazu haben wir auch noch einiges mit Ihnen zu klären.

Besonders an die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ möchte ich hier mit einem Zitat der Kollegin Achatz aus dem Jahr 2002 im wahrsten Sinne des Wortes appellie­ren. (Abg. Grillitsch: Die ist ja gar nicht mehr aktiv!) Sie hat damals wörtlich gesagt – ich zitiere –:

„Unser Ziel, das Ziel meiner Partei ist wirklich ein gentechnikfreies Österreich, nicht nur gentechnikfreie Regionen.“

Ich werde Sie bei den nächsten Verhandlungen, die wir im Gesundheitsausschuss zu dieser Umsetzung der Gentechnikgesetznovelle führen werden, daran erinnern.

Worum geht es konkret bei dieser Anfragebesprechung? Worum geht es hier? – Dass es im Saatgutbereich international deutliche Hinweise darauf gibt, dass die Verunreini­gungen in jenen Ländern, die Gentechnik anwenden, massiv gestiegen sind. Herr Bun­desminister! Eine amerikanische Studie der Union of Concerned Scientists aus dem Jahre 2004 belegt, dass 50 bis 100 Prozent der Saatgutproben von Raps, Mais und Soja, also Kulturen, die in den USA bereits zu einem hohen Anteil gentechnisch verän­dert angebaut werden, massiv, nämlich zwischen 0,1 bis 1 Prozent – also beträcht­lich! – verunreinigt sind.

Meine konkrete Frage an Sie lautet: Warum kontrollieren Sie in Österreich nur mehr 25 Prozent des Importsaatguts im Rahmen des Monitorings? Auch wenn wir eine strenge Saatgut-Gentechnik-Verordnung für das Saatgut haben, 25 Prozent sind aus unserer Sicht weitaus zu wenig!

Der andere Bereich, in dem Sie untätig sind, ist der Futtermittelbereich. Meine Damen und Herren, ich habe das schon angesprochen: Futtermittel können Tiere, können Or­gane verändern. Es gibt jetzt verstärkt Initiativen, die gentechnikfrei erzeugen wollen, wie kürzlich erst die Kärntnermilch. Das ist ein großer Milchverarbeitungsbetrieb in Ös­terreich, der schon bisher 17 Prozent Biomilch verarbeitet, aber auch für die Nicht-Bio­milch gentechnikfreie Futtermittel verwenden will. Was ist das Problem? – Er bekommt sie nicht vom Lagerhaus. Das Lagerhaus kann den Bäuerinnen und Bauern, obwohl GVO-Futtermittel kennzeichnungspflichtig sind, obwohl das kennzeichnungspflichtig ist, noch nicht gesichert gentechnikfreie Futtermittel liefern.

Das ist ein Problem, bei dem Sie unbedingt rasch handeln sollten! Ich fordere Sie auf, Stellung zu beziehen, welche Initiativen Sie bisher ergriffen haben, damit Futtermittel ausreichend kontrolliert und vor allem auch für die Verarbeitungsbetriebe in gentech­nikfreier Form zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Unser heute eingebrachtes Gentechnik-Schutzpaket be­inhaltet ein Bündel von Maßnahmen. Herr Bundesminister, Sie haben in den letzten Tagen in einer Art und Weise dazu Stellung bezogen, die ich fachlich für wirklich unver­ständlich halte. Ich werde noch einmal kurz auf die Kernpunkte dieses Paketes ein­gehen.

Erstens – darüber herrscht eigentlich Konsens, muss aber auch legistisch abgesichert werden –: die Sicherstellung einer gentechnikfreien Landwirtschaft durch die Schaffung gentechnikfreier Regionen und die gesetzliche Rahmenbildung dafür, sodass die Län­der die Möglichkeit erhalten, derartige Initiativen auf Basis einer bundeseinheitlichen Richtlinie umzusetzen.

Das Zweite betrifft natürlich die Haftung nach dem Verursacherprinzip. – Herr Bundes­minister! Die vorliegende Gesetzesnovelle ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig genug. Es gibt Kritik daran, weil es sehr komplizierte Regelungen sind. Ich fordere Sie auf, die


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in intensiven Diskussionen mit Ihrem bundesdeutschen Kollegen Jürgen Trittin in Pots­dam ausgehandelte einheitliche Regelung für die Alpenländer – nämlich das deutsche Haftungsmodell – auch für eine österreichische Regelung heranzuziehen. Das wäre sehr wichtig.

Absolute Transparenz im Falle von Freisetzungen, entsprechende Standortregister mit grundstücksgenauen Informationen müssen im Gesetz verankert werden, damit schon vorneweg alle entsprechenden öffentlichkeitsrelevanten Maßnahmen getroffen werden können. Vor allem muss es zu einem expliziten Verbot von gentechnisch veränderten Organismen in ökologisch sensiblen Gebieten – in Natura-2000-Gebieten, aber natür­lich auch in Regionen, die in Österreich als Bioregionen etabliert sind – kommen. Von derartigen Regionen gibt es schon eine ganze Menge. Und schlussendlich halten wir auch ein Verbot von experimentellen Freisetzungen für notwendig.

Was wir machen sollen, ist Risikoforschung, aber nicht, ein Risiko im Sinne der Freiset­zungen einzugehen. Das wäre nicht zweckmäßig!

Herr Bundesminister, was tun Sie? – Aus meiner Sicht zu wenig, Lippenbekenntnisse und Erklärungen, die ich zwar begrüße, wie die Charta für Gentechnikfreiheit, die Sie im Sommer hier initiiert haben, aber angesichts derer ich mich frage, wo Ihre konkreten legistischen Maßnahmen bleiben? Wo bleiben Ihre Vorschläge im Rahmen der Gen­technikgesetznovelle? Es fehlt an allen Ecken und Enden!

Sie haben sich auf die Position zurückgezogen, wonach die konkreten Koexistenzmaß­nahmen die Länder auf Landesebene regeln sollen. Aber das ist doch absolut zu wenig! Wenn Landesrat Stockinger aus Oberösterreich mit seinem toskanischen Kolle­gen versucht, ein Bündnis der gentechnikfreien Regionen in Europa hochzuziehen, und davon spricht, dass es ein Selbstbestimmungsrecht der Regionen geben muss – wie er das zum Beispiel auch auf der Welser Messe, die Sie eröffnet haben, vertreten hat –, dann erwarte ich mir von Ihnen, dass Sie diesen Initiativen auf Landesebene auf der bundesgesetzlichen Ebene den Rücken stärken. Das ist unbedingt erforderlich, Herr Bundesminister!

Abschließend: Wir brauchen die Absicherung gentechnikfreier Saatgutproduktion in Österreich, um diese Initiativen in Richtung gentechnikfreier Regionen erfolgreich fort­setzen zu können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

17.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminis­ter Dipl.-Ing. Pröll. Seine Wortmeldung soll 10 Minuten nicht überschreiten, sie kann aber auch kürzer sein. – Bitte.

 


17.47

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Wir haben in der Frage der Gentechnik in Österreich immer eine ziemlich einheitliche und klare Position eingenommen. All das, was Herr Abgeordneter Pirkl­huber hier angesprochen hat, kann so nicht bestätigt werden. Klubobmann Molterer hat in seinen Ausführungen zum vorigen Thema von Substanz und Inhalt gesprochen. (Abg. Öllinger: Oje! Das ist ein schlechtes Vorbild!) Es ist wichtig, dass wir uns klar darüber sind, worüber wir in dieser Frage diskutieren.

Es gibt zwei Punkte, die man klar trennen muss, sehr geehrter Herr Abgeordneter. Es geht nicht darum, die Konsumenten zu verunsichern, sondern es geht darum, klare Antworten, klare Regelungen zu haben.

Was haben wir in der Europäischen Union getan? – Wir haben seit 1998 die Zulassung gentechnisch veränderter Konstrukte verhindert; federführend dabei war Österreich,


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seine Vertreter in der Europäischen Union. Wir haben gemeinsam das Moratorium auf europäischer Ebene initiiert, das bis heute hält. – Eine ganz klare Positionierung! (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Pirklhuber. – Abg. Mag. Johann Maier: Das stimmt ja nicht!)

Wir haben seit 18. April 2004 einen neuen Rechtsrahmen, den wir sehr intensiv, und zwar in die richtige Richtung beeinflusst haben. Wir können damit dem Konsumenten in der Frage der Kennzeichnung ein klares Angebot machen. Jeder kann vor dem Re­gal wählen, ob er ein gentechnisch verändertes Produkt kaufen will oder nicht. – Eine klare europäische Regelung!

Sie haben die Saatgut-Gentechnik-Verordnung angesprochen. Wir haben im Gegen­satz zu allen anderen europäischen Ländern eine klare Regelung an der Nachweis­grenze mit 0,1 Prozent, also strengste Regelungen! Wir kontrollieren, wir haben ein eigenes Monitoringsystem, das Sie an anderer Stelle mehrmals ausdrücklich gelobt ha­ben. Mich wundert deswegen Ihre heutige Kritik hier, weil sich diese Vorgangsweise – restriktive strenge Schwellenwerte in der Frage der Verunreinigung von Saatgut – äußerst bewährt hat.

Was die Frage der Kontrolle betrifft, so hat der Importeur grundsätzlich einmal die hundertprozentige Gentechnikfreiheit auszuweisen. Und wie überall haben wir dann mit einem Monitoring – Muster und Stichproben – natürlich auch eine Kontrolle drüber­gelegt. Das tun wir in den letzten Jahren sehr, sehr erfolgreich: Seit der Anbausai­son 2001/2002 wurde in Österreich in Verkehr gebrachtes Saatgut unter Einhaltung einer absoluten Grenze von 0,1 Prozent gentechnikfrei gehalten.

Wir sollten nicht so tun, als ob wir über die Hintertür bereits in den letzten Monaten und Jahren Gentechnik ins Land gelassen hätten. Wir haben uns, auch was die Frage der Verbotsverordnungen für drei GVO-Konstrukte betrifft, erfolgreich gegen die Zutritts­wünsche der Europäischen Union gewehrt. Unsere Verbotsverordnungen sind nach wie vor aufrecht. – Auch das ist eine Errungenschaft, auf die hingewiesen werden muss. Tun wir nicht so, als ob die Gentechnik in Österreich schon Fuß gefasst hätte! Wir produzieren nach wie vor gentechnikfrei und werden das auch in Zukunft tun.

In den letzten Tagen wurde auch gesagt, man sollte das Umweltprogramm heranzie­hen und Gentechnikfreiheit dort verankern. Damit könne man die Gentechnik aus Ös­terreich fernhalten. (Abg. Dr. Pirklhuber: Eine Maßnahme unter vielen, die wichtig ist!) Da müssen Sie wissen, und Sie sollten es eigentlich wissen, dass dieses Programm ein freiwilliges ist und dass schon jetzt nicht alle daran teilnehmen. Was ist mit jenen, die zukünftig auf die Ansprüche aus dem Umweltprogramm verzichten? Haben die dann die Freiheit, Gentechnik zu verwenden, oder nicht? Diese Vorstellungen sind nicht dazu geeignet, unseren gemeinsamen, aber vor allem auch meinen Wunsch zu erfüllen, Gentechnik von Österreich möglichst fernzuhalten. Was dazu am besten ge­eignet ist, ist das, was mit dem Gentechnikgesetz in Umsetzung der Freisetzungsricht­linie als Regierungsvorlage vorliegt.

Wir haben dort, auch orientiert an dem – das sage ich ganz klar –, was in Deutschland angedacht wurde, ganz klare Bestimmungen verankert, was die Frage betrifft, wenn ein Bauer kommt und Gentechnik verwenden will. Dann muss er zukünftig in ein öffent­liches Register eingetragen werden. Auch die Haftung ist ganz klar geregelt zugunsten jener, die auch in Zukunft gentechnikfrei produzieren wollen. Der Schutz der Biobauern und jener Bauern, die Gentechnik nicht anwenden wollen, auch in Zukunft nicht anwen­den wollen, steht bei uns absolut im Vordergrund.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir noch etliche Auf­gaben vor uns. Es stimmt, dass auch die Bundesländer nach diesen bundeseinheit­lichen Vorgaben im Gesetz ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Was die Frage der Koor­dinierung von gentechnikfreien Zonen betrifft, müssen wir ganz klar auf Freiwilligkeit


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setzen. Das gibt auch die Europäische Union in Grundzügen bereits vor. Die endgülti­gen Bedingungen liegen noch nicht auf dem Tisch, aber die Frage der gentechnikfreien Zonen wird gemeinsam mit den Bundesländern, koordiniert vom Bund, im Rahmen ver­schiedener gesetzlicher Bestimmungen entwickelt. Da haben auch die Bundesländer eine entsprechende Rolle zu spielen. Die Zusammenarbeit in dieser Frage, auch Koor­dinierung der Agentur für Ernährungssicherheit, läuft sehr gut.

Was tun wir? – Wir orientieren uns an der Charta für Gentechnikfreiheit. Sie haben die Charta heute erwähnt, und ich habe sie mitgenommen (der Redner zeigt ein vielfach vergrößertes Exemplar vor), weil vielleicht auch Herr Abgeordneter Pirklhuber dieser Charta beitreten kann. Ich habe sie deswegen mitgenommen, weil sie die politische Handlungsanleitung ist, die wir Punkt für Punkt umsetzen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Um­setzen in legistische Maßnahmen – das erwarten wir auch von Ihnen, Herr Bundesmi­nister!) Das Spannende dabei ist: Wissen Sie, wer diese Charta als Erste unterschrie­ben hat? – Die deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast. Ich fordere Sie auf, ihrem Weg zu folgen und diese Charta gemeinsam zu einem absoluten politischen Erfolg zu machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Sieber. Seine Redezeit ist wie jene aller anderen jetzt an der Debatte teilnehmenden Redner 5 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.54

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir behandeln heute eine Anfragebeantwor­tung zur Gentechnik. Wie wir alle wissen, wird dieses Thema auf europäischer Ebene in einer Art und Weise diskutiert, die unseren Intentionen nicht entspricht. Es scheint so zu sein, dass das Anbauverbot fallen soll und der freie Wettbewerb den gentechnisch veränderten Produkten theoretisch die Tore auch nach Österreich öffnet.

Diese Tatsache schmeckt uns allen nicht, denn wir wünschen uns natürlich für unsere Konsumentinnen und Konsumenten gesunde, gentechnikfreie Produkte, so wie es die qualitativ hochwertigen, wertvollen Produkte der österreichischen Landwirtschaft sind.

Wir können aber vor der realpolitischen Entwicklung nicht den Kopf in den Sand ste­cken, sondern wir sind gefordert, entsprechende Antworten auf diese Herausforderun­gen zu finden. Ich glaube, mit dem vorliegenden Entwurf zur Haftungsfrage wurden die richtigen Ansätze gefunden. Einerseits wird dem, der glaubt, gentechnisch verändertes Saatgut verwenden zu müssen, klar die Haftung auferlegt. Darüber hinaus muss sich jeder Landwirt, der gentechnisch veränderte Produkte anbaut, in ein Gentechnikregis­ter eintragen lassen. Damit ist sichergestellt, dass im Falle einer Verunreinigung von benachbarten Feldern der Verursacher rasch ausfindig gemacht werden kann, um zur Haftung herangezogen zu werden. Jeder in diesem Land soll wissen: Wenn ich gen­technisch verändertes Saatgut verwende, habe ich für die Schäden, die entstehen, zu haften! – Dies soll auch all jenen, die sich zu einem gentechnikfreien Anbau entschlie­ßen, den nötigen rechtlichen Rückhalt geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wichtig ist aber auch – und dazu bekennen wir uns –, dass mit diesem Gesetz nicht Willkür und Denunziantentum Tür und Tor geöffnet werden. Wir werden nicht zulassen, dass diese Saat des Streites – und dieser Streit ist vorprogrammiert – unter unseren Landwirten gestreut wird. Jeder kleine Nachbarschaftszwist oder Neidgefühle bei man­chen Kollegen würden unweigerlich zu Unterstellungen führen, die dann langatmig widerlegt werden müssten und die Bauern dazu zwingen würden, ihr hart verdientes Geld zu den Schiedsgerichten und Mediatoren zu tragen.


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Uns ist bewusst, dass der Weg der absoluten Gentechnikfreiheit der wünschenswerte wäre. Wir werden unsere bäuerlichen Betriebe soweit wie möglich unterstützen, diesen Weg zu gehen, und geben ihnen auch mit dieser Gesetzesregelung rechtliche Mittel in die Hand, sich gegen gentechnische Verunreinigungen ihrer Existenzgrundlagen zu wehren.

Darüber hinaus sollte es aber im ureigensten Interesse jedes einzelnen Landwirtes sein, sich abzusichern, indem er von seinem Saatgutlieferanten die schriftliche Erklä­rung einfordert, dass er, wenn er es wünscht, ausschließlich gentechnisch unveränder­tes Saatgut erhält.

Auch die Deklaration von GVO-Produkten in den Regalen ist in dieser Vorlage klar ge­regelt. Jeder Konsument soll durch die Kennzeichnung wissen, was er kauft, und die klare Möglichkeit erhalten, sich für oder gegen GVO-Produkte zu entscheiden. Denn schlussendlich entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten mit ihrem Kaufver­halten, ob Gentechnik in Österreich eine Chance hat oder eben nicht. Mir persönlich wäre es am liebsten, wenn jede Verpackung, die GVO-Produkte enthält, mit einer drei Zentimeter großen, in Leuchtschrift gehaltenen Deklaration gekennzeichnet würde.

Meine Damen und Herren von den Grünen! Ihre Forderung, die Leistungsabgeltungen im Rahmen des ÖPUL mit gentechnikfreier Produktion zu verknüpfen, ist ein absolut untaugliches Mittel. Anscheinend wissen Sie nicht, dass das ÖPUL ein freiwilliges Pro­gramm ist und man daher niemanden zwingen kann, bei diesem Programm mitzuma­chen. Wie soll also mit diesem Vorschlag bewirkt werden, dass in Österreich Gentech­nikfreiheit herrscht?

Ich möchte hier noch einmal betonen, dass unsere Bauern nicht die Bösen in der Frage Gentechnik sind, sondern uns zur Unterstützung brauchen. Gemeinsam in Zu­sammenarbeit mit Konsumenten und Produzenten müssen wir Lösungen finden und dürfen nicht die Bäuerinnen und Bauern als Buhfrauen und Buhmänner der Nation hinstellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir in Vorarlberg, einem Land, das absolut gut regiert wird (Beifall bei der ÖVP), waren schon immer für eine strenge und restriktive Haltung bei gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die Gentechnik. So werden wir auch bei diesem Gesetz wiederum versu­chen, im Rahmen unserer Möglichkeiten flankierende Maßnahmen zu setzen, die Pro­duzenten wie Konsumenten animieren und auffordern, weiterhin Gentechnik abzuleh­nen.

Abschließend möchte ich mich bei unserem Minister Sepp Pröll für sein Engagement und seine klare Position in der Gentechnikfrage bedanken. Denn ihm ist es gelungen, einen großen Teil der Forderungen des Vier-Parteien-Antrages durchzusetzen. Sein Einsatz und diese Gesetzesvorlage werden all jenen bäuerlichen Betrieben, die sich zu einer Produktion ohne Gentechnik entschließen, den Rücken stärken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier. Auch er hat 5 Minuten. – Bitte.

 


17.59

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich oder wir, die sozialde­mokratische Fraktion, sind für klare Antworten und für klare Regelungen. Herr Bundes­minister, ich war schon verwundert, als Sie in Ihren Ausführungen dargelegt haben, dass das Moratorium noch hält. Ich erinnere Sie nur an die letzte Entscheidung der


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Kommission: Das Moratorium ist auf europäischer Ebene gefallen. Ich möchte das mit aller Deutlichkeit festhalten, Herr Bundesminister!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 80 bis 90 Prozent der österreichischen Be­völkerung wollen keine Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Organismen produziert werden oder aus solchen bestehen.

Man muss sich die europäische Politik und die nationale Politik genau ansehen, und dann muss man eben diese Politik genau an den Bedürfnissen der Bevölkerung mes­sen.

Die vorliegende Anfragebeantwortung, Herr Bundesminister, beschäftigt sich mit der Kontamination von Saatgut, Futter- und Lebensmitteln. Das hängt natürlich mit Fragen der Koexistenz zusammen, mit Fragen gentechnikfreier Zonen, die wir gemeinsam mit den Bundesländern entwickeln müssen, und natürlich auch mit Haftungsfragen für bäu­erliche Betriebe, die gentechnikfrei produzieren wollen. Über Fragen des Haftungsum­fanges werden wir im Gesundheitsausschuss noch diskutieren müssen.

Wir werden uns natürlich auch mit gesundheitsrelevanten Fragen auseinander setzen müssen, die Sie in Ihrer Anfragebeantwortung nicht beantwortet haben. Aber für ent­scheidend halte ich als Konsumentensprecher der SPÖ, dass wir uns mit Fragen der Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit auseinander setzen. Die neuen Regelungen setzen nämlich derzeit beim Herstellungsprozess an. Versprochen werden seit 18. Ap­ril Transparenz und Wahlfreiheit bei Lebensmitteln und Futtermitteln.

Nicht gekennzeichnete Lebensmittel haben mit Gentechnik nichts zu tun. Auch das wird durch die Medien, aber auch durch die offizielle Politik suggeriert. Schauen wir uns doch bitte die Realität an! Wir haben Saatgut, bei dem es im Produktionsprozess zu einer kumulativen Verunreinigung kommt. Herr Bundesminister, das haben Sie in der Anfragebeantwortung eben zugegeben. Aus Saatgut werden Lebensmittel und Fut­termittel produziert. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Futtermittel werden direkt verfüttert, verunreinigt oder nicht, oder es werden Mischfut­termittel erzeugt, und auch – ich beziehe mich wieder auf Ihre Anfragebeantwortung – Mischfuttermittel können nicht gentechnikfrei produziert werden. Durch kumulative Aspekte kann der Schwellenwert von 0,1 überschritten werden. Und dann können aus Saatgut Lebensmittel produziert werden, Lebensmittel können mit GVOs verarbeitet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sieht es mit der Kennzeichnung bezie­hungsweise mit der Rückverfolgbarkeit aus? – Um eines klarzustellen: Die meisten Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, sind von Ausnahmeregelungen umfasst. Die wichtigsten Lebensmittel wie Fleisch, Milch, Käse müssen nicht gekennzeichnet wer­den.

Auf europäischer Ebene hat man sich unter Bezugnahme auf die Etikettierungsricht­linie darauf geeinigt, dass bestimmte Zusatzstoffe, Enzyme beispielsweise, aber auch Farbstoffe, die mit GVOs produziert wurden, überhaupt nicht gekennzeichnet werden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die Realität, und damit müssen wir uns auseinander setzen. Es werden hier die wahren Tatbestände verschleiert, und es soll anscheinend verhindert werden, dass Menschen merken, dass praktisch in je­dem – ich betone: verarbeiteten – Lebensmittel Gentechnik steckt. Welche Ausmaße der Einsatz von Gentechnik im einzelnen Produkt annehmen kann, zeigt sich beispiels­weise beim Käse.


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Ich zitiere aus dem deutschen wissenschaftlichen Magazin „EU.L.E.N-SPIEGEL“: „Ob er nun aus der Milch von Kühen stammt, die mit Gensoja gefüttert wurden, oder bei seiner Herstellung Gentechnik in Form von Enzymen (z.B. Chymosin), Farbstoffen (z.B. Vitamin B2, β-Carotin) oder Konservierungsstoffen (z.B. Natamycin, Nisin, Lyso­zym) zum Einsatz kam: Der Konsument findet dazu keinerlei Hinweise auf dem Etikett.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit müssen wir uns auseinander setzen, damit die Konsumenten in Österreich gezielt Produkte solcher Hersteller auswählen können, die sich wahrheitsgemäß zur Gentechnik bekennen. Und das ist die Realität. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.04

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Ab­geordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Redezeit 5 Minuten.

 


18.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Es findet sich beinahe in jeder Sitzung entweder eine Besprechung einer Anfragebeantwortung, eine Kurzde­batte oder Ähnliches zur Frage der Gentechnik. Das zeigt auch die Bedeutung dieser Frage. Ich habe es, glaube ich, mindestens schon vier- oder fünfmal gesagt, ich wie­derhole es auch ein sechstes Mal: Dieses Thema ist allen Parteien ein Anliegen. Ich glaube, das steht hier außer Zweifel. Alle wissen aber auch, dass dieses Thema eigentlich über Brüssel zu uns gekommen ist, dass es nicht Österreich war, das sich die Gentechnik selbst auferlegt hat, sondern dass es eben eine Entscheidung aus Brüssel war, die wieder einmal zeigt, dass wir viele Entscheidungen, die in Brüssel gefallen sind und auch in Zukunft fallen werden, nicht haben wollen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Herr Kollege Öllinger, es ist nichts Neues, aber es ist interessant, wenn gerade die Grünen hier immer so aktiv sind und man sich einmal anschaut, wie diese Entschei­dungen in Brüssel gefallen sind. Wenn man zwischenruft, sollte man dann auch auf­passen, Herr Kollege Öllinger; das ist ganz wichtig, sonst verliert man den Kontext. Es gibt nämlich eine grüne Entscheidungsträgerin, die in Brüssel wirklich etwas zu sagen hat, und das ist die deutsche Landwirtschaftsministerin Künast, die anscheinend auch dieses Moratorium oder diese Charta unterschrieben hat.

Und es ist faszinierend, zu sehen, dass es genau jene grüne Agrarministerin war, die im Agrar-Ministerrat nicht gegen die Ausbringung von gentechnisch veränderten Orga­nismen gestimmt hat. Sie hat nicht dagegen gestimmt. In Wirklichkeit ist das, wie ich meine, auch bezeichnend für die Politik. Es nützt nichts, hier zu stehen und zu polemi­sieren und jedes Mal dieses Thema wieder hochzufahren. Im Endeffekt müssen auch die Grünen lernen, das durchzutragen und in all ihren Bereichen dafür zu sorgen, dass man etwas verhindert, denn hier, Herr Kollege Pirklhuber, hätte man wirklich blockieren können und auch blockieren müssen. Ob es dann gereicht hätte, das ist eine andere Frage, aber das hätte das „Grün“ wirklich einmal unter Beweis gestellt. Leider aber ist das nicht passiert.

Wir in Österreich haben diese Gentechnik bekommen, und daher haben wir damit umgehen müssen. Und wir versuchen auf drei Ebenen, damit umzugehen. Einerseits gibt es eine Gentechnikkommission, die darüber entscheidet, was denn in Verkehr gebracht werden darf. Dann gibt es eine Reihe von Ländergesetzen, die die Ausbrin­gungsmodalitäten regeln, und weiters gibt es noch die so genannte Diskussion um die Haftung, eine Bundesangelegenheit. Wenn man sich das jetzt anschaut, dann, glaube ich, kann man mit ruhigem Gewissen behaupten, dass da sehr fundiert und sehr nüchtern gearbeitet wurde.


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Die Gentechnikkommission – davon gehen wir alle aus – wird es nach Möglichkeit ver­hindern, dass zugelassen wird, dass Produkte in den Verkehr gebracht werden. Die Ländergesetze sind zum Teil sehr gut. Ich denke nur das eigene Gesetz des Landes Kärnten, das schon in vielen Bereichen als Vorreiter gilt, das in vielen Bereichen be­reits nachgeahmt wird. (Abg. Dr. Glawischnig: Warum ist das eigentlich noch nicht be­schlossen?) Da vorhin von Oberösterreich gesprochen wurde: Genau Oberösterreich ist ja den falschen Weg gegangen, wollte sich zur gentechnikfreien Zone erklären. Das ist nicht durchgegangen, und man ist jetzt mit einer Klage in Brüssel beim EuGH. Wir werden sehen, ob das im Endeffekt weiterführt. Ich glaube, das wird nicht gelingen.

Die einzig Glücklichen sind die Vorarlberger. Mein Vorredner hat das Glück, in einem Land zu leben, in welchem im Zuge eines Landesgesetzes die Gentechnikfreiheit be­reits in der Zeit vor der EU geregelt wurde und Brüssel das anscheinend übersehen hat. Deswegen seid ihr wirklich für alle Ewigkeit gentechnikfrei. Wenn wir garantierte Gentechnikfreiheit haben wollen, dann wird das weiterhin nur in Vorarlberg sein.

Der dritte Bereich ist die Haftungsregelung. Dort wurde wochen-, ja monatelang disku­tiert. Da bin ich bei dir, Herr Kollege Pirklhuber, das war mit der ÖVP nicht immer leicht. Sie hat sich auch bis zum Schluss ein wenig geziert, da wirklich auf die freiheit­lichen Forderungen in verschiedenen Bereichen einzugehen. Im Endeffekt ist es uns aber gemeinsam gelungen, diese Haftungsumkehr umzusetzen. (Abg. Dr. Glawisch­nig: Beweislastumkehr heißt das!) – Frau Dr. Glawischnig, ob das Ding jetzt so oder so heißt, darüber können wir auch draußen in den Couloirs diskutieren. Faktum ist, dass wir diese Sache umgesetzt haben, und Faktum ist, dass wir hier erstmalig eine Rege­lung auf die Reihe gebracht haben, die in vielen Bereichen ihresgleichen suchen wird.

