Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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144. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 21. September 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

144. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode       Mittwoch, 21. September 2016

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. September 2016: 9.06 – 18.54 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidenten­wahlgesetz 1971 geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2015

3. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 34, 55, 57, 61 und 62, 65 und 76 so­wie über die Bürgerinitiativen Nr. 73, 78, 80, 83, 88 und 91 bis 96

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 8855/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 73

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         114

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 115

Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 118

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................. 120

Peter Haubner ............................................................................................................. 121

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 123

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 124

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 126

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 127

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 73


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 2

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidenten Karlheinz Kopf ...................................................................................... 174

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 175

Aktuelle Stunde (39.)

Thema: „ORF ins 21. Jahrhundert: Ohne Parteipolitik. Ohne GIS. Mit Public Value Produktion.“             ............................................................................................................................... 17

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 17

Bundesminister Mag. Thomas Drozda ...................................................................... 20

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 22

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 24

Mag. Philipp Schrangl .................................................................................................. 25

Dieter Brosz, MSc ........................................................................................................ 26

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 28

Christoph Hagen .......................................................................................................... 30

Angela Lueger .............................................................................................................. 31

Mag. Michaela Steinacker ............................................................................................ 32

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 33

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 35

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 36

Martina Schenk ............................................................................................................. 37

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (40.)

Thema: „Schutz der österreichischen Grenzen, der EU-Außengrenzen und Sicherung von Schutzzonen – wie wird sich Österreich verhalten?“ ............................................. 39

Redner/Rednerinnen:

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 39

Bundesminister Mag. Hans Peter Doskozil .............................................................. 42

Otto Pendl ..................................................................................................................... 44

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 46

MEP Harald Vilimsky .................................................................................................... 47

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 49

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 50

Christoph Hagen .......................................................................................................... 51

Hannes Weninger ......................................................................................................... 53

Mag. Bernd Schönegger .............................................................................................. 54

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 56

MEP Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................................ 57

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 59

Martina Schenk ............................................................................................................. 61

MEP Karin Ingeborg Kadenbach ................................................................................ 62

MEP Heinz Kurt Becker ............................................................................................... 63

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 65

Tanja Windbüchler-Souschill ...................................................................................... 66

Dr. Marcus Franz .......................................................................................................... 68

Gerhard Schmid ........................................................................................................... 69

Dr. Susanne Winter ...................................................................................................... 70

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 17


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 72

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek ............................................. 72

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawisch­nig-Piesczek, Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1257 d.B.) ...................................................................................................................... 73

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 74

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 77

Christoph Hagen .......................................................................................................... 79

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 81

Mag. Harald Stefan ................................................................................................  82, 87

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 85

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 89

Petra Steger .................................................................................................................. 90

Nikolaus Prinz .............................................................................................................. 92

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 94

Dieter Brosz, MSc (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 96

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 96

Mag. Günther Kumpitsch ............................................................................................ 98

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 99

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 100

Dr. Marcus Franz ........................................................................................................ 102

Annahme des Gesetzentwurfes in 1257 d.B. ............................................................... 103

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2015 (III-262/1256 d.B.) .............................................................................................................. 104

Redner/Rednerinnen:

Mag. Roman Haider .................................................................................................... 104

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 106

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 108

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 110

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 111

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 113

MMag. DDr. Hubert Fuchs ................................................................................  113, 128

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 129

Ing. Mag. Werner Groiß ............................................................................................. 133

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 134

Walter Schopf ............................................................................................................. 135

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 136

Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................. 138

Rupert Doppler ........................................................................................................... 139

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 140

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 141

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................. 141

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 142


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 4

Mag. Andreas Zakostelsky ........................................................................................ 143

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 144

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 145

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 146

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 148

Annahme des Gesetzentwurfes in 1256 d.B. ............................................................... 149

3. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 34, 55, 57, 61 und 62, 65 und 76 sowie über die Bürgerini­tiativen Nr. 73, 78, 80, 83, 88 und 91 bis 96 (1248 d.B.)          ............................................................................................................................. 149

Redner/Rednerinnen:

Ing. Christian Höbart ................................................................................................. 149

Hermann Lipitsch ....................................................................................................... 150

Peter Wurm ................................................................................................................. 152

Hermann Gahr ............................................................................................................ 154

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 155

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 156

Hermann Brückl ......................................................................................................... 157

Michael Bernhard ....................................................................................................... 158

David Lasar ................................................................................................................. 160

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 161

Rupert Doppler ........................................................................................................... 162

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 163

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 164

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 164

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 165

Hannes Weninger ....................................................................................................... 166

Norbert Sieber ............................................................................................................ 167

Petra Bayr, MA ............................................................................................................ 167

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 168

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 169

Fritz Grillitsch ............................................................................................................. 170

Johann Hechtl ............................................................................................................. 171

Mag. Johannes Rauch ............................................................................................... 171

Johann Hell ................................................................................................................. 172

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 173

Erwin Preiner .............................................................................................................. 173

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Tabak- und Nichtraucherinnen- beziehungsweise Nichtraucher­schutzgesetz (TNRSG) – Ablehnung ..........  153, 174

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1248 d.B. .................................................... 174

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 72

1254: Bundesgesetz über die Qualifikationsbezeichnungen „Ingenieurin“ und „In­genieur“ (Ingenieurgesetz 2017 – IngG 2017)

1255: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Bun­desverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Ver­fassungsgerichtshofgesetz 1953 und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden

1258: Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsge­setz 2014 und das Fachhochschul-Studiengesetz geändert werden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 5

1259: Bundesgesetz, mit dem das Maschinen-Inverkehrbringungs- und Notifizie­rungsG – MING geändert wird

1261: Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird

Berichte ......................................................................................................................... 72

III-305: Stenographisches Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „CETA und TTIP – Die Freihandelsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada und den USA“

III-306: Bericht betreffend den Tätigkeitsbericht des Statistikrates über das Ge­schäftsjahr 2015 gemäß § 47 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz 2000; Bundesregie­rung

III-307; Grüner Bericht 2016; Bundesregierung

III-308: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2017 gemäß § 9 LWG 1992; Bundesregierung

III-309: Tätigkeitsbericht 2015 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditie­rung; BM f. Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenz bei der Ver­gabe von Forschungsmitteln“ (1821/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Effizienz bei der For­schungsfinanzierung“ (1822/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Pendlerpauschale reformie­ren (1823/A)(E)

Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der ÖH-Pflichtmitgliedschaft (1824/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernetzung von Landwirtschaft, Gastronomie und Tourismus (1825/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (1826/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1827/A)

Philip Kucher, Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Evaluierung der Breitbandförderung im Rahmen der Breitbandstrategie 2020 (1828/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine zeitgemäße Eigentü­merlösung für die Wiener Zeitung (1829/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend: GmbH-Gesellschafter_in­nen sollen Unternehmer_innen sein dürfen (1830/A)(E)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend steuerliche Erleichterung für be­triebliche Zuwendungen für gesunde und umweltfreundliche MitarbeiterInnen-Mobilität (1831/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 6

Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Rundfunkgebühr für sinnesbehinderte Menschen (1832/A)(E)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine öffentliche Finanzierung für Privatuniversitäten (1833/A)(E)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kontrolle der Abgasminderungsein­richtungen von Kraftfahrzeugen (1834/A)(E)

Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der fi­nanziellen Unterstützung 2016 für das World Food Programme auf 6 Millionen € (1835/A)(E)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweit einheitli­che Mindestpersonalschlüssel in Alten- und Pflegeheimen (1836/A)(E)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auslaufen der Pflegeassis­tenz-Ausbildung (1837/A)(E)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Intransparenz der Trans­parenzdatenbank (1838/A)(E)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestpersonalschlüssel für Pflegeberufe in der stationären medizinischen Versorgung (1839/A)(E)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuerungs-Experiment der Krankenkassen bei der Psychotherapie (1840/A)(E)

Matthias Köchl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschlankung des Wirtschafts­kammer-Apparates (1841/A)(E)

Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelungen im Arbeitnehme­rInnenschutz bei hitzebedingten Arbeitsbelastungen (1842/A)(E)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kooperation Österreichs mit der „Visegrad-Gruppe“ (1843/A)(E)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur finanziel­len Entlastung von Familien mit Schulkindern (1844/A)(E)

Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Öffentlichkeit von parla­mentarischen Enqueten (1845/A)

Mag. Aygül Berivan Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absenkung der Pen­sions-Mindestbeitragsgrundlage für Selbständige (1846/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dring­lichkeit des Verbots der Verschleierung des Gesichtes (1847/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung von Bankomat-Ge­bühren (1848/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anhebung der SPF-Quote und Erhaltung der Wahlfreiheit (1849/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berechtigung sonderpäda­gogischer Schulen, VS- beziehungsweise NMS-Zeugnisse auszustellen (1850/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschluss von bilateralen Ab­kommen mit afrikanischen Staaten zur Errichtung von Wartecamps in Nordafrika für Per­sonen mit negativem Asylbescheid“ (1851/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 7

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung Wirtschafts­diesel“ (1852/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der Flugab­gabe“ (1853/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tabak- und Nichtraucherschutzge­setz (TNRSG) (1854/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tabak- und Nichtraucherschutzge­setz (TNRSG) (1855/A)(E)

Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Neustart der Rüstungskontrolle in Europa (1856/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die Österreichische Hotel- und Tou­rismusbank und Kofinanzierungen der Bundesländer (10144/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Wien (10145/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Tirol (10146/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Steiermark (10147/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Salzburg (10148/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Oberösterreich (10149/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Kärnten (10150/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Meningitis-Fall in Wien (10151/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend versuchte Vergewaltigung an einem Badeteich in Guntramsdorf/Wr. Neudorf (10152/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Männer/Frauen-Ar­beitslosigkeit (10153/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Altersstatistik 31. Juli 2016 (10154/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 8

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Jihadisten aus Österreich (10155/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Finanzierungsformen für Start-ups (10156/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Beschäftigungssektor 31. Juli 2016 (10157/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Burgenland (10158/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Ausbildungsstatistik 31. Juli 2016 (10159/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Laxenburger Straße Bombendrohung (10160/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Bundesländerstatistik 31. Juli 2016 (10161/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AK-Forderungen zur Ar­beitslosigkeit (10162/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Vorarlberg (10163/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Umsatzsteuerlücke (10164/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausgaben für Auskünfte über Daten einer Nachrichtenübermittlung, Vorrats­daten und Nachrichtenüberwachung im Jahr 2015 (10165/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Zwangsbehandlung im Maßnahmenvollzug – Folgeanfrage zu 9484/J (10166/J)

Gerhard Schmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend IS-Ausbildung in Österreich (10167/J)

Gerhard Schmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend politisch korrekte Berichterstattung (10168/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Vorschlag eines Internierungslagers auf der grie­chischen Insel Lesbos (10169/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Werbekampagne in Afghanistan (10170/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Rechtswidrige und umwelt­gefährdende Asphaltentsorgung“ (10171/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 9

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung betreffend Rahmenbedingungen der Verteilung von 750 Millionen € für die Schaf­fung neuer Ganztagsschulplätze (10172/J)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung betreffend Chancenindex für Integrationsmaßnahmen (10173/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Ausstieg aus der Bleimu­nition (10174/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend österreichischen Anteil an den Apple Milliarden (10175/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend 24h Betreuung (10176/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld BRG/BORG Telfs, Weißenbachgasse 37, Telfs/Tirol (10177/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld BORG Innsbruck in der Fallmerayerstraße 7, Innsbruck/Tirol (10178/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Betrügerische Schlüsseldienste (10179/J)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Wahlmöglichkeit von ÖBH-Angehörigen im Auslandseinsatz (10180/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend Sperre des Gleinalmtunnels (10181/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend polizeiliche Sicherheitsstruktur im Bezirk Mödling (10182/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Dienstleistungsscheck“-Inserat des BMASK in „Heute“ vom 24. August 2016 (10183/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend: BMASK finanziert Hetze der Sozialisti­schen Jugend (10184/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend: BMB finanziert Hetze der Sozialistischen Jugend (10185/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend verschwundene Asylwerber Halbjahr 2016 (10186/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in Asylunterkünften im Bezirk Mödling im August 2016 (10187/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK in der „Krone“ vom 7. Juli 2016 (10188/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 10

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK in „Heu­te“ vom 21. Juli 2016 (10189/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK in der „Krone“ vom 19. Juli 2016 (10190/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Die Koffer sind gepackt“-Inserat des BMASK in „Heute“ vom 7. Juli 2016 (10191/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK im „Stan­dard“ vom 15. Juli 2016 (10192/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK in „Heu­te“ vom 8. Juli 2016 (10193/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend: BMVIT finanziert Hetze der Sozialistischen Ju­gend (10194/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern in der Steiermark 2015 (10195/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Barrierefrei“-Inserat des BMASK im „Ku­rier“ vom 12. Juli 2016 (10196/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Drohnenabwehr österreichischer Gefängnisse zur Verhinderung von Schmug­gelflügen (10197/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend die Beteiligung Österreichs an Austauschprogrammen zur Immunisierung nationalisti­scher Tendenzen (10198/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend mutmaßliche Vertuschung eines Bomben- oder Terrorattentats in der Markt­gemeinde Gaming (10199/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Terrordrohungen gegen Hauptbahnhof und Flughafen Schwechat (10200/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Massenschlägerei beim Praterstern (10201/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Türkei-Einschätzung in Deutschland im Vergleich zu Österreich (10202/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorfall am Küniglberg (10203/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Nicht relevante Vorfälle“ (10204/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Massenpanik vor Stephansdom nach Türken-Attacke (10205/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Finanzierung Bauernbund-Veran­staltungen (10206/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 11

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend inakzeptable Duldung einer unangemeldeten Demonstration für den türki­schen Präsidenten Erdoğan durch die Exekutive (10207/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nicht-Umsetzung von RH-Emp­fehlungen (10208/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Tatprovokationen, Täuschungshandlungen und weitere rechtlich bedenkliche Vorgehensweisen im Rahmen des „Mystery Shoppings“ (10209/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Tatprovokationen und andere bedenkliche Eingriffe in rechtsstaatliche Grundlagen im Rahmen des „Mystery Shoppings“ (10210/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend fragwürdige Vorgangsweisen der ÖBB im Umgang mit Schadensrentenbeziehern (10211/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend zu wenig Fisch und Geflügel aus Ös­terreich (10212/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Ikea Family Paycard – horrende Zinssätze für Familien (10213/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Türkendemonstrationen in Wien (10214/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Schließungen der Polizeiinspektionen Tirol (10215/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend: Ist Basiskonto für alle sozial gerecht? (10216/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Schließungen der Polizeiinspektionen Steiermark (10217/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Heimkinder und Ansprüche nach dem Verbrechensopfergesetz (10218/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Asylantenbetreuung Nie­derösterreich (10219/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Terroristen als Asylberechtigte in Österreich (10220/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsauszahlungen in die Türkei (10221/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend mutmaßlichen Nepotismus bei den ÖBB (10222/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 12

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Familien und Jugend betreffend familienfeindliches Bauprojekt der ARE-GmbH in Wien-Margareten (10223/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sponsoring einer „Promo“-Seite in der Tageszeitung „heute“ (10224/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Sponsoring einer „Promo“-Seite in der Tageszeitung „heute“ (10225/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Sponsoring einer „Promo“-Seite in der Tageszeitung „heute“ (10226/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend familienfeindliches Baupro­jekt der ARE-GmbH in Wien-Margareten (10227/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Aufgriffe illegaler Fremder in Österreich (10228/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Überfälle auf Apotheken (10229/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Alt-Wien-MUKU-Arge für mul­tikulturelle Kindergartenpädagogik (10230/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Haftbefehle aus der Türkei (10231/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld PORG Volders – Privates ORG St. Karl Volders, Volderwald­straße 3, Volders/Tirol (10232/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld HTL Fulpmes, Waldrasterstraße 21, Fulpmes/Tirol (10233/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld HTL Anichstraße, Anichstraße 26-28, Innsbruck/Tirol (10234/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld BHAK/BHAS Innsbruck, Karl-Schönherr-Straße 2, Innsbruck/Ti­rol (10235/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld HAK/HAS Hall in der Kaiser-Max-Straße 13/Hall in Tirol (10236/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld eco Telfs (HAK, HAS, AUL) in der Weißenbachgasse 37, Telfs/Tirol (10237/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld BG/BRG Sillgasse Innsbruck, Sillgasse 10, Innsbruck/Tirol (10238/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 13

Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend ODA Beiträge für 2015 (10239/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend unterschiedliche Bemessungsgrundlage für Grundumlagen der Wirtschaftskammer (10240/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Kinder und Jugendliche als pflegende An­gehörige (10241/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Briefwahl – BP-Wahl“ (10242/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend: Alufolie ist gefährlich (10243/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend illegale Schächtungen in Österreich (10244/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend mutmaßliche Steuerhinterziehung und Scheinselbständigkeit bei Personaldienst­leistern von Ryanair (10245/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend mutmaßliche Steuerhinterziehung und Scheinselbständigkeit bei Personaldienst­leistern von Ryanair (10246/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorbereitungen auf weitere Flüchtlingswellen (10247/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Verkürzung der Sperrstunde aufgrund von Lärmbeschwerden (10248/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die Eintragung natürlicher Personen in Bo­nitätsdatenbanken (10249/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend legalen Abschuss von Katzen (10250/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend: Fettleibigkeit verdoppelt Sterberisiko bei Männern (10251/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend: drei Schafböcke gleich auf Weide geschächtet (10252/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Registrierungspflicht für Hunde (10253/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Verschreibung von AD(H)S-Medikamenten im Zeitraum 2014/
2015 (10254/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufgriffe von Personen an den „grünen“ Grenzen (10255/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auslastung der Anhaltezentren/Schubhaftzentren (10256/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 14

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Initiative e-connected (10257/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-bearbeitete Leistungsanträge (10258/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Sanktionen 2015 (10259/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Zuerkennung und Ablehnung von Anträgen 2015 (10260/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend AMS-Leistungsbezieher 2015 (10261/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend www.berufsanerkennung.at (10262/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Migrationshintergrund von Arbeitslosen (10263/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Beteiligung Österreichs an Austauschprogrammen zur Im­munisierung nationalistischer Tendenzen (10264/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Flohbefall in einer Asylunterkunft in Tulln/
NÖ (10265/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend: mehr Werbung für Urlaube in der Heimat? (10266/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Oberösterreichs 2016 (10267/J)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Wahlmöglichkeit von ÖBH-Angehörigen im Aus­landseinsatz (10268/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeieinsätze in öffentlichen Bädern Salzburgs 2016 (10269/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Ein-Euro-Jobs für Asylberechtigte in Tirol (10270/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mängel bei Zivilschutz (10271/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogenkriminalität in Österreich (10272/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Scheinselbständigkeit (10273/J)

David Lasar, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Gewalt und Übergriffe gegen Spitalpersonal (10274/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 15

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Lücken in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung – wer fällt durch den Rost? (10275/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Migrationshintergrund von AMS-Schulungsteilneh­mern (10276/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Erhöhung der Staatsausgaben (10277/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Erhöhung der Staatsausgaben (10278/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Justizwachebeamte in der Steiermark (10279/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Informanten in politischen Organisationen (10280/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Informanten in politischen Organisationen (10281/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Unterbesetzungen der Polizeiinspektion Matrei in Osttirol (10282/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend „Personal Pricing“ II (10283/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Jus­tiz betreffend Homepage „www.fluchthelfer.in“ (10284/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Listerien in Wurstwaren (10285/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend: Ragweed Belastung wieder ungewöhnlich hoch (10286/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend: Welpen-Schmuggel im Linienbus aufgedeckt (10287/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend riesige Preisunterschiede im Lebensmittelhandel (10288/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend: Bundesheer bewacht Botschaften in Wien (10289/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend: Kommt ein Finanzausgleich, bei dem jeder Bürger gleich viel wert ist? (10290/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Salzburger Festspiele (10291/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Einhaltung (der Schlussempfehlungen) des Rechnungshofs zum Eurofisc (10292/J)

Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Kosten für Asyl, Flüchtlingsunterbringung und Versorgung“ (10293/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 16

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (9542/AB zu 9985/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolle­ginnen und Kollegen (9543/AB zu 9973/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Bela­kowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (9544/AB zu 9980/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (9545/AB zu 9978/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (9546/AB zu 9984/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (9547/AB zu 9987/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (9548/AB zu 9979/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (9549/AB zu 9982/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (9550/AB zu 9986/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (9551/AB zu 9981/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen (9552/AB zu 9989/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolle­ginnen und Kollegen (9553/AB zu 9988/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (9554/AB zu 9994/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Leo­pold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen (9555/AB zu 9992/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (9556/AB zu 9990/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen (9557/AB zu 9991/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (9558/AB zu 9995/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (9559/AB zu 9998/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (9560/AB zu 9993/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 17

09.06.04Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsi­dent Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche ei­nen schönen guten Morgen und eröffne die 144. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 142. und 143. Sitzung vom 13. September 2016 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Auer, Eßl, Ottenschläger und Dr. Hable.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilungen gemacht:

Der Bundeskanzler Mag. Kern wird durch den Vizekanzler Dr. Mitterlehner, der Bun­desminister für Europa, Integration und Äußeres Kurz wird durch die Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Karmasin, der Bundesminister für Inneres Mag. Sobotka wird durch den Bundesminister für Justiz Dr. Brandstetter und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Leichtfried wird durch den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Stöger vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr übertragen wird; ORF III wird diese Sitzung in voller Länge live übertragen.

09.07.33Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

ORF ins 21. Jahrhundert: Ohne Parteipolitik. Ohne GIS. Mit Public Value Produktion.“

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Mag. Alm zu Wort gemeldet. – Ich erteile Ihnen dieses und mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit maximal 10 Minu­ten beträgt.

 


9.07.57

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Ich begrüße Sie, Herr Minister! Sehr ge­ehrtes Hohes Haus! Es geht um den ORF, und zwar um den ORF im Zusammenhang mit einer Medienförderung, die ja auch am Montag auf Einladung des Herrn Ministers im Bundeskanzleramt bei einer Enquete diskutiert wurde; dort wurde nämlich darüber geredet, wie eine Medienförderung Neu aussehen kann.

Im Rahmen dieser Enquete wurden sehr viele richtige Dinge gesagt. Es gibt einen guten neuen Ansatz für diese Medienförderung Neu: Es wird Journalismus gefördert, die Branche soll sich im Rahmen dieser Förderung selbst kontrollieren, diese Förde­rung soll medienunabhängig ausgeschüttet werden – all das sind richtige Dinge. Der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 18

Fokus darauf, journalistischen Mehrwert oder öffentlich-rechtlichen Mehrwert oder Pub­lic Value zu produzieren, ist ja eigentlich auch genau die medienpolitische Aufgabe, die wir im Rahmen von Förderungen haben. Worüber wir allerdings nicht gesprochen ha­ben beziehungsweise worüber bei dieser Enquete nicht gesprochen wurde, ist der ORF.

Selbst wenn sie in doppelter, dreifacher, vierfacher Höhe ausgeschüttet wird, beträgt die Medienförderung Neu nur etwa 5 Prozent von dem, was der ORF jedes Jahr an Pro­grammentgelten aus der Rundfunkgebühr lukrieren kann. Das heißt, wir haben hier ei­nen riesengroßen Player im Markt, der im Rahmen der Medienförderung gar nicht mit­bedacht wird. Wenn man aber die Logik des Herrn Ministers verfolgt, dann muss sich der ORF natürlich genau dem gleichen Regime unterwerfen und sollte auch nur im Rah­men dieser Public-Value-Inhalteproduktion gefördert werden, denn das, was für den Rest der Medien gilt, muss natürlich auch für ein staatliches Medienhaus gelten. Wenn der Fokus auf Inhalten liegt, dann bitte auch beim ORF. Insbesondere dann, wenn man sagt, diese Förderung sei medienunabhängig angelegt, kann man den ORF natürlich nicht ausklammern.

Der ORF verfolgt jedoch eine ganz andere, eigene Logik mit seinen Gebühren. Er hebt diese Gebühren ein, produziert natürlich auch Public Value, das kritisieren wir auch gar nicht, aber mit einem Anteil der Gebühren, der nicht für diese Public-Value-Inhaltepro­duktion verwendet wird, wird natürlich anderes Programm finanziert. Sie kennen das: Serien- und Sportrechte, Champions-League-Rechte und so weiter. Das heißt, der ORF hat mehr Geld zur Verfügung, als er zur Produktion von Public Value braucht, und folgt man Ihrem Modell, dann wäre da natürlich zu reduzieren. Das Gleiche gilt im Übrigen na­türlich auch für die „Wiener Zeitung“.

Der ORF hat darüber hinaus, unabhängig von dieser Logik, der er sich meines Erach­tens zu unterwerfen hätte, einen gesteigerten Innendruck und auch Außendruck in Rich­tung Änderung.

Zunächst einmal zum Innendruck, wo sich der ORF ändern sollte – und wir sprechen hier von Änderung! Es geht nicht darum, den ORF in irgendeiner Form zu zerstören, oder darum, ihm Arme oder Beine abzuhacken, sondern es geht darum, ihn zukunftsfit zu machen.

Was den inneren Änderungsbedarf betrifft: Wenn wir uns lineares TV und Mediennut­zugsverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten ansehen, dann wird in zehn bis 15 Jahren niemand mehr so fernsehen, wie das noch vor zehn oder 20 Jahren gesche­hen ist, das heißt: heimkommen, drei Folgen „The Big Bang Theory“ hintereinander an­sehen und dann noch 5 Minuten ZIB FLASH. – Das wird es einfach nicht mehr spielen. Der Medienkonsum wird zusehends nicht-linear, das heißt, man greift auf einzelne In­halte zu, die über soziale Medien geteilt werden beziehungsweise auf einem anderen Weg zu Konsumentinnen oder Konsumenten kommen, aber nicht dadurch, dass ich li­near fernsehe.

Der ORF definiert sich aber geradezu über dieses lineare TV, er ist ja vor über einem halben Jahrhundert als Medieninfrastruktur auch so konzipiert worden, dass wir uns ge­meinschaftlich so etwas wie Fernsehen leisten. Jetzt aber ist seine Aufgabe, Public Value zu produzieren, und nicht mehr, diese Infrastruktur bereitzustellen, die vom pri­vaten Markt mindestens genauso gut abgedeckt wird.

Will man dem ORF aber die Möglichkeit geben, sich selbst umzubauen, dann muss man das auch tun. Im Moment findet er gar nicht die Rahmenbedingungen vor, den Weg einzuschlagen, moderne Kommunikationsinstrumente zu nützen, moderne Medien selbst zu entwickeln – ich spreche von mobilen Applikationen, ich spreche von Apps, von Social Media et cetera, et cetera.


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Der ORF ist also limitiert, muss befreit werden und sollte nicht den Weg gehen, der Fragmentierung der Medienlandschaft dahin gehend Rechnung zu tragen, dass er selbst immer mehr Angebot schafft und in die Breite geht, er sollte sich stattdessen vertiefen und auf die Produktion öffentlich-rechtlicher Inhalte fokussieren.

Das ist sozusagen der Innendruck, dem der ORF ausgesetzt ist. Dem gegenüber steht der Außendruck, dem der ORF jetzt ausgesetzt ist und, wenn sich punkto Gebühren nichts tut, immer stärker ausgesetzt sein wird.

Der ORF ist politisch und ökonomisch marktverzerrend. Das ist ein Faktum, das hof­fentlich niemand hier in Abrede stellen wird. Die politische Marktverzerrung haben wir in den letzten Wochen beziehungsweise in den letzten beiden Monaten bei der Wahl des neuen Generaldirektors und bei der Bestellung der neuen Direktorinnen und Direk­toren mitbekommen. Wir fordern hier um nichts mehr als die parteipolitische und politi­sche Unabhängigkeit des ORF durch eine Gremienreform. Es ist gar nicht so schwie­rig, das zu bewerkstelligen. Es gibt einen Stiftungsrat, der jetzt mit Freundeskreisen durchsetzt ist. Man könnte diesen Stiftungsrat einfach parteipolitisch unabhängig be­setzen, verkleinern, das Modell des ORF an jenes einer AG anlehnen – mit einem Auf­sichtsrat – und dabei dafür sorgen, dass Parteipolitik weitgehend herausgehalten wird. Solche Kleinigkeiten wie das Anhörungsrecht der Landeshauptleute gehören natürlich auch abgeschafft.

Die ökonomische Verzerrung, die der ORF dadurch in den Markt trägt, dass er mit zir­ka 1 Milliarde € Umsatz das größte Medienhaus des Landes ist, ist, so denke ich, auch etwas, das ohne viel Widerrede hingenommen werden wird. Er führt durch seine Größe natürlich automatisch zu einer marktverzerrenden Stellung. Er lukriert mit zirka 600 Mil­lionen € pro Jahr einen Großteil seines Umsatzes durch Gebühren und nimmt außer­dem noch bis zu einem Drittel der Gelder aus dem Werbemarkt heraus.

Wenn wir heute ein staatliches Medienhaus entwerfen würden – auf diese Idee kommt ja gar niemand –, dann würde man sicher nicht so etwas wie den ORF in seiner jet­zigen Form konzipieren, aber es ist immer ein guter Reality Check, sich diese Frage zu stellen: Brauchen wir ein staatliches Medienhaus, und was soll dieses staatliche Me­dienhaus leisten? – Früher war das gemeinschaftlich eben Fernsehen, heute ist es die Produktion von Public Value. Das sagt im Übrigen auch die Wissenschaft. Professor Karmasin meint, der Medienmarkt ist einer, der für Marktversagen sehr typisch ist. Die­se Aussage kann man einerseits entgegennehmen, die kann man aber natürlich auch selbst hinterfragen und challengen.

Die Frage ist: Ist ein Medienmarkt ohne Medienförderung nicht auch möglich? – So weit wollen wir gar nicht gehen, sondern wir nehmen diese Arbeitshypothese an, die auch in vielen anderen europäischen Ländern als Grundlage einer Medienförderung dient, und arbeiten einfach damit. Wir sagen: Wenn wir schon Geld in diesen Markt ste­cken, dann soll er das liefern, was wir für den demokratischen Diskurs als Grundlage brauchen, das heißt öffentlich-rechtlicher Mehrwert, mit Betonung auf Mehrwert, den an­geblich Private nicht herstellen können.

Wenn der ORF jetzt sagt, er braucht mehr Gebühren und dabei handelt es sich gar nicht um eine Erhöhung, sondern um eine Valorisierung, dann muss ich leider sagen, dass der ORF da nicht ganz bei der Wahrheit bleibt, denn wenn wir uns die Ent­wicklung der ORF-Gebühren im Verlauf der letzten zehn Jahre ansehen (ein Balken­diagramm mit der Überschrift „Entwicklung Gebühreneinnahmen 2006-2016“ vor sich auf das Rednerpult stellend), dann sehen wir, dass der Teil, den der ORF bekommt, ansteigt – das sind die roten Balken. Der sich darüber befindende gelbe Anteil, der ein bisschen aussieht wie Palmöl, der fließt nicht dem ORF aus der GIS-Gebühr zu. Be­sagter unterer Teil in Rot unterliegt einer Steigerung von zirka 12 Prozent in den letzten fünf Jahren und zirka 30 Prozent in den letzten zehn Jahren. Das ist deutlich über der


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Inflation. Das heißt, durch die Zunahme der Bevölkerung und durch die größere Zahl der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler werden die Einnahmen des ORF aus den Gebühren automatisch valorisiert. Es handelt sich also um keine Anpassung an die Inflation, sondern um eine De-facto-Gebührenerhöhung, die der ORF hier im No­vember oder im Dezember verlangen wird.

Mit diesem Geld Programm zu finanzieren, das dazu dient, die Reichweite zu erhöhen, bedeutet ja nichts anderes, als die Menschen, die das zahlen, auch dem Zwang un­terwerfen zu wollen, dieses Programm zu sehen, damit sie mit Public Value konfrontiert werden – und wir glauben, das ist der falsche Weg. Diese Erkenntnis ist auch gereift, das entnehme ich der Enquete.

Also ORF: Fokus auf Inhalte mit Mehrwert, sonst aber nichts. Dazu müssen wir den ORF strukturell umwandeln von einem Anbieter von Infrastruktur in einen Anbieter von Public Value, der über die Medienförderung Neu finanziert wird, die in diesem Zusam­menhang natürlich dramatisch erhöht werden muss. Die Werbeeinnahmen müssen ab­geschichtet werden, genauso wie die Rundfunkgebühren. Ziel dabei ist nicht, den ORF zu töten, das wiederhole ich noch einmal, sondern ihn umzuwandeln eben vom Infra­strukturanbieter zum Inhalteanbieter. Das Ganze geschieht in Zukunft ohne GIS und oh­ne Parteipolitik. (Beifall bei den NEOS.)

9.17


Präsidentin Doris Bures: Für eine einleitende Stellungnahme hat sich Herr Bundes­minister Mag. Drozda zu Wort gemeldet. Herr Minister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


9.18.05

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda: Das wird sie nicht. – Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Gelegenheit, einige grundsätzliche Anmerkungen zur Mediensituation und zur Medienpolitik zu machen. Ich möchte das in sechs Punkten zusammenfassen.

Der erste Punkt ist ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen des dualen Systems. Das Modell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Demokratiemodells. In Ländern wie Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark, Belgien, den Niederlanden oder der Schweiz ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk so wie in Österreich natürlich eine wesentliche Säule der Demo­kratie. Die Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist rechenschaftspflichtig ge­genüber Behörden, Gerichten und der Öffentlichkeit.

Zweitens, zur rechtlichen Situation: Ich möchte die Gelegenheit nützen und einige As­pekte in Erinnerung rufen, die selbstverständlich scheinen, aber nur hier bei uns selbst­verständlich sind, denn die Institution des öffentlichen Rundfunks – bei uns eben der ORF – wird nur hier und nicht in den anderen europäischen Ländern, die ich erwähnt habe, in einer Dichte und in einem Umfang kontrolliert, der in Europa einzigartig ist.

Die Kontrolle erfolgt durch eine verfassungsrechtlich weisungsfrei gestellte Behörde, die KommAustria, bestehend aus hoch qualifizierten Juristinnen und Juristen. Das geht weit über die Situation etwa in Deutschland hinaus, wo der öffentlich-rechtliche Rund­funk lediglich durch die internen Rundfunkräte von ARD und ZDF kontrolliert wird. Selbst­verständlich wird der ORF neben der behördlichen Kontrolle auch durch den Stiftungs­rat und auch durch den Rechnungshof kontrolliert. Die Kontrolle in Österreich umfasst etwa die Regelung zur Werbung, Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten und vor allem die Einhaltung des Objektivitätsgebots.

Insbesondere die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags unterliegt der strengen richterlichen Kontrolle, ebenso wie die wirtschaftliche Gebarung des Unternehmens.


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Drittens zur Marktstellung des ORF: Der ORF ist evidenterweise eines der erfolgreichs­ten europäischen Medienunternehmen. Die Marktanteile in TV und Radio liegen im eu­ropäischen Vergleich im Spitzenfeld, auch online ist der ORF Nummer eins. Der ORF erreicht mit seinen Medienangeboten täglich 92 Prozent aller Österreicherinnen und Ös­terreicher, die Marktanteile liegen im Fernsehen bei rund 32,5 Prozent. Damit liegt der ORF an fünfter Stelle der öffentlich-rechtlichen Sender und um fast 10 Prozent über dem europaweiten Median vergleichbarer Sender.

Beim Radio ist das Bild noch eindrucksvoller. Beim Radio liegt der ORF mit 71 Prozent an dritter Stelle der Öffentlich-Rechtlichen und somit um mehr als das Doppelte über dem europaweiten Median.

Der ORF beschäftigt 3 370 Mitarbeiter, fast 1 900 Journalisten. Ich habe mich in den letzten Wochen, wie Kollege Alm schon berichtet hat, im Rahmen der Medienenquete gründlich vorbereitet. Der gesamte Printmediensektor in Österreich umfasst rund 2 000 Jour­nalisten. Das heißt, der ORF hat in dem Umfang der beschäftigten Journalistinnen und Journalisten die Dimension, die der gesamte Printsektor gemeinsam hat.

Ein vierter Aspekt ist mir wichtig, auf den ich noch eingehen möchte, und dieser ist mir wichtig, weil ich ja auch für Kunst und Kultur zuständig bin und ich das für einen ent­scheidenden Teil des Public Value halte. Hervorzuheben ist das wirklich sehr gute An­gebot, das der ORF auf Ö1, ORF III, 3sat, FM4 hat. Abgerundet wird das Ganze durch die Aktivitäten des Radio-Symphonieorchesters. Insgesamt bietet der ORF wichtige Kul­turplattformen.

Allein die Investitionen in die Filmwirtschaft betragen rund 100 Millionen €, und ich könn­te Ihnen jetzt eine lange Liste von Preisen vorlesen, die Emmys, Oscars, Goldenen Pal­men, die aus Koproduktionen entstanden sind.

Jedenfalls ist, weil Sie, Kollege Alm, die Public-Value-Aspekte angesprochen haben, Fak­tum, dass die Public-Value-Programmleistung des ORF nur im Rahmen einer zielgrup­penadäquaten Programmierung ein breites Publikum erreichen kann. Das ist, glaube ich, evident. Und dass neben Information und Kultur auch Sport- und Unterhaltungsangebote zu einem stimmigen öffentlich-rechtlichen Programmangebot zählen, ist auch evident.

Einen fünften Aspekt möchte ich herausstreichen, und das ist der internationale As­pekt. Ich habe am Montag bei der Enquete festgehalten und möchte es hier nochmals in diesem Kreis wiederholen: Wenn die Haie einen Fischschwarm umkreisen, macht es evolutionär keinen Sinn, wenn sich die Beutefische zunächst einmal selbst kannibali­sieren. Was ich damit meine: Es geht nicht um ORF gegen Private, um Fernsehen ge­gen Zeitungen, es geht um die Frage, wie sich die österreichische Medienlandschaft im globalen, europäischen und digitalen Wettbewerb positioniert und so den Fortbestand si­chert.

Die größten Bedrohungen der eigenständigen österreichischen Medienlandschaft ge­hen nicht von den einzelnen inländischen Anbietern aus, sondern von jenen Plattfor­men, die weder inhaltlich noch kaufmännisch eine Unterscheidung zwischen eigenem und nicht eigenem Content vornehmen, also nicht mit eigener Leistung Traffic herbei­führen und Umsätze und damit letztlich Gewinne erzielen. Sie kommen von jenen, die Inhalte ohne faire Gegenleistung absaugen oder im schlimmsten Fall gratis zur Verfü­gung gestellt bekommen.

Ich möchte daher wirklich nochmals eindringlich an alle Player der Medienbranche ap­pellieren, zusammenzustehen, wenn es um die notwendigen Änderungen der Spielre­geln auf europäischer und internationaler Ebene geht.

Sechstens und abschließend: Das Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen des dualen Systems darf natürlich kein Freibrief zur Strukturkonservierung sein.


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An diesem Punkt möchte ich grundsätzlich bekennen: Es war und ist mehr denn je Auf­gabe der Demokratie, sicherzustellen, dass redaktionell gestaltete Medien als Herstel­ler von Öffentlichkeit eine positive Überlebensprognose erhalten, entweder mit Regula­tion, wie dies im Bereich der elektronischen Medien geschieht, oder mit Förderungen, wie es jetzt im Pressebereich und im privaten Bereich geschieht.

Es geht, wie Karmasin auch vergangenen Montag wieder gesagt hat, um die Infra­struktur der Demokratie. Und diese Infrastruktur der Demokratie ist ausreichend und aus­kömmlich zu finanzieren.

Das grundsätzliche Bekenntnis zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Rahmen des dualen Systems schließt aber nicht eine Positionierung im internationalen Wettbewerb und daraus folgende Notwendigkeiten zu Anpassung und Veränderungen beim ORF aus, und es darf auch kein Freibrief zur Strukturkonservierung sein.

Wirtschaftlichkeit muss für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Teil der Handlungsstra­tegie und Handlungsanleitung sein.

Und weil ich mehrfach dazu gefragt wurde, möchte ich das auch hier im Hohen Haus wiederholen: Ich stehe Diskussionen über Gebührenerhöhungen ablehnend gegenüber, auch wenn ich hier keine unmittelbare und direkte Steuerungsmöglichkeit habe. Ab­lehnend deshalb, weil ich wirklich der Überzeugung bin, dass wir uns mit der Frage der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks – und da treffe ich mich mit dem Kollegen Alm – eingehend auseinandersetzen müssen, und zwar so, dass wir heute die Wei­chenstellungen vornehmen, die den Herausforderungen der bevorstehenden Jahre ge­recht werden.

Und ich sehe im Zusammenhang mit der Zukunft des ORF vor allem drei grundsätz­liche und wesentliche Fragen:

Erstens: Was will und braucht die Gesellschaft von einem öffentlich-rechtlichen Sen­der? Wie definiert sich der öffentlich-rechtliche Auftrag?

Zweitens: Wie positioniert sich ein derartiger Sender im internationalen Wettbewerb un­ter Berücksichtigung unterschiedlicher Finanzierungssäulen?

Und drittens: Wie sieht eine zeitgemäße Gremienstruktur unter der Berücksichtigung der notwendigen demokratischen Legitimation aus?

Auf diese Fragen brauchen wir perspektivische, in einer Situation der Medienkonver­genz neue Antworten. Dazu werde ich im Frühjahr des nächsten Jahres zu einer wei­teren Enquete einladen, zu der wir alle wesentlichen Stakeholder einladen und mit ih­nen diese drei wesentlichen Fragen besprechen werden. Die Ergebnisse sollten die Grundlage für eine allfällige Novellierung des ORF-Gesetzes sein. (Beifall bei der SPÖ.)

9.27


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass alle weiteren Teilnehmer an der Debatte eine Re­dezeit von 5 Minuten haben.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


9.27.11

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich muss fest­stellen, den Niko Alm, den ich an sich sehr schätze, haben in den letzten Wochen ein bissel die Ereignisse überrollt. Ich glaube, der Hinweis, im ORF wäre parteipolitisch ge­packelt worden, wurde allein durch den Konsens widerlegt, den man bei der Bestellung der Direktoren gefunden hat (Heiterkeit bei FPÖ, NEOS und Grünen), an dem alle beteiligt waren: der freiheitliche Stiftungsrat Steger, der grüne Stiftungsrat Embacher,


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der NEOS-Stiftungsrat Haselsteiner, zwei von der ÖVP, aus Vorarlberg und Tirol – es gab zwei Enthaltungen von der ÖVP; nur die Gruppe Zach war da etwas anderer Mei­nung –, und natürlich die sich sozialdemokratisch fühlenden Stiftungsräte und alle an­deren.

Und jetzt sage ich Ihnen, es ist eigentlich in unserem Interesse, dass wir da zustim­men, wenn selbst eine Zeitung wie die „Presse“ eindeutig feststellt, zum Beispiel den Kaufmännischen Direktor betreffend, der seit Jahrzehnten in dem Unternehmen wirkt – also eine Entscheidung nach Qualifikation –, er, Andreas Nadler, „gilt als Experte, der die ORF-Finanzen im kleinen Finger hat – und als politisch unabhängig.“ Monika Ei­gensperger wird als „politisch nicht deklariert“ beschrieben – sie wird für den Radiobe­reich und weiterhin für FM4 zuständig sein. Oder Kathrin Zechner: Sie können doch nicht sagen, dass die irgendwo politisch zuordenbar ist. (Lebhafte Heiterkeit bei der FPÖ.) Also sie wird hier als eine Fachkraft … – Na ja, bei einer schlagenden Verbin­dung ist sie nicht, da gebe ich Ihnen recht. Das ist richtig. (Beifall bei der SPÖ.) Aber ansonsten ist sie, glaube ich, politisch auch nicht zuordenbar.

Es hat eine breite Mehrheit dazu gegeben, und ich finde das auch gut so. (Abg. Räd­ler: Lächerlich!) – Das müssen Sie dem Tiroler und dem Vorarlberger Stiftungsrat von der ÖVP sagen, das Wort „lächerlich“, denn die haben nämlich auch zugestimmt. (Abg. Rädler: Nein, Sie sind lächerlich!)

Also worum geht es hier? – Es geht hier darum, dass wir uns einmal bewusst werden, wo die Herausforderungen der Zeit sind. Und die Herausforderungen der Zeit sind, dass wir daran interessiert sein müssen, dass der ORF ein starker öffentlich-rechtlicher Sender im Rahmen einer Konzeption von Medienpolitik ist – mit Presseförderung –, mit der wir Vielfalt garantieren und wo es nicht am Schluss, so wie es in der Medienen­quete von einem Redner dort teilweise herauszuhören war, nur mehr RTL und sonst gar nichts mehr gibt. Da kommen Sie (in Richtung FPÖ) dann gar nicht mehr vor, die Lacher. Nicht einmal das Lachen kommt von Ihnen dort mehr vor.

Und da möchte ich Ihnen sagen, das kann doch nicht in unserem Interesse sein. Es geht doch um die … (Abg. Walter Rosenkranz: Woher wissen Sie das?) – Wenn man sich die Kanäle anschaut, dann weiß man es. Dort lachen ganz andere Leute. – Wenn man sich das ansieht, dann bin ich dafür, dass wir so etwas wie eine österreichische Kulturidentität zu wahren haben (Abg. Walter Rosenkranz: Also nicht so nationalis­tisch! Das ist ja fast schon revanchistisch und chauvinistisch!), dass wir in einer Zeit, in der multinationale Konzerne, Medienkonzerne immer mehr Macht in ihren Händen kon­zentrieren – und jetzt sollten wir wieder gemeinsam marschieren können –, dafür sor­gen, dass diese nicht auch in Österreich zu einer Monopolsituation kommen.

Sie schöpfen aus den Werbefenstern über 500 Millionen € ab. So viel hat der ORF nie und nimmer. Der hat eine Kombination aus Gebühren und aus Werbeeinnahmen, und das ist auch gut so. Und er hat auch eine hohe Publikumsakzeptanz, wie wir vorhin wieder an den Einschaltquoten sehen konnten. Die Gebühren sind übrigens niedriger als in Deutschland. Das, was dem ORF bleibt, nach Abzug von allem, was wir kennen, sind knapp über 16 € im Monat. Das muss man einmal eindeutig hier feststellen. Das können wir alles ändern! Wir können das alles in Frage stellen. Aber Faktum ist, dass wir uns den ORF mit seiner hohen Publikumsakzeptanz und als Teil österreichischer Kernidentität nicht zu einem deutschen kulturimperialistischen Ableger machen lassen wollen – oder, darüber hinausgehend noch, von anderen multinationalen Konzernen. (Abg. Walter Rosenkranz: Also wenn ich mir die Serien im ORF anschaue, kommt mir vor, das ist schon eingetreten!) Da diskutieren wir nämlich alle über Google, über Face­book, da diskutieren wir über den ganzen Komplex RTL und so weiter. (Abg. Walter Ro­senkranz: In den Kindersendungen schmeckt auch schon alles „lecker“!)


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Und ich sage Ihnen, Sie brauchen dabei natürlich auch einen Unterhaltungsaspekt und Sie brauchen den Sportaspekt, und das ist etwas, was auch das Publikum will.

Ein Konzept, das zur Zerschlagung des ORF führt, wo sich fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich bemühen, und das ein Schlag ins Gesicht des Publikums wä­re, kann nicht etwas sein, was hier gewollt ist. Und deshalb meine ich, man sollte das zur Kenntnis nehmen. Man sollte auch zur Kenntnis nehmen, dass die Schüssel-Re­form 2001 eine gute Reform war, dass die 35er-Zahl im Stiftungsrat repräsentativ ist (Ruf bei der FPÖ: Für die SPÖ und die ÖVP schon!), dass damit mehr Kompetenzen für die Generaldirektion verbunden sind. Das war wohlüberlegt, und das, muss ich sa­gen, war jedenfalls auch ein Beitrag, der dazu geführt hat, dass der ORF handlungsfä­higer ist und eine Struktur hat, mit der er konkurrenzfähiger ist und im internationalen Vergleich mit den anderen Öffentlich-Rechtlichen sehr wohl und sehr gut bestehen kann.

Sie sollten eigentlich versuchen, nicht parteipolitisch motiviert zu grinsen, sondern Sie sollten versuchen, hier mitzuwirken an der Festigung eines Stückes österreichischer Kul­turidentität. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim: So stelle ich mir eine Rede vor!)

9.32


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


9.32.42

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns immer, wenn die Kollegen von der Sozialdemokratie die Regierungsjahre von Bundeskanzler Dr. Schüs­sel loben. Ich glaube, das ist gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neu­bauer.) Sie haben vollkommen recht, Kollege Dr. Cap, das waren gute Jahre für Ös­terreich. Und ich finde es schön, dass das langsam auch von den Kollegen von der So­zialdemokratie anerkannt wird.

Wenn wir über die Medienpolitik und die Reformmaßnahmen des ORF diskutieren, dann tun wir das, denke ich doch, auch – ich glaube, der „Falter“ hat auch in einem Artikel diese Woche darauf verwiesen – im Sinne Jean-Jacques Rousseaus, der ja die Medien sozusagen als vierte Staatsmacht apostrophiert hat, neben der Legislative, der Exe­kutive und der Gerichtsbarkeit – die Medien als kritische Information für die Bürgerin­nen und Bürger, um ihnen auch eine entsprechende Auswahlmöglichkeit darzulegen.

Dazu ist es aber auch notwendig, dass wir diese Pluralität bei den Medien erhalten und dass wir sehr kritisch sind, wenn es etwa um Fragen von Monopolstellungen geht. Da­mit man das erreicht, meine Damen und Herren, müssen wir auch eine gewisse Aus­geglichenheit sicherstellen, und ich finde, dass viele Punkte, die Kollege Alm angespro­chen hat, richtige Punkte sind. Wie unabhängig die Stiftungsräte sind, Kollege Alm, sieht man ja allein am Stimmverhalten Ihres Stiftungsrates, der nämlich immer entgegen Ih­ren politischen Positionen abstimmt, das ist ganz interessant (Abg. Strolz: Der hat aus Protest die Sitzung verlassen, bitte!), der gegen Reformmaßnahmen stimmt, der Ge­bührenerhöhungen das Wort redet, das ist ganz interessant. Er vertritt eine andere Posi­tion, als die NEOS hier vertreten.