Das hat man auch an den Diskussionsbeiträgen von Kollegen Pirklhuber gesehen: In den kritischen Punkten fordert er Diskussion. Diskussionen können wir gerne führen, und in all den wichtigen Punkten ist der Rest erledigt.

Da ich zum Schluss diese Antigentechnikcharta des Herrn Bundesministers gesehen habe, die in Wirklichkeit so breit ist, dass sich sogar Minister Pröll dahinter verstecken könnte – was wir aber nicht hoffen –, möchte ich sagen: Ich erwarte mir wirklich, dass alle, die diese Charta unterschrieben haben, sich dafür einsetzen, dass im Endeffekt das, was, wie ich glaube, hier wirklich einmal ausnahmsweise 183 Abgeordnete und auch die Regierungsmitglieder wollen, umgesetzt wird, nämlich dass Österreich gen­technikfrei bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig zu Wort gemeldet. Redezeit ebenfalls 5 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


18.09

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Scheuch, nur kurz zur Erklärung: Jetzt haben wir das große Taferl, jetzt kommt offensichtlich die Ära der Großtaferln. Mir reicht es nicht, wenn irgend­etwas auf einem Taferl steht, und schon gar nicht, wenn der Minister es in die Kamera hält. Ich hätte gerne, dass das schwarz auf weiß in einem Gesetz oder in einem Förderprogramm drinsteht. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Nein, leider nicht!

Aber ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir jetzt vor einer sehr ernsten Situation stehen. Das Moratorium auf europäischer Ebene ist gefallen. Wir haben jetzt über 30 Anträge, die anstehen, und davon sind sehr wesentliche Bereiche betroffen: Da geht es um Sojabohnen, da geht es vor allem um Raps und um Mais. Das alles wird in


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den nächsten Jahren unter Umständen in Österreich freigesetzt werden. Bereits durch die Genehmigung auf der europäischen Ebene kann man das in Österreich tun; das ist das Problem.

Was man jetzt nicht tun kann, ist, herzugehen und zu sagen: Wir wollen gentechnik­freie Zone bleiben, deswegen verbieten wir das. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: ... reicht nicht, dass es in Europa erlaubt ist!) Das geht nicht, das geht EU-rechtlich nicht. Des­wegen braucht man ein sehr trickreiches Bündel an Maßnahmen, um Österreich irgendwie gentechnikfrei zu halten. Wir haben jetzt einfach ein paar Vorschläge ge­macht, weil wir mit dem, was im Moment auf dem Tisch liegt, einfach nicht zufrieden sind. Das wird auch nicht ausreichen.

Zur Haftungsfrage: Wenn man eine Risikotechnologie nicht will, dann kann man an der Haftungsschraube so stark drehen, dass es tatsächlich für jeden Anwender einfach ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Da ist die so genannte Beweislastumkehr ein wesent­liches Instrument. Das heißt zum Beispiel, wenn ein Bauer in Ungarn gentechnisch ver­änderten Mais anpflanzt, und da fliegen die ... – Wolfgang, korrigiere mich! Wie heißt das richtig beim Mais, was sich dann fortpflanzt? (Abg. Scheibner: Macht euch das vorher aus! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.)

Die fliegen eben hinüber auf die andere Seite der Grenze und schädigen einen burgen­ländischen Bauern. (Abg. Scheibner: ... keine Rechtsvorlesung!) Jetzt hat der burgen­ländische Bauer nach dem, was Sie vorgeschlagen haben, zwar die Möglichkeit, zu sagen: Der war es wahrscheinlich. Aber der hat nicht zu beweisen, dass er es nicht war, denn er sagt: Ich war es wahrscheinlich nicht, es war mein Nachbar. (Abg. Scheibner: Was die Beweislastumkehr ist, wissen wir, Frau Kollegin!) Jetzt steht der burgenländische Bauer vor der Situation, dass er diesen schwierigen Kausalzusam­menhang nachweisen muss. – Das ist Ihre Lösung, und das ist zu wenig, das ist viel zu wenig!

Das Zweite: Was mir niemand erklären kann, ist, warum die Idee, das österreichische Umweltförderprogramm in der Landwirtschaft mit gentechnikfreiem Saatgut zu ver­knüpfen, ein untaugliches Instrument sein soll. Das leuchtet mir einfach nicht ein, ich verstehe das nicht. Natürlich ist es freiwillig, aber ein großer Teil der Betriebe nimmt das in Anspruch: Das sind 75 Prozent der Betriebe, insgesamt fast 80 Prozent der österreichischen landwirtschaftlich genutzten Fläche. Damit hat man garantiert schon 80 Prozent der Fläche gentechnikfrei. (Abg. Grillitsch: Für 25 Prozent ist Gentechnik erlaubt?) Was ist daran ein untauglicher Vorschlag? – Das kann mir bis jetzt niemand erklären. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grillitsch: Für den Rest ist Gentechnik erlaubt?)

Die dritte Forderung, die für uns wichtig und in unserem Paket auch enthalten ist: Wir wollen volle Transparenz auch für die Öffentlichkeit. Ich glaube, dass gerade die inter­essierte Öffentlichkeit in Österreich ein Recht hat, vor allem auch vor dem Hintergrund des starken Gentechnik-Volksbegehrens, zu wissen: Wo? Wer möchte freisetzen? Unter welchen Bedingungen? – Da braucht man volle Einspruchsrechte für alle Nach­barn, um genau diese Mitsprachemöglichkeit – die unter Umständen auch zur Vernunft führen kann, nämlich dazu, dass man nicht freisetzt – zu garantieren.

Der letzte Punkt: Was wir auch brauchen, ist gentechnikfreies Saatgut. Dazu braucht man auch geschlossene Anbauzonen.

Insgesamt wäre daher nach unserem Modell – mit diesem ÖPUL-Punkt, den Natur­schutzgebieten, den Nationalparks, rundherum noch Pufferzonen, ferner Pufferzonen um die ökologisch wirtschaftenden Betriebe – Österreich zu 100 Prozent gentechnik­frei. Ich frage mich, warum man das nicht macht. Was spricht wirklich dagegen?


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Herr Umweltminister, Sie haben dazu jetzt eigentlich nichts gesagt. Sie sagen einfach nur: Das reicht!, und präsentieren jetzt irgendwelche Taferln und Forderungspro­gramme. Aber ich sage Ihnen, ein Gentechnikgesetz, wie Sie es vorgelegt haben und wie es jetzt auf dem Tisch liegt, reicht keinesfalls! Es reicht keinesfalls, und das wird besonders heikel werden in den Jahren 2007 bis 2013, wenn Österreich unter Druck kommen wird. Da wird dann von Seiten der Landwirtschaftskammer – ich sehe Sie schon hier stehen – argumentiert werden: Unsere Nachbarn setzen auch frei, unsere Nachbarn verwenden auch diese neue Technologie, deswegen soll das den österrei­chischen Bauern nicht verwehrt bleiben. (Abg. Grillitsch – eine Zeitungsseite in die Höhe haltend –: Haben Sie heute den „Kurier“ gelesen?) Da sehe ich Sie schon hier, wie Sie das formulieren werden.

Das möchte ich aber hintanhalten. Ich möchte – und da vertrete ich 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher – die österreichische Landwirtschaft garantiert gen­technikfrei halten; ich möchte, dass die österreichischen Biobauern keine Schwierig­keiten mit Koexistenzproblemen haben; und ich möchte, dass wir alles nur erdenklich Mögliche dafür tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.14

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über den 2. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Steindl. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.14

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zurück zu den Petitionen; ich beschäftige mich heute mit der Mobilfunk-Petition.

Das Thema elektromagnetische Strahlung beschäftigt uns, die ÖVP, seit es Sende­masten gibt. Vor genau zehn Jahren wurden in Vorarlberg die ersten GSM-Masten errichtet. Heute, mit fast sieben Millionen Handy-Kunden in Österreich, ist unser Enga­gement, für Sicherheit in der Bevölkerung zu sorgen, genauso hoch wie damals. Das Problem ist, dass dieses Thema mehr und mehr eingesetzt wird, um Populismus zu betreiben, mehr, als das vielleicht früher der Fall war. Daher möchte ich einiges klarstellen, bevor die Diskussion aus dem Ruder läuft.

Die Mobilfunkbetreiber in Österreich halten sich an die Werte der Internationalen Kom­mission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, welche auch von der Welt­gesundheitsorganisation empfohlen werden. Die international anerkannten Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation und der EU liegen bei der elektromagnetischen Leis­tungsflussdichte von 10 Watt pro Quadratmeter für die UMTS, von 9 Watt pro Quadrat­meter für GSM 1 800 und von 4,5 Watt für GSM 900 Megahertz. Diese Grenzwerte sind absolut bindend und werden von der Fernmeldebehörde bei Verdacht auch streng geprüft und überprüft.

Die international festgesetzten Grenzwerte werden regelmäßig überprüft. Eine Studie, die von der WHO im Juni 2004 in der Türkei präsentiert wurde, bestätigte, dass die Grenzwerte richtig gesetzt sind. Auch ein britischer Prüfbericht ist zu dem Schluss


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gekommen, dass weder von Mobiltelefonen noch von Mobilfunkanlagen eine gesund­heitliche Beeinträchtigung zu befürchten ist.

Es wurde auch eine Erhebung von Mobilfunk-Immissionen in der Steiermark durchge­führt, immerhin über drei Jahre hinweg. Dabei lag der höchste gemessene Wert im Frequenzband 900 Megahertz lediglich bei 0,00125 Watt pro Quadratmeter Leistungs­flussdichte. Das ist sage und schreibe 3 600-fach niedriger als der international gel­tende Grenzwert! Wir sind also in Österreich weit unter dem Grenzwert, der zusätzlich noch eine 50-fache Sicherheit enthalten würde.

Der geforderte Immissionskataster für die Bevölkerung ist bereits Realität. Zusätzlich gibt es in Österreich eine Anlaufstelle für die Kommunikation mit Anrainern, das Forum Mobilkommunikation beauftragt laufend Studien zum Thema elektromagnetische Strah­lung. Auch die Unternehmen selbst kümmern sich mit hohem Aufwand darum, der Bevölkerung Rede und Antwort zu stehen. Wie man hier von mangelnder Informations­pflicht sprechen kann, verstehe ich wirklich nicht.

Wir haben genügend gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz vor elektromagnetischer Gefahr. Das Telekommunikationsgesetz, das wir vergangenen Sommer gemeinsam verabschiedet haben, regelt die Errichtung und den Betrieb der Sendeanlagen unter Berücksichtigung des Schutzes des Menschen, und auch das Thema Masten-Sharing ist hier inkludiert. Das Thema jetzt künstlich zu pushen, ist reiner SPÖ-Populismus, führt zu einer Verunsicherung der Bevölkerung und zu einer wirtschaftlichen Schädi­gung von Unternehmen.

Ich schlage deshalb vor, vorerst die vorhandenen Fakten zu prüfen. Bevor „Round Tables“ unnötigerweise neue Gesetze erarbeiten, die schon längst vorhanden sind, werden wir den Weg der Innovationen weiter vorantreiben. – Ich danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

18.19

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rada zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: gleichfalls 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.19

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich kann es mir nicht versagen, doch auf einige Vorredner aus der Debatte am frühen Nachmittag einzugehen. Es wurde betont, wie wichtig dieser Ausschuss für Petitionen und Bürgerrechte ist. Und in der Tat: Er ist für viele Mitbürger in unserem Lande das letzte demokratische Mittel, um zu ihrem Recht zu kommen.

Frau Abgeordnete Haidlmayr hat heute gesagt, es fehlt an Harmonie. Darin kann ich ihr Recht geben: Es fehlt seit einigen Jahren an Harmonie. Harmonie besteht zwar im Zuge der Diskussion, aber wenn es zur Abstimmung und Beschlussfassung kommt, dann heißt es: Vertagen, Zurkenntnisnahme oder Sonstiges, und man wartet darauf, dass dieser Punkt wieder auf die Tagesordnung kommt, man wartet mitunter so lange, bis wir neu gewählt haben, die Legislaturperiode zu Ende ist und die Petition und die Bürgerinitiative verfallen sind. Das ist sicherlich das, was Kollegin Haidlmayr gemeint hat.

Natürlich kann dieser Ausschuss nicht immer hundertprozentig erfolgreich sein, weil es Materien gibt, die von den zuständigen Ministerien eben nicht entsprechend bearbeitet werden. Ich möchte mich aber trotzdem mit der Petition 15 beschäftigen, die den Zugsverkehr von Wien über Marchegg nach Bratislava behandelt hat. Es ging im Kon­kreten darum, dass aus unerklärlichen Gründen der Zug in der Grenzstation Marchegg viele Minuten lang unnötig gestanden ist und dass, um wieder Zeit einzubringen,


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andere Haltestellen einfach durchfahren wurden. Ob es die Einsicht der ÖBB gewesen ist oder ob es tatsächlich die Petition war, kann ich nicht verifizieren – Tatsache ist, dieser Missstand wurde behoben, und es wurde für die Pendler eine Erleichterung in der Form geschaffen, dass sie auch bei anderen Haltestellen einsteigen können.

Was aber nicht verbessert wurde, das sind die nach wie vor dünnen Intervalle der Züge, die zwei Riesenstädte wie Wien und Bratislava miteinander verbinden. Da gibt es Wartezeiten im Ausmaß von Stunden. Wir haben eine Reihe von Pendlern nicht bloß von Bratislava nach Wien, sondern mittlerweile auch genauso viele umgekehrt von Wien und aus der gesamten Region des Marchfeldes nach Bratislava. Es ist eine aufstrebende Industrie bei unseren östlichen Nachbarländern zu bemerken, und diese Industrien werden auch gerne von unseren Mitbürgern angenommen.

Ein Zweites: Es wurde vor einiger Zeit hier in diesem Hohen Haus beschlossen, die Marchfeldschlösser zu revitalisieren. Das ist eine hervorragende Angelegenheit, und wie man sehen kann: Es wird gebaut, es wird restauriert, es wird nahezu der Urzu­stand wiederhergestellt. Was aber nicht passiert ist, ist, die Marchfeldschlösser auch zu einem touristischen Erlebnis für jene Menschen zu machen, die nicht über ein eige­nes Verkehrsmittel verfügen. Die Nebenbahn dorthin hat man vor einem Jahr einge­stellt; ein umweltfreundliches Verkehrsmittel, um den Tagestourismus anzukurbeln, braucht man offenbar nicht.

Für mich ist das alles mit ein Beweis für die Spar- und Zerstörungswut um jeden Preis. Ich fordere den Herrn Verkehrsminister zumindest über das Protokoll auf, sich der Sache des öffentlichen Verkehrs besser und intensiver anzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.23

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ledol­ter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.23

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs gleich klarstellen, dass die Regierung, dass das Parlament diesen Ausschuss und die Arbeit dieses Ausschus­ses für Petitionen sehr, sehr ernst nimmt, denn in diesem Ausschuss wird so gearbei­tet, wie auch die Regierung Schüssel arbeitet (Zwischenrufe bei der SPÖ): Es werden Entwürfe und Lösungsansätze präsentiert, Lösungen im Interesse der Menschen ange­boten, die das Parlament mit Mehrheit beschließt – leider Gottes oft genug ohne dass die Opposition die Chance wahrnimmt, mit dabei zu sein –, und auf diese Art und Weise auch die Anliegen der Menschen sehr ernst genommen. Wir reden nicht nur, meine Damen und Herren, wir arbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)

Genauso wie auch das Land Niederösterreich unter Landeshauptmann Erwin Pröll nicht nur redet, sondern arbeitet, wenn es beispielsweise darum geht, den Fortbestand der Mariazellerbahn zu sichern! (Zwischenruf des Abg. Heinzl.) Es ist nicht so, wie der Eindruck erweckt wurde: dass das Land kein Interesse daran hätte. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren! Tatsache ist, dass im Dezember des Jahres 2003 der Ver­trag verlängert und wieder neu abgeschlossen wurde, der den Fortbestand nicht nur der Mariazellerbahn, sondern auch der Ybbstalbahn gewährleistet, und dass für dieses Anliegen der Menschen in dieser Region das Land Niederösterreich bereit ist, jährlich 4,3 Millionen € auszugeben und einzusetzen, meine Damen und Herren! Auch dies ist ein Beispiel dafür, dass nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird. (Beifall bei der ÖVP.)


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In diesen Petitionen ... (Abg. Heinzl: Wissen Sie, dass das nicht stimmt, was Sie sagen?) Es stimmt sehr wohl, Kollege Heinzl! Für den Betrieb dieser beiden Strecken werden 4,3 Millionen € jährlich eingesetzt. (Abg. Heinzl: Sie haben keine Ahnung ...!)

Meine Damen und Herren! Tatsache ist weiters, dass ich als Vertreter einer nieder­österreichischen Gemeinde, die Wasser nicht nur in hervorragender Art und Weise bereitstellt, sondern auch nach Wien liefert, auch zu diesem Thema ein paar Anmer­kungen machen möchte, nicht so sehr im Hinblick auf die vorliegende Petition, die den Schutz des Wasserkraftreservoirs zum Gegenstand hat, sondern in Bezug auf die Trinkwasserreserven.

Meine Damen und Herren! Wasser ist Leben, und daher ist es natürlich sehr zu begrü­ßen, dass Bundeskanzler Schüssel im Jahr 2003 die Wasser-Charta unterzeichnet hat. Unser Wasser bleibt rot-weiß-rot, und die Verfügungsgewalt über unser Wasser bleibt in Österreich, meine Damen und Herren! Ein Erfolg dieser österreichischen Initiative ist es auch, dass in die EU-Verfassung eine Richtlinie aufgenommen wird, die klar sicher­stellt, dass die Hoheit über die Wasserreserven auch in Zukunft im nationalen Bereich bleibt, so wie unser Lebensminister Sepp Pröll in der nationalen Dimension sicher­stellt ... (Abg. Dr. Cap: Halleluja! Halleluja!)

Herr Klubobmann, selbstverständlich ist es eine wesentliche Position der Volkspartei und unseres Lebensministers, die Wasserreserven durch ein strenges Wasserrechts­gesetz und ein Kompetenzzentrum für Wasser zu schützen und dies auch in Zukunft zu tun, und zwar in der Kompetenz der Gemeinden und der Gebietskörperschaften, die diese Aufgabe am besten erfüllen! (Abg. Dr. Cap: Weihrauch! Mehr Weihrauch!)

Meine Damen und Herren! Ein letztes Wort noch in Richtung Transportwirtschaft: Dort wurde das Fehlverhalten Einzelner dazu verwendet, die gesamte Branche, einen ge­samten Berufszweig zu geißeln, zu brandmarken, zu skandalisieren und zu kriminali­sieren, eine Branche, die unter den ungleichen Bedingungen im Wettbewerb sehr zu leiden hat und die einer europäischen Lösung auf diesem Gebiet sehr erwartungsvoll entgegenschaut.

Ein erster Schritt wurde mit der EU-Fahrerbescheinigung gemacht, die sicherstellt, dass für einen EU-Fahrer arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen vorliegen müssen, dass er außerdem eine aufrechte Aufenthaltsbewilligung braucht und dass sich darüber hinaus die Arbeitgeber an die entsprechenden Rahmenbedingungen bezüglich des Lohnes und der arbeitsrechtliche Bestimmungen zu halten haben. Bei der Kontrolle hat das Land Niederösterreich mit dem mobilen Prüfzug wieder einmal eine Vorreiterfunk­tion eingenommen und sichergestellt, dass auch ausländische Fahrer gleich behandelt werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne möchte ich an Sie appellieren, die Leistun­gen der Transportwirtschaft nicht gering zu schätzen und zur Kenntnis zu nehmen, was diese Branche im Interesse der Menschen und vor allem der Wirtschaft für unser Land leistet. (Beifall bei der ÖVP.)

18.28

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abge­ordneter Scharer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.28

Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich muss meinem Vorredner sagen: So eine Sonntagsrede habe ich schon lange nicht mehr gehört. Ich weiß nicht, wie lange Sie schon hier in diesem Haus sind, aber ich muss Ihnen sagen, was mein Eindruck ist: Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig Interesse von den Abgeordne-


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ten der Regierungsparteien den Anliegen der einschreitenden Bevölkerung beigemes­sen wird.

Bürgerinitiativen und Petitionen spiegeln das Bild der derzeitigen Regierung wider. Ein kleines Beispiel dazu: Die Bürgerinitiative „Plattform gegen den Gebühren-Nepp“ zeigt von einem großen Leidensdruck für über 4 000 Salzburger Familien. Über 4 000 Salz­burger Familien hatten monatelang massive Existenzängste, als voriges Jahr vor Weih­nachten rückwirkend Gebührenforderungen in der Höhe von bis zu 7 000 € ins Haus geflattert sind. Obwohl der damalige Justizminister erkennen musste, dass der Verfas­sungsgerichtshof einer Klage Recht geben wird, wurden die Familien monatelang hingehalten. So schaut Ihre Arbeit aus!

Dem Salzburger Landesrat Walter Blachfellner ist es jetzt gelungen, dass die Justizver­waltung weder nachträglich noch in Zukunft Pfandrechts-Eintragungsgebühren beim Erwerb von geförderten Eigentumswohnungen einheben wird. Das gilt nicht nur für die Salzburger, sondern für die BürgerInnen in allen Bundesländern.

An dieser Stelle darf man auch der jetzigen Justizministerin Miklautsch für diese ver­nünftige Einigung danken, und ich ersuche sie um eine rasche, unmissverständliche schriftliche Bestätigung. Wie gesagt, diese Angelegenheit hätte in wesentlich kürzerer Zeit erledigt werden können, aber es fehlt Ihnen offensichtlich am entsprechenden Ein­fühlungsvermögen, wie es den Menschen tatsächlich geht.

Zu Ihren Ausführungen betreffend „Handelsware Wasser“, eine Petition, die über 3 000 OberpinzgauerInnen unterschrieben und eingebracht haben, muss ich Ihnen sa­gen, dass es verantwortungsvolle StaatsbürgerInnen sind, die sich vor Staatseigentum stellen, weil diese Regierung alles verscherbelt. (Abg. Donabauer: Hört doch endlich auf mit diesem Schmarren! – Gegenrufe bei der SPÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Und es bestehen zu Recht Bedenken, dass Sie auch bereit sind, die ÖBB-eigenen Kraftwerke zu veräußern. (Beifall bei der SPÖ.)

Die BürgerInnen haben ein Recht auf mehr Diskussion ihrer Anliegen im Parlament. Meine Damen und Herren! Heute Nachmittag wurde hier in diesem Haus eine Petition von 20 Bad Gasteinern überreicht. Es geht um die Umweltverträglichkeitsprüfung, die schon lange ansteht. Der Herr Minister müsste nur entscheiden. Wie geht man mit die­sen Leuten um, die zehn Stunden Fahrt auf sich nehmen? – Das wird in zwei, drei Mi­nuten abgewickelt. Es ist sehr wohltuend, dass auf dem Weg dorthin dem ehemaligen Verkehrsminister Caspar Einem, der diese Mediationsgruppe erfolgreich eingerichtet hat, gedankt wurde. (Abg. Neugebauer: Das ist jetzt eine Mittwochrede und keine Sonntagsrede!) Das verstehen wir unter Nachhaltigkeit. Das verstehen wir unter Bür­gernähe. (Abg. Dr. Lopatka: Redezeit!) Das verstehen wir unter Ernstnehmen der Anliegen der Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte den Vorschlag machen, dass man die Menschen, die diesen Weg auf sich nehmen, mehr wertschätzt und dass man ihren Anliegen mehr Aufmerksamkeit entge­genbringt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Wimmer zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


18.33

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Geschätzte Präsidentin! Meine sehr geschätz­ten Damen und Herren! Kollege Ledolter hat gemeint, der Petitionsausschuss arbeite wie die Regierung Schüssel. Ich darf Ihnen sagen, Sie haben Recht, aber genau das ist das große Problem, denn es wird ausschließlich vertagt, es wird verschoben, es


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wird im Wesentlichen taktiert und das ist in Wirklichkeit schade. (Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich meine, dass die Arbeit im Petitions­ausschuss nie einfach war. Ab und zu braucht man wirklich gute Nerven, um in diesem Ausschuss bestehen zu können. Ich habe auch den Redebeitrag des Kollegen Karl Freund nicht ganz verstanden, der eher von Liebe und Griesschmarren geredet hat. (Abg. Dipl.-Ing. Missethon: Haben Sie nicht gehört, was Kollegin Wurm gesagt hat?) Ich habe solche Sitzungen noch nie miterlebt. Ich würde eher sagen, dass die Geduld der Kollegen von der Opposition immer wieder aufs Neue auf die Probe gestellt wird, wenn man ganz offen und ehrlich ist. (Abg. Dipl.-Ing. Missethon: Kollegin Wurm hat da anders gesprochen!)

Es ist, meine Damen und Herren, doch sehr problematisch, wenn immer wieder wich­tige Anliegen von Betroffenen ganz einfach nicht ernst genommen werden, wenn wich­tige Anliegen ignoriert werden, wenn wichtige Anliegen einfach vom Tisch gewischt werden. Unter diesen Voraussetzungen muss man die Sinnhaftigkeit dieses Ausschus­ses doch sehr kritisch und ehrlich betrachten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie sehen die Vorgangsweisen aus, die ständig an den Tag gelegt werden? Betroffene artikulieren ihre berechtigten Anliegen, wie zum Beispiel den Erhalt der Mariazellerbahn – das ist heute schon etliche Male hier ange­sprochen worden. Es gibt auch genug Versprechungen von Politikern und vor allem von Ex-Politikern, weil gerade im Infrastrukturbereich ein reger Wechsel stattgefunden hat. Aber, sehr geschätzte Damen und Herren, passiert ist überhaupt noch nichts! Das ist das Problem, außer dass heute dieses berechtigte Anliegen der niederösterreichi­schen Kolleginnen und Kollegen wieder ad acta gelegt wird. (Abg. Dipl.-Ing. Misse­thon: Da hat Wurm wirklich anders geredet! – Abg. Grillitsch: Kollege Wimmer hat das wieder einmal alles verschlafen!)

Man darf sich nicht wundern, wenn in der Öffentlichkeit das politische Handeln nicht besonders ernst genommen wird, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Ich möchte ein zweites Beispiel bringen: Es gibt Menschen, denen es ein Anliegen ist, dass in St. Pölten die Sicherheit weiterhin gewährleistet bleibt, weiterhin so gewährleis­tet bleibt, wie es derzeit der Fall ist. Wir wissen, dass die Anzahl der Delikte steigt, wir wissen dass die Aufklärungsquote sinkt und wir wissen auch, dass ein Personalkon­zept durchgeführt wird, nach dem die Zahl der Kolleginnen und Kollegen um 50 Pro­zent reduziert wird. Das kann nicht der richtige Weg sein. Trotzdem wurde diese Peti­tion als enderledigt vom Tisch gewischt.

Ein sehr wichtiges Anliegen beschreibt die Petition 34. Ich erwähne das auch deshalb, weil vielleicht noch eine Chance besteht, das endlich in Gesetzesform zu bringen. Es geht um die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes. Seit 1997 gab es keine Erhö­hung, obwohl alle das Auto betreffende Kosten massiv gestiegen sind. Wenn ich an den Kraftstoffpreis denke, wenn ich an die Versicherungsbeiträge denke – die Auto­bahnvignette ist auch nicht billiger geworden –, reichen die jetzt gültigen 36 Cent pro Kilometer bei weitem nicht mehr aus, die anfallenden Kosten zu decken.

Hier besteht eine Chance, weil diese Petition dem Finanzausschuss zugewiesen wurde. Wir erwarten nun sehnsüchtig, dass die Tagesordnung einmal dieses Thema aufnimmt, und wir sind gespannt, ob das bei der nächsten Finanzausschusssitzung auf der Tagesordnung steht. (Abg. Scheibner: Achtet ein bisschen auf die Redezeit! Wozu machen wir etwas aus, wenn sich dann keiner daran hält?)


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Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich feststellen: Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass irgendwann einmal eine Petition oder eine Bürgerinitiative ein Gesetz auch tatsächlich beeinflussen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindel­berger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.37

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Ich finde die Möglichkeit der Bürgerbe­teiligung ganz gut, und sie ist für mich etwas ganz Tolles und in einer Demokratie auch unabdingbar. In der österreichischen Rechtsordnung haben wir viele Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, direkt an der Gesetzgebung mitzuwirken, unter anderem mit Bürgerinitiativen, mit Petitionen. Es ist gut, wenn man den Menschen in Österreich diese Möglichkeit einräumt, und dass sie auch wahrgenommen wird, merken wir daran, dass in dieser Legislaturperiode bis heute 37 Petitionen und 18 Bürgerinitiativen einge­langt sind, wobei wir heute über einen Sammelbericht über zwölf Petitionen und fünf Bürgerinitiativen reden.

Logischerweise haben die Menschen in unserem Lande Interesse daran, dass wir uns auch mit diesen regionalen Problemen auseinander setzen und sie, wenn möglich, rasch einer Behandlung zuführen.

Jetzt muss ich dem Kollegen Freund schon eines sagen: Wir sollten uns bei der Aus­schusstätigkeit nicht selber in die Tasche lügen, denn die Realität der Ausschusstätig­keit schaut ganz anders aus. Ich sage es deutlich: Ich betrachte das als Missbrauch von Seiten der Koalition. Wann und wozu immer Bürgerinitiativen oder Petitionen ein­langen, wird bei mir der Eindruck immer stärker, dass einfach drübergefahren wird, weil es momentan nicht ins politische Kalkül passt.

Faktum ist, dass den Anliegen der Bevölkerung, den Petitionen und Bürgerinitiativen wirklich kaum Rechnung getragen wird. Wenn Kollege Freund zwei, drei Petitionen anführt, dann muss man aber auch sagen, dass es bei allen anderen überhaupt nicht funktioniert hat, als wir Stellungnahmen der Ministerien verlangt haben, als wir Stel­lungnahmen von verschiedenen Organisationen einholen wollten. Dieses Abblocken war nicht nur bei einer, sondern bei sehr, sehr vielen Petitionen merkbar. Für mich ist das nichts anderes als ein Vorbeischummeln an den Ausschüssen.

Vor einer Stunde hat Klubobmann Molterer gesagt: Reden wir offen, reden wir ehr­lich! – Da bin ich sofort dabei. Dann sollte man aber auch ehrlich sagen: Entweder ändern wir die Arbeitsweise im Ausschuss so, dass wir offen diskutieren, oder wir sagen der Bevölkerung, dass wir keinen Wert darauf legen, weiterhin diesen Petitions­ausschuss zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Steier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


18.40

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Motorradfahrer ist die Hauptstoßrichtung der Petition Nr. 1, die ich in den Mittelpunkt meiner Rede stellen möchte.

Dabei geht es konkret erstens um die Zulässigkeit der Verwendung von Wechselkenn­zeichen zwischen Motorrad und PKW, zweitens um die Möglichkeit, Busspuren mit


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Motorrädern zu befahren, und drittens um den Abbau von Bürokratie bei der Verwen­dung von Motorradzubehör.

Ich hoffe, dass wir uns im Verkehrsausschuss noch im Detail mit den Forderungen beschäftigen können, die von der Plattform „Motorradfahrer/Innen für Veränderungen“ stellvertretend für 480 000 angemeldete Motorräder und deren Besitzer an das Parla­ment herangetragen wurden.

In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass die Regierungsfraktionen be­reits zwei Anträge der SPÖ vertagt haben, in denen die Benutzung der Busspuren für einspurige Fahrzeuge und die Entbürokratisierung von Motorradzubehör gefordert wur­den.

Geschätzte Damen und Herren! Motorräder und Mopeds sind mittlerweile vom Freizeit­vergnügen zu einer attraktiven Alternative auf dem Weg zur Arbeit geworden. Die Zahl und die Fahrleistung der motorisierten Einspurigen nehmen weiterhin zu. Allerdings zählen Moped und Motorrad Expertenmeinungen zufolge zu den gefährlichsten Ver­kehrsmitteln. Im internationalen Vergleich ist das Risiko, im Straßenverkehr mit dem Motorrad tödlich zu verunglücken, pro gefahrenen Kilometer 20 Mal höher als mit einem Auto.

Die österreichischen Unfallzahlen für das Jahr 2003 umschreiben das Gefährdungspo­tential ganz eindeutig: 4 489 Unfälle mit Moped und Kleinmotorrad, dabei 47 Tote, 3 617 Motorradunfälle mit 3 474 Verletzten und 109 Todesopfern. Aktuelle Zahlen zur Entwicklung 2004 dürfen wir – hört, hört! – nächste Woche erwarten, wenn spät, aber doch endlich die österreichische Verkehrsunfallbilanz für das erste Halbjahr 2004 prä­sentiert werden soll.

Damit bin ich bei der Verkehrssicherheit, die uns angesichts der erwähnten Unfallzah­len gerade auch im Bereich der einspurigen Fahrzeuge ein besonderes Anliegen sein sollte. Konkrete Maßnahmen für Verkehrssicherheit einspuriger Fahrzeuge müssen unserer Meinung nach bei drei Komponenten ansetzen: bei den Fahrern, bei den Fahr­zeugen und bei der Straße.

Erstens: Schulungs- und bewusstseinsbildende Maßnahmen für jüngere und ältere Nutzergruppen einspuriger Fahrzeuge sind angebracht. Zweitens muss auch die pas­sive Sicherheit erhöht werden, zum Beispiel durch ABS-Systeme oder Airbags für Motorräder. Drittens: Ganz wesentlich sind Maßnahmen zur Verbesserung der Stra­ßeninfrastruktur, wie zum Beispiel der Leitplankensysteme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesen Bereichen erwarten wir konkrete Aktivitäten der Regierung, die zu einem Mehrwert bei der Verkehrssicherheit für Moped- und MotorradfahrerInnen führen sollen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Neugebauer und Walch.)

18.43

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe damit die Debatte.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitio­nen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 561 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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3. Punkt

Bericht des Familienausschusses über das Stenographische Protokoll der Parla­mentarischen Enquete (III-78 d.B.) zum Thema „Familie – Generationen – Solida­rität“ (623 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich eröffne damit die Debatte.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ihre freiwillige Redezeitbe­schränkung beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.44

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! 2004, zehn Jahre nach dem Internationalen Jahr der Familie, hat die UNO-Vollversammlung aufgerufen, erarbeitete familienrelevante Themen und Ziele zu evaluieren und zu aktualisieren.

Die Parlamentarische Enquete „Familie – Generationen – Solidarität“ im Frühsommer dieses Jahres war ein wichtiger Beitrag dieser Regierung dazu und wird nun in Form eines Stenographischen Protokolls hier im Plenum heute behandelt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Bundesregierung mit Bundeskanzler Dr. Wolf­gang Schüssel an der Spitze verständigt sich auf eine offensive Familienpolitik und kommt damit nicht nur den persönlichen Werten der Menschen in unserem Lande ent­gegen, sondern sichert mit der Stärkung und Unterstützung der Familien auch ziel­sicher die Generationenstabilität und natürlich auch die Solidarität in unserem Lande.

Und womit? – Zum Beispiel mit der Harmonisierung der Pensionssysteme – dieses Thema wurde heute ja ausführlich behandelt –, weiters mit der Elternteilzeit, die auf unsere Initiative hin eingeführt worden ist und jetzt von der Opposition eher bekrittelt wird, durch das Kinderbetreuungsgeld, das zwar jetzt auch schon in den Köpfen der Opposition ist, aber noch immer nicht weitreichend genug ist, oder durch weitere Maß­nahmen, wie zum Beispiel die „Abfertigung neu“, die Erhöhung der Familienbeihilfe oder die Anhebung des Mehrkindzuschlages.

Ich möchte gleich auf den Entschließungsantrag der Grünen eingehen, die diesen erst jetzt einbringen werden, aber schon lange angekündigt haben, in dem es darum geht, dass eine Studie zur Vermeidung von Armut in Familien erstellt werden soll. Ich möchte dazu sagen, jede Studie ist gut, wenn sie nicht schon vorliegt. Gerade zu die­sem Bereich gibt es sehr viele Materialien, sehr viele Studien. Ihre Ergebnisse müssen eben auch umgesetzt werden, so wie wir das tun mit den Maßnahmen für die Familien.

Armut in den Familien kann ich, wie gesagt, auch nur mit Maßnahmen abbauen. Ich erinnere an die Steuerreform 2004/2005, in der es um eine wesentliche Verbesserung für Alleinverdiener, für Alleinerzieher geht, mit der Anhebung der Zuverdienstgrenze zum Beispiel oder mit der Anhebung der Pendlerpauschale. Wir haben eben im Zuge dieses Steuerpakets für 900 000 Alleinverdiener und Alleinverdienerinnen wieder eine Möglichkeit geschaffen, in eine bessere Lebenssituation zu kommen.

Ich möchte auch an die Familienhospizkarenz erinnern. Wenn in diesem Antrag steht, dass die Familienhospizkarenz auch für Väter zugänglich sein soll, dann kann ich nur sagen: Wir haben in diesem Antrag keinen Unterschied zwischen Müttern und Vätern oder Männern und Frauen gemacht, das heißt, das ist für beiderlei Geschlecht ge-


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dacht. Und es ist auch machbar, dass das Männer wie Frauen annehmen, und zwar bis zu einem halben Jahr mit einer arbeitsrechtlichen Absicherung.

Wenn es dann in diesem Antrag noch damit weitergeht und die Grünen meinen, sie brauchen dann auch eine Evaluierung dieser Maßnahme, dann muss ich sagen, da haben sie wahrscheinlich beim Beschluss der Familienhospizkarenz wie des Kinder­betreuungsgeldes nicht aufgepasst, denn da haben wir jeweils eine Evaluierung zumin­dest nach dem zweiten Jahr der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes und nach dem zweiten Jahr der Einführung der Familienhospizkarenz wie auch nach der Einfüh­rung der Elternteilzeit festgeschrieben.

Wenn Sie jetzt fordern, einen Wettbewerb hinsichtlich Väterkarenz zu initiieren, dann muss ich sagen, da muss ich Ihnen schon ein bisschen auf die Sprünge helfen. Seit zwölf Jahren gibt es in Österreich, und nicht nur in Österreich, den Bundeswettbewerb „Frauen- und familienfreundlichster Betrieb“. Es gibt den Wettbewerb Trigon. Es gibt auch von einer sehr linksorientierten Frauenzeitschrift einen Wettbewerb, in dem der beste Traumpapa gekürt wird, und vieles mehr.

Ich möchte nur sagen: Wir haben schon lange Taten gesetzt und brauchen nicht viele Worte. Und der familienfreundlichste Wettbewerb in Österreich, der von sechs Bundes­ländern durchgeführt wird – andere machen das nach –, heißt: Taten statt Worte. Ich lade Sie ein, das auch zu tun und nicht nur Anträge zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.49

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Kuntzl zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


18.50

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich eingangs namens meiner Fraktion bei allen Experten, die zum Gelingen dieser Parlamentarischen Enquete durch ihre Statements, durch ihre intensive inhalt­liche Vorbereitung beigetragen haben, sehr herzlich bedanken. Eine Enquete, die unter dem Titel „Familie – Generationen – Solidarität“ steht, verleitet natürlich heute dazu, auch noch zu dem Thema Stellung zu nehmen, das wir in anderen Debatten schon diskutiert haben, das aber der Vollständigkeit halber hier auch unter einem anderen Aspekt erwähnt werden muss, nämlich der Frage des Pensionssystems, des Genera­tionenvertrags, der, wie wir alle wissen, kein rechtliches Konstrukt ist, sondern ein Vertrag, der nicht geschrieben ist, sondern auf einem Vertrauensverhältnis aufbaut.

Speziell in diesem Zusammenhang muss uns auch immer bewusst sein, was für ein sensibles, aber gesellschaftlich wichtiges Konstrukt das ist; und in diesem Zusammen­hang muss man auch betonen, dass mit der jetzigen Reform sehr viel an Vertrauen in dieses System zerstört wird, wodurch dieser Vertrag auch immer mehr ins Wanken ge­rät. Wenn Maßnahmen gesetzt werden, die noch mehr dazu führen, und zwar zu Recht dazu führen, dass die Jungen sagen, wer weiß, ob wir eine Pension bekommen, die auch entsprechend existenzsichernd sein wird, und wenn sie diejenigen sind, die das System für die nächsten Generationen sichern müssen, so ist das natürlich ein extrem gefährlicher Schritt, den Sie auch unter diesem Aspekt hier vornehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch noch einen Satz dazu sagen, dass wir im Zusammenhang mit der Sicherung des Pensionssystems sehr oft davon hören, dass die Gesellschaft überaltert ist. Ich möchte schon betonen, dass wir uns immer wieder vor Augen halten müssen, dass es eine wichtige Errungenschaft unserer Gesellschaft ist, dass Menschen ein


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hohes Lebensalter erreichen, und dass wir mit derartigen Begrifflichkeiten auch sehr sensibel umgehen sollten und uns überlegen müssen, welches Signal wir aussenden, wenn wir in politischen Debatten immer wieder von „Überalterung der Gesellschaft“ reden. Ich rufe dazu auf, diesen Begriff zu vermeiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt, zu dem ich hier Stellung nehmen möchte, ist natürlich immer im Mit­telpunkt familienpolitischer Grundsatzdebatten. Das sind die unterschiedlichen Famili­enbilder, die die unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen vor Augen haben, wenn Sie Maßnahmen diskutieren. In diesem Zusammenhang möchte ich in Erinne­rung rufen, dass sich das private Zusammenleben, das Familienbild in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat, vor allem dadurch, dass sich das Frauenbild sehr stark verändert hat. Wenn ich Ihnen in Erinnerung rufe, dass noch vor 27 Jahren – das ist in einem historischen Ablauf ein sehr kurzer Zeitraum – der Mann das Oberhaupt der Familie war und darüber bestimmen konnte, ob seine Frau berufstätig sein darf oder nicht, und wir heute bei einer Frauenerwerbstätigkeit von ungefähr 60 Prozent stehen, dann sehen wir, welch rasanter Wandel sich hier vollzogen hat, was natürlich auch zu unterschiedlichen Formen, Ausprägungen der Privatheit, der Lebensverhält­nisse führt.

Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass alle unterschiedlichen Lebensformen, ob AlleinerzieherInnen, Patchwork-Familien, die traditionelle Kleinfamilie, gleichge­schlechtliche Partnerschaften oder andere, den Anspruch an die Politik stellen können, den gleichen Schutz und die gleiche Unterstützung zu bekommen. Es ist mir sehr wich­tig, das in einer derartigen Grundsatzdebatte festzuhalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

In diesem Zusammenhang ist es natürlich bedauerlich, wenn Experten, die, in dem Fall von ÖVP-Seite, nominiert waren, davon reden, dass man ja gleich Personen, die mit Katzen und Hunden zusammenleben, als Familie bezeichnen könnte. Ich glaube, derart lächerlich sollte man ernsthafte Forderungen nicht machen.

Letzter Punkt: Familienarmut. Familienarmut ist ein ganz wichtiger Punkt, bei dem wir uns vor Augen halten müssen, wo wir ansetzen müssen. Der erste wichtige Punkt ist, dass Frauenerwerbstätigkeit die wichtigste Maßnahme gegen Familienarmut ist. Wir wissen, dass besonders jene Familien, wo mehrere Kinder und nur ein Erwerbsein­kommen vorhanden sind, extrem armutsgefährdet sind. Das heißt, alle Rahmenbedin­gungen, die wir setzen, um Frauenerwerbstätigkeit zu unterstützen, sind wichtige Maß­nahmen auch zur Vermeidung von Familienarmut.

Einen zweiten Punkt möchte ich auch noch kurz ansprechen, nämlich die Frage der bedarfsorientierten Grundsicherung. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, die politische Debatte in den nächsten Jahren in die Richtung zu führen, dass wir das System der Sozialhilfe dringend überdenken müssen, reformieren müssen, dass wir hier vereinheitlichen müssen, zu einem besseren System führen müssen, und zwar mit einem Rechtsanspruch für die Betroffenen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt auf dem Weg hin zu einer bedarfsorientierten Grundsicherung, der ein wichtiger und entschei­dender Beitrag zur Bekämpfung von Armut, in dem Fall Familienarmut, in der Gesell­schaft wäre. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.55

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosenkranz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



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18.55

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Staatssek­retärin! Hohes Haus! Diese Enquete hat, wie erwähnt, Gelegenheit gegeben, wieder einmal grundsatzpolitische Argumente auszutauschen. Es hat da sehr interessante Vorträge gegeben, aber auch sehr interessante Debattenbeiträge und Fragen.

Ich beziehe mich auf eine Frage des Abgeordneten Öllinger, die ich für interessant gehalten habe. Sie haben Ihr Statement eingeleitet mit der Frage: Wenn die familien­politischen Maßnahmen, welche die Regierung setzt, so gut sind, warum ist dann die Geburtenrate nicht gestiegen? – Das könnte man jetzt an und für sich schnell beant­worten: Weil demographische Prozesse so komplex sind. Wenn sie einmal gegriffen haben und wenn sie Jahrzehnte im Gang sind, sind sie natürlich nur mehr langsam und ebenso komplex umzustellen. Aber was ich bemerkenswert dabei finde, ist der Ansatz, denn hier wird konzediert und zugrunde gelegt, dass familienpolitische Maßnahmen auf demographische Prozesse wirken. Und so ist das auch.

Die Frage kann man weiterspinnen: Wie kam es zu dieser Geburtenrate? – Das finde ich das eigentlich Interessante. Dabei ist ein Vergleich mit anderen Ländern, die da ein bisschen glücklicher sind als wir, sehr hilfreich. Familienpolitik war über Jahrzehnte – und ist es auch noch ein bisschen – ein sehr hübsches Thema, vor allem für weibliche Abgeordnete. Je nach ideologischem Standpunkt ging das mehr in die Richtung „Wert­schätzung von Familienarbeit“ oder hatte einen frauenpolitischen Schwerpunkt. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, das hat man natürlich auch immer gehört. Das schätze ich auch nicht gering, das ist ja so, nur wurde vor allem auf das emotio­nale Bedürfnis abgestimmt: Familie als Hort der Geborgenheit, der Stabilität und der Solidarität. Aber so richtig Politik, so wie Wirtschaftspolitik, so wie Außenpolitik, so rich­tig Politik war Familienpolitik in den letzten Jahrzehnten eigentlich nicht.

Und das ist es! Genau diese Fehleinschätzung, diese kurzsichtige Einengung familien­politischer Wirkungen und der zentralen familienpolitischen Rolle hat ein gerütteltes Maß an Mitschuld daran, dass wir, was die Geburtenrate betrifft, dort sind, wo wir sind. Im Unterschied zu anderen Ländern war Österreich über Jahrzehnte demographisch blind. Ich darf hier feststellen, dass Familienpolitik auch eine Politik ist, die eine mas­sive Einwirkung – ob man das jetzt will oder nicht, man kann sich da nicht abstinent halten – auf demographische Entwicklungen hat. Doch dieses Bewusstsein muss immer erst geschaffen werden. Demographie als Grundlage jeder Ökonomie zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass dies im Zentrum der Politik steht.

Ein Vergleich mit Frankreich – ich darf Ihnen das zitieren –:

„Als die Geburtenrate in der Bundesrepublik von 2,4 Kindern pro Frau 1968 auf 1,5 im Jahr 1973 abfiel, führte das weltweit angesehene Institut National d’Études Démogra­phiques in Paris im Auftrag der französischen Regierung Modellrechnungen zur lang­fristigen Bevölkerungsentwicklung der französischen Bevölkerung bis zum Jahre 2100 durch.“

Man höre! Es gibt dort ein nationales Institut für Bevölkerungswissenschaften. Aus der Beobachtung eines Nachbarlandes – nicht einmal alarmiert durch eine eigene Entwick­lung, sondern aus der Beobachtung eines Nachbarlandes – wird der Schluss gezogen: Hier ist etwas im Gange, was unter Umständen die gesamte Grundlage eines Staates gefährden kann. Das muss man beobachten, das muss man anschauen. Die franzö­sische Regierung hat in Auftrag gegeben, das zu untersuchen.

Es heißt weiters:

„Einer der Modellvarianten war auch die in Deutschland erreichte Geburtenrate von 1,5 Kindern“ – wir liegen ja darunter – „zugrunde gelegt – als Beispiel einer bis dahin


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nicht für möglich gehaltenen Extrementwicklung. Die französische Regierung formu­lierte im März 1975 ihr bevölkerungspolitisches Ziel, ,eine stabile Geburtenrate, die nahe der Rate oder leicht über der Rate liegt, die die Ersetzung der einzelnen Alters­gruppen sicherstellt’. Frankreich intensivierte seine bereits seit Kriegsende betriebenen familien- und bevölkerungspolitischen Maßnahmen (...). Schwerpunkte waren unter anderem Vereinbarkeit der Berufstätigkeit der Frau mit der Kindererziehung und die massive Unterstützung von Familien mit drei und mehr Kindern.“ – Das hat auch zum Erfolg geführt.

Bei uns hingegen hat man erst reagiert, als es im Gebälk beträchtlich krachte. Anfang der neunziger Jahre waren die demographischen Defizite in den Sozialkassen bereits bemerkbar. Da hat man es erst wahrgenommen, als das, was errechenbar war und was übrigens auch errechnet wurde, zur Wirkung kam. Jahrzehnte zu spät! Dann hat man sich auf einen Weg begeben, dass man gesagt hat, da muss man eben durch kompensatorische Zuwanderung dieses Defizit ausgleichen. Und hier gilt es, eine War­nung auszusprechen: So, wie man vorher Jahrzehnte die Warnungen der Wissen­schaftler ignoriert hat, so sollte man das jetzt an diesem Punkt nicht tun.

Heute macht der „Kurier“ mit dem Thema auf: Überalterung der Gesellschaft – wobei das Problem nicht die vielen alten Leute sind, Gott sei Dank, sondern die wenigen jungen – droht die Budgets zu sprengen. Es wird auch darüber geschrieben – auch ganz klar –, welch dämpfenden Einfluss auf Wirtschaft und Standort eine so niedrige Geburtenrate hat. Das würde ich jetzt schon einmal ernst nehmen. Ebenso auch die Warnung, dass das mit Zuwanderung nicht so leicht zu beheben ist, denn die Zuwan­derung, die wir brauchen würden, gibt es nicht. Wir brauchen eine qualifizierte Zuwan­derung, die unsere Defizite ausgleicht, sozusagen – ich sage es ein bisschen pole­misch – einen demographischen Kolonialismus. Nur: Dort, wo diese qualifizierten Kräfte zu haben wären, gibt es eine ähnliche Geburtenrate wie bei uns. Das ist nicht die Lösung.

Wir sollten es nicht wieder darauf ankommen lassen: Wer nicht hören will, muss fühlen! Wir sollten dieses Mal hören und uns einstellen auf das, was ist, es in seiner Ernst­haftigkeit gebührend würdigen und in seinen Folgen vorausbedenken. Diese Regierung hat es sich zum Anliegen gemacht, diese Folgen abzufedern, und es ist ihr nicht hoch genug anzurechnen, dass sie sich so schwieriger Unterfangen wie einer Pensions­harmonisierung, einer Pensionsreform und auch einer Gesundheitsreform unterziehen wird.

Darüber hinaus wird es aber massive Veränderungen im Bereich der Infrastruktur geben müssen. Darüber wird überhaupt noch nicht nachgedacht in Österreich. Der Hessische Städtetag vorige Woche hat sich bereits den Kopf darüber zerbrochen, welche Auswirkungen das auf Infrastruktur oder auch auf Verkehr haben wird.

Und zum Dritten werden wir nicht darum herumkommen, es mit einer Trendwende zu versuchen. Ganz pragmatisch: schlicht und einfach, weil wir müssen! Fernab aller ideo­logischen Standpunkte! Ein Staat kann nur auf einer ausgeglichenen demographischen Grundlage sicher stehen.

Damit ist eines ganz klar: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, und zwar über dieses ganze Plenum hinweg, einen Paradigmenwechsel weg von: Kinder sind nur Privatsache!, hin zu dem richtigen Satz: Natürlich ist die Entscheidung für Kinder eine private, aber die Folgen sind eminent öffentlich und brauchen politische Handlungen.

19.03

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Ab­geordnete Mandak. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete, Sie haben das Wort.

 



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19.03

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Frau Präsidentin! Ich möchte gerne den Bogen von einer heutigen Tageszeitung wieder zur Familien-Enquete spannen. Grund­sätzlich freue ich mich, dass diese Enquete Thema hier in diesem Plenum ist. Ein biss­chen schade ist es, dass sie deswegen hier heute behandelt wird, weil die Tagesord­nung noch nicht ausgelastet war oder es so geschienen hat, dass sie nicht ausgelastet ist, was wieder zur Folge gehabt hat, dass wir heute in der Früh eine sehr schnelle Ausschusssitzung hinter uns gebracht haben, in der diese Enquete eigentlich diskutiert werden sollte. Eine Enquete, die einen ganzen Tag gedauert hat, in einem Ausschuss mit einer halben Stunde Zeit zu diskutieren ist, finde ich, auch nicht der richtige Weg, einer Enquete gerecht zu werden. Ich glaube, wenn wir uns hier bei den Expertinnen und Experten der Enquete bedanken, dann wäre es besser gewesen, sich auch im Ausschuss genügend Zeit zu nehmen für die Debatte dort.

Es gibt derzeit immer wieder die Frage nach Demokratie, Parlamentarismus in Öster­reich – in diesem Zusammenhang zu Recht –, und dann ist es uns nicht einmal wert, uns Zeit zu nehmen und die Ergebnisse eines ganzen Tages in Ruhe zu diskutieren. Es macht ganz einfach einen Unterschied, ob man hier im Plenum eine Sachlage erör­tert oder ob man sie in einem Ausschuss diskutiert, wo einfach viel mehr an Diskus­sion, an Rede und Gegenrede und so weiter möglich ist und wo man unter Umständen zu ganz anderen Ergebnissen kommt als hier im Plenum des Nationalrates.

Ich finde das ausgesprochen schade. Ich wünsche mir für eine Enquete das nächste Mal, dass deren Ergebnisse auch im Ausschuss entsprechend diskutiert werden kön­nen und danach natürlich – das würden wir uns für alle Enqueten und auch für alle Berichte wünschen – auch hier im Parlament diskutiert und abgestimmt werden.

Im Ausschuss selber ist dann auch gefragt worden: Ja warum haben wir nicht länger Zeit zum Debattieren? – Also da wäre schon das Bedürfnis gewesen, länger zu spre­chen. Und ein Tenor, der von den Regierungsparteien gekommen ist, war: Es ist eh alles gut, und wir tun eh so viel. Dann frage ich mich erstens: Warum machen Sie die Enquete überhaupt, wenn eh alles in Ordnung ist, wenn wir überhaupt keinen Hand­lungsbedarf haben? Und der zweite Punkt ist: Ist es Ihnen eigentlich von Ihrer politi­schen Grundhaltung her genug, zu sagen, es ist eh alles in Ordnung, wir machen eh alles gut, und damit hat es sich? Also ich bin hier herinnen und wir Grünen sind da herinnen, weil wir Dinge besser machen wollen in Österreich, und nicht, weil wir sagen, es läuft eh alles ganz gut, belassen wir es so! (Beifall bei den Grünen.) – Sie nicken zustimmend, das freut mich. Gut. Es ist ja nur schade, dass so wenige da sind, die das vielleicht auch noch unterstützen hätten können.

Es sind aus unserer Sicht zwei Punkte, zwei ganz, ganz wesentliche Punkte, wenn man sich diese gesamte Enquete ansieht, wo wir ansetzen wollen. Es ist uns bewusst, dass es auch noch andere Punkte gäbe wie den Bereich Gewalt in Familien oder die ganze Frage von Trennung und Scheidung, Patchwork-Familien, die eine ganz beson­dere Herausforderung darstellen. Wir sagen, einfach die Enquete jetzt als solche zu diskutieren, ein paar Wortmeldungen abzugeben und dann zu sagen, danke, das war’s, das ist uns zu wenig. Wir möchten gerne, dass da auch etwas herausschaut da­bei, dass das auch Konsequenzen hat, und wir haben deswegen zwei Anträge vorbe­reitet.

Der eine Antrag bezieht sich auf den Bereich Armut in Familien. Österreich ist – das ist ein sehr positiver Aspekt bei dem Ganzen; weil manchmal von Seiten der Regierungs­parteien der Vorwurf kommt, die Opposition schätze nie das Positive: ich tue das hiermit, bitte aufmerken! – im OECD-Schnitt tatsächlich führend, was die Unterstützung von Familien betrifft, aber trotzdem gibt es in Österreich eine ganz starke Armutsge-


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fährdung von Familien, besonders von Familien von AlleinerzieherInnen, von Migran­ten und Migrantinnen und von Familien, die mehr Kinder haben.

Das heißt, hier ist offenbar Handlungsbedarf gegeben. Wir investieren sehr viel, aber unterstützen offenbar nicht diejenigen, die es am notwendigsten brauchen, oder zumin­dest nicht in dem Ausmaß, in dem es notwendig wäre. Es ist uns bewusst, dass es Da­ten dazu gibt, allerdings glauben wir, dass die noch nicht in dem Maß aufbereitet sind, wie es notwendig wäre, um auch wirklich politische Maßnahmen daraus abzuleiten.