Mir und uns geht es eigentlich um Waffengleichheit in der Medienlandschaft. Wir halten das für notwendig und für wichtig, unabhängig davon, ob es um Förderungen geht oder ob es um die Frage von Gebühren geht. Und wenn man über eine Medienförderung Neu debattiert, dann sind natürlich auch wir hier gefragt. Der Herr Bundesminister hat eine Enquete zu dem Thema veranstaltet; ich denke, dass wir hier auch parlamenta­risch ins Gespräch kommen müssen. Die Regierung hat einerseits Vorschläge, aber ich meine, dass auch wir Parlamentarier hier stärker Vorschläge einbringen sollten und


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möglicherweise hier im Haus ein entsprechendes Format aufsetzen sollten, um über diese Fragen zu diskutieren.

Eine Medienförderung Neu muss alle Bereiche umfassen, auch den ORF, natürlich die Privatsender, Printmedien, den Digitalbereich und natürlich auch das ganze Spektrum der Regionalität. Was aus unserer Sicht nicht gehen wird, ist ein more of the same. Ein wenig gewinnt man ja schon den Eindruck, dass es in diese Richtung gehen soll.

Es ist ja angesprochen worden vom Kollegen Cap, es gab eine Kandidatur des Richard Grasl gegen den jetzigen Generaldirektor, eine Kandidatur im Sinne einer Reform des ORF mit einer Fülle von, wie ich meine, sehr interessanten Reformvorschlägen, exzel­lenten Reformvorschlägen. Einer der völlig unbestrittenen, großen Medienmanager aus Österreich, Gerhard Zeiler, Fast-Parteivorsitzender der SPÖ, hat ja all diese Vorschlä­ge ausdrücklich unterstützt und begrüßt. Also ich denke, so schlecht können sie nicht gewesen sein. Übrigens: Haselsteiner hat auch gegen ihn gestimmt, also war nicht ganz so auf der reformfreudigen Seite im Sinne der NEOS.

Wenn wir uns jetzt die Finanzsituation des ORF anschauen, dann stellen wir schon fest, dass da in den nächsten Jahren eine, ich möchte sagen, erschreckende Finanzlücke auf­klafft, die aber nicht durch Gebührenerhöhungen zu schließen sein wird. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der ÖVP.) Und ich bin dem Herrn Bundesmi­nister außerordentlich dankbar für sein klares Bekenntnis, auch für die Aussage, die Sie getätigt haben, Herr Bundesminister, dass die Einflussnahme der Politik hier mögli­cherweise zu gering ist. – Na dann wird man in dieser Frage darüber nachdenken müs­sen, ob eine öffentlich-rechtliche Einrichtung wie der ORF sozusagen von sich aus gleich­sam eine ORF-Steuer erhöhen kann. Darüber müssen wir wahrscheinlich nachdenken, ob man da nicht allenfalls gesetzlich wird nachschärfen müssen.

Also ein more of the same wird nicht gehen. Wir werden über Strukturreformen im ORF diskutieren müssen. Es stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, dass ein Milliarden-Un­ternehmen durch einen Allein-Geschäftsführer agiert. Das macht ja nicht einmal Herr Haselsteiner in seinem eigenen Unternehmen, dass er die Dinge allein entscheidet. Wir wollen also hier Reformen sehen. (Abg. Schieder: Wir wollen den Grasl sehen, in Wahrheit!) Wir werden Reformen positiv und konstruktiv begleiten. Aber wir wollen auch Waffengleichheit unter den Medien, denn die Pluralität ist, denke ich, entscheidend, ist sie doch ein wesentliches Element für unser demokratisches Land. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Mag. Schrangl. – Bitte.

 


9.38.27

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Hohes Haus! Liebe Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler! Liebe Steuer­zahler! Die NEOS haben heute dieses Thema auf die Tagesordnung gestellt, aber gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht, Herr Alm. Wie üblich tun die NEOS auf neu und frisch, tun so, als würden sie die Welt neu erfinden, bedienen aber letztlich doch nur alte Strukturen, wie das ihr Stiftungsrat und Financier Hans Peter Haselsteiner im ORF gemacht hat.

Beleuchten wir aber das unwürdige Schauspiel dieser Bundesregierung rund um die Bestellung des Generaldirektors und der Zentraldirektoren: Ja, meine Herrschaften von ÖVP und SPÖ, glauben Sie denn, Ihnen gehört der ORF? Glauben Sie, Ihnen persön­lich gehört der ORF? Gehört er Ihnen? (Zwischenruf des Abg. Schultes.– Gut, also der ÖVP gehört der ORF! Wenn ich höre, dass innerhalb der Regierung von Krieg ge­sprochen wird, wenn es um die Bestellung des Generaldirektors und der Zentraldirek-


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toren geht, dann muss einem das ja so vorkommen, als ob Sie diesen Herrschaftsan­spruch im ORF stellen. Oder ist das vielleicht auch dieser viel beschworene New Deal, den diese neue Bundesregierung ausgerufen hat?

Sprechen wir aber über Entpolitisierung: Entpolitisierung – dieses Wort in Verbindung mit dem ORF ist, glaube ich, so alt wie der ORF. Aber was ist Politik eigentlich, und was bedeutet Politik? – Politik will und ist nicht mehr als die Regelung des Zusammen­lebens der Menschen. Wenn ich mir den ORF und seine rechtliche Zusammensetzung anschaue, dann stelle ich fest, dass dieser seit 2001 eine Stiftung ist, eine Stiftung öffentlichen Rechts, und bei einer Stiftung möchte ich nicht von Eigentümern sprechen, sondern eher von Begünstigten. Schauen wir uns an, wer denn diese Begünstigten sind! Diese Begünstigten sind die Österreicherinnen und Österreicher; daher müssen wir da­nach trachten, dass die wirkliche, demokratisch legitimierte Vertretung der Österreiche­rinnen und Österreicher auch den ORF kontrolliert und im ORF etwas zu sagen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wer ist denn die wirkliche, demokratisch legitimierte Vertretung der Österreicher und Österreicherinnen? – Ja, meine Herrschaften, das sind Sie! Sie und wir, das Parla­ment, sind die wirkliche, demokratisch legitimierte Vertretung, und daher ist es unser Vorschlag, den § 20 Abs. 1 Z 3 ORF-Gesetz – für die Insider – zu ändern, und zwar die Bestellung durch die Bundesregierung in eine Bestellung durch das Parlament zu än­dern, um dieses unwürdige großkoalitionäre Schauspiel nicht wiederholen zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute hört es sich in diesem Haus aber fast so an, als hätte die Regierung Kreide ge­gessen, aber vielleicht geht es ja heute auch um mehr als nur um den Österreichischen Alpenverein.

Noch ein kurzes Wort zum öffentlich-rechtlichen Auftrag: Höhere GIS-Gebühren und die GIS-Gebühr überhaupt wird es mit uns ganz sicher nicht geben. Es wurde schon oft gesagt, und ich glaube, Generaldirektor Wrabetz kann es wahrscheinlich nicht mehr hö­ren, vielleicht ändert er einmal seine Ausrichtung: Amerikanische Blockbuster und Se­rien, dreimal „The Big Bang Theory“ am Nachmittag, das entspricht nicht dem öffent­lich-rechtlichen Auftrag. Und wenn ich das Fernsehprogramm zur Hand nehme (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter), dann frage ich mich oft, ob es nicht vielleicht geschei­ter wäre, ServusTV gegen den ORF einzutauschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Frei nach ein paar Kabarettisten, die im ORF oft Dinge zum Besten geben, die uns Frei­heitlichen nicht gefallen, weil sie nicht dem Grundsatz der Objektivität entsprechen (Abg. Matznetter: … Objektivität!), die ich aber trotzdem hier einmal zitieren möchte: Da wird sich der ORF mehr einfallen lassen müssen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­ruf des Abg. Matznetter. – Abg. Schrangl – das Rednerpult verlassend –: Runterkom­men! Sprechen! – Abg. Matznetter: Das war ja auch kabarettreif! – Ruf bei der FPÖ: Blendende Rede! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

9.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. – Bitte.

 


9.42.50

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! In den letzten Jahren hat man immer wieder die Debatte gehört, die über Zwangsgebüh­ren im ORF geführt worden ist. Herr Strache und die FPÖ haben das seit Jahren be­trieben, da war Herr Lugar vom Team Stronach natürlich auch nicht weit davon entfernt und hat sich angeschlossen.

Bei diesen beiden Parteien hat es einen ja nicht gewundert, denn wenn man der Mei­nung ist, dass man einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht braucht, stattdessen mit


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Formaten wie FPÖ-TV, „unzensuriert.at“ auskommt und es eigentlich so anlegt, dass möglichst wenige eine Medienvielfalt haben, sondern mit solchen neuen Medien ver­sucht, eindimensional Information zu verbreiten, die – egal, welche Partei das betreibt – mit Sicherheit keinen Objektivitätscharakter haben kann, dann versteht man ja, warum es Sinn macht, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerschlagen zu wollen. Bei Herrn Lugar kann man jetzt darüber philosophieren, aber von dem, was Herr Strache sagt, ist Herr Lugar ja nicht weit.

Seit einigen Tagen höre ich den Begriff Zwangsgebühren auch vonseiten der NEOS; interessanterweise wurde er, wenn man Herrn Alm zugehört hat, hier nicht gebracht, da war es eher akademisch angelegt. Bei der gestrigen Pressekonferenz offenbar: Strolz und Alm wettern gegen die Zwangsgebühren im ORF. Das finde ich schon interessant, denn wenn man da vergleicht – Niko Alm hat es versucht, aber er hat sehr viele Dinge weggelassen –, dann stellt man sich die Frage: Gibt es eine vergleichbare westliche De­mokratie, in der es diese Form von Gebührenfinanzierung für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gibt?

Die Schweiz, Deutschland, die skandinavischen Länder, alle vergleichbaren europäi­schen Länder haben ein ähnliches System. Die Schweiz hat Einnahmen von 1,2 Mil­liarden €, etwa das Doppelte von Österreich. (Abg. Neubauer: Ist auch ein besseres Programm!) In Deutschland liegen die Gebühreneinnahmen bei über 8 Milliarden €; 8 Milliarden € gegenüber 600 Millionen € in Österreich – das heißt, selbst in absoluten Zahlen verglichen, pro Kopf mehr Einnahmen in Deutschland als in Österreich, aber nicht neun- oder zehnmal so viele Sender.

Dann kann man die Frage stellen: Kann es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne Gebührenfinanzierung geben? – Das Konzept, das Herr Alm ja medial präsentiert hat, hat er hier nicht dargestellt; vielleicht kann ich es vereinfacht darzustellen versuchen – ich hoffe, ich habe es richtig verstanden, es ist manchmal nicht ganz so einfach –: Es heißt offenbar, der ORF wird als Sender aufgelöst, den gibt es nicht mehr. Die Re­daktionen soll es weiter geben, diese werden über Medienförderungsmittel finanziert, und das, was sie produzieren, können sie auf dem freien Markt anbieten und schauen, ob es dann gesendet wird. – Ich glaube, ich habe es relativ korrekt dargestellt, zumin­dest habe ich es so verstanden.

Dann kann man gleich sagen und draufschreiben: Schaffen wir den öffentlich-rechtli­chen Rundfunk ab!, denn das wird die Folge daraus sein. Und dann schaue ich mir Ös­terreich in einer Konkurrenzsituation mit Deutschland an, in der es schon jetzt Entwick­lungen gibt, die dramatisch sind. Davon hat man von den NEOS nichts gehört. Josef Cap hat es am Rande angesprochen. Ich würde das (eine Tafel mit einem Kurvendia­gramm mit der Überschrift „Werbemarktanteile TV-Bruttospendings in Österreich“ in die Höhe haltend) gerne auch noch einmal darstellen.

Das ist zwar nicht ganz so übersichtlich, ich habe es aber bewusst gelassen, weil es nämlich von ATV erstellt worden ist und nicht vom ORF. Das sind die Einnahmen aus Werbung in Österreich. Die rote Kurve ist der Anteil des ORF; dieser lag vor zehn Jah­ren noch bei zwei Dritteln, heute ist er bei unter 30 Prozent. (Abg. Neubauer: Weil er kein Werbeträger mehr ist!) Die ORF-Einnahmen aus Werbung sind in absoluten Zah­len in den letzten zehn Jahren gesunken, und zwar von 343 Millionen auf 284 Millio­nen €; das ist ein Minus von 18 Prozent in den letzten zehn Jahren. Demgegenüber sind die Werbeeinnahmen in Summe deutlich gestiegen. Und jetzt kommen wir zu die­sen Kurven. Was sind das für Kurven? – Das sind die Werbefenster, die deutschen Werbefenster in Österreich, nicht die Sender, die in Österreich produzieren, sondern die deutschen Werbefenster.

Was die Einnahmenentwicklung aus Werbung betrifft: 2006: 148 Millionen €, 2015: 567 Mil­lionen € aus Werbefenstern, kein in Österreich produzierter Inhalt, eine Abwanderung,


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was sonst offenbar auch kritisiert wird, ein Plus von 383 Prozent, ein Plus von 400 Mil­lionen € in zehn Jahren, ein Plus von 65 Millionen € allein im letzten Jahr, allein im Jahr 2015.

Jetzt frage ich mich: Ist das die Entwicklung, die wir haben wollen, bei der de facto eine Produktion in Österreich nicht mehr stattfindet? – Und da muss man schon präzise sein. Der ORF sendet viele Serien; das kann man kritisieren. Der ORF produziert aber auch Serien: „Braunschlag“, „Willkommen Österreich“, von mir aus die „Vorstadtweiber“. Ist das jetzt öffentlich-rechtlicher Inhalt? Hat das Public Value oder nicht? – Da wird es näm­lich spannend, darüber zu diskutieren, denn wenn man den ORF auf das reduziert, was sehr interessant ist, auf ORF III, auf Ö1 im Radio, wenn man Sender nimmt wie ARTE, wenn man von mir aus ServusTV nimmt, dann werden wir einen gemeinsamen Schluss haben: Marktwirtschaftlich ist das nicht zu führen. Da kommt Herr Mateschitz und sagt dann von einem Tag auf den anderen: Ich sperre zu! Wenn die Gewerkschaft nicht da­herkommt, werden Hunderte Millionen hineingebuttert. – So lässt sich öffentlicher Rund­funk nicht finanzieren.

Also von da her würde ich schon einmal einen genauen Blick darauf werfen, ob Öster­reich es sich leisten kann, zu sagen: Weg damit! Wir brauchen keinen öffentlich-rechtli­chen Rundfunk mehr! – Wir haben deutsche Sender. Wir haben österreichische Sen­der, die sich alle in der Existenzkrise befinden, die trotz deutlich höherer Werbeeinnah­men offenbar nicht in der Lage sind, einen breiten Bereich von Public Value im Bereich der Information abzudecken. Die Zahlen sind ja ziemlich unbestritten: 90 Prozent der TV-Information werden vom ORF produziert. Das können wir alles streichen, ist alles weg, und dann sind wir alle zufrieden? – Also ich verstehe dieses Konzept schlicht und einfach nicht.

Gremienreform (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – meine Redezeit ist gleich aus –: klar, muss her! Im Übrigen sind die einzigen zwei Fraktionen, die sich vor­stellen können, dass man das nicht parteipolitisch besetzt, die NEOS und die Grünen. Die FPÖ hat es gerade wieder gesagt: am besten das Wahlergebnis repräsentieren. Nach dem Wahlergebnis werden die ORF-Funktionen verteilt, und dann ist alles su­per. – Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei den Grünen.)

9.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


9.48.27

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Minister, was Sie betreiben, ist Arbeitsverweigerung – ganz klar. Das muss man so sagen. (Abg. Stein­hauser: Man sollte wertschätzend beginnen!)

Sie sind letzte Woche an die Medien gegangen und haben gesagt, so wie alle Ihre Kol­legen: Wir werden diese Regierungszeit natürlich noch zwei Jahre, bis 2018, ausdie­nen – was bei der Performance, die Sie liefern, fragwürdig ist; Sie insistieren aber da­rauf –, wir haben noch zwei Jahre!, und gleichzeitig sagen Sie: Wir können in dieser Restperiode keine ORF-Reform mehr machen! – Das versteht doch kein Bürger, dass in zwei Jahren keine Reform möglich ist. Und deswegen sage ich: Das ist Arbeitsver­weigerung, die wir NEOS nicht akzeptieren werden. Das ist inakzeptabel für die Bür­gerinnen und Bürger dieses Landes! (Beifall bei den NEOS.)

Was wir brauchen, ist eine ORF-Reform. Zu sagen, wir erhöhen jetzt einfach die GIS-Gebühren, so wie es viele tun, im Unternehmen, aber auch politische Kräfte, die damit offensichtlich liebäugeln, das halten wir auch für inakzeptabel – aus mehreren Grün­den. Erstens: Der ORF hat in den letzten zehn Jahren den Bürgerinnen und Bürgern


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ungefähr 30 Prozent mehr an GIS-Volumen abgenommen, während die Inflation nur um 20 Prozent gestiegen ist. Das heißt, faktisch hat eine Gebührenerhöhung stattge­funden. Zweiter Punkt: Der ORF hat mit oder ohne Gebührenerhöhung im nächsten Jahr ein Loch von 30 Millionen bis 50 Millionen €; das heißt, es geht ein 100-Millionen-€-Loch auf.

Wir haben in diesem Unternehmen strukturelle Probleme, deren Lösung wir angehen müssen. Wenn wir sie nicht angehen, Herr Minister, wenn wir diese Arbeitsverweige­rung machen, die Sie hier geplant haben, mit Ihren Ministerkollegen, gemeinsam mit ÖVP und SPÖ, dann erleidet der ORF zunehmend ein Schicksal wie die Austrian Air­lines, sodass wir irgendwann vor einem bankrotten Staatsunternehmen stehen und dann sagen können: Geben wir jetzt noch die Käseglocke drüber, subventionieren wir es mit Millionen und Milliarden!

Natürlich braucht der ORF hohe Wertschätzung für die journalistischen Leistungen, die dort erbracht werden – die sind gut, aber natürlich braucht er auch die Möglichkeiten crossmedialer Verwertungen, zum Beispiel der Digitalisierung, die manche in der ÖVP ihm nicht geben wollen; auch diese Antworten müssen in einer ORF-Reform kommen.

Was es natürlich auch braucht, ist eine Strukturreform. Letzte Woche wurde ein Schau­spiel geboten, es wurde eine Nacht lang von der ÖVP verhandelt – liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie müssen jetzt genau zuhören, denn Sie sollten in dieser Schmierenko­mödie die Rechnung zahlen –: Die ÖVP wollte doch einen Generalsekretär, parteipoli­tisch besetzt, und zwei Direktoren und wäre bereit gewesen, dafür eine Erhöhung der GIS-Gebühren in Kauf zu nehmen. Das heißt, Sie (in Richtung ÖVP) lassen die Bür­gerinnen und Bürger zahlen – die Kosten –, und Sie kassieren für Ihre Partei die Pos­ten! – Das ist die Art und Weise, wie Sie dieses Unternehmen führen wollen, und das macht den ORF kaputt, das macht ihn krank und kaputt. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Grillitsch: Diese Rede hat der Cap geschrieben!)

Das macht den ORF krank und kaputt, und Sie sollten sich schämen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, dass Sie diese Art von Kuhhandel so unverschämt in der Öffentlichkeit veranstalten. Früher haben Sie es zwar hinter verschlossenen Türen ge­macht, heute machen Sie es ganz unverschämt öffentlich. Das ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Warum wollen wir die GIS-Gebühr abschaffen? – Weil wir glauben, dass der ORF auch über das reguläre Budget zu finanzieren ist. Wenn Sie jetzt sagen: Dann ist aber der ORF parteipolitisch abhängig!, dann sage ich: Allemal nicht, denn wir gehen auch von einer unabhängigen Justiz aus, und das Justizbudget wird ja auch hier im Plenum fest­gelegt!; also sollten wir auch ein ORF-Budget im Plenum festlegen, wenn es das braucht.

Sie sagen Medienförderung Neu: Herr Minister, Sie haben eine gescheite Enquete ge­macht, Sie sagen auch gescheite Dinge, aber Sie philosophieren hier über einen Bud­getposten von 9 Millionen € – das ist heute die Presseförderung – und sagen: Reden wir bitte nicht über die 600 Millionen €, die wir den Bürgern abnehmen – ORF –, da ha­ben wir die nächsten zwei Jahre keine Zeit!

Das geht so nicht, das ist ein Verschaukeln der Menschen, und das ist eben diese Ar­beitsverweigerung, die wir nicht akzeptieren. Das heißt, das, was wir brauchen, ist eine ORF-Reform ohne GIS, raus mit der Parteipolitik! Es gibt ein klares Bekenntnis von NEOS zum öffentlich-rechtlichen Auftrag und zum gesellschaftlichen Mehrwert eines Public-Value-Produktionshauses ORF Neu. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

9.53


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 30

9.53.10

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Wie unabhängig und wie unpolitisch der ORF ist, das haben wir ja bei der Direktorenbestellung miterleben können; diese Komödie wurde hier schon mehr­fach angesprochen. Was war die Folge dieser Besetzung beziehungsweise dieser Di­rektorenwahl im ORF? – Es war eine „Koalitionskrise“, meine Damen und Herren; das war die Schlagzeile, und das zeigt, wie unpolitisch der ORF wirklich ist. Herr Kollege Cap, Sie hätten es ja auch vielleicht einmal mit der Wahrheit versuchen können, denn so unpolitisch, wie Sie den ORF dargestellt haben, ist er auf keinen Fall. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Allerdings möchte ich einen positiven Schachzug des neuen und alten ORF-General­direktors Wrabetz hier schon noch ansprechen: Der neue Finanzvorstand, Herr Nadler, ist meiner Ansicht nach wirklich unpolitisch, wirklich unabhängig. Das ist einmal ein ers­ter Schritt – ein Versuch – in die richtige Richtung.

Man muss auch ansprechen, dass im ORF wirklich einmal entpolitisiert werden sollte, und ich möchte Ihnen auch sagen, wie das funktionieren kann; nämlich nicht so, wie man es bis jetzt immer gehandhabt hat, indem der Stiftungsrat durch die Parteien besetzt worden ist, durch die Nationalratswahl bestimmt worden ist – das ist alles andere als un­politisch –, sondern man könnte es ja ganz anders machen, und zwar indem man die ORF-Gebühren, die Zwangsgebühren, einmal hernimmt.

Sie, meine Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause, Sie haben jetzt die Mög­lichkeit, einen wirklich unabhängigen ORF zu erleben, und zwar vom Parlament aus, Sie können sich selbst ein Bild machen. Hier herrscht keine gewünschte politische Be­richterstattung, sondern Objektivität, jede Partei kann ihre Ideen hier zum Besten ge­ben, und Sie können sich ein Bild machen. Es wäre schön, wenn es in anderen Berei­chen im ORF auch so wäre, dass nämlich der Gebührenzahler bestimmt, wie der ORF ausschauen soll, und zwar der Zwangsgebührenzahler. Wir zahlen die GIS-Gebühren ja nicht freiwillig, und diese ist in den Bundesländern auch unterschiedlich hoch, weil da die Länder noch mitkassieren und dort auch noch ihr Taschengeld dazuverdienen.

Man könnte es so machen wie bei einem Verein: Wenn ich bei einem Verein bin, zahle ich einen Mitgliedsbeitrag, damit ich dann, wenn ich diesen einbezahlt habe, auch ein Stimmrecht habe und den Vorstand beziehungsweise den Obmann mitwählen darf. Wir vom Team Stronach haben das ja auch immer gefordert, dass beim ORF die Men­schen zu Hause, die ja als Fernsehzuseher, als GIS-Zahler einen Mitgliedsbeitrag zah­len müssen, mittels Briefwahl die Führung des ORF wählen dürfen. Das wäre die un­politischste Lösung und meiner Ansicht nach, wie bei einem Verein, das einzig Rich­tige: dass die Mitglieder, die das Geld für den Verein zur Verfügung stellen, mit dem dieser dann wirtschaftet, bestimmen, was sie wollen, und nicht die politischen Parteien, meine Damen und Herren. (Beifall beim Team Stronach.)

Wie unpolitisch der ORF ist, hat man ja nach diesen politischen Hickhacks, die ich hier schon angesprochen habe, in der Presse nachlesen können. Da möchte ich das Bur­genland herausnehmen, ein von der SPÖ regiertes Bundesland, jetzt in einer Koalition mit den Freiheitlichen. Man muss schon ganz klar sagen, das ist ja hier auch angespro­chen worden: Im Burgenland wurde eigentlich eine tadellose Berichterstattung über die Flüchtlingskrise im letzten Jahr durch den ORF gemacht, und die Folge war dann, dass die SPÖ drei Mandate bei der Landtagswahl verloren hat. Dann wurde von der Landes-SPÖ interveniert, und zwar von Herrn Landeshauptmann Niessl persönlich, sodass der seit 18 Jahren gut situierte und amtierende Landesdirektor Karlheinz Papst, der gute Arbeit geleistet und objektiv im Sinne des Gebührenzahlers und im Sinne des österrei­chischen Fernsehzuschauers Bericht über die wirkliche Situation der Flüchtlingskrise er­stattet hat, von diesem Posten abgezogen wurde, und zwar auf politischen Druck hin.


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Genau das wollen wir vom Team Stronach vermeiden, deswegen sagen wir: Die Bür­ger, die die Zeche zahlen müssen, müssen auch entscheiden können, was der Bil­dungsauftrag des ORF ist, welche Sendungen kommen, und auch im Sinne des unab­hängigen Bildungsauftrags des ORF ihre Stimme abgeben können. Das ist unsere For­derung. Das wäre die richtige Reform. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

9.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte.

 


9.58.34

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Werte KollegInnen! Hohes Haus! Ja, der ORF muss sich mit dem digitalen Zeitalter und den daraus resultierenden Umständen und Herausforderungen auseinandersetzen und muss immer weiter arbeiten. Adaptierungen und Neukonfigura­tionen des Programms, des Bildungs-, aber auch des Programmauftrags sind ein stän­diger Prozess, mit dem sich die Kolleginnen und Kollegen, die im ORF arbeiten, aus­einandersetzen müssen, um auch in dem Zeitalter anzukommen, in dem wir jetzt sind.

Herr Kollege Strolz, Sie sagen, es seien keine Reformen da und es werde nichts zu­gelassen. – Es ist eine ständige Reform, die im ORF stattfindet, damit er zu diesem Zeit­punkt bestehen kann, wie sich auch die digitalen Medien ganz einfach weiterentwi­ckeln. Würde das der ORF nicht machen, wäre es für ihn auch nicht möglich, Bestand zu haben. Sich als Qualitätsmedium zu behaupten ist ein wesentlicher Auftrag, den der ORF zu erfüllen hat.

Dazu führt der ORF auch einen regelmäßigen Diskurs; Sie wissen das. Es gibt ständig Diskussionen mit den Stakeholdern, in denen mit ExpertInnen der Wissenschaft neue Positionen herausgearbeitet und auch die Programmsäulen wie Wissenschaft, Lebens­hilfe, Service, Konsumentenschutz, was vom österreichischen Publikum sehr geschätzt wird, ständig neu aufgearbeitet, diskutiert und qualitätssichernd weiterentwickelt wer­den. Ich brauche Ihnen die Qualitätsdimensionen von Public Value nicht zu erklären, Sie kennen diese fünf Qualitätsdimensionen.

Dazu, dass der ORF sehr gut im europäischen Ranking liegt, möchte ich noch einmal wiederholen, was unser Herr Minister schon gesagt hat: Mit dem TV liegt der ORF bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nach Finnland, Belgien, Deutschland und Norwegen auf Platz 5 und mit dem Radio nach Schweden und Dänemark sogar auf Platz 3. Er ist ein erfolgreiches Unternehmen – hören Sie auf damit, dieses erfolgreiche Unternehmen krankzureden!

Es ist auch ein wesentlicher Aspekt und eine wesentliche Säule der Demokratie, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, der aber auch eine Kontrolle hat, und diese Kontrolle sind Behörden, Gerichte, aber letztendlich auch die Öffentlichkeit.

Kollege Alm, Sie bringen als Beispiel: keine Förderungen mehr! – Schauen Sie sich an, was damals bei der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt von Neuseeland passiert ist! Man hat in der Medienlandschaft gesagt, man soll ausschreiben, man hat gesagt, man erteilt einen Public-Value-Auftrag. Dieser war wirtschaftlich nicht erfolgreich, und was war der Endeffekt davon? – Dass das neuseeländische öffentlich-rechtliche Fernsehen abgeschaltet worden ist. Das kann doch nicht das Ziel sein, das wir in Österreich ver­folgen!

Die Zuschauerzahlen zeigen, wie wichtig er den Zuseherinnen und Zusehern in Öster­reich ist. 92 Prozent aller ÖsterreicherInnen werden durch den ORF erreicht. 4,7 Millio­nen Österreicherinnen und Österreicher nutzen das tägliche, mehrfach gesendete ZIB-Programm. Radio und Online werden sehr stark ausgebaut – das hat auch der Herr


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Minister schon erzählt –, nämlich mit ORF III, FM4, aber letztendlich auch mit dem Kul­turprogramm des RSO, das wir haben.

Ich möchte auch noch ganz kurz zu den Gebühren kommen, Kollege Alm! Die ORF-Gebühren waren seit 1994 immer unter der Inflationsrate – immer! Ich kann jetzt auch noch sagen: Derzeit beträgt das ORF-Programmentgelt 17,78 € einschließlich der Um­satzsteuer; ohne Umsatzsteuer liegen wir bei 16,16 €. (Abg. Strolz: Aber die Bevölke­rungszahl steigt, darum geht es!) Das ist weniger als in Deutschland. In Deutschland sind es über 17 €, und in der Schweiz – da haben Sie von den Grünen selbst schon gesagt, wie viele Millionen eingenommen werden – zahlt man 31,55 € für die öffentlich-rechtlichen Medien.

Wir bekennen uns zu einem öffentlich-rechtlichen ORF mit einem klaren Auftrag, mit ge­setzlicher Kontrolle und hervorragender Arbeit der Mitarbeiter, und die müssen sich auch stets weiterentwickeln – ohne politischen Hickhack und ohne, dass wir hier uns einmi­schen! (Beifall bei der SPÖ.)

10.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Mag. Stein­acker. – Bitte.

 


10.03.32

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Guten Morgen! Ich begrüße Sie sehr herzlich zur ZIP! Zurzeit im Parlament: die Debatte über den ORF und seine Zukunft. Folgende Themen werden wir heute behandeln: Rückblick, Anforderungen und Erwar­tungen und Herausforderungen an ein öffentlich-rechtliches Medienhaus für die Zu­kunft. – So in etwa, meine Damen und Herren, könnte die Einleitung einer Sendung im ORF auch lauten.

Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! In den fünfziger Jahren gab es vor allem die politische Diskussion über die Marktposition von Radio und Fernsehen, in den neunziger Jahren waren die Themenstellungen Abgrenzungsfragen zwischen Pri­vatfernsehen und öffentlich-rechtlichem Fernsehen, und mit der Digitalisierung sind wir dabei, den nächsten Schritt bezüglich des Fernsehens und der sonstigen Angebote im Medienbereich zu diskutieren.

Durch die Online-Angebote wird der Markt offener für neue Big Player, es entstehen international neue Machtfaktoren. Nun stehen wir vor Herausforderungen wie zum Bei­spiel: alle gegen Google! Wir stehen vor der Herausforderung, einen starken ORF zu schaffen, der sich in dieser offenen Medienlandschaft auch bewähren kann.

Ich bin froh über diese heutige Aktuelle Stunde zum Thema „ORF ins 21. Jahrhundert“, und ich möchte eines klarstellen: Ich stehe für ein ORF-Bashing nicht zur Verfügung! Die Wahrnehmungen, die hier vorgetragen werden, sind meiner Meinung nach zum Teil Themenverfehlungen. Herr Klubobmann Strolz dokumentiert und diskutiert die realen Ab­stimmungsvorgänge und die realen Ergebnisse wohl sehr einseitig und eigenartig.

Ich sehe den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag des ORF, den Public Value, und den müssen wir sicherstellen. Kollege Alm, an Sie adressiert: Sport ist ein wesentlicher Fak­tor und Teil des Public Value. Das möchte ich als Vertreterin des österreichischen Sports an dieser Stelle jedenfalls auch gesagt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Wir – und das ist eine klare Definition für unsere Fraktion – stehen für einen starken ORF. Wir stehen für starke, unabhängige Journalisten und verlangen natürlich objekti­ve Berichterstattung. Wir sind für eine starke, breit aufgestellte und vielfältige Medien­landschaft; die privaten Medienhäuser leisten dazu einen wesentlichen Beitrag.


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Eines ist ganz klar: Unsere Demokratie braucht starken, unabhängigen Journalismus. Lassen Sie mich daher in der Folge ganz konkrete Anforderungen, die wir an den ORF, an das Management haben, in die Debatte einbringen!

Wir wollen den ORF zukunftstauglich machen. In diesem Sinne gilt es, festzumachen: Die internen Kosten sind zu senken, professionellstes Prozessmanagement ist aufzu­setzen, Stellen- und Berufsbilder sind entsprechend den Erfordernissen der Technik und der Struktur anzupassen, die Chancen der Digitalisierung sind zu nutzen, neue Ge­schäftsfelder sind zu überlegen – wer sagt denn, dass wir uns nur im Herkömmlichen bewegen müssen? –, und Compliance-Regelungen sind zu prüfen.

Strukturveränderungen folgen der Strategie, und die Strategie legen wir fest. Änderun­gen muss das Management mit größtmöglicher Effizienz umsetzen. Die umsetzungs­reifen Konzepte jener, meine Damen und Herren, die sich tagtäglich damit beschäfti­gen, liegen im ORF vor und sind in den letzten Wochen auch präsentiert worden. (Ruf: Betriebsblindheit heißt das!) – Ich glaube, dass gerade der ORF schon auch Spezialis­ten hat, die sich entsprechend Gedanken darüber machen, wie die Weiterentwicklung funktionieren soll.

Wir befürworten einen öffentlichen Rundfunk mit einem ganz klaren Bekenntnis zum öf­fentlich-rechtlichen Kernauftrag. Um dies auf Dauer sicherzustellen, meine Damen und Herren – diesbezüglich kann man sich auch keiner Fantasie hingeben –, bedarf es ei­ner öffentlich-rechtlichen Basisfinanzierung. Das muss uns ein unabhängiges, quali­tätsvolles, öffentlich-rechtliches Fernsehen wert sein. Trotz der Basisfinanzierung zeich­net sich in den nächsten Jahren eine Finanzierungslücke beim ORF ab, und deswegen muss der ORF auf diesem wirtschaftlichen Sanierungskurs gehalten werden. Wir er­warten effiziente und effektive Reformen, die eine Erhöhung der GIS-Gebühren unnötig machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Medienwirtschaft stehen wir durch die Digita­lisierung vor spannenden Veränderungen. Internationale und regionale Informationen sind jederzeit via Smartphone und Tablet verfügbar. Ich sehe darin viele Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger und neue Chancen auch für die Medienunternehmen. Überle­gungen in Richtung Partizipation und Regionalität sind anzustellen, eine verstärkte Ko­operation mit der Zivilgesellschaft und weitere Förderungen des Qualitätsjournalismus sind zu tätigen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Lassen Sie mich zuletzt noch sagen, was unsere Demokratie braucht! Sie braucht ei­nen unabhängigen, einen starken, einen modernen, einen schlanken, einen effizienten, objektiven, informativen und dynamischen ORF, der unseren österreichischen Bürge­rinnen und Bürgern Qualitätsjournalismus liefert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.

 


10.09.29

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Kollegin Steinacker wünscht sich offensichtlich die eierlegende Wollmilchsau, aber die wird es leider nicht geben; vielleicht ja Wünsche ans Christkind. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Liebe Zuseher vor den Fernsehschirmen! In diesem Sinne auch liebe GIS-Zahler, hoffentlich alle brav GIS-Zahler! Wir alle haben heuer im Früh­ling dieses Jahres den Herrn Bundeskanzler erlebt – Kollege Schrangl hat es schon erwähnt –, der einen neuen Deal angekündigt hat, der gemeint hat, man wolle seitens der SPÖ und der ÖVP nicht mehr machtversessen sein.


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Wir haben in weiterer Folge im Juni hier im Haus mit der Wahl des Rechnungshofpräsi­denten beziehungsweise der -präsidentin eine Farce der Sonderklasse erlebt. Ganz un­erwartet wurde dann doch wieder gepackelt. Aufgrund dessen haben wir hier im Hohen Haus auch schon im Hinblick auf die Wahl des neuen Generaldirektors des ORF dis­kutiert und uns gewünscht, dass man da einmal nicht parteipolitisch agieren möge. Wir alle haben im Kopf, was wir die letzten Monate und Wochen und bei der Wahl im Som­mer erlebt haben: Es war natürlich eine Packelei, ein politischer Deal, den die ÖVP mit der SPÖ oder umgekehrt geschlossen hatte, sodass zu guter Letzt natürlich Herr Wra­betz wiedergewählt wurde. Da kann man aber, bitte, glaube ich, nicht davon reden, dass dieser Stiftungsrat in irgendeiner Form ein demokratisches Mehrheitsverhältnis in diesem Land widerspiegelt. Wir alle wissen, dass die Freundeskreise von ÖVP und SPÖ diesen Stiftungsrat mit grünem Beistellwagerl dominieren und justament dann halt der politisch Willfährigste zum Generaldirektor wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass die ÖVP vorhin gemeint hat, sie wolle in Zukunft nicht more of the same, also mehr vom Gleichen. Mich wundert, dass man trotzdem Herrn Wrabetz gewählt und nicht die Chance ergriffen hat, die Führung auszutauschen, um eben eine Veränderung hineinzubringen. (Abg. Schönegger: Wer hat das gemeint?) – Kollege Amon hat das vorhin gemeint: nicht more of the same. Dann hättet ihr halt jemanden anderen gewählt!

Also auch die ÖVP hat sich so wie die SPÖ dazu bekannt, weiterzumachen wie bisher. Weiter wie bisher, das bedeutet, der öffentlich-rechtliche Auftrag wird nur auf dem Pa­pier erfüllt, er wird auf die Spartenkanäle verbannt, auf ORF III beispielsweise, wo kaum Reichweite herrscht. Ö3 und ORF eins agieren im Grunde genommen wie Privatsen­der, wo man mit ein bisschen Zuckerguss Nachrichtensendungen einstreut. Ich habe gerade vorhin mit meiner Kollegin Dagmar Belakowitsch das Fernsehprogramm von heute Nachmittag durchgeschaut: Es gibt 5 Minuten „ZIB Flash“ – das ist dann der öf­fentlich-rechtliche Auftrag –, dann, more of the same, zehnmal die gleiche US-Serie. Also das sind Dinge, die man eigentlich wirklich nicht als mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag vereinbar sehen kann (Beifall bei der FPÖ – Bravoruf des Abg. Walter Rosen­kranz), wozu man ganz klar sagen muss, Hollywood und Co können – meines Erach­tens – andere Sender besser, da brauche ich nicht wirklich den ORF dazu.

Auch der Kulturauftrag kommt im ORF zu kurz oder wenn, dann nur in diesen Sparten­kanälen. Da könnte man sich einmal ein Beispiel bei Sendern wie ServusTV nehmen, die das in einer Kombination von Sport, teilweise auch Randsportarten, bis hin eben zu diversen Kultursendungen sehr geschickt machen. Das ist sehr gut gemacht und hat auch eine entsprechende Reichweite. Der ORF bringt das mit viel, viel mehr Geld nicht zustande.

Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren, ist die heute von Niko Alm angespro­chene Wettbewerbsverzerrung, die der ORF produziert. Das ist ein Punkt nicht nur im Medienmarktbereich und auch nicht nur intern, sondern er bringt auch eine Wettbe­werbsverzerrung mit sich, was die österreichische Innenpolitik betrifft. Wir alle wissen um die Aufteilung der Zeiten in den ZIB-Sendungen zwischen Regierung und Opposi­tion, dass ein klarer, deutlicher Überhang für die Regierungsparteien gegeben ist, die Opposition ein wenig zu kurz kommt und dazu auch noch die Berichterstattung vielfach tendenziös ist.

Ein Beispiel dazu vom letzten Donnerstag, „ZIB 1“, Vorberichterstattung zum EU-Gipfel in der Slowakei: Der Herr Bundeskanzler kommt zu Wort, et cetera, plötzlich springt Herr Van der Bellen vor das Mikrofon und darf zu der besten Sendezeit in der „ZIB 1“ sein Statement dazu abgeben. Ich habe gedacht, es wird vielleicht auch gleich der an­dere Kandidat für die Präsidentschaftswahl zu Wort kommen, Herr Norbert Hofer näm­lich. – Nichts war! Der ORF gibt sich also nicht einmal mehr Mühe, einen objektiven


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Anschein zu geben, sondern macht ganz klar einseitige Berichterstattung. Da wundert es mich nicht, dass die Grünen mit dem ORF derzeit so zufrieden sind. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Walter Rosenkranz: Genau!)

Was folgt diesen Fakten? – Man muss darüber nachdenken, den ORF teilzuprivatisie­ren beziehungsweise die Sender ORF eins und Ö3 wieder in den öffentlich-rechtlichen Auftrag zurückzuführen. Gleichzeitig muss man diesen öffentlich-rechtlichen Auftrag stär­ken, und zwar in ORF 2 und anderen Bereichen wie etwa den Landesstudios oder den Radios. Man müsste – mein Kollege Schrangl hat das schon gesagt – unbedingt den Stiftungsrat demokratisieren, um in diesem Land tatsächlich demokratische Verhältnis­se und nicht den rot-schwarzen Proporz widerzuspiegeln. Und man muss natürlich da­rüber nachdenken – das ist ja keine Schwarz-Weiß-Geschichte, dass man den öffent­lich-rechtlichen Auftrag in Frage stellte –, die Zwangsgebühren abzuschaffen oder zu­mindest unter diesen Voraussetzungen anders zu verteilen und nicht nur dem ORF ein Monopol zukommen zu lassen, sondern auch andere Sender, andere Medien zum Zu­ge kommen zu lassen.

Wir sagen Ja zum öffentlich-rechtlichen Auftrag, aber nicht in dieser Form. – Danke. (Bei­fall bei der FPÖ.)

10.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


10.14.44

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Mei­ne Damen und Herren! Wenn die Kernaufgaben des ORF nicht erfüllt werden, der öf­fentlich-rechtliche Auftrag nicht eingelöst wird und wenn das vom Verwaltungsgerichts­hof genauso wie vom Bundeskommunikationssenat bestätigt wird, dann ist auch sei­tens des Parlaments Handlungsbedarf gegeben. Das kann entweder so aussehen, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag korrigiert wird oder dass entsprechende Kontrollmaß­nahmen gesetzt werden. Das ist ein Handlungsbedarf. Und der zweite Handlungsbe­darf ergibt sich sicher aus der nach wie vor bestehenden Möglichkeit des politischen Einflusses durch die Regierungsfraktionen.

Kollege Cap, du kannst dich erinnern? – Als ich noch Stiftungsrat war, haben wir diese Dinge diskutiert. Politische Einflussnahmen gibt es, hat es immer gegeben (Abg. Neu­bauer: Wird es immer geben!), und wir können sie wahrscheinlich nur asymptotisch schmälern, aber diese Aufgabe haben wir allemal. Ich glaube, es ist fast zynisch, zu be­haupten, dass dieses Thema erledigt ist (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Neu­bauer), aber deswegen den ORF in Frage zu stellen, ist sicher nicht sinnvoll.

Kollege Alm sagt: Wir wollen den ORF nicht töten. – Im Positionspapier der NEOS zum ORF auf Seite 2 aber drohen die NEOS definitiv mit der Privatisierung, wenn sich die Kernaufgaben nicht schärfen lassen. Ich glaube auch, dass die Strategie der Beendi­gung von Rundfunkgebühren genau in diese Richtung zielt. Wir haben dann die Frage des Finanzierens, die, so die NEOS, alternativ durch das Budget abgedeckt werden soll. Jetzt frage ich ganz ehrlich: Wie schaut das aus? – Wird das Budget dann um die­sen Betrag erhöht oder wem wird das Geld weggenommen? Das kann man natürlich immer und bei allen Dingen sagen, die man ändern möchte, aber da geht es schon um einen ordentlichen Beitrag.

Ich spreche jetzt nur einmal den kleinen Bereich der Kultur an. Das Filmbudget, das der ORF ausgibt – der Minister hat es auch schon gesagt –, umfasst in der Produktion 100 Millionen €. Würde das Kulturbudget um 100 Millionen € erhöht werden, könnte man ja darüber reden, aber eines muss uns schon klar sein: Die Oberhoheit über das Budget liegt bei den Regierungsfraktionen – am Ende natürlich beim Parlament, aber in der Praxis bei den Regierungsfraktionen –, bei der Regierung, und das heißt, der


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ORF wird dann noch viel mehr von der Regierung bestimmt, und das wollen wir doch sicher nicht!

Aber ist es nicht so, dass der Neoliberalismus weltweit immer das gleiche Prinzip ver­folgt? – Auf der einen Seite soll sich der Staat auf die Kernaufgaben konzentrieren, und gleichzeitig sollen die Steuern gesenkt werden. Kann er dann die Kernaufgaben nicht mehr erfüllen, müssen die Kernaufgaben weiter gesenkt werden, bis hin zur Privatisie­rung von allem und jedem. Und genau das haben wir beim ORF auch. Sie wollen auf der einen Seite staatlich die Steuern senken, Sie wollen aber gleichzeitig den Kern­auftrag des ORF reduzieren. Dann übernimmt der Staat die Aufgaben der Finanzie­rung, dann ist zu wenig Geld da, und das geht bis hin zu einer Privatisierung des ORF. – Da spielen wir sicher nicht mit, weil wir die Folgen dieses Neoliberalismus ja weltweit beobachten können. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt noch ein Letztes zur Marktverzerrung. – Sicher, der ORF ist in gewisser Weise marktverzerrend, gar keine Frage, das kann man schon bestätigen, aber er ist ja eine kulturelle Säule. Das sagen die NEOS selbst. Wenn Kollege Alm sämtliche Anträge zum ORF im Kulturausschuss einbringt, dann bekennt er sich ja fast dazu. Kulturaus­gaben aber sind immer marktverzerrend! Das ist ja fast trivial. Oder wollen Sie die Kul­tur auch auf ihren Kernauftrag reduzieren? – Dann, glaube ich, kann man das Kultur­budget streichen.

Kultur ist ein meritorisches Gut – so nennt man das –, das heißt, es werden Aufgaben übernommen, die am Markt nicht übernommen werden. Der ORF übernimmt solche Auf­gaben auch.

Wir spielen alle möglichen Detailkorrekturen mit, die auch in diesem Paper vernünftig vorgeschlagen werden, aber für Privatisierungsstrategien sind wir sicher nicht zu haben! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


10.19.31

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen! Es haben sich jetzt sehr viele Redner große Mühe gegeben, das Thema ein bisschen zu umschiffen und die positiven Seiten des ORF hervorzuheben.

Aber ich glaube, es wäre auch wichtig, darauf hinzuweisen, was Sie, wenn Sie zu Hau­se das Fernsehgerät einschalten und wenn Sie Ihre GIS-Gebühren überweisen, damit alles finanzieren.

Zum Beispiel gibt es im ORF eine groß angelegte Aktion, langgediente Mitarbeiter vor­zeitig in den Ruhestand zu schicken: Da werden Golden Handshakes für Männer mit 58 und Frauen mit 56 angeboten, da werden die teuren Mitarbeiter um ein Heidengeld in die Frühpension geschickt und aus dem ORF hinausgekauft. Das finanzieren Sie, die Bürgerinnen und Bürger, mit Ihrer GIS-Gebühr!

Der ORF ist nach wie vor auch ein Dorado für Luxuspensionen, und der Herr Bundes­minister hat gesagt: Der ORF ist eh rechenschaftspflichtig, all das wird eh überprüft! – Na, die Rechenschaftspflicht schaue ich mir an! Wenn ich mir nur die Anfragebeant­wortungen aus Ihrem Ministerium ansehe, dann stelle ich einen großen dunklen Schat­ten über den Sonderpensionen des ORF fest.

Der Rechnungshof sieht zwar ein paar Einsparungen, formuliert aber: Auch wenn der ORF bei den Pensionsaufwendungen Einsparungen erzielte, verfügte er nach wie vor über unterschiedliche betriebliche Pensionssysteme. Der RH empfahl dem ORF im Hin-


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blick auf die Harmonisierung der Sonderpensionen, Reformschritte zu setzen, um wei­terhin bei den Pensionsaufwendungen Einsparungen zu erzielen.“ – Ja. Da gäbe es noch einiges zu tun, aber es geschieht halt sicherheitshalber einmal nichts. Das ist ja das, was Ihre Regierung am besten kann!

Was finanzieren Sie noch, wenn Sie den Fernseher einschalten oder das Radio auf­drehen und wenn Sie brav Ihre GIS-Gebühr überweisen? – Sie finanzieren über weite Strecken die Bundesländer. Wenn Sie in Wien oder in Niederösterreich im Monat 24 € Komma irgendetwas abdrücken, dann gehen 7,10 € an das Land Wien oder an das Land Niederösterreich. Das hat nichts mit Fernsehen, nichts mit Kulturauftrag, nichts mit Information zu tun, sondern das ist nur ein Füttern von Landesfürsten und eine Un­terstützung des Spendierföderalismus. Deswegen regt man sich im Rahmen der Lan­deshauptleutekonferenz auch immer sofort auf, wenn irgendwelche Reformschritte be­treffend ORF angekündigt werden.

So hat Peter Kaiser 2013 gesagt: „Die Bundesländer werden auch in Zukunft jeweils ei­nen Stiftungsrat in den ORF entsenden, damit bleiben die Interessen der Länderstu­dios gewahrt.“ – Ah ja: Die Länderstudios als kleines Reich des Landeshauptmanns!

Das kann man in Österreich auch beobachten: Wenn irgendwo die Landeshauptmann­farbe wechselt, wie zum Beispiel in Salzburg, dann ist bei der nächsten Neubestellung der Direktoren auch ein Farbenwechsel beim Landesdirektor vorgesehen. Das geht au­tomatisch. Da wundert sich auch keiner! Das wissen wir alle, und wir haben uns daran gewöhnt: Es gibt dieses Hineinwirken der Politik in den ORF, das findet statt, und jeder akzeptiert das einfach.