Deswegen stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mandak, Öllinger, Freundinnen und Freunde betreffend Maßnah­menpaket zur Vermeidung von Armut in Familien, eingebracht im Zuge der Debatte über den Verhandlungsgegenstand „Stenographisches Protokoll der Parlamentari­schen Enquete zum Thema ,Familie – Generationen – Solidarität‘“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat möge beschließen:

Der Sozialminister wird aufgefordert, bis Juni 2005 eine Studie zur finanziellen Situa­tion von Familien, unter spezieller Berücksichtigung von AlleinerzieherInnen, zu erstel­len. Diese Studie sollte insbesondere umfassen:

Daten zur Einkommenssituation von Familien unter Berücksichtigung der unterschied­lichsten Familienformen,

Daten zum verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen innerhalb dieser Familienformen,

Daten zur Kinder- und Jugendarmut,

Daten zur Einkommenssituation von Familien im urbanen Raum im Vergleich zu Fami­lien am Land,

Aufzählungen derzeitiger Maßnahmen, um Armut in Familien zu verhindern,

Aufzählung künftiger Maßnahmen zur Verringerung der Armut in Familien,

Evaluierung der Familienförderung in Österreich auf ihre armutsverhindernde Wirkung.

*****

Das ist also ein ganzes Stück mehr als nur das Zusammentragen von Daten, sondern es geht auch darum, seitens des Ministeriums Vorschläge zu machen, wie wir es anpa­cken können, dass Armut verhindert wird, dass Armut wirklich wirksam bekämpft wird.

Wir haben darüber hinaus noch einen zweiten Antrag, der sich mit der Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen beschäftigt, weil uns klar geworden ist, dass hier ein ganz, ganz wichtiger zweiter Ansatzpunkt notwendig ist.

Der eine Bereich – das hat Kollegin Steibl erwähnt – ist natürlich der, dass ohnehin familienfreundliche Betriebe gefördert werden, aber das hat immer den Aspekt der frauenfreundlichen Betriebe gehabt. Wir glauben, dass es hier eine ganze Reihe von Maßnahmen zu setzen gibt, damit sie auch männer-, väterfreundlicher werden.


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Deswegen stellen wir auch in diesem Bereich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mandak, Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnah­menpaket zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer, eingebracht im Zuge der Debatte über den Verhandlungsgegenstand „Stenographisches Protokoll der Parlamentarischen Enquete zum Thema ‚Familie – Generationen – Solidarität‘“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Sozialminister und der Wirtschaftsminister werden aufgefordert, bis Ende 2004 ein Maßnahmenpaket vorzulegen, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer zu ermöglichen. Dieses Maßnahmenpaket hat insbesondere zu umfassen:

einen Gesetzesvorschlag zur Schaffung eines „Vatermonats“ mit vollen Bezügen an­lässlich der Geburt eines Kindes für Väter,

konkrete Vorschläge, um einen Abbau von Überstunden zu erreichen,

konkrete Anreize für Betriebe und den öffentlichen Dienst, männlichen Mitarbeitern Elternkarenz zu ermöglichen beziehungsweise diese dabei zu fördern,

die Einrichtung einer „Beratungsstelle Väterkarenz“, die karenzwillige Väter bei der Realisierung von Karenz beziehungsweise Elternteilzeit unterstützt und begleitet,

konkrete Anreize für Betriebe und den öffentlichen Dienst, damit diese qualifizierte Teil­zeitstellen speziell für Männer schaffen beziehungsweise fördern,

konkrete Anreize für Betriebe und den öffentlichen Dienst, damit diese jenen Vätern gegenüber, die das Recht auf Elternteilzeit in Anspruch nehmen wollen, kooperativ sind und auch dort, wo kein Rechtsanspruch besteht, Elternteilzeit für Männer ermög­lichen,

finanzielle Förderungen für Betriebe, um die Errichtung von Betriebskindergärten zu fördern,

einen konkreten Vorschlag, um eine jährliche Auszeichnung für die väterfreundlichsten Betriebe Österreichs zu vergeben,

Maßnahmen zur Förderung der Übernahme von Pflegehospizkarenzen durch Männer,

eine jährliche Evaluierung der Inanspruchnahme von Elternkarenz und des Rechts auf Elternteilzeit sowie der Inanspruchnahme von Pflegehospizkarenz, beginnend mit 1. Juli 2005, sowie die jährliche Berichterstattung darüber an den Nationalrat.

*****

Es ist uns bewusst, dass es da zum Teil Gesetze gibt, die grundsätzlich Männern und Frauen die Inanspruchnahme ermöglichen würden, aber wie bei vielen Gesetzen, die sonst Frauen benachteiligen, handelt es sich hierbei um Gesetze – wie jene über die Pflegehospizkarenz oder auch über die Kinderbetreuungszeiten –, die Väter einfach in weit geringerem Maße in Anspruch nehmen. 2,5 Prozent der Väter, die tatsächlich in Karenz gehen, sind eine erschreckend geringe Zahl, deswegen braucht es über die ge-


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setzliche Regelung hinaus noch klare zusätzliche Fördermaßnahmen, Anreize an die Betriebe und auch eine Gesamtumstellung der Grundhaltung gegenüber den Vätern, die in Karenz gehen.

Wir bitten Sie, diesen Anträgen zuzustimmen. Es sind Anträge, die wesentliche Wei­chen stellen könnten. Wenn Sie wirklich in diese Richtung gehen und wirklich etwas tun wollen und nicht nur eine Enquete veranstalten, die dann wieder verpufft, dann for­dere ich Sie auf, diesen Anträgen zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.12

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die beiden Entschließungsanträge, die Frau Abgeordnete Mandak eingebracht hat – Maßnahmenpaket zur Vermeidung von Armut in Familien und Maßnahmenpaket zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie –, sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Marek. Ihre freiwillige Redezeitbe­schränkung beträgt 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.13

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Kollegin Mandak hat soeben zwei Anträge eingebracht. Auf einen möchte ich ein bisschen eingehen, und zwar auf denjenigen, der Maßnahmen zur Forcierung von Väterkarenzen fordert.

Da ich dazu auch in meiner Funktion als Betriebsratsvorsitzende in der Privatwirtschaft sehr positive Erfahrungen sammeln konnte – bei uns gibt es nämlich die Väterkarenz im Unternehmen durchaus –, möchte ich auf ein paar der im Antrag gestellten Forde­rungen näher eingehen und diese auch aus meiner Erfahrung und meiner Sicht er­läutern.

Der Antrag enthält den in den letzten Monaten sehr viel diskutierten Vaterschutzmonat. Hier im Antrag heißt er jetzt „Vatermonat“. Gemeint ist damit die vierwöchige Karenzie­rung von Vätern nach der Geburt eines Kindes bei vollen Bezügen. Ich verstehe durch­aus die Absicht, die dahinter steckt, nämlich einerseits eine Entlastung der Mutter in diesen ersten Wochen nach der Geburt zu erreichen und gleichzeitig von Anfang an eine stärkere Beziehung zwischen Vater und Säugling zu forcieren.

Ich frage mich dabei aber, warum gerade der erste Monat herausgegriffen wird. Sollte es nicht den Eltern gemeinsam überlassen bleiben, den Zeitpunkt einer solchen Phase für Väter selbst zu wählen? (Abg. Öllinger: Gerne!) Das Kinderbetreuungsgeld – Sa­bine, du hast es gesagt – enthält auch schon diese Möglichkeit und ist sicher auch ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Völlig offen bei der Forderung nach dem Vatermonat bei vollen Bezügen ist für mich aber die Frage der Finanzierung, die sicher zu klären sein würde. Außerdem glaube ich, dass damit die Unternehmen ziemlich überfordert wären, obwohl es auch mir natürlich lieber wäre, wenn in den Betrieben die Vaterschaft mehr Unterstützung bezie­hungsweise auch Verständnis finden würde. Ich glaube aber nicht, dass wir das mit Brachialgewalt – ich empfinde es fast so – erreichen können.

Generell glaube ich, dass wir beim Thema Väterkarenz einmal größtenteils mit Be­wusstseinsbildung arbeiten sollten. Anreize für die Unternehmen könnte ich mir jedoch sehr gut vorstellen. – Da bin ich inhaltlich durchaus bei den Grünen, würde mich aber über konkrete Vorstellungen von Ihrer Seite sehr freuen und bin einfach auch für Dis­kussionen absolut offen. Vielleicht können wir da auch Praxiserfahrungen mit einbrin­gen.


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Durchaus motivierend kann es für ein Unternehmen sein, eine Auszeichnung für be­sondere Familienfreundlichkeit zu erhalten, was gerade im steigenden Wettbewerb, nicht zuletzt auch um gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein Thema ist. Ich glaube aber schon, dass wir da den bekannten Wettbewerb „Taten statt Worte – frauen- und familienfreundlicher Betrieb“ einfach weiterentwickeln könnten und auch die Väterfreundlichkeit durchaus hineinnehmen sollten, was in der Steiermark übrigens schon passiert.

Ein Bereich, in dem ich mich seit Jahren sehr stark engagiere, ist die Frage der betrieb­lichen Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Ich rede hier ganz bewusst nicht von Betriebskindergärten. Das macht nämlich in einem Land, in dem es über 95 Prozent klein- und mittelständische Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern gibt, wenig Sinn und bringt auch nicht wirklich etwas. Es geht da also auch um Alternativen, die wir uns einfach anschauen müssen und bei denen wir auch ein bisschen kreativ sein müssen.

Großteils freue ich mich über die Diskussion, die derzeit stattfindet. Ich möchte aber sagen, dass meiner Meinung nach doch noch unterschiedliche Anschauungen beste­hen. Ich glaube aber nicht, dass wir mit Rechtsansprüchen und gesetzlichen Zwangs­maßnahmen sehr viel erreichen, sondern wir werden viel eher mit Bewusstseinsbildung arbeiten müssen. So werden wir, glaube ich, auch mehr erreichen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.16

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeord­neter Silhavy das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.17

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns heute mit einer Enquete zum Thema „Familie – Generatio­nen – Solidarität“. Ich möchte als Erstes gleich anmerken: Es ist schön, dass wir heute über diese Enquete reden, aber ich würde mir wünschen, wir würden zum Beispiel über den Sozialbericht auch hier im Plenum diskutieren – einen sehr wesentlichen Bericht, der viel über die Lage der Familien, die Armutsgefährdung und so weiter aus­sagt – und solche Berichte nicht immer dank Ihrer Mehrheiten in den Ausschusssitzun­gen endbehandeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unzweifelhaft, und es kommt auch im Bericht – vor allem beim Experten Guger – zum Ausdruck: Der Ländervergleich zeigt eindeutig, dass dort, wo Frauen höhere Teil­habemöglichkeiten am Arbeitsmarkt haben, wo Kinderbetreuungsmöglichkeiten gege­ben sind, auch die Geburtenrate wesentlich höher ist als bei uns. Diese Länder haben den Familien auch tatsächlich so viel Sicherheit gegeben, dass sie sich wieder trauen, sich zum Kind zu bekennen, und zwar indem sie reagiert haben und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie tatsächlich ermöglicht haben und nicht immer die so genannte Wahlfreiheit hervorgehoben haben, womit man in Wahrheit nur eine Geldleistung meint.

Damit bin ich beim nächsten Punkt: Sie werden die besten Geldleistungen an Familien ausschütten können, es wird nichts helfen, wenn Sie eine Politik machen, die jungen Menschen kein Vertrauen in ihre Zukunft gibt. Wir haben heute schon über die Pensi­onskürzungen gesprochen, die den jungen Menschen bevorstehen. (Abg. Steibl: Ent­schuldige, Heidrun, das glaubst du ja selber nicht! Kriegst du dein Gehalt für Negativ­politik?) Wir haben über die Arbeitslosenstatistik und über die Arbeitsmarktsituation schon zahlreiche Male gesprochen. Der Herr Bundesminister Bartenstein ignoriert das jedes Mal.


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Wir sollten uns einmal darüber unterhalten, wie es den Menschen geht, die den Berufs­einstieg in Form von atypischen Beschäftigungsverhältnissen antreten, bei denen sie oft nicht einmal versichert sind. Wir sollten uns darüber unterhalten, warum Frauen geringfügig beschäftigt sein müssen, warum sie keine anderen Beschäftigungsformen angeboten bekommen oder keinen anderen nachgehen können und wie sich all das auf ihr System der sozialen Sicherheit und auf ihre sichere Zukunftsexistenz auswirkt.

Meine Damen und Herren! Ich habe den Beitrag von Herrn Universitätsprofessor Dr. Prisching besonders interessant gefunden. Das sollten gerade Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, sich besonders zu Herzen nehmen:

„Wirtschaft und Gesellschaft verlangen in turbulenten Zeiten wegen der 24-Stunden-Anforderungen an Flexibilität und Mobilität des Einzelnen eigentlich genau genommen das alleine stehende Individuum, das nicht partnerschaftsbehinderte Individuum, das nicht familienimmobilisierte Individuum.“ Bei den Wirtschaftsliberalen ist es, so Pri­sching, die von oben gewünschte Flexibilität, die jederzeitige Verfügbarkeit, die Erzie­hung zum persönlichen Bindungsverzicht, zum kollektiven Solidaritätsverzicht. „Man steht sich anders besser. Und solchen Trends gilt es auch ein wenig gegenzuarbeiten.“

Meine Damen und Herren! Sie haben die Elternteilzeit erwähnt: Gerade da sind Sie vor der Wirtschaft in die Knie gegangen. Elternteilzeit steht in Betrieben mit über 20 Be­schäftigten zur Verfügung. Das ist eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Eltern, die in kleineren Betrieben tätig sind! (Abg. Steibl: Und unter 20 die Betriebsverein­barung!) Da können Sie mit noch so vielen Ausreden kommen, es zeigt Ihre wahre Position. Ihnen ist Wirtschaftsliberalität allemal noch lieber als Familienpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

19.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rossmann. Auch Sie haben sich eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten gesetzt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.20

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Hohes Haus! Kollegin Silhavy, wenn Sie davon sprechen, dass wir die Pensionen für die Jugend nicht sichern, dann frage ich Sie: Was haben Sie all die Jahre gemacht? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Geld rausgehaut haben sie!) Gerade die Pensionssiche­rungsreform ist dafür da, dass die nächste Generation eben eine sichere Pension hat.

Wir diskutieren heute aber über den Bericht einer Enquete, die hochkarätig besetzt war, und allein der Titel der Enquete, nämlich „Familie – Generationen – Solidarität“, zeigt, dass speziell durch diese Bundesregierung und auch speziell mit dem Ressort Soziales, Familie und Generationen erstmals eine ganz andere Art der Familienpolitik gemacht wird, nämlich Familienpolitik mit hohem Stellenwert.

Das Thema Familienpolitik wurde – meine Kollegin Rosenkranz hat es schon ange­sprochen – unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern, sozialdemokratischen Famili­enministerinnen, ah, Frauenministerinnen (Abg. Silhavy: Oh, oh!), sozialdemokrati­schen Finanzministern wirklich über viele Jahre vernachlässigt, und Familienpolitik fand sich maximal als Frauenpolitik wieder, Frauenpolitik mit eigener Ministerin, aber ohne Portefeuille. Das wissen Sie, und das war eigentlich sehr traurig! (Abg. Silhavy: Trotzdem war die Frauenpolitik besser als heute!)

Wenn wir hier familienpolitische Debatten abgehalten haben, dann wurde das sofort wieder in Richtung Frauenpolitik gelenkt. Frauenpolitik ist wichtig, aber wir sehen das in einem viel größeren Zusammenhang. Frauenpolitik ist nicht isoliert zu sehen, son­dern Frauenpolitik ist gleich auch Familienpolitik.


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Erst durch uns Freiheitliche wurde dieser Anspruch eingelöst. Wir sind nämlich nur un­ter der Bedingung in diese Bundesregierung gegangen, dass auch unser Kinderscheck umgesetzt wird und dass sich der Kinderscheck auch im Regierungsübereinkommen wieder findet. Deshalb sage ich: Durch uns Freiheitliche hat die Familienpolitik in dieser Bundesregierung einen eigenen und einen besonderen Stellenwert bekommen.

Das ist auch der Chefverhandlerin des damaligen Kinderschecks zu verdanken, näm­lich unserer Staatssekretärin Ursula Haubner, die sich jetzt als Jugend- und Familien­staatssekretärin in diesem Ressort wieder findet und Gott sei Dank den Bereich der Wahlfreiheit Beruf und Familie weitergestalten kann. Wir sind am richtigen Weg mit diesem familienpolitischen Ansatz, dass man Familien nicht nur Almosen gibt und För­derungen zukommen lässt, sondern dass man Familien Unterstützungen gibt mit gesellschaftspolitischen Maßnahmen, wie der Kinderscheck eben eine ist.

Der Wert der Familie liegt bei Jugendlichen auch in der Werteskala an erster Stelle. 89 Prozent der jungen Österreicher sagen, die Familie ist ihnen das Wichtigste. Das ist ein wirklich sehr erfreulicher Wert und sagt auch uns als Politikern, es besteht Hand­lungsbedarf, dass dieser Wert erhalten bleibt. 66 Prozent der Jugendlichen schätzen den Wert der Arbeit als Lebensbereich; er liegt somit an zweiter Stelle. An dritter Stelle kommt der Wert der Freunde mit 44 Prozent und dann der Wert der Freizeit mit 39 Prozent. – Das ist unsere Jugend in Österreich! Die sieht den Wert der Familie weit vor dem Wert der Freizeit.

Das wundert vielleicht so manchen, weil man glaubt, die Jungen sind eher oberfläch­lich, genießen mehr die Freizeit, und ihnen ist die Familie egal. Ganz das Gegenteil ist der Fall! Deshalb ist es für uns als Politiker so wichtig, diesen Weg fortzusetzen. Das hat auch die Enquete gezeigt. Auch die Enquete sagt, dass wir mit der Weichenstel­lung einer aktiven Familienpolitik am richtigen Weg sind. (Abg. Dr. Puswald: Rede­zeit!) – Es ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung!

Was hat diese Familienpolitik unserer Frau Staatssekretärin und unseres Bundesminis­ters Herbert Haupt bewirkt? – Abgesehen vom Kindergeld wurde die Zuverdienstmög­lichkeit erhöht. Es wurde die Familienbeihilfe erhöht. Erstmals wurde ein Familienzu­schlag für Kinder geschaffen; ein Mehrkindzuschlag im Steuersystem. Es wurde die Familienhospizkarenz geschaffen, weil wir auch an die ältere Generation denken und auch daran, dass es einmal zu Ende geht auf dieser Welt. Es wurden auch, wie wir heute schon diskutiert haben, die Kindererziehungszeiten erstmals als echte pensi­onsbegründende Zeiten angerechnet.

All das hätten Sie jahrelang machen können: über 55 Jahre sozialdemokratische Sozi­alminister, und nichts ist passiert! (Abg. Krainer: 200 Jahre nichts passiert!)

Wir bekennen uns zu einer aktiven Familienpolitik. Sie jammern, Sie nörgeln, Sie schü­ren Ängste, aber wir handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.25

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Ab­geordneter Öllinger. Seine freiwillige Redezeitbeschränkung beträgt 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich ganz etwas anderes sagen, aber einige Redebeiträge, darunter diesmal vor allem die der FPÖ-Abgeordneten Rosenkranz und Rossmann, veranlassen mich natürlich, auf einige Punkte einzugehen.


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Frau Abgeordnete Rosenkranz hat damit begonnen, über Themen, die auch in der morgigen Ausgabe einer Tageszeitung stehen, den Bogen zur Familienpolitik zu span­nen. Der „Kurier“, das stimmt, macht mit dem Thema „Überalterung“ auf. Ich meine, wir sollten zumindest hier das Wort „Überalterung“ vermeiden, denn im Begriff steckt schon die Ideologie. Was heißt das? Überalterung – die Gesellschaft wird zu alt.

Im Englischen gibt es den Begriff „aging society“, und das heißt ganz einfach, schlicht und wenig ideologisch die „alternde Gesellschaft“. So gehört es auch. Wir haben kein Problem mit einer alternden Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, oder? Wir wollen doch alle älter werden!

Was den anderen Teil dessen betrifft, was hinter dem Begriff „Überalterung“ steht, nämlich es sollen mehr Junge kommen, muss ich Ihnen schon sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren gerade von der Freiheitlichen Partei: eine Geburtenrate, die die Alterung kompensieren könnte, müsste beim Faktor drei oder vier liegen. Davon sind wir weit entfernt. Das ist auch nicht unbedingt ein erstrebenswerter Zustand – weder für Österreich noch für andere Länder, wenn ich beispielsweise an China oder Indien denke. Da hatten wir gerade international eine Debatte, dass man noch vor wenigen Jahren geglaubt hat, die Weltbevölkerung wird sich bis zum Jahr 2070 und 2080 verdreifachen, und jetzt kann man auf Grund einer Bevölkerungspolitik, einer Geburtenpolitik in diesen Ländern sozusagen erleichtert aufatmen, so schlimm wird es nicht.

Jetzt werden wir Österreicher sagen, aber wir wollen das wenigstens. Wenn die ande­ren den Faktor drei oder vier bei der Geburtenrate schon nicht haben dürfen, dann wol­len es wir Österreicher. Erstens einmal spielt es die Musik nicht so, und zweitens ist es nicht unbedingt erstrebenswert, weder für Österreich noch für andere Länder. Wenn wir uns darauf einigen können, sind wir ein schönes Stück weiter.

Aber was spielt es denn? – Wir halten – das ist schon gesagt worden – bei einem Ge­burtenfaktor von 1,3. Jetzt kommen Sie und sagen, das ist zu wenig. Da kann ich sogar noch mit. Bei den Punkten, bei denen Sie sagen, das machen wir, damit die Geburten­rate höher wird, kann ich nicht mehr mit. Da kann ja niemand mehr mit!

Sie sagen, wenn wir in Österreich die Geldleistungen für die Familien erhöhen – Stich­wort Wahlfreiheit –, dann sind wir das familienfreundlichste Land. – Nein, sind wir nicht! Wir sind eindeutig das Land, das inzwischen im Bereich der Familienpolitik am meisten für Transfer-, also Geldleistungen ausgibt, aber eine der niedrigsten Geburtenraten hat. Da sollte man sich dann irgendwann auch fragen, ob da vielleicht ein innerer Zusam­menhang besteht. Dass Geld allein nicht ausreicht, um die Zukunftsfähigkeit von Fami­lien sicherzustellen, das ist nämlich auch klar.

Das ist der Unterschied zu Frankreich, Frau Staatssekretärin! Wenn man schon die Debatte von Frankreich, wie es die Kollegin Rosenkranz in einem durchaus interessan­ten Beitrag gemacht hat, aufgreift, dann müsste man ja auch weiterdenken: Warum schaffen es die Franzosen auch nicht weiter als bis zu einer Geburtenrate von unge­fähr 1,7 Prozent? – Na weil die dasselbe Problem haben wie wir in Österreich!

Was uns die Franzosen voraushaben, sind die besseren Kinderbetreuungseinrichtun­gen. (Abg. Miedl: Die haben mehr, nicht bessere!) Im Bereich Dienstleistungen ein­fach das bessere Angebot zu haben und mehr darin zu investieren, das alleine kann auch noch nicht die Zukunftsfähigkeit herstellen, und das ist das Problem. Familienpoli­tik ist eine Querschnittmaterie, und wenn man sich das genauer ansieht, wird man draufkommen, dass junge Familien – und das ist ja auch mit einer der Gründe, warum die Entscheidung für Kinder immer später getroffen wird – in erster Linie darunter leiden, dass es überhaupt keine Zukunftssicherheit mehr gibt.


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Ich habe schon in der Enquete darauf hingewiesen – und das wurde heute auch in der Pensionsdebatte erwähnt –: Vor 20, 30 Jahren haben die Arbeitsverhältnisse ein Le­ben lang gedauert. Da gab es in gewissem Umfang Zukunftssicherheit. Man konnte sein Leben organisieren und einrichten. Man hat gewusst: Das erwartet mich, und das erwartet mich nicht. Jetzt dauern Arbeitsverhältnisse ein bis eineinhalb Jahre im Durch­schnitt für die meisten jungen Menschen! Das gibt keine Sicherheit, abgesehen von der fehlenden Einkommenssicherheit.

Die Zukunftssicherheit ist wahrscheinlich eines der massivsten Probleme jenseits der besseren Dienstleistungen, die wir auch ausbauen müssen. Das ist ein ganz zentrales Problem von Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Solange Sie sich nur darin be­rühmen wollen, dass Sie am meisten Geld ausgeben, wird das zu kurz greifen. Das Ergebnis sehen wir jetzt schon: Es gelingt nicht!

Wie haben Sie sich doch im vorigen Jahr gefreut, als in einem Monat die Geburtenrate um 0,01 Prozent gestiegen ist! Das war schnell vorbei, und wir haben damals schon gesagt: Das wird es wahrscheinlich nicht gewesen sein und auch für die Zukunft nicht sein. (Abg. Dolinschek: Reden Sie weniger schlecht, dann ist schon viel getan!)

Das heißt, es liegt an sehr vielen Faktoren. Egal, ob Sie es mir jetzt glauben oder nicht: Die Zukunftsfähigkeit von Familien und damit auch die Möglichkeit, Kinder in die Welt zu setzen beziehungsweise nicht nur in die Welt zu setzen, sondern auch adäquate Beziehungen mit den Kindern zu pflegen und ihnen auch Sicherheit zu geben, hängt von sehr viel mehr Umständen und Faktoren ab. (Abg. Zweytick: Nein!) Einige habe ich Ihnen schon genannt: Wirtschaft, Arbeitszeit, freie Zeit, die man für Kinder aufbrin­gen und ihnen zur Verfügung stellen kann. Lieber Kollege! Davon hängt all das zehn Mal mehr ab als von einer zusätzlichen Geldleistung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.32

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lentsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.32

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! ich möchte wieder zur Famili­enenquete zurückkommen, die vor einigen Monaten stattgefunden hat und heute das eigentliche Thema ist.

Diese Enquete hat uns sehr deutlich gezeigt, dass man sich dem Thema Familie von sehr vielen Seiten nähern kann, etwa von der Seite der berufstätigen Frau, der natür­lich vor allem die Kinderbetreuungsplätze sehr, sehr wichtig sind, und von der Seite der Kinder, die sicher und in Ruhe aufwachsen sollen beziehungsweise wollen. Man kann das Thema natürlich auch von der Seite der Politik betrachten. Einige wenige Politiker denken über das Wahlrecht von Kindern nach. Wissenschafter berechnen, wie viele Kinder wir brauchen, um den Sozialstaat zu finanzieren. Natürlich gibt es auch noch die Sicht der Männer, die Sicht der Väter, die Sicht der älteren Generation und so wei­ter und so weiter.

Was es aber nicht gibt, ist ein Rezept, wie eine Familie funktioniert, und daher sind wir beziehungsweise ist die Politik dazu da, Rahmenbedingungen zu schaffen. Und das hat diese Bundesregierung getan: Die letzten vier Jahre waren die ersten in der Zwei­ten Republik, in denen wirklich etwas für die Familien und für die Frauen geschehen ist. (Abg. Krainer: Bartenstein wird sich darüber nicht freuen!) Ich denke jetzt beispiels­weise an das Kinderbetreuungsgeld, das wir beschlossen und gegen das Sie gestimmt haben. Sie, geschätzte Damen und Herren von den Oppositionsparteien, und Ihre


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Wählerinnen und Wähler draußen können das noch immer nicht glauben, aber wir werden es ihnen so lange erzählen, bis sie es glauben. Wir brauchen einfach nur Ihre Methoden zu übernehmen, dann wird das schon gelingen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dieses Kinderbetreuungsgeld gibt den Frauen die Chance, selbst zu entscheiden – und darauf legt die Österreichische Volkspartei ganz besonderen Wert –, ob sie nach der Geburt des Kindes bei ihrem Kind zu Hause bleiben oder ob sie ganz oder nur teil­weise in den Beruf einsteigen. Das hilft vor allem auch den alleinerziehenden Frauen.

Genauso haben wir auch die Pensionsreform gemacht. Die Pensionsharmonisierung ist in Begutachtung, wie wir heute den ganzen Tag gehört haben. – All das sind Pro­jekte, über die sich sehr viele Regierungen nicht getraut haben. Man konnte mit ihnen gewisse Dinge überhaupt nicht andiskutieren. Ich kann mich noch sehr gut daran er­innern, dass Vranitzky im Jahre 1995 gemeint hat: Die Pensionsreform ist ein ganz wichtiges Thema, aber nicht vor den Wahlen. Aber leider Gottes kommen halt auf Bun­desebene die Wahlen in relativ kurzen Abständen.