Der Rechnungshof hat auch 25 Empfehlungen für Einsparungsmöglichkeiten in den Landesstudios aufgezählt. Die Landesstudios, die nämlich alle möglichen Veranstaltun­gen sponsern, die mit Fernsehen gar nichts zu tun haben, aber auch nicht mit Radio, haben einen Aufwand von 160 Millionen € und einen Ertrag von ungefähr 43 Millionen €. Der Rest bleibt irgendwo liegen.

Da ging es zum Beispiel um die Zusammenlegung von Technischen Direktionen ver­schiedener Landesstudios: Die Technischen Direktionen Tirol und Vorarlberg wurden zusammengelegt, bei Kärnten und der Steiermark ging das aber nicht. Da haben die Herren Landesdirektoren gesagt: Bitte, bei uns ist das unmöglich! Schon rein aus geo­grafischen Gründen kann man die Technischen Direktionen Kärntens und der Steier­mark nicht zusammenlegen. 140 000 € hat die Zusammenlegung Tirol/Vorarlberg ge­bracht, bei Kärnten/Steiermark geht das hingegen nicht.

Der Rechnungshof hat dann die öffentlichen Fahrpläne angeschaut und hat dem ORF ausgerichtet, dass die Fahrzeit zwischen Graz und Klagenfurt um 20 Minuten kürzer ist als zwischen Innsbruck und Dornbirn. Das würde also sehr wohl gehen, angeblich sei das aber aus geografischen Gründen nicht möglich.

Natürlich gibt es, wenn man öffentlich finanziert beziehungsweise gebührenfinanziert wird und die Zwangsbeitragszahler einfach zahlen müssen, keinen Spardruck, dann kann man hohe Pensionen zahlen, dann kann man das Geld mit sinnlosen Positionen verlochen, dann kann man Frühpensionsprogramme finanzieren. All das ist nur mög­lich, weil kein Druck da ist, und genau deswegen gehört all das umgestellt. (Beifall bei den NEOS.)

10.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


10.24.28

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Wort, das heute


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 38

in dieser Debatte sehr oft strapaziert wurde, war das Wort Entpolitisierung des ORF. – Ich möchte das zum Abschluss noch einmal festhalten und auch noch einmal erwäh­nen, weil das wirklich einer der Kernpunkte ist und es ohne eine Entpolitisierung des ORF nicht gehen wird.

Wir haben auch heute schon des Öfteren gehört, dass vor allem die Parteipolitik aus dem ORF herausgehalten werden soll und dass der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht in dem Ausmaß wahrgenommen wird, wie es sein soll.

Ich möchte nur in Erinnerung rufen: Vor nicht allzu langer Zeit haben die „Sommerge­spräche“ stattgefunden, und wenn ich mir das ganze Prozedere im ORF, die Analyse des Profi-Analysten Filzmaier und den berühmten Plemplem-Sager noch einmal in Er­innerung rufe, im Hinblick auf welchen vonseiten der ORF-Redakteurin damals auch keine Distanzierung stattgefunden hat, dann ist das wirklich ein klares und plakatives Beispiel dafür, dass hier klar gegen das Objektivierungsgebot verstoßen wurde und der ORF seinem Auftrag nicht nachgekommen ist. (Beifall beim Team Stronach.)

Zur geplanten Gebührenerhöhung, die in der Vordebatte auch schon angesprochen und erwähnt wurde und die ja im Herbst dieses Jahres vom Stiftungsrat beschlossen wer­den und im April 2017 in Kraft treten soll, möchte ich einerseits festhalten, dass wir ge­gen eine Gebührenerhöhung sind. Und andererseits stellt sich für mich die Frage, wer denn diese Gebührenerhöhung dann beschließen wird. Die ÖVP steht ja angeblich dafür nicht mehr zur Verfügung, nachdem der Kuhhandel nicht aufgegangen ist: Tau­sche Jobs gegen Gebührenerhöhung. In diesem Zusammenhang hat Klubobmann Lo­patka bei seinem unwürdigen Schauspiel versagt.

In Erinnerung rufen möchte ich in diesem Zusammenhang auch das Prozedere rund um die Bestellung des neuen Rechnungshofpräsidenten respektive der Rechnungshof­präsidentin. Hier hat Lopatka gepokert und verloren, und im Hinblick darauf sehen die ÖVP und im Besonderen er auch ziemlich alt aus. Die Menschen durchschauen näm­lich dieses falsche Spiel, sie durchschauen diese Packelei und haben auch genug da­von. Das hat nicht nur in der Politik nichts zu suchen, sondern das hat auch im ORF nichts zu suchen. Es sollen die bestqualifizierten Personen zum Zug kommen und nicht wieder Personen durch Parteipolitik – hier vor allem der Regierungsparteien – in Ämter kommen, die sie nur deswegen erlangen, weil sie einer politischen Partei nahestehen. Im ORF hat das wirklich nichts verloren!

Die Kollegen von den NEOS, die heute diese Aktuelle Stunde angeregt und auch aus­geführt haben, haben schon einiges angesprochen, was im ORF schiefläuft. Es ist na­türlich nicht alles zu kritisieren. Generaldirektor Wrabetz und das neue Team wurden mit einer großen Mehrheit gewählt. Das ist ja quasi eine Regenbogen-Koalition, außer der ÖVP haben alle mitgestimmt bei diesem neuen Paket, bei welchem es eben um dieses Team ging, und man muss diesem Team Vorschusslorbeeren geben. Es gibt ei­nige Namen, die wirklich unpolitisch sind, das wurde hier auch schon erwähnt, und man sollte nicht alles schlechtreden.

Was aber angegangen werden muss, ist natürlich – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – die Entpolitisierung des ORF, denn da, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht sehr viel schief. Es ist auch nicht zu akzeptieren, wenn, wie auch unlängst bei der Berichterstattung zur Präsidentschaftswahl, ein Kandidat, nämlich Richard Lug­ner, gar nicht eingeladen wird. Richard Lugner hat genau wie die anderen Kandidaten die entsprechenden Unterstützungsunterschriften gesammelt, er hat alle Voraussetzun­gen erfüllt und wurde vom ORF nicht eingeladen, und zwar mit irgendeiner nicht nach­vollziehbaren Begründung, dass das nicht relevant sei und die Menschen das nicht sehen wollen. – Die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler haben das Recht da­rauf, das zu sehen und auch alle Kandidaten zu sehen, und der ORF hat die Pflicht,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 39

alle Kandidaten einzuladen und wirklich objektiv und unabhängig zu berichten. (Beifall beim Team Stronach.)

Wir werden das in kurzer Zeit wahrscheinlich nicht lösen können, darüber wird wahr­scheinlich eine längere Diskussion stattfinden müssen.

Es wurde heute auch schon angesprochen, dass sich alle politischen Parteien hier ein­bringen dürfen sollen, um die Reformvorschläge gemeinsam zu diskutieren, nicht wie­der nur die Abgeordneten der Regierungsfraktionen und die Regierungsmitglieder, son­dern aller hier im Hohen Haus vertretenen Parteien, denn das wir sind den Gebühren­zahlerinnen und Gebührenzahlern schuldig. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

10.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Ich danke Herrn Bundesminister Mag. Drozda für seine Anwesenheit.

10.29.36Aktuelle Europastunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema

„Schutz der österreichischen Grenzen, der EU-Außengrenzen und Sicherung von Schutzzonen – wie wird sich Österreich verhalten?“

Ich begrüße Herrn Bundesminister Mag. Doskozil.

Außerdem begrüße ich auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments zur Teilnah­me an dieser Aktuellen Europastunde, die nominiert wurden: Frau Karin Kadenbach, die Herren Heinz Becker und Harald Vilimsky und Frau Mag. Ulrike Lunacek. – Ich be­grüße Sie sehr herzlich hier in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Damit gehen wir in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Ing. Lugar. Ich mache Sie darauf auf­merksam: 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.30.38

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute zum x-ten Mal wieder einmal über das Thema Flüchtlinge, über Sicherheit und über die Probleme, die wir ja alle so zahlreich in der Vergangenheit auch in Österreich erlebt haben.

Jetzt hatten wir natürlich vor, den Herrn Kanzler einzuladen. Leider sind der Herr Kanz­ler und auch der Innenminister verhindert. Aber es passt schon ganz gut, wenn der Verteidigungsminister heute hier ist, denn es geht in Wirklichkeit auch um Verteidigung: Es geht um die Verteidigung unseres schönen Landes gegen Menschen, die hierher kom­men und alles ganz anders wollen, als wir es so liebgewonnen haben.

Das heißt: Wir lassen Menschen ins Land, die uns letztlich ihre Lebensweise aufzwin­gen wollen. Jetzt werden viele sagen: Das sind doch nicht alle! – Ja, das stimmt, na­türlich sind es nicht alle, es ist wahrscheinlich sogar nur eine Minderheit an Menschen, die hierher kommen und uns missionarisch davon überzeugen wollen, dass ihre Le­bensweise besser ist als unsere. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Warum ist also die Anwesenheit des Verteidigungsministers jetzt passend? – Wir müs­sen uns nämlich dagegen verteidigen, dass wir im Moment eine Situation haben, in der wir nicht wissen, wer hierher kommt. Wir wissen das nicht. Wir wissen nicht: Ist das ein


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Flüchtling? Wird er verfolgt? Ist er nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu behan­deln? Oder handelt es sich möglicherweise um einen IS-Kämpfer oder einen soge­nannten Missionar, der uns vom wahren Glauben überzeugen will? – Das wissen wir nicht! Im Hinblick darauf wäre es die Aufgabe eines Verteidigungsministers, darauf zu schauen, wer in unser Land kommt, wer bleiben kann und wer wieder gehen muss. (Zwi­schenruf des Abg. Öllinger.)

Viele sagen: Was der wieder redet, der Lugar! – Ich kann Ihnen sagen: Wir erleben im Moment eine Situation, in der alle, die nach Österreich kommen, auch hier bleiben. Al­le, egal, ob sie einen Grund haben, hier zu bleiben. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Wissen Sie, warum das so ist? – Das ist so, weil man erstens nicht darauf schaut, wer das überhaupt ist, der da kommt. Zweitens ist das so, weil man jemanden, wenn man weiß, dass er keinen Grund hat, hier zu bleiben, wenn man weiß, dass er aus Pakistan oder sonst woher kommt, nicht wieder zurückschicken kann, denn angeblich nehmen diese Länder niemanden mehr zurück. Diese Leute werden dann hier in Österreich ein­fach geduldet, wie man das nennt. Offiziell sind 92 000 Menschen in Österreich, die hier nichts verloren haben, aber die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel, viel hö­her. Daher hätten Sie als Verteidigungsminister normalerweise die Aufgabe, diese Men­schen außer Landes zu bringen!

Jetzt haben Sie vor fast einem Jahr, wie ich glaube, einen guten Ansatz gebracht. Sie haben vor fast einem Jahr gesagt, Sie würden die Transportmaschinen des Bundes­heeres umrüsten, um all jene Menschen wieder zurückzubringen, die hier nichts verlo­ren haben. – Seitdem habe ich aber nichts mehr gehört von Ihnen! Wo sind diese Trans­portmaschinen? Wo sind diese Transporte? Warum bringen Sie nicht all jene wieder außer Landes, die hier nichts verloren haben? Das ist die Frage, die Sie uns heute hier beantworten müssen. Sie als Verteidigungsminister haben die Pflicht, darauf Wert zu legen, dass all jene, die hier nichts verloren haben, auch wieder unser Land verlassen!

Gehen wir vielleicht noch einmal kurz zu den Ursachen dieser Krise zurück! – Wir ha­ben ja mittlerweile eine Flüchtlingsbewegung biblischen Ausmaßes. Es sind die meis­ten Menschen seit dem Zweiten Weltkrieg unterwegs. Das ist eine Tatsache. Auch Obama hat jetzt voller Sorge angesprochen, dass hier etwas getan werden muss.

Da erhebt sich die Frage: Warum ist das plötzlich aufgetreten? Liegt das an den kriege­rischen Konflikten? – Nein, daran liegt es nicht! Es gibt weltweit jedes Jahr in etwa hun­dert kriegerische Konflikte. Daran hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht viel verän­dert. Diese hundert Konflikte gibt es immer wieder, und auch die Zahl der Menschen, die auf der Flucht sind, ist in etwa immer gleich.

Aber plötzlich kommen alle nach Europa, und jeder fragt sich: Wie geht das? – Die Ant­wort ist ganz einfach: Die Europäische Union – ich kann das nicht oft genug betonen – hat nämlich beschlossen, 17 Millionen Migranten nach Europa zu holen, und zwar des­halb, weil man glaubt, dass der Europäischen Union aufgrund der wenigen Kinder – im Übrigen aufgrund der verfehlten Familienpolitik – die Menschen ausgehen werden und wir jetzt aus anderen Ländern einfach Menschen migrieren lassen müssen. Das glaubt die Europäische Union. Von 17 Millionen hat Avramopoulos immer wieder gesprochen!

Weil Sie den Kopf schütteln: Das ist auch Common Sense! Das wird Ihnen jeder sa­gen, der sich in der Europäischen Union auskennt. Dort ist es ein offenes Geheimnis, nur die Bevölkerung hat noch nichts davon gehört, dass es tatsächlich 17 Millio­nen Menschen sind. Im Moment sind in etwa 4 Millionen hier, das heißt, da können wir uns noch auf einiges einstellen. Nur damit man weiß, woher das kommt! Wenn man nämlich streng nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorgeht, dann haben Kriegs­flüchtlinge keinen Asylstatus. Diesen haben sie nicht! Das wissen allerdings die we­nigsten, denn das wird ja immer falsch erzählt. Die meisten sagen: Wer vor Krieg und


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Verfolgung flüchtet, der wird nach der Genfer Flüchtlingskonvention hier aufgenom­men. Auch Frau Merkel sagt das immer wieder. – Das ist nicht so! Die Genfer Flücht­lingskonvention regelt nur Flucht nach ethnischer Verfolgung, religiöser Verfolgung, politischer Verfolgung, aber nicht wegen Kriegshandlungen. Das ist genau der Punkt.

Das heißt: Man versucht, hier Migration zu organisieren, und den Leuten draußen er­zählt man: Ihr müsst solidarisch sein, ihr müsst diesen armen Menschen Unterkunft geben! – Nein! Das müssen wir nicht! Wissen Sie, wo diese Menschen Unterkunft fin­den müssen? – In den Nachbarländern, denn so regelt das die Genfer Flüchtlingskon­vention. (Beifall beim Team Stronach.)

Jeder, der flüchtet, flüchtet zuerst ins Nachbarland, und dort muss man sich darum küm­mern! Es macht ja überhaupt keinen Sinn, jemanden, der in der Türkei, in Jordanien oder sonst wo schon in Sicherheit ist, nach Europa umzusiedeln, außer man will etwas ganz anderes: Man will nämlich nicht, dass diesen Menschen – so wie es ursprünglich geplant war – in einer Kriegssituation kurz Aufenthalt gegeben wird und sie dann wie­der zurückgeschickt werden, um das Land wiederaufzubauen. Das will man ja nicht. Man will die Syrer – um diese geht es ja hauptsächlich, aber das funktioniert nicht – nach Europa holen, das war die Idee dahinter. Man will Syrien entvölkern, man will die Syrer hierher holen, weil sie angeblich gute Arbeitskräfte sind, und was dann mit Syrien geschieht, ist denen egal, die das wollen.

In Wirklichkeit steht nämlich die Wirtschaft dahinter! In Deutschland stehen ganz spe­ziell die großen DAX-Unternehmen dahinter, die letztlich Arbeitskräfte ins Land holen wollen, weil sie Angst haben, dass ihnen in den nächsten fünf Jahren die Arbeitskräfte ausgehen. Das ist der Hintergrund! Dabei geht es nicht um Verfolgung und Krieg.

Deshalb ist auch zu erklären, warum 80 Prozent derjenigen, die hierher kommen, junge Männer sind. Sonst wäre das nicht zu erklären! Aus einem Kriegsgebiet fliehen nämlich nicht nur Männer, außer sie haben etwas anderes im Sinn und wollen das, wovor viele auch Angst haben, nämlich Europa wieder in Besitz nehmen.

Genau das sagen ja viele. Ich habe auf dem Viktor Adler-Markt eine Veranstaltung gemacht und habe auch mit Muslimen gesprochen. Zwei Punkte sind mir bei diesen Gesprächen aufgefallen. Erstens sehen sich Muslime in Europa nicht als Gäste, son­dern laut Koran hat ihnen Europa immer schon gehört und sie nehmen es nur wieder in Besitz. Zweitens: Wenn Sie Muslime fragen, welches Gesetz gilt, das Gottesgesetz, also das Gesetz Allahs, oder das Gesetz, das hier im Parlament beschlossen wird, dann können sie mit dieser Frage gar nichts anfangen. Für sie gilt selbstverständlich das Gesetz Allahs! Für sie gibt es nur ein Gesetz, nämlich das Gesetz Gottes, und das, was wir hier im Parlament oder was die europäischen Parlamente insgesamt tun und beschließen, wird von denen nicht anerkannt.

Das sind die Probleme, vor denen wir stehen, und diese bestehen nicht deshalb, weil dort Krieg ist, sondern weil einige in der Europäischen Union beschlossen haben, dass 17 Millionen Migranten in die Europäische Union geholt werden. Die Bevölkerung wird einfach mit diesem großen Schmäh getäuscht, dass all das Kriegsflüchtlinge sind, de­nen wir helfen müssen, weil wir gar keine andere Wahl haben und das in der Genfer Flüchtlingskonvention steht. Dieser Schmäh beziehungsweise diese Unwahrheit wird der Bevölkerung einfach aufgetischt. Die Bevölkerung hat aber mittlerweile schon darü­ber nachgedacht und glaubt nicht mehr, was der ORF und andere hier verzapfen. Mit diesem Schmäh versucht man aber, die Leute an der Nase herumzuführen.

Kern, unser Kanzler, hat es gesagt: Er will legale Migration nach Europa organisieren. Man muss sich das einmal vorstellen!

Wir haben jetzt unglaubliche Flüchtlingsströme und wissen ohnehin nicht, wie wir diese Menschen integrieren sollen, wie wir Arbeitsplätze und Wohnraum schaffen sollen, und


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jetzt kommt Bundeskanzler Kern und sagt, wir bräuchten legale Migration, bei der er sich aussuchen könne, wer kommt, um letztlich das zu tun, was die Wirtschaft ur­sprünglich wollte, nämlich topqualifizierte Menschen nach Europa zu holen. Das war die Idee hinter dieser Einladungspolitik der Frau Merkel, im Sinne: Du, gut qualifizierter syrischer Arbeiter, komm nach Deutschland, hier gibt es Arbeit für dich!

Das war die Einladung, weshalb 80 Prozent junge Männer gekommen sind, und man dann gemerkt hat: Da kommen nur 17 Prozent Syrer, der Rest kommt überall her, und 50 Prozent davon können nicht einmal lesen und schreiben. Danach wurde die Idee des Selektierens geboren. Man hat den Deal mit der Türkei gemacht, um zu verhin­dern, dass die Menschen ungesteuert kommen, denn man wollte ja nur jene, die gut qualifiziert sind.

Da ging es nie um Hilfe für Kriegsflüchtlinge. Es ging immer um die Interessen Europas und um die Interessen jener, die glauben, wir müssten 17 Millionen Menschen herein­lassen. Da brauchen wir Sie, Herr Verteidigungsminister! Ich hoffe, dass Sie jetzt end­lich in die Gänge kommen, um einen Strich durch diese Rechnung zu machen, denn als Verteidigungsminister müssen Sie uns auch vor falscher Politik verteidigen. (Beifall beim Team Stronach.)

10.41


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister Mag. Doskozil hat sich für eine ein­leitende Stellungnahme zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 10 Mi­nuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


10.41.26

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Hans Peter Doskozil: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Es sei mir zu Beginn gestattet, zunächst auf die Zuständigkeitsthemen Bezug zu nehmen. Eines ist klar: Das Verteidigungsressort ist nicht zuständig, wenn es darum geht, Asyl­fälle zu bearbeiten und inhaltlich zu beurteilen, wer in Österreich Asyl erhält und wer nicht. Die Ressortzuständigkeit des Verteidigungsministeriums umfasst nicht die Frage der Grenzsicherung, wiewohl es Assistenzleistungen für das Innenministerium durch­führt. Das Verteidigungsministerium ist nicht zuständig in der Frage, wer außer Landes gebracht wird und wer nicht. Dafür ist das Innenministerium zuständig.

Ich habe aber immer klar gesagt, dass wir unsere gesamten Ressourcen auch dem Innenministerium zur Verfügung stellen, sei es im Assistenzeinsatz an der Grenze, sei es aber auch in der operativen Unterstützung, wenn es um Rückführung geht. Ich glau­be, es ist wichtig, das zu betonen.

Wenn wir dieses Thema gesamtheitlich aufgreifen, müssen wir es auch europäisch be­trachten, denn eine Situation wie im letzten Jahr – und ich glaube, da sind wir uns ei­nig – wollen wir kein zweites Mal in dieser Dynamik, in diesen Abläufen der Gescheh­nisse, erleben.

Dazu müssen wir dieses Thema in einem europäischen Konnex betrachten. Wir haben das letzte halbe Jahr, das letzte Jahr, immer wieder betont darauf hingewiesen, wo die europäischen Handlungsoptionen liegen. Es ist ganz klar: Sie liegen in entsprechenden Rückführungsabkommen, einer adäquaten Außengrenzsicherung, und darin, dass wir ein gemeinsames Europäisches Asylverfahren entwickeln, um nicht darüber diskutie­ren zu müssen, welche Staaten innerhalb der Europäischen Union möglicherweise si­cher oder nicht sicher sind – ich denke da an Ungarn oder Griechenland, die in Diskus­sion stehen.

Die europäischen Handlungsoptionen liegen überdies in einer Lösung der sich daran anschließenden Verteilungsfrage, denn es kann nicht hingenommen werden, dass, wie


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im vorigen und teilweise im heurigen Jahr, nur einige wenige Staaten, darunter auch Österreich, die gesamten Belastungen tragen.

Ich brauche jetzt nicht darauf einzugehen, wo wir im Bereich dieser europäischen Hand­lungsoptionen stehen: Es herrscht Verzug auf europäischer Ebene. Wir sind derzeit nicht in der Lage, auf europäische Rückführungsabkommen zurückzugreifen. Wir ha­ben bereits im März gemeinsam mit den zentraleuropäischen Verteidigungsministern einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, wohin wir uns im Bereich der Außengrenzsi­cherung entwickeln wollen.

Ich bin nicht überzeugt davon, dass Frontex – angesichts der Dynamik, der schnellen Abfolge der Ereignisse – rasch genug in der Lage sein wird, entsprechende Außen­grenzsicherungsmaßnahmen zu organisieren. Diesbezüglich kam von den zentraleuro­päischen Verteidigungsministern der Vorschlag, eine gemischte Mission aus zivilen, polizeilichen und militärischen Einheiten einzurichten, um die Außengrenzsicherungen vorzunehmen und Maßnahmen einzuleiten, von denen wir glauben, dass sie erforder­lich sind – auch dabei ist mir das Tempo, das auf europäischer Ebene vorgegeben wird, zu langsam.

Wir haben kein gemeinsames Asylverfahren – es entwickelt sich auch nichts in diese Richtung. Und wir haben auch die Verteilungsfrage nicht gelöst. Betrachten wir diese Frage im europäischen Kontext, so sehen wir, es werden immer wieder auch die Vise­grád-Staaten in den Vordergrund gestellt. Ich bin nicht der Verteidiger der Visegrád-Staaten, aber meiner Erfahrung nach war es so, dass beispielsweise Ungarn im letzten Jahr – Jänner bis Juli – 170 000 bis 175 000 Grenzübertritte von Serbien auf sein Ge­biet gezählt hat. Wir kennen die europäische Reaktion darauf.

Ich bin der Meinung, dass die Visegrád-Staaten das Vertrauen in eine Handlungsoption auf europäischer Ebene verloren haben. Dieses Vertrauen müssen wir zurückgewin­nen. Wir werden es jedoch nicht zurückgewinnen können, wenn wir die Visegrád-Staa­ten in der ersten Phase bedrängen und sagen: Wir müssen die Verteilungsfrage lösen! Die Verteilungsfrage ist wichtig, aber das Vertrauen dieser Staaten – auch die Vise­grád-Staaten gehören zu Europa, wenn wir an ein gemeinsames Europa denken und glauben – werden wir nur zurückgewinnen können, wenn Europa es schafft, die Au­ßengrenzen effektiv zu sichern und entsprechende Rückführungsvereinbarungen abzu­schließen. Ich glaube, dass es danach in einem nächsten Schritt möglich sein wird, mit diesen Staaten darüber zu diskutieren, wie wir in einem gemeinsamen Asylverfahren und in Bezug auf die Verteilungsfrage vorgehen werden.

Wir wissen jetzt alle, wo wir in diesen Fragen aus europäischer Sicht stehen. Genau deshalb haben wir die bekannten Maßnahmen eingeleitet und werden uns seitens des Verteidigungsressorts auch hinkünftig entsprechend engagieren. Aus diesem Grund haben wir seitens des Verteidigungsressorts erreicht, dass wir zum Ersten die Budget­erhöhung bekommen haben, zum Zweiten eine Strukturreform machen und zum Drit­ten auch einen entsprechenden Personalaufwuchs vorstellen. Wir haben natürlich Ver­antwortung für unsere Bevölkerung in Österreich. Es ist unsere Aufgabe, das Innen­ministerium in diesen Fragen bestmöglich zu unterstützen. Und wir bekennen uns da­zu, auch im Ausland entsprechend aufzutreten – dort, wo es im Interesse Österreichs und auch im Interesse der Europäischen Union liegt.

Das bedeutet, dass wir unsere Auslandsengagements und Auslandseinsätze fortset­zen werden. Da sind der Libanon und natürlich auch der Balkan im Fokus. Wir können jedoch nicht immer nur von der Europäischen Union Handlungs- und Lösungsvarianten in diesem Konnex fordern, sondern müssen, wenn zu wenig Bewegung und Dynamik in diesem Themenfeld steckt, auch selbst in Vorlage treten.

Daher gibt es zum einen jetzt die Initiative, uns effektiv beim Außengrenzschutz zu en­gagieren, was noch Thema im Hauptausschuss werden wird. Wir denken daran, uns im


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Mittelmeer operativ zu engagieren – im Rahmen der Mission SOPHIA – und uns aus rechtlichen und humanitären Erwägungen bei der Außengrenzsicherung, insbesondere der Grenzsicherung Ungarn-Serbien, einzusetzen. Das sind unsere Maßnahmen, die wir national vorsehen. Ich weiß ganz genau, dass dies die zweitbesten Maßnahmen sind. Die besten wären, europäische Lösungen und Wege aufzuzeigen und sie ge­meinsam zu beschreiten. Ich sehe eine solche Dynamik mittelfristig nicht, daher wer­den die erwähnten Maßnahmen national gesetzt.

Zum Zweiten möchte ich auf Fragen, die mein Ressort betreffen, in einem größeren Kontext Bezug nehmen. Lassen Sie mich kurz darauf eingehen, wie sich aus meiner Sicht die europäische, die gemeinschaftliche Sicherheits- und Verteidigungspolitik ent­wickeln wird!

Wir haben in den letzten Wochen, insbesondere nach dem Brexit, in diesem Bereich eine gewisse Dynamik gesehen. Es hat sich gezeigt, dass es in Europa eine Interes­senlage gibt, die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik voranzutreiben. Mit Blick auf diese Intention, die speziell von Deutschland und Frankreich getragen ist, stelle ich fest, dass es unsere Linie sein wird, uns nicht an einer europäischen Armee zu beteiligen. Für uns sind die Neutralität und ihre Themen in Stein gemeißelt. Wir werden neutral bleiben – das ist die klare Antwort zu dieser Frage. Dennoch werden wir – so wie auch jetzt, da wir an einer von der NATO geführten Mission im Kosovo be­teiligt sind – bestmögliche Kooperationsvarianten suchen und finden. Ich bin davon über­zeugt, dass unser Auslandsengagement – wenn man diesen Bereich abdecken will – in unserem Interesse liegen muss. Wir wollen unsere Neutralitätspolitik hinkünftig, abhän­gig von unseren Interessen und je nach Kooperationen mit den anderen Staaten, auch mit Institutionen, fortführen.

Darüber hinaus werden wir unsere nationalen Maßnahmen, wie wir sie im Laufe des Jahres gesetzt haben, umsetzen und die Vorhaben und Ziele, die wir uns am Beginn des Jahres vorgenommen haben – jetzt können wir über die Obergrenze beziehungs­weise den Richtwert diskutieren –, einhalten. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, wiewohl ich zugestehen muss, dass noch sehr viele Handlungsoptionen und sehr viel Potenzial auf europäischer Ebene gegeben sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordne­ter Pendl. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.51.04

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! – Es geht hier jetzt um ein wichtiges und ernstes Thema. Herr Klubobmann Lugar, ich hätte mir eigentlich erwartet, dass man in so einer Diskus­sion wenigstens die Fakten richtig vorträgt. Ich bin froh, dass Herr Bundesminister Dos­kozil die nicht korrekten Statements, die hier abgegeben worden sind, klargestellt hat. Ich glaube, dem braucht man nichts hinzuzufügen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir dieses Problem wirklich einer Lö­sung zuführen wollen – der Herr Bundesminister hat einige Punkte, die wichtig sind, aufgezählt, auf einige davon werde ich noch eingehen, aber es sind alle nur zweitbeste Lösungen –, so wäre es am besten, wenn die internationale Staatengemeinschaft dafür Sorge tragen würde, dass all die Krisenherde einmal beruhigt werden, denn dann wür­den solche Entwicklungen nicht eintreten und sich diese Fragen gar nicht stellen.

Der nächste Schritt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist: Die Europäische Uni­on muss dafür sorgen, dass die Aufgabe, die hier auf sie zugekommen ist, von allen


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Mitgliedstaaten gemeinsam und solidarisch wahrgenommen und umgesetzt wird. Ich sage ganz offen, wenn wir dieses – unser – Europa wollen, dann müssen wir, bevor die internationale Staatengemeinschaft ihre Hausaufgaben löst, die europäischen Außen­grenzen schützen. Wenn das nicht funktioniert, dann müssen wir bis dahin auch – das ist dann aber schon die dritt- oder viertbeste Lösung – unsere Grenzen schützen. Das ist überhaupt keine Frage.

Herr Bundesminister, da ich als Parlamentarier auch ein bisschen stolz darauf bin, dass es schlussendlich ein Antrag dieses Hauses im November war, der das Militär wie­der in die Lage versetzt hat, dementsprechend solidarisch und das Bundesministerium für Inneres unterstützend zu agieren, möchte ich mich bei allen Fraktionen bedanken, die seinerzeit diesen Antrag mitgetragen haben. Es war ein wichtiger Beschluss, das ist überhaupt keine Frage. (Zwischenruf des Abg. Schönegger.) – Ich glaube, das ge­hört einfach dazu. Wer sich nicht bedanken will, braucht sich nicht zu bedanken. Ich stehe nicht an, mich zu bedanken.

Herr Bundesminister, die Soldatinnen und Soldaten, aber auch die Polizistinnen und Polizisten, inklusive der NGOs, leisten Hervorragendes, und ich danke ihnen persönlich und namens meiner Fraktion dafür – das ist überhaupt keine Frage –, denn bei Sonn­tagsreden, am runden Tisch oder hier am Rednerpult kann man bald etwas sagen, aber das Umsetzen ist dann immer eine heikle Frage.

Hinsichtlich der Vorhaben der Bundesregierung – der Herr Bundesminister hat es ja aus­geführt – wird der Hauptausschuss in den nächsten Tagen Beschlüsse fassen müssen, die in die erwähnte Richtung gehen. Dann werden wir gemeinsam wieder einen wich­tigen Schritt auch hinsichtlich der Außengrenzen setzen können.

Ich lade Sie dazu ein, diese Fragen einmal sachlich und vor allem – ich sage es halt so, denn so empfinde ich es auch – richtig zu diskutieren. Es nützt ja nichts, das zu leugnen! Wenn wir uns anschauen, wie sehr die Kolleginnen und Kollegen des Bun­desministeriums für Landesverteidigung in der letzten Zeit dem Bundesministerium für Inneres im Wege der sicherheitspolizeilichen Assistenzleistungen tatsächlich geholfen haben, dann müssen wir sagen: Das ist beispielhaft! Ich glaube, wir alle müssen die­sen Weg des Miteinanders – nicht des Gegeneinanders – beschreiten. Da geht es nicht darum, wer sich dort oder da vielleicht eine Kompetenz unter den Nagel reißen will, sondern darum, in einer schwierigen Situation unsere Ressourcen so zu bündeln, dass wir die Aufgabe gemeinsam bewältigen können. Dafür, Herr Bundesminister, möchte ich mich wirklich sehr herzlich bedanken. Das ist sehr wichtig. Ich gehe auch davon aus, dass wir die heiklen Fragen, wer in der kommenden Zeit wofür zuständig ist, im Interesse der Sache lösen können.

Trotzdem möchte ich Sie alle einladen und bitten, auf internationaler und europäischer Ebene weiter gemeinsam Stimmung zu machen, zum Gespräch einzuladen und da­nach zu trachten, dass wir zu einer Lösung kommen, denn ich glaube: Für die Zukunft gesprochen können wir diese Frage nur gemeinsam auf der großen europäischen oder internationalen Ebene lösen.

Ich fordere Sie alle dazu auf, dazu beizutragen, dass wir die humanitären Projekte, die wir schon lange genug diskutieren, in den Krisengebieten endlich auch umsetzen, denn ich glaube, dass es uns Österreichern gut ansteht, zu zeigen, dass wir neben unserer Tätigkeit in den staatlichen Organisationen auch im rein humanitären Bereich helfen wollen. Ich denke, das ist wichtig. Je mehr wir vor Ort helfen können, umso weniger kommt der Druck auf unsere Grenzen. In diesem Sinne lade ich Sie ein, diese wich­tigen Fragen gemeinsam einer Lösung zuzuführen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 46

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Lopat­ka. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.56.28

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fällt mir sehr leicht, unmittelbar an meinen Vorredner und auch an das anzuschließen, was Verteidigungsminister Doskozil sehr ruhig, unaufgeregt, aber klar in der Positionierung gesagt hat. Es ist wichtig, einen Ver­teidigungsminister zu haben, der so gut mit dem Innenministerium und dem Außen­ministerium zusammenarbeitet, denn die Situation ist eine schwierige und die Heraus­forderungen sind größer als jemals zuvor.

Wir haben eine klare Positionierung und dies auch nach dem Jahr 2015 klar ausge­schildert. Das Jahr 2015 darf sich nicht mehr wiederholen! 1 322 170 Menschen sind in diesem Jahr nach Europa gekommen und haben hier um Asyl angesucht. Hätte es ei­ne gerechte Verteilung innerhalb der Europäischen Union gegeben, wäre auch diese Zahl für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine, die wir nicht Jahr für Jahr schultern könnten. Aber wir sind ja weit von einer innereuropäischen Solidarität ent­fernt. Es waren nur einige wenige Staaten, die massiv belastet wurden.

Die Europäische Union hat jetzt aber diese Aufgabenstellung erkannt. Es war genau heute vor einer Woche, als Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seine Rede in Straßburg gehalten hat. Ich hoffe, dass das, was er gesagt hat, auch zur Umsetzung gelangt. Juncker hat in seiner Rede festgehalten: „Deswegen werden wir unsere Gren­zen mit der neuen Europäischen Grenz- und Küstenwache schützen, die derzeit von Parlament und Rat formalisiert wird – nur neun Monate, nachdem die Kommission den entsprechenden Vorschlag vorgelegt hat.“

Man hat ja gesehen, dass hier die Europäische Union versagt hat, was den Schutz der Außengrenzen betrifft. Denn bisher war es so: Wenn man das Mittelmeer erreicht hat, hat man das Ticket nach Deutschland oder Österreich oder Schweden in der Tasche gehabt. – Das darf nicht sein! Das hat auch Außenminister Kurz sehr deutlich festge­halten. Wir brauchen da einen Schutz der EU-Außengrenzen – der muss aufgebaut werden! Das ist essenziell, damit man von dem wegkommt, was auch Juncker in seiner Rede festgehalten hat, indem er meinte: „Unsere Europäische Union befindet sich – zu­mindest teilweise – in einer existenziellen Krise.

Ein ganz wesentlicher Teil dieser existenziellen Krise ist natürlich darin zu sehen, dass der Schutz der EU-Außengrenzen und damit ein Kernprojekt der Europäischen Union nicht gelungen ist, indem wir die Freiheiten im Schengen-Raum nicht mehr aufrechter­halten können. Wir sehen uns gezwungen, entsprechende Maßnahmen an unseren na­tionalen Grenzen zu setzen. Das ist nicht positiv, das ist das Gegenteil von positiv, aber wir müssen es tun, weil es sich unsere Bevölkerung zu Recht von uns erwartet. Wenn die Europäische Union die EU-Außengrenzen nicht schützen kann, dann sind wir gefordert, unsere staatlichen Grenzen zu schützen, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben als Europäische Union die Aufgabe, alles zu tun, dass wir vor den Grenzen der Europäischen Union, nämlich in den der EU vorgelagerten Staaten in einem guten Einvernehmen erreichen, dass die Menschen dort bleiben können.

Es ist natürlich gut, wenn man eine Vereinbarung mit der Türkei treffen kann, nur: Das entbindet uns nicht von unserer Aufgabe, die EU-Außengrenzen zu schützen. Es darf da keinen Blankoscheck geben, wir dürfen uns da nie in die Hand eines Nachbar­staates begeben. Mit Nachbarstaat meine ich einen Staat, der an die Europäische Uni­on grenzt. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 47

Das heißt, für uns ist ganz klar, was die Türkei betrifft: Die Türkei ist weit davon ent­fernt, dass man darüber reden kann, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden kann. Ganz sicher nicht! Wir haben dazu auch ein entsprechendes Konzept. Das hat Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gemeinsam mit dem Außenminister vorgelegt, und darin heißt es: Nein zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union!

Und vor diesem Hintergrund, den Punkten, die ich hier jetzt angesprochen habe, sollte die Europäische Union dann eben auch das tun, was vor mehr als zwei Jahren In­nenministerin Johanna Mikl-Leitner mit dem Projekt „Save Lives“ vorgeschlagen hat, wo sie schon damals gefordert hat, dass die Europäische Union darangehen soll, in Nordafrika und in der Türkei, also vor der Europäischen Union, in den Staaten, die um die Europäische Union gelagert sind, Flüchtlingslager zu errichten, damit die Schlepper wissen, dass sie ihr Geschäft nicht vollenden können, nämlich dass sie die Leute in den Mittelmeerraum bringen und damit dann kassieren können und die Menschen, die sich diesen Schleppern ausliefern, dann automatisch in die EU kommen.

Wir müssen da streng vorgehen. Grenzen setzen und Sicherheit geben – das ist unse­re Aufgabenstellung! (Beifall bei der ÖVP.)

11.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt das Mitglied des Europäi­schen Parlaments Vilimsky. – Bitte.

 


11.02.17

Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Gleich vorweg an die Adresse meines Vorred­ners Lopatka gerichtet, der hier gemeint hat, dass die österreichischen Grenzen zu schüt­zen sind für den Fall, dass die Außengrenzen der Europäischen Union nicht zu sichern sind: Ich höre das von Ihrer Seite immer wieder, nur: In der Sache selbst tut sich nichts!

Es war ja gerade Außenminister Kurz, der auch in Richtung „Kronen Zeitung“ gesagt hat: Wir schützen die rot-weiß-roten Grenzen. – Mitnichten! Wenige Tage später hat er dann in Brüssel gesagt, natürlich muss der Brenner offen bleiben. Und wir alle wissen, dass ein Hauptstrom von Migranten aus Arabien und aus Afrika über Italien auch in Rich­tung Österreich geht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar.)

Und heute haben wir die Phänomene von Kriminalität, von Illegalität und vor allem auch von Terrorismus. Nicht zuletzt ist Österreich mittlerweile eine Hochburg des Dschiha­dismus geworden.

Sie von der ÖVP müssen einen Weg beschreiten, wo Sie sagen: Wir tun auch das, was wir sagen! – und nicht eine Wahl verlieren, nach der Wahl in einer Schreckse­kunde den Boulevard bedienen und sagen: Wir sind eh Rot-Weiß-Rot, wir schützen un­sere Grenzen! – In Wirklichkeit tun Sie genau das Gegenteil dessen, was Sie sagen – an der Spitze Ihr Außenminister Kurz!

Ich versuche nun, die ganze Geschichte ein bisschen auch von der Genesis her auf­zurollen: Es hat ein Referendum in Großbritannien gegeben, bei dem eine Mehrheit der Bevölkerung gesagt hat: Nein, wir wollen nicht mehr in dieser EU bleiben! – Aber nicht deswegen, weil die Briten schlechte Europäer sind oder keine Kooperation wollen, son­dern deshalb, weil sie diesen Weg des Zentralismus nicht weiter gehen wollen und vor allem ihr eigenes Territorium schützen wollen.

Man hätte als europäische Nomenklatura es richtig verstehen und jetzt sagen müssen: Ja, wir lassen den Mitgliedstaaten wieder mehr Luft zum Atmen! Ja, wir lassen die Mit­gliedstaaten wieder mehr über sich bestimmen! Ja, wir geben ihnen auch die Möglich­keit, ihr Territorium entsprechend zu schützen!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 48

Aber was waren die ersten Reaktionen der EU-Spitzen? – Schulz hat gesagt, TTIP und CETA brauchen wir, das schmuggeln wir an den Parlamenten vorbei, demokratische Mitbestimmung brauchen wir da gar nicht. Und Juncker hat gesagt – wir bringen das auch beim Thema der heutigen Aktuellen Europastunde –, wir brauchen eine Europa­armee, wir brauchen eine EU-Armee. Zu Hilfe geeilt ist ihm gleich die italienische Hohe Vertreterin der Europäischen Union Mogherini, die gesagt hat, ja, es soll solch eine EU-Armee kommen, mit Hauptsitz in Brüssel.

Ich will nicht haben, dass ein Land wie Österreich, dass verfassungsrechtlich neutral ist, unter dem Kommando einer EU-Armee in Brüssel steht (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar) und wahrscheinlich auch eingesetzt wird für Interessen, die keine ös­terreichischen Interessen sind und die zu einem Gutteil wahrscheinlich auch amerikani­sche Interessen sind. Nein, wir sind neutral, wir wollen das bleiben. Und daran ist auch in keiner Art und Weise zu rütteln. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Und da bin ich wieder bei Ihnen von der ÖVP. Ihr Delegationsleiter im Europaparla­ment hat nämlich gesagt: Ja, wir wollen solch eine EU-Armee haben! Und: Ja, darüber müssen wir reden! – Und genau das ist der Unterschied zu dem, was Sie hier sagen. Das ist nämlich etwas anderes als das, was Sie in letzter Konsequenz auch wirklich tun.

Das zweite Thema, das heute hier zur Debatte steht, ist die Frage der Möglichkeit der sicheren Unterbringung für Menschen, die Schutz benötigen. Auch da gibt es jede Men­ge Ideen in der Europäischen Union, die richtig sind, die gut sind, die auch aus den Kreisen der Konservativen und der Sozialdemokraten kommen. So hat es vor einigen Jahren – es liegt ein bisschen zurück, aber es ist wichtig – vonseiten des deutschen Innenministers Schily geheißen: Natürlich brauchen wir eine sichere Zone in der Re­gion selbst! Und es war der deutsche Außenminister Thomas de Maizière, der gesagt hat: Ja, wir brauchen in der Region eine Betreuungsmöglichkeit und können die Men­schen nicht zu Hunderttausenden nach Europa holen! Und es war sogar die österrei­chische Innenministerin Mikl-Leitner – wieder bin ich bei der ÖVP –, die gesagt hat: Ja, wir wollen die Leute in der Region betreuen, wir können sie nicht herholen! Mittlerweile gibt es Mikl-Leitner nicht mehr in der Regierung, und die ÖVP tut genau das Gegenteil.

Das alles sind Dinge, an denen man sieht, dass hier anders gesprochen wird, mit an­derer Zunge, dass der Bevölkerung Dinge vorgegaukelt werden, die in letzter Konse­quenz nicht gehalten werden und die in der realen Politik völlig andere sind.

Ich glaube, wenn man es halbwegs ehrlich meint mit diesem europäischen Einigungs­projekt und einem etwas daran liegt, dass wir diese Europäische Union nicht an die Wand fahren, dann muss man jetzt begreifen, dass man darangehen muss, die Zügel wieder locker zu lassen, dass man jetzt den Nationalstaaten Kompetenzen zurückge­ben muss, dass man die nationalen Parlamente wieder mehr mit Leben erfüllen muss, dass man nicht mehr 80 Prozent in Brüssel beschließt und das dann in den jeweiligen EU-Staaten umsetzen muss. Das war ja der Grund dafür, dass ich als Mitglied dieses Hohen Hauses nach Brüssel gegangen bin: um einen Beitrag dazu zu leisten, diese Kompetenzen wieder zurückzuholen – für Sie alle, für Österreich! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, es mit diesem europäischen Pro­jekt ehrlich meinen (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen) – ich komme zum Schluss –, dann unterstützen Sie diesen Weg von mehr rot-weiß-roter Kompetenz auch dement­sprechend in Ihren Handlungen und nicht nur in Ihren Worten! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 49

11.07.55

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Ich war gespannt darauf, wie der Abgeordnete Vilimsky seitens der Freiheitli­chen Partei auf die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik eingehen wird. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) Und es ist, glaube ich, für uns alles sehr wichtig, festzustellen, dass er im Bereich Sicherheitspolitik für den Beginn des österreichischen Öxit plädiert. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wann hat er das getan? Können Sie nicht zuhören?) Das ist ein ganz wichtiger Hinweis: raus aus Europa, Kompetenzen raus aus Brüssel, österreichische Einigelung, Beginn des Öxit in der Sicherheitspolitik! – Ich halte das für den völlig falschen Weg! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Ich sage noch eines dazu: Es ist kein besonderes Geheimnis, dass ich seit Jahren da­für plädiere (Ruf bei der FPÖ: Das Bundesheer abzuschaffen!), eine gemeinsame eu­ropäische Verteidigung ernst zu nehmen und dafür Voraussetzungen zu schaffen. Und dafür gibt es drei Voraussetzungen in der europäischen Verfassung:

Erstens: die Nichtteilnahme an Kriegen als Verfassungsprinzip,

zweitens: den Nichtbeitritt zu einem militärischen Bündnis als europäisches Verfas­sungsprinzip,

drittens: das Verbot der Stationierung fremder Truppen in Europa als Verfassungsprin­zip. (Abg. Walter Rosenkranz: Und viertens: Abschaffung der österreichischen Neutra­lität!)

Das sind die drei Prinzipien der österreichischen Neutralität, und ich halte sie für gute Prinzipien. Und ich halte es für sehr sinnvoll, in der Europäischen Union ernsthaft darü­ber zu diskutieren, ob dieses österreichische Erfolgsrezept nicht ein europäisches Er­folgsrezept werden sollte. Genau darum geht es bei der Zukunft der Sicherheitspolitik! (Beifall bei den Grünen.)

Und da ist es auch sinnvoll, mit dem Verteidigungsminister zu diskutieren. Nur: Für all das, was da Freiheitliche und Team Stronach mit ihm diskutieren wollten, ist ein ande­rer Minister hauptzuständig, nämlich der Außen- und Integrationsminister. Schade, dass er nicht hier ist! Schade, dass er uns nicht erklärt, warum die ÖVP den verfassungs­widrigen Einsatz von Militärs an den EU- und Schengen-Außengrenzen diskutiert. Das sind Aufgaben der Polizei und von sonst niemandem!

Ich bin dafür und ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass diese europäischen Grenzen geschützt werden – aber auf Basis unserer Verfassung! Und das heißt: aus­schließlich von der Polizei!

Und dann ist die entscheidende Frage zu klären: Wie gehen wir mit den Grundrechten dieser Europäischen Union um? Heißt Grenzsicherung, dass wir das Grundrecht, das Menschenrecht auf Asyl innerhalb der Union abschaffen, oder heißt das, dass wir es ernst nehmen und das tun, wozu wir verpflichtet sind und was wir auch können? Und da gebe ich jetzt der ÖVP und dem Außenminister wieder recht: Gerade die ÖVP, gemeinsam mit den Freiheitlichen, sagt immer, wir müssen vor Ort helfen, damit mög­lichst wenig Flüchtlinge zu uns kommen müssen.

Wir alle, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, haben mehrere Male der Bundesregierung klargemacht, dass wir eine massive Unterstützung zum Beispiel des World Food Programme brauchen, damit die Menschen nicht vor dem Hunger aus Jordanien, dem Libanon, aus Nordirak und anderen Staaten flüchten müssen, sondern dort auf die Rückkehr warten können.

Ich habe heute in Berlin nachgefragt: Im Juni hat der Finanzminister gemeinsam mit dem Außenminister dem World Food Programme auf unsere parlamentarische Initia­tive hin 5 Millionen € versprochen. Kein Cent ist angekommen! Ich halte das nicht nur


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menschlich für eine Lumperei! Und ich werde jetzt nicht die Lumpen nennen, nicht die verantwortlichen Lumpen nennen, sondern an ihrer Stelle den verantwortlichen Minis­ter, den Minister für Äußeres und Integration der Republik Österreich.

Gleichzeitig gibt der Verteidigungsminister – und da gibt es schnell Geld – 1,61 Millio­nen € für ein Enterkommando im Mittelmeer aus. Ich nehme zur Kenntnis, dass das Juwel der österreichischen Kriegsmarine, das Jagdkommando, erfolgreich eine Punkt­landung am Sonnendeck des Flaggschiffs der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, der „MS Admiral Tegetthoff“, geschafft hat. Bravo von diesem Pult aus! Bravo an unsere Kriegsmarine!

Aber warum wir uns dann unter völlig anderen Bedingungen an EU-Enterkommandos beteiligen sollen, für die es übrigens nicht einmal verfassungsmäßige Grundlagen in der Bundesverfassung und im KSE-Gesetz gibt, ist auch eine Frage. Ich befürchte, dass dieser Auftrag sogar verfassungswidrig ist. Vorsicht, Herr Verteidigungsminister!

Und warum gibt es Millionen für Enterkommandos (Präsident Kopf gibt das Glocken­zeichen) und kein Geld für die Nahrungsmittelhilfe und den ernsthaften Versuch, den Menschen die Flucht nach Europa zu ersparen? – Darum geht es!

Ich ersuche Sie, Herr Verteidigungsminister, in diesem Sinne auf den – ich sage es jetzt wieder vorsichtig – Außenminister und Integrationsminister einzuwirken, dass er sei­ne doppelbödige und zynische Haltung aufgibt und endlich Menschlichkeit und die Si­cherheitsinteressen der Republik Österreich vertritt. – Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen.)

11.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.

 


11.14.10

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ein weiterer Blick auf die EU-Außengrenzen, auf die Sicherheitslage auf unserem Kontinent heute hier in dieser Eu­ropastunde. – Ja, was gilt es zu tun?

Ich glaube, es ist selbstredend, dass ein Staatsgebilde oder eine Staatengemeinschaft wie die Europäische Union ihre Grenzen sichern muss. Das haben wir schon vor einem Jahr diskutiert. Das musste eigentlich, Herr Verteidigungsminister – und das richtet sich weniger an Sie als Person als an die Sozialdemokratie und an die Konservativen –, für jeden Mensch mit Hausverstand bei der Konzeption von Schengen und der Europäi­schen Union klar sein. Wir können nicht die Grenzen im Inneren aufgeben und gleich­zeitig die Sicherung der gemeinsamen Außengrenze nicht ernst nehmen. Das ist aber leider passiert, mit all den Verwerfungen, die wir heute sehen, und deswegen verstehe ich, dass wir kurzfristig mit dem nationalen Grenzschutz zwischenpuffern müssen, so ab­artig ich das auch finde.

Nur: Was ich nicht akzeptieren kann, Herr Minister, ist, dass wir ein Jahr nach Beginn der Flüchtlingskrise dieselbe Situation haben wie damals, vor zwölf Monaten: Sie ver­hängen nationale Schutzmaßnahmen immer mit dem Hinweis, dass die EU-Außen­grenze eben nicht ausreichend geschützt ist, ohne dass Sie, Herr Minister, und der Au­ßenminister, der Kanzler und der Vizekanzler, die auf allen möglichen Konferenzen he­rumtanzen, hier mit Nachdruck an europäische Lösungen herangehen.

Das ist mein Vorwurf: dass Sie hier bewusst und fahrlässig nationale Provisorien ver­längern! Und der Zaun, der gebaut ist, wird so schnell nicht mehr verschwinden. Die Mauer, die gebaut wird, wird so schnell nicht mehr verschwinden. Davon können die Deutschen ein Lied singen, und viele andere Länder dieser Welt. (Abg. Hübner: Das war ein Unterschied: In Berlin eine Mauer zu bauen!)


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Schauen Sie, wir bauen jetzt Zäune. Ich weiß, die FPÖ verbreitet hier die Illusion, dass wir eine Insel der Seligen sind und dass dann, wenn wir einen acht Meter hohen Zaun bauen, mit Stacheldraht oben drauf, alles gut bleibt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hübner.) Herr Hübner, wir sind weder eine Insel, noch sind wir selig. Wir liegen im Her­zen Europas, und wenn wir diese Lösungen nicht gemeinsam schmieden und bauen, dann wird es keine Lösungen geben. Und dann werden wir an Lebensqualität, an Wohl­stand und an Frieden einbüßen. (Abg. Hübner: Was ist die Konsequenz? – Es gibt gar nichts!) Der Friede, der Wohlstand und die Lebensqualität auf diesem Kontinent, die mei­ne Generation bisher genießen konnten, sind ausschließlich und allein aus der Ge­meinsamkeit erwachsen. Und wenn diese wegfällt, dann fällt auch der Frieden weg. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Unser Vorschlag ist klar: 30 000 Mann und Frauen an die EU-Außengrenze. Wir haben so große Polizeiapparate – auch Heere – in den 27 oder 28 EU-Mitgliedsländern, dass wir das morgen schaffen könnten, wenn die Minister, wenn die Regierungen das nur wollten. Aber sie wollen es nicht, und deswegen geschieht es nicht.

Während wir die Außengrenze sichern, müssen wir natürlich entschlossen in Program­me der Kooperation kommen, beispielsweise mit Afrika – von Juncker angedeutet, aber alles zu wenig entschlossen! Solange wir dieses Wohlstandsgefälle zwischen Afrika und Europa haben, so lange wird ein Migrationsstrom nicht managebaren Ausmaßes da­raus erwachsen. Das ist ganz klar. In Afrika wird bis 2050 die Bevölkerung von 1 Mil­liarde auf 2 Milliarden anwachsen: Verdoppelung der Bevölkerung in den nächsten gut 30 Jahren. Gleichzeitig gibt es in Afrika unter den 15- bis 24-Jährigen eine Arbeitslo­sigkeit von 60 Prozent. Und gleichzeitig bekommen diese – und das ist eine neue Spiel­anlage – die Images von Wohlstand, Lebensqualität und so weiter auf ihr Handy. Das hatten sie früher nicht. Die Mobilität ist gewachsen. Der nordafrikanische Staatengürtel ist von teilweise staatenlosen Gebilden völlig durchlöchert. Stichwort: Libyen. Das heißt: Wir haben eine völlig neue Spielanlage. Und: Wir müssen da in ganz entschlossene Ko­operationen kommen.

Die Chinesen kaufen da munter ganze Landstriche, machen Land Grabbing in großem Stil. Die amerikanischen und teilweise auch die europäischen Konzerne können da gar nicht mehr mithalten, weil sie sich – und das ist löblich – Compliance- und Ethik-Vor­schriften selbst geben und wir als Demokratien sie ihnen mitgeben. Aber das alles sind keine nachhaltigen Strategien. Da muss eine politische Antwort kommen, denn sonst werden wir hier in den nächsten Jahrzehnten einen hohen Preis zahlen.

Das heißt: Die Antwort liegt in der Solidarität der Länder in einem gemeinsamen Euro­pa. Deswegen haben wir heute vor dem Parlament die Europahymne gesungen, um 8.15 Uhr in der Früh, und wir werden das noch öfter machen. Ich hoffe, dass es jene Hymne ist, die meine Töchter dereinst auch singen werden. Ich hoffe, dass sie dereinst einen gemeinsamen Pass haben – mit den Slowenen, den Deutschen, den Engländern, mit wem auch immer. (Beifall bei den NEOS.)

11.19


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


11.19.28

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Herr Bundesminister, Sie haben recht: Sie sind eigentlich nur der dritt­gereihte Ansprechpartner, aber die anderen, der erste und der zweite Ansprechpartner, sind in New York und haben dort wichtige Gespräche zu führen. Nur: Der Erfolg wird nicht groß sein, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen, denn sie sind bisher immer mit leeren Händen zurückgekommen. Und das wird auch diesmal nicht anders sein.


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Ich glaube, dass es notwendig ist, dass man hier einmal darauf aufmerksam macht, wel­che Probleme auf uns zukommen; das wird immer hinuntergespielt. Ich möchte Ihnen eines sagen: Ich habe vor sechs Jahren – vor sechs Jahren! – im Europarat, im Men­schenrechts- und Migrationsausschuss, schon ganz klar gesagt, woher die Problematik kommt und was an der Mittelmeergrenze zu tun ist. Ich habe einen Frontex-Einsatz an der nordafrikanischen Grenze gefordert, um die Schlepperorganisationen dort zu tref­fen, wo sie ihr schmutziges Geschäft machen, nämlich an der nordafrikanischen Gren­ze, von wo aus sie Menschen in total überfüllten, nicht seetüchtigen Booten auf die Reise – oft in den sicheren Tod – schicken. Das war damals meine Intention. – Bis heute ist nichts geschehen.

Ich habe damals auch gefordert, dass man die Menschen, die man dort aufgreift, in so­genannten Wartecamps der EU an der Grenze betreut und feststellt, ob sie eine Chan­ce haben, nach Europa zu kommen, oder nicht; denn der Großteil der Menschen, die da unterwegs sind, sind Wirtschaftsflüchtlinge.

Ich habe hier die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage meiner Kollegin Waltraud Dietrich an den Bundesminister für Inneres aus diesem Jahr – sie hat diese Anfrage am 15. Juni 2016 gestellt, die Beantwortung ist am 12. August gekommen; Sie können das im Internet auch nachlesen –, und da ist mir etwas aufgefallen. Österreich hat nur we­nige Menschen zurückgeschoben: Im Jahr 2012 waren es insgesamt 255, im Jahr 2013 390, im Jahr 2014 480, im Jahr 2015 513 und von Jänner bis Mai 2016 166.

Wenn Sie in der Anfragebeantwortung auf die Nationalitäten achten, dann sehen Sie, dass niemand aus Somalia zurückgeschoben worden ist, niemand aus Nigeria, nie­mand aus Afghanistan, auch niemand aus Marokko oder Tunesien. Wir wissen aber ge­nau, dass von dort die ganzen „Flüchtlinge“ – unter Anführungszeichen – kommen, die wir hier in Österreich haben. Ich sage das bewusst so, denn für mich sind es großteils Wirtschaftsflüchtlinge und nicht Kriegsflüchtlinge. Da wurde aber niemand zurückge­schoben. Warum? – Weil wir die Rücknahmeabkommen nicht verhandeln konnten.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dort muss man einmal ansetzen, und da ist nicht der Herr Verteidigungsminister gefordert, sondern der Herr Außenminister. Ich habe das immer wieder mit Anträgen einzubringen versucht, dass man Wartecamps in Nordafri­ka, zum Beispiel speziell in Tunesien oder in Marokko, aufbaut, die funktionieren, damit wir die Menschen, die einen negativen Asylbescheid haben, auch wieder zurückbrin­gen können, dass sie freiwillig wieder in ihr Land, nach Hause gehen. Sie schmeißen nämlich ihren Pass weg und behaupten, jemand anderer zu sein. Das ist ja die große Problematik, die wir haben, denn sie sind dann nicht einordenbar, und diese Länder neh­men sie nicht zurück; auch Pakistan ist zum Beispiel mit null in dieser Anfragebeant­wortung drinnen.

Diese Menschen kommen mit wirtschaftlichen Vorstellungen hierher, suchen einen Ar­beitsplatz, wollen natürlich ihr Leben verbessern und landen dann – wie wir heute in der „Kronen Zeitung“ lesen – in der Mindestsicherung, machen keine Lehre, wie man das eigentlich erwartet hätte, sondern hauen sich auf die faule Haut und genießen das Leben auf Kosten der österreichischen Steuerzahler. Das ist der falsche Weg.

Meine Damen und Herren! Ich war diese Woche am Brenner, habe mir die Situation ein wenig angeschaut. Am Brenner ist der Keller des Bahnhofs voll mit Schwarzafrika­nern. Ich habe dann mit den Menschen gesprochen, die dort vor Ort sind – Italiener, Österreicher, in Gasthäusern –, da wurde mir immer wieder eines gesagt: Diese Men­schen werden zwar aus dem Zug herausgeholt, dann warten sie dort ein bisschen, und dann verschwinden sie – aber zurück nach Italien fährt keiner! Das gibt mir zu denken, meine Damen und Herren, und wenn ich mir anschaue, welches Spiel hier gespielt wird, dann sage ich: Das ist europäische Unfähigkeitspolitik. Ich denke, das muss man


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einmal offen ansprechen (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Hübner), und da ist die Bundesregierung gefordert, Maßnahmen zu setzen. (Präsident Kopf gibt das Glo­ckenzeichen.)

Wir haben ein Versagen auf allen Ebenen, und ich denke, Herr Bundesminister – Sie sind jetzt leider der, der das heute ausbaden muss, aber Sie können es in die Regie­rung zu Ihren Kollegen mitnehmen –: Hier muss gehandelt werden, hier muss schnell gehandelt werden, damit wir den Menschen Sicherheit geben. Es wurde Verfassungs­sicherheit angesprochen. Ich glaube, wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass wir Politiker auf sie schauen und ihre Interessen vertreten. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

11.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


11.25.04

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bezeichnend, dass die Kritik an Europa, an den Ins­titutionen, an der Politik und an den Möglichkeiten der Europäischen Union von jenen am heftigsten formuliert wird, die permanent am stärksten und am heftigsten gegen ein gemeinsames Europa opponieren.

Ich bin ganz bei der Analyse sowohl des Kollegen Strolz als auch des Kollegen Pilz, dass die Konstruktion Europas zur Zeit des Schengen-Abkommens – damals vielleicht auch politisch fahrlässig – wahrscheinlich auch aufgrund der damaligen konkreten Si­tuation nicht so gestaltet wurde, wie wir das aktuell für notwendig erachten. Das müs­sen wir zugeben.

Wir haben den Bürgerinnen und Bürgern in Europa die Freiheit des Personenverkehrs als einen großen Benefit versprochen, was auch umgesetzt wurde. Viele von uns erin­nern sich noch an die österreichischen Grenzen, daran, dass es fast unmöglich war, ein Visum für die Tschechoslowakei zu bekommen, an die Hürden bei einem Wochen­endbesuch in Ungarn, an die Massenstaus an der Salzburger Grenze, am Walserberg, oder Richtung Italien am Brenner. Eine Generation junger Österreicherinnen und Ös­terreicher hat diesen Benefit bereits konsumiert und kann sich ein Europa mit Grenzen gar nicht mehr vorstellen.

Gleichzeitig haben wir es damals aber verabsäumt, die Außengrenzen zu sichern – aus unterschiedlichen Motiven. Es war die Bedrohungslage vielleicht nicht absehbar, man muss aber auch zugeben, dass kaum ein Nationalstaat bereit ist, diese Agenda für ei­ne gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik abzugeben. Das jetzt der Europäischen Union zum Vorwurf zu machen halte ich nicht nur für unfair, sondern auch für verfehlt.

Die Reaktionen der Österreicherinnen und Österreicher waren ähnlich wie jene in Deutschland. Bitte erinnern wir uns an die Situation vor einem Jahr, an die schreckli­chen Bilder vom Mittelmeer, aber auch an den Kleintransporter an der A4 mit mehr als 70 Toten! Damals hat die deutsche Kanzlerin – ausgehend von den Zuständen in Bu­dapest – gesagt: Wir schaffen diese große Herausforderung!

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, was soll eine Bundeskanzlerin sonst sagen? Soll sie sagen: Das schaffen wir nie!? Wir werden diese Menschen nicht integrieren, wir wer­den sie nicht betreuen, wir werden sie nicht versorgen, wir werden die NGOs nicht um Hilfestellung ersuchen!? Diese Aussage – wir haben dieses Problem zu bewältigen, wir schaffen das – als Einladungspolitik hinzustellen, halte ich für eine unverfrorene Unter­stellung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hübner und Bösch.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen alle Herausforderungen schaffen. Wir müs­sen es schaffen, dass die Lebensbedingungen, die sozialen Bedingungen, aber auch die


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klimapolitischen, die Umweltbedingungen in Afrika (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hübner), in den Ländern des Vorderen Orients verbessert werden. Wir müssen es schaf­fen, gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft für Frieden zu sorgen, für soziale Lebensbedingungen und auch für ökologische Maßnahmen, die es den Men­schen erlauben, in ihren Heimatländern zu bleiben.

Niemand flüchtet gerne, freiwillig. Die Fluchtursachen müssen eingedämmt beziehungs­weise beseitigt werden – und damit bin ich wieder bei dem, was ich am Beginn meiner Rede gesagt habe: Dazu bedarf es europäischer, gesamteuropäischer Handlungsmög­lichkeiten, aber auch starker internationaler Organisationen. Das, was sich in den letz­ten beiden Tagen in Syrien abgespielt hat, war genau das Gegenteil davon, dass die Vereinten Nationen Kraft und Stärke zeigen können. Aber wer sind die Vereinten Na­tionen? – Das sind wieder jene Staaten, auch die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats, die unterschiedliche Interessen haben, geopolitisch, vor allem aber auch wirtschaftlich.

Deshalb noch einmal zum Schluss: Wenn wir ein gemeinsames Europa wollen, dann müssen wir auch bereit sein, nationale Kompetenzen in Europa zu zentrieren und zu bündeln. Ich glaube, wir schaffen das. Frieden zu schaffen und Sicherheit zu garantie­ren sind nämlich keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pilz und Walser.)

11.30


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Schöneg­ger zu Wort. – Bitte.

 


11.30.12

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Saal und zu Hause! Die Fra­ge, wie Europa mit dem immer größer werdenden Druck, mit dem immer größer wer­denden Problem der Einwanderung umgehen soll, ist keine Frage, die man so einfach im Vorbeigehen nonchalant lösen kann. (Abg. Hübner: Na wer behauptet denn das?) Es ist aber auch keine Frage, die unlösbar ist. In einem sind wir uns einig: Die Frage kann man nicht lösen, Kollege Hübner, wenn man mit Schaum vor dem Mund agiert. Die Frage kann man sicher nicht lösen, wenn man mit schmerzhafter Naivität an sie he­rangeht. (Abg. Hübner: „Schmerzhafte Naivität!“) Beide Dinge werden nicht zu einer Lö­sung führen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Hohes Haus! Es gilt dabei vielmehr, verschiedenste Blickpunkte zu betrachten. Neben dem aktuell präsenten Migrationsdruck vor allem aus dem arabischen Raum (Zwischen­ruf des Abg. Bösch) wollen gemäß einer Studie des Doha-Instituts bis zu 35 Prozent aus dem afrikanischen Raum ihr Land verlassen. In Zahlen würde das bedeuten: 130 Mil­lionen fluchtbereite Menschen aus dem afrikanischen Raum. Das würde uns in Europa, speziell aber in Österreich, in Deutschland, wo wir durch eine sehr alimentationsfreudi­ge Politik die Menschen sehr anziehen, vor unlösbare Probleme stellen, und das muss auch klar gesagt werden. Es ist zu wenig, in diesem Zusammenhang zu sagen: Wir schaffen das!

Bevölkerungsgruppen oder auch Glaubensgemeinschaften sehen sich zunehmend un­ter Druck gesetzt, daher plädiere ich heute dafür, dass wir nach der Willkommenspoli­tik, die zu einer gewissen Zeit wahrscheinlich richtig und wichtig war, nun zu einer Wahr­heitspolitik finden. Es ist höchst an der Zeit.

Dazu gehört, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass auch die durch Zuwande­rung entstehende Problematik eines erneuten Antisemitismus angesprochen wird. Die­ser Antisemitismus führte zum Beispiel 2012 bis 2015 zu einer gewissen Abwande­rungstendenz unter französischen Juden, was in Israel zu Spannungen in der Sied­lungspolitik geführt hat, was wiederum dazu führt, dass es dort zu Flucht und anderen


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Dingen kommt. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Problem ist sehr kompliziert, und es gibt da sicherlich keine einfachen Antworten.

Uns hier in Europa muss längst klar sein, dass es eine Reihe von Maßnahmen be­nötigt, um diese globale Herausforderung zu meistern. Unser Außenminister Sebastian Kurz, der deswegen nicht anwesend ist, weil er eben in dieser Frage gerade in New York war, hat in seiner international viel beachteten Rede beim UN-Flüchtlings- und Mi­grationsgipfel sehr wichtige und richtige Dinge zum Ausdruck gebracht. Österreich war im letzten Jahr nicht nur solidarisch, sondern hat überproportional viele Flüchtlinge auf­genommen, daher gibt es für andere Länder keinerlei Rechtfertigung, Kritik an den not­wendig gewordenen nationalen Maßnahmen zu üben. Die Aufnahme der vielen Men­schen, die über illegale Wege gekommen sind, und die Politik des Weiterwinkens von den Außengrenzen bis nach Mitteleuropa haben das Sterben auf den gefährlichen und unsicheren Flüchtlingsrouten in Wirklichkeit sogar noch verstärkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Auftrag muss es sein, und Sebastian Kurz hat das auf den Punkt gebracht, die EU-Außengrenzen zu schützen, den Zustrom nach Europa zu stoppen, und dafür müssen wir in Hilfe vor Ort investieren. Wenn man bedenkt, dass man für einen Flüchtling, der in Österreich betreut wird, 20 Menschen vor Ort helfen kann (Abg. Pilz: Warum wird nicht überwiesen?), dann sehen wir, wie recht der Außenminister mit dieser Feststellung hatte. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Na machen wir’s! – Abg. Königsberger-Ludwig: Lasst den Worten Taten folgen! – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Herr Kollege Pilz, Österreich wird die humanitäre Hilfe auf 154 Millionen € pro Jahr stei­gern. Österreich wird den Auslandskatastrophenfonds auf 20 Millionen € jährlich ver­vierfachen. (Abg. Moser: Das hören wir schon oft!) Und bezüglich Ihrer Kritik: Ich glau­be, das Wort Lump ist gefallen. – Ein Lump ist derjenige, der wissentlich die Unwahr­heit sagt. Ich weiß nicht, ob es solche Menschen hier gibt. Wir sprechen noch heuer über das World Food Programme, und Sie werden sehen, die für 2016 zugesagten 5 Mil­lionen € werden fließen.

Österreich ist gewillt, seinen Beitrag für ein sicheres Europa zu leisten, daher ist es aus unserer Sicht zu begrüßen, dass sich das Bundesheer im Rahmen des internationalen UN-Einsatzes Sophia engagiert. Worum geht es? – Ziel dieses Einsatzes ist es, im Mittelmeer gegen organisierten Menschenschmuggel und Menschenhandel vorzuge­hen sowie den illegalen Waffenhandel über den Seeweg zu unterbinden. Ich sehe da kein Problem, ich sehe da in Wirklichkeit Einklang mit den Lissabon-Verträgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorstellung, dass das 21. Jahrhundert eine Ära ohne Grenzen ist, ist einigermaßen weltfremd und naiv. Das EU-Regelwerk mit Schengen und Dublin war ja auch nie ein Regelwerk für ein Europa ohne Grenzen; es war ein Regelwerk für ein Europa ohne Binnengrenzen, dafür mit starken Außen­grenzen. Die gibt es nicht, und daher sind wir alle gefordert, damit das ganz rasch mit Hilfe und Beteiligung aller europäischen Länder geändert wird. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. (Ruf bei der FPÖ: Gott sei Dank!) Ich darf in Erinnerung rufen – weil das heute einige Male als neuer Vor­schlag gekommen ist –: Die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat bereits vor zwei Jahren das Konzept „Save Lives“ mit genau diesen Punkten – Wartezonen, Schutzzonen vor Ort, geregelter Transfer nach Europa für jene Menschen, die tatsäch­lich verfolgt werden – auf europäischer Ebene vorgestellt.

Ich meine: Bleiben wir dran! Wir sind mit dem Außenminister, der mit der Westbalkan-Konferenz den ungebremsten Zustrom gestoppt hat, mit der ÖVP, die nach zu langen Verhandlungen eine Obergrenze durchgesetzt hat, auf einem guten Weg. Wir sind noch


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lange nicht fertig, aber der Kurs stimmt, und gemeinsam schaffen wir das, ohne Schaum vor dem Mund und ohne Naivität, in der Mitte des politischen Lebens. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.36


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.36.34

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Schönegger, Sie haben heute zwei fundamentale Aussagen getätigt. (Abg. Schönegger: Mehr!) – Na, zwei fundamentale Aussagen. Bei der einen Aussage, da geben Ihnen, glaube ich, alle recht: dass die Antworten nicht einfach sind, die man geben kann. Bei der zweiten Aussage geben Ihnen schon nicht mehr so viele recht, und ich glaube, Sie selbst geben sich auch nicht recht, wenn Sie sagen, dass wir eine Wahrheitspolitik brauchen.

Eine Wahrheitspolitik bedeutet nämlich im Wesentlichen, den Dingen ins Auge zu se­hen und sie so zu benennen, wie sie sind. Und es ist nicht Wahrheitspolitik, Placebos zu verteilen oder Leckerlis auszuteilen, damit die Leute etwas haben, über das sie re­den können, und sie von den eigentlichen Problemen abzulenken, sondern Wahrheits­politik ist, die eigentlichen Probleme anzugehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Solche Placebos haben Sie ja zur Genüge erwähnt; fast alle meine Vorredner – nicht alle, ich nehme einige aus – haben diese Placebos, dieses Mantra ja durchgebetet.

Das erste Placebo ist: Wir müssen unsere Außengrenzen schützen. – Was, wir müs­sen unsere Außengrenzen schützen? Ja, no na müssen wir das tun! Wir müssen unse­re Außengrenzen schützen heißt aber auch, dass es irgendein Konzept oder einen Plan und eine Bereitschaft gibt, Grenzen zu schützen. Wir stehen ja nicht vor einer mi­litärischen oder bewaffneten Intervention, sondern vor der Situation, dass Leute illegal und massenhaft über die Grenzen kommen und daran nicht gehindert werden. Und das scheitert ja nicht daran, dass Länder wie Italien oder Griechenland keine Polizei oder keine Armee haben, sondern das scheitert daran, dass sie es nicht tun. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

Das scheitert ja auch nicht daran, dass es Frontex nicht gibt. Das scheitert nicht daran, dass es keine Kriegsschiffe im Mittelmeer gibt, die den Flüchtlings- oder Einwande­rungs- oder Migrantenstrom kontrollieren oder stoppen könnten. Das scheitert daran, dass sie keinen Auftrag haben, das zu tun, denn die viel geliebte Operation Sophia, zu der wir jetzt zusätzliche Leute schicken müssen, ist ja keine Grenzschutzorganisa­tion im Sinne eines Verhinderns illegaler Einwanderung; sie ist vielmehr eine Schlep­perhilfsorganisation, die Attraktionen für die illegale Einwanderung bietet. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

Sie hat ja keinen anderen Auftrag, als Leute – unter Anführungszeichen – „zu retten“ (Zwischenruf des Abg. Schönegger), das heißt, 10 Seemeilen vor der Grenze an Bord zu nehmen und nach Europa zu schaffen. Sie hat keinen Auftrag, illegale Einwanderer zurückzubringen, sie hat den Placebo-Auftrag, die Schlepper zu bekämpfen. Das macht sie aber nicht, sondern sie macht nichts anderes, als kostenlose Transportdienste von Nordafrika nach Europa durchzuführen. Das macht sie, und das wird sie genauso ma­chen, wenn wir 200 oder 300 Gendarmen – oder wie Herr Kollege Pilz launig gemeint hat: irgendwelche österreichischen Marineeinheiten – dorthin senden, solange der Auf­trag nicht geändert wird. Und der wird nicht geändert!

Juncker hat zwar viel von der existenziellen Krise geredet und von der europäischen Armee und europäischem Außenschutz – wir müssen, wir wollen! – und mehr Zusam­menarbeit, aber er hat kein Wort davon gesagt, dass die Definition der Aufgabe geän-


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dert wird. Kein Wort davon: Unsere Aufgabe ist es, illegale Einwanderer zurückzuschi­cken. Aufgabe der EU ist es, hier ansässige Illegale abzuschieben, in die Länder zurück­zubringen. Aufgabe ist es, unverzüglich alle Länder dazu zu zwingen, Rücknahmeab­kommen zu schließen. Kein Wort davon! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Doppler und Franz.)

Das heißt, auf europäischer Ebene gibt es nicht einmal Ansätze dafür, dass man bereit ist, dieses Thema in Angriff zu nehmen.

Wenn man jetzt von der Notwendigkeit einer europäischen Armee spricht, dann ist das wohl der Witz des Jahrhunderts, denn wo gibt es eine militärische Bedrohung Eu­ropas? Wo sind denn die Feinde, die eine Invasion machen? Wo brauchen wir denn ein militärisches Abwehrpotenzial? Wir brauchen den politischen Willen, die illegale Mas­seneinwanderung zu stoppen und zu kontrollieren und die Dinge beim Namen zu nen­nen! Daran fehlt es! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen den politischen Willen, diejenigen Schengen-Mitglieder, die unkontrolliert und unbeschränkt die illegale Masseneinwanderung zulassen, zu zwingen, das nicht mehr zu tun. Wir brauchen den politischen Willen, Italien und Griechenland daran zu hindern, ihre Armee und ihre Polizei wegschauen zu lassen und die Leute durchzu­winken.

Dafür gibt es aber keine Ansätze. Haben Sie je eine Kritik vom luxemburgischen Au­ßenminister an Griechenland und Italien gehört? Ich nicht. Die einzige Kritik, die ich ge­hört habe, auch von Herrn Juncker, ist die an Ungarn, weil die Ungarn die Schengen-Gesetze einhalten, weil sie ihre Verpflichtungen ernst nehmen, weil sie illegale Einwan­derung als das behandeln, was sie ist, nämlich als einen strafrechtlich relevanten Akt.

Solange es dieses Umdenken nicht gibt, brauchen wir den Leuten keinen Sand in die Augen zu streuen und von europäischen Initiativen und von mehr Europa zu reden, sondern es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die eigenen Grenzen zu schützen. Dann bleibt uns auch nichts anderes übrig, als das Asylsystem so zu sehen und so zu behandeln, wie es heute ist: Das ist kein Schutz mehr für politisch verfolgte Leute, wie es 1948 der Genfer Konvention zugrunde gelegen ist (Präsident Kopf gibt das Glo­ckenzeichen), sondern das ist heute ein Rechtsinstrument, um die illegale Massenein­wanderung in Europa auf scheinlegale Füße zu stellen, und dafür sollten wir uns nicht hergeben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lugar.)

11.42


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Lunacek zu Wort. – Bitte.

 


11.42.12

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich interessant, dass sich das, was wir im Europaparlament ständig erleben, auch hier widerspiegelt. Das, was vonseiten der FPÖ, im Europaparlament vonseiten Ihrer Fraktion, der ENF, von Frau Le Pen und all denen kommt, ist ein ständiges Mythenschaffen und Mär­chenerzählen. (Abg. Hübner: Wo ist ein Märchen?) Sie reden von Wahrheit, davon, dass Sie Wahrheitspolitik machen. Ich kann darüber nur lachen. (Abg. Hübner: Das dürfen Sie!) Leider ist es todernst. Sie schaffen den Mythos, dass jetzt sofort die euro­päische Armee kommt. Wenn Sie Herrn Juncker zugehört hätten, Herr Vilimsky, oder andere nachgelesen hätten, dann wüssten Sie, es war von einer europäischen Armee weit und breit keine Rede.

Ja, ein Hauptquartier für Kooperation, und das halte ich jetzt auch nicht für der Weis­heit letzten Schluss, aber eine europäische Armee steht einfach nicht auf der Tages­ordnung, weder in Österreich, wir stehen auf dem Boden der Neutralität, das hat Herr


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Pilz sehr genau erklärt, noch in Europa. Können Sie sich vorstellen, dass Staaten wie Frankreich bereit wären, ihre eigene Armee für eine europäische Armee aufzugeben? – Weit davon entfernt. (Abg. Hauser: Das müssen Sie Ihrem Kollegen Pilz erzählen!) Das heißt, hören Sie auf, hier Mythen zu schaffen, Märchen zu erzählen, die nur darauf aus­gerichtet sind, was Sie eigentlich sagen wollen, dass Sie nämlich – die FPÖ genauso wie ihre Partner und Partnerinnen in der ENF – aus der EU austreten wollen und dass Sie diese Europäische Union zerstören wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Letzte Woche in Straßburg hat Frau Le Pen – Herr Vilimsky, vielleicht haben Sie zuge­hört, als sie geredet hat – auf die Frage, ob sie denn wirklich den Frexit will, gesagt: Ja, natürlich will sie ein Referendum dafür und diesen Frexit. – Das ist Ihre Politik. Sie wol­len dieses gemeinsame Europa zerstören. (Beifall bei den Grünen.) Sie wollen es nicht verbessern, Sie wollen es nicht anders, Sie wollen es einfach gar nicht, genauso wie Frau Le Pen. Genauso machen Sie diese Politik wohl auch in diesem Präsidentschafts­wahlkampf, der uns noch bis zum 4. Dezember ansteht. (Abg. Kickl: Das ist Miss­brauch des Rederechts da herinnen! – Ruf bei der FPÖ: Erzählen Sie uns endlich was!)

Zu Ihnen, Herr Minister Doskozil: Sie und auch einige andere haben davon gespro­chen, dass Sie stolz darauf sind, dass Österreich bei der Kontrolle der Außengrenzen, beim Schutz der Außengrenzen mit Soldaten mitmachen wird. – Soldaten sind nicht je­ne, die Grenzen kontrollieren sollen, das soll die Polizei machen und nicht Soldaten! (Beifall bei den Grünen.)

Wir im Europäischen Parlament setzen uns auch dafür ein, dass es nicht nur eine Po­lizei gibt, die das macht, sondern dass es dabei auch Menschen von Menschenrechts­organisationen gibt, die darauf schauen, dass das mit rechten Dingen abläuft, wenn Menschen flüchten. Das sind jene, die versuchen, mit einem wackeligen Boot von der Türkei oder von Libyen nach Italien oder nach Griechenland zu kommen. Dieses Risiko geht man nicht einfach so zum Spaß ein, dass man sich in solch ein Boot setzt und Tausende von Euro irgendwelchen Schleppern zahlt.

Das heißt, da braucht es eine gemeinsame Vorgangsweise der Europäischen Union. Diese haben wir noch nicht. Die vier Visegrád-Staaten – Sie haben gemeint, diese ha­ben das Vertrauen in die europäische Ebene verloren (Ruf bei der FPÖ: Nicht nur die vier!) –, also die Regierungen von Ungarn, Herr Orban, aber auch von Tschechien, der Slowakei und Polen, sollen einfach mitmachen. Die Regierungen dieser Länder – und zum Teil waren die Personen damals selbst in den Regierungen – haben beim Lissa­bon-Vertrag mitgestimmt, haben zugestimmt, dass Solidarität ein Prinzip dieser Euro­päischen Union ist, dass es eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik geben muss und nicht eine, in der dann ein Staat sagt: Nein, da machen wir nicht mit! (Abg. Kickl: Die einen laden ein, und die anderen sollen die Leute aufnehmen!) Und es kann mir niemand erklären – niemand! –, dass es nicht möglich ist, dass ein Ort, der 1 000 Einwoh­ner hat, zehn Leute aufnehmen kann. Das kann mir niemand erklären, und das funk­tioniert auch sehr oft und sehr gut, auch in Österreich. (Abg. Kickl: Vielleicht wollen die Menschen das dort aber nicht! Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?)

Wissen Sie, was? – Nächste Woche bekommt eine Initiative aus dem Marchfeld, wo mehrere Gemeinden gemeinsam Flüchtlinge aufnehmen, Menschen im Marchfeld, den europäischen Bürger- und Bürgerinnen-Preis verliehen. (Beifall bei den Grünen.) So etwas gehört sich. Das funktioniert. Das funktioniert in Österreich und das funktioniert zum Beispiel auch in Polen. Ich kenne selbst dortige Initiativen, wo es auch funktio­niert.

Die Regierungen wollen das nicht, es ist nicht die EU, es ist nicht immer die „böse“ EU schuld. Die EU sind wir, und das wäre mein Ersuchen vor allem an ÖVP und SPÖ, an


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jene, die Bürgermeister sind, die im Europäischen Gemeindetag sind: Reden Sie doch mit Ihren Kollegen und Kolleginnen aus den Gemeinden in Ungarn, in Tschechien, in der Slowakei, in Polen, aber auch in Frankreich und anderswo, damit die mehr Flücht­linge aufnehmen.

Wenn es nicht einmal gelingt, 160 000 aus Italien und Griechenland in der EU mit 28 Staaten und 500 Millionen Menschen gerecht zu verteilen, dann ist das eine Schan­de, nicht für die EU, sondern für uns alle, für dieses gemeinsame Europa! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Dr. Scherak. – Bitte.

 


11.47.35

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich glaube, das wenige, worauf wir uns alle hier einigen können, ist das, was Jean-Claude Juncker gesagt hat, nämlich dass die Europäische Union nicht in Topform ist. Da sind die Freiheitlichen der gleichen Meinung. Was tut man, wenn eine Institution oder irgendetwas in einer Krise ist? – Man kann schauen, ob man daraus entsprechen­de Chancen generieren kann. Kollege Vilimsky hat ja auch Chancen gesehen, er sieht halt nur andere Chancen als die, die ich sehe und die auch Jean-Claude Juncker sieht. (Ruf bei der FPÖ: Macht nichts!) Aber immerhin, man sieht eine Chance in einer Krise.

Dann gibt es eben unterschiedliche Möglichkeiten: Ich schaue etwa, dass ich mehr in nationalstaatliche Lösungen gehe. Das ist das, was die Freiheitlichen vorschlagen und wovon sie überzeugt sind, dass es richtig ist. Die Überzeugung ist ihnen ja unbenom­men. Ich bin trotzdem überzeugt von dem, was Jean-Claude Juncker vorgeschlagen hat, nämlich dass es einfach mehr europäische Lösungen braucht. Wenn Jean-Claude Juncker vorgeschlagen hat, dass es gerade im Zusammenhang mit der Frage der Si­cherheit klare europäische Lösungen braucht, dann sind, glaube ich, die Vorschläge, die jetzt kommen, sehr sinnvolle und sehr richtige Vorschläge.

Ja, wir brauchen eine gemeinsame europäische Grenz- und Küstenwache, und die muss schauen, dass wir die Außengrenzen – darin sind wir uns wahrscheinlich auch alle ei­nig – entsprechend sichern und schützen können. Was wir gesehen haben, ist, dass wir das in den letzten Jahren nicht zustande gebracht haben. Dafür braucht es ent­sprechende Maßnahmen, und die sind dann sinnvoll, wenn sie auf europäischer Ebene angesiedelt sind, weil es gemeinsame europäische Außengrenzen und nicht nur die Grenzen von einigen Nationalstaaten, die eben an dieser Außengrenze liegen, sind.

Deswegen finde ich auch den Vorschlag sinnvoll, dass es in Zukunft sogar gegen den Willen der entsprechenden nationalen Regierungen möglich sein soll, dass man Grenz­schützer an die europäische Außengrenze schickt, denn dann begreifen wir es endlich als das, was es ist: Es ist eine europäische Aufgabe von allen 27 oder 28 Mitgliedstaa­ten, die gemeinsame Außengrenze zu schützen, und es ist eben nicht nur die Aufgabe von Griechenland, Italien und Spanien, sondern von uns allen, wenn wir wollen, dass dieses Europa, so wie wir es uns ausgesucht haben, auch weiterhin bestehen bleiben kann.

Der zweite Punkt, der hier auch neu in der Diskussion ist, ist, dass diese neuen euro­päischen Behörden die Möglichkeit haben sollen, Abschiebungen für diejenigen zu or­ganisieren, die keinen entsprechenden Aufenthaltsstatus haben. Das ist auch etwas, das die Freiheitlichen immer wieder fordern, womit sie auch recht haben – das haben wir auch schon öfters eingebracht –, nämlich dass es Rücknahmeübereinkommen mit Ländern, aus denen Leute kommen, die keinen entsprechenden Aufenthaltsstatus ha­ben, geben muss.


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Wir haben auch die ähnliche Forderung immer wieder getätigt, dass es Sanktionen ge­ben muss, wenn Staaten das nicht machen, und da kann man gerade bei den EZA-Mitteln ansetzen. Nichtsdestotrotz halte ich es immer noch für richtig, wenn Europa ge­meinsam vorangeht und gemeinsam versucht, diese Abkommen mit den entsprechen­den Staaten zustande zu bringen.

Was auch richtig ist – das muss man dazusagen –: Europa ist in den letzten Jahren nicht sehr schnell gewesen, wir verhandeln sehr, sehr lange, aber ich glaube trotzdem, im Ergebnis ist es sinnvoller, wenn wir diese Rücknahmeübereinkünfte gemeinsam schaffen, und deswegen brauchen wir da ein entschlossenes Vorgehen.

Herr Juncker hat auch von der Verteidigungsunion gesprochen. Jetzt kann man lang und breit darüber diskutieren, aber Fakt ist auch wieder, dass die Möglichkeiten für ei­ne Zusammenarbeit, eine verstärkte Zusammenarbeit schon gegeben sind und es, wie so oft in der EU, die Nationalstaaten sind, die sagen: Wir machen da nicht mit, wir wol­len nicht! Diese Meinung sei, wie gesagt, der FPÖ unbenommen, ich habe eine andere und glaube, dass die europäische Lösung die sinnvollere ist.

Wir haben im EU-Hauptausschuss auch die Aussage von Donald Tusk gehört, der Au­ßenminister hat das angesprochen, dass wir schauen müssen, dass wir die Menschen daran hindern, dass sie dann, wenn sie im Mittelmeer aufgegriffen werden, direkt nach Europa kommen. Ich bin weiterhin der Meinung, dass es wichtig ist, dass wir Men­schen im Mittelmeer retten. Ich glaube, jemand, der davon ausgeht, dass wir das nicht machen sollten, ist einigermaßen unmenschlich.

Nichtsdestotrotz kann auch das nur ein Teil der Lösung sein. Man muss immer weiter­diskutieren.

Kollege Schönegger hat hier auch eine wichtige Frage angesprochen, nämlich wie wir die Lager vor Ort finanzieren. Ja, wir alle hoffen, dass diese Zahlungen jetzt endlich kommen, aber es ist ähnlich wie bei den Resettlement-Programmen: Wir hören sehr viel, aber es geschieht leider sehr wenig. Deswegen ist die Kritik ohne Weiteres be­rechtigt, dass man da ansetzt.

Und ja, wenn wir wollen, dass sich Menschen nicht auf den Weg machen und versu­chen, im Mittelmeer mit Booten nach Europa zu kommen, dann müssen wir eben inten­siver bei den Resettlement-Programmen mitmachen. Österreich hat über die letzten Jahre hinweg knapp 1 900 Menschen über ein Resettlement-Programm aufgenommen, deshalb brauchen wir uns auch nicht zu wundern, dass die Leute sich auf den Weg machen, wenn sie einerseits nicht die legale Einreisemöglichkeit haben und wir ande­rerseits nicht die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Das heißt, im Ergebnis ist meiner Meinung nach klar, was wir brauchen: Wir brauchen ein Mehr an Europa. Wir brauchen gemeinsame europäische Aufnahmezentren an den Außengrenzen. Wir brauchen eine gemeinsame europäische solidarische Verteilung der Flüchtlinge, weil wir es, wenn wir das gemeinsam machen, auch schaffen werden.

Wir brauchen gemeinsame europäische Rückführungsübereinkommen mit den Län­dern, dass die Leute, die eben nicht die Möglichkeit haben, hier bei uns zu bleiben, weil sie kein Aufenthaltsrecht haben, auch gemeinsam zurückgeführt werden.

Wir brauchen eine gemeinsame Sicherung der europäischen Außengrenzen, weil das nur gemeinsam, auf EU-Ebene funktionieren wird.

Das heißt, das Ergebnis ist ganz klar: Wir müssen an mehr Europa, an mehr europäi­schen Lösungen arbeiten. Wer das verneint, der tut im Grunde genommen nichts an­deres, als den Menschen Sand in die Augen zu streuen, denn nationalstaatlich wird es nicht funktionieren. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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11.52


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


11.52.58

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Doskozil, Sie haben ei­nen schönen Satz in Ihrem Statement gesagt, nämlich dass Sie es so, wie es das letz­te Jahr war, nicht mehr wollen, als unzählige Menschen durch Österreich geschleust wurden, ohne Kontrollen, ohne Sonstiges, als es keine Grenzen, keine Kontrollen, nichts gegeben hat. Ich glaube, dem können wir alle zustimmen, das will keiner mehr. (Beifall beim Team Stronach.)

Aber damit haben wir es auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Wenn ich mir die heu­tige Debatte angehört habe und zusammenfasse, was nun passiert ist, so bleibt relativ wenig übrig. Wir wissen, es gibt leider nicht viele Gemeinsamkeiten, und Sie sind sich leider in der Regierung auch oft in wichtigen Punkten uneinig. Nur in einigen speziellen Punkten gibt es schon eine Einigkeit, was Sie und Außenminister Kurz betrifft; und da­rauf möchte ich gleich zu sprechen kommen.

Ich möchte noch ein bisschen zurückgehen: Am 3. August 2015 hat Frank Stronach in den „Sommergesprächen“ Schutzzonen gefordert, UNO-Schutzzonen. (Abg. Bösch: Wer? Wie heißt der?) Dieser Vorschlag wurde etwas belächelt, dann wurde darüber et­was lächerlich geschrieben, und siehe da, kurz darauf, am 18. September 2015, hat auch Außenminister Kurz diese Schutzzonen und auch die EU-Wartecamps, die wir dann immer wieder gefordert haben, gefordert. Wir haben diese Thematik natürlich mit Anträgen entsprechend untermauert und immer wieder eingebracht und sind an die­sem Thema auch drangeblieben.

Was ist in den zuständigen Ausschüssen geschehen? – Die Anträge wurden abgelehnt respektive vertagt. Hier wird einerseits davon gesprochen, dass es Einigkeit gibt, dass wir etwas tun müssen – Außenminister Kurz und auch Sie, Herr Minister, haben diese Schutzzonen befürwortet –, umgesetzt wird aber nichts. Sie reden immer nur, aber Sie handeln nicht. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, den muss man Ihnen hier auch machen.

Ich kann natürlich den Ausführungen des Kollegen Lopatka schon meine Zustimmung geben, wenn er meint, die Grenzen müssen geschützt werden und wir müssen han­deln, nur: Ihrem Reden folgt kein Handeln!

Grenzen schützen und Sicherheit geben – ja! –; aber wo bleiben die Maßnahmen, die das auch ermöglichen? Das frage ich Sie, und eine Antwort darauf bleiben Sie nicht nur heute, sondern schon die ganze Zeit schuldig.

Nun möchte ich auf ein Interview mit Ihnen vom 8. Juni dieses Jahres eingehen, das ich vorhin schon kurz erwähnt habe, und es wird über Sie, Herr Minister Doskozil, in der „Kleinen Zeitung“ getitelt: „Doskozil schlägt Asylzentren in Nordafrika vor“.

Und weiter: „Doskozil möchte laut Medienbericht Asylzentren in Nordafrika einrichten. Um Schleppern das Handwerk zu legen, sollen nur noch dort gestellte Asylanträge ak­zeptiert werden. Minister Kurz begrüßte den Vorstoß.“

Jetzt haben wir hier einmal einen Punkt, in dem Einigkeit besteht, in dem etwas ge­meinsam umgesetzt werden könnte, aber es geschieht nichts. Warum geschieht so lange nichts? Es gibt die Schutzzonen nicht, es gibt diese Asylzentren vor Ort nicht. Es gibt nichts. Es wird immer nur schöngeredet, und es kommt keine Lösung dabei heraus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie sich auch die Reaktionen der Bevölkerung an! Ich weiß nicht, ob Sie E-Mails von besorgten Bürgerinnen und Bür­gern bekommen. Ich weiß nicht, ob Sie auch in Kontakt mit Menschen, mit den Wäh­lern draußen sind. (Zwischenruf des Abg. Weninger.) Uns sagen das sehr, sehr viele, und wir sind ständig im Kontakt und im Austausch mit den Wählerinnen und Wählern,


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weil das ein wichtiges Thema ist und weil man nicht unbegrenzt Leute ins Land lassen kann.

Ungarn wird dafür kritisiert, dass es die Gesetze einhält, dass es die eigene Bevölke­rung mit der Zaunerrichtung schützt. Und was kommt dann von der EU respektive von einem Mitgliedstaat, nämlich vom luxemburgischen Außenminister? – Er will Ungarn gleich aus der EU ausschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so kann es nicht gehen! Ungarn hat vorge­zeigt, wie es geht. Wir sollten nicht negativ auf Ungarn blicken, denn Ungarn schützt die eigene Bevölkerung, schützt vor ungeregeltem Zustrom und vor der Kriminalität und allem Weiteren, das damit einhergeht – Terrorismus et cetera –; wir kennen das alles.

Ich bitte Sie abschließend noch einmal eindringlich, da wirklich endlich tätig zu werden und die wenigen Gemeinsamkeiten, die Sie haben, für die österreichische Bevölkerung umzusetzen! – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Kum­pitsch und Doppler.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gemeldet ist nun das Mitglied des Europäischen Parlaments Kadenbach. – Bitte.

 


11.57.55

Mitglied des Europäischen Parlaments Karin Ingeborg Kadenbach (SPÖ): Wertes Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns heute auf medizinischen Boden begeben, es wurde von Placebos und vom Placeboeffekt gesprochen, und der Kollege wollte uns weismachen, dass es ein Placebo ist, wenn wir vom Schutz der gemeinsa­men Außengrenzen, und zwar vom gemeinsamen Schutz der Außengrenzen spre­chen. Als Antwort hat er uns ein Medikament geliefert: Mauern um die Mitgliedstaaten. Im Sinne der Subsidiarität würde ich verlangen: Machen wir die auch gleich um die einzelnen Regionen, um die einzelnen Kommunen, denn das wäre gelebte Subsidiarität!

Er hat uns bei seinem Medikament allerdings nicht verraten, welche Nebenwirkungen mit diesem Aussperren einhergehen. Wenn ich aussperre, sperre ich auch ein! (Zwi­schenruf des Abg. Kickl.) Er hat mit keinem Wort gesagt, wie sich das auf unsere ge­meinsame europäische Wirtschaftspolitik, auf den Binnenmarkt auswirkt, wie es sich auf die Freiheit unserer Jugend auswirkt, in anderen Mitgliedstaaten Bildung erfahren zu dürfen.

All das kommt in den Gesprächen und Beiträgen, die wir da heute gehört haben, nicht vor. Wenn wir schon von Heilung, von Wirkung sprechen, dann müssen wir das auf­nehmen, was der Herr Minister ganz am Anfang gesagt hat: Es gibt eine gute Lösung und es gibt eine bessere Lösung. (Abg. Peter Wurm: Gar keine Lösung, Frau Kolle­gin!) Ist die bessere Lösung im Moment noch nicht gemeinsam umzusetzen, dann muss es als ersten Schritt vielleicht die gute Lösung geben. Wir müssen schauen, dass wir das, was wir in unserem Nationalstaat als Werte betrachten, schützen. Aber das heißt nicht, dass wir das andere aus den Augen verlieren dürfen.

Die Problematik, mit der wir uns beschäftigen, ist eine sehr komplexe. Da gibt es nicht ein Medikament, da gibt es nur ein Zusammenspiel, eine gesamtmedizinische Betrach­tung. Es ist heute von meinen Vorrednern schon ausgeführt worden: Diese Migrations­welle in Europa ist durch eine Vielzahl von Versäumnissen ausgelöst.