Wir müssen auch der Jugend die Aussicht auf einen gesicherten Lebensabend geben, denn schließlich zahlen die Jungen unsere Pensionen. Wir Politiker sollten uns viel weniger um die äußere Form der Familie kümmern, sondern wir sollten viel mehr dar­auf achten, dass die verschiedensten Generationen friedlich zusammenleben können, und diesen Weg des Ausgleichs wird diese Volkspartei in Permanenz fortsetzen. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.36

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort gemeldet. – Frau Staatssekretärin, Sie sind am Wort.

 


19.36

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich auch kurz zur Enquete „Familie – Generationen – Solidarität“ zu Wort melden und im Rückblick noch einmal sagen, dass sich im Rah­men dieser Enquete nicht nur die sehr gute Gelegenheit geboten hat, mit Experten und Wissenschaftern und Wissenschafterinnen intensiv zu diskutieren. Vielmehr hat diese Enquete auch gezeigt, dass wir uns von der Auffassung weg bewegen, dass Familien­politik eher ein Nebenthema ist, und zu der Überzeugung gelangen, dass Familienpoli­tik – das sage ich jetzt parteiübergreifend, so habe ich es auch empfunden – ein zent­rales gesellschaftspolitisches Thema ist, weil in der Familie eben alle Generationen umfasst sind und alles, was generationenübergreifend ist, für die Zukunft sehr wichtig ist. Die Politik hat auf die Ist-Situation, die wir zurzeit in Europa haben, auch die richti­gen Antworten zu geben, zu reagieren beziehungsweise – noch besser – im Hinblick darauf zu agieren.

Ich sage: Österreich hat im Unterschied zu den anderen europäischen Ländern nicht zu viele ältere Menschen, sondern Österreich hat zu wenige Kinder. Ich habe Ihre Argumentation nicht ganz verstanden, Herr Kollege Öllinger, dass es nicht erstrebens­wert sein soll, dass wir mehr Kinder in Österreich haben. (Abg. Öllinger: Das habe ich auch nicht gesagt!) Kinder bedeuten nämlich nicht nur privates Glück und Freude, sondern Kinder bringen auch für die Wirtschaft eine sehr, sehr große Dynamik. (Abg. Öllinger: Aber nicht die Geburtenrate von vier!) Sie sind das zukünftige Arbeitskraftpo­tential für die Wirtschaft. (Abg. Zweytick: So ist es!) Daher ist es unbedingt notwendig, dass es viele junge Menschen gibt. Die neuesten Studien und Umfragen sprechen für sich. Frau Dr. Schlaffer hat eine Studie über jugendliche Familienfähigkeit gemacht, und da kommt ganz klar zum Ausdruck, dass die Institution Ehe von den 18‑ bis 25-


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Jährigen absolut positiv definiert wird und dass Eheschließung absolut auch mit einem Kinderwunsch verknüpft ist. (Abg. Öllinger: Und dann kracht es halt, das ist das Pro­blem!)

Dort, meine Damen und Herren, müssen wir ansetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Vorstellungen, die die jungen Menschen, die 18‑ bis 25-Jährigen, haben, auch rea­lisiert werden können. Unsere Aufgabe in der Politik besteht darin, hiefür die notwendi­gen Rahmen zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein Ergebnis dieser Enquete war für mich auch – das ist ja heute schon angeklungen ‑, dass wir all das nicht mit einer einzelnen Maßnahme erreichen werden, sondern dass ein ganzes Paket von Maßnahmen notwendig ist. Eine Maßnahme davon ist natürlich die finanzielle Unterstützung, das ist ganz klar. Wir haben gerade von den Vorrednerin­nen und Vorrednern gehört, dass das Kinderbetreuungsgeld einen ganz wesentlichen Einfluss auf die positive finanzielle Unterstützung von jungen Familien hat.

Es liegt heute ein Antrag der grünen Fraktion vor, dass etwas gegen die Armut getan wird, welche die Familien betreffen kann. Im Hinblick darauf ist ganz klar, dass gerade das Kinderbetreuungsgeld und die vielen familienunterstützenden Maßnahmen wie etwa jene betreffend Mehrlingskinder, die Erhöhung der Familienbeihilfe, aber vor allem auch die steuerlichen Maßnahmen, die wir heuer für Alleinerzieher und Alleinver­diener gesetzt haben, positiv im Kampf gegen die Armut sind.

Ich darf Ihnen das nur beispielhaft sagen: Eine Alleinverdienerfamilie mit zwei Kindern, die Kinder sind im Vorschulalter, bekommt im Monat bis zu 1 000 € einerseits als Bar­leistung und andererseits auf Grund steuerlicher Begünstigung durch die Anhebung des Alleinverdienerabsetzbetrages mit dem Mehrkinderzuschlag. Eine Alleinverdie­nerfamilie mit drei Kindern bekommt bis zu 1 900 € im Monat an zusätzlichen Leis­tungen. – Ich denke, an dieser Stelle ist es doch wichtig, zu sagen: Wir brauchen finanzielle Unterstützung, dass Familie leistbar und lebbar ist und dass wir auch die Armut wirklich vor Ort intensiv bekämpfen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Sie zählen jetzt aber Kraut und Rüben zusammen!)

Ich möchte im Hinblick darauf, dass Sie in diesem Antrag bezüglich der Thematik Familie und Armut auch eingefordert haben, dass eine Studie zu diesem Thema erstellt wird, darauf hinweisen: Der Sozialbericht 2003 ist unmittelbar vor der Fertigstellung. Darin findet sich auch ein sehr ausführliches Kapitel über die Armut und Armutsgefähr­dung in Österreich. Auf Grund der Ergebnisse dieser Untersuchung werden wir dann die entsprechenden Schlüsse ziehen können. Es befindet sich auch eine Studie betref­fend die Verschuldung von Familien in Bearbeitung; die quantitativen Erhebungen sind abgeschlossen, und qualitative Erhebungen folgen. Weiters haben wir seit eineinhalb Jahren eine fertige Studie zu Kinderkosten, die natürlich allen Abgeordneten dieses Hauses jederzeit zur Verfügung steht.

Schließlich zeigt uns die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes ganz klar, dass armutsgefährdete Familien, die aber Kinderbetreuungsgeld beziehen, über die Armuts­grenze gehoben werden. Das ist für mich Grund genug, die finanziellen Leistungen nicht schlecht zu reden.

Ein zweiter Bereich, der sicherlich sehr wichtig für die Familie ist, ist die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit der Familienarbeit. In diesem Bereich ist, wie ich meine, in Österreich schon sehr viel geschehen, es ist aber auch noch viel zu tun, vor allem auch im Hinblick auf eine neue Väterkultur, die letztlich auch den Kindern zugute kommt. Vor einigen Tagen fand die erste europäische Väterkonferenz hier in Wien statt, 200 Exper­tinnen und Experten aus über 20 europäischen Ländern nahmen daran teil. Es stieß


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auf sehr großes Interesse, dass gerade wir in Österreich den Vätern in der Familien­arbeit zunehmend größere Bedeutung beimessen. (Rufe von der Galerie.)

Wir müssen die Männer dort abholen, wo sie abzuholen sind, und sie sind bei den Jun­gen absolut dort abzuholen, weil sie vor allem auch Kinder und Karriere vereinen wol­len. Laut der Studie, die ich zuerst erwähnt habe, sind sie auch bereit, im Bereich der Berufstätigkeit etwas kürzer zu treten. Ganz interessant ist allerdings – um noch einmal auf diese Studie zurückzukommen –, dass die jungen Männer auf keinen Fall die Rolle des Hausmannes übernehmen wollen. (Weitere Rufe von der Galerie.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich unterbreche kurz die Sitzung, bis wieder Ruhe auf der Galerie einkehrt.

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und ersuche die Frau Staatssekretärin fortzufahren.

 


Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner (fortsetzend): Wir haben gerade dem Bereich der Partnerschaft von Eltern für die Kinder in der Familie große Bedeutung beigemes­sen, und wir werden an diesem Bereich auch dementsprechend weiterarbeiten. Sie wissen ja, dass im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes dementsprechende Monate auch für die Väter vorgesehen sind, und wir werden im Rahmen einer Kampagne sehr umfassend darüber informieren, dass Väter auch dieses Angebot annehmen können.

Ich glaube, wir haben mit der erwähnten Elternteilzeit und den Möglichkeiten für famili­enfreundliche Betriebe, die heute auch schon angesprochen wurden, einen guten Weg beschritten. Wir machen eine Politik für die Familien, die den Familien genau das an­bietet, was sie brauchen und wollen, damit sie wirklich Entscheidungen für ihre Familie und für ihre Kinder treffen können und die entsprechende Wahlfreiheit haben.

Ob es sich jetzt um Tagesbetreuung der Kinder, um Betreuung zu Hause, um die Mög­lichkeit, Beruf und Familie auf den verschiedensten Ebenen gut zu vereinbaren, han­delt: Wir müssen in diesem Bereich noch wesentlich mehr tun. Daher sage ich: Wir wollen die Enquete nicht nur zum Anlass nehmen, zu diskutieren und auf bessere Zeiten zu warten. Vielmehr haben wir auch im Bewusstsein diskutiert, dass schon sehr viel geschehen ist, dass wir aber nicht stehen bleiben dürfen und weitere politische Handlungen setzen müssen.

Dass wir gut unterwegs sind, zeigt sich auch auf europäischer Ebene, wo unser Modell der Familienpolitik, der Politik für Familien unter gleichberechtigter Einbindung der Müt­ter und Väter, als richtiger Weg gesehen wird. Das Interesse auch aus anderen Län­dern ist sehr groß, und wir werden im Jahr 2006 im Rahmen unserer Präsidentschaft auch eine dementsprechende Familienkonferenz ins Leben rufen, um zu zeigen, was es heißt, richtige Politik für die Familien im Lande zu machen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.46

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Ab­geordnete Mag. Grossmann. Ich stelle die Zeit auf 3 Minuten. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


19.47

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Wir haben bei dieser Enquete von mehreren Expertinnen bestätigt bekommen, was für uns alle kein Geheimnis ist, näm­lich dass sich das Familienbild und die Formen des Zusammenlebens seit den sechzi-


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ger Jahren erheblich gewandelt haben. Die Ehe hat ihre Monopolstellung weitgehend eingebüßt und ist nur mehr eine von vielen Lebensformen.

Vor allem die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist währenddessen zu einem Massen­phänomen geworden. Wie auch Professor Prisching dargestellt hat, sind die Gründe dafür vielfältig: Viele sehen auch in einer Lebensgemeinschaft die Sehnsucht nach Familie gestillt, und viele scheuen vor einer Eheschließung einfach deswegen zurück, weil sie die Ehe als das sehen – und in diesem Punkt dürfte ich mit einer Ihrer Studien korrespondieren, Frau Staatssekretärin –, was sie trotz aller Auflösungsmöglichkeiten doch ist, nämlich ein Bund fürs Leben, und sich eben nicht trauen, eine lebenslange Garantie abzugeben.

Welche die Gründe auch immer sind: Faktum ist jedenfalls, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft zur zweithäufigsten Lebensform geworden ist. Die Gesetzgebung ignoriert diese Tatsache allerdings und stellt keinen ausreichenden Rahmen für diese Form der Partnerschaft zur Verfügung. Lebensgefährten gelten, auch wenn sie schon Jahrzehnte zusammen leben, rechtlich als Fremde. Nur in einzelnen Randbereichen werden sie anerkannt, aber oft nur zum Nachteil, wie zum Beispiel bei der Notstands­hilfe, bei der das Partnereinkommen zur Berechnung herangezogen wird, obwohl kein Unterhaltsanspruch besteht. Lebensgefährten leben zwar wie Ehepartner, führen einen gemeinsamen Haushalt, tätigen gemeinsame Anschaffungen, ziehen mitunter auch ge­meinsam Kinder auf, pflegen einander im Krankheitsfall und leisten einander Beistand. Wenn es aber zur Trennung kommt, gibt es gravierende Probleme, was die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und der Verbindlichkeiten betrifft.

Die Gerichte haben zwar rechtliche Konstruktionen entwickelt, diese sind aber nur wirt­schaftsrechtlicher und nicht familienrechtlicher Natur. Das bedeutet in der Praxis, dass Familienarbeit nur unzureichend berücksichtigt wird. Das fällt natürlich jenen auf den Kopf, die sehr viel in die Lebensgemeinschaft investiert haben, sei es durch Familien­arbeit oder Bestreitung der Haushaltskosten, und hier haben in den meisten Fällen die Frauen das Bummerl.

Gesetzlichen Unterhaltsanspruch gibt es keinen, auch dann nicht, wenn der Partner im Einvernehmen mit dem anderen den Beruf aufgibt, um sich etwa der Kindererziehung zu widmen. Ich denke, dieses Problem dürfte sich in Zukunft noch verschärfen, weil Kindergeldbezug und Kündigungsschutz auseinanderfallen und Mütter vom Kinder­geldbezug direkt in die Arbeitslose schlittern, jedoch nicht in den Bezug der Notstands­hilfe kommen, weil ja – wie gesagt – ein fiktives Partnereinkommen angerechnet wird. Stirbt ein Lebensgefährte, kommt das Heimfallsrecht des Staates zum Tragen, bevor der andere etwas bekommt.

Die Liste der Diskriminierungen lässt sich noch lange fortsetzen, aber man sieht jeden­falls, dass hier massiver Regelungsbedarf besteht, in welcher Form auch immer. Man­ches könnte an eine Form der Partnerschaftsregistrierung anknüpfen, manches an das bloße Faktum der Lebensgemeinschaft.

Besonders akut ist der Handlungsbedarf bei homosexuellen Lebensgemeinschaften, die ja nicht die Alternative der Eheschließung haben. Ich hoffe, dass der Vorstoß aus Ihren Reihen in diese Richtung nicht nur ein billiger Anbiederungsversuch an be­stimmte Zielgruppen war, sondern dass Sie wirklich an einem modernen Familienrecht interessiert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 



Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 176

19.51

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die dramatische Prognose, die uns Statis­tiker hinsichtlich der Geburtenrate vorgelegt haben, gebietet uns zu erkennen, dass wirklich dringender Handlungsbedarf in der Familienpolitik gegeben ist. Tatsächlich wurde dieser Bereich der Familienpolitik – es ist heute schon mehrfach angesprochen worden – lange vernachlässigt. Es sind nicht nur die demographischen Grundlagen, sondern auch der Wunsch nach Familie, auch von der Jugend, die diese Familie als sehr wertvolle Lebensform ansieht. Da gilt es nun, die Versäumnisse der letzten Regie­rungen auszumerzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit sich Staatssekretärin Ursula Haubner vermehrt um Familienpolitik kümmert, ist das Klima für Familien in Österreich wirklich besser geworden. Eines ist auch ganz klar – es wurde schon angesprochen –: Das Familien­thema spielt sich nicht nur in einem kleinen Bereich ab, sondern ist eine Querschnitt­materie. Deswegen sind viele Maßnahmen zu berücksichtigen, wenn man erfolgreiche Familienpolitik machen will.

Transferleistungen wurden in diesem Zusammenhang schon angesprochen. Sie sind natürlich ein wichtiger Bestandteil, und da befindet sich Österreich im Spitzenfeld der Europäischen Union.

Heute haben wir schon mehrfach über die Pensionsharmonisierung gesprochen. Auch wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, es nicht wahrhaben wollen, werden gerade im Bereich der Familien im Rahmen der Pensionsharmonisie­rung sehr stark die Kindererziehungszeiten berücksichtigt.

Ein wichtiger Punkt, insbesondere für uns Frauen, ist natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch wenn das Recht auf Elternteilzeit bereits beschlossene Sache ist, ist es trotzdem wichtig, dass die Wirtschaft als Partner gewonnen wird und dass die Unternehmen davon überzeugt werden, dass familienfreundliche Maßnahmen auch betriebswirtschaftliche Vorteile bringen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Mit­arbeiter besser motiviert sind und auch eine geringere Mitarbeiterfluktuation, eine ge­ringere Abwesenheitsquote vom Job herrscht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Vereinbarkeit kann aber nur dann realisiert werden, wenn auch die Väter wirklich stärker an der Familienarbeit beteiligt werden. Es ist unser Ansinnen und unser Anliegen, Männer dazu nicht zu zwingen, sondern sie sollen motiviert werden, sich mehr in der Kinderbetreuung zu engagieren. Das soll als Chance gesehen werden, um neue Qualifikationen wie höhere Sozialkompetenz und mehr Teamfähigkeit zu erreichen, wofür oft teure Seminare notwendig sind, die dann erst im Job absolviert werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist daher sehr begrüßenswert, dass Staatssek­retärin Haubner eine Kampagne zum Thema „Mehr Väter in Kinderbetreuung“ gestartet hat. Ich appelliere an Sie alle, über alle Parteigrenzen hinweg, diese Bewusstseins­bildung für mehr Engagement der Väter in den Familien und in der Kindererziehung sowie die Kampagne unserer Staatssekretärin zu unterstützen. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.54

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuhrmann. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 177

19.54

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Ich möchte einmal ein anderes Thema ansprechen, das auch Thema dieser Enquete gewesen ist, nämlich die Frage der Generationensolidarität. Diese Enquete hat sich nicht nur um Familienpolitik gedreht, sondern es wurden auch die Generatio­nen in den Mittelpunkt gerückt. Ich möchte hier ein paar Ergebnisse beziehungsweise ein paar Punkte ins Plenum bringen und hoffe, dass diese auch im Anschluss diskutiert werden.

Dass die demographische Entwicklung eine große Herausforderung an sich darstellt, ist bekannt, aber im Besonderen sind es drei Handlungsfelder, die die Politik dazu bewegen müssen, hiezu auch Lösungsmodelle zu erfinden.

Der erste Punkt ist die Frage der Mitbestimmung. Die demographische Entwicklung ist nun einmal Ausgangspunkt dafür, dass immer mehr ältere Wähler immer weniger jün­geren gegenüberstehen. Wenn man sich diverse Gremien anschaut, dann sieht man, dass die Jugend oft nicht ausreichend vertreten ist, außer – und darauf bin ich stolz – in der ÖVP. Wenn man hier in die Runde schaut, sieht man: Das Parlament ist sozusa­gen gespickt mit jungen Abgeordneten. Wir haben auch erst bei der letzten Landtags­wahl in Vorarlberg einen jungen Mandatar dazubekommen. Ich glaube, auf diese Art und Weise wird echte Jugendpolitik gemacht (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dolinschek), indem man nämlich jungen Menschen auch Verantwortung übergibt. Das ist die richtige Methode.

Der zweite Punkt, der eine Herausforderung darstellt, ist die soziale Gerechtigkeit zwi­schen den Generationen. Dazu gehört die Frage des Lebenseinkommens, aber ge­nauso die Frage der öffentlichen Förderleistungen. Ich habe dieses Beispiel auch hier schon mehrere Male gebracht. Ich sehe es als ungerecht an, dass ein Pensionist für einen Fahrschein für die öffentlichen Verkehrsmittel nur halb so viel zahlt wie ein Ju­gendlicher. Das ist nicht gerecht, das gehört geändert. Ich sehe auch nicht ein, dass ein älterer Mensch für die gleiche Tätigkeit fast zwei Drittel mehr verdient als ein junger Mensch, der eine Familie gründen möchte und sich eine Existenz sichern muss.

Der dritte Punkt betrifft den Bereich des Arbeitsmarktes. Ich bin sehr froh darüber, dass wir viel getan haben, um ältere Erwerbstätige länger im Erwerbsleben zu halten. Das ist wichtig für unser Pensionssystem, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch wichtig ist, für junge Menschen neue Arbeitsplätze zu schaffen und ihnen auch Arbeit zu ermöglichen. Ich bin deshalb sehr stolz darauf, dass gerade der Bund weitere Lehr­lingsplätze schafft, nämlich 800 Plätze. Das ist ein sensationeller Erfolg, womit man jungen Menschen große Chancen bietet. (Beifall bei der ÖVP.)

Unter dem Strich kann man sagen, Generationensolidarität darf keine Einbahnstraße sein. Mein Appell als Junge lautet: Fairplay für alle Generationen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.57

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeord­netem Krainer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.58

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Ich glaube, in Wien zahlt ein Jugendlicher nicht mehr als ein Pensionist. Ich denke, eine Monatskarte kostet zirka 5 €, das sind unge­fähr eineinhalb Wurstsemmeln. (Heiterkeit des Abg. Dr. Puswald sowie Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich heute in einem Rock oder in einem Kleid erschienen wäre, hätte es wahr­scheinlich ein wenig oder mehr Aufregung gegeben – vielleicht nicht so große Aufre­gung wie damals, als die ersten Frauen ihre Röcke ausgezogen und Hosen angezogen


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 178

haben. Auch wenn das jetzt nur eine symbolische Frage ist, so zeigt sie doch, dass Frauen es geschafft haben, sich von ihrer traditionellen Rolle zu verabschieden, zu emanzipieren und auch – ich sage einmal – die andere Rolle oder den anderen Teil der Welt anzunehmen und sich die Hosen anzuziehen. Das haben wir Männer noch nicht geschafft.

Vielleicht liegt es auch daran, dass es auf den ersten Blick etwas attraktiver erscheint, die Rolle des Mannes in der Gesellschaft anzunehmen – also die große weite Welt –, und dass es für die männliche Seite ein bisschen weniger attraktiv erscheint, aus der Erwachsenenwelt, aus der großen Welt zurück in die Familie zu kommen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das stimmt nicht, es zahlt sich sehr wohl aus. Und es wäre auch schön, wenn das mehr Männer machen würden und auch mehr Männer erkennen würden, dass dieser Teil der Welt genauso lebens- und liebenswert ist wie jener, in dem die Männer traditionell leben.

Ich verstehe auch, dass viele Frauen sagen, dass sie nicht warten wollen, bis sich die Männer emanzipieren. Die Emanzipation der Frau ist ja nicht von heute auf morgen passiert, sondern das dauerte über 100 Jahre. Dass Frauen heute sagen, sie wollen nicht noch einmal 100 Jahre warten, bis sich die Männer auch von ihrer Rolle emanzi­pieren, verstehe ich.

Das führt uns zu einem der Knackpunkte der Enquete, nämlich dass einer der Gründe für das von allen beklagte „mangelnde Kinderkriegen“ in Österreich ist, dass es eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. Dazu gibt es drei Ansätze, wie man das verbessern könnte, die im Moment noch sehr wenig beziehungsweise von der jetzigen Regierung leider gar nicht gesehen werden. Ich habe den Eindruck, dass das ein bisschen aus ideologischen Gründen passiert.

Der erste Ansatz ist der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Programme, die Ende der neunziger Jahre auf Bundesebene ins Leben gerufen wurden, haben Sie sehr stark zurückgefahren.

Der zweite Ansatz ist das Recht auf Teilzeitarbeit. Das sehen wir als wichtig an für alle Frauen – und Männer natürlich – und nicht nur für 23 Prozent.

Der dritte Ansatz betrifft etwas, was Sie erst vor kurzem hier abgelehnt haben. Das war der Vorschlag des Papa-Monats, also die Möglichkeit für Väter, die ersten vier Wochen nach der Geburt des Kindes zu Hause zu sein, um vom ersten Tag an eine Beziehung, auch eine pflegerische Beziehung zum Kind aufbauen zu können – und nicht nur eine Spielbeziehung oder eine „Guten-Abend- und Gute-Nacht-Beziehung“. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Leider sind Sie unseren Vorschlägen hiezu nicht gefolgt. Wir werden trotzdem am Ball bleiben und diesen Punkt weiter einbringen – auch aus dem Grund, weil gerade jene Länder, die diese Maßnahmen auf Recht auf Teilzeitarbeit, auf einen wirklichen Papa-Monat und nicht nur auf einen finanziellen Bonus für das Zuhausebleiben haben, jene Länder in Europa sind, die die höchste Quote bei der Fortpflanzung haben, nämlich knapp zwei Kinder pro Frau im Vergleich zu 1,3 Kindern in Österreich. Ich denke dabei an Schweden und Frankreich, welche genau jene Länder sind, die auch diese Maß­nahmen setzen.

Ganz zum Schluss wollte ich noch eine tatsächliche Berichtigung anbringen. Ich habe bei der Enquete gemeint, dass von den sieben oder acht Rednerinnen der ÖVP nur Kollegin Fuhrmann ohne Polemik ausgekommen ist. Ich habe das Protokoll jetzt noch­mals durchgelesen und muss Frau Kollegin Riener auch noch als nicht polemisch ein­schließen. Bei den anderen bleibt es so. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

 


20.01


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 179

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.01

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Die Familienformen haben sich im Laufe der Zeit ... (Abg. Riepl: Du hast es auch nicht leicht!) – Kollege Riepl, in aller Kürze: Die Familien­formen haben sich, das wissen wir alle, im Laufe der Zeit gewandelt. Es gibt nun mehr Lebensgemeinschaften. Es gibt dadurch oft einmal Probleme wie die gemeinsame Obsorge für Kinder nach der Trennung der Eltern und so weiter und so fort. Aber auf jeden Fall ist eines ganz positiv, dass nämlich die Bereitschaft der jungen Männer, mehr bei der Kinderbetreuung und Kindererziehung mitzuwirken, als es vorher der Fall war, in der Vergangenheit enorm gestiegen ist.

Diese Bewusstseinsbildung ist eingetreten. Das hat man auch in der Enquete gesehen, dann im Familienbericht, beim Familien-Volksbegehren und bei jener Enquete, die vor ein paar Tagen im Palais Auersperg stattgefunden hat, nämlich die 1. Europäische Vä­terkonferenz. All das belegt, dass einfach das Bewusstsein der jungen Männer wesent­lich stärker geworden ist und sie bei der Kindererziehung mithelfen.

Ich sehe hier die beiden Anträge von der grünen Fraktion vor mir betreffend Maßnah­menpaket zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir alle kennen die dicken Schmöker aus dem Familienbericht. „Familie – Generationen – Solidarität“, das heißt schon etwas. Das ganze Thema ist sehr umfangreich. Ich muss eines sagen: Alles zu seiner Zeit! Es ist nicht so einfach, denn wenn man jetzt die Schaffung eines Vater-Monats verlangt, so gibt es verschiedene Zugänge, um sich diesem Thema zu nähern. Alles kann nicht zu jeder Zeit umgesetzt werden. Die Väter-Kampagne zeigt, wie wichtig dieses Thema ist – genauso wie das Recht auf Elternteilzeit, das ebenfalls eine wichtige Sache ist.

Es gibt in Österreich den Bundeswettbewerb „Frauen- und familienfreundlichster Be­trieb“. Er ist von drei Ministerien durchgeführt worden, vom Bundesministerium für so­ziale Sicherheit und Generationen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft.

Eine Beratungsstelle für die Väterkarenz ist ebenfalls eingerichtet worden. Interes­santerweise sind 30 Prozent aller Klienten in den Familienberatungsstellen bereits männlich. Das ist ebenfalls enorm.

Noch ein Einwand betreffend Vermeidung von Armut in den Familien. Dazu muss ich Folgendes sagen: Es gibt ein Maßnahmenpaket zur Vermeidung von Armut in den Familien. Eine umfassende Studie zu diesem Thema ist jetzt nicht notwendig, denn das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen befasst sich schon seit Jahren intensiv mit diesem Thema und hat bereits eine zielgerichtete Studie zur The­matik Familien und Armut, die als Basis für diese Maßnahmen dient, herausgegeben.

Ich weise auch darauf hin, dass der Sozialbericht 2003, der zwar jetzt erst heraus­kommt, ebenfalls dieses Thema beinhaltet.

Ich glaube, am Thema Familie muss weitergearbeitet werden. Wir sind hier auf dem besten Weg dazu und dieses Thema bei unserer Staatssekretärin in guten Händen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mikesch. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 180

20.05

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Unternehmerin in einer nahezu ausschließlichen Männerbranche kann ich sehr gut beurteilen, was es heißt, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.

Genau aus dieser Sicht stelle ich fest, dass keine andere Bundesregierung so viel für Frauen und Familien gemacht hat wie diese. Aber eines liegt mir sehr am Herzen: Auch Unternehmerinnen sind Frauen. Da tut es mir schon weh, dass die SPÖ gegen das Kinderbetreuungsgeld für alle war. Die frühere SPÖ-Familiensprecherin Ilse Mertel sagte beispielsweise: „Ich gönne das Karenzgeld nicht jeder Frau.“

Ich bedanke mich bei der Bundesregierung dafür, dass sie jeder Frau das Kinderbe­treuungsgeld gönnt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

30 Prozent unserer Betriebe werden von Frauen geführt. In Niederösterreich gibt es daher seit vielen Jahren die Betriebshilfe. Da wird zum Beispiel Unternehmerinnen in der Zeit des Mutterschutzes eine Ersatzkraft zur Verfügung gestellt. Das ist ein Erfolgs­modell, das nun auf ganz Österreich ausgedehnt werden soll. Meine Damen und Herren! Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss lebbar sein.

Die Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert. Heute gibt es Frauen, die weder auf den Beruf noch auf die Familie verzichten wollen. „Wahlfreiheit“ ist das Stichwort.