Es ist ausgelöst durch eine Klimapolitik, die Klimaflüchtlinge und damit – wir sagen im­mer – Wirtschaftsflüchtlinge produziert. Wir haben Naturkatastrophen zu verantworten; und wir haben in vielen Bereichen auch ein Wegschauen bei kriegerischen Auseinan­dersetzungen erlebt. (Abg. Kickl: Warum fliehen alle nur nach Norden?)


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Das heißt, der erste Punkt muss sein: Es geht nicht nur darum, dass sie nach Öster­reich kommen, nicht nur darum, dass sie nach Wien oder Niederösterreich kommen, es geht um die gemeinsame Europäische Union. Es geht darum, zuerst einmal die Krisen­herde zu bekämpfen und dort zu schauen, dass wir gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft für Frieden sorgen, dass die Menschen gar nicht gezwungen wer­den, ihre Heimat zu verlieren.

Als zweiten Schritt: Dort, wo im Moment diese Krisenherde sind, brauchen wir nahe Schutzzonen, dass die Menschen wieder zurückkönnen, ohne sich selbst großer Gefahr auszusetzen. Wir brauchen – und das ist heute auch schon angesprochen worden – ei­ne Entwicklungspolitik und Entwicklungsgelder, die ihre Namen wert sind. Das sind kei­ne Almosen. Da geht es nicht darum, irgendwelche Leute irgendwo in der Dritten Welt in Schwellenländern ein bisschen stillzuhalten. Da geht es darum, den Kontinent Euro­pa in Wirklichkeit zu einer humanen Region zu machen und den Rest der Welt in diese humane Welt miteinzubeziehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pirklhuber.)

Es geht in dieser Frage nach Sicherheit nicht nur darum, dass irgendwo Soldaten an der Grenze stehen. Es geht um soziale Sicherheit, um Wirtschaftssicherheit. Verges­sen wir nicht die innereuropäische Migration! Wenn wir einfach zuschauen, wie es in manchen Regionen dazu kommt, dass 50 Prozent der Jugendlichen keinen Arbeits­platz finden: Auch das ist Migration, die wir gemeinsam bekämpfen müssen!

Kommissionspräsident Juncker ist heute mehrfach zitiert worden, aber keiner hat in den Mund genommen, dass Juncker auch etwas erkannt hat, was wir Sozialdemokra­ten seit Jahren fordern, nämlich dass man in diese Europäischen Union, in die Men­schen in Europa, in die Wirtschaft in Europa investieren muss, denn wenn wir das nicht tun, dann fördern wir nicht nur außerhalb der Europäischen Union, sondern auch inner­halb der Europäischen Union Migration. Auch hier gilt es, anzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, wir brauchen diesen gemeinsamen Schutz der europäischen Außengrenzen, und wir werden ihn nur mit gemeinsamem Druck zustande bringen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir EU-Abgeordnete heute die Möglichkeit haben, uns mit Ihnen gemeinsam aus­zutauschen, denn Europa sind wir alle, und die EU-Institutionen müssen zusammen­spielen, müssen zusammenwirken. Es muss uns wieder gelingen, das Vertrauen her­zustellen. Oft habe ich das Gefühl, es wird gegeneinander ausgespielt: Da sind die vom Rat, da sind die vom EU-Parlament, da sind die nationalen und regionalen Parlamen­te!, und man erlebt uns viel zu selten als Akteur, der gemeinsam für dieses gemeinsa­me Europa etwas bewegen will.

Daher sage ich heute mit den Worten unseres Ministers: Die beste Lösung ist eine ge­meinsame europäische Lösung. Arbeiten wir gemeinsam an dieser europäischen Lö­sung! Stellen wir das Vertrauen der Mitglieder dieser europäischen Häuser, dieser eu­ropäischen Institutionen wieder her! (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) Versu­chen wir nicht, uns gegenseitig auszuspielen, denn gemeinsam sind wir sicher einem Ziel näher, als wenn wir uns ständig durch Hassreden, Neidreden, Angstreden, verun­sichern lassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Aubauer, Brun­ner und Korun.)

12.03


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt das Mitglied des Europäischen Parla­ments Becker. – Bitte.

 


12.03.31

Mitglied des Europäischen Parlaments Heinz Kurt Becker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Besucher auf der Galerie und sehr geehrte Zuse­her des ORF! Ich möchte eingangs klarstellen, dass der Großteil jener Probleme, die


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wir in der nationalen und europäischen Politik zu lösen haben, seine Ursache darin hat, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen nicht schon lange verwirklicht wurde. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.) So war Europa von der Migrationswelle praktisch überrascht, und anders als bei den erfolgreichsten Einwanderungsstaaten der Geschichte – USA, Australien und Kanada –, die lückenlos seit über 100 Jahren einen konsequenten Au­ßengrenzschutz mit allen Mitteln, auch den bewaffneten – mit Schiffen, Flugzeugen, Satelliten und heute mit Drohnen –, betrieben haben, hat es bei den europäischen Re­gierungen einen klaren Stand gegeben: Sie haben ihren Job nie gemacht.

Sie haben dann, als die EU-Kommission natürlich aktiv wurde, die gemeinsame Grenz­sicherung als dringliches Thema zu sehen, diese mit Hinweis auf den Eingriff auf die nationale Souveränität sogar zum Teil abgeschmettert und meist beleidigt darauf re­agiert, dass man den Staaten nicht zutraut, diese Aufgabe zu bewältigen. Heute wis­sen wir: Sie haben es nicht bewältigt. (Abg. Hübner: Bewältigt …!) – So viel zur bisher nicht existenten Bereitschaft der einzelnen Regierungen der EU zu einer gemeinsamen Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Und das ist ein notwendiges Erkennen von uns allen, denn das ist der Grund, wenn Juncker sehr freundlich davon spricht, dass die EU heute nicht in Topform ist.

Aus der Erkenntnis, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen, hat die Europäische Kommission schon 2015 mit einem Paket von inzwischen mehr als hundert einzelnen Maßnahmen und Initiativen reagiert, die auch vom Europaparlament im beschleunigten Verfahren durchgeführt wurden und – man höre und staune – von den Regierungen im Rat Zustimmung erhalten haben. Aber: Die Mitgliedstaaten haben das meiste davon bis heute nicht umgesetzt.

Ich glaube, dass die volle Erkenntnis, dass kein einzelner Mitgliedstaat die Herausfor­derungen alleine lösen kann, heute genügen müsste, um Verständnis für jene zu ha­ben, die nicht nur Solidarität beim Handeln verlangen, sondern auch Solidarität bei Sank­tionen gegenüber jenen Staaten, die ihre Aufgabe nicht erfüllen.

Österreich spielt dabei im Lösungsprozess eine eminent wichtige Rolle. „Save Lives“ wurde schon genannt; Ministerin Mikl-Leitner hat das mit mir im Ausschuss des Euro­päischen Parlaments präsentiert, inzwischen wurde es von der Kommission angenom­men und von allen Mitgliedstaaten unterschrieben. (Beifall der Abg. Aubauer.)

Ich bin, auch wenn es nicht umgesetzt ist, sicher, dass das eine Zukunftslösung dar­stellt, weil eine der Voraussetzungen – neben der Sicherung der Außengrenzen – ist, dass wir das Problem des Asylwesen zuallererst mit Aufnahmezentren vor Betreten europäischen Bodens lösen und dort die Prüfungen und die entsprechenden Kontrollen vornehmen. (Beifall der Abg. Aubauer.)

Die Sicherung der EU-Außengrenzen durch Italien und Griechenland ist ein eigenes Thema, das absolut rechtfertigt, dass Frontex nun in eine europäische Küsten- und Grenzschutzeinheit umgewandelt wird. Das dauert ewig lange; im Oktober dieses Jah­res, also in vielleicht drei Wochen, wird es dann endlich Gültigkeit haben. Aber ich sa­ge es gleich: Diese vielen hundert Personen, die wir da zusätzlich haben werden, lösen das Problem nicht. Das ist sozusagen nicht jene Latte an Außengrenzschutz, die wir benötigen.

Ich möchte auch nicht ohne humorige Bemerkung verhehlen, dass es schon sehr viele Maßnahmen gab, die von unserem Regierungspartner hier in Österreich mitgetragen wurden – mit enormer Verzögerung. Auch im Europaparlament erleben wir das, wie bei den Passagierdaten: Irgendwann wird dann ein Vorstoß der ÖVP oder EVP auch als richtig erkannt.

Es ist genauso wie gestern beim Bundeskanzler, der den Marshallplan auf seine Fah­nen schreiben möchte. Es ist ein Jahr her, dass wir das präsentiert haben. (Abg. Kickl: … hereinspaziert!) Es ist ein halbes Jahr her, dass ich das im Europaparlament mit ei-


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ner Konferenz präsentiert habe. Es ist drei Wochen her, dass mit 200 Wirtschaftstrei­benden genau das Konzept, das jetzt auch Juncker vorstellt – Investments, um den Men­schen in Afrika eine Lebensperspektive zu geben –, unterstützt wird. Ich bedanke mich für alle, die an diesem Werk mitarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


12.08.53

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weninger, weil Sie hier gerade so vor mir sitzen: Sie sind wirklich einer der letzten europäischen Politiker, wie mir scheint, die den Ausspruch der Kanzlerin Merkel, dass wir alles schaffen werden, und die damit im Zu­sammenhang stehende Willkommenskultur gut finden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben anscheinend ausgeblendet, Herr Kollege, dass dieser Ausspruch und diese Willkommenskultur für die Toten auf den Flüchtlingsrouten und für die Ertrunkenen im Mittelmeer mitverantwortlich sind. Bitte seien Sie sich dessen immer bewusst! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Weninger.)

Meine Damen und Herren, diese Aktuelle Europastunde hat den Schutz der österrei­chischen Grenzen zum Thema. Das ist ein wichtiges Thema; ich danke den Kollegen vom Team Stronach dafür.

Der Bundeskanzler und jener Verteidigungsminister, die vor einem Jahr auch für unse­re Republik dieses Thema in den Sand gesetzt haben, sind – Gott sei Dank! – heute Geschichte. Wir haben heute einen anderen Bundeskanzler, wir haben heute auch ei­nen anderen Verteidigungsminister. Und ich bin froh, Herr Minister Doskozil, dass Sie heute die Agenden in Bezug auf das österreichische Bundesheer innehaben, denn Sie scheinen einer der wenigen Minister dieser Bundesregierung zu sein, die es wirklich mit den Interessen der Republik und ihrer Bevölkerung ernst nehmen. Sie sind dabei in der Bundesregierung allerdings auf etwas einsamem Posten, und ich hoffe, dass Sie Ihre Politik auch weiterführen können. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Sie bereiten das österreichische Bundesheer darauf vor, als Assistenzkraft mit den Kräf­ten des Innenministers oder auch im selbständigen militärischen Verfahren die Gren­zen der Republik zu sichern. Das ist ausgezeichnet, und das ist unglaublich wichtig in Bezug auf die Entwicklung, in der sich Österreich derzeit befindet, denn Österreich ist in einem Notstand. Der Deckel ist noch auf dem Druckkochtopf drauf, aber, meine Da­men und Herren, die Flamme, die darunter die Hitze nährt, ist noch nicht ausgegangen, die brennt weiter. Deshalb ist es wichtig, dass wir da rasch Maßnahmen setzen. Und weil Europa versagt, müssen diese Maßnahmen auf nationaler Ebene gesetzt werden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

Wir haben aber auch die Reden der Grünen und anderen Abgeordneten gehört, meine Damen und Herren, und etwas, Herr Verteidigungsminister Doskozil, muss Ihnen klar sein: Wenn wir einen grünen Bundespräsidenten haben werden, dann werden Sie Ihre konsequente Politik nicht mehr weiterführen können! Und, meine Damen und Herren, etwas muss Ihnen auch klar sein – ich sage das in Richtung ÖVP –: Wenn wir einen grü­nen Bundespräsidenten haben werden, dann wird Ihr Sebastian Kurz seine angekün­digte Politik auch nicht umsetzen können.

Sebastian Kurz – ich helfe Ihnen auf die Sprünge – ist jener Mann, der Ihnen dabei hel­fen soll, bei der kommenden Nationalratswahl nicht in die Abgründe des politischen Nichts zu versinken. Auf den müssen Sie aufpassen! Passen Sie auf, denn der kann seine Politik nur machen, wenn Norbert Hofer Bundespräsident sein wird! Sagen Sie das in Ihren Organisationen weiter! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)


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Meine Damen und Herren von den Grünen, vor allem Herr Kollege Pilz! Kein Freiheitli­cher will aus der Europäischen Union austreten. (Ironische Heiterkeit des Abg. Brosz.) Wir Freiheitliche wollen aber eine Reform der Europäischen Union, weil sie in entschei­denden Fragen versagt hat. Wissen Sie, der Präsident der EU-Kommission ist in seiner Erkenntnis schon weiter als Sie. (Abg. Pilz: Geh, geh, geh!) Er hat gesagt: Europa steht aufgrund seiner mangelhaften Politik am Abgrund. (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Brosz und Pilz.) Europa steht am Abgrund aus eigenem Versagen und aus eige­ner Schuld, Herr Kollege Pilz. Sie wollen nichts dagegen unternehmen; auch Ihr Prä­sidentschaftskandidat will nichts dagegen unternehmen, dem ist das egal. Der möchte, dass diese EU-Politik so wie bisher weitergeführt wird und dass Europa nicht von die­sem Abgrund wegkommt. (Abg. Pilz: Öxit-Fraktion!)

Meine Damen und Herren, wir haben deshalb klar und rasch Maßnahmen zu setzen. Wir haben die Grenzen der Republik zu schließen, weil Österreich in einem Notstand ist. Wir haben jene, die zu Unrecht da sind, zurückzubringen, und wir haben jenen, die eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund des Asylrechts bekommen, zu sagen, dass sie zu­rückkehren müssen werden, wenn der Asylgrund weggefallen sein wird.

Meine Damen und Herren, es müsste für eine Bundesregierung eigentlich eine Selbst­verständlichkeit sein, das zu tun. Und Sie haben auch die Kompetenzen richtig aufge­teilt, als Sie angegriffen worden sind, Herr Bundesminister. Ich habe aber noch von kei­nem Minister und auch nicht vom Bundeskanzler gehört, dass er diesen Menschen, die hier Asyl gewährt bekommen, auch sagt, dass sie in ihre Heimatländer zurückkehren werden, wenn der Asylgrund weggefallen sein wird. Wir sollten dieses Amt dem Inte­grationsminister übergeben. Das wäre, glaube ich, ganz wunderbar, wenn Sebastian Kurz nicht nur Integrationsminister, sondern auch Heimkehrminister ist, mit dem klaren Ziel – und das ist ein Schlagwort von Ihnen gewesen, meine Damen und Herren der ÖVP –, dass Asyl nur ein Recht auf Zeit ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

12.14


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.14.10

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne)|: Herr Präsident! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Ich habe eigentlich schon den ganzen Vormittag darauf ge­wartet, dass die Wahlkampfrhetorik der FPÖ einsetzt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Aber lassen wir die Kirche im Dorf, Herr Kollege Bösch! Nicht die Politikerinnen und Politiker, die sich für eine europäische Lösung, nämlich für mehr und nicht für weniger Europa einsetzen, sind schuld daran, dass Menschen im Meer sterben müssen (Abg. Stein­bichler: … Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge!), sondern es ist der Krieg in Syrien und es ist die Politik der Europäischen Union, die die Außengrenzen einfach radikal schüt­zen will. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es sind nicht europäische Politikerinnen und Poli­tiker, die sich für Solidarität einsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es klingt ja so, als wären Österreich und die Mitgliedsländer der Europäischen Union kein Teil der internationalen Staatengemein­schaft. Alle vorangegangenen Reden hier klangen ja so, als ob sich das österreichi­sche Parlament durchaus auch zurücklehnt und meint (Zwischenruf des Abg. Rädler): Na ja, schauen wir einmal, wie wir unsere eigenen Grenzen sichern, aber was außer­halb der Grenzen passiert, das interessiert uns alle nicht. – Das ist der vollkommen fal­sche Weg als Teil der Europäischen Union und als Teil der internationalen Staatenge­meinschaft.

Es war immer Konsens – das stimmt in Europa –, dass es beim Schengen-Raum, näm­lich einem Raum ohne Kontrollen, auch europäische Außengrenzen geben muss. Das


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war immer Konsens, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Frage ist nur, wie genau dieser Konsens ausformuliert und ausgestaltet wird, und da sehe ich die Natio­nalstaaten gerade eher in Richtung weniger Europa gehen. Das, finde ich, ist der fal­sche Weg, sondern gerade wenn es um Außengrenzen geht, braucht es mehr Europa und eine gemeinsame europäische Lösung für diesen Punkt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Was heißt das jetzt konkret?)

Ich gehe davon aus, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie die geografi­schen Gegebenheiten kennen, gerade an den Grenzen Maltas, Italiens, Griechenlands. (Abg. Walter Rosenkranz: Mit solchen Aussagen können Sie höchstens Luftballons auf­blasen!) Ich glaube, die geografischen Gegebenheiten sind Ihnen allen klar: Eine See­grenze ist keine Landgrenze. Ich möchte gerne hier auch klar zum Ausdruck bringen, dass zum Beispiel die italienische Küstenwache – ich durfte diese auch besuchen, selbst in deren Headquarter in Rom sein – ganz klar eine Ausrichtung hat, nämlich Men­schenleben zu retten, Menschen zu retten, die in Seenot geraten. Und das ist die Auf­gabe der Küstenwache, und dafür braucht es auch mehr, statt weniger finanzielle Mit­tel, nämlich für alle Küstenwachen an den Grenzen. Dass Menschen, die in Not sind, immer gerettet werden müssen, ist, glaube ich, genauso Konsens. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Walter Rosenkranz: Was machen wir mit den Geretteten? Nächster Schritt …! – Abg. Kickl: Nach Europa oder zurück nach Afrika?)

Weiter ist es genauso Fakt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es in Syrien Krieg gibt. (Abg. Walter Rosenkranz: Auch im Senegal? Auch in Marokko …!) Ich glau­be, darüber brauchen wir gar nicht mehr zu diskutieren. 300 000 Tote, 13 Millionen Men­schen brauchen humanitäre Hilfe, einige Millionen Menschen sind auf der Flucht, wie wir alle wissen. Zurzeit findet die UNO-Generalversammlung statt, wovon auch Öster­reich als Mitglied der UNO Teil ist. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat ganz aktuell bei seiner Rede die internationale Staatengemeinschaft neuerlich stark kritisiert, und ich zitiere: „Mächtige Gönner, die die Kriegsmaschine weiter füttern, haben auch Blut an ihren Händen.“

Weiter sagte Ban Ki-moon, dass im Plenarsaal Vertreter von Regierungen anwesend seien, die Gräueltaten gegen das syrische Volk ignoriert, möglich gemacht, finanziert, sich daran beteiligt oder diese sogar selbst geplant und ausgeführt hätten. Und die UNO-Hilfsorganisationen schreien weiter nach finanzieller Unterstützung.

Der Generalsekretär sagt ganz klar, dass die UNO-Mitgliedstaaten auch eine eigene Verantwortung haben, dass sie nicht nur zuschauen können, wie die Menschen ster­ben, dass es Schutzzonen direkt im Norden Syriens braucht, um tatsächlich Schutz für die Zivilbevölkerung zu gewähren, dass es das Ende des Bombardements, gerade ge­genüber Hilfskonvois, braucht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist das Ärgs­te vom Argen in solchen Situationen, dass Hilfskonvois bombardiert werden, Lebens­mittel, Medikamente nicht zugestellt werden können und die internationalen Helfer und Helferinnen dabei auch getötet werden.

Es ist auch eine Verantwortung der österreichischen Bundesregierung, da den Schritt weiterzugehen und in der UNO-Generalversammlung klar zu sagen: Ja, wir brauchen diese Schutzzonen. Ja, wir brauchen den Schutz der Helfer und Helferinnen. Ja, wir brauchen mehr Gelder für die UNO-Hilfsorganisationen, in erster Linie für das World Food Programme. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, letztes Jahr gab es noch 6 Millionen € vonseiten Österreichs, heuer nichts. Das ist eine Schande! Wir sind Teil dieser Verantwortung innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft, und wenn kei­ne Hilfe vor Ort passiert, wird es auch keine Rettung der Menschen geben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Yilmaz.)

12.19


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 



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12.19.24

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Wir haben heute schon einiges über Wahrheit und die Notwendig­keit der wahren Begriffe in der Politik gehört. Gerade mir als Arzt ist es extrem wichtig, die richtige Terminologie zu verwenden und die richtigen Begriffe einzusetzen, gerade wenn es um Migration und Flüchtlingspolitik geht.

Da fällt mir auf, dass wir noch immer pauschal alle Ankömmlinge als Flüchtlinge be­zeichnen, obwohl wir ganz genau wissen, dass circa die Hälfte oder sogar 60 Prozent aller Migranten illegale Wirtschaftsmigranten, Deserteure oder sonstige Eindringlinge sind, die zu uns kommen wollen, um sich hier aushalten zu lassen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Doppler. – Abg. Walter Rosenkranz: Das sind nur Syrer!)

Meine Damen und Herren, wir müssen endlich weg von dieser falschen Begrifflichkeit. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Das ist der erste und wesentliche Punkt zu einer gescheiten Therapie dieses ganzen, bereits nicht mehr auszuhaltenden Problems.

Auch die Genfer Flüchtlingskonvention ist, wie wir wissen, wenn wir ihr auf den Grund gehen, da nur ein Hilfsmittel: Sie gilt für fast keinen der Ankömmlinge – am ehesten noch für die Christen, die aus religiösen Gründen flüchten müssen, für alle anderen oder für fast alle anderen gilt sie einfach nicht, und wir haben derzeit noch kein anderes Werk­zeug, um die Migranten richtig zu klassifizieren.

Meine Frage ist: Was läuft da, warum kommunizieren wir ständig diese falschen Bot­schaften, warum ringt sich die Politik und auch speziell der medialpolitische Komplex nicht endlich zu einer wahren und exakten Begrifflichkeit durch? Bitte, wir müssen al-
le die ordentlichen Begriffe und das richtige Wording verwenden, das ist unsere Grund­pflicht dem Volk gegenüber. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Hagen
und Steinbichler.)

Wenn wir schon die falsche Politik verfolgen, dann verwenden wir bitte wenigstens die richtigen Ausdrücke! Das wäre mein Aufruf an die Politik und speziell an die Regierung. (Abg. Walter Rosenkranz: Kein richtiges Wording, Frau Lunacek? Nur für das Proto­koll: Frau Lunacek schüttelt den Kopf!)

Zum Grenzschutz: Herr Minister, was Sie sagen, ist alles sehr sympathisch und durch­aus unterstützenswert, aber bis jetzt sehe ich da leider Gottes nur eine Ankündigungs­politik. Ich hoffe, dass diesen vielen Worten auch Taten folgen werden. Wenn wir kurz rekapitulieren: Seit 2015 haben wir durch die mangelnden Grenzkontrollen ja einen fortgesetzten Rechtsbruch, der durch die Humanität – das ist immer die Überschrift – gerechtfertigt wird. Aus meiner Sicht ist dieser Rechtsbruch aber nicht gerechtfertigt, und dazu gibt es schon ausreichend Stellungnahmen von Staats- und Völkerrechtlern et cetera. Wir leben im Zustand eines chronischen und fortgesetzten Rechtsbruchs, der noch immer durch humanitäre Argumente gestützt wird.

Das ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel, auch nicht aus der Sicht der Bevölkerung, denn ich erlebe das tagtäglich. Ich bin im Kontakt mit vielen Patienten, die zu mir in die Ordination kommen, und zwar nicht nur, um sich behandeln zu lassen, sondern auch, um sich mir mitzuteilen und mich zu fragen: Bitte, Herr Doktor, was passiert denn da in der Politik, was soll das denn alles, was erzählt man uns tagein, tagaus für Lügen? Die Zeitungen sind voller Lügen, die Politik verbreitet Unwahrheiten, verwendet die fal­schen Begriffe et cetera. – Die Bevölkerung hat endgültig genug, und ich glaube, es ist der Zeitpunkt gekommen, sich wirklich der Wahrheit zu widmen und vor allem dieses Humanitätsgeschwurbel aufzugeben.

Es ist nicht human, wenn Hunderttausende Leute über die Grenze kommen, hier auf unsere Kosten leben und die Hälfte von denen überhaupt niemals das Recht erhält, hier zu bleiben, aber trotzdem hier bleibt. (Zwischenruf des Abg. Rädler in Richtung


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der Grünen.) Das ist aus meiner Sicht wirklich ganz schlecht und schadet Österreich. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Hagen und Steinbichler. – Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Ich fordere eine Grenzschließung, das kann man in all meinen Stellungnahmen der letzten Monate und in meinem Blog nachlesen, im Sinne einer rigorosen Kontrolle. Wir müssen an den Grenzen ganz genau kontrollieren, wer hier hereinkommt. Aus meiner Sicht und aus Sicht jedes Menschen, der sich juristisch ein bisschen auskennt, ist es völlig legitim, da die Armee, das österreichische Bundesheer für den Grenzschutz ein­zusetzen.

Herr Minister, beweisen Sie Stärke, stellen Sie zwei Panzer an den Brenner! Damit hät­ten wir schon einmal ein schönes Bild in allen Medien, das auch die Ankömmlinge nach Hause schicken können – per nicht verlorenem iPhone –, dass hier an der österreichi­schen Grenze durchaus Stärke demonstriert wird. (Heiterkeit der Abg. Lintl. – Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Zu den Rückführungen, die heute schon einige Male angesprochen wurden: Diese ge­ringe Anzahl der Rückführungen ist durch nichts zu argumentieren. Mit welchem Argu­ment will man es österreichischen Mindestsicherungsbeziehern, österreichischen Min­destrentnern et cetera erklären, dass da jahrelang Leute auf unsere Kosten leben, die kein Aufenthaltsrecht haben, die kein Bleiberecht haben und wo offensichtlich niemand in der Lage ist, mit Staaten, die sofort die Leute zurücknehmen würden – zum Beispiel Marokko, Libyen, Algerien et cetera –, ein Abkommen zu treffen? (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

Warum geht niemand aus der Regierung her und macht ein Sonderabkommen mit Al­gerien oder Libyen? (Zwischenruf der Abg. Yilmaz.) Meiner Ansicht nach ist das eine Sache von zwei Gesprächen mit der Botschaft und von ein bisschen Geld, das man halt zahlen muss. Wie wir wissen und auch heute gehört haben, kostet die Versorgung der Leute dort unten ein Zwanzigstel dessen, was es hier kostet.

Aus meiner Sicht wäre es auch dringend notwendig, die Zahl der Ankömmlinge, die Zahl derer, die zu uns kommen, auf die zu reduzieren, die wirklich Schutz und Hilfe brau­chen, und das sind jetzt – das kann man allen Zeitungsberichten und Berichten entneh­men – die Christen im Nahen Osten, die vor der Ausrottung stehen. Wir können als österreichischer Staat hergehen – und das Recht haben wir – und sagen: Wir nehmen nur noch Christen auf, denn das ist jene Gruppe von Menschen im Nahen Osten, de­ren Leben wirklich bedroht sind. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Die EU wurde natürlich bereits einige Male angesprochen. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.) Aus meiner Sicht kann man die EU sicher nicht vergessen, wir sind Teil dieser EU, aber wir können und dürfen und müssen sogar in der Frage der Mi­gration Brüssel und Berlin vergessen und uns stattdessen Visegrád zuwenden. – Dan­ke schön. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach sowie des Abg. Doppler. – Rufe bei der FPÖ: Sehr gut! Endlich einmal eine gute Rede! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


12.25.01

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Für Österreich stellen sich mit der Flüchtlingswelle, der Si­cherung der Grenzen und der EU weitreichende Probleme, von denen ich glaube, sie in einer Aktuellen Europastunde zumindest andiskutieren zu dürfen.

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wird für Österreich als Nettozahler zu ei­ner zunehmenden Belastung. Anzusprechen sind Finanzierungsanteile, finanzmarode


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griechische Banken, die Flüchtlingswelle und insbesondere der milliardenteure Pakt mit der Türkei sowie das Wirtschaftsembargo gegenüber Russland. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Die Europäische Union handelt in weiten Bereichen von den USA fernbestimmt, wobei die USA als der große Nutznießer zu bezeichnen sind. US-amerikanische Exporte nach Russland verzeichnen eine markante Zunahme, für Österreich ist hingegen ein nicht un­erheblicher Exportrückgang zu verzeichnen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, un­verzüglich Maßnahmen zu setzen und für ein Ende des Wirtschaftsembargos zu sor­gen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ein so überaus undemokratisches Land wie die Türkei, welches zum Großteil dem asiatischen Raum zuzuordnen ist, hat in einer demokratisch geführten Europäischen Union nichts verloren. Quasi aus dem Ärmel geschüttelte Demonstrationen pro Erdo­ğan sind ebenso wie sich bildende Parallelgesellschaften nachhaltig zu unterbinden. Die Integration ist vielfach als gescheitert zu betrachten, wobei Integration keinesfalls auf Kosten unserer Kultur erfolgen darf. So müssen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort abgebrochen werden.

Anzusprechen sind weiters die Freihandelsabkommen, wobei die Unterzeichnung von CETA unmittelbar bevorstehen soll. Österreichs Warenqualität ist als hochwertig zu be­zeichnen, und dieser Standard ist zu erhalten. Eine Anpassung an einen geringeren Standard kann nicht geduldet werden. Nutznießer von Freihandelsabkommen sind aus­schließlich Großkonzerne; klein- und mittelständische Betriebe werden nicht in den Ge­nuss eines begünstigten Exportes kommen, sodass weitere Arbeitsplätze gefährdet er­scheinen. Einer rechtlichen Besserstellung von Großkonzernen durch eine beabsichtig­te Beweislastumkehr kann keinesfalls zugestimmt werden. Zu überdenken ist weiters die Einfuhr genmanipulierter Lebensmittel bei einem Verbot gentechnischer Verände­rung.

Abschließend ist die Frage zulässig: Wie lange kann sich Österreich eine derartige Eu­ropäische Union noch leisten? – Danke. (Beifall der Abgeordneten Franz, Steinbichler und Hagen.)

12.28


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Winter zu Wort. – Bitte.

 


12.28.17

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren hier im Plenum und zu Hause vor den Bildschirmen! Können Sie sich erinnern, mit welchen Problemen wir in die Parlamentspause gegangen sind? – Ja, genau: Flüchtlinge, berechtigte Zuwanderung, Migranten, Grenzen schließen oder wie auch immer und der Frage: Was tut die EU?

Mit genau den gleichen Themen stehen wir auch heute wieder hier vor Ihnen. Und was ist in der Zwischenzeit geschehen? Offenbar bei der österreichischen Bundesregierung einiges, so wie wir heute hören konnten, nur muss ich ehrlich sagen: Herr Minister, ich habe leider gar nichts davon gehört, dass Sie als Ultima Ratio auch eine Schließung der Grenzen Österreichs in Betracht ziehen würden. Zudem möchte ich sagen: Es ist der österreichischen Bevölkerung völlig egal, ob Polizisten oder Gendarmerie oder Mili­tär an den Grenzen steht – sie will nur das Gefühl haben, hier in ihrem Zuhause, in Ös­terreich, sicher zu sein und über sich selbst bestimmen zu können.

In der EU ist offenbar abgesehen von Absichtserklärungen gar nichts geschehen. Da muss ich schon mit einem „Keep Smiling“ zum Kollegen Vilimsky sagen: War es denn nicht Ihr Begehren, in die EU zu kommen, damit Sie die EU von innen erneuern, ver-


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bessern? Was haben Sie zu diesem Thema erreicht? – Gar nichts. Das habe ich ge­sagt, aber egal.

Doch, etwas ist schon passiert, und zwar hat die Merkel endlich ihren Spruch – wir kön­nen das, wir schaffen das – eingemottet, und sie ist gar nicht mehr alternativlos. Das ist schon einmal etwas sehr Positives, obwohl wir noch immer nicht wissen, was sie tat­sächlich will und was sie tatsächlich nicht will.

Noch etwas ist geschehen, und zwar gab es vor Kurzem diesen EU-Gipfel in Bratis­lava, quasi als ein Signal gegen das Chaos. Und was ist nun in Bratislava gesche­hen? – Nun ja, Bulgarien macht einen Grenzschutz zur Türkei mit Hochleistungstran­sistoren, und es gibt ein Onlineregister für Reisende nach Europa. Na puh, das wird ja wohl der Weisheit letzter Schluss nicht sein!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können dieses Problem der zuströmenden Migranten und der Massenzuwanderung ganz einfach nicht lösen, wenn wir nicht direkt die Probleme als solche ansprechen. Dabei gibt es zwei Kategorien von Problemen: Einige Probleme haben wir hier in Europa, und zwar in der Form, dass wir sagen: Wir haben keine Kreislaufwirtschaft, wir beuten Afrika aus bis zum Gehtnicht­mehr und kümmern uns einen Dreck darum, wie es den Leuten dort geht. (He- und Hallo-Rufe der Abgeordneten Rädler und Schittenhelm.)

Ein weiteres Problem ist, dass wir subventionierte Wirtschaftszweige haben, die noch dazu die Wirtschaft in Afrika stören, was ihr gar nicht gut tut. Wenn man zusätzlich an die Überfischung der Meere denkt, dann ist einmal unser Reigen abgeschlossen.

Die zweite, ebenfalls tatsächlich zutreffende Kategorie betrifft diese Kriege im Namen des Terrors. Immer mehr Menschen hinterfragen den Krieg gegen den Terror und wis­sen ganz genau, dass es im Kern um Geostrategie geht, um Rohstoffe, um Erdöl, um Gas, um Macht und um Geld. Alles alter Wein in neuen Schläuchen!

Uns in Europa will man einreden, wir brauchen einen Überwachungsstaat und man muss das Bargeld abschaffen, um Terrorismus zu bekämpfen. – Das brauchen wir al­les nicht. Was wir brauchen, ist ein großes Mehr an Ehrlichkeit in der Presse und in den Medien und ein großes Weniger an NATO in Europa, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren: Haben Sie auch nur annähernd irgendwann in den Medien gehört oder gelesen, dass die NATO ohne UNO-Mandat in Serbien, Afghanistan, im Irak, in Syrien und Libyen Krieg führte und auch führen wird? Was wir haben, ist ganz eindeu­tig ein Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt.

Die Geschichte lehrt andauernd, sie findet nur leider keine Schüler – auch nicht hier im Parlament. Wenn die Europäische Union nicht in der Lage ist, die Außengrenzen zu schützen, dann müssen wir, dann muss die österreichische Regierung unsere Bevölke­rung und unsere Staatsgrenzen schützen, und zwar mit der Maßgabe und mit der Vor­gabe, dass die Menschen, die hier sind und zu Recht hier sind, eine entsprechende In­tegration erfahren, dass wir uns aber von den Menschen, die nicht zu Recht hier sind, trennen müssen und dass wir – sollte es tatsächlich einmal Auffanglager im Norden Af­rikas geben – auch dort vor Ort Hilfe leisten.

Jetzt noch ein kleines Sahnehäubchen, weil man immer sagt, Frau Mikl-Leitner sei die­jenige, die so sehr diese Auffanglager in Nordafrika propagiert hat: Ich kann Ihnen da etwas vorlegen, Sie können es auch in den Medien nachlesen. Im Jahre 2009 habe ich eine Presseaussendung in der Stadt Graz gemacht, dass man doch endlich diese Auf­fanglager in Nordafrika machen sollte, um die Menschen vor dem Ertrinken im Meer zu schützen – schließlich ist es auch besser und angenehmer für sie, in ihrer gewohnten Um­gebung zu sein.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 72

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie dürfen eines nicht vergessen: Wir, die Menschheit, sind eine Solidargemeinschaft, und wir sollen und dürfen uns nicht trennen lassen. – Danke schön. (Beifall der Abgeordneten Steinbichler, Franz und Schmid.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

12.33.31Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Karlheinz Kopf: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 10144/J bis 10293/J

2. Anfragebeantwortungen: 9542/AB bis 9560/AB

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Qualifikationsbezeichnungen „Ingenieurin“ und „Ingenieur“ (In­genieurgesetz 2017 – IngG 2017) (1254 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Bundesverwal­tungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsge­richtshofgesetz 1953 und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (1255 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 und das Fachhochschul-Studiengesetz geändert werden (1258 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Maschinen-Inverkehrbringungs- und NotifizierungsG – MING geändert wird (1259 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1261 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Bezirksgerichtes für Innere Stadt Wien, 15 U 90/16h, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Klubobfrau Dr. Eva Gla­wischnig-Piesczek

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Stenographisches Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „CETA und TTIP – Die Freihandelsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada und den USA“ (III-305 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Grüner Bericht 2016 der Bundesregierung (III-307 d.B.)


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Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2017 gemäß § 9 LWG 1992 (III-308 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Bericht der Bundesregierung betreffend den Tätigkeitsbericht des Statistikrates über das Geschäftsjahr 2015 gemäß § 47 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz 2000 (III-306 d.B.)

Wissenschaftsausschuss:

Tätigkeitsbericht 2015 der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung, vorgelegt vom Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (III-309 d.B.)

*****

12.33.43Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 8855/AB

 


Präsident Karlheinz Kopf: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das ge­mäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 8855/AB der Anfrage 9252/J der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend dramatische Risiken durch das Freihandelsabkommen CETA durch den Herrn Bundeskanzler abzuhalten. (Abg. Rädler: Aha!)

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der De­batten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 5,5 „Wiener Stunden“ verein­bart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 74, FPÖ 69, Grü­ne 58 sowie NEOS und STRONACH je 30 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 15 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

12.35.291. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1257 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen jetzt zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 74

12.36.01

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsi­dent! Herr Innenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss mit Si­cherheit festhalten, dass diese Wahlverschiebung, über die wir heute diskutieren, ein echtes Armutszeugnis darstellt. Es ist eine Blamage für Österreich im In- und Ausland, daran kommt man nicht vorbei. Das ist eine traurige Entwicklung, für die es meiner Meinung nach auch keine Entschuldigung gibt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb sogar, ich zitiere: „Loriot hätte seine Freude (…) ge­habt. Sobotka referiert über die ‚technische Situation des Klebers‘ oder über dessen ,technisches Gebrechen‘. Herrlich komische Formulierungen wären das, wenn es nur nicht so peinlich wäre.“

Genau darum geht es. Wir hatten da offensichtlich eine Druckerei, die vor geraumer Zeit, damals noch unter Frau Innenministerin Fekter, den Zuschlag für dieses paten­tierte System bekommen hat (Abg. Fekter: Nach einer EU-weiten Ausschreibung!) – nach einer EU-weiten Ausschreibung. Zufälligerweise ist der Geschäftsführer der Dru­ckerei, der da die Verantwortung trägt, aus Ihrer Region in Oberösterreich und steht dem Wirtschaftsbund nahe. (Ah- und Oh-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Fekter: 2003 haben wir aber auch schon …!) Ich möchte nicht von Freunderlwirtschaft reden, keine Frage, aber diese Nähe gibt es augenscheinlich und die kann man nicht einfach wegwischen. (Abg. Fekter: Das ist eine Unterstellung, Herr Strache! – Abg. Rädler: … Verschwö­rungstheorien!)

Dann gibt es da einen neuen Kleber, der an der ganzen absurden Farce schuld gewe­sen ist. Silvia Strasser vom Bundeskriminalamt hat dazu erklärt, ich zitiere sie: „Wir ha­ben festgestellt, dass die Druckerei für die Produktion der Wahlkarten einen neuen Kle­ber verwendet hat, der bei den Wahlen zuvor noch nicht zum Einsatz kam.“ (Neuerli­cher Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Interessant! Das heißt: Hat man sich jetzt dort an die Verträge gehalten oder nicht? Wur­de zum ersten Mal ein anderer Kleber als festgelegt verwendet, oder wurde der viel­leicht doch schon zuvor auch verwendet? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schließlich gab es ja bereits zuvor solche Fehlentwicklungen. Ganz konkret sind näm­lich bei der Nationalratswahl 2013 Probleme aufgetreten. Damals wurde auch ein Be­richt in den „Salzburger Nachrichten“ vom 27. September 2013 gebracht, in dem ein Aus­landsösterreicher sehr penibel auf dieses defekte Briefwahlkuvert eingeht.

Wortwörtlich schreibt dieser Auslandsösterreicher, der – im Jahr 2013! – dieses Brief­wahlkuvert erhalten hat, Folgendes: „Schutzfolie abgezogen, Wahlkarte mit festem Druck zugeklebt, Wahlvorgang abgeschlossen. Misstrauisch geworden, versuche ich nun, die Wahlkarte wieder zu öffnen, ohne die Aufreißlasche dabei zu beschädigen. Siehe da, ohne Hilfsmittel mit den bloßen Fingern auf, zu, auf, zu – überhaupt kein Problem, kei­ne Beschädigung. Der verwendete Kleber ist einfach zu schwach.“ (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Das war 2013: ein österreichischer Staatsbürger, der im Ausland lebt, der per Briefwahl wählen wollte und dem das aufgefallen ist, und ein Zeitungsbericht, ebenfalls aus dem Jahr 2013, der den klaren Hinweis darauf gibt, dass es das Problem schon zuvor gege­ben hat – im Übrigen auch bei der ÖH-Wahl, wo es solche Entwicklungen nachweislich auch gegeben hat und man die Briefwahlkuverts öffnen, zukleben, wieder öffnen und wieder zukleben konnte. Das ist damals schon Thema gewesen!

Wenn gesagt wird, das Wissenschaftsministerium sei damals informiert worden: Wir ha­ben es doch mit einer Regierung zu tun, und ich gehe schon davon aus, dass das Wis­senschaftsministerium selbstverständlich das Innenministerium informiert haben wird,


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damit so etwas in Zukunft bei Wahlen abgestellt werden kann und nicht mehr vor­kommt. (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der FPÖ: Da bin ich mir nicht so sicher!)

Das muss man dann schon hinterfragen. Natürlich fällt das unter die Aufsichtspflicht, und bei einem funktionierenden Kontrollmanagement ist es selbstverständlich, solche feh­lerhaften Entwicklungen, auf die noch dazu aufmerksam gemacht wurde, abzustellen. Da frage ich mich: Hat man das getan? Und wenn nicht: Warum nicht? – Das zeigt sich ja jetzt bei der Wahlwiederholung, die, wie vom Verfassungsgerichtshof festgelegt, am 2. Oktober hätte stattfinden sollen, weil die letzte Stichwahl annulliert und aufgehoben wurde, und zwar aufgrund von massiven Gesetzwidrigkeiten, aufgrund der Situation, dass Beamte – Beamte! – als Bezirkswahlbehördenleiter vor der Zeit gesetzwidrig ohne Wahl­zeugen über 500 000 Briefwahlkarten vorzeitig aussortiert und über 125 000 Briefwahl­karten geöffnet haben und damit vielleicht weiß Gott was getan haben, damit jedenfalls der Manipulation Tür und Tor geöffnet haben. (Abg. Fekter: Weil die Freiheitlichen …!  Abg. Brosz: Vorzeitig aussortiert haben sie überhaupt nicht …!)

Das war ja der Grund dafür, dass der Verfassungsgerichtshof die letzte Wahl aufgeho­ben hat: um das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Demokratie wiederherzustel­len. Und dann passiert so etwas bei einer Wahlwiederholung, die mit 2. Oktober fest­gelegt war! Na da muss man wirklich sagen: Unglaublich! Diese Wahlverschiebung ist sicherlich eine der größten Peinlichkeiten in der Zweiten Republik, und das hat natür­lich auch mit der Vorgeschichte und mit diesen massiven Gesetzesbrüchen und Unre­gelmäßigkeiten zu tun. (Abg. Moser: Weil Sie die Staatsdruckerei …!)

Wenn nun vonseiten des Ministeriums mangelhafte Qualitätssicherung in der Wahlkar­tendruckerei ins Treffen geführt wird, dann frage ich mich, warum das Ministerium in der Vergangenheit nicht veranlasst hat, die Wahlkuverts stichprobenartig zu kontrollie­ren, und zwar gleich nach Druck, denn dann könnte man ja von Beginn an feststellen: Da stimmt etwas nicht, die stampfen wir ein, die schicken wir gar nicht aus, wir stellen einen sicheren Nachdruck her und verschicken den dann korrekt, um einen korrekten Wahltermin sicherzustellen. Das ist offenbar alles nicht passiert, nicht einmal die stich­probenartige Kontrolle.

Die Druckerei ist österreichweit die einzige Firma, die die gesetzlich vorgeschriebenen Wahlkuverts produzieren kann, und hält seit dem Jahr 2011 sogar ein Patent darauf, sodass nur diese Druckerei die Konstruktion von Briefwahlkuverts vornehmen kann. Da frage ich mich: Warum hat das Innenministerium nicht dafür Sorge getragen, dass man bei einem solchen Ausfall, der ja möglich ist, wie man sieht – es sind ja auch zuvor schon Defizite aufgezeigt worden –, eine zweite Druckerei in petto hat, um eine gesi­cherte Produktion zu gewährleisten, wenn es zu einer solchen fehlerhaften Produktion kommt? Das sind genau die entscheidenden Fragen, die man da stellen muss.

Man sollte sich diese Druckerei aber überhaupt etwas näher ansehen: Laut einem Be­richt der „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 25. November 2014 hat die Drucke­rei offenbar schon im Jahr 2014 39 Jobs streichen müssen. Die aktuellste Bilanz dieser Druckerei: Im Firmenbuch wird mit Stichtag 31. Jänner 2015 ein negatives Ergebnis von mehr als 800 000 € und ein Bilanzverlust von einer knappen halben Million Euro ausgewiesen. Na ja, sehr vertrauenserweckend ist das alles nicht.

Jedenfalls muss man da schon zumindest die Verantwortlichkeiten festmachen, und wenn es um Verantwortlichkeiten geht, gebe ich schon zu: Der Innenminister wird si­cherlich Rede und Antwort stehen, was er gewusst hat und ob er informiert wurde oder nicht, er ist aber erst relativ neu im Amt, da gibt es schon Verantwortlichkeiten in der Zeit davor. Zumindest beim Leiter der Wahlbehörde, Herrn Mag. Stein, kann man aber nicht davon sprechen, dass er da keine Verantwortung hätte, zumindest da müsste man, wenn es um personelle Verantwortlichkeit geht, auch Konsequenzen ziehen (Beifall bei der FPÖ), aber das ist bis heute nicht der Fall!


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Das ist so typisch die österreichische Mentalität: Alles bleibt, wie es ist, wir stellen viel­leicht noch zusätzliche Beamte an, anstatt dass es für die, die für dieses Schmieren­theater und für diese Peinlichkeiten verantwortlich sind, auch endlich Konsequenzen gibt. Und das ist schon ein falscher Weg.

Generell sage ich immer wieder: Die Briefwahl ist zu reformieren, denn offensichtlich ist es bei der Fehleranfälligkeit, bei der Missbrauchsanfälligkeit, aber auch bei der vorhan­denen Manipulationsanfälligkeit nicht gewährleistet, dass eine wirklich korrekte und si­chere demokratische Wahl und Stimmenauszählung vorgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, darüber ehrlich zu debattieren. Die Briefwahl soll selbstverständlich für Aus­landsösterreicher und für Österreicher, die am Wahltag im Ausland sind, weiter auf­recht bleiben – keine Frage (Abg. Wöginger: Wieso nicht für die Inländer?) –, und in Österreich muss man dafür Sorge tragen, dass endlich ein zentrales Wählerregister kommt, dass die Wahlkarten ausgeweitet werden und jeder Staatsbürger in allen neun Bundesländern am Wahltag in jeder Wahlzelle seine Stimme abgeben kann, mit Vor­wahltagen, an denen man als Österreicher, wenn man am Wahltag beruflich verhindert ist, seine Stimme auch noch persönlich abgeben kann, und mit einer mobilen Wahl­kommission bei Kranken und Pflegebedürftigen, damit für diese eine persönliche und geheime Wahl sichergestellt ist und nicht irgendjemand die Stimme für sie abgibt. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Damit hätten wir die Fehler-, Missbrauchs- und Manipulationsanfälligkeit aufgehoben, und ich frage mich, warum man das nicht will. Das sind schon zu hinterfragende Me­chanismen. Und das ist etwas, was notwendig wäre. Wir wissen alle, dass es diese Möglichkeit gäbe, wenn man will, aber, wie gesagt, offenbar will man das nicht ab­stellen.

Natürlich, entweder provoziert Herr Kern demnächst Neuwahlen, wie wir aus den Zei­tungen erfahren können, oder der Kurz macht das, oder sie einigen sich endgültig da­rauf, was die weniger wahrscheinliche Variante ist. Das Klima in dieser Koalition ist auf jeden Fall vergifteter denn je. Das kann man schon feststellen, das ist sichtbar. Der Kern bringt nichts weiter. Wenn es um die Leistungsbilanz geht, seit er im Amt ist: null. Auch wenn er noch länger im Amt sein wird, die Leistungsbilanz wird bei null bleiben. Daher wird er dann nach Möglichkeit so schnell wie möglich Neuwahlen in Angriff neh­men, um das irgendwie zu überspielen. Und bei der ÖVP wird die letzte Patrone, Herr Kurz, in petto gehalten, den man natürlich nicht verheizen und erst zur richtigen Zeit aufbauen will.

Die Reform der Briefwahl müsste man aber zumindest für die nächste Nationalratswahl in Angriff nehmen, wenn man es mit der Demokratie ernst meint, und in einer De­mokratie ist das höchste Gut für den Staatsbürger die Verlässlichkeit, dass seine Stim­me am Ende auch korrekt ausgezählt und gewertet wird und dass es nicht vorkommen kann, dass irgendjemand für irgendjemand anderen die Stimme abgibt oder den Wahl­zettel ausfüllt und es zu solchen Entwicklungen kommen kann. Ich glaube, das ist der oberste Grundsatz, den wir alle zu beherzigen haben, und ich sage, das liegt in un­serer Verantwortung und sollte auch in Zukunft sichergestellt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn dann die ÖVP den Vorschlag für ein E-Voting macht (Abg. Neubauer: Das hat nicht einmal bei der ÖH-Wahl funktioniert!): Bei aller Wertschätzung, das E-Voting ist ja wiederum zusätzlich fehler-, missbrauchs- und manipulationsanfällig, also das geht ja völlig an dem wesentlichen Grundsatz vorbei, eine demokratische Wahl auch korrekt und gesichert ablaufen zu lassen. Das E-Voting birgt ja auch datenschutzrechtlich viele Gefahren, die ja zu Recht aufgezeigt worden sind. Da muss man ja in Zukunft bei ei­nem System, wie wir es haben, befürchten, dass dann vielleicht österreichweit ein Com­puterausfall gegeben ist. Also solche Ideen sollte man sehr, sehr vorsichtig behan­deln.