Auch Weiterbildung ist mehr denn je gefragt, vor allem wenn wir die Einkommenssitua­tion der Frauen anschauen. Das WIFI Niederösterreich ist eine jener Erwachsenenbil­dungseinrichtungen, die über einen Kindergarten verfügen, in dem Frauen während ihrer Kurse ihre Kinder betreuen lassen können. Im bfi, liebe Frauen von der SPÖ, gibt es solch eine Kinderbetreuungseinrichtung nicht. Ist für Sie die Vereinbarkeit von Wei­terbildung für Mütter und Väter einerseits und Familie andererseits kein Herzensanlie­gen? – Wir Politikerinnen und Politiker haben die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen und auch die Sicherheit zu geben, damit diese Vereinbarkeit möglich und lebbar ist.

Da zeigt sich wieder einmal die Doppelzüngigkeit der Opposition. Sie wollen mehr Maßnahmen und lehnen gleichzeitig jede Verbesserung, die die Regierung bringt, aus Prinzip ab. Sie verunsichern damit die Menschen. Nach wie vor lehnt die SPÖ die Fle­xibilisierung der Arbeitszeiten kategorisch ab. Dabei sind es gerade flexible Arbeitszeit­modelle, die große Chancen für Frauen mit Kindern bringen, weil Flexibilität nicht zwangsläufig auf Kosten des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin gelebt wird. – Im Gegenteil: Sie bringt auch viele Vorteile in einem partnerschaftlichen Miteinander zwischen Unter­nehmerinnen, Unternehmern und deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Eines kann ich Ihnen versichern: Erfolgreiche Unternehmen leben uns dies vor. Auch die Sozialpartnerschaften beweisen uns das immer wieder.

Aber zurück zur Flexibilisierung. Meine Damen und Herren, fragen Sie einmal eine Mutter, die einen Klein- und Mittelbetrieb führt, wie es bei ihr mit fixen Arbeitszeiten ausschaut! Sie muss jede Minute nutzen, um Betrieb und Kinder unter einen Hut zu bringen. Hat eine Unternehmerin kein Recht, eine bessere Vereinbarkeit zu fordern? Ich sage: Doch, sie hat es! Genau deshalb bin ich für partnerschaftliche Lösungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 181

20.08

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Bei Verbesserungen, Frau Kollegin Mikesch, geht es immer dar­um, wer davon profitiert. Da stellt sich bei manchen oder vielen Maßnahmen dieser Regierung die Frage, wer tatsächlich von diesen Verbesserungen profitiert.

Zur Flexibilisierung, die immer gefordert wird. Bei einer Flexibilisierung in der Arbeits­welt bedarf es tatsächlich vieler Maßnahmen, um diese Flexibilisierung auch leben und menschenwürdig gestalten zu können.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun inhaltlich mit der Enquete beschäf­tigen, vor allen Dingen mit einem Teilbereich. Ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll:

„Kinder und Jugendliche tatsächlich als Menschen in unserer Gesellschaft ernst zu nehmen, heißt auch, sie zu beteiligen. Wir müssen Kinder und Jugendliche darin unter­stützen, ihren Lebensraum selbst zu gestalten, ihre Bedürfnisse zu formulieren und sich bei Erwachsenen Gehör zu verschaffen. Junge Menschen sind Expertinnen und Experten in eigener Sache.“ – So weit die Aussage von Minister Haupt. Ich stimme dieser Aussage natürlich zu.

Meine Damen und Herren! Wie aber schaut die Realität aus? – Die Kinderrechtskon­vention in Österreich wurde 1992 ratifiziert, die tatsächliche Umsetzung und vor allen Dingen die umfassende Verankerung der Ziele und Inhalte dieser UN-Kinderrechtskon­vention lassen noch auf sich warten, harren der Dinge, obwohl sie eine Forderung vieler Kinder- und Jugendorganisationen sind.

Meine Damen und Herren! Worum geht es tatsächlich? – Kinder- und Jugendrechte sind Rechte von Kindern und Jugendlichen, die diesen zustehen – nicht Rechte der Eltern! Alle Kinder und Jugendlichen sollen das Recht auf gewaltfreie Erziehung sowie das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung genießen. Alle Kin­der und Jugendlichen sollen entsprechend ihres Entwicklungsstandes das Recht auf Partizipation und Mitwirkung in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, haben. Allen Kindern und Jugendlichen soll ein Anspruch auf Schutz und Fürsorge und auf best­mögliche Entfaltung, einschließlich Freizeit und Spiel, eingeräumt werden.

So viel zu den Perspektiven und den Rechten von Kindern und Jugendlichen. Ich erin­nere nur an unseren Antrag, der ein umfassendes Demokratiepaket enthält, das im Ausschuss auch wieder vertagt wurde.

Meine Damen und Herren! Elterninteressen sind nicht mit Kinder- und Jugendinteres­sen gleichzusetzen, und Demokratie geht immer noch von den einzelnen Menschen aus. Ich appelliere an Sie, vor allen Dingen an die Regierungsparteien: Geben Sie, geben wir alle den Jugendlichen, den jungen Menschen eine Chance!

Sie sind am Zug, meine Damen und Herren, Frau Staatssekretärin, aber wir unterstüt­zen Sie dabei sehr gerne. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Walch. – Bitte, Herr Kollege. 3 Minuten.

 


20.12

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erfreulich, was heute Frau Staatssekretärin Haubner darüber berichtet hat, wie die Familienpolitik in Öster­reich aussieht. Das war leider bei der alten Regierung nicht so. Unter SPÖ-Führung


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 182

wurde das Karenzgeld von zwei Jahren auf eineinhalb reduziert, die Zuverdienstgrenze um vieles mehr. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Sozialminister Haupt und Staatssekretärin Haubner, selbst Mutter von zwei Kindern, wissen, wo die Familie der Schuh drückt. Es wurde zugunsten der Familie viel verwirk­licht, das wiederum kommt der Wirtschaft zugute und vieles mehr.

Besonders erfreulich ist, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verwirklicht wurde. Mit dem Kindergeld geht das jetzt, mit dem Karenzgeld war das nie möglich, weil die Zuverdienstgrenze sehr niedrig war.

Weiters: längere Karenzzeit, Kindergeld für alle Mütter, nicht nur für jene, die berufs­tätig sind, sondern auch für jene, die nicht berufstätig sind. Das drängt die Frauen nicht wie früher zurück an den Herd, weil sie nichts beziehungsweise nur wenig dazuverdie­nen durften, denn jetzt dürfen sie bis zu 14 600 € dazuverdienen.

Ganz besonders freut es mich, dass auf Vorschlag unserer Staatssekretärin noch eini­ges mehr umgesetzt wurde: Der Alleinverdienerabsetzbetrag ist erhöht worden, eben­so der Alleinerzieherabsetzbetrag, pro Kind gibt es mehr Geld et cetera. Die Familien­beihilfe ist im Vergleich zur alten Regierung entsprechend erhöht worden, und bei der Harmonisierung der Pensionen werden speziell die Frauen gewinnen. In Zeiten einer SPÖ-Führung waren 15 Beitragsjahre notwendig (Zwischenruf der Abg. Csörgits) – ich bin am Wort, Frau Kollegin, nicht nervös werden! –, jetzt unter FPÖ/ÖVP-Regierung sind es nur mehr sieben Jahre. – Das sind natürlich Versäumnisse Ihrerseits, daher verstehe ich auch die Aufregung.

Kindererziehungszeiten: Anrechnung von vier Jahren, bei der Bemessungsgrundlage die Verdoppelung auf 1 350 €. Die Verbesserung bei Niedrigpensionen ist an dieser Stelle ebenfalls anzuführen, und besonders erfreulich ist, dass Frauen mit 40 Beitrags­jahren nach wie vor mit Vollendung des 55. Lebensjahres in Pension gehen können. (Abg. Reheis: Weltfremd!)

Die Familienpolitik dieser Regierung kann sich sehen lassen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger; 3 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.15

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Eine große Herausforderung für die Politik liegt darin, Möglichkeiten aufzuzeigen und zu versuchen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Die Regierungen Schüssel I und II haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von familienpolitischen Meilensteinen gesetzt, die ich nur schlagwortartig in Erinnerung rufen darf, vor allem in Richtung Sozialdemokraten.

Kinderbetreuungsgeld für alle seit 1. Jänner 2002 in der Höhe von 436 €, Familienhos­pizkarenz ab 1. Juli 2002, Erhöhung der Familienbeihilfe ab 1. Jänner 2003, Auswei­tung des Kinderbetreuungsgeldes bei Mehrlingsgeburten, pensionsbegründende An­rechnung von Kinderbetreuungszeiten, familienfreundliche Steuerreform mit Kinderzu­schlag für AlleinverdienerInnen und AlleinerzieherInnen in der Höhe von 130, 175 be­ziehungsweise 220 €, Rechtsanspruch auf Elternteilzeit seit 1. Juli 2004, Erweiterung der schulischen Kinderbetreuungsangebote um 10 000 Plätze bis 2006 – natürlich auf freiwilliger Basis, weil wir nicht für Zwang sind.


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 183

Auch die Abfertigung neu ist letztendlich eine familienpolitische Maßnahme. Sie wird ermöglichen, dass zwei Millionen Menschen mehr eine Abfertigung bekommen wer­den.

Manche familienpolitischen Maßnahmen wurden von der SPÖ sogar bekämpft, so etwa das Kinderbetreuungsgeld. Frauenministerin Barbara Prammer damals, 1999: Wieder und wieder muss ich sagen, Karenzgeld für alle ist keine sinnvolle Idee, das geht an den Bedürfnissen vorbei. – Ich sage: Karenzgeld für alle ist eine tolle Idee, es berück­sichtigt auch Hausfrauen, Studentinnen, Selbständige und Bäuerinnen.

Frauenministerin Prammer weiters: Wer nie gearbeitet hat, immer nur Hausfrau war, soll auch kein Karenzgeld bekommen. – Ich sage, auch Hausfrauen arbeiten und be­kommen zu Recht das Kinderbetreuungsgeld.

Einige Jahre nach Einführung dieser familienpolitischen Maßnahme haben auch Ver­treter der SPÖ die Zeichen der Zeit erkannt. Sogar Gusenbauer hat einmal gemeint, das Kinderbetreuungsgeld helfe einzelnen Gruppen.

Fakt ist: Seit Jänner 2002 gibt es das Kindergeld in der Höhe von 416 €, und es wird bis zu drei Jahre ausbezahlt. Der Kreis der Anspruchsberechtigten für das Kindergeld wurde ausgedehnt, und mit 165 000 Personen war im Juni 2004 wieder ein Rekord an Bezieherinnen und Beziehern von Kinder- und Karenzgeld zu verzeichnen.

Geschätzte Damen und Herren! All diese Maßnahmen sind zweifellos Bausteine für eine moderne, zukunftsorientierte Familienpolitik. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Riepl; 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


20.18

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Ich möchte meine drei Minuten Redezeit mit zwei Beispielen dafür, wie Familienpolitik heute funktioniert, ausfüllen.

Erstes Beispiel, ich erinnere an einen Satz, den Herr Bundesminister Haupt in der Enquete gesagt hat – ich zitiere –: „Heute wollen wir darüber diskutieren, inwiefern wir alle zu einer befriedigenden solidarischen Lebensführung der einzelnen Menschen ... beitragen können.“

Ein Satz, der sicher richtig ist. Ich habe damals in der Enquete darauf hingewiesen, dass im Flüchtlingslager Traiskirchen Familien keinen Einlass finden, und wenn sich der eine oder andere doch hineinschwindeln kann, um vielleicht Essen oder ein Bett zu bekommen, dann droht diesem eine Organstrafe von 21 €.

Ich habe das bekrittelt, und der Herr Bundesminister hat daraufhin gesagt, er werde diesen meinen Beitrag dem zuständigen Innenminister übermitteln. – Ich warte bis heute auf eine Antwort! Der Innenminister ist aber anscheinend doch aktiv geworden, hat reagiert. Er hat nicht in der Art reagiert, dass sichergestellt wird, dass alle Bundes­länder Flüchtlinge nehmen, aber er hat reagiert, indem er eine Verordnung erlassen hat, nämlich die „Verordnung, mit der das unbefugte Betreten und der unbefugte Auf­enthalt in den Betreuungseinrichtungen des Bundes verboten wird“, die so genannte Betreuungseinrichtungen-BetretungsV.

In dieser Verordnung heißt es in § 2: „Wer sich unbefugt in einer ... Betreuungseinrich­tung aufhält oder diese unbefugt betritt, begeht eine Verwaltungsübertretung.“ – Soweit eine Reaktion, die nach der Enquete erfolgte. Die Beamten und Mitarbeiter im Flücht­lingslager Traiskirchen schütteln den Kopf darüber, weil sie nicht verstehen, welchen


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 184

Sinn es haben soll, mit Organstrafmandaten oder mit Anzeigen gegen Familien vorzu­gehen.

Aber noch etwas ist geschehen: 21 € betrug die Organstrafe damals, also im April, heute macht sie bereits 36 € aus, und das ist eine Erhöhung um 71 Prozent. Wer nicht zahlen kann, bekommt eine Anzeige. – Ich sage dazu nur: arme Verwaltungsbehörden, die völlig sinnloserweise Anzeigen vornehmen und Familien verfolgen müssen.

Frau Staatssekretärin Haubner hat in der Enquete darauf hingewiesen, dass Alleinver­diener mit Kindern bei der Steuerreform mit 250 Millionen € berücksichtigt werden. – Das waren Ihre Aussagen, die auch stimmen, allerdings frage ich Sie, Frau Staatssek­retärin: Wo ist da die Gerechtigkeit?

Wenn beispielsweise ein Alleinverdiener mit 5 000 € Einkommen nun zum Alleinverdie­nerabsetzbetrag einen Kinderzuschlag bekommt, dann geht es diesem und seiner Fa­milie natürlich besser, keine Frage. Aber eine Familie, in der der Mann beispielsweise als Arbeiter 1 500 € verdient und die Frau als Handelsangestellte vielleicht 1 000 €, eine Familie also, die über ein Familieneinkommen von 2 500 € verfügt, also nur über die Hälfte jenes Einkommens, das im ersten Fall lukriert wird, bekommt keinen Kinder­zuschlag. Es gibt insgesamt 800 000 Kinder von solchen Familien in unserem Land.

Was will ich damit sagen? – Diejenigen, die es nicht brauchen, bekommen noch etwas dazu (Zwischenruf des Abg. Ellmauer), während jene, die es brauchen würden, bei Ihrer Politik eben durch den Lattenrost fallen, also nicht berücksichtigt werden. (Abg. Ellmauer: Völliger Unsinn!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie behandeln Familien mit Kindern ungleich. Das kritisieren wir Sozialdemokraten und bitten Sie, darüber nachzudenken, ob es wirklich sozial und gerecht ist, wenn jene, die das Doppelte ver­dienen, Zuschläge bekommen, während andere Familien leer ausgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Riener. 3 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.22

Abgeordnete Barbara Riener (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staatssekretärin! Damen und Herren im Hohen Haus! Wenn wir heute den Bericht über die Familien-Enquete debattieren, dann kann man sagen: Es ist viel geschehen, wie zum Beispiel Kinderbetreuungsgeld für alle, Familienhospizkarenz, das Recht auf Teil­zeit oder steuerliche Begünstigungen für Familien, aber es ist noch einiges zu tun. (Abg. Dr. Puswald: Ja!)

Besorgnis erregend sind für mich die Ausführungen des Soziologen Universitätsprofes­sor Dr. Manfred Prisching. Er spricht von einer großen Sehnsucht nach Familie, nach verlässlicher Partnerschaft, Kindern, Treue und Liebe, die aber nicht erfüllt wird. Er spricht von Erziehungsverweigerung, von getrennten Lebenswelten von Kindern und Eltern und davon, dass tagsüber sowieso keiner mehr zu Hause ist, und von Kindern als Dienstleistungskonsumenten.

Hier stellt sich die Frage: Wo und wann wird Kommunikation gelernt? Wo und wann wird kommuniziert? Was können wir tun, um Familien dahin gehend zu unterstützen? Miteinander reden beugt bekanntlich auch Gewalt vor. Es geht hier nicht um finanzielle Unterstützung allein, sondern auch um ideelle. Eltern sein darf nicht mit Erschöpfung und Stress verbunden sein, sondern mit dem Gefühl von Geborgenheit, von Sicherheit, von Wohlbefinden und Energie-Tanken. Ich fordere Sie von der Opposition auf, auch darüber nachzudenken und Vorschläge einzubringen.


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Doch lassen Sie mich nun etwas zu den beiden Entschließungsanträgen von den grü­nen Kollegen sagen. In dem Antrag „Armut von Familien“ fordern Sie eine Studie mit den entsprechenden Daten. Ich frage mich: Warum nutzen wir nicht die bestehenden Ressourcen? – Wir haben im Bund und in den Bundesländern Statistikabteilungen, wir haben auch Sozialabteilungen, die Daten erheben. Vernetzen wir diese vernünftig, aber nicht wie im Steirischen Sozialbericht 2001/2002! Dort findet man lediglich zirka 30 Seiten Statistik und Daten vom Arbeitsmarktservice oder eine Aufzählung von Sozi­aleinrichtungen oder Sozialarbeiterstatistiken. Diese Zahlen und Daten werden aber nicht in Zusammenhang gebracht, es sind keine Trends ablesbar, und dadurch ist dieser Sozialbericht nicht als Steuerungsinstrument geeignet und sinnlos. Also bündeln wir unsere bereits bestehenden Ressourcen!

Nun zum zweiten Antrag, in dem Sie Maßnahmen zu einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie einfordern, und zwar auch im öffentlichen Dienst. – Sehr geehrte Damen und Herren von der grünen Fraktion! Sie sind eigentlich immer sehr genau, daher darf ich Ihnen ein bisschen Nachhilfe geben: Im steirischen Landesdienst unter Landeshauptmann Waltraud Klasnic, die für den inneren Dienst zuständig ist, und unter unserem Personal-Landesrat Schützenhöfer, bekanntlich der ÖVP angehörig, haben wir Ihre Forderungen umgesetzt: Gleiche Bedingungen und Möglichkeiten für Männer und Frauen bei der Inanspruchnahme von Karenz – wir haben die Männer sogar im Frauenförderungsprogramm für Wiedereinsteiger berücksichtigt –, bei Teil­zeitarbeit, aber künftig auch bei Telearbeit.

Sie fordern – wir von der ÖVP handeln! Oder auf Steirisch: Sie fordern, und wir haben umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP.)

20.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Becher. 3 Mi­nuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.25

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Situation der AlleinverdienerInnen für die Regierung kein Thema ist, zeigt sich daran, dass sie einerseits im Regierungspro­gramm überhaupt nicht mehr vorkommt. Andererseits wurden auch in den Ausfüh­rungen von Regierungsmitgliedern bei dieser Enquete die Situation der Alleinverdiene­rInnen, die Lebensverhältnisse der AlleinverdienerInnen so gut wie nicht erwähnt, wahrscheinlich auch deshalb, weil das für die Regierungsparteien keine familiäre Lebensform ist beziehungsweise weil sie das nicht als familiäre Lebensform anerken­nen wollen.

Realität ist jedenfalls, dass 17 Prozent der Familien AlleinerzieherInnen sind, 85 oder 89 Prozent davon sind Frauen, und diese sind ganz besonders betroffen. Sie verdie­nen im Durchschnitt um mehr als ein Drittel weniger und haben es besonders schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren. Auf Grund ihrer Betreuungsaufgaben haben sie das Problem, dass sie besonders oft arbeitslos sind. Es ist ganz klar, dass diese Gruppe sehr stark von Armut betroffen beziehungsweise armutsgefährdet ist.

Die Regierung macht keine Politik für Alleinerziehende. Auch wenn Sie das Kindergeld als eine wichtige Maßnahme immer wieder nennen, muss ich sagen, wir wissen – und das bestätigen auch internationale Studien –, dass es die langen Ausstiegszeiten be­sonders schwer machen, wieder in den Beruf einzusteigen und wieder ein Gehalt, das dem früheren entspricht, zu verdienen.

Auch die Steuerreform, die Sie immer wieder als eine Maßnahme erwähnen, bringt ge­rade den unteren Einkommensgruppen, denen diese Familien angehören, nichts. Ge-


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zielte Maßnahmen fehlen. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sie für diese Menschen etwas tun.

Mir sind in diesem Zusammenhang drei Punkte besonders wichtig. Ich denke, flächen­deckende Kinderbetreuungseinrichtungen sind unbedingt notwendig, um Job und Fa­milie unter einen Hut zu bringen. Eine Änderung beim Kindergeld ist notwendig – einer­seits gehört die Bezugsdauer flexibilisiert, um den Wiedereinstieg zu erleichtern; aber auch die Zuverdienstgrenze sollte überdacht werden, um gerade den Alleinerzieherin­nen und Alleinerziehern, die ja darauf angewiesen sind, erwerbstätig zu sein und den Lebensunterhalt für ihre Familie zu bestreiten, bessere Möglichkeiten zu geben. Eine Änderung beim Unterhaltsrecht ist aus meiner Sicht ebenfalls unbedingt notwendig. Jede sechste Alleinerzieherin in Wien erhält keinen Kindesunterhalt beziehungsweise keinen Unterhaltsvorschuss, und das ist eine Existenzfrage für diese Menschen.

Diese drei Maßnahmen gehören erfüllt, um mit dieser Gruppe von Menschen auch Solidarität zu zeigen, um ihre Lebenssituation zu verbessern, Solidarität zu zeigen in dem Sinne, wie das schon im Titel dieser Enquete „Familie – Generationen – Solidari­tät“ vorgegeben worden ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Schiefermair. 3 Mi­nuten. – Bitte.

 


20.28

Abgeordnete Notburga Schiefermair (ÖVP): Geschätzter Präsident! Werte Frau Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele jener Maßnahmen, welche die Regierung nun setzt, erscheinen uns heute zum Teil als großes Problem. Diese Pro­bleme werden uns aber in 20 bis 30 Jahren als klein erscheinen im Vergleich zu den Auswirkungen, die wir durch unsere demographische Entwicklung dann zu spüren bekommen werden. Im Jahr 2050 wird jeder dritte Österreicher über 60 Jahre alt sein. Wie werden wir dann Pensions-, Pflege- und Gesundheitsprobleme lösen können?

In diesem Bericht zeigt Professor Prisching verschiedene Trends auf. Mag. Guger stellt im Bericht die These auf, dass der Wandel des Frauenbildes die Ursache für den Ge­burtenrückgang ist. Höhere Ausbildung und Streben nach einer Erwerbskarriere müs­sen nicht unbedingt in Kinderlosigkeit enden. Die viel zitierte Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das haben wir heute schon oft gehört – müssen wir einfach vorantreiben. Da sind wir Politiker in der Pflicht.

Vergessen wir aber auch nicht die ständig anwachsende Gruppe der Älteren. Das Bild des 60-jährigen Greises gehört der Vergangenheit an. Die Älteren sind meist finanziell abgesichert und leisten oftmals materielle Beiträge für die Jüngeren, sind aber viel­leicht nicht mehr prinzipiell bereit, als familiäre Alltagshilfe für Kinder und Enkelkinder zur Verfügung zu stehen, und werden künftig auch selbst weniger von der nachkom­menden Generation versorgt.

Wiederum ist Solidarität gefragt. Ältere Menschen haben das Recht auf Zuwendung und Betreuung. Wesentlich höhere Anforderungen an das Gesundheitssystem müssen eingeplant werden.

Familie ist das Modell des Zusammenlebens, das für Werte wie sozialem und wirt­schaftlichem Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Förderung und Sorge für sich selbst und füreinander steht.

Abschließend möchte ich Folgendes sagen: Die Sehnsucht nach Familie existiert. Die Jugendwertestudie zeigt, der Großteil der jungen Menschen wünscht sich einen ver­lässlichen Partner, Kinder, Treue, Liebe. Sie streben eigentlich ein sehr konservatives


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Familienmodell an. – Wie schaffen wir es, dieses zum Trend zu machen? – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schönpass. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.31

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wenn wir heute den Bericht über die En­quete mit dem Titel „Familie – Generationen – Solidarität“ diskutieren und die sal­bungsvollen Einleitungsworte der Regierungsverantwortlichen nachlesen, so stoßen wir immer wieder auf dieselben Schlagwörter. Da ist die Rede von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Wahlfreiheit bei der Lebensgestaltung (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen Sie doch auch alles, oder? Das ist doch kein Schlagwort!), von Rahmen­bedingungen für Familien, die die Politik machen muss.

Die Damen und Herren von den Regierungsparteien sind aber offenbar der Meinung, dass das Kinderbetreuungsgeld schon Rahmenbedingung genug ist. (Abg. Scheibner: Da waren Sie dagegen!) Doch das Kinderbetreuungsgeld in seiner derzeitigen Form ist keine geeignete Antwort auf die familienpolitischen Fragen, die wir uns stellen müssen. Es verstärkt nicht nur die Frauenarbeitslosigkeit, es ist überhaupt kein geeignetes Mit­tel, um die Frage der Kinderbetreuung zu lösen. Uns fehlen in Österreich noch immer rund 48 000 Kinderbetreuungsplätze. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie waren doch lange genug in der Regierung!) Das ist ein Kernproblem, an dem wir dringend anset­zen müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wisst ihr jetzt erst alles? Seit ihr in der Oppo­sition seid, wisst ihr das alles!)

Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt: Viele Bürgermeister und Bürgermeiste­rinnen würden das Kinderbetreuungsangebot sofort ausbauen, das Problem ist nur, dass den Gemeinden das Geld dafür fehlt. Als Bürgermeisterin unterstütze ich sehr gerne junge Familien in meiner Gemeinde, aber ohne entsprechende Finanzmittel wird das in Zukunft leider nicht möglich sein.

Vereinzelt kommen aus den Regierungsreihen Ankündigungen für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, aber ich frage Sie: Wo sind die konkreten Pläne? Wo setzen Sie mit welchen Mitteln an? Wo sollen diese neuen Betreuungsplätze geschaf­fen werden? Wieso gibt es keine Informationen darüber?

Ich möchte daran erinnern, dass wir unser Augenmerk nicht nur auf die offensichtlichen familienpolitischen Maßnahmen legen dürfen (Zwischenruf der Abg. Steibl), denn Rah­menbedingungen für Familien werden auch im Finanzausgleich, im Finanzministerium geschaffen. Wenn wir ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat das alles geschrieben?)

Ich möchte auf den Finanzausgleich zu sprechen kommen, denn dort bestehen Mög­lichkeiten, Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen (Zwischenruf der Abg. Steibl), dort wird beschlossen, wie viel Geld aus dem Steuertopf die Gemeinden als Ausgleich für ihre vielfältigen und kostenintensiven Leistungen bekommen. Diese Ausgaben stei­gen ständig, gleichzeitig möchte der Bund aber den Gemeinden immer weniger Geld geben.

Ich appelliere an die Damen und Herren von der Regierung: Sorgen Sie dafür, dass die Gemeinden genügend Mittel zur Verfügung haben, um die dringend benötigten Kinder­betreuungsplätze schaffen zu können. Verhandeln Sie einen fairen Finanzausgleich aus, geben Sie den Gemeinden, was ihnen gebührt, und geben Sie den Familien das


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Recht auf einen Kinderbetreuungsplatz (Zwischenruf der Abg. Steibl), damit die Ver­einbarkeit von Beruf und Familie möglich werden kann! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Höllerer. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.35

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit dem Statement von Herrn Abgeordneten Öllinger beginnen, der gesagt hat: Geld allein reicht nicht aus, um Fami­liengründung zu fördern! Er sagt, dass die Familiengründungsrisken, die die jungen Menschen empfinden, dem Wunsch nach Kindern und Familiengründung gegenüber­stehen und dass vor allem Verwirrung und Verunsicherung auch auf Grund der Maß­nahmen im Sozialversicherungssystem, die jetzt gesetzt wurden, dazukommen.

Ich muss dazu sagen, dass diese Verunsicherung und Verwirrung gerade von den Oppositionsparteien gefördert werden, denn es werden ja Behauptungen aufgestellt, die bei weitem nicht stimmen. Sie behaupten, dass Frauen in die Altersarmut getrieben werden. Tatsache ist, dass die Pensionsharmonisierung für künftige Pensionistinnen eine maßgebliche Verbesserung darstellt.

Zweifellos, die Schere zwischen den Pensionen der Männer und jener der Frauen klafft auseinander. Die SPÖ macht die Regierungen unter Bundeskanzler Schüssel dafür verantwortlich. Tatsache ist, dass das die Folge der 55-jährigen sozialdemokratischen Sozialpolitik ist (Abg. Dr. Puswald: Wer war 15 Jahre in der großen Koalition?) – denn so lange waren Sie im Sozialministerium. Die SPÖ hat über diesen langen Zeitraum die Kompetenzen gehabt. (Zwischenruf des Abg. Broukal.)