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Diese Blamage, die wir jetzt erlebt haben, hätte man dem Land Österreich ersparen können, wenn man umsichtig gehandelt hätte. Das hat eigentlich Priorität, danach soll­ten wir in Zukunft trachten, und ich möchte in Zukunft auch Mechanismen dafür ge­währleistet bekommen, dass im Falle eines Fehlers seitens einer Druckerei auch wirk­lich sichergestellt ist, dass dieser Fehler ausgemerzt wird, dass korrekte Briefwahlkar­ten nachgedruckt und eine fristgerechte Wahl sichergestellt wird, denn alles andere würde nur aufzeigen, dass dieser Regierung, wenn sie schon bei solchen Problemen scheitert, Problemlösungen in anderen Bereichen gar nicht mehr zuzutrauen sind. (Bei­fall bei der FPÖ.)

12.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. Freiwilli­ge Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

 


12.48.49

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Herr Kollege Strache, das lassen wir uns von Ihnen alleine nicht sagen (ironische Heiterkeit bei der FPÖ Abg. Strache: Was?), dass Demokratie das höchs­te Gut ist. (Ruf bei der FPÖ: Die Wahlzelle meinen Sie!) Weil Demokratie das höchste Gut ist, Herr Kollege Strache, weil uns Demokratie so wichtig ist, dass jede Stimme zählt, stellen Sie sich bitte nicht ins Abseits, sondern stimmen Sie dafür, dass wir diese Wahl auf den 4. Dezember verschieben! (Abg. Lausch: Geh, geh!) Da wären Sie am richtigen Punkt. Lassen Sie zu, dass jede Stimme zählt, und wenn jede Stimme zählen soll, dann müssen Sie für eine Verschiebung sein! Sie haben sich drei Mal im Kreis gedreht, Herr Kollege Strache! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der NEOS. Ruf bei der FPÖ: Der wird ja nicht einmal rot!)

Umgekehrt hätte ich mir von Ihnen ja eigentlich eine totale Verschwörungstheorie er­wartet: Amerikanische Ostküsten-Freimaurer sind unterwegs in Österreich, sammeln alle aufgegangenen Wahlkuverts ein, es werden in der Wahlnacht Hofer-Stimmzettel herausgenommen und dann werden die Kuverts mit Van-der-Bellen-Stimmzetteln ge­füllt. (Abg. Strache: Was ist bei Ihnen da oben drin? Haben Sie irgendwas ge­schluckt?) – Das wäre wahrscheinlich eine Verschwörungstheorie, die vonseiten der FPÖ aufgegangen wäre. Nicht, Herr Kollege Kickl? Das wäre doch eine Verschwö­rungstheorie von Ihnen, dass alles nur gegen Sie gerichtet ist! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Strache: Kommen Sie von der ÖVP Leopoldstadt? 5 Prozent! Abg. Kickl: Ha­ben Sie da in der Leopoldstadt Wahlwerbung gemacht?)

Lassen wir die Kirche im Dorf! Mein Sohn ist Fußball-Nachwuchsspieler. (Abg. Stra­che: Wenn er nach Ihnen kommt, kann er nicht sehr erfolgreich sein! Ruf bei der FPÖ: Da muss er gute Gene haben von der Mutter!) Wenn der Trainer Fußballschuhe einkauft, und die Fußballschuhe gehen dann während des Spiels auf: Na, was wird pas­sieren? Man wird das Spiel verschieben, weil die Schuhe nicht gepasst haben. Und was heißt das jetzt in diesem Fall? (Abg. Lausch: So ein Blödsinn! … Fußballmatch! Abg. Kickl: Ein besonders gelungenes Beispiel! Heiterkeit bei der FPÖ.) – Herr Kol­lege! Wenn Sie einen Auftrag über das Internet erteilen, eine Druckerei beauftragen und sich Wahlkuverts kommen lassen, und dann stimmen die Wahlkuverts nicht (Abg. Kickl: Bitte reden Sie öfter! Abg. Zanger: Sauerstoffmangel! Zwischenruf des Abg. Strache): Wer, Herr Kollege Strache, ist schuld, wenn der Auftragnehmer seinen Auf­trag nicht erfüllt? (Abg. Lausch: Sie sind total ahnungslos!) Bleiben Sie bei Ihren Punkten, es ist einfach so: Wenn Sie etwas bestellen und derjenige, der es Ihnen zu liefern hat, liefert nicht ordentlich, dann sind nicht Sie, der Auftraggeber, der Schuldige. Also konstruieren Sie nicht immer Schuldige, wo es keine Schuldigen gibt! (Beifall bei der ÖVP. Abg. Strache: Keine Kontroll- und Aufsichtspflicht!)

Die Republik hat genau das gemacht, was sie in dem Fall tun muss: Sie geht zum Auftragnehmer und sagt: Gewährleistungsfall, du lieferst mir neue Kuverts! (Abg. Stra-


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che: Wie ist das jetzt mit dem Fußballplatz? Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist das einzig Richtige, das Einzige, was Sie rechtlich machen können, das ist das, was der Auftraggeber tun muss, und das ist gut und richtig für die Demokratie, weil damit in Zukunft wieder jede Stimme zählt, Herr Kollege Strache. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Zuseherinnen und Zuseher, es wäre ja verwunderlich gewesen, wenn es nicht auch in diesem Fall so wäre, dass es alle gut finden, dass man die Demokratie sichert und dass man allen Österreicherinnen und Österreichern die Möglichkeit zur Stimmab­gabe zukommen lässt, dass es hier aber zwei notorische Nein-Sager gibt: die FPÖ und das Team Stronach. (Ah-Rufe beim Team Stronach.) Es ist immer das Gleiche. Sie ha­ben noch nie zu irgendetwas Ja gesagt, Sie haben noch nie gesagt, in welche Rich­tung Sie es haben wollen, Sie haben nur immer Nein gesagt, auch wenn es im Sinne der Demokratie ist. Herr Kollege Strache, Sie sollten endlich einmal darüber nachden­ken, was das Gescheitere für das Land wäre! (Abg. Kickl: Also in der Demokratie müs­sen alle einer Meinung sein, das ist das ÖVP-Modell, oder?)

Was wir in diesem Fall auch noch gemacht haben, auch in Entsprechung des Erkennt­nisses des Verfassungsgerichtshofes: Wir beschließen heute, dass rund 46 000 Ju­gendliche, die nun zusätzlich wahlberechtigt geworden sind, am 4. Dezember ihr Stimm­recht ausüben können. Das ist für mich demokratiepolitisch wichtig, denn damit hat ungefähr ein gleich großer Wahlberechtigtenkreis ein Stimmrecht. Das ist aus meiner Sicht auch im Sinne des Verfassungsgerichtshofes, und da möchte ich gleich dem Kol­legen vom Team Stronach vorgreifen: Ich glaube, das ist das, was ein Politiker machen muss: zu schauen, dass immer möglichst gleich viele Leute wählen können. Dann ent­sprechen wir auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Man sollte sich nicht an das Wort des Gesetzes festklammern und sagen, wir lassen jetzt einfach, weil schon so viele Leute gestorben sind, weniger Leute wählen. Das wäre nicht gescheit. Herr Kol­lege Hagen, Sie werden das danach sicher erklären.

Was das Wahlrecht als solches betrifft: Ja, da müssen wir uns zusammensetzen. Die Klubobleute haben das schon miteinander diskutiert, dass wir uns in einem eigenen Ar­beitskreis all die Vorschläge, die von den Wahlbehörden auf den Tisch kommen, genau anschauen und dass wir danach das, was praxisgerecht ist, auch umsetzen. Ein Wahl­recht muss nämlich praxisgerecht sein, muss eine Unterstützung für die Beisitzer sein und muss gewährleisten, dass es zu keinen Manipulationen kommt. Daher: Ja, ganz wich­tig  Wahlrechtsreform!

Ein Punkt dabei ist, dass es uns auch gelingen muss, wieder Wahlbeisitzer zu be­kommen, und da sind es gerade die Freiheitliche Partei – ich bin Kollegen Stefan dank­bar dafür, dass er das ganz ehrlich angesprochen hat – und die Grüne Partei, die nicht genügend Wahlbeisitzer stellen. (Abg. Lausch: Das ist aber Ihr Wahlgesetz, das ist Ihre Schuld!)

Ich unterstütze den Vorschlag von Kollegen Mödlhammer, dass man sich etwas einfal­len lassen muss, wie man es schaffen kann, genügend Wahlbeisitzer zu bekommen, denn die Wahlbehörden müssen ordnungsgemäß zusammengesetzt sein, und dazu brauchen wir alle Parteien. Es kann nicht sein, dass immer nur die Regierungsparteien die Wahlbeisitzer stellen, sondern es ist wichtig, dass auch die Oppositionsparteien ent­sprechend Wahlbeisitzer, Wahlhelfer und Vertrauensleute stellen. (Beifall bei der ÖVP.  Abg. Strache: Also in der Leopoldstadt waren keine ÖVP-Wahlbeisitzer!)

Es gibt noch viele Vorschläge, die in diesem Zusammenhang zu diskutieren wären, et­wa ein vorgezogener Wahltag oder auch das E-Voting.

Ich möchte dazu noch einen Punkt erwähnen: Ich komme gerade von einer Wahl­beobachtung in Jordanien. Wenn es dort selbstverständlich ist, dass jeder, der gewählt hat, elektronisch in jedem Wahlsprengel registriert wird, dann werden wir wohl auch bei


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uns eine elektronische Registrierung diskutieren können. Das ist zwar kein E-Voting, aber den Einsatz elektronischer Mittel direkt in der Wahlzelle und damit vielleicht die Reduzierung der Fehlerhäufigkeit bei Wahlbeisitzern beziehungsweise bei Wahlkom­missionen sollten wir wirklich ernsthaft angehen, und wir sollten nicht so tun, als wäre die Elektronik nur schlecht. (Abg. Lausch: Sie waren noch nie in einer Wahlkommis­sion!) Da sollten wir ruhig mutig einen Schritt nach vorne gehen, in Richtung mehr direkte Demokratie, in Richtung mehr und neue technische Mittel, um dafür zu sorgen, dass wir eine Bundespräsidentenwahl auch in Zukunft hundertprozentig sicher und ge­recht durchführen können, sodass in Zukunft keine Stimme verloren geht. (Beifall bei der ÖVP.)

12.56


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.56.06

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Gut war die Rede nicht, Kollege Gerstl, aber amüsant zumindest, das möchte ich jetzt betonen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Ja, und auch die Argumente waren nicht gut, Herr Kollege; ich möchte gleich einmal darauf eingehen: Kollege Strache hat ein zentrales Wählerregister angesprochen. Das ist auch aus unserer Sicht ein wichtiger Punkt, um den Wählerinnen und Wählern mehr Sicherheit und mehr Möglichkeiten zu geben. Zur Briefwahl: Ich muss ehrlich sagen, diese ist manipulationsanfällig, und auch der Verfassungsgerichtshof hat ja festgestellt, dass es nur im Ausnahmefall zu einer Briefwahl kommen soll.

Ich glaube, das ist ein klares Signal. Sonst hören wir ja auch gerne auf das, was der Verfassungsgerichtshof entscheidet, also tun wir das auch einmal dort, wo es vielleicht den Großparteien oder gewissen andersfarbigen Parteien nicht passt! – Das wäre doch einmal anzuregen! Meine Damen und Herren, der Verfassungsgerichtshof hat auch ei­nige andere wichtige Dinge gesagt, und ich möchte dazu kurz auf die Position des Teams Stronach eingehen.

Ich habe es im Verfassungsausschuss letzte Woche schon deutlich angesprochen: Wir haben bei dem, was jetzt hier beschlossen werden soll, großes Bauchweh – deswegen werden wir auch nicht zustimmen –, und das hat folgenden Grund: Wir müssen einmal ganz von vorne anfangen. Wir hatten eine Bundespräsidentenwahl, bei der sechs Kan­didaten angetreten sind. Zwei haben es in die Stichwahl geschafft. Dann hat diese Stich­wahl stattgefunden. Bei dieser Stichwahl hat es Ungereimtheiten gegeben, oder es hat einmal die Möglichkeit bestanden, dass es sogar zu Wahlmanipulationen hätte kom­men können, und der Verfassungsgerichtshof hat diese Stichwahl aufgehoben.

Was ist dann passiert? – Es wurde eine neue Stichwahl ausgeschrieben, Wahltermin 2. Oktober 2016. Dann haben wir die Situation gehabt, die für das Bundesministerium für Inneres kein Ruhmesblatt darstellt, nämlich diese offenen Wahlkuverts, diese Wahl­kuverts, die aufgegangen sind, schlechter Kleber. Es kann jetzt schuld sein, wer will, irgendeinen Schuldigen gibt es sicher, irgendjemand wird dafür geradestehen müssen, auch für die Kosten, die dadurch entstanden sind.

Der Herr Bundesminister hat dann zuerst gesagt, es gibt kein Problem, die Wahl kann durchgeführt werden, das sind nur ein paar fehlerhafte Kuverts. Dann gab es ein Hin und Her, und plötzlich war er geläutert, und es ist das Wort „Wahlverschiebung“ im Raum gestanden. Und siehe da: Jetzt sind wir da, diskutieren, und heute wird wahr­scheinlich mit Mehrheit beschlossen – ich werde es nicht mitbeschließen –, dass der Wahltermin der 4. Dezember ist. – So weit, so gut. (Präsident Hofer übernimmt den Vor­sitz.)


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Jetzt tun wir da monatelang herum. Die Leute draußen werden sich etwas denken, und Sie hören das auch, wenn Sie mit den Leuten diskutieren, was die von der Politik und von solchen Situationen halten. (Abg. Rädler: Stronach!) – Na, die ÖVP ist da feder­führend, Herr Kollege, das muss man ganz klar sagen.

Dann gibt es da etwas, bei dem mir nicht ganz wohl ist, das muss ich ganz klar sagen: Jetzt geht man her und sagt, okay, in diesem Zeitraum sind so und so viele Leute ver­storben. Einen Wahlstichtag gab es aber auch schon früher, und wer zwischen diesem und dem Wahltag verstorben ist, hat auch nicht wählen können. Das ist höhere Gewalt.

Und ich glaube, der Verfassungsgerichtshof hat nicht gesagt, dass wir das Wählerre­gister austauschen sollen, sondern er hat ganz klar gesagt, dass die Wahl wieder unter denselben Bedingungen und Voraussetzungen stattzufinden hat.

Jetzt ist es nicht möglich, dass man alle, die gestorben sind, ins Wählerregister wieder aufnimmt (Abg. Rädler: Die stehen eh drinnen!), aber die sind ja sowieso drinnen, denn wir haben die Bedingungen von der ersten Wahl, und unter diesen ist die jetzt anstehende Wahl durchzuführen. Und wer bei der ersten Wahl nicht mehr gelebt hat, hat dort auch nicht abstimmen können. Und wer bei der Stichwahl nicht mehr gelebt hat, hat dort auch nicht abstimmen können.

Und jetzt gehen wir her, meine Damen und Herren, und sagen: Okay, jetzt haben wir so und so viele Wähler weniger (Abg. Rädler: Das ist keine gute Rede, das ist eher ein Verwirrspiel! Ein Hütchenspiel!), das könnte sich vielleicht für den einen oder anderen negativ auf das Wahlergebnis auswirken. Und wir haben jetzt auch so und so viele Per­sonen, die inzwischen 16 geworden sind, daher gehen wir jetzt her und nehmen diese in das Wählerregister auf.

Was ist die Folge, meine Damen und Herren? – Diese 16-Jährigen konnten bei der ersten Wahl nicht wählen und durften nicht wählen. Sie hätten das Ergebnis damals auch beeinflussen können. Vielleicht wäre dann Frau Griss in der Stichwahl gewesen? Das ist durchaus möglich.

Man muss das auch einmal so sehen, und ich habe da große Bedenken. Und nicht nur ich, auch der Verfassungsjurist Öhlinger hat das angesprochen, und selbst Herr Vog­genhuber von den Grünen hat das auch gesagt. Auch Frau Griss hat das auf ihrem Facebook-Account bestätigt. Und ich habe vorgestern mit Herrn Lugner, dem Baumeis­ter Lugner, gesprochen und habe ihn gefragt, wie er das sieht. Er sieht das genauso. (Oh-Rufe. – Abg. Schieder: Der „Professor Richard Lugner“!)

So, und jetzt sind wir beim Punkt, meine Damen und Herren: Jetzt gehen wir hier in ei­ne laufende Wahl hinein – es ist ja nichts anderes, es ist ja keine Neuwahl – und wech­seln das Wählerregister aus!

Meine Damen und Herren, das ist demokratiepolitisch äußerst bedenklich und mit nichts zu rechtfertigen! (Beifall beim Team Stronach.)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der über diese Umstände wirklich aufgeklärt ist – und man hat ja genug diskutiert, sowohl im Ausschuss als auch jetzt hier –, mit gutem Gewissen – außer Herr Rädler von der ÖVP, dem das anscheinend wurscht ist – das Wählerregister austauscht. Was machen wir denn bei der nächsten Wahl, bei der das Ergebnis vielleicht nicht passt? Gehen wir dann her, finden irgendeinen Kno­chen, den wir rausnehmen können, und sagen dann: Okay, wir zögern das ein biss­chen hinaus, und dann wechseln wir das Wählerregister aus, und dann schauen wir, dass das Ergebnis letztlich schon noch passen wird.

Meine Damen und Herren! Das ist demokratiepolitisch nicht nur äußerst bedenklich, sondern das ist fahrlässig und äußerst gefährlich! Und deswegen wird das Team Stro­nach diesen Gesetzesänderungen nicht zustimmen. (Beifall beim Team Stronach.)

13.02



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 81

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.02.48

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseher, die die Sendung auch verfolgen und die sich höchstwahr­scheinlich in den letzten Wochen und Monaten über die Vorgänge rund um die Bundes­präsidentenwahl große Sorgen gemacht oder auch Verzweiflung empfunden und mit Unverständnis reagiert haben! Ich darf Ihnen auch ausrichten: Ich verstehe das, ich kann es auch nachvollziehen. Und ich fürchte auch, dass das, was passiert ist, sicher­lich auch einen Schaden am Vertrauen in die Demokratie angerichtet hat.

Allerdings muss man in der politischen Debatte auch unterscheiden zwischen der Schuld- und der Verantwortungsfrage, denn: Die Schuld – warum der Kleber so be­schaffen ist, warum die Firma das bestellt hat und so weiter – ist eine Frage, die sich sicherlich kriminologisch und vor den Gerichten irgendwann auch klären wird. Die poli­tische Verantwortung, das muss man auch ganz offen sagen, liegt natürlich bei der Re­gierung und bei dem zuständigen Minister.

Und die Verantwortung von uns hier als Parlament ist es auch, mit dieser Problemlage so umzugehen, dass am Schluss eine Lösung herausschaut. Wir haben nichts davon, wenn wir alle das Problem beschreiben, so wie mein Vorredner, sondern wir müssen uns am Schluss auch überlegen: Wie können wir die bestmögliche Lösung für die De­mokratie schaffen?

Und die liegt darin, dass wir heute hier erstens beschließen, den Wahltermin auf 4. De­zember zu verlegen, dass wir zweitens beschließen, dass bei den Briefwahlkarten ein anderes Laschensystem Verwendung finden soll, dass wir aus demokratiepolitischen Gründen auch entscheiden, dass die heute 16-Jährigen beziehungsweise die, die bis zum Wahltag 4. Dezember 16 Jahre alt werden, mitwählen können sollen, weil es sonst demokratiepolitisch unverständlich wäre. Und wir beschließen auch, dass Freistadt gleich­zeitig mit der Bundespräsidentenwahl wählen kann und dass die schadhaften Wahlkar­ten für den Wahltermin 2. Oktober gesammelt und gegebenenfalls nach den Ermittlun­gen auch vernichtet werden können.

Weiters werden wir einen Abänderungsantrag beschließen, dass die Stimme, das Wahl­kuvert sowohl vom Wähler oder der Wählerin als auch vom Wahlleiter eingeworfen werden kann, damit es da keine Unsicherheit gibt, sondern dass beides möglich ist; denn nach Ansicht von manchen ist der klare Vorgang derjenige, dass das der Wahl­leiter macht, viele Wähler finden aber auch, sie wollen ihre Stimme als „ihre Stimme“ abgeben, und das sollen sie in Zukunft auch können.

Andere große Fragen bleiben noch zu beantworten, nämlich: Wie werden wir in Zu­kunft mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs, was Auszählungszeitpunkte, Veröffentlichungszeitpunkte und andere Wahlabwicklungsfragen betrifft, umgehen? Und diese Fragen müssen wir meiner Meinung nach Ende Jänner, Anfang Februar – ir­gendwann in dieser Zeit – hier im Hohen Haus auch beantworten.

Eine Antwort, nämlich ein zentrales österreichweites Wählerregister zu schaffen, wird am 17. Oktober dieses Jahres bereits im Verfassungsausschuss behandelt und damit auch beschlossen werden beziehungsweise im November auch schon plenumsreif ge­macht, sodass das dann auch entschieden ist.

Eines möchte ich aber auch ganz klar sagen, denn der Schaden für die Demokratie ent­steht nicht nur durch die Peinlichkeit mit den kaputten Kuverts und mit den Anfech­tungen vor dem Verfassungsgerichtshof (Abg. Kickl: Was? Damit entsteht ein Scha­den für die Demokratie?), die Frage, wie die Demokratie betrachtet wird, hängt auch davon ab, wie wir – jeder Einzelne von uns beziehungsweise jede Partei – mit Fragen


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auch umgeht. Und da geht es auch darum: Wie wird kriminalisiert? Wie wird hier auch gesprochen? Und ich sage, nachdem ich dem Kollegen Strache hier zugehört habe, schon eines: Ehrlich gesagt, auch ein Fall wie jener in Sonntagberg, wo der FPÖ-Ge­meinderat Unterstützungserklärungen gefälscht hat und dafür verurteilt worden ist, ist nicht im Sinne des demokratischen Erfinders, sondern ganz im Gegenteil.

Und solche Beispiele gibt es mehrere, und daher würde ich bitten, dass wir uns alle einen Schritt zurücknehmen und eines nicht machen, nämlich andauernd Verdächti­gungen und (Abg. Rädler: Verschwörungen!) Verschwörungstheorien, und was hier al­les gewälzt wird, weiter in den Raum zu stellen. (Abg. Strache: Eine Verschwörung ist es nicht, dass … die Wahl wiederholt wurde, in Hohenems …!)

Noch wichtiger ist es – und das ist mein Wunsch, meine Bitte an beide Kandidaten, und ich hoffe, dass sie es beide nicht nur hören wollen, sondern dass sie, die Kan­didaten und ihre Wahlkampfteams, es letztlich auch schaffen, es umzusetzen –, einen sauberen Wahlkampf bis 4. Dezember ohne Verdächtigungen, Internetgerüchte, Ver­schwörungstheorien – Verschwörungstheorien betreffend Krankheiten, betreffend Wahl­fälschungen und all diese Dinge – zu führen.

Das hat sich Österreich und das hat sich das Amt des Bundespräsidenten nicht ver­dient. Und übrigens: Ich hoffe auch, es hat keiner der beiden Kandidaten notwendig, so etwas zu machen.

Das wäre der beste Deal für die Demokratie. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.08.05

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich jetzt die Reden der Regierungsfraktion gehört habe, dann wundere ich mich über einige Dinge sehr wohl.

Erstens einmal: Kollege Schieder sagt, es ist ein Schaden für die Demokratie, wenn eine Wahl angefochten wird. – Das ist wirklich haarsträubend. (Abg. Schieder: Das ha­be ich aber nicht gesagt!) Genau das haben Sie gesagt, wörtlich! (Abg. Schieder: Das haben Sie falsch verstanden! – Zwischenruf der Abg. Fekter.) Gut, dann haben Sie sich versprochen. Dann nehme ich das zur Kenntnis. Freut mich. (Neuerliche Zwi­schenrufe der Abgeordneten Schieder und Fekter.) – Nein, ich habe ganz genau zu­gehört. Sie haben gesagt, die Anfechtung der Wahl ist ein Schaden für die Demokratie. (Abg. Strache  in Richtung des Abg. Schieder –: Lesen Sie sich die Rede durch! Sie haben gesagt, das ist ein Schaden, Wahlanfechtung ist ein Schaden!)

Gut, also wenn Sie das zurücknehmen – oder sich falsch verstanden fühlen –, ist es mir recht. Das ist nämlich kein Schaden für die Demokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber wir werden uns das Protokoll anschauen. Ich lege Ihnen die Rutsche, aber Sie können auch dort bleiben, wo Sie sind.

Auch Kollege Gerstl hat sich hier sehr verstiegen und sehr eigenartige Dinge gesagt. Ich meine, immer dann, wenn jemand „nie“ sagt, ist er schon einmal am falschen Damp­fer. Zu sagen, dass die FPÖ nie zustimmt, das ist ja wirklich haarsträubend. Wir wer­den sogar heute hier teilweise zustimmen. Wir werden zum Beispiel dieser epochalen Änderung zustimmen, dass ab sofort nicht mehr der Wahlleiter im Wahllokal, sondern auch der Wähler selbst das Kuvert in die Urne werfen darf. Also dieser wirklich tollen Reform werden wir zustimmen. – Erstens einmal.

Zweitens werden wir auch der Änderung des Stichtags für die Wählerevidenz zustim­men, wiewohl wir auch das Problem sehen, dass es dann keine richtige Wahlwieder-


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holung mehr ist. Aber es gibt die zwei widerstreitenden Probleme: einerseits die jungen Menschen, die ja in der Zwischenzeit 16 Jahre alt geworden sind und daher natürlich zu Recht das Bedürfnis haben, da mitzuentscheiden, und auf der anderen Seite die Tatsache, dass es bei einer Wahlwiederholung und auch bei einer Stichwahl an sich denselben Wählerkreis geben sollte. Aber beide haben etwas für sich, und daher sind wir der Meinung, dass wir den jungen Menschen die Chance geben wollen, an dieser Wahl teilzunehmen, dabei mitzumachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben also jetzt viel darüber gesprochen, dass die Wahl verschoben wurde. Dass das eine Blamage ist, daran besteht kein Zweifel. Über Schuld und Verantwortung kann man auch lange diskutieren. Ich bin tatsächlich davon überzeugt, wenn man ei­nen derartigen Auftrag gibt und wenn man, wie es ja da der Fall war, bei der Wahl­wiederholung extra einen späteren Termin, nämlich den 2. Oktober, wählt – es hätte ja einen früheren gegeben –, um die Gefahr möglicher Schwierigkeiten diesmal auszu­räumen, um eben nicht die Peinlichkeit zu haben, dass wieder etwas passiert, dann ist durchaus zuzumuten, dass man auch eine Kontrolle im sensibelsten Bereich der Wahl, nämlich bei der Briefwahl, vornimmt – da wir doch schon gewusst haben, die Briefwahl ist das Problem gewesen. Und dass das nicht erfolgt ist, das ist durchaus vorwerfbar, und um diesen Vorwurf wird man auch nicht umhinkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist also jetzt zu tun? – Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war offen­sichtlich doch ein Weckruf dahin gehend, dass man feststellt, es gibt erstens einmal in der Praxis etliche Probleme – es ist da vielleicht auch ein Schlendrian zum Tragen ge­kommen –, aber es gibt vor allem auch tatsächlich die Notwendigkeit, das Gesetz zu än­dern.

Wir haben diesbezüglich ganz konkrete Vorschläge und wir haben von Anfang an auch immer klar gesagt, die Briefwahl ist ein demokratiepolitisches Husarenstück, ein Pro­blem. Und ich sage es noch einmal, auch wenn ich mich wiederhole: Es ist ganz eigen­artig, dass es zwei Klassen von Wahl gibt: Die eine Wahl ist die im Wahllokal und die andere ist die Briefwahl. Denken Sie daran, was im Wahllokal alles gilt: Sie müssen unbedingt in die Wahlzelle gehen, Sie dürfen nicht offen abstimmen. Und auch jeder, der im Wahllokal wählen geht, ist ein mündiger Bürger. Es wird bei der Briefwahl ja im­mer gesagt: Ich bin doch ein mündiger Bürger, ich weiß, was ich tue! – Warum weiß derjenige, der ins Wahllokal geht, nicht, was er tut?

Der Wähler im Wahllokal wird eben unter anderem davor geschützt, dass man ihn da­zu treiben könnte, offen abzustimmen, oder es wird verhindert, dass er andere dadurch beeinflusst, dass er offen abstimmt. Es darf niemand mit dem Wähler in die Wahlzelle hineingehen, es dürfen dort nicht mehrere Personen drinnen sein. Es darf ihnen na­türlich niemand über die Schulter schauen. Das wird alles genau kontrolliert und ge­währleistet. Die Wahlurne steht den ganzen Tag in der Mitte des Wahllokals. Die Wahl­urne wird nicht eine Stunde lang hinausgetragen, während irgendein Wahlleiter inzwi­schen irgendetwas vorbereitet. Das wäre völlig undenkbar, da würde jeder auf die Bar­rikaden springen und sagen: Wahnsinn! Mögliche Wahlmanipulation! – All das gilt im Wahllokal. Das ist die eine Seite.

Und die andere Seite ist die Briefwahl. Da gilt das alles nicht. Da wissen wir nicht: Wer hat jetzt wirklich das Kreuz gemacht? Wer ist danebengestanden? Hat es da eine Be­einflussung gegeben? Hat es da Druck gegeben? Da wissen wir nicht, ob das Wahl­kuvert vielleicht wegen der Post gar nicht angekommen und die Stimme daher nicht gezählt worden ist. Da wissen wir eben auch nicht, ob die Wahlkuverts geöffnet wur­den, ob sie ausgetauscht wurden und Ähnliches. Da wissen wir auch nicht genau: Wo liegen die Wahlkuverts, wenn sie einmal zugeschickt sind? Sind sie wirklich gesichert? Gibt es diesbezüglich eine klare Regelung? Wer hat da Zugang? – All diese Dinge wis­sen wir bei der Briefwahl nicht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wenn man sich das vor Augen hält, dann ist es daher ganz klar und für uns selbst­verständlich: Gut, wenn man schon diese Briefwahl aus verschiedensten Gründen – weil sie für die Auslandsösterreicher unbedingt notwendig ist – beibehalten will, dann muss man doch zumindest einmal klar sagen, dass man sie auf das absolute Minimum reduziert. Der richtige Zugang ist natürlich: Nur für Auslandsösterreicher und für Ös­terreicher, die sich im Ausland aufhalten! Alle anderen können ja in ein Wahllokal ge­hen. In dem Moment, wo ich eine Wahlkarte habe und in ein Wahllokal gehe, sind ja alle Grundsätze des Wahlrechts erfüllt und die Probleme der Briefwahl – vielleicht bis auf ein mögliches Problem bei der Zustellung der Wahlkarte – gelöst! Und daher ist das ja ein ganz logischer Schritt, und das ist durchaus, nämlich auch im Sinne der Sicher­heit eines Wahlvorgangs, zumutbar.

Wir wollen niemandem die Möglichkeit nehmen, zu wählen. Ganz im Gegenteil, jeder soll die Möglichkeit haben. Die Briefwahl nimmt sie oft! Denken Sie daran, dass bei der letzten Wahl in etwa 40 000 Stimmen nicht gezählt wurden, weil keine Unterschrift auf dem Kuvert war. Diese 40 000 Menschen haben alle geglaubt, dass sie gewählt haben, und ihre Stimme ist nicht angekommen. Wir wollen, dass die Stimme dieser Menschen sehr wohl zählt und ankommt, und daher diese Reformvorschläge. (Beifall bei der FPÖ.)

Es muss daher gewährleistet sein, dass schon einmal bei der Bestellung der Brief­wahlkarte kein Missbrauch passiert. Und wenn man eben jetzt elektronisch bestellen kann, und dann bekommt man einen eingeschriebenen Brief, dann ist zu bedenken: Elektronisch bestellen kann jeder, wir wissen das. Es ist auch nicht gesagt, dass das vom betreffenden Wähler bestellt werden muss – Ausweisdaten bekommt man sehr leicht auf verschiedensten Wegen, oder man hat sie von jemand anderem –, und was den eingeschriebenen Brief betrifft, so wissen wir auch, dass dieser nicht persönlich zu­gestellt wird, sondern irgendjemandem ausgehändigt wird, der unterschreibt. Außer­dem kann ich mir ja die Briefwahlkarte woanders zustellen lassen, an eine Büroadres­se oder sonstwo.

All das sind also Umstände, die missbrauchsanfällig sind. Und es muss gewährleistet sein, dass die Stimme nicht missbraucht werden kann!

Dasselbe gilt auch für jene Personen, die tatsächlich nicht die Einsicht haben, worum es bei der Wahl überhaupt geht. Die müssen davor geschützt werden, dass ihr Wahl­recht missbraucht wird. Das ist ein Schutz, und sonst gar nichts! Wenn jemand für eine solche Person eine Wahlkarte bestellt und dann auch noch die Stimme abgibt, dann ist das ein Missbrauch, den wir abstellen müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

Das braucht man jetzt gar nicht polemisch umzudrehen und zu sagen, die Freiheit­lichen wollen da irgendjemandem irgendetwas wegnehmen. Im Gegenteil! Man muss klar differenzieren zwischen jenen, die aus körperlichen oder sonstigen Gründen Hilfe brauchen – diese muss natürlich gewährleistet sein –, und jenen, die diese Einsicht nicht haben. Und das kann man sehr wohl differenzieren! So gibt es etwa bei der Bestellung eines Sachwalters immer ein psychiatrisches Gutachten. In diesem psychiatrischen Gutachten wird unter anderem festgestellt, ob jemand geistig dazu in der Lage ist, ein Testament zu machen. Das heißt, es wird da klar qualifiziert, weil es um ein ganz wei­tes Feld von Fragen geht, wenn ein Sachwalter bestellt wird. So könnte genauso fest­gehalten werden, ob jemand geschützt werden muss vor einem Wahlmissbrauch. – Das ist also ganz einfach zu lösen, und wir hätten wieder eine Manipulationsmöglich­keit weniger.

Es sind also viele Punkte, die es hier zu klären gilt. In diesem Zusammenhang auch ein Wort zum E-Voting, das ja oft als neues Heilmittel dargestellt wird:

Erstens einmal wissen wir von vielen Fällen, in denen E-Voting schon nicht funktioniert hat. Wenn man sich international umsieht – man braucht sich das nur im Internet anzu-


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schauen –, gibt es viele schlechte Beispiele. Wir wissen das von der ÖH-Wahl. Und wenn man sich mit den Menschen unterhält, die diese Dinge organisieren und durch­führen, dann sagen einem diese selbst, welch gigantische Manipulationsmöglichkeiten und Fehleranfälligkeiten da bestehen. Es beginnt einmal damit, dass die Hardware geschützt werden muss. Also der Computer selbst muss einmal geprüft werden. Dann muss er geschützt werden, damit der Computer selbst nicht manipuliert werden kann. Wir wissen nicht, was für Programme im Hintergrund laufen. Ich kann es dann niemals nachvollziehen, ob eine Wahl ordnungsgemäß abgelaufen ist – und ich bin überzeugt, keiner der hier Anwesenden kann das in Wirklichkeit dann nachvollziehen. Das können nur absolute Fachleute in Hunderten Mannstunden Prüfung, denn die müssen nämlich dann alle dahinterliegenden Programme auch prüfen. Das ist nicht so, dass man sagt: Ja, passt schon, da gibt man vorne A ein und hinten ist A rausgekommen. Es ist ja nicht nachvollziehbar, welche Stimme Sie eingegeben haben und welche angekommen ist.

Ich bitte also um große Vorsicht! Bitte nicht jetzt hier einfach so, weil es so gut klingt, sagen, E-Voting löst irgendetwas. Wir müssen diese Dinge ganz vorsichtig angehen, denn wenn dann einmal das Misstrauen besteht, dass man sagt, ich weiß ja gar nicht, was da passiert ist, ich kann es nicht nachvollziehen, und jetzt sagt mir irgendein Fach­mann dies oder jenes – und wir wissen, welch unterschiedliche Aussagen von Fach­leuten es in allen Bereichen gibt –, dann ist das Wahlrecht schwer beschädigt. Also: Ich bitte um Vorsicht!

Zentrale Wählerevidenz – ja! Auch da sind wir durchaus – im Gegensatz zu dem, was Kollege Gerstl glaubt – dafür, dass es eingeführt wird. Ganz klar! Aber auch da ist ganz wichtig: Es muss richtig gemacht sein. Eine zentrale Wählerevidenz muss richtig ge­macht sein. Es muss ganz klar sein, dass Daten, die damit verknüpft werden, wieder gelöscht werden, und es muss ganz klar definiert sein, welche Daten da drinnen ste­hen. Es ist an sich im Gesetzentwurf grundsätzlich richtig vorgesehen, aber die techni­sche Umsetzung ist ganz entscheidend, denn wenn es eine Verknüpfung gibt von den Daten, die dazukommen – sprich: welchen Bundespräsidentschaftskandidaten habe ich unterstützt, welches Volksbegehren habe ich unterstützt, war ich bei der Wahl, war ich nicht bei der Wahl? –, wenn das nachvollziehbar ist, dann haben wir eine Gesinnungs­datenbank. Und die darf es nicht geben!

Daher werden wir uns auch da in die Diskussion einbringen, denn entscheidend ist, dass Wahlen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass die Stimme jedes Öster­reichers ordnungsgemäß gezählt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte, Frau Klubobfrau.

 


13.19.02

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Am Ende dieser Dis­kussion wird eine breite Verfassungsmehrheit dieses – mehrere Verfassungsbestim­mungen beinhaltende – Sondergesetz beschließen. Alle, die sich bei diesem Ja nicht be­teiligen, haben offensichtlich eine andere Vorstellung, die hätten nämlich gewollt, dass die Wahl am 2. Oktober durchgeführt und das Risiko eingegangen wird, dass Tausen­de, vielleicht sogar Hunderttausende Wählerinnen und Wähler ihr Stimmrecht nicht aus­üben können. Das ist verantwortungslos und auch eine sehr seltsame Auffassung von Demokratie bei der Wahl des einzigen direkt zu wählenden Organs auf Bundesebene, der Wahl für das höchste Amt im Staat, bei der sich so viele Menschen beteiligen kön­nen.


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Das ist bedauerlich. Ich glaube, es geht um ein ganz zentrales Recht, nämlich das Recht, an politischen Wahlen teilnehmen zu können. Und genau diesem Auftrag folgen wir heute mit diesem verfassungsändernden Sondergesetz. Es ist daher sehr irritie­rend, dass das Team Stronach und die FPÖ das in Bausch und Bogen de facto ableh­nen. (Beifall bei den Grünen.)

Damit nicht genug. (Abg. Strache: Haben Sie zugehört?) – Ich habe sehr gut zugehört. (Abg. Strache: Oder nicht verstanden?!) Ich habe sehr gut zugehört. Es ist ganz ein­deutig: Wenn Sie der Wahlverschiebung nicht zustimmen, dann sind Sie damit einver­standen, dass diese Tausenden Wählerinnen und Wähler, die völlig schuldlos ein Wahl­kuvert bekommen haben, das sich auflöst, einfach ihres Wahlrechtes beraubt werden. Das war auch die erste Reaktion Ihres Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswah­len, Norbert Hofer, der gemeint hat, dann sollen die halt einfach nicht mitstimmen. – Das ist schon ein mehr als bedenkliches Demokratieverständnis. (Abg. Strache: Na, na, das ist ein Blödsinn!) – Das ist alles belegt. (Beifall bei den Grünen.)

Uns ist es nicht egal, dass eine relevante Anzahl von WählerInnen ausgeschlossen wird. Deswegen haben wir in dieser Situation einer technischen Panne – die ist ärger­lich, ist irritierend, und ich glaube, es gibt sehr viele Menschen, die sich darüber ärgern, die darüber irritiert sind – trotzdem das jetzt Notwendige gemacht. Ich bin froh, dass wir es als vier Parteien auch geschafft haben, diesen Gesetzesantrag ordentlich vorzube­reiten und heute abzustimmen.

Damit allerdings nicht genug. Sie als FPÖ haben jetzt im Zuge dieser notwendigen Ver­schiebung eine Diskussion vom Zaun gebrochen, bei der Sie sich bestimmte Gruppen vornehmen und diese sukzessive vom Wahlrecht ausschließen wollen. Sie haben mit den Menschen in den Pflegeheimen begonnen, Sie haben mit den Menschen, die be­sachwaltet werden, begonnen. Sie wollen die Briefwahl generell abschaffen. Das heißt, das betrifft also kranke, pflegebedürftige, behinderte Menschen, Menschen, die viel­leicht berufstätig sind, die vielleicht in einem Tourismusbetrieb arbeiten.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Wenn jemand am Münchner Oktoberfest als Tourismus­saisonarbeiter arbeitet, dann kann er vielleicht wählen, weil er im Ausland ist, aber ist jemand als Saisonarbeiter in Kitzbühel und hat am Sonntag Dienst, kann er nach Ihrer Vorstellung gar nicht mehr wählen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) All das sind Einschränkungen, das trennt uns einfach. (Beifall bei den Grünen.)

Die FPÖ will möglichst … (Zwischenruf des Abg. Deimek.) – Warum regen Sie sich so auf? Sie wollen die Briefwahl auf AuslandsösterreicherInnen und Menschen, die sich im Ausland befinden, einschränken. Damit schließen Sie alle im Inland genau in sol­chen Situationen von der Briefwahl aus. Und das ist mit Sicherheit demokratiepolitisch absolut unfair und höchst bedenklich.

Die erste Wahlwiederholung ist in der Leopoldstadt schon über die Bühne gegangen. Ich kann nur hoffen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger, die sich über diese Panne geärgert haben und irritiert waren, trotzdem auch am 4. Dezember an der Bundesprä­sidentenwahl beteiligen. Das ist ein ganz wichtiges Recht, für das sehr viele Menschen in Österreich historisch auch gekämpft haben. Bei allem Ärger und bei aller Irritation ist es wichtig, Demokratie mit Leben zu erfüllen und auch hinzugehen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen, dann möchte ich das noch einmal zitieren. Der Europaabgeordnete Vilimsky hat in einer sehr abwertenden Art und Weise über besachwaltete Personen gesprochen. Er hat gesagt: „Ein Gutteil weiß im Extremfall nicht, wie sie heißen und wissen nicht, dass demokratische Wahlen stattfinden.“ – Das ist wirklich sehr, sehr abwertend. Sie wissen genauso gut wie wir, dass die Teilnahme am politischen Leben gerade für behinderte Menschen ein Grundrecht ist, nicht einge-


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schränkt werden darf und eine ganz wichtige Möglichkeit ist, sie nicht zu diskriminieren. So etwas in Bausch und Bogen zu behaupten, nämlich die wüssten nicht, wie sie hei­ßen, ist wirklich jenseits. Ich hätte mir erwartet, dass Sie sich heute dafür bei all diesen Menschen auch entschuldigen. (Beifall bei den Grünen.)

Sehr befremdlich finde ich auch das Schreiben des FPÖ-Anwalts Böhmdorfer zu Wahl­karten in Pflegeheimen. Die pflegenden Menschen dort machen einen sehr harten Job – ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Arbeit bedanken. Genau diesen Personen mit Strafdrohungen Angst zu machen und noch dazu darauf hinzu­weisen, man möge doch diesen Zettel mit den angedrohten Strafen im Heim aufhän­gen, was ist das anderes als der Versuch der Einschüchterung des Personals, das dort arbeitet? (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt auch die wiederholten Behauptungen, es wird immer wieder das Wort Manipu­lation in den Mund genommen, das, was hier stattfindet, wird immer wieder in ein schiefes Licht gestellt. Und noch einmal: die korrekte Darstellung des Verfassungsge­richtshofes. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis und schaden Sie nicht der De­mokratie, indem Sie dauernd von Manipulation reden. Es hat keinen einzigen Hinweis auf eine Manipulation gegeben im größten sozusagen Verfahren, das der Verfassungs­gerichtshof bei diesen Themen überhaupt je gemacht hat. Ich würde Sie bitten, das in der Öffentlichkeit endlich einmal korrekt darzustellen und nicht an der Demokratie zu sägen mit Ihren abstrusen Verschwörungstheorien von der Zaubertinte bis zum Zau­berkleber – ich weiß nicht, was Ihnen da noch alles einfällt. Das ist wirklich schädlich.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Alexander Van der Bellen in diesem Wahlgang tat­sächlich mehr Stimmen hatte – das ist ein Faktum –, und versuchen Sie nicht, den Ein­druck zu erwecken, dass hier irgendjemand eine einzige Stimme falsch zugeordnet hat – oder legen Sie Beweise vor! Das haben Sie bis zum heutigen Tag nicht gemacht. (Beifall bei den Grünen.).

13.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.25.12

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Noch einmal, sehr geehrte Damen und Her­ren, ich war jetzt wirklich ganz erstaunt, dass Frau Kollegin Glawischnig mir anschei­nend nicht zugehört hat und offenbar wirklich versucht, ganz polemisch Dinge zu ver­drehen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Das ist ein Faktum!)

Beginnen wir einmal damit, was wir ganz konkret gesagt haben: Wir wollen, dass jeder seine Stimme abgeben kann. Auch die Leute, die an diesem Tag arbeiten, die Dienst haben oder die auf Urlaub sind, sollen alle unbedingt ihre Stimme abgeben können. (Abg. Brosz: Wie machen die das?) Wir haben aber auch klar dazugesagt, dass es dafür Möglichkeiten gibt: Erstens gibt es Wahlkarten, ich kann in ein anderes Wahllokal gehen. (Abg. Brosz: Das stimmt ja nicht! – Abg. Glawischnig-Piesczek: Wenn ich in der Küche stehe, kann ich nicht ins Wahllokal gehen, wenn ich Krankenschwester bin, im OP bin!) Zweitens kann man Vorwahltage machen – auch das ist schon in Diskus­sion. Drittens kann man Dienstfreistellungen machen. Das kann man alles machen, und all das wollen wir, bringen wir in die Diskussion ein, und das haben wir auch hier ge­sagt.

Also jetzt zu behaupten, wir wollten irgendjemandem die Stimme wegnehmen, ist reinste Polemik. Das hat mit dem nichts zu tun, was hier diskutiert wurde. Die fliegenden Wahl­kommissionen gab es schon immer für all jene, die bettlägerig sind oder die wegen einer Behinderung nicht ins Wahllokal kommen können. Diese sollen unbedingt wählen können, und zwar unbeeinflusst und frei, und nicht, dass man für sie vielleicht die Stim-


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me abgibt. (Beifall bei der FPÖ.) Im Gegenteil, wir wollen sie schützen, und die flie­genden Wahlkommissionen gibt es und die soll es weiterhin – wenn notwendig, ver­mehrt – geben.

Das heißt, es gibt für jeden die Möglichkeit, zur Wahl zu gehen. Und das haben wir jedes Mal klar gesagt. „Erstaunlich“ ist das falsche Wort, aber ich war jetzt verwundert, dass Sie dermaßen polemisch versuchen, das völlig zu verdrehen. Sie sagen, wir wol­len den Besachwalteten das Wahlrecht nehmen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Das hat der Herr Vilimsky gesagt!) – Das hat er nie gesagt! Er hat ganz klar gesagt, es gibt Personen, die geschützt werden müssen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Das hat er ge­sagt!) – Nein, das hat er so nicht gesagt! Er hat gesagt, es gibt Personen, die ge­schützt werden müssen. Bei Besachwalteten gibt es große Unterschiede. Da gibt es solche, die nur Geld verschwenden oder sonst in bestimmten Lebensbereichen Unter­stützung brauchen, die können natürlich an einer Wahl teilnehmen. Das ist völlig klar. Aber es gibt eben auch jene, die tatsächlich dazu nicht in der Lage sind, das einzuse­hen, und die muss man schützen.

Ich habe das auch heute – wenn Sie mir zugehört haben, wissen Sie das – gesagt: Es gibt eben ein klares Konzept, indem man diese Entscheidung mittels eines psychiatri­schen Gutachtens trifft. Und das ist keinerlei Diskriminierung. Im Gegenteil. (Abg. Stein­hauser: Wahnsinn!) – Nein, das ist überhaupt kein Wahnsinn. Im Gegenteil, es ist ein Schutz. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein Schutz, wenn ich weiß, dass die Person nicht in der Lage ist. Ich bin selbst auch Sachwalter, ich weiß, dass es da Riesenunterschie­de gibt. Es gibt auch Besachwaltete, die Komapatienten sind, die liegen dort und star­ren an die Decke. Da muss doch ganz klar sein, dass für diese Personen keine Brief­wahlstimme besorgt werden kann. Das muss doch ganz klar sein. Das darf doch gar nicht möglich sein. Sind Sie da anderer Meinung, dass die nicht davor geschützt wer­den müssen, dass man ihr Wahlrecht missbraucht? Genau das scheint mir so. Es ist Ihnen offenbar ein Anliegen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Wer tut denn das?)

Lustigerweise haben die Grünen genau das zu Recht kritisiert. Der Landtagsabgeord­nete Margulies hat bei der Wahl 2010 noch gesagt, dass für seine Großmutter eine Wahlkarte bestellt wurde, obwohl sie das nie wollte, weil sie dazu nicht in der Lage war. Müsste sie nicht geschützt werden? (Abg. Glawischnig-Piesczek: Vor sieben Jah­ren!) – In diesen sieben Jahren hat sich im Gesetz nichts geändert, das ist noch immer dasselbe Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann zu behaupten, der Abgeordnete und Präsidentschaftskandidat Hofer hätte jeman­dem die Stimme wegnehmen wollen! Im Gegenteil, er hat nur gesagt, die Wahl muss ordnungsgemäß durchgeführt werden. Da diese Briefwahlkarten, die unterwegs waren, offenbar schadhaft waren – das war ja in der Frühphase –, schlug er vor, sie in Bausch und Bogen für ungültig zu erklären – denn sonst schickt sie jemand weg, dann geht sie auf und ist nicht mehr gültig – und diesmal die Wahl ohne Briefwahl durchzuführen. Na­türlich können dann alle im Wahllokal weiterhin noch wählen. – Das war einfach ein Vorschlag zur Lösung, aber er wollte niemandem die Stimme wegnehmen. Das ist ja ei­ne völlige Verdrehung dessen, was gesagt wurde.

Ich bin wirklich erstaunt, dass Sie versuchen, das so polemisch wegzuwischen. Wir haben ganz klare Vorgaben, die treffen sich in Wirklichkeit oft sogar mit dem, was ich auch mit den Grünen lange diskutiert habe. Ich bin mit der ehemaligen Verfassungs­sprecherin zusammengesessen, und wir haben gemeinsam darüber diskutiert, dass die Briefwahl ein Problem ist und wie man sie verbessern muss. Und dass Sie jetzt plötz­lich so tun, als wäre alles anders, ist offensichtlich nur dem Wahlkampf zuzuordnen, anders kann ich mir nicht vorstellen, dass man hier die Wahrheit so verdreht. (Beifall bei der FPÖ.)

13.29



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 89

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Mag. Dr. Strolz. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.30.06

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir diskutieren hier ein Ge­setz, das zu verabschieden ist, um die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl in den Dezember verschieben zu können. Von uns NEOS gibt es hier eine Zustimmung.

Wir halten das, was passiert ist, natürlich für eine echte Zumutung für die Bürger. Ich glaube, wir alle sind genervt, und als Gesetzgeber sind wir gefordert, das jetzt pragma­tisch zu lösen. Dass zu verschieben ist, liebe FPÖ, steht für mich völlig außer Frage, und ich hätte mir gewünscht, dass von euch auch ein klareres Bekenntnis dazu kommt. Warum zu verschieben ist, belegt ganz klar der Blick in die Leopoldstadt: In der Leo­poldstadt wurden für rund 70 000 Wählerinnen und Wähler 7 400 Wahlkarten ausge­stellt. Davon waren 3 100, also fast die Hälfte der Wahlkarten, kaputt. Davon haben sich wiederum 800 Personen, die wie alle anderen von der Stadt Wien darüber infor­miert wurden – einer Verschiebung hat ja die SPÖ nicht zugestimmt, das halten wir für einen Fehler –, dass die Wahlkarten kaputt sind und sie eine neue bekommen, nicht rückgemeldet.

Jetzt nehmen wir diese Zahlen und übertragen sie auf einen bundesweiten Wahlgang, die Bundespräsidentenwahl: Dann hätten wir ungefähr 600 000 Wahlkarten, wahrschein­lich sind es bei einer bundesweiten Wahl sogar mehr. Hätten wir dieselbe Fehlerquo­te – und davon ist auszugehen, wenn es dieselbe Druckerei ist –, dann sprächen wir von abenteuerlichen 300 000 oder mehr kaputten Wahlkarten.

Wenn jetzt noch irgendjemand in diesem Haus sagt, wir müssen nicht verschieben und das hätten wir anders lösen können, dann ist das meines Erachtens nicht verantwor­tungsvoll. Man kann nicht sagen, das ist eine Kleinigkeit, drücken wir ein Auge zu, 300 000 Menschen haben kaputte Wahlkarten, ist nicht so schlimm, machen wir wei­ter. – Nein, das ist schlimm! Es geht um das Grundrecht in einer Demokratie, um die Wahl. Deshalb ist die Verschiebung die einzig mögliche Antwort, die es hier gab, um das Ganze im Sinne der Bürgerinnen und Bürger wasserdicht zu halten.

Ich halte es auch für sinnvoll, dass wir einige sonstige Korrekturen anbringen, etwa dass man den Wahlzettel in Zukunft selbst einwerfen darf. Da mussten wir einfach Kor­rekturen vornehmen, da das in der Praxis ohnehin so gemacht wurde.

Insgesamt ist mir wichtig – Herr Minister, hier nehme ich Sie beim Wort, aber auch alle anderen Fraktionen hier im Haus –, alle sechs Klubobleute und auch Sie, Herr Minister, haben sich darauf verständigt, dass wir im Jänner eine politische Sechs-Parteien-Re­formgruppe starten. Dieses Bekenntnis ist unbedingt einzuhalten. Herr Minister, Sie ha­ben auch zugesagt, dass Sie in die Vorleistung gehen und ab Ende September mit den sechs Fraktionen eine Vorbereitungsgruppe starten.

Wir NEOS werden sehr genau darauf achten, dass diese Versprechen eingehalten wer­den, da wir diese Missstände kein weiteres Mal zulassen dürfen. Für den Fall, dass ein vorgezogener Wahlgang kommt, Nationalratswahlen et cetera, müssen auf Bundesebe­ne diese Dinge bis nächstes Jahr im Frühjahr wasserdicht sein, für Wahlgänge aller Art.

Wenn wir das nicht schaffen, dann kommen wir unserer Verantwortung nicht ausrei­chend nach. Deshalb werden wir wie die Haftelmacher aufpassen, dass das im Sinne der Bürgerinnen und Bürger gemacht wird. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 90

13.33.56

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst noch einmal zum Vorwurf des Kolle­gen Gerstl – dem auch Kollege Schieder recht gegeben hat – von wegen Verschwö­rungstheorien. (Abg. Schieder: Interessant, dass Sie sich angesprochen fühlen!)

Abgesehen davon, dass Sie das doch in einer sehr eigenartigen Weise vorgetragen haben, kann man es schon als sehr absurd bezeichnen, aus dem einfachen Grund: Sie mögen es vielleicht als Verschwörungstheorien bezeichnen, wir nennen es ein Hinter­fragen. Glauben Sie, die Bevölkerung ist sehr dankbar dafür, dass es hier in diesem Haus noch eine Partei gibt, die tatsächlich hinterfragt, was die Regierung so von sich gibt. Dafür ist sie sehr dankbar, denn der Mainstream-Journalismus macht das schon lange nicht mehr, und die zwei Oppositionsparteien, nämlich sowohl die Grünen als auch die NEOS, betreiben lieber Opposition gegen die Opposition als gegenüber der Regierung – vielleicht auch mit dem Hintergrund, dass sie in naher Zukunft vielleicht ein­mal in die Regierung wollen, könnte auch sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Rede von Frau Glawischnig hat mein Kollege Harald Stefan schon sehr viel ge­sagt. Kurz gesagt: So viele Unwahrheiten habe ich in einer Rede noch nie gehört! (Bei­fall bei der FPÖ. – Abg. Glawischnig-Piesczek: Das war ein genaues Zitat!)

Es wurde schon auf einiges eingegangen. Zu sagen ist dazu noch etwas, das noch nicht gesagt wurde: Das Argument, dass alle, die jetzt diesem Gesetz nicht zustimmen, wollen, dass die Stimmen nicht wirklich gezählt werden, kann man auch umdrehen und sagen, jeder, der sich einer Briefwahlreform entgegenstellt, möchte, dass diese Stim­me nicht richtig gezählt wird. Denn es waren gerade die Grünen – und das hat mein Kollege auch schon gesagt –, die früher, bevor sie jetzt betroffen waren, gesagt haben, dass diese Briefwahl jegliche Manipulation ermöglicht.

Kommen wir zurück zu dem Gesetz, das heute beschlossen wird. Die Regierung hat mit diesem Gesetz nun offiziell bewiesen, dass sie eben nicht in der Lage ist, eine kor­rekte Wahl fristgerecht sicherzustellen, und will jetzt ein Gesetz beschließen, das his­torisch in einem sehr negativen Sinn seinesgleichen sucht. Aber Historisches, das sei­nesgleichen sucht, haben wir in den letzten Wochen und Monaten sehr vieles erlebt.

Zuerst wird aufgrund von unzähligen Rechtswidrigkeiten im Zusammenhang mit der Briefwahl, aber auch mit der Unfähigkeit von Behörden die Wahl vollkommen zu Recht vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Und ich finde es wirklich verwerflich, dass es Politiker und politische Parteien gibt, die den Verfassungsgerichtshof für diese Ent­scheidung kritisieren. Das mag vielleicht Kollege Schieder heute zurückgenommen ha­ben, aber es gibt genügend hier im Haus, die das sehr wohl getan haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schieder: Das macht sonst die FPÖ!)

Ehrlich gesagt, ist das meiner Meinung nach sogar ein brandgefährliches Spiel. Wo­chenlang haben die Medien und auch die politischen Parteien das als Fehlurteil be­zeichnet und Gesetzesbrüche als Schlampereien abgetan, womit eben gerade das Ver­trauen in unseren Rechtsstaat massiv beschädigt wird. Der Rechtsstaat ist aber einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ganze, obwohl der Verfassungsgerichtshof so und nicht anders seit über 90 Jah­ren judiziert, und das zu Recht: denn erstens hat der Verfassungsgerichtshof gar nicht den gesetzlichen Auftrag und auch nicht die Möglichkeiten, in tausend verschiedenen Fällen Manipulation auch tatsächlich nachzuweisen. Das würde Monate oder sogar Jahre dauern, und genau deswegen gibt es ja die Staatsanwaltschaft, die Strafgerich­te, und dort wird auch noch geprüft und dort wird es auch mit Sicherheit in Zukunft zu Anzeigen kommen. Zweitens sind die Wahlrechtsgrundsätze – allgemein, gleich, frei, unmittelbar, persönlich und geheim – zentrale Erfordernisse der Demokratie und damit auch wichtiger Bestandteil eines verfassungsrechtlichen Grundprinzips.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 91

Aufgrund dieser Wichtigkeit hat der Verfassungsgerichtshof in allen Erkenntnissen seit jeher entschieden, dass die Möglichkeit einer Manipulation ausreichen muss. Wer heu­te das Gegenteil behauptet, ist entweder ahnungslos oder spielt mit Absicht mit dem Feuer. (Beifall bei der FPÖ.)

Apropos ahnungslos: Da wären wir schon beim nächsten Teil der unendlichen Wahlge­schichte, beim sogenannten Kleber- oder Uhugate. Das hat nicht nur in Österreich für Kopfschütteln gesorgt, sondern uns auch international ziemlich blamiert. Übrigens ein Problem, wie unser Klubobmann H. C. Strache schon ausgeführt hat, das es bereits bei den Nationalratswahlen 2013 gegeben hat und auch bei der ÖH-Wahl 2015. Und natürlich stellt man sich da die Frage, warum das Innenministerium nicht schon damals darauf reagiert hat. Warum wurden beim kleinsten Verdacht, dass etwas nicht in Ord­nung ist, nicht umfassende Tests und Ermittlungen durchgeführt? Und wie hat Ihre Be­hörde stattdessen darauf reagiert? – Sie forderte zu weiteren Gesetzesbrüchen auf und empfahl betroffenen Personen, lieber einen Uhu in die Hand zu nehmen und die Ku­verts verbotenerweise zusammenzukleben. Das war ein weiterer Höhepunkt an Peinlich­keiten, der da passiert ist.

Heute wird nun endgültig die Wahl verschoben. Die wirklichen Gründe seien einmal dahingestellt, ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch noch einmal anmerken, dass der ursprüngliche Wahltermin für Ende September vorgesehen war und das Bun­desministerium dann den Termin auf Anfang Oktober verlegt hat, eben mit der Bitte um einen Sicherheitspolster, falls solch unvorhergesehene Probleme auftauchen sollten. Und trotzdem wird die Wahl heute verschoben. Ich sage nur, werte Kollegen, das ist Dilet­tantismus in Reinkultur.

Was gibt es für Konsequenzen? – Es gibt keine personellen Konsequenzen und es gibt auch keine inhaltlichen Konsequenzen. Die Briefwahl zum Beispiel ist ein fehlerhaftes, manipulations- und missbrauchsanfälliges System. Das war sie von Anfang an, und ge­nau deswegen gehört sie reformiert. Wir wollen – und das, was Frau Kollegin Gla­wischnig gesagt hat, entspricht absolut der Unwahrheit, muss man sagen – die Brief­wahl in keiner Weise abschaffen. Wir wollen den bestmöglichen Schutz des geheimen, freien und persönlichen Wahlrechts sicherstellen, wir wollen nicht die Abschaffung, wie Sie behauptet haben oder wie medial berichtet wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Briefwahl soll unserer Meinung nach die Ausnahme für jene Menschen bleiben (Abg. Walser: Salzburg!), die im Ausland leben oder sich am Wahltag im Ausland be­finden. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Für Pflegebedürftige und Kranke soll es natür­lich mobile Wahlkommissionen geben. Am Wahltag soll zudem die Möglichkeit beste­hen, dass man mit Wahlkarte in jedem einzelnen Sprengel in Österreich, also überall, wählen kann. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen.) Und es soll auch Vorwahl­tage geben. Mein Kollege hat das alles schon ausgeführt – Sie sagen hier reihenweise einfach nicht die Wahrheit.

Doch anstatt echte Reformen anzugehen, wird mit dem heutigen Gesetz ein neues Ka­pitel der historischen Gesetzgebung aufgeschlagen. Mit diesem Gesetz wird nämlich eine Wahl sui generis geschaffen – eine rechtlich meiner Meinung nach höchst bedenk­liche Vorgangsweise.

Zur Sicherheit wird das Ganze natürlich auch noch in den Verfassungsrang gehoben, damit für den Verfassungsgerichtshof eben nicht die Möglichkeit besteht, das im Nach­hinein im Wege des Gesetzprüfungsverfahrens auch noch aufzuheben oder zu ändern. Und wie immer spielen die Grünen und die NEOS die Steigbügelhalter für die Regie­rung – so wie bei der ORF-Generaldirektorenwahl, wie wir auch vor Kurzem wieder ge­sehen haben.

Zusammenfassend wäre aus unserer Sicht eine Wahl im Oktober auf jeden Fall mach­bar gewesen. Und das heutige Gesetz lässt gerade jene Reform um die Briefwahl ver-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 92

missen, die dringend notwendig gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ.) Genau deswe­gen werden wir dem auch nicht zustimmen. Wir werden allerdings der Erweiterung der Wählerevidenz unsere Zustimmung erteilen, sodass auch 16-Jährige wählen können.

Ich sage Ihnen noch einmal: Es ist höchst an der Zeit, dass diese Regierung sowohl inhaltliche als auch personelle Konsequenzen zieht. Am besten wäre, Sie fängt gleich bei sich selbst an und tritt zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

13.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Prinz zu Wort. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 


13.41.46

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! An die Adresse der Kollegin Steger und an die FPÖ: Wenn man sich die Rede so zu Gemüte geführt hat, dann hat man den Eindruck, Sie und die FPÖ haben ein Problem mit der Briefwahl. Ich weiß aber nicht, ob das vielleicht auch einen Zusammenhang damit hat, dass der Stimmenanteil der FPÖ bei den Briefwählerinnen und Briefwählern offensichtlich ein bisschen geringer ist als bei den anderen Wählern – aber das muss nicht so sein. (Abg. Stefan: Wir haben schon gegen die Einführung ge­stimmt!)

Ich darf gleich zu Beginn folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichts 1257 d.B., wird wie folgt geändert:

Nach Ziffer 4 wird eine neue Ziffer 4a eingefügt:

„4a. § 10a Abs. 4 lautet:

„(4) Der Wahlleiter hat den Wähler anzuweisen, sich in die Wahlzelle zu begeben. Dort hat der Wähler den amtlichen Stimmzettel auszufüllen und in das Wahlkuvert zu legen. Anschließend hat der Wähler aus der Wahlzelle zu treten und das Wahlkuvert unge­öffnet in die Wahlurne zu legen. Will er das nicht, hat er das Wahlkuvert dem Wahlleiter zu übergeben, worauf dieser das Wahlkuvert in die Wahlurne legt.““

*****

Letztlich ist das, glaube ich, eine Änderung im Sinne der gelebten Praxis, damit die Wäh­lerinnen und Wähler so handeln können, wie Sie auch wollen. (Abg. Peter Wurm: Re­volutionär! – Abg. Stefan: Hut ab!)

Die Verschiebung der Stichwahl auf den 4. Dezember 2016 ist ja letztlich aufgrund ei­nes technischen Fehlers notwendig – nicht mehr und nicht weniger. Es ist interessant, was da heute schon alles erzählt wurde. Ausgehend von dem, was bei den Wahlku­verts aufgrund dieses technischen Fehlers halt leider das Problem ist, muss man ganz nüchtern sagen: Ohne Verschiebung wäre das der erste Grund für eine Wahlanfech-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 93

tung gewesen. Wahrscheinlich hätte man das dann zu Recht angefochten und die Wahl aufgehoben.

Wobei ich schon dazusagen darf – ich weiß nicht, wie es den Kolleginnen und Kollegen geht –, dass ich in den letzten Wochen sehr oft darauf angesprochen worden bin, ob es nicht vielleicht möglich gewesen wäre, in diesen Bezirken die Briefwahlkuverts noch einmal auszuzählen, und, wenn es tatsächlich Veränderungen und Manipulationen gibt, die Wahl zu wiederholen.

Aber letztlich hat sich der Verfassungsgerichtshof auf Formalfehler zurückgezogen. Das ist zur Kenntnis zu nehmen, aber es ist schon festzuhalten: Nicht die Briefwahl als solche war das Problem am 22. Mai, sondern es waren Formalfehler, und es ist, was den 2. Oktober betrifft, ein technisches Problem. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Ich glaube, es ist richtig, dass vom Bundesministerium für Inneres sehr viel – auch an schriftlicher Information – über die Abwicklung der Wahlen in die Wege geleitet wurde, dass es zum Beispiel auch Schulungen für die Bezirkswahlbehörden gibt. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Und ich glaube, es wäre schon sinnvoll, nicht immer gleich Ver­schwörungstheorien aufzustellen.

Das vorgelegte Gesetz ist sicherlich sinnvoll und notwendig. Ich persönlich bin sehr froh, dass in der Bezirksstadt Freistadt die Bürgermeisterwahl am 4. Dezember ermög­licht wird. Diese ist leider notwendig, da Bürgermeister Christian Jachs im Sommer plötz­lich verstorben ist.

Ich möchte an dieser Stelle schon auch festhalten, dass Wahlen Geld kosten. Natürlich muss uns Demokratie etwas wert sein. Allerdings sind nicht die Gemeinden dafür ver­antwortlich, daher meine Bitte, dass den Gemeinden diese Wahlkostenersätze entspre­chend vergütet werden. Man schätzt, dass allein in Oberösterreich diese Verschiebung circa 5 Millionen € kosten wird.

Meine Damen und Herren, seien wir ehrlich – ich bin in den letzten Wochen sehr oft da­rauf angesprochen worden –: Brauchen wir tatsächlich die Funktion des Bundespräsi­denten oder der Bundespräsidentin? (Ah-Rufe bei der FPÖ.) – Der Standort in der Poli­tik bestimmt oft den Standpunkt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Persönlich bin ich der Meinung, dass wir die Funktion des Bundespräsidenten sehr wohl brauchen. Der Bundespräsident leistet im Hintergrund viel mehr, als in der Öffent­lichkeit wahrgenommen wird. Es geht nicht nur um Repräsentation, Staatsbesuche und so weiter. Es ist sinnvoll, wenn gemeinsam mit der Wahlrechtsreform in den nächsten Monaten auch diskutiert wird (Zwischenruf des Abg. Neubauer), ob alle Möglichkeiten, Aufgaben et cetera des Bundespräsidenten, die im Jahre 1920 und 1929 definiert wor­den sind, noch zeitgemäß sind. Darüber darf man durchaus nachdenken und gemein­sam diskutieren.

Im Zusammenhang mit den bisherigen Reden zu diesem Tagesordnungspunkt sei mir noch eine Bemerkung erlaubt: Ich glaube, wir – beginnend mit Kollegen Hagen – soll­ten ein bisschen darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll und gescheit ist, dass wir Reden von Kolleginnen und Kollegen hier öffentlich am Rednerpult werten. Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte vielleicht nicht mit Steinen werfen. Die Worte, die wir wählen (Abg. Neubauer: Das gilt aber auch für dich!), tragen schließlich auch zum Image von uns selbst und damit der Politik bei. Ich glaube, wir sollten in dieser Hinsicht wirklich vorsichtig sein. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist aus­reichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 94

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfassungs­ausschusses über den Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1257 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Antrag 1814/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichts 1257 d.B., wird wie folgt geändert:

Nach Ziffer 4 wird eine neue Ziffer 4a eingefügt:

„4a. § 10a Abs. 4 lautet:

„(4) Der Wahlleiter hat den Wähler anzuweisen, sich in die Wahlzelle zu begeben. Dort hat der Wähler den amtlichen Stimmzettel auszufüllen und ihn in das Wahlkuvert zu legen. Anschließend hat der Wähler aus der Wahlzelle zu treten und das Wahlkuvert ungeöffnet in die Wahlurne zu legen. Will er das nicht, hat er das Wahlkuvert dem Wahlleiter zu übergeben, worauf dieser das Wahlkuvert in die Wahlurne legt.““

Begründung:

Mit dieser Änderung soll zukünftig primär der Wähler selbst das Wahlkuvert in die Wahl­urne einwerfen können. Will er das nicht, so hat er das Wahlkuvert – so wie bisher – dem Wahlleiter zu übergeben, der es daraufhin einwirft.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar zu Wort. – Bitte.

 


13.46.52

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Glawischnig hat ja gemeint, dass es ganz furchtbar ist, dass wir da heute nicht zu­stimmen. Aber das haben Sie sich in Wirklichkeit selbst zuzuschreiben. Wir haben grund­sätzlich nichts dagegen gehabt, dass die Wahl verschoben wird, weil es anscheinend nicht möglich ist, diese Kuverts auszutauschen. Das kann man glauben oder nicht, aber wenn es so ist, dann muss man sie natürlich verschieben, das ist ja keine Frage.

Das Problem war, dass Sie mit einem Verfassungsgesetz das Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes aushebeln. Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, dass die Wahl zu den gleichen Bedingungen stattfinden muss. Das heißt, die Wählerevidenz muss gleich bleiben. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Was Sie machen, ist nicht eine Wahlwiederholung, sondern eine Neuwahl. Da ist die Frage, warum die anderen Kandidaten nicht auch zur Wahl stehen. Und da kommen wir in eine Situation, wo Sie mit einer Verfassungsmehrheit den Verfassungsgerichts­hof aushebeln. Das ist eine Tür, die aus meiner Sicht nicht geöffnet werden sollte. (Abg. Brosz: Das ist gegen die FPÖ-Parteilinie! Das ist gefährlich, denn da wird es nichts mit dem Mandat!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 95

Ich komme aber noch einmal auf den Verfassungsgerichtshof zu sprechen. Ich halte mich auch hinsichtlich der Wahlkarten an das, was der Verfassungsgerichtshof gesagt hat. Der Verfassungsgerichtshof hat eindeutig gesagt: Die Briefwahl ist zulässig, weil sie zusätzliche Möglichkeiten schafft, zu wählen – möglicherweise für Auslandsöster­reicher oder für andere, das ist gut –, aber – und jetzt kommt es – es muss die Ausnah­me sein.

Was aber nun passiert, ist genau das Gegenteil: Man versucht, das immer mehr aus­zuweiten und immer mehr Menschen in diese aus demokratiepolitischen Überlegungen sehr kritische Form des Wählens zu drängen. Das ist wirklich ein Problem, noch dazu, wenn man weiß, dass diese Kuverts auch schon bei der letzten Wahl im Einsatz waren. Ich habe es vorgezeigt, Sie wissen, dass man diese Kuverts seitlich öffnen und wieder verschließen kann.

Und nun haben wir diese Situation. Da bin ich genau bei dem, was Sie gesagt haben. Sie haben behauptet, dass der Verfassungsgerichtshof keine Hinweise für Manipula­tionen gefunden hat. (Abg. Brosz: Hat er wörtlich gesagt!) Nur: Er hat gar nicht danach gesucht (Abg. Brosz: Selbstverständlich!), und zwar deswegen nicht, weil er gesagt hat, dass er es nicht herausfinden konnte.

Wenn jemand, der nicht dafür zuständig ist (Zwischenrufe des Abg. Brosz), sich mit den Kuverts in der Hand in ein Extrazimmer zurückzieht und nach einigen Stunden mit einem Ergebnis auf einem Zettel wieder herauskommt, wie wollen Sie denn dem Mani­pulation nachweisen?

Wenn der – wir wissen ja von den ÖVP-Sympathisanten, dass viele weiß gewählt ha­ben (Zwischenruf des Abg. Steinhauser) – ganz allein, ohne die gesetzlich vorge­schriebene Kontrolle in diesem Kammerl sitzt, vor sich diese Stimme hat, die weiß ist – viele ÖVPler haben ja gesagt, dass sie weiß gewählt haben –, und mit einem Stift einfach irgendwo ein Kreuz macht, wie wollen Sie das nachweisen? Wie soll der Ver­fassungsgerichtshof da dahinterkommen? Oder: Wie soll er bei diesen Auf-Zu-Kuverts dahinterkommen, wenn die die ganze Nacht in einem nicht versperrten Kammerl lie­gen – auf, raus, rein, zu – und am nächsten Tag ausgezählt wird? (Zwischenruf bei den Grünen.)

All diese Dinge sind ein Problem. Und wenn der Verfassungsgerichtshof sagt, es geht nicht darum, ob tatsächlich manipuliert wurde – das konnte man ja nicht nachweisen –, sondern darum, dass es möglich war, dann sind wir bei dem Punkt, wo man sagen muss: Wenn es möglich war, dass hätte manipuliert werden können, dann muss diese Wahl wiederholt werden. – Punkt.

Das ist auch gut so, denn letztlich muss sich der Bürger darauf verlassen können, dass das, was er gewählt hat, sich auch tatsächlich im Ergebnis widerspiegelt. Das war aber jetzt nicht der Fall – nicht bei 1 000 Stimmen, nicht bei 10 000 Stimmen, sondern bei Hunderttausenden Stimmen war das nicht der Fall, hat der Verfassungsgerichtshof ge­sagt. Sie wissen, der Abstand war ja nur bei 35 000 Stimmen, womit auf jeden Fall … (Abg. Brosz: Bei 100 000 hat er gesagt?)

Bei Hunderttausenden (Abg. Brosz: Hat er gesagt?) war es theoretisch möglich, dass manipuliert … (Abg. Brosz: Hat er gesagt?) – Natürlich, lesen Sie es durch! Genau das ist das Problem, und deshalb haben wir diese Wahlwiederholung. Was wir aber nicht haben: Wir haben die Wahl nicht zu den Bedingungen, die der Verfassungsge­richtshof ganz klar festgelegt hat. Wenn Sie die Urteile des Verfassungsgerichtshofes mit Ihrer Mehrheit aushebeln, dann ist das eine Tür, die ich besser nicht offen haben will. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Rädler: Spärlicher Applaus!)

13.51



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 96

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Brosz zu Wort gemeldet. Ich weise auf die Bestimmungen in der Geschäfts­ordnung hin, die da sehr eindeutig sind. – Bitte.

 


13.51.21

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Kollege Lugar hat soeben behauptet, und zwar mehrfach, der Verfassungsgerichtshof hätte festgestellt, dass es bei Hundert­tausenden – ich zitiere wörtlich – Stimmen zu einem Gesetzesbruch gekommen ist.

Ich zitiere das Urteil des Verfassungsgerichtshofes (ein Schriftstück in die Höhe hal­tend): Betroffen waren insgesamt 77 926 Stimmen. Danke, Herr Kollege Lugar! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Krainer: Vorbildliche tatsächli­che Berichtigung!)

13.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser zu Wort. – Bitte.

 


13.51.47

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir mit Bürgerinnen und Bürgern diskutieren – das tun wir tagtäglich –, dann merken wir, es ist unbestritten, dass der Ablauf der Bundespräsidentschaftswahlen zu einem Schaden hinsichtlich des Vertrauens in die Demokratie geführt hat.

Reden wir darüber, was den Schaden an der Demokratie ausmacht! – Der erste große Schaden ist durch die unglaublich skandalösen Schlampereien in den Wahlbehörden bei der ersten Stichwahl eingetreten, denn das hat zu dem Ergebnis geführt, dass der Kandidat, der die meisten Stimmen bekommen hat, nämlich Alexander Van der Bellen, um sein Amt gebracht wurde, weil Wahlbehörden geschlampt haben. – Das ist ein Skandal, das ist eine Schlamperei, die in einer Demokratie untragbar ist! (Beifall bei den Grünen.)

Der zweite Schaden an der Demokratie entsteht, wenn eine Partei, die die Wahl ver­loren hat (Zwischenruf des Abg. Rädler), den Mythos der Manipulation pflegt (Zwi­schenruf bei der FPÖ), weil sie einerseits – möglicherweise – ein schlechter Verlierer ist, aber andererseits dadurch ein nächstes Kapitel für eine Wahlwiederholung aufma­chen und sich daraus sozusagen einen Vorteil ableiten will. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Präsidentschaftskandidat Hofer hat schon am Wahlabend von sonderbaren Wahlkar­tenergebnissen geredet, womit er schon den Eindruck erweckt hat, es könnte Manipu­lationen geben. Und dann kamen die Verschwörungstheorien im Internet – ich will sie gar nicht wiederholen –, von geheimen Tinten, die unsichtbar werden würden, bis zu den jetzigen Aussagen. (Ruf bei der FPÖ: Der VfGH hat das alles bestätigt!)

Abgeordnete Steger – sie merkt es gar nicht – stellt sich ans Rednerpult und sagt, sie möchte gar nicht darüber reden, was die wirklichen Gründe für die Verschiebung dieser Wahl sind. Demzufolge gibt es also wirkliche Gründe. Das unterstellt offensichtlich dem Innenminister, dass er aus irgendwelchen Gründen, die nichts mit der Tatsache der kaputten Kuverts zu tun haben, die Wahl verschiebt, weil er für irgendjemanden ei­nen Vorteil herausschlagen will. Das sind absurde Verschwörungstheorien, die nur zu einem führen: dass die Menschen das Vertrauen in die Demokratie verlieren. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Natürlich ist auch die Kleber-Affäre ein Schaden für die Demokratie. Aber ein mindes­tens genauso großer Schaden wäre es gewesen, wenn wir die Wahl im Oktober durch­geführt hätten und sehenden Auges in eine Blamage gelaufen wären, weil die Durch­führung dieser Wahl natürlich ein Angriffspunkt für eine weitere Wahlanfechtung gewe­sen wäre.


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Das hätte überhaupt kein Bürger und keine Bürgerin mehr verstanden, genauso we­nig – das ist das, was ich bei der FPÖ nicht verstehe – wie die Behauptung, man kön­ne diese Wahl noch ordnungsgemäß durchführen, wenn die Kuverts sich an allen Stel­len von selbst öffnen. Lassen wir noch außer Acht, ob es die gesetzliche Grundlage dafür gibt, aber der Austausch ist schon zeitlich für die Auslandsösterreicher gar nicht möglich gewesen. Wie erklären wir Menschen, die mitwählen wollen, dass sie nicht mit­wählen können, weil die Fristen den Austausch der Wahlkuverts nicht zulassen? Das ist einfach nicht erklärbar und der Demokratie abträglich. (Abg. Mölzer: … in einer Wo­che Kuverts verschicken!)

Das ist der Punkt, wo bei der FPÖ eine Doppelbödigkeit beginnt – ich nehme Doppel­bödigkeit zurück und sage, wo die FPÖ widersprüchlich wird –: Auf der einen Seite – das ist ihr legitimes Recht – ficht sie eine Wahl wegen Formmängeln an, auf der an­deren Seite stellt sie sich heute her und sagt: Ganz offensichtliche Formmängel sind kein Grund, eine Wahl zu verschieben! – Das ist eine Doppelbewertung, die so nicht haltbar und nicht nachvollziehbar ist. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Meine These, die ich dahinter sehe, ist: Sie stimmen halt schlicht nicht zu, damit Sie weiterhin Ihre Mythen und Verschwörungstheorien verbreiten können, indem Sie von wirklichen Gründen einer Wahlverschiebung sprechen – so wie es Kollegin Steger ge­macht hat.

Der zweite Punkt betrifft Ihre Vorschläge hinsichtlich behinderter und älterer Menschen. Ich zitiere Sie korrekt – wie auch Kollegin Glawischnig Sie korrekt zitiert hat –, weil es mir um eine seriöse Debatte geht (Zwischenruf der Abg. Steger – Abg. Peter Wurm: Hat sie nicht!): Sie wollen eine gerichtliche Überprüfung des Wahlrechts mit einem Gut­achter. – Das war die Forderung, die mehrfach geäußert wurde.

Das ist aus vielen Gründen hoch problematisch. Beginnen wir einmal mit dem ersten Punkt! Es gibt Menschen, die nur temporär beeinträchtigt sind. Man stelle sich vor, de­nen wird das Wahlrecht genommen, dann ändert sich ihr Zustand und niemand fühlt sich dafür zuständig, diesen Zustand zu überprüfen. (Abg. Stefan: Und das gilt dann für alle anderen Dinge auch!) Wir reden von 50 000 besachwalteten Personen, das sind keine kleinen Gruppen. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Ein anderes Beispiel: Sie sagen, das kann ein Gutachter einfach klären. Das heißt: In letzter Konsequenz entscheidet ein Gutachter über das Bürgerrecht Wahlrecht. (Abg. Stefan: … Geschäftsfähigkeit an sich!) Wenn ich mir die Debatten über die Qualität von Gerichtsgutachten anschaue, dann wird mir angst und bang, dass Gerichtsgutachten über so sensible Bereiche wie das Wahlrecht entscheiden. (Abg. Stefan: Der kann kei­nen einzigen Vertrag abschließen!)

Wo immer wir auch hinschauen – das beginnt bei Berufsunfähigkeitspensionen oder beim Pflegegeld und geht weiter zu Haftentlassungen, Sachwalterschaften oder Scha­denersatzverfahren –, es sind immer Gerichtsgutachter und ihre umstrittenen Gutach­ten im Vordergrund. (Abg. Stefan: Das ist ein Problem der Sachwalterschaft an sich!)

Und Sie wollen diese mangelnde Qualität, die mittlerweile nur mehr von ganz wenigen in der Justiz geleugnet wird, ignorieren, und sagen, dass nun auch noch dieser heikle Bereich des Wahlrechts von Gutachtern, die allerorts für Diskussionen sorgen, begut­achtet werden soll?! (Abg. Stefan: Wollen Sie die Sachwalterschaft abschaffen?) Das ist ein Weg, den wir nicht gehen können. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Sche­rak.) Es gibt klare Regeln, wer wählen kann und darf. Es gibt klare Regeln, wie damit umzugehen ist, wenn gegen dieses Recht verstoßen wird.

Richtig ist, dass wir nicht wollen, dass falsche Personen für Alte und Kranke abstim­men. Aber es gibt klare Regeln. (Abg. Stefan: Aber die Geschäftsfähigkeit kann man wegnehmen?) Es ist strafrechtlich auch verboten. Und es hat – weil Sie auch immer


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meinen Kollegen Martin Margulies zitieren (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm) – 2010 eine Kritik von ihm gegeben, aber auf die ist 2011 reagiert worden. Es sind zahlreiche Dinge aufgrund dieser Kritik und der Erfahrungen im Nationalrat – wahrscheinlich auch mit Zustimmung der FPÖ, jedenfalls mit Zustimmung der Grünen – geändert worden. Es ist schlichtweg falsch, dass wir auf die richtige Kritik von Margulies nicht reagiert hät­ten oder sie heute nicht wahrhaben wollen, nein, es ist damals reagiert worden.

Meine Damen und Herren, ich kann mir nur wünschen, dass der weitere Wahlkampf keinen weiteren Schaden für die Demokratie bringt, dass die Wahl ordnungsgemäß im Dezember stattfindet und wir am Ende einen Bundespräsidenten haben, der dieses Amt auch verdient. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kum­pitsch. – Bitte.

 


13.58.06

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Sehr geehrte Zuhörer auf der Galerie und vor den Fernsehern! Hohes Haus! Of­fenbar liegen bei den Grünen wirklich die Nerven blank, denn sonst … (Abg. Gla­wischnig-Piesczek: Wieso? Wir haben gerade die Leopoldstadt gewonnen! Ich bin bes­ter Laune!) – Ich komme noch zur Leopoldstadt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gla­wischnig-Piesczek.) – Ich versuche, das auch irgendwie zu verstehen. Wir sind doch in Wirklichkeit in einem Bundespräsidentenwahlkampf-Marathon, bei dem es scheint, als warte man nur ab, dass einer der Kandidaten w.o. gibt – und ein Ende ist immer noch nicht in Sicht.

Um dem Ganzen noch ein wenig Würze zu verleihen, stimmen wir heute über eine Ge­setzesänderung ab, die von unserer Überzeugung her gar nicht notwendig gewesen wäre, wenn man nur gewollt hätte, und die, wie Kollege Hagen es schon angesprochen hat, rechtspolitisch äußerst problematisch ist.

Und nun komme ich zur Leopoldstadt: Meine Damen und Herren, es ist äußerst be­denklich, wenn bei einer Wahlwiederholung nur 36,5 Prozent der Wähler wählen! (Abg. Glawischnig-Piesczek: Ja, Ihre sind daheim geblieben! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist das Desaster, das wir in Wirklichkeit erleben.

Für mich ist dieses Desaster aber nachvollziehbar. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich bei der Bundespräsidentenstichwahl nicht aus Lust und Liebe diese Wahl auf­gehoben. Er hat dermaßen massive Unzulänglichkeiten und Gesetzesverstöße festge­stellt, die es nicht mehr ausschließen lassen, dass im Falle einer Manipulation ein an­deres Wahlergebnis zutage getreten wäre.

Das ist der Punkt, aber daran wollen sich ja viele nicht halten oder wollen das nicht ak­zeptieren! Beispielgebend dafür sind auch die Medien. Trotz dieses Erkenntnisses, das ganz klar und deutlich die Ursachen und die Gründe hervorgehoben hat, wird dieses Er­gebnis medial anders hingestellt. Ich verweise zum Beispiel auf die Zeitschrift „NEWS“, wo man titelte: „Wieso es kein Wahlbetrug war“ oder an die Meldung, es gebe keine Hinweise, oder an den „Kurier“, der von der „Chronologie einer Farce“ spricht. Und für viele – und ich muss das leider auch im Hohen Haus beobachten – ist es offensichtlich kein Drama, wenn wir uns in Österreich nicht an bestehende Gesetze halten. Ich ver­weise nur auf die Asylpolitik, bei der man auch den Rechtsstaat ausgehebelt hat.

Damit kommen wir zum 2. Oktober, der als Ersatztermin anberaumt war. Grund, wa­rum dieser Wahltag nicht möglich ist, sind schadhafte Briefwahlkuverts, die eigentlich schon vor dem Wahltag ihre Klebekraft aufgegeben haben, und Auftraggeber – wir ha­ben es schon gehört – war das Bundesministerium für Inneres, trotz des Umstandes,


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dass es bei gehöriger Aufsichtspflicht oder Sorgfalt hätte wissen können, dass genau diese Wahlkuverts schadhaft waren, denn Fehler und Schäden wurden schon bei der ÖH-Wahl im Jahre 2013 bemerkt und auch bei der Nationalratswahl, wie Kollege Stra­che sagte.

Aber offensichtlich ist es bei uns doch so, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, oder nicht wissen will, denn es stellt sich schon die Frage, ob die einzelnen Ministerien nicht untereinander kommunizieren und eine derart wichtige Meldung, wie fehlerhafte Wahlkuverts, die auch bei anderen Wahlen verwendet werden, einfach nicht weitergeben. Das ist ja doch eigentlich ein Versagen, das man nicht einfach so wegreden sollte, und ich frage mich: Wer weiß, was bis zum Ersatztermin noch alles passieren wird?

Ich sage schon, ja richtig, meine Damen und Herren von der Regierung, wir müssen uns Sorgen um die Wahlbeteiligung machen, aber aus anderen Gründen, denn die Be­völkerung hat andere Sorgen: Massenarbeitslosigkeit, Migrationsflut, die höchste Be­steuerung seit jeher in der Republik. Das alles sind die Punkte, warum die Bevölkerung wahlfaul wird. Und da hilft auch die Briefwahl nicht, die sozusagen als Wundermittel oder als Allheilmittel dazu beitragen soll, die Bevölkerung, die Wählerinnen und Wähler wieder zum Wählen zu bewegen. Denn eines ist klar, meine Damen und Herren: Sie können mit der Briefwahl herumdoktern, wie Sie wollen, es wird Ihnen eines nicht ge­lingen, nämlich eine freie, persönliche und vor allem unbeeinflusste Wahl, wie sie nur in der Wahlzelle möglich ist, sicherzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher sagen wir, wir müssen die Briefwahl wieder auf das zurückführen, wofür sie ur­sprünglich geschaffen wurde, nämlich genau dafür, dass unsere Auslandsösterreichin­nen und -österreicher die Möglichkeit zu wählen erhalten und auch jene Menschen, die am Wahltag nicht in unserem Land sind, wählen können. Für alle anderen Eventualitä­ten und Möglichkeiten der Wahl – siehe fliegende Wahlkommissionen, Vorwahltage und so weiter – ist ausreichend gesorgt. – Ich danke Ihnen für das Zuhören. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak. – Bitte.

 


14.04.13

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Schwierigkeit in dieser Debatte ist jetzt, die teilweise nachvollziehbaren und auch berechtigten Diskussionsbeiträge, die der Kollege Stefan hier bringt und womit er grund­sätzlich über Fragen des Wahlrechts debattieren will, von jenen Diskussionsbeiträgen zu trennen, die ein argumentativer Eiertanz sind, sodass ich schon lange nicht mehr mitgekommen bin, was Sie eigentlich sagen wollen.

Die Frau Kollegin Steger sagt einerseits, es gebe wirkliche Gründen, warum wir die Wahl verschieben, und unterstellt damit, dass es irgendwelche anderen Gründe gibt als jene, die hier vorliegen. Gleichzeitig stellt sich die Frau Steger her und geriert sich als Verteidigerin des Verfassungsgerichtshofs beziehungsweise der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof. Das ist so ähnlich, wie wenn der Klubobmann Lopatka ver­sucht, die Freiheitsrechte zu verteidigen. Das ist unglaubwürdig, weil gerade die Frei­heitlichen immer die sind, die sonst Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs infrage stellen. Also, das ist extrem schwierig.

Ich bin auch der Meinung, dass dieses Erkenntnis nicht nur zu akzeptieren ist, sondern auch richtig ist, aber es ist ein bisschen schwierig, wenn der Klubobmann Strache sich herstellt und sagt: Na ja, es ist wichtig, dass die Wahl auch ordnungsgemäß durchge­führt wird und das allgemeine Wahlrecht garantiert wird, nämlich dass jeder von sei-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 100

nem Wahlrecht Gebrauch machen kann, und dann wollen die Freiheitlichen nicht zu­stimmen, dass wir die Wahl verschieben. Und wir wissen, es ist die einzige Möglichkeit, sie zu verschieben. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Der Eiertanz passt da schlichtweg nicht zusammen! Wir haben im Ausschuss auch den Vergleich mit der Wahl in der Leopoldstadt diskutiert – der Herr Kollege Rosenkranz war es, und der Kollege Stefan war am Sonntag in der Sendung „Im Zentrum“ –, und da war immer das Argument, in der Leopoldstadt funktioniere es ja, dass man die Wahl­karten austauscht. – Wir haben auch jetzt den Beweis, dass es offensichtlich nicht funk­tioniert hat, weil wir zumindest von 800 Leuten nicht wissen, ob sie rechtzeitig die In­formation bekommen haben, ob sie die Chance hatten, die Wahlkarte auszutauschen, und, und, und. Also auch die Leopoldstadt ist ein schlechtes Beispiel, wie man es hätte machen können.

Damit bleiben wir beim Ergebnis: Wir hatten keine andere Chance, und es gibt keine andere Chance – unabhängig davon, was davor passiert ist. Wer schuld ist, interessiert mich in dieser Situation gar nicht, die einzige Möglichkeit war, dass wir diese Wahl ver­schieben.

Der argumentative Eiertanz, indem sich Klubobmann Strache hier herstellt und sagt: Wir müssen das allgemeine Wahlrecht für jeden gewährleisten, jeder muss die Mög­lichkeit haben, sein Wahlrecht auszuüben!, und die FPÖ dann gegen eine Verschie­bung stimmt, lässt mich sprachlos zurück, denn das ist nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


14.06.53

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mehr­fach hat jetzt die FPÖ anderen Unwahrheiten in den Mund gelegt, sich auf den Verfas­sungsgerichtshof bezogen. Ich habe mir die Rede vom Kollegen Strache sehr genau angehört und ich frage mich eigentlich, wenn das so ist: Wann ist denn die FPÖ einmal bereit, das Urteil des Verfassungsgerichtshofs anzuerkennen?

Der Herr Strache hat in seiner Rede wörtlich gesagt, es seien vorher 500 000 Stimmen aussortiert worden, und das sei nicht zulässig, und es seien dann 125 000 Stimmen rechtswidrig ausgezählt worden. (Abg. Höbart: Erkenntnis des Verfassungsgerichtsho­fes!) – Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs! Oh, da kommt der Experte, danke für den Zwischenruf, Kollege Höbart, auf den habe ich ja gewartet. (Beifall bei den Grü­nen.)

Seite 99 von 175, Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs: Dort ist die Frage der so­genannten Vorsortierung behandelt worden. Was ist mit dieser Vorsortierung ge­meint? – Der Herr Strache hat übrigens von Aussortierung geredet, das ist ein biss­chen etwas anderes als vorsortieren, denn wenn ich etwas aussortiere, nehme ich es heraus, es ist weg, es ist nicht mehr nachvollziehbar. Vorsortierung bedeutet, dass die Bezirkswahlbehörden, die Personen, die dort Verwaltungstätigkeiten machen, bei der Lasche einmal überprüfen, ob sie unterschrieben ist, ob die Unterschrift drauf ist, ob die Daten drauf sind. Dann gab es zwei Stapel, nämlich die Wahlkarten, die vorweg als korrekt eingestuft worden sind, und die, die nicht als korrekt eingestuft worden sind. Beide Wahlkartenstapel sind bei den Bezirkswahlbehörden gelegen, und man konnte kontrollieren, ob hier ausreichend geprüft worden ist, Herr Kollege Höbart.

Und genau diese Vorgangsweise hat der Verfassungsgerichtshof überprüft und hat da­zu festgestellt: „Gegen eine … im Zuge der Erfassung der Wahlkarten … vorgenomme­ne ‚Vorsortierung‘ der Wahlkarten in miteinzubeziehende und nichtige Wahlkarten“ an­hand weiterer Gründe „bestehen folglich keine Bedenken“.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 101

Das heißt, die Vorsortierung ist vom Verfassungsgerichtshof als rechtskonform gewer­tet worden. Herr Kollege Strache, warum gehen Sie her und kommen noch immer mit der Böhmdorfer-Argumentation und tun so, als wäre das, was Böhmdorfer geschrieben hat, die Argumentation des Verfassungsgerichtshofs? Das ist schlicht und einfach falsch und unrichtig. Es waren auch nicht 125 000 Stimmen, bei denen Rechtswidrigkeiten festgestellt wurden – das hat der Böhmdorfer geschrieben –, es waren laut Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs 77 769. (Abg. Strache: Der Rest ist gar nicht geprüft wor­den! Sagen Sie doch die Wahrheit!) – Nein, es ist einfach Unfug, Herr Kollege Strache, es sind sämtliche Bezirke überprüft worden. Bei manchen Bezirken, in denen ihr ange­fochten habt, ist laut Verfassungsgerichtshof herausgekommen, dass es dort eine vor­bildliche Auszählung war. Das hat er sogar extra erwähnt! Dadurch sind es deutlich weniger gewesen, als ursprünglich drinnen waren. Sie akzeptieren das Urteil des Ver­fassungsgerichtshofs nicht, Sie tun nach wie vor so, als wäre die Vorsortierung nicht korrekt. Laufend. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Es wurden nicht alle Bezirke überprüft! Deshalb wurde aufgehoben!)

Das passt genau in das Bild, das der Kollege Steinhauser schon angesprochen hat. Ein Präsidentschaftskandidat, der noch vor der Auszählung einer einzigen Wahlkarten­stimme sagt: Na ja, da wird immer so, sagen wir einmal, merkwürdig ausgezählt! Das schürt das Misstrauen in die Demokratie. „Merkwürdig ausgezählt“ hieße, es wurden Stimmen von einer Seite auf die andere verschoben. Das wollen Sie doch suggerieren. (Abg. Strache: Das war leider möglich! Darum wurde aufgehoben!)

Genauso war es jetzt wieder bei der Frage im „Report“ an Herrn Hofer, was uns denn von der Schweiz unterscheidet. Nicht die Frage, wie ausgezählt wird, das war nicht der Punkt. (Abg. Kickl: Lesen Sie doch in Ihrem eigenen Parteiarchiv!) Wissen Sie, was er gesagt hat, nachdem er übrigens die Journalistin Schnabl gefragt hat, ob sie weiß, wie ausgezählt wird? Und auf die Antwort der Journalistin Schnabl hat Herr Hofer gesagt: Jetzt lassen Sie mich ausreden! – Das ist übrigens NLP, eine andere Form der Ge­sprächsführung. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Aber die Form dahinter war: In der Schweiz ist es merkwürdig, denn dort sind die Stimmen der Wahlkarten ziemlich iden­tisch mit den Stimmen bei der Briefwahl. Jetzt haben wir schon ein Problem: Wenn in der Schweiz überwiegend durch die Briefwahl gewählt wird, muss das logischerweise eine Breite in der Bevölkerung haben.

In Österreich ist es nicht so, dass man versteht, wenn in Wien der Anteil der Wahl­karten besonders hoch ist und das Ergebnis der FPÖ schon bei der Urnenwahl deutlich schlechter war, und dann kommen relativ viele Wahlkarten aus Wien herein, dass sich das zulasten der FPÖ auswirken wird. Das hat mit Logik und Mathematik zu tun, das war natürlich der Fall. (Abg. Strache: Das war ja nicht der Fall! Es war das Briefwahl­ergebnis in Wien von Hofer ausgezeichnet!) – Herr Kollege Strache, es sind deutlich überproportional Wahlkarten in Wien hereingekommen, deswegen muss das Wahlkar­tenergebnis vom Herrn Hofer schlechter gewesen sein. Das hat mit Logik und Mathe­matik zu tun. Sie versuchen nach wie vor, das Wahlrecht zu desavouieren. (Beifall bei den Grünen.)

Sie versuchen im Übrigen, Personen von der Wahl auszuschließen. Kollege Stefan, Sie sagen, es können dann alle wählen, und dann haben Sie noch in einer Nebenbe­merkung gesagt: Na, da gibt es dann Dienstbefreiungen! Bei Ihnen können alle wäh­len, die im Ausland sind, okay, die Auslandsösterreicher können wählen, wer in Öster­reich oder im Ausland auf Urlaub ist, kann auch wählen.