Ihnen ist es nicht gelungen, Maßnahmen zu setzen, um die Kinderbetreuung zu ver­bessern, zumindest nicht in ausreichendem Maße, sonst würden Sie heute nicht hier ans Rednerpult treten und kritisieren, dass die Kinderbetreuung nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. (Abg. Dr. Puswald: Sie rechnen!) Ihnen ist es nicht gelungen, Maßnahmen zu setzen, die die Vereinbarkeit von familiärer und beruflicher Lebenswelt erfordern würde. Dieser Regierung jedoch ist es ein Anliegen, die Familie mit dem Beruf wirklich vereinbar zu machen, und dazu wurde eine Vielzahl politischer Maßnah­men gesetzt.

Sie verlangen in Ihrem Entschließungsantrag einen „Vatermonat“, ohne auch nur im geringsten auf die Finanzierungsmöglichkeiten einzugehen (Abg. Dr. Puswald: Weil Sie die Kassen aushöhlen!), wissen aber ganz genau, dass es eine Tatsache ist, dass seit 2002 beide Elternteile Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben und abwech­selnd die Kinderbetreuung durchführen können. Tatsache ist auch, dass in vielen Be­triebsvereinbarungen bereits Väterkarenz vereinbart ist. (Abg. Silhavy: Wo ist es ver­einbart? Das möchte ich gerne wissen!)

Sie bemängeln, dass es zu wenig Kinderbetreuungsplätze gibt, wissen aber ganz genau, dass im Rahmen der Initiative „Schule nach Maß“ auch neue Betreuungsplätze geschaffen werden sollen, dass vor allem im Bereich der Nachmittagsangebote an Schulen die Betreuungsplätze von 45 000 auf 55 000 aufgestockt werden. Sie verlan­gen Väterberatungsstellen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass es bereits Männerbe­ratungsstellen gibt. Sie wissen auch, dass Partnerschaftsseminare und „Elternschule“ Programme sind, die in den Ländern bereits verwirklicht werden. Sie verlangen eine Auszeichnung für väterfreundliche Betriebe, Tatsache ist, dass Familienpolitik Väter, Mütter und Kinder umfasst und dass Programme wie Audit FAMILIE & BERUF und der


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Bundeswettbewerb „Frauen- und familienfreundlichster Betrieb“ bereits vorhanden sind und selbstverständlich auch auf Männer und Väter ausgedehnt werden können.

Es ist richtig: Geld allein reicht nicht aus! Da haben Sie sicher Recht. Es ist auch die Werthaltung der Gesellschaft gegenüber Familien und Kindern, die dazu beiträgt, dass sich junge Menschen auch künftig für Kinder entscheiden können, und zwar dann, wenn sie auch von der Gesellschaft entsprechend unterstützt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzte Rednerin dazu ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.39

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Nur in aller Kürze zu dem Sarkasmus, dem Zynismus und auch den historischen Un­richtigkeiten, die hier den ganzen Tag über vom Stapel gelassen wurden: Punkt eins: Die Frauen in Österreich müssen alle Zeuginnen gewesen sein, als die Unternehmer, die Konzernbosse, der damalige Wirtschaftsminister Schüssel, Bartenstein auf den Knien darum gerungen haben, den Frauen und den Männern, den arbeitstätigen Men­schen in Österreich mehr Lohn bezahlen zu dürfen (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch) – und die Gewerkschaft hat abgelehnt. – Das ist Ihre Darstellung der Dinge, und das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Manche von Ihnen haben hier tatsächlich den Eindruck erweckt, als würden sie glauben, was sie sagen (Abg. Scheibner: Den Eindruck haben wir bei Ihnen nicht, Frau Kollegin!), indem sie es so darstellen, als hätte die Familienpolitik und am Ende auch noch die Frauenpolitik erst im Jahr 2000 begonnen.

Wahrheit ist – ich beziehe mich jetzt auf eine historische Tatsache –, dass eine im Europavergleich revolutionäre Familienpolitik unter der SPÖ-Alleinregierung begon­nen hat und dann kontinuierlich fortgesetzt wurde, allerdings mit massiven Bremsern und Blockierern in einer gemeinsamen Regierung mit der ÖVP. Das ist die historische Wahrheit – und nicht das, was Sie hier heute darzustellen versucht haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Nur ein kleines Beispiel, wie die Wirklichkeit ausschaut: Welche Familienform auch im­mer die Menschen in Familien wählen, die Mehrheit der Frauen, Männer und auch Kin­der fühlt sich wohl mit dem Familienbegriff der Sozialdemokratie, denn dieser ist offen, ist tolerant, diskriminiert niemanden, sondern schließt alle ein! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Rosenkranz hat heute hier gemeint, unter der SPÖ sei Familienpolitik nie so richtig wirkliche Politik wie bei Wirtschaft und Budget gewesen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben „Blockierer“ gesagt! Das finde ich gar nicht ...!) – Dazu: Familienpolitik ist Wirtschaftspolitik, ist Budgetpolitik und ist Finanzpolitik. Das ist das Selbstverständnis der SPÖ im Zusammenhang mit Familienpolitik! (Zwischenruf des Abg. Dr. Fassl­abend. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Ihnen von ÖVP und FPÖ sei ins Stammbuch geschrieben: Sie reden von Familien­politik, aber wie schaut Ihre Familienpolitik mit Bartenstein und Co aus, wenn es um die Arbeitszeitregelung geht? (Abg. Steibl: Das ist aber ein bisschen tief!) Ihr Modell, Kol­legin Steibl, ist eine Gesellschaft, die rund um die Uhr arbeitet! Da wird auf alle mög­lichen Interessen Rücksicht genommen – nicht jedoch auf die Interessen berufstätiger Frauen und Männer, Väter und Mütter und schon gar nicht auf die Interessen unserer Kinder! (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Familie heißt Beziehung – und Beziehung braucht Qualität, braucht Zeit. Diese Zeit aber stehlen Sie unseren Kindern und den Familien; auch mit Ihrem Pensionsmodell! (Beifall bei der SPÖ.)

In Wirklichkeit werden Frauen und Männer, wenn Sie ohne Abschläge in Pension gehen wollen, wenn sie eine ordentliche Ausbildung hinter sich gebracht haben, bis 65 und 70 arbeiten müssen. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Damit stehlen Sie noch den Enkelkindern die Großeltern, denn die Großmutter und der Großvater werden am Arbeitsplatz sein und keine Zeit für die Enkelkinder haben! Das ist Ihre Familienpolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

20.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht 622 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Der Antrag ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Vermei­dung von Armut in Familien.

Wer dazu seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die­ser Antrag findet nicht die notwendige Mehrheit, er ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur besse­ren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Antrag findet nicht die mehrheitliche Unterstützung im Hause und ist daher abgelehnt.

4. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem die österreichische Gebärdensprache im Bundes-Verfassungsgesetz verankert wird (431/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf Grund einer Vereinbarung in der Präsidialkonferenz wird diese Debatte von Gebär­dendolmetschern übersetzt.

Ich begrüße den Herrn Gebärdendolmetscher sowie seine Kolleginnen herzlich hier im Hause. (Allgemeiner Beifall.)

Die Debatte eröffnet die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ihre Wunsch­redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.44

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank, dass Gebärdensprachdolmetscher wieder diese Debatte begleiten. – Herr Präsident, es sind das keine „Gebärdendolmetscher“, son-


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dern Gebärdensprachdolmetscher, denn Gebärden kann man nicht dolmetschen, sondern nur Gebärdensprache.

Ich möchte das sagen, damit endlich einmal klar ist, worum es geht: um Gebärden­sprachdolmetscher – und nicht um „Gebärdendolmetscher“. Aber das nur so neben­bei, zur Erweiterung Ihres Wissens zum Thema Gebärdensprache.

Mein Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht mehr jung; ich habe ihn zum ersten Mal im November 1999 gestellt; dazwischen immer wieder – und jetzt kommt es endlich einmal zu einer ersten Lesung. Worum geht es? – Es geht darum – das habe wir ja bereits heute schon einmal besprochen –, dass Gebärdensprache noch immer nicht als Sprache anerkannt ist, obwohl allen klar sein muss, dass Gebär­densprache eine Sprache ist. Sprachen sind in Österreich anerkannt, nur die Gebär­densprache eben nicht.

Es wurde uns zuerst versprochen, dass die Gebärdensprache als Teil des Behinder­tengleichstellungsgesetzes als Recht zustande kommen soll. Jetzt ist aber dieser Punkt aus dem Behindertengleichstellungsgesetz wieder gestrichen worden – und uns wurde versprochen, dass die Verankerung der Gebärdensprache als Sprache im Bun­des-Verfassungsgesetz verankert wird, und darauf zielt auch mein Antrag ab.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wiederhole mich jetzt vielleicht, aber das ist wich­tig, damit Sie endlich einmal verstehen, worum es geht. Es geht darum, dass gehörlose Menschen nicht gezwungen werden dürfen, die Lautsprache zu erlernen, nur damit wir Hörende sie verstehen können. Gebärdensprache muss als Sprache anerkannt wer­den! Es ist unsere Pflicht als Hörende, uns die Gebärdensprache anzueignen, damit wir auch mit Gehörlosen kommunizieren können. Es ist nicht die Pflicht der Gehör­losen, dass sie die Lautsprache lernen, denn das ist für sie eine andere Sprache, eine Fremdsprache. Ihre Sprache ist die Gebärdensprache!

Es gibt immer wieder auch den Wunsch von vielen, dass man sich Implantate in den Kopf einsetzen lassen soll, damit man vielleicht ein bisschen etwas hört. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist jedermanns und jederfraus eigene Sache, ob sie diese Operation machen kann und machen will – unabhängig davon, dass damit noch lange nicht sichergestellt ist, dass das auch tatsächlich etwas bringt. Viele Menschen fühlen sich einfach in ihrer Sprache, eben in der Gebärdensprache, sehr wohl, und deswegen darf man ihnen ihre Sprache auch nicht nehmen, sondern muss diese Sprache auch gesetzlich anerkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, es würde niemandem schaden, wenn bereits in der Volksschule alle Kinder die Möglichkeit erhalten würden, Gebärdensprache als Sprache zu erlernen. Frau Ab­geordnete Rossmann hat heute etwas gesagt, was ich positiv finde: dass es nicht mehr sein darf, dass in Klassen, in denen gehörlose Kinder sind, LehrerInnen unterrichten, die selbst nicht die Gebärdensprache beherrschen. Das geht einfach nicht – und außerdem leidet dadurch auch die Qualität des Unterrichtes! Die Kinder werden so geradezu zu einer schlechteren Ausbildung gezwungen; auch ihr Wortschatz wird ent­sprechend eingeschränkt, weil nämlich die Gebärdensprache aus einem völlig anderen Wortschatz als die Lautsprache besteht.

Das müssen Sie endlich einmal kapieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie es zu, dass in Österreich Gebärdensprache als Sprache anerkannt wird – und nicht irgendwie so als Nebending behandelt wird, indem man sagt: So viele sind es ja nicht, die diese Sprache sprechen! – Es geht nicht darum, wie viele es sind, sondern es geht um das Recht auf die eigene Sprache! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)


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Ich bin neugierig, wann endlich die Gebärdensprache in die Bundesverfassung aufge­nommen wird, wie das ja schon seit Monaten versprochen wird. Ich sehe noch keinen diesbezüglichen Antrag; ich weiß darüber noch gar nichts. Weil die Regierungsparteien immer wieder behaupten, ja das käme jetzt ohnehin, und zwar ganz schnell, frage ich: Wo ist denn bitte dieser Antrag, den wir dann endlich gemeinsam abstimmen können, ein Antrag, in dem auch ein diesbezüglicher Zeithorizont festgelegt wird?!

Es bringt doch nichts, wenn wir jetzt einen Entschließungsantrag verabschieden, so­dass ein Vorschlag dann irgendwann einmal und vielleicht von den Regierungsparteien kommt, wenn darin kein Zeithorizont enthalten ist! Dann warten gehörlose Menschen doch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, bis ihre Sprache anerkannt wird!

Ich erwarte mir, sehr geehrte Damen und Herren, dass zumindest ab 1. Jänner 2005 sichergestellt ist, dass Gebärdensprache als Sprache anerkannt wird. Das ist nicht zu viel verlangt. Sie wissen es seit Jahrzehnten. Handeln Sie endlich! (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sehen ja, wenn jetzt die GebärdensprachdolmetscherInnen hier vor uns in der Sprache der Gehörlosen sprechen, Sie sind großteils, zumindest jene, die aufpassen, fasziniert von dieser Sprache. Also warum lassen Sie es sich entgehen, dass diese Sprache als Sprache in Österreich anerkannt wird? Das müsste doch auch in Ihrem Interesse sein! Es ist eine lebhafte Sprache, und es ist eine interessante Sprache. Ich glaube, für Österreich wäre das eine Bewusstseinserweiterung, wenn wir diese Spra­che endlich auch in unserem Land als Sprache ganz klar neben anderen Sprachen anerkannt hätten, und es eine Selbstverständlichkeit ist, dass auf Ämtern, in Behörden, bei Ärzten, in Schulen und auch im alltäglichen Leben die Gebärdensprache als gleich­wertige Sprache anerkannt wird. Es wäre auch für junge Leute, denke ich mir, wenn es in der Schule angeboten wird, eine Herausforderung, diese Sprache zu lernen. Es wäre für uns alle eine Wissenserweiterung, wenn wir wüssten, dass wir in der Lage sind, auch mit gehörlosen Menschen zu kommunizieren.

Ich möchte Ihnen noch zum Abschluss eine kurze Episode erzählen, die ich erlebt habe. Vor ein paar Jahren war in der Hofburg ein weltweiter Kongress von gehörlosen Menschen. Dort war auch eine große Ausstellung von Bildern. Ich bin hingefahren, habe ein Bild gesehen und wollte wissen, von wem es ist und was es zirka kostet. Ich habe zum ersten Mal verstanden, was es heißt, gehörlos zu sein. Ich war dort die ein­zige Hörende, und ich konnte niemanden fragen, weil ich die Gebärdensprache nicht beherrschte. Ich war dort nur zwei Stunden, aber Sie können sich nicht vorstellen, was das für mich für ein Stress war: nämlich zwei Stunden irgendwo zu sein, etwas fragen zu wollen oder zu müssen und nicht fragen zu können, weil man die Sprache, die man selber spricht, nicht versteht.

Für mich war diese Situation begrenzt auf zwei Stunden, aber gehörlose Menschen sind ihr Leben lang in dieser Situation, die ich für zwei Stunden bereits als Stress­situation empfunden habe.

Hören wir doch auf, Behinderungen zu schaffen, indem wir Sprachen verbieten, son­dern schaffen wir Behinderung ab, indem wir die Gebärdensprache als Sprache zulas­sen, denn das ist ein Fortschritt für gehörlose Menschen, und der muss endlich auch in Österreich passieren! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Bra­der. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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20.54

Abgeordneter Mag. Dr. Alfred Brader (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! In Österreich leben in etwa 10 000 Menschen mit angeborener oder erworbener Taubheit, und viele von ihnen können Lautsprache nicht verstehen und sich in der Lautsprache nicht verständigen. Frau Kollegin Haidlmayr hat es schon gesagt: Diese Menschen haben bei der Bewältigung ihres Alltags große Probleme, die sehr oft auch auf diese mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten zurückgeführt wer­den können. So sind zum Beispiel gehörlos Geborene oder vor dem Spracherwerb ertaubte Kinder auf Grund der fehlenden Höreindrücke in ihrer Lautsprachentwicklung und damit in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung gefährdet.

Um dieses ganze Problem in Kürze zu umreißen, möchte ich Helen Keller zitieren, die einmal gesagt hat:

„Blindheit trennt von Dingen und Taubheit von Menschen.“

Ich glaube, das Zitat dieser Frau, die im Kleinkindalter ertaubt und erblindet war und trotzdem ein Universitätsstudium abgeschlossen hat, trifft meines Erachtens ganz ge­nau den Kern des Problems.

Es gilt ganz einfach, diese Trennung zu überwinden, Mittel und Wege aus dieser Isola­tion zu suchen beziehungsweise Isolation erst gar nicht entstehen zu lassen. Wie durch Gehörlosigkeit bedingte Entwicklungsgefährdungen verhindert werden können, darüber wurde und wird viel diskutiert. Heute Vormittag hat Kollegin Heinisch-Hosek schon eine möglichst frühe apparative Versorgung und eine intensive logopädische Frühförderung angesprochen, damit eine halbwegs normale Sprachentwicklung mög­lich wird. – Das ist ein Weg.

Ein anderer Weg ist die Einbettung gehörloser Kinder in ein Gebärdensprache spre­chendes Umfeld. Die Gebärdensprache ist dank der hervorragenden Arbeit österrei­chischer Linguisten an der Grazer Universität lehr- und lernbar geworden, und damit ist auch die Basis für eine umfassende Verwendung der Gebärdensprache gelegt worden.

Unsere Aufgabe – das hat meine Vorrednerin auch gesagt – ist es nun, das Recht auf die Verwendung der Gebärdensprache zu verankern. Aus diesem Grunde haben wir auch einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht und glauben, damit die Basis für notwendige Reformen im Bereich der Frühförderung, der schulischen und beruflichen Ausbildung und in vielen anderen Lebensbereichen schaffen zu können.

Diese Reformen werden – und das traue ich mich, heute schon zu sagen – viele Dis­kussionen hervorrufen. Ohne diese vorwegzunehmen, möchte ich aber jetzt schon vor einigen Missverständnissen warnen. Ein Irrtum, der weit verbreitet ist, ist der, dass man meint, gebärdensprachliche Förderung und lautsprachliche Förderung schließen einander aus. Diese Ansicht ist falsch und überaltert. Wie wir in unserer Enquete fest­gestellt haben, bestätigen neuropsychologische und linguistische Untersuchungen, dass sich beide Systeme wechselseitig unterstützen. Sprechen und Bewegung gehö­ren zusammen, und diesen Umstand kann man zum Wohle des Kindes hervorragend ausnützen. Das heißt, das Prinzip einer einseitigen Ausrichtung der Förderung ist falsch, sondern es gilt das Prinzip der Bilingualität.

Auf diese Weise kann fast jedes gehörlose Kind auch ein wenig lautsprachliche Kom­petenz erwerben, und die ist für soziale Integration immer notwendig und wichtig. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass Gebärdensprache primär in der Gemeinschaft der Ge­hörlosen verwendet und gepflegt wird, von Dolmetschern Gott sei Dank zur Unter­stützung angeboten wird, aber sonst immer auf die engste Umgebung der betroffenen Personen beschränkt bleibt. Das wird, so fürchte ich, auch so bleiben, und darum möchte ich dem Prinzip der Bilingualität huldigen.


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Ich möchte mich auch ganz herzlich bedanken für die Übersetzung dieses meines Bei­trages in die Gebärdensprache und hoffe, dass wir bald die entsprechenden Reformen einleiten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Ihre Wunschredezeit ist 3 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


20.58

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Situation gehörloser Menschen ist gepflastert von Einsamkeit, von wenig Chancen, von wenig Perspektiven. So gab es im vergangenen Jahr eine Studie über gehörlose Frauen in Österreich, in der festgehalten wurde, dass Benachteiligungen und Diskriminierungen an der Tagesordnung sind. Gehörlosen Männern und Frauen wird der Zugang zur Bil­dung verwehrt, wird der Zugang zur weiterführenden Bildung verwehrt und wird der Zu­gang zur Ausbildung verwehrt.

Es ist so, dass sehr viele gehörlose Menschen nach wie vor in Berufen tätig sind, die mit der Schneiderei zu tun haben oder schneidereiähnliche Berufe sind. Ihnen bleibt eine große Palette an Auswahlmöglichkeiten verschlossen. Daraus ergibt sich, dass gehörlose Menschen wenig Selbstvertrauen haben und einer erhöhten Depressions­gefährdung ausgesetzt sind, weil sie keine Chancen und keine Perspektiven sehen.

Die Diskussion über die Verankerung der Gebärdensprache in der Verfassung geht schon sehr lange Zeit. Es gab eine Einigkeit aller vier Fraktionen, einen Unteraus­schuss einzurichten. In diesem Unterausschuss gab es ein Hearing, und da wurde einstimmig festgestellt, auch von allen Expertinnen und Experten festgehalten, dass es wichtig ist, die Gebärdensprache in der Verfassung zu verankern, um gehörlosen Men­schen in ihrer Muttersprache den Zugang zu Bildung und Ausbildung zu ermöglichen. Doch im Entwurf zum Gleichstellungsgesetz ist die Anerkennung der Gebärdensprache in den Erläuterungen versunken.

Unserer Meinung nach ist es unabdingbar, dass das Gleichstellungsgesetz für behin­derte Menschen Hand in Hand mit der Anerkennung der Gebärdensprache geht. Wich­tig ist, dass Ausbildungsmöglichkeiten für Gebärdensprachdolmetscher und -dolmet­scherinnen geschaffen und diese Dolmetscherinnen und Dolmetscher dann auch eingesetzt werden.

Wenn die Gebärdensprache anerkannt ist, dann bekommen gehörlose Menschen die gleiche Förderung: Frühförderung über die Gebärdensprache bereits im Kindergarten sowie in der Schul- und Berufsausbildung. Ein gehörloser Mann hat mir erzählt, dass sich ihm von dem Moment an, als er in Gebärdensprache unterrichtet worden ist, eine Vielzahl an Wissensmöglichkeiten aufgetan hat.

Wenn gehörlose Kinder in Schulklassen sitzen und dort vielleicht nur 10 Prozent mitbe­kommen, weil es keine Gebärdensprachdolmetscher gibt, dann ist das Ganze mehr als schwierig.

Wenn die Gebärdensprache anerkannt ist, dann stehen sehr viele Ausbildungsmöglich­keiten offen, auch andere Berufe, denn die Berufspalette im 21. Jahrhundert ist eine wesentlich größere als die der Schneiderei. Wenn gehörlose Menschen in unserer Gesellschaft gleichgestellt werden, dann gibt es auch gleiche Zugänge, und die Gebär­densprache wird auch für hörende Menschen als Kommunikationsmittel interessant.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Geben Sie sich einen Ruck und verwirklichen Sie die Verankerung der Gebärdensprache in der Verfassung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

 


21.02


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 195

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Auch ihre Redezeit beträgt 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eigentlich gar nicht begründen, warum es für gehörlose Menschen so wichtig ist, dass die Gebärdensprache anerkannt wird, denn erstens einmal haben meine Vorredner das heute schon getan – und außerdem durchzieht ja das Parlament diese Diskussion schon jahre-, ja jahrzehntelang. Es ist ganz einfach ein Muss, dass die Gebärdensprache als gleichwertige Sprache anerkannt wird. Wir, die Behinderten­sprecher der Fraktionen, sind uns über alle Parteigrenzen hinweg darin einig, dass es diese Anerkennung geben muss! Aus den verschiedensten Gründen ist es allerdings bisher nicht dazu gekommen, wobei da sicherlich auch finanzielle Überlegungen mit eine Rolle gespielt haben, nämlich die Folgen, die mit einer Anerkennung der Gebär­densprache verbunden sind.

Ungeachtet finanzieller Überlegungen bin ich überzeugt davon, dass wir jetzt schon einen sehr großen Schritt nach vorne in Richtung Anerkennung der Gebärdensprache gemacht haben, nämlich dadurch, dass es im Vorjahr zu diesem gemeinsamen Ent­schließungsantrag gekommen ist, der zum Ausdruck bringt, dass im Gleichbehand­lungsgesetz die Gebärdensprache festgelegt werden soll – und jetzt wieder, indem wir gesagt haben, in der Bundesverfassung ist eigentlich der richtige Platz für die An­erkennung der Gebärdensprache. Ich bin überzeugt davon, dass Artikel 8 BVG, der sich ja mit der Sprache befasst, auch mit Minderheitensprachen, die geeignete Stelle ist, um der Gebärdensprache und den Anliegen gehörloser Menschen Rechnung zu tragen.

Vom politischen Stellenwert her ist es sicherlich wertvoller, die Gebärdensprache in der Bundesverfassung zu verankern als im Behindertengleichstellungsgesetz, und deshalb glaube ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich persönlich werde mich dafür ein­setzen, dass möglichst bald – in einer der nächsten oder schon in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses – dieser Entschließungsantrag, den wir heute eingebracht haben, debattiert wird und zur Abstimmung kommt. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

21.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Kollegin! Es ist kein Entschließungsantrag einge­bracht worden – und in der ersten Lesung gibt es auch keine Anträge! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir haben einen Selbständigen Antrag eingebracht heute!) – Ich verstehe. Das nur zur Klarstellung, damit wir wissen, wie wir vorgehen. – Danke. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.06

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Geschätzter Präsident! Hohes Haus! Es ist richtig, dass sich die Anerkennung der Gebärdensprache im vorliegenden Entwurf zum Behindertengleichstellungsgesetz nicht mehr findet – dies aber nicht, weil wir gegen die Anerkennung der Gebärdensprache wären, sondern weil die Gebärden­sprache nicht im Gleichstellungsgesetz, sondern in der Bundesverfassung verankert werden soll.

Dies war auch Konsens beim Hearing, das hier im Parlament auf Wunsch der Betroffe­nen durchgeführt wurde, und ich finde es auch richtig, dass die Gebärdensprache in Artikel 8 der Bundesverfassung verankert werden soll, in einem Artikel, in dem es auch um andere Minderheitensprachen geht, sodass dadurch eine Gleichstellung gegenüber


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 196

der Lautsprache zum Ausdruck kommt. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzler­amtes hat auch noch argumentiert, dass es der legistischen Systematik mehr ent­spricht, das dort zu verankern. Es ist also gut, das so zu machen, und wir haben ja heute auch einen entsprechenden Antrag eingebracht, einen Antrag, in dem wir den Herrn Bundeskanzler ersuchen, einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag zu über­mitteln, sodass wir das dann beschließen können.

Ich glaube, dass die Anerkennung der Gebärdensprache einerseits ein wichtiges Sig­nal an gehörlose Menschen ist, andererseits auch an die Bevölkerung im Allgemeinen, dass Gebärdensprache ein vollwertiges Sprachsystem ist, wie wir das ja auch immer wieder hier im Parlament beim Dolmetschen erkennen können. Ich freue mich darüber und möchte mich bei Herrn Nationalratspräsidenten Dr. Khol dafür bedanken, dass er es immer wieder ermöglicht, dass Tagesordnungspunkte, zu denen auch ich spreche, in Gebärdensprache gedolmetscht werden.

Zum Schluss noch einen kurzen Gebärdensprachkurs für Abgeordnete, eine kleine Lektion. Es ist Herbst, es ist politisch vieles in Bewegung geraten – und deswegen möchte ich heute Begriffe zu Mobilität dolmetschen lassen.

Grasser steht. (Abg. Dr. Glawischnig: Grasser?) – Grasser wird von „Grashalm“ abge­leitet, habe ich mir erklären lassen.

Krenn fliegt, schwebt.

Ferrero geht.

Gebärdensprache kommt.

Und jetzt ist es Zeit, dass sich der Huainigg verrollt. (Allgemeine Heiterkeit sowie allge­meiner Beifall.)

21.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Huainigg, für den Un­terricht!

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Brosz. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

 


21.10

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir nehmen den Antrag, der den Bundeskanzler auffordert, einen Entwurf vor­zulegen, durch welchen die Gebärdensprache anerkannt wird, so, wie er vorliegt, ein­mal zur Kenntnis. Wir stellen fest, dass darin kein Zeithorizont vorgesehen ist, aber wir hoffen, dass, da dieses Thema ja schon jahrelang im Parlament diskutiert wird, wir damit noch in dieser Legislaturperiode fertig werden.

Ganz so berechtigt ist allerdings die Freude nicht wirklich. Ich kann mich an viele Dis­kussionen, die es im Ausschuss, insbesondere im Unterrichtsausschuss, gab, noch erinnern, wo das alles bei weitem nicht so klar war wie bei der Diskussion, die von den Behindertensprechern geführt worden ist. Das nehme ich auch wohlwollend zur Kennt­nis, aber dort gab es schon ganz andere Diskussionen.

Die Frage, um die es auch in der Enquete gegangen ist, nämlich inwiefern es wirklich notwendig ist, Gebärdensprache für alle zugänglich zu machen, oder die Frage, wie stark der Druck sein soll, auf die Erlernung der Lautsprache hinzuwirken, sind nicht immer so eindeutig beantwortet worden, wie es hier der Fall ist. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass es gerade auch in Gehörlosenschulen einen schweren Konflikt und starke Interessen in Bezug darauf gibt, was dort jetzt Standard ist, nämlich mit der gan­zen Struktur des Unterrichts durch Lehrerinnen, die die Gebärdensprache nicht kön­nen, auf die Lautsprache abzuzielen. Es wird nicht so einfach werden, die Widerstände


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 197

zu überwinden. Da gibt es jetzt eine Crew von Lehrerinnen, die die Gebärdensprache nicht können. Wenn die Anerkennung der Gebärdensprache dazu führt, dass alle, die dort unterrichten, auch die Gebärdensprache beherrschen müssen, dann kann man sich vorstellen, dass das einen Kulturbruch darstellen wird, und es wird nicht damit getan sein, einfach ein Verfassungsgesetz zu machen, durch welches die Gebärden­sprache anerkannt wird.

Wenn man dann noch genauer schaut, so stellen sich einem noch viele weitere Fragen, zum Beispiel: In Österreich gibt es einen Gebärdensprachkurs mit 40 Stunden Ausbildungszeit. Wenn man der Gebärdendolmetscherin zuschaut, dann kann man sich vorstellen, dass man mit 40 Stunden Ausbildungszeit das, was hier geboten wird, mit Sicherheit nicht können wird. In skandinavischen Ländern, zum Beispiel in Schwe­den, beträgt die Ausbildung 510 Stunden, also das 13-Fache von dem, was in Öster­reich vorgesehen ist. Aber das wird sicher nicht in der Verfassung stehen. Das heißt, es gibt darüber hinaus eine ganze Latte von Anforderungen beziehungsweise Proble­men, die auch noch gelöst werden müssen.

Des Weiteren gibt es Regelungen, die viele Dinge verunmöglichen, wie zum Beispiel jene, dass es mündliche Prüfungen für Gehörlose gibt, sei es noch so absurd, wie man jetzt hier sehen kann. Man kann sich vorstellen, wie schwierig eine mündliche Prüfung für Gehörlose ist. Wer mit Frau Mag. Jamer schon einmal gesprochen hat, die ja immer den Kontakt sucht, der wird auch wissen, wie die Probleme an den Universitäten aus­schauen, und wird auch erfahren haben, dass es bislang auf den Goodwill angekom­men ist, ob man als gehörloser Mensch in Österreich ein Universitätsstudium machen konnte.

Auch diesbezüglich kann man ein wenig über die Grenzen schauen. Wie ich gehört habe, kann man die Zahl der gehörlosen AkademikerInnen in Österreich an den Fin­gern beider Hände abzählen. (Abg. Haidlmayr: An einer Hand!) An einer Hand, sagt die Kollegin Haidlmayr. In Schweden gibt es mehrere Hundert gehörlose Akademike­rInnen. Da ist es wahrscheinlich nicht damit getan, ein Verfassungsgesetz zu machen, sondern da sind einfach Rahmenbedingungen notwendig, um das Ganze mit Leben zu erfüllen, etwa die Zurverfügungstellung von Dolmetschern an den Universitäten.

Aber von all dem steht in diesem Entschließungsantrag nichts drinnen. Jetzt sage ich einmal: Okay, es ist positiv, dass es ihn gibt, aber was dann wirklich von der Substanz übrig bleibt, das werden wir in den nächsten Monaten noch sehen! (Beifall bei den Grünen.)

Bevor ich zum Ende meiner Ausführungen komme, würde mich wirklich noch interes­sieren, wie das Wort „Pensionssicherungsreform“ in der Gebärdensprache ausschaut. (Die Gebärdendolmetscherin übersetzt dieses Wort in die Gebärdensprache. – Abg. Neugebauer: Schaut gut aus!) Schaut gut aus! (Beifall bei der ÖVP.) Vielleicht für die Opposition das Wort „Scheinharmonisierung“. (Auch dieses Wort wird in die Gebärden­sprache übersetzt.) Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das erste war eindeutig besser!)

21.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 431/A dem Verfassungsausschuss zu.

Herzlichen Dank für die Dolmetscharbeit. (Allgemeiner Beifall.)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 198

5. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug im Strafgesetzbuch ausgeweitet wird (435/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Antragstellerin kommt als Erste zu Wort. 5 Minuten Wunschredezeit. – Bitte.

 


21.16

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, gospod president! Dobar vecer, poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erste Le­sungen haben den Zweck, dass die Fraktionen das Terrain abstecken, wie weit legis­tische Maßnahmen notwendig sind, wenn es den sprichwörtlichen politischen Hand­lungsbedarf gibt. Kaum eine Materie, mit der sich die Politik in Justizangelegenheiten in den letzten Monaten beschäftigt hat, ist brisanter als der österreichische Strafvollzug, denn kaum etwas in der österreichischen Justiz, Justizpolitik, Justizverwaltung befindet sich in einer so großen Krise wie der österreichische Strafvollzug, denn – und ich will Sie nicht mit zu vielen Fakten belästigen, sage das aber nur zur Verdeutlichung – in Österreich sitzen zurzeit rund 8 500 Menschen im Gefängnis. Jetzt sagt diese absolute Zahl von 8 500 Häftlingen noch gar nichts, wenn man die Relationen nicht kennt.

Den historischen Tiefstand an Häftlingszahlen in Österreich hat es Ende der achtziger Jahre gegeben, als 5 900 Menschen in Österreichs Gefängnissen saßen. Das war die Auswirkung beziehungsweise das Resultat einer gezielten Strafrechtsreformpolitik. Eine Strafrechtsreformpolitik in dem Sinne, wie sie damals, in den achtziger Jahren, betrieben wurde, ist seit einigen Jahren, vor allem seit dem Jahr 2000, der österreichi­schen Politik mehr als fremd geworden. Ich bringe wieder die Zahl, damit Sie sich das vorstellen können: Ein Plus beziehungsweise ein Anstieg der Häftlingszahlen um 22,5 Prozent innerhalb von zwei Jahren zeigt das ganz deutlich.

Jetzt wäre ein großes Bündel von Maßnahmen notwendig, um dem Strafvollzug sozu­sagen einen Reformschub zu verpassen. Eine Möglichkeit wird in dem Entschließungs­antrag der Grünen angesprochen, nämlich jene, die bedingte Entlassung auszuweiten.

Weshalb soll man die bedingte Entlassung ausweiten? – Nur 20 Prozent der Straf­gefangenen in Österreich werden bedingt entlassen. Das sagt auch noch nichts, diese 20 Prozent, wenn man nicht die Vergleichszahlen kennt. In der Bundesrepublik Deutschland werden 50 Prozent der Strafhäftlinge bedingt aus der Strafhaft entlassen, und in der Schweiz werden 92 Prozent der Strafhäftlinge bedingt aus der Strafhaft entlassen. Diese zwei Vergleichszahlen sind deshalb von Relevanz, weil durchaus Rechtssystem, Strafvollzug, Kriminalitätsrate und -entwicklung und auch, wenn Sie so wollen, der kulturelle Zusammenhang in diesen beiden Ländern mit Österreich durch­aus vergleichbar sind. Ich würde auch sagen, dass Österreich sicher kein weniger sicheres oder ein unsichereres Land als die Schweiz oder als Deutschland wären. In sehr vielen Bereichen ist Österreich ein viel sichereres Land als diese beiden Länder. Auch bei den Kriminalitätsraten sind in Österreich niedrigere Werte zu verzeichnen als in der Schweiz. Trotzdem liegt die Zahl der bedingten Entlassungen bei uns bei 20 Pro­zent, in Deutschland bei 50 Prozent und – ich wiederhole es – in der Schweiz bei 92 Prozent.

In der Regel wird als wichtigstes Argument, warum es keine bedingte Entlassung gibt, das der Generalprävention ins Treffen geführt. Diese Begründung wird immer wieder strapaziert: Eine vorzeitige Entlassung ist wegen der Generalprävention nicht möglich.


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 199

Um andere Menschen von strafbaren Handlungen abzuhalten – andere nämlich! –, müssen die, die sitzen, bis zum letzten Tag sitzen. Diese Art von Abschreckung wirkt nicht in der Dauer, sondern sie wirkt höchstens in der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Deshalb ist die ganze Argumentation rund um die Generalprävention schlicht und einfach falsch.

Wir schlagen deshalb in unserem Initiativantrag, der ihnen hier heute vorliegt und mit dem sich der Justizausschuss dann auch befassen kann, nachdem er zugewiesen wor­den ist, vier wesentliche Punkte bei der Reform der bedingten Entlassung vor.

Erster Punkt: Überlegungen, ob eine Strafe weiter vollzogen werden muss, um an­dere – nicht den, der sitzt – von strafbaren Handlungen abzuhalten – das ist die schon angesprochene Generalprävention –, sollen wie in der Schweiz und in Deutschland in der Frage der bedingten Entlassung keine Rolle mehr spielen. – Das ist der erste Punkt, und zwar ein ganz wesentlicher, denn das ist nämlich das Hauptargument dafür, bedingte Entlassungen in Österreich zu verhindern.

Zweiter Punkt: Nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe muss bedingt entlassen werden. Ausnahmen soll es nur in jenen Fällen geben, in welchen es eine erhöhte Rückfallgefahr gibt und in welchen die erhöhte Rückfallgefahr schwere Gewalttaten oder gemeingefährliche Delikte nach sich zu führen droht. – Es ist mir ganz wichtig, das zu betonen, um nicht der Blauäugigkeit geziehen zu werden, wo es dann womög­lich heißt, jeden Schwerverbrecher lassen wir früher raus.

Dritter Punkt bei den vorgeschlagenen Maßnahmen: Nicht mehr die Vollzugsgerichte sollen über bedingte Entlassungen entscheiden, nämlich die Gerichte, die auch urtei­len, sondern Strafvollzugskommissionen, also jene, die mit dem Häftling gearbeitet haben und zu tun gehabt haben, wie etwa StaatsanwältInnen, Vollzugsbedienstete, SozialarbeiterInnen in der Bewährungshilfe.

Vierter und auch wesentlicher Punkt: Selbst in jenen Risikogruppen, in welchen die be­dingte Entlassung einer besonderen Bedachtnahme bedarf, soll es nach fünf Sechsteln der Strafe eine bedingte Entlassung geben, weil nur dann Bewährungshilfe angeordnet werden kann.

Das ist meine letzte Information an Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, denn es weiß eigentlich kaum jemand, wie fahrlässig, würde ich fast sagen, der Gesetzgeber im Zusammenhang mit Straftätern umgeht. (Abg. Scheibner: Was werden Sie uns in der zweiten Lesung erzählen? Da bleibt nichts übrig!) Das erzähle ich in der ersten Le­sung, weil ich hoffe, dass der eine oder andere auch sozusagen seinen Horizont bezüglich dieser Fakten erweitert. Das gilt sogar für die Klubobleute, die auch nicht allwissend sind, denn sonst würden sie manchmal gescheiter reden, wenn sie mehr wüssten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Ich mache mir nur Sorgen um die zweite Lesung!)

Lassen Sie mich das letzte Argument zu Ende führen!

Wenn in Österreich jemand eingesperrt wird – ich sage es ganz banal – und er bis zum letzten Tag sitzt – Sie haben es gehört, 80 Prozent jener, die sitzen, tun es –, dann wird er entlassen, und dann ist alles vorbei. Dann gibt es keine Bewährungshilfe und auch keine Nachbetreuung, außer es will das einer freiwillig, aber dafür werden auch die Mittel gekürzt.

Was wir wollen, das ist Folgendes: die Möglichkeit der Anordnung von Bewährungs­hilfe, die sich als äußerst nützlich erwiesen hat und die ein mehr als erprobtes Modell ist – selbst bei Sexualstraftätern gibt es damit positive Erfahrungen –, auch im Sinne der Spezialprävention für den Straftäter nützen. – Das ist der wesentlichste und wich­tigste Beweggrund, den Sie haben sollten, wenn Sie sich über eigene Anträge Gedan-


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ken machen, Herr Klubobmann Scheibner. Vielleicht können Sie auch der Frau Bun­desministerin diesbezüglich ein bisschen auf die Sprünge helfen. (Abg. Scheibner: Ja, wir machen alles!) Sie ist ja noch neu im Amt, daher fordere ich sie persönlich gar nicht dazu auf. Wenn jemand aus der ersten Reihe so groß redet, dann sollte er auch große Leistungen in Form von Gesetzesanträgen hier vorweisen. Bitte nachmachen! (Beifall bei den Grünen.)

21.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete Franz wird nun zu uns sprechen. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.24

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es gehört: Auf Antrag der Grünen soll nun die bedingte Entlas­sung ausgeweitet werden. Begründet wird das unter anderem damit, dass in Österreich die Häftlingszahlen dramatisch angestiegen sind. Doch ganz so einfach ist es nicht, zu sagen: Wenn wir zu viele Häftlinge haben, lassen wir sie wieder gehen, entlassen wir sie! Unsere Devise lautet: Eine bedingte Entlassung darf es nur dann geben, wenn eine Betreuung durch die Bewährungshilfe gewährleistet ist.

Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass 30 Prozent der Häftlinge aus dem Ausland kommen, und es ist bei diesen Personen schwierig, die Bewährungshilfe umzusetzen, denn die Hauptaufgabe dieser Form des Strafvollzugs besteht darin, dass Bewäh­rungshelfer eine psychosoziale Betreuung gezielt vornehmen. Die Täter sollen auf ihre Entlassung vorbereitet werden, um in der Gemeinschaft, in der Gesellschaft besser bestehen zu können.

Meine Damen und Herren! Österreich hat da wirklich ein flexibles System geschaffen. Es bietet die Möglichkeit einer Rückkehr für jene, die Familie, Wohnsitz und Arbeits­stelle haben. Bei Ausländern ist das nicht immer der Fall, und genau dort liegt das Problem.

Auch wir treten für eine gezielte bedingte Entlassung ein, mit der Auflage einer Betreu­ung durch Bewährungshilfe. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob eine bedingte Ent­lassung überhaupt sinnvoll ist. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass Strafgefan­gene vorzeitig entlassen werden, und es ist besser, dass man sie bei der Integration unterstützt, als sie bis zum letzten Tag im Gefängnis zu behalten und nicht zu wissen, wie sie sich dann in der Gesellschaft einfügen beziehungsweise zurechtfinden.

Leider nehmen die Straftaten sowohl von organisierten Bandentätern als auch von aus­ländischen Straftätern extrem zu. Diese Straftäter sind aber, wie zuvor gesagt, von der Möglichkeit einer Bewährungshilfe ausgeschlossen, weil sie oftmals die vorerwähnten Kriterien nicht erfüllen. Somit bleibt die Umsetzung der Bewährungshilfe bei diesen Personen reine Theorie.

Es ist also darauf zu achten, dass eine bedingte Entlassung nur mit Bewährungshilfe erfolgt. Die Schwierigkeiten mit den ausländischen Tätern sind im Strafvollzug zu regeln, und die bedingten Entlassungen sind im Einzelfall zu prüfen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun spricht Frau Abgeordnete Stadlbauer zu uns. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte, Frau Kollegin.

 


21.27

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich meine, wir sind da gar nicht so weit voneinander entfernt, wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, was


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meine Vorrednerin gesagt hat. Natürlich geht es darum, dass man prüft, ob eine bedingte Entlassung Sinn macht, und natürlich geht es darum, auch Bewährungshilfe einzuschalten. Das ist ja gerade der Sinn, weshalb mehr bedingte Entlassungen erfol­gen sollen. Ich möchte angesichts der fortgeschrittenen Zeit in diesem Zusammenhang nur vier Aspekte anbringen.

Erster Aspekt: Ich möchte schon betonen, dass die SPÖ die erste der hier im Hohen Haus vertretenen Parteien war, die zum einen die Vorziehung der bedingten Entlas­sung und zum anderen eine grundlegende Änderung gefordert hat. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Verbrecherfreundlich!) Wir haben bereits im Vorjahr ein Konzept zur grundle­genden Änderung vorgelegt, und wir haben heuer im Frühjahr eine Enquete zum Thema „Strafvollzug“ abgehalten, und zwar unter Einbeziehung von zahlreichen Exper­ten und Expertinnen sowohl aus dem Justizministerium als auch von internationaler Seite und auch von der Kriminalpolitischen Initiative, die ich für eine sehr interessante Initiative halte und die wirklich sehr wertvolle Beiträge geliefert hat.

Zweiter Aspekt: Was sagen die Experten und Expertinnen dazu? – Sie sind unisono der Meinung, dass ein Vorziehen der bedingten Entlassung durchaus positiv zu bewer­ten ist, dass ein solches sinnvoll ist. Vor allem die Kollegen und Kolleginnen aus dem Ausland, wie etwa aus der Schweiz und aus Deutschland, haben diese Meinung vertre­ten. Ich denke, die Zahlen zeigen deutlich – das hat die Kollegin Stoisits schon ausge­führt –, dass die Schweiz und Deutschland nicht weniger sicher sind als Österreich.

Dritter und meiner Meinung nach wichtigster Aspekt: Mehr bedingte Entlassungen, wo die entlassenen Strafgefangenen die Möglichkeit haben, Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen, bedeuten auch mehr Sicherheit für die Bevölkerung. Das ist es ja, was wir alle hier im Hohen Haus wollen, worüber Konsens herrscht.

Zum Abschluss noch der vierte Aspekt: Wir wollen natürlich nicht, dass es sich um will­kürliche Aktivitäten handelt. Bei schweren Verbrechen, bei gemeingefährlichen Verbre­chen können wir uns das nicht vorstellen. Es soll eine Kommission entscheiden, und dieser Kommission gehören Experten und Expertinnen an, die wissen, wovon sie spre­chen, die damit tagtäglich arbeiten. Und ich denke, die werden richtig und gut entschei­den.

Ich möchte diese Gelegenheit doch auch noch dazu nützen, nachdem dieser Kommis­sion auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Strafvollzug angehören werden, das heißt Justizwachebeamte und -beamtinnen, wieder einmal festzustellen, welch tolle Leistung diese Kolleginnen und Kollegen erbringen – und das mit so wenig Unterstüt­zung durch die Regierungsparteien.

Ich denke, dieser Antrag ist sehr wichtig und muss unterstützt werden, und ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Frau Justizministerin dazu äußert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner: Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. Auch er wird 3 Minuten sprechen. – Bitte.

 


21.31

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Stoisits hat gesagt – und das war sehr interessant –, der Strafvollzug befinde sich in einer Krise. – Das ist nicht richtig! Wir haben eine gigantische Kriminalitätswelle, die aus dem Aus­land kommt, und die macht natürlich beim Strafvollzug Schwierigkeiten. Das ist das eigentliche Problem!


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 202

Wenn Sie, Frau Abgeordnete, das Thema genauer behandelt hätten, hätten Sie Fol­gendes dazu sagen müssen: Wir haben eine stabile Anzahl von Strafhäftlingen, näm­lich genau 5 200. Die steigende Komponente liegt ausschließlich bei den Untersu­chungshäftlingen, und die kann man beim besten Willen nicht bedingt entlassen. Das müssen Sie mir schon zugestehen.

Sie müssen also von jenen reden, deren Anzahl stabil ist, und das sind die Strafhäft­linge. Wenn wir von dieser Zahl ausgehen, sehen wir nur wenig Möglichkeiten, bei der bedingten Entlassung sehr viel zu ändern, obwohl ich zugebe und betone, dass im Regierungsprogramm sehr wohl vorgesehen ist, dass all dies angedacht wird, aber in einer etwas genaueren und wissenschaftlichen Art und Weise – und nicht in der Form, wie Sie es machen wollen, nämlich ohne nähere Überlegung.

Ich gehe auf diesen Vorschlag ein, und Frau Abgeordnete Stadlbauer wird überrascht sein von dem, was sie jetzt hören wird. Sie haben gesagt, bei gemeingefährlichen Verbrechen komme die bedingte Entlassung nicht in Frage. Das muss man nuanciert lesen und sich nuanciert anhören, bei welchen Verbrechen Sie in Zukunft eine be­dingte Entlassung wollen.

Nach der jetzigen Rechtslage kommt keine bedingte Entlassung in Frage, wenn der Verdacht besteht, dass der Betroffene eine strafbare Handlung begehen könnte; an sich ganz normal. Was wollen Sie in Zukunft? – Die bedingte Entlassung kommt nur dann nicht in Frage, wenn keine schweren Gewaltverbrechen oder keine gemeinge­fährlichen Verbrechen von ihm zu erwarten sind. Das heißt, es ist eine Einladung an diejenigen, die wahrscheinlich nur gewöhnliche Verbrechen begehen, doch bedingt entlassen zu werden.

Er wird sich, wenn er ein gewöhnliches Verbrechen begeht, dann vor den Richter hin­stellen und sagen: Bitte schön, der Herr Rat hat es eh gewusst, als er mich entlassen hat. Aber ich habe eh nur ein normales, kleines Verbrechen begangen. – So einfach kann man es sich nicht machen! Wir müssen das wissenschaftlich diskutieren und nicht so wie Sie, die Sie das im Husch-Pfusch-Verfahren machen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.34

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 435/A dem Justizausschuss zu.

6. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine nach­haltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002, geändert wird (437/A)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Krainer. Seine Wunsch­redezeit ist 3 Minuten. – Sie sind am Wort, Herr Kollege.

 


21.34

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Früher war alles einfach, wenn man einkaufen war: Glas war Pfand, Tetrapak, Dose waren Einweg. Dann aber war Glas auch kein Pfand, dann kam Plastik, Plastik war Einweg und wurde dann zum Teil doch wieder zum Pfand. Mittlerweile ist die Situation in den Supermarktregalen so, dass man höchstens mit Lupe und diversen


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Sprachkenntnissen eruieren kann, ob es sich hierbei um eine Pfandflasche oder Ein­wegflasche oder was auch immer handelt.

Wir haben jetzt einen relativ einfachen Vorschlag eingebracht, wie man das beheben könnte, nämlich indem man auf alle Pfandflaschen relativ groß ein „P“ aufdruckt, womit für jeden auf den ersten Blick klar erkennbar wäre – auch für diejenigen, die keine Lupe dabei haben oder nicht Sechspunktschrift entziffern können –, was Pfand ist und was nicht. Es gibt viele Konsumenten, die ganz bewusst Pfandflaschen kaufen wollen, aber das wird ihnen im Moment verunmöglicht. Deswegen machen wir diesen Vor­schlag und ersuchen um Zustimmung zu unserem Antrag.

Dieser Antrag wurde wortidentisch bereits einmal eingebracht, und ich will jetzt auch begründen, weshalb er jetzt noch einmal eingebracht wird: Es war in der Vergangen­heit im Umweltausschuss nicht möglich, über diesen Antrag zu diskutieren, weil er im­mer – meiner Ansicht nach unter Missbrauch einer Mehrheit – ohne Diskussion vertagt wurde. Ich anerkenne sehr wohl, dass es Mehrheiten in diesem Haus gibt, aber ich halte es für einen Missbrauch, wenn Mehrheiten eingesetzt werden, um Diskussionen zu verhindern.

Ich finde es in Ordnung, wenn man Anträge, die man nicht will, ablehnt und dann im Plenum noch einmal diskutiert und ablehnt. Das finde ich in Ordnung, aber die Vor­gangsweise, wie ich sie erlebt habe, dass Anträge, die man nicht diskutieren will, ein­fach vertagt werden, halte ich nicht für in Ordnung. Deshalb habe ich mir gedacht: Bringen wir ihn eben so oft ein und haben ihn damit im Plenum – was anscheinend verhindert werden soll durch die ewigen Vertagungen –, bis er dann auch wirklich ein­mal behandelt wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Machne. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.36

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zu­nächst darf ich einmal festhalten, dass Österreich, was die Sammlung und Verwertung von Kunststoffverpackungen betrifft, einen sehr erfolgreichen Weg geht. In Österreich beträgt die Rücklaufquote bei allen lizenzierten Kunststoffverpackungen immerhin 82 Prozent.

Das von Kollegin Sima geforderte Einwegpfand mit dem „P“ ist, glaube ich, für alle Be­teiligten sehr teuer, kompliziert und bringt auch der Umwelt nichts. Ich glaube, das ist ein Öko-Schmäh; ich denke da gerade auch an Deutschland. (Abg. Krainer: Sie haben es nicht verstanden!)

Ich möchte unsere Ablehnung natürlich begründen. Das Zwangspfand ist ein Mittel zur Steigerung von Rücklaufquoten in Ländern mit weniger umweltbewusster Bevölkerung. Der österreichische Konsument ist bereits in sehr hohem Maße umweltsensibel und braucht solche entmündigenden Maßnahmen und Motivationsinstrumente nicht.

Beispielsweise hat in Schweden das Pfandsystem nicht zu einer Steigerung von Mehr­wegverpackungen geführt. Allerdings – und das, glaube ich, ist schon wichtig – wird in Schweden Bier zu 60 Prozent in Einweg verkauft, in Österreich hingegen nur zu 16 Prozent. Die Einführung des Zwangspfandes wäre mit enormen Kosten verbunden. (Abg. Öllinger: Das gibt’s ja nicht! Wo haben Sie das her?) Der Fachverband für Nah­rungs- und Genussmittelindustrie hat berechnet, dass für den Aufbau 120 Millionen € notwendig wären und dann jährlich 40 Millionen € für den Betrieb.

Diese Kosten, meine Damen und Herren, müsste der Konsument bezahlen, und wir wollen den Konsumenten nicht zusätzlich belasten!


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 204

Die deutschen Verbraucher haben in den ersten neun Monaten des Vorjahres 400 Mil­lionen € Pfandgeld bezahlt und nicht wieder abgeholt. (Abg. Öllinger: Wo haben Sie die Statistiken her?) Einkaufen mit Einwegpfand wird für den Konsumenten auch sehr umständlich. Er kann die Verpackungen nur zu den Öffnungszeiten zurückbringen. Er muss sie daheim lagern, sie dürfen nicht beschädigt werden und brauchen auch viel mehr Platz.

Das würde bedeuten, dass über 1,1 Millionen österreichische Haushalte, die derzeit bequem mit dem gelben ARA-Sack sammeln, bei Zwangspfandeinführung pro Jahr insgesamt 930 000 m³ Einwegpfandflaschen – das entspricht 327 Millionen gefüllten Einkaufskörben! – zum Händler zurücktragen müssten.

Daher glaube ich, die Wahlfreiheit muss erhalten bleiben.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass mit der Wirtschaft natürlich freiwillige Vereinbarungen bestehen, und diese dürfen wir nicht mit den geforderten Sanktions­auflagen ergänzen.

Im Bereich der Sammlung und Verwertung von Verpackungen ist Österreich internatio­nal gesehen vorbildlich. Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Seien wir stolz auf die österreichische Umweltpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

21.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


21.39

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch für uns ist es ein großes Ziel, Umweltbelastung zu vermeiden, indem Verpackung reduziert wird. Daher unterstützen wir jede sinnvolle Initiative, die gerade diese Verpa­ckungen vermeidet. Natürlich ist es klar, dass die Auswirkungen berücksichtigt werden müssen, denn es darf nicht sein, dass irgendwelche Maßnahmen getroffen werden, die dann zu einer vermehrten Umweltbelastung führen.

Es wird interessant, im Umweltausschuss darüber zu diskutieren, denn es ist sicher ein Anliegen von uns allen, dass jeder, der einkaufen geht, in Zukunft mit weniger Verpa­ckungsmaterial aus dem Geschäft kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. Herr Kollege, Sie kennen die Geschäftsord­nung. – Bitte.

 


21.41

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Kollegin Machne als vorletzte Rednerin hat gemeint, es ginge in diesem Antrag um ein Zwangspfand. – Das ist nicht richtig!

Es geht nicht darum, dass irgendein zusätzliches Pfand eingeführt wird, sondern nur darum, dass bestehende Pfandflaschen, wie sie auch heute bereits im Regal stehen, ein „P“ erhalten. Es geht nicht um zusätzliche ...

21.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege, das ist ein Redebeitrag, keine tatsächliche Berichtigung. (Abg. Krainer  das Rednerpult verlassend –: Das ist eine tatsächliche Berichtigung!) Nein! (Abg. Krainer: Lernen Sie die Geschäftsordnung!)

(Beifall bei der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Krainer.)


Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 205

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. Restredezeit der grünen Fraktion: 20 Minuten. (Heiterkeit.)

 


21.41

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Der war gut, Herr Präsident! – Herr Prä­sident! Niemand mehr auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die grüne Fraktion findet den Antrag des Kollegen Krainer von der SPÖ ausgesprochen sinnvoll. Es geht ja nicht darum, irgendein kompliziertes System einzuführen, sondern darum, ein einfaches „P“ auf die Flaschen zu drucken, damit sich die Leute auskennen. Das unterstützen wir immer, es den Leuten leichter zu machen, sich auszukennen. Deswegen werden wir das im Umweltausschuss ganz konstruktiv diskutieren, und wir hoffen auf Einsicht bei den Regierungsparteien. – Schönen Abend! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 437/A dem Umweltausschuss zu.

Die Tagesordnung dieser Sitzung ist erschöpft.

Es gibt noch eine weitere Sitzung, meine Damen und Herren, die aber nicht durch Mit­tags- oder Abendessen-Pausen unterbrochen wird.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 448/A (E) bis 454/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2139/J bis 2173/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen dient, berufe ich für 21.43 Uhr, also gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.43 Uhr

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