Wie schaut das im Tourismusgebiet aus? Wie schaut das aus? (Ruf bei der FPÖ: Der Vorwahltag!) – Der Vorwahltag, okay, da gibt es einen Vorwahltag. Und Sie glauben ernsthaft, dass der Tourismus die Dienstpläne so macht, dass die Köche, die Kellnerin­nen und Kellner oder die Liftwarte, die jetzt übrigens im Dezember auch schon betrof-


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fen sind, genau an dem Vorwahltag oder am regulären Wahltag keinen Dienst haben? Wenn ich dort in der Küche stehe und es heißt, dass ich jetzt nicht weggehen kann, weil zufälligerweise die Gäste zu Mittag kommen – in Vorarlberg, wo zum Teil um 12 oder um 13 Uhr die letzten Wahllokale sperren –, dann habe ich nur die Möglichkeit, zur Wahlkommission hinzugehen und sonst nichts. (Abg. Kickl: Wenn es nach Van der Bellen geht, muss man gar nicht mehr wählen!) Sie sind dafür, dass den Personen das Wahlrecht genommen wird, weil sie gar nicht wählen können. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Kickl: Wie war das vor 20 Jahren?)

Also: Tun Sie nicht so, als wäre das nicht der bewusste Versuch, das Wahlrecht ein­zuschränken. (Beifall bei den Grünen.– Abg. Strache: Absurd!)

14.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


14.13.05

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Ich glaube, jetzt sind einige medizinische Richtigstellungen not­wendig. Es wurde einiges über besachwaltete Patienten gesprochen, stationäre Pa­tienten, Pflegeheiminsassen et cetera. Man muss dazu wissen, dass wir derzeit in Ös­terreich circa 100 000 Demenzkranke haben, die zum allergrößten Teil ihr Wahlrecht ausüben, weil sie zu 80 Prozent zu Hause leben und zu einem großen Teil Briefwähler sind. Was das für die Familien bedeutet und was das für das Wahlrecht an sich be­deutet, das kann sich jeder jetzt selber ausmalen, welche Missbrauchsmöglichkeit man hier eröffnet. (Abg. Öllinger: Unglaublich!) Das ist etwas, womit wir uns ganz intensiv auseinandersetzen müssen: wie sehr ein Wahlrecht mit der kognitiven Fähigkeit, sein Leben überhaupt überblicken zu können, verbunden ist, wie sehr ein Wahlrecht per­sönlich noch gültig, ausübbar und judizierbar ist, wenn eine schwere Demenz vorliegt, bei der man nichts mehr tun kann und man für alle Lebensbereiche besachwaltet ist. (Abg. Strache: Das hat sogar der Margulies gefordert!) Das ist etwas, womit wir uns auseinandersetzen müssen, ganz einfach aus dem Grund, weil täglich die Zahl der De­menten in Österreich steigt.

Jetzt das vom Abgeordneten Stefan Gesagte hier einfach abzutun und zu sagen, dass das nur der FPÖ oder einer manipulativen Änderung des Wahlrechts dienen soll, wenn man dieses Problem anspricht, so wie es der Abgeordnete Vilimsky getan hat, dann ist das nicht in Ordnung. Das ist ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müs­sen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben nach seriösen Schätzungen von Neurologen in den nächsten 30 Jahren in Österreich eine Verdreifachung der Zahl der demenzkranken Bürger zu erwarten. Das sind im Jahre 2050 circa 300 000 Österreicher, die nicht mehr wirklich in der Lage sein werden, ihr tägliches Leben aufgrund ihrer demenziellen Erkrankung zu überblicken. Bit­te schön, das kann man nicht mehr mit den Worten abtun, dass das eh nur ein paar in den Pflegeheimen oder ein paar Leute, die zu Hause gepflegt werden, sind, sondern es hat ja einen ganz massiven Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse, wenn das ge­heime Wahlrecht mit der Wahlkarte zu Hause und auch in den Heimen nicht mehr zu wahren ist! Ich habe es selber als Oberarzt der Gemeinde Wien in einem Spital erlebt, wie da schleißig mit der Wahlfreiheit beziehungsweise mit dem persönlichen Wahlrecht bei geistig eingeschränkten Patienten umgegangen wird. Das spottet jeder Beschrei­bung, und wir alle wissen, dass das die Realität in allen Heimen in Österreich und in al­len Spitälern ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist unsere verdammte Pflicht, dass wir darauf hinweisen und uns mit diesen Sachen auseinandersetzen, denn das beeinflusst ganz massiv die Mehrheitsverhältnisse in Ös­terreich. Wenn hier Tür und Tor geöffnet sind, mit Wahlkarten Wahlkartenmanipula-


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tionen zu Hause oder auch in Heimen oder mit fliegenden Wahlkommissionen, die nicht optimal zusammengesetzt sind, zu machen, dann muss sich dieses Hohe Haus natür­lich damit auseinandersetzen.

Wer denn sonst, bitte schön? Sollen das die Medien für uns regeln, sollen das die Neu­rologen für uns regeln, sollen wir medizinische Wahlfähigkeitsprüfungen machen, sol­len wir zum Beispiel eine Art Wahlführerschein etablieren ab dem 65. oder 70. Lebens­jahr? Das sind Fragen, die wir uns stellen müssen, denn das ist ganz wesentlich.

Noch einmal: Es geht um die Mehrheitsverhältnisse, es geht um die Persönlichkeit des Wahlrechts, es geht um ein wirklich essenzielles demokratiepolitisches Gut, und das kann man nicht einfach wegwischen, indem man dem Herrn Vilimsky unterstellt, er würde hier diese Menschen abwertend bezeichnen. Überhaupt nicht, das hat er nicht getan. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Hat er nicht getan? Das war eine offizielle Aus­sendung von ihm!) Es gibt eben Menschen, die eingeschränkt geschäftsfähig und be­sachwaltet sind und eine Demenz haben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, das ist volkswirtschaftlich wichtig, es ist politisch wichtig und es ist demokratiepolitisch wichtig. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Wahlkarte an sich: Wieso, bitte schön, muss eine Wahl immer an einem Sonntag stattfinden? Wieso kann das nicht wie in England oder in Amerika unter der Woche stattfinden? Dann ist das ganze Tourismusargument et cetera weg! Die Leute fahren in die Arbeit, steigen aus, gehen ins nächste Wahllokal und wählen dort. Das dauert eine Viertelstunde, und die Sache ist behoben, und niemand hat mehr die Ausrede: Es war zu schönes Wetter, ich wollte nicht oder ich musste mit der Familie baden gehen. Das sind doch bitte lächerliche Argumentationen, die verspotten ja die Demokratie an sich. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Machen wir ein Wahlrecht, das wir unter der Woche ausüben können, und die Sache hat sich! Damit steigern wir auch die Wahlbeteiligung. Wir brauchen nicht mehr lange zu diskutieren. Das ganze Wahlkartenproblem wurde aus meiner Sicht völlig richtig an­gesprochen: Das Wählen mittels Wahlkarten steht nur Auslandsösterreichern zu. Bei Patienten, die schwer bettlägerig sind, die schwerkrank im Spital liegen oder stationär in Pflegeheimen sind, kann man darüber diskutieren. In diese Richtung muss man das neu entwickeln. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.17

14.17.22

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1257 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Glawischnig-Piesczek, Mag. Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters liegt ein vom Abgeordneten Mag. Stefan eingebrachtes Verlangen auf ge­trennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und anschließend über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung er­forderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordne­ten fest.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 104

Die Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Glawischnig-Piesczek, Mag. Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Ein­fügung einer neuen Z 4a bezieht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich an­genommen.

Nun kommen wir zur getrennten Abstimmung über Z 6 § 26b Abs. 2, zweiter und dritter Satz, sowie § 26b Absätze 3, 4, 7 und 8 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesen Teilen des Gesetzentwurfes ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenom­men.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheit­lich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.20.032. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2015 (III-262/1256 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 


14.20.20

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein schon die Tatsache, dass wir zwar die Präsidentin des Rechnungshofes begrüßen können – was ich ja sehr befürworte –, nicht aber den Finanzminister, zeigt ja schon eines der grundlegenden Probleme des österreichischen Bundesrechnungsabschlusses. Es ist nämlich im internationalen Vergleich schon ziem­lich einzigartig, dass die Kontrollinstitution den Rechnungsabschluss vorlegt und nicht die Bundesregierung, die ihn ja auch inhaltlich zu verantworten hat. Es käme auch kein Verein auf die Idee, dass er den Jahresabschluss vom Rechnungsprüfer machen lässt und nicht vom Finanzreferenten, der ihn verantworten muss und der dann auch ent­lastet werden soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Beim Jahresabschluss der Republik geht das, und darüber werden wir uns schon auch einmal prinzipiell und grundlegend unterhalten müssen, Herr Kollege Krainer, es liegt uns ja auch eine Studie des Budgetdienstes vor. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Jetzt aber zu den vorgelegten Zahlen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 105

Erträgen von 74,4 Milliarden € stehen Aufwendungen von 79,2 Milliarden € gegenüber, das ergibt also ein Minus, ein Defizit von 4,8 Milliarden €. Budgetiert war ein Minus von 7,2 Milliarden €, aber bevor man jetzt in Jubel ausbricht, dass dieses Minus geringer ausgefallen ist als befürchtet, sollte man sich einmal die Gründe dafür genauer an­schauen. Das tue ich jetzt auch, denn dann kommt man ganz schnell drauf, woher die­ses geringere Minus kommt.

Es kommt einerseits aus höheren Steuereinnahmen durch die kalte Progression, also durch die Nichtinflationsbereinigung der Lohnsteuer, wodurch also jeder, der eine Ge­haltserhöhung bekommt und so in einen höheren Steuertarif fällt, mehr Steuern zahlt als vorher und so dem Finanzminister ein Körberlgeld beschert. Auch von der verspro­chenen Abschaffung der kalten Progression sind wir halt leider in unserem Land mei­lenweit entfernt.

Aber auch der zweite Grund für diese ungeplanten Steuermehreinnahmen hat es in sich, ein großer Teil sind nämlich sogenannte Vorzieheffekte – Vorzieheffekte bei den Ka­pitalertragsteuern und bei der Grunderwerbssteuer aufgrund der Steuerreform oder Tarifreform 2015/2016. Und wie es halt bei Vorzieheffekten so ist, sind es Vorgriffe, nämlich Vorgriffe auf die Zukunft. Das spüren wir bereits heuer im ersten Halbjahr ganz deutlich, und die Rechnung für diese Vorzieheffekte des Vorjahres bekommen wir jetzt gerade präsentiert. Beim Gebarungserfolg des jetzt laufenden Haushaltsjahres sehen wir ganz klar, dass die Einnahmen aus diesen Steuern drastisch zurückgehen, und das wird uns auch für das Jahr 2016 ein ganz, ganz schlimmes Ergebnis bescheren.

Wenn man sich die Ausgabenseite anschaut, dann bemerkt man, dass sich die nied­rigen Zinsen zwar positiv auswirken, auf der anderen Seite aber 482 Milliarden € Mehr­ausgaben aus der gestiegenen Arbeitslosigkeit zu Buche schlagen, vor allem in der Un­tergruppe 11, Inneres, mit Mehrkosten von 250 Millionen € zur Bewältigung der Flücht­lings-, der Migrationskrise, die diese Bundesregierung durch die ungerechtfertigte Grenz­öffnung verschuldet hat und die uns in den nächsten Jahren noch Milliarden kosten wird, je nach Studie zwischen einer und 2 Milliarden € jedes Jahr.

Was bleibt also noch zu sagen? Defizit von 4,8 Milliarden €; der Schuldenstand der Republik um13,3 Milliarden € auf 290,7 Milliarden € gestiegen – 86,2 Prozent des BIP. Die Rücklagen sind um eine Milliarde auf 19,5 Milliarden € gestiegen, davon allein 16 Milliarden € in den Detailbudgets der Ressorts, wobei kein Mensch – nicht einmal der Budgetdienst dieses Hauses sagen kann, wie das jemals abgebaut und realisiert werden soll.

Am schlimmsten ist aber die Veränderung beim Nettovermögen der Republik. Dieser Indikator für die finanzielle Nachhaltigkeit hat sich um 5 Milliarden € verschlechtert, die Republik hält bei einem negativen Nettovermögen von minus 153,4 Milliarden €. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt!

Da verwundert es auch nicht, dass der Rechnungshof bei der Prüfung der Belege 750 – das sind mehr als die Hälfte von den insgesamt 1 449 geprüften Belegen – hat beanstanden müssen. Auch im Mängelbehebungsverfahren hat der Rechnungshof – durch von ihm vorgenommene Korrekturbuchungen – rund 950 Millionen € berichtigen müssen. Das spricht für sich genommen schon Bände (Abg. Krainer: Das ist falsch!), denn jeder Unternehmer würde von der Finanz gnadenlos bestraft, wenn er so „sorg­fältig“ wie der Bund abrechnen würde. (Abg. Krainer: Das ist falsch, was Sie sagen!) Es wäre deshalb in Anlehnung an meine Überlegungen zu Beginn meines Redebeitra­ges gerechter, wenn sich auch der Finanzminister dieser Debatte hier stellen würde und müsste. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Gamon.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krai­ner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 106

14.26.17

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Haider, es ist leider vieles falsch, was Sie sagen. (Abg. Haider: „Ja“!) Die 950 Millionen € Berichtigungen sind nicht durch den Rechnungshof vorge­nommen worden, sondern circa ein Drittel davon durch den Rechnungshof, zwei Drittel durch die Ressorts selbst. Womit Sie aber recht haben, ist, dass es dem Finanzminis­ter natürlich freistünde, an der Debatte teilzunehmen. Das ist aber seine Entscheidung, ob er daran teilnimmt oder nicht. (Abg. Haider: Schön für den Minister!) Im Budgetaus­schuss hat er ja daran teilgenommen.

Ich habe allerdings geglaubt, dass Sie jetzt herauskommen und uns den Anteil der ka­tastrophalen blauen Politik in Kärnten am Schuldenstand der Republik erklären. Ich habe gedacht, dass doch endlich einmal einer herauskommt und Verantwortung für das Desaster der Hypo übernimmt. Wir haben im Untersuchungsausschuss ja klar ge­se­hen, wo die Verantwortung am Desaster liegt. Das ist bei den Freiheitlichen in Kärnten! (Abg. Neubauer: Ist das das, wo Sie die Berichte angefordert haben? Sind Sie da nicht angezeigt worden?) Ich dachte mir, dass endlich einmal einer herauskommt und das anerkennt und sagt: Ja, das war unser Fehler! Diese – am Ende des Tages, wir wissen es nicht – 8 oder 9 Milliarden €, ja, die haben wir als Freiheitliche zu verantworten! – Aber wieder eine Chance vergeben, ich warte noch immer darauf, dass es passiert. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

Ich glaube, wir sollten auch einfach allgemein über die wirtschaftliche Situation in Ös­terreich und vor allem auch über die wirtschaftliche Situation in der Europäischen Uni­on reden. Wir können die Europäische Union nur auf einen neuen Pfad bringen, wenn wir Investitionen ankurbeln und die Konjunktur damit beleben. Dafür braucht es aber das Zusammenspiel der europäischen Institutionen und der nationalen Regierungen. Wir brauchen mehr Wachstum, und zwar jene Art von Wachstum, das, wie die Gezei­ten am Meer, alle Boote hebt und nicht nur ein paar Jachten.

Ja, ich bin für die Verdoppelung des Juncker-Fonds nach einer entsprechenden Eva­luierung der ersten Phase, ob das gut funktioniert. Aber ich bin mir unklar, ob es wirk­lich reicht, den – unter Anführungszeichen – „nur“ zu verdoppeln.

Mit dem Juncker-Fonds haben wir in Europa ein Modell gefunden, das es erlaubt, öf­fentliche Mittel durch privates Geld zu hebeln, eine bessere Verzahnung von europäi­scher Geld- und Fiskalpolitik könnte weitere Spielräume schaffen. Das ist auch drin­gend notwendig, denn die zögerliche Fiskalpolitik auf europäischer Ebene und auch auf nationaler Ebene hat den entschlossenen Interventionen der EZB viel von ihrem Poten­zial genommen.

Die wesentliche Ursache der nachhaltigen Krise in Europa ist das niedrige Investitions­niveau. Die Ökonomen Stephany Griffith-Jones und Giovanni Cozzi haben das in ei­nem jüngst erschienenen Buch eindrucksvoll vorgerechnet: „Der Niedergang der Inves­titionsquote in Relation zum Bruttoinlandsprodukt war gerade in der südlichen Euro­zone dramatisch, sie sank von 21,7 Prozent im Jahr 2007 auf 14 Prozent im Jahr 2014. In Großbritannien war dieser Fall ähnlich scharf, von 15,9 Prozent 2007 auf 11 Prozent 2012 (…). Wenn man eine Investitionsquote von 19 bis 21 Prozent als durchschnittlich und normal setzt, dann zeigt sich, dass auch in den Ländern, die einigermaßen gut durch die Krise kamen, die Investitionen eher mager waren. Sogar in Deutschland lag der Wert 2014 gerade einmal bei 17,5 Prozent.“

Der industrielle Sektor ist aber die Quelle von Innovation und die Basis stabiler öko­nomischer Entwicklung in Europa. Das wissen wir gerade in Österreich besonders, weil uns diese starke Industrie natürlich in der Krise sehr gut geholfen hat.

Wir sollten uns daher keine weitere Schwächung der europäischen Industrie leisten, aber genau diese Investitionsschwäche kostet den industriellen Sektor viel an zukünfti-


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gem Potenzial. Die öffentlichen Investitionen in der EU und der Eurozone dürfen je­denfalls nicht weiter zurückgehen. Im Gegenteil! Es muss mehr in die Infrastruktur in­vestiert werden. Im Wettbewerb mit den anderen großen Wirtschaftsräumen – den Ver­einigten Staaten und Asien – braucht Europa starke Netze für Verkehr und Energie, ge­nauso wie starke digitale Netze auch im ländlichen Raum, sprich: Breitbandausbau und dergleichen.

Vergleicht man die wirtschaftliche Performance Europas mit jener der Vereinigten Staa­ten, dann zeigt sich, dass wir seit Ausbruch der Krise nicht alles richtig gemacht haben. Während es in den Vereinigten Staaten relativ rasch gelungen ist, die Arbeitslosigkeit wieder auf Vorkrisenniveau zu senken und die Investitionen merklich auszuweiten, herr­schen in Europa eine Investitionsflaute und anhaltend hohe Arbeitslosigkeit insbeson­dere unter jungen Menschen.

Die teils schwerwiegenden Auswirkungen von Austeritätsprogrammen auf Wirtschafts­wachstum und Beschäftigung wurden systematisch unterschätzt. Viele Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder die OECD haben das mittlerweile erkannt. Aber der Schaden ist natürlich bereits entstanden, denn viele Menschen in Europa haben nachhaltig unter dieser Politik gelitten, ebenso wie ihr Glaube an das Wohlstandsver­sprechen der Europäischen Einigung. (Zwischenruf des Abg. Doppler.)

Letztlich liegt den Fehlentwicklungen und den oben genannten Fehleinschätzungen der Institutionen auch die Vorstellung zugrunde, dass ein Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsgeschehen ohnehin zu besseren Ergebnissen und mehr Wachstum führen würde. Wir wissen aber, dass das natürlich falsch ist.

Aber so funktionieren moderne Volkswirtschaften nicht. Man weiß das. Schon inner­halb von Volkswirtschaften sind Märkte Strukturen, die teilweise erst durch öffentlich vorangetriebene Investitionen überhaupt erst entstehen – durch die Forschung, durch die Etablierung von Innovationsclustern, durch kluge Wirtschaftspolitik, die dafür sorgt, dass Kapital in zukunftsträchtige Sektoren fließt. Das gilt schon in normalen Zeiten, aber besonders natürlich in Krisenzeiten, in denen zu wenig investiert wird.

Ich glaube, wir brauchen einen Plan für Europa, der durch Investitionen und Innovation Wachstum und mehr Wohlstand generiert. Profitieren sollen diejenigen, die Zuwächse am dringendsten brauchen. Die Lohnentwicklung muss wieder nach oben gehen, die Arbeitslosigkeit muss sinken, und es müssen mehr gute Jobs entstehen, von denen die Menschen auch leben können. Der große europäische Binnenmarkt bietet ausreichend Chancen und Absatzmöglichkeiten. Wir kommen nur dann vorwärts, wenn wir mitein­ander den Wohlstand heben.

Ich möchte auf das vorher angesprochene Bild verweisen: Wie die Flut alle Boote hebt und nicht nur ein paar Jachten – genauso sollte unsere Wirtschaftspolitik dazu führen, dass es uns allen besser geht und nicht nur ein paar wenigen.

Die Diskussionen der nächsten Wochen zum Budget 2017, glaube ich, bieten eine gute Gelegenheit auch darüber nachzudenken, wofür wir das Geld in unserem Budget verwen­den, was wir vor allem für Wachstum machen können, welche Investitionen wir machen können, denn es ist nicht immer alles vergleichbar, was ein Betrieb macht und was der Staat macht. Es ist sehr wenig vergleichbar. Aber eines gilt wohl für beide: Der, der heu­te nicht investiert, der hat morgen keine Zukunft oder jedenfalls eine deutlich schlech­tere Zukunft.  Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf der Abg. Moser.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 108

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ross­mann. – Bitte.

 


14.32.52

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Frau Präsidentin Kra­ker! Budgets sind das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm, sagt man üblicher­weise. Über dieses Regierungsprogramm, dessen Erfüllung und die Entlastung der Re­gierung, diskutieren wir heute. Wir tun das regelmäßig in Abwesenheit der Bundesre­gierung (auf leere Plätze auf der Regierungsbank weisend), es sitzt ja niemand da! (Abg. Moser: Eh!) Wenn der Bundesvoranschlag beschlossen wird, präsentiert wird, sind alle Mitglieder der Regierung anwesend, aber bei der Diskussion über den Rech­nungsabschluss findet es nicht einmal der Finanzminister der Mühe wert, hier herzu­kommen.

Da stellt sich berechtigterweise die Frage: Warum ist das so? – Ja, formal diskutieren wir einen Bericht des Rechnungshofes und nicht einen Bericht der Regierung. Und wa­rum ist das wiederum so? – Das hängt damit zusammen, dass wir in Österreich die Praxis haben, dass der Rechnungshof sowohl den Rechnungsabschluss erstellt, als auch die Prüfung vornimmt. Das ist doch seltsam und widerspricht internationalen Standards. Es sei eine Vermischung von Verantwortlichkeiten. Dies hat der Budget­dienst in einer Studie, die ich in Auftrag gegeben habe, festgestellt.

Wir – alle Fraktionen in diesem Haus – sollten daher diese Vorgangsweise überden­ken, und zu einer Lösung kommen, die internationalen Standards entspricht – Stan­dards, wonach beispielsweise das Finanzministerium den Rechnungsabschluss erstellt und der Rechnungshof prüft und dann dem Ganzen einen Bestätigungsvermerk erteilt.

Nun aber zum Rechnungsabschluss selber: Der Rechnungsabschluss zeigt ja insge­samt erfreuliche Ergebnisse. Alle Budgetsalden sind besser als im Jahr zuvor. Sie sind auch besser als im Voranschlag selbst. Wir haben das strukturell ausgeglichene Haus­haltsziel bereits früher erreicht als geplant, sogar deutlich unterschritten. Das hat natür­lich viele Ursachen.

Es ist nicht nur der Budgetvollzug gewesen, auf den der Finanzminister regelmäßig hinweist, es sind auch viele Sondereffekte. Es gibt viele budgetäre Polster, beispiels­weise bei den Steuereinnahmen, die im Bundesfinanzrahmengesetz im Frühjahr 2015 bewusst unterbudgetiert wurden, herabgesetzt wurden. Na, wenn man sozusagen Pols­ter hat – im Übrigen auch beim Zinsaufwand in Milliardenhöhe –, dann kann man am Ende des Tages leicht sagen, dass unsere Budgetziele besser sind, als wir sie im Vor­anschlag ausgewiesen haben.

Erfreulicherweise gibt es aber auch Bereiche, bei denen die Ergebnisse tatsächlich besser waren. Anführen möchte ich den Bereich der Pensionsversicherung, bei dem wir etwa um 750 Millionen € besser liegen. Auf der anderen Seite gibt es Bereiche, die unterbudgetiert sind, wie zum Beispiel der Bildungsbereich. (Abg. Loacker: Das So­zialministerium trickst immer … Zahlenverschiebung!) Das haben wir zwar 2015 korri­giert, 2016 haben wir diese Lücke wieder und 2017 werden wir sie auch haben.

Nun macht der Herr Finanzminister die Budgets grundsätzlich schlecht, auch wenn die Ergebnisse super sind, finde ich. Er stellt sich regelmäßig hier an die Regierungsbank und erzählt uns immer wieder: Wir haben ein Ausgabenproblem. – Na, dann soll er ein­mal in den Rechnungsabschluss hineinschauen. Ich kann dieses Ausgabenproblem nicht konstatieren. Die Ausgabenquote sinkt von 2014 auf 2015 von 52,6 Prozent des BIP auf 51,7 Prozent des BIP. Und der Finanzminister fordert dann regelmäßig Struk­turreformen ein. Strukturreformen, derart, dass er sagt: Wir müssen bei der Mindestsi­cherung kürzen, wir müssen bei der Arbeitslosenversicherung kürzen, wir müssen bei der Pensionsversicherung kürzen.

Die wahren Strukturreformen bleiben auf der langen Bank, wie etwa die Reform der föderalen Strukturen. Was tut sich denn da? Nichts tut sich da! Wer heute früh Herrn


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 109

Landeshauptmann Wallner aus Vorarlberg gehört hat, der weiß, dass es eine Reform der föderalen Strukturen in diesem Finanzausgleich definitiv nicht geben wird. Dieser neue Finanzausgleich, das steht schon jetzt fest, ist eine Bankrotterklärung für Schel­ling – trotz vollmundiger Ankündigungen, die er vor einem Jahr oder vor mehr als ei­nem Jahr gemacht hat – und eine Bankrotterklärung für die Regierung.

Was es aber braucht – da hat der Kollege Krainer schon recht –, sind Ausgabenprogram­me zur Schließung der Investitionslücken in Europa, in Österreich. Was Österreich auch braucht sind Strukturreformen auf der Abgabenseite. Das heißt: Wir müssen da­rüber nachdenken, wie wir die Besteuerung von Vermögen heben können, wie wir eine Ökosteuerreform durchführen können und gleichzeitig die Löhne und die Lohnneben­kosten entlasten können, also, nicht die Abgabenquote erhöhen. Darüber lohnt es sich, nachzudenken und zu arbeiten. Wir müssen aber auch Sorge dafür tragen, dass ein für alle Mal diese Steuervermeidungspraxis internationaler Großkonzerne von Apple bis Starbucks abgeschafft wird. Damit könnte sich unser Herr Finanzminister Sporen ver­dienen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir einen Bericht anschauen, den die Europäische Kommission vor wenigen Tagen vorgelegt hat, als sie die Stabilitätsprogramme untersucht hat, da stelle ich fest, dass da drinnen steht – es handelt sich um diesen Bericht hier (ein Schriftstück in die Höhe haltend) –: Österreich hat einen gewissen Spielraum für eine expansive Budget­politik, ohne dass es seine nachhaltige Budgetpolitik gefährdet. – Zitatende.

Also der Herr Finanzminister soll nicht immer (Zwischenruf des Abg. Loacker), und auch Sie sollen nicht immer von den Ausgabenproblemen reden, die nicht vorhanden sind. Lesen Sie einmal diesen Bericht, ja! (Abg. Loacker: Ja, Rekordsteuereinnahmen werden verblasen!) – Schauen Sie einmal da rein! Und dann reden wir weiter, Herr Kol­lege Loacker!

Abschließend noch ein Punkt, der mir am Herzen liegt: Wir haben vor einigen Jahren eine Haushaltsrechtsreform beschlossen. Es gibt einen Band im Rechnungsabschluss, der beschäftigt sich mit Mängelbehebungsverfahren, das ist der Band 3, welcher 284 Sei­ten hat. Darin aufgezählt werden die Fehlerhaftigkeiten und Schlampereien des Bundes bei der Buchführung und bei der Budgetierung.

Es wäre lohnend, dieses Mängelbehebungsverfahren in seinem Umfang drastisch zu reduzieren.

Es ist im Übrigen eine Bankrotterklärung, ein Armutszeugnis für den Finanzminister, dass er trotz vielfacher Urgenzen von meiner Seite nicht willens und in der Lage ist, die­se Schlampereien abzustellen. Ganz im Gegenteil! Was tut er? – Er fühlt sich schlicht und einfach nicht zuständig. Die Gesamtbudgetverantwortung gibt es für ihn nicht. Er schiebt sozusagen die Schuld auf die Ressorts, die offensichtlich auch nicht willens und in der Lage sind, diese Fehler zu beheben.

Aber wenn wir schon ein neues Haushaltsrecht beschließen, dann sollten wir dieses auch implementieren, denn sonst werden wir viel Mühe aufgewendet haben und am En­de des Tages feststellen, dass wir zu Budgetierungspraktiken gelangen, die wir in der Vergangenheit auch hatten.

Die Ergebnis- und Vermögensrechnung ist einfach fehlerhaft, Herr Kollege Haider. Ich würde sie nicht verwenden. Ich warne davor, weil sie schlicht und einfach zu falschen Schlussfolgerungen führt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 110

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


14.41.11

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich die Frau Präsidentin heute erstmals bei uns willkommen heißen. Wir haben heute nach dem Sommer die erste Sitzung, und die Frau Rechnungshofpräsidentin ist das erste Mal hier im Hohen Haus in einer Plenarsitzung. Sie war vorige Woche im Budgetausschuss und hat dort eine intensive Debatte mit den Abgeordneten geführt. Vieles davon wurde auch von mei­nen Vorrednern schon angesprochen.

Ja, man kann über den Rechnungsabschluss 2015 natürlich völlig unterschiedlicher Mei­nung sein. Man kann sagen: Wenn die Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandspro­dukt zurückgegangen und die Einnahmen gestiegen sind, dann hat man nicht so bud­getiert, wie man sich das vorstellen sollte. Ich sage nur: Wir haben für das Jahr 2016 mit 1. Jänner eine Steuerreform beschlossen, die natürlich auch Vorzieheffekte bei­spielsweise für den Jahresabschluss 2015 mit sich gebracht hat. Das ist immer so, wenn man eine Steuerreform beschließt, die auch mit Gegenfinanzierungsmaßnahmen zusammenhängt.

Wir sehen aber auch – und die Frau Rechnungshofpräsidentin hat das ja auch dan­kenswerterweise im Ausschuss gesagt – erstens einmal, dass wir ohne strukturelle Re­formen nicht zurande kommen werden. Wir werden im Jahr 2018 bei der Budgetierung massivste Schwierigkeiten bekommen. Aber sie hat auch aufgezeigt, dass es, was einen gewissen Reformstau und Ineffizienz, Doppelgleisigkeiten und Kompetenzüber­lappungen betrifft, mit der Mittelverwendung besser werden könnte.

Beispielsweise sind die Bereiche Bildung, Pensionen, Gesundheit, Soziales, Forschung und Förderungen genannt worden. Jetzt wird immer gesagt, die Bildung sei unterbud­getiert. Aber wir haben in den letzten Tagen – vorige Woche – auch gehört, dass wir im OECD-Vergleich durchaus pro Schüler einen hohen Betrag einsetzen. Es kommt aber nicht so ein hoher Output heraus, wie wir an Geldern in den Bildungsbereich investieren.

Das heißt, wir brauchen eine massive Effizienzsteigerung, und wir brauchen auch Re­formen. Es geht nicht nur um Kürzung, Kollege Rossmann! Es geht nicht immer nur um Kürzung der Ausgaben, beispielsweise bei der Mindestsicherung. (Abg. Rossmann: … OECD!) Es geht nicht um Kürzung im Bereich des Arbeitsmarktes, sondern wenn wir einen horrenden Betrag für aktive Arbeitsmarktpolitik in die Hand nehmen, und es dann nicht schaffen, dass wir die Arbeitslosenrate senken, sondern sie stetig steigt, dann müssen wir uns überlegen, ob die Gelder in den einzelnen Bereichen richtig eingesetzt sind.

Ich glaube, das ist auch die Kritik der Frau Rechnungshofpräsidentin gewesen, nämlich der Einsatz der Mittel auf der einen und der jeweilige Output auf der anderen Seite.

Ich denke nur daran: Wir haben beim Bundesfinanzrahmen für Integrationsmaßnah­men fast 600 Millionen €, was also beispielsweise Deutschkurse und andere Maßnah­men betrifft, eingepreist. Leider Gottes können wir aber nicht einmal feststellen, ob die­se Deutschkurse auch dazu führen, dass wir diejenigen, die letztendlich asylberechtigt sind, auch in den Arbeitsmarkt integrieren werden. Das heißt, wir brauchen einen effi­zienteren Mitteleinsatz. Und das ist auch das, was der Herr Finanzminister immer sagt.

Zur Kritik, warum der Herr Finanzminister jetzt nicht auf der Regierungsbank sitzt: Na ja, weil wir eben momentan dieses Phänomen haben, dass der Rechnungshof den Jah­resabschluss erstellt und ihn auch prüft. Der Herr Finanzminister hat ganz klar in der Budgetausschusssitzung gesagt: Wenn man das verändern möchte, steht das Finanz­ministerium parat. Das ist kein Problem.


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Zur Kritik, die zu den Paragraph-9-Überprüfungen und zu den mangelhaften Verbu­chungen gekommen ist: Da muss man natürlich auch sagen, dass Frau Sektionschefin Berger im Budgetausschuss gesagt hat, dass seit der Evaluierung des Haushalts­rechts, der dritten Etappe der Haushaltsrechtreform, mit den jeweiligen haushaltsleiten­den Stellen Gespräche geführt worden sind, dass es Schulungen gibt und dass wir hier auch sukzessive versuchen, die Sache zu verbessern. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Die Zeit würde nicht ausreichen, um alles anzusprechen, was meine Vorredner dazu gesagt haben, aber eines möchte ich schon noch sagen: Wir reden immer davon, dass die Steuereinnahmen deshalb erhöht sind oder die Lohnsteuereinnahmen deshalb im­mer steigen, weil es die kalte Progression gibt. Der Finanzminister legt ein Konzept vor, wie man diese kalte Progression abschaffen könnte, aber es gibt halt momentan bei unserem Koalitionspartner dazu eine andere Meinung. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass wir uns einigen werden, denn letztendlich geht es darum, die Steuerzahle­rinnen und Steuerzahler zu entlasten. Und was die kalte Progression betrifft, ist ein Riesenschritt erfolgt.

Eines noch zum Thema Steuerbetrug: Na selbstverständlich gehören Steuerflucht und Steueroasen geahndet. Steuerflucht gehört bekämpft. Das hat man bei Apple gesehen. Dann gibt es natürlich wieder welche, die sagen: Wahnsinn, die Strafen! So kann man das nicht machen!

Also ich bin der Meinung, dass jedes österreichische Unternehmen, das in Österreich Steuern bezahlt, auch dafür sein sollte, dass die Steuerflüchtlinge sehr wohl bestraft werden. Das ist die eine Seite. Und über die andere Seite habe ich schon öfter ge­sprochen, und der Finanzminister hat es auch in der Budgetausschusssitzung gesagt: Wir müssen danach trachten, dass wir das Reverse-Charge-System in Österreich ein­führen können. Dann würden wir uns nämlich den Umsatzsteuerbetrug – der jetzt ja auch immer wieder vorkommt – endlich einmal vom Hals schaffen.

In diesem Sinne: Wir können nur den konsequenten Konsolidierungspfad weitergehen. Wir müssen Reformen umsetzen. An uns scheitert es nicht. Wir sind dran. Und der Herr Finanzminister ist ein guter Verhandler, Kollege Rossmann, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen! (Beifall bei der ÖVP.)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.47.52

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin, es freut mich sehr, dass Sie das erste Mal bei uns im Plenum anwesend sind, be­sonders bei diesem wichtigen Thema. Was wahrscheinlich auf den ersten Blick relativ trocken klingt, schaut auch auf den zweiten Blick immer noch trocken aus. Es ist je­doch eher Bilanzierungsextremsport, vor allem wenn man Bilanzierung gelernt hat.

Man kann es vielleicht an einer Zahl deutlich machen, wie verantwortungslos in unse­rer Republik teilweise der Umgang auch mit dem Geld der Österreicherinnen und Ös­terreicher ist: Das Vermögen beläuft sich zurzeit auf minus 153 Milliarden €.

Der Bundeskanzler nimmt im Moment immer wieder gerne das Beispiel des Entrepre­neurial State, des unternehmerischen Staates, von Frau Professor Mazzucato her. Wenn man sich aber den unternehmerischen Staat als Beispiel nehmen würde, dann müsste man diesen genauso wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen auch an seiner Bilanz bewerten können – und die schaut nicht gut aus.


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Dem Gesamtvermögen von 88 Milliarden € mit 24 Milliarden € Beteiligungen stehen 241 Milliarden € Schulden gegenüber. Das heißt, dass wir unser ganzes Vermögen in dreifacher Ausführung verkaufen müssten, um schuldenfrei zu werden.

Wenn man bedenkt, dass wir jedes Jahr Sozialbeiträge in Höhe von 50 Milliarden € ha­ben, dann müssten wir diese die nächsten drei Jahre hernehmen, um die Schulden wie­der abzudecken, und wären gerade einmal bei der Nettoverschuldung. Die beträgt auf den einzelnen Bürger, auf die einzelne Bürgerin gerechnet, 20 000 €. Das ist immerhin das, was ein unselbständig Angestellter im Jahr verdient, also nicht unbeachtlich. Das hilft vielleicht auch, diese unfassbaren Beträge anschaulicher zu machen.

Eine steigende Schuldenlast und damit auch eine steigende Zinslast – das ist im Mo­ment vielleicht nicht so dramatisch. Aber die Zinsen werden sich ja wohl in Zukunft auch wieder ändern, das führt ja auch dazu, dass wir in Zukunft exponentiell weniger Geld für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung haben. Jeden Euro, den wir in Zinsen stecken, haben wir weniger für Hochschulen, weniger für Breitbandausbau am Land zur Verfügung.

Und es gibt ja auch noch ein Morgen und eine nächste Generation, die ein Recht da­rauf hat, frei von den Verbindlichkeiten leben zu können, die eine Regierung für sie, aber ohne ihre Zustimmung eingegangen ist.

Die Regierung tut da freilich wenig, und der Rechnungshof hat das im BRA 2015 doch außergewöhnlich scharf beurteilt, nämlich – Zitat –:

„Wie sich aus den Daten des vorliegenden BRA 2015 ergibt, bestehen erhebliche Risi­ken, um die budgetären Herausforderungen der kommenden Jahre erfolgreich zu be­wältigen: – Risiken der Mittelaufbringung […] – Risiken der Mittelverwendung […] –Ri­siken im Bankenbereich […] sowie – Risiken der Erfüllung von EU-Budgetvorgaben.“

Der Rechnungshof belegt also, dass wir Probleme damit haben werden und setzt sich grundsätzlich für eine Trendumkehr in der Haushaltsführung in Österreich ein. Ich glau­be, wir müssen nicht darüber debattieren, wo in Österreich grundlegend eingespart wer­den könnte. Wir sind uns hier ja alle einig, dass es im Bereich der Pensionen sehr viele Möglichkeiten gibt, aber auch generell im Bereich der Verwaltung, im Gesundheitsbe­reich wäre überall noch vieles effizienter zu machen, wo man wirklich Geld einsparen kann, um die Verwaltung und das Land zukunftsfit zu machen.

Ich möchte mich aber an dieser Stelle auch noch beim Kollegen Rossmann bedanken, dass er die Debatte um die grundsätzliche Ausführung des Bundesrechnungsabschlus­ses angestoßen hat, weil es ja wirklich international gesehen abstrus ist, dass eine Stelle, die eigentlich prüfen sollte, den Bundesrechnungsabschluss auch selbst erstellt. Das ist nicht nur unüblich, sondern wahrscheinlich auch auf den ersten und zweiten Blick ein bisschen skurril und nicht sonderlich sinnvoll.

Wir sind der Meinung, dass der Finanzminister als Herr über das Budget den Rech­nungsabschluss vorlegen sollte und der Rechnungshof diesen natürlich als Prüfungs­institution im Nachhinein prüfen muss. Ich würde mir auch wünschen, dass wir hier im Nationalrat vielleicht in diesem neuen Jahr wieder einmal eine Debatte über die grund­sätzlichen Aufgaben des Rechnungshofes führen können. Wir haben es vor dem Som­mer schon einmal angedacht und gestartet. Diese Debatte ist extrem wichtig, weil wir dieses wichtigste Prüfungsinstrument auch für uns Abgeordnete hier im Parlament ständig mit prüfungsfremden und wirklich ressourcenbindenden Aufgaben belasten, die dem Rechnungshof letztendlich auch die Schlagkraft nehmen, die er eigentlich brauchen wür­de. Das kann nicht in unser aller Interesse sein, deshalb wäre dieses Thema, wer den Bundesrechnungsabschluss macht, wirklich auch etwas, das wir schnell angehen soll­ten! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.52



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 113

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Greiner. – Bitte.

 


14.52.30

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsiden­tin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was zeigt der Bundesrechnungsabschluss 2015, der heute im Hohen Haus zur Diskussion steht, in den wesentlichen Kennzahlen?

Erfreulich ist: Österreich verfügt über einen geordneten Staatshaushalt und basiert auf stabilen Zahlen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Seit Jahren schätzt die Europäi­sche Kommission das strukturelle Budgetdefizit höher ein. Seit Jahren liegen wir immer besser: 2015 um 0,5 Prozent besser als prognostiziert. Da sprechen wir von immerhin 1,7 Milliarden €. Was bedeutet das für konkrete politische Maßnahmen? – Das heißt, es stehen Mittel für aktive Wachstumspolitik zur Verfügung, beispielsweise für den Ar­beitsmarkt, für Infrastruktur, für den Bereich Bildung.

Wo können wir weitere positive Effekte feststellen? – Aus dem Bundesrechnungsab­schluss wird deutlich: Die im Pensionssystem eingeleiteten Reformschritte – im Beson­deren die Anhebung des Pensionsantrittsalters – wirken. Die staatlichen Zuschüsse in das Pensionssystem sinken, Leute stehen länger in Beschäftigung, zahlen daher ein.

Was hat der Rechnungshof im Bundesrechnungsabschluss noch festgehalten? – Die ge­samtwirtschaftliche Lage hat sich gebessert, ersichtlich an folgenden Indikatoren: Das BIP-Wachstum, die Beschäftigung und die Leistungsbilanz sowie die Preisstabilität sind gestiegen. Das heißt, wir erfüllen die Stabilitätskriterien. Nichtsdestotrotz sind notwen­dige Reformen zu setzen, um Kompetenzen und Strukturen zu bereinigen.

Apropos Reformen: Werfen wir einen kurzen Blick auf den Budgetvollzug 2016! Wir sehen: Die Steuerreform greift. Wir haben den Faktor Arbeit entlastet, Fazit: Es bleibt mehr für den Konsum. Die Leute haben mehr zum Ausgeben. Es ist ersichtlich: Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer und der Privatkonsum haben zuletzt deutlich zuge­nommen. Was wir noch brauchen, das sind natürlich auch öffentliche Investitionen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Blick auf eine Offensive unse­res Bundeskanzlers Christian Kern werfen! Durch eine deutliche Erhöhung der Öko­steuern, vor allem jener auf fossile Energien – Heizöl, Kohle – werden wichtige Impulse gesetzt, um zu motivieren, auf alternative Energiequellen umzusteigen. Auch wenn es in verschiedenen Sachbereichen unterschiedliche Auffassungen gibt – zum Thema öko­logische Steuerreform unterstützt Finanzminister Schelling voll und ganz den Kurs von Bundeskanzler Christian Kern. Der Herr Finanzminister hat das auch im Budgetaus­schuss bekräftigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist unbestritten: Vor uns liegen sehr große He­rausforderungen. Die Fakten im Bundesrechnungsabschluss und Erfolge bereits einge­setzter Reformschritte sind aber sehr gute Gründe, den eingeschlagenen Reformweg optimistisch fortzusetzen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter DDr. Fuchs. Herr Doktor, ich werde Sie um 15 Uhr unterbrechen müssen, es sei denn, die Rede ist um 15 Uhr beendet. (Abg. Fuchs: Das geht sich nicht aus!)

Es sind aber jetzt noch 4 Minuten. Ich muss Sie zum Rednerpult bitten. Ich werde Sie dann einfach unterbrechen müssen. – Bitte.

 


14.56.30

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuse­her!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 114

Die Bundesregierung möchte heute vom Nationalrat hinsichtlich des Bundesrech­nungsabschlusses 2015 entlastet werden und findet es nicht einmal der Mühe wert, heute hier zu erscheinen. Schon alleine aus diesem Grund wird die FPÖ gegen den Bundesrechnungsabschluss 2015 stimmen. Das ist aber nicht der einzige Grund. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Der Bund hat nämlich auch kein ordnungsgemäßes Rechnungswesen. Der Rechnungs­hof hat im Rahmen seiner Prüfungshandlungen bei der Haushaltsverrechnung des Bun­des für das Jahr 2015 massive Mängel festgestellt. Würde das Rechnungswesen eines Unternehmens dieselben Mängel aufweisen wie das Rechnungswesen des Bundes, dann würde das Finanzamt den Unternehmer schätzen und den Vorsteuerabzug strei­chen. Finanzstrafrechtliche Konsequenzen wären nicht unwahrscheinlich.

Wenn die Unternehmer sämtliche Rechnungslegungsvorschriften auf Punkt und Kom­ma einhalten müssen, dann muss das zumindest im gleichen Ausmaß auch für die Bundesministerien gelten. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Die Ordnungsmäßigkeits- und Belegprüfung durch den Rechnungshof hat ein katastro­phales Bild für die Bundesministerien ergeben. Der Rechnungshof überprüfte in Sum­me 1 449 Belege, davon beanstandete der Rechnungshof 750, weil sie Mängel aufwie­sen – unfassbare 51,8 Prozent der überprüften Belege waren also mangelhaft! Die Op­tik ist dabei insbesondere für das Finanzministerium, welches eigentlich eine Vorbild­funktion einnehmen sollte, eine denkbar schlechte. (Abg. Fekter: … aus den Ressorts! Nicht aus dem Ministerium!)

In einzelnen Bereichen waren im Finanzministerium 100 Prozent der überprüften Bele­ge formell mangelhaft – 100 Prozent der Belege! Das muss man sich einmal vorstellen! Was soll sich da ein Unternehmer denken, dessen Belege vom Finanzamt dreimal um­gedreht und peinlichst genau überprüft werden? (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir nun zu weiteren Mängeln, die der Rechnungshof bei den Ministerien fest­gestellt hat!

Erstens: Bei den drei Schwerpunktprüfungen hat der Rechnungshof erhebliche Mängel im internen Kontrollsystem in den Ministerien aufgezeigt.

Zweitens: Die Ergebnis- und Vermögensrechnungen der Ministerien wiesen – wie schon im Vorjahr – weiterhin eine Reihe von massiven Mängeln und Fehlern auf.

Drittens: Der Rechnungshof wies auch auf gravierende Mängel im Rahmen der Budge­tierung hin, wie zum Beispiel die systematische Unterbudgetierung im Bildungsministe­rium, im Justizministerium, aber auch im Bundeskanzleramt.

Das Bundeskanzleramt war nicht einmal in der Lage, die Bezüge der Regierungsmit­glieder und der Landeshauptleute in korrekter Höhe zu budgetieren. Was sagt das Bun­deskanzleramt dazu? – Das Bundeskanzleramt begründete die Unterbudgetierung mit den restriktiven Budgetvorgaben des BMF für den Bundesvoranschlag 2015. Ist das nicht unfassbar?

Da kann man wohl nur mehr den Kopf schütteln, wie im Bundeskanzleramt budgetiert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich unterbreche den Herrn Abgeordneten in seinen Aus­führungen, damit die verlangte kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung gemäß der Geschäftsordnung spätestens um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.19Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 8855/AB

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung des Bundeskanzlers mit der Ordnungszahl 8855/AB.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 115

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung ei­ne Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staats­sekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Mag. Kogler als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.01.01

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ja, Sie sind wahrscheinlich diejenige in der Bundesregierung, die am allerwenigsten mit dem CETA-Schlamassel (Zwischenruf des Abg. Schönegger), das hier angerichtet wurde, zu tun hat oder etwas dafür könnte. Trotzdem sind Sie hier. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich erinnere an die Verkündigung der Frau Präsidentin heute um 9.07 Uhr: Der Herr Bundeskanzler Mag. Kern wird durch den Vizekanzler Dr. Mitterlehner vertreten. Dass es nun nicht so ist, wird auch Gründe haben. Es ist ja auch nichts Illegales, es kann sich ja auch die Vertretung vertreten lassen. Uns ist das schon klar, nur wäre es auf der anderen Seite schon gescheit, wenn dem Parlament mitgeteilt würde, wer letzt­endlich die Vertretung ist. Das geht Sie alle etwas an, egal, welcher Couleur (Zwi­schenruf des Abg. Pirklhuber), denn die besondere Wahrscheinlichkeit, dass ein Mi­nister überraschend und nicht planbar hierher kommen soll, ist ja um 15 Uhr plus im­mer gegeben, wenn entweder eine Dringliche oder eben dieses Instrument verlangt wird. Seis drum.

Also wieso man das nicht entsprechend mitteilen kann und ob tatsächlich – auch für den Herrn Mitterlehner – ein Termin existiert hat oder einer erfunden wurde, das muss man separat klären. (Beifall bei Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Jedenfalls hat er morgen und übermorgen einen in Bratislava: Informeller Handelsmi­nisterrat, ganz wichtig – informell ist meistens wichtiger als formell, das unterscheidet sich nicht von Österreich –, und deshalb sind wir hier natürlich brandaktuell. Hätte es das nicht gegeben, wäre eine Dringliche Anfrage oder ein Dringlicher Antrag angebracht gewesen.

Jetzt beziehen wir uns aber auf eine Anfrageserie. Wir hätten ja ursprünglich tatsäch­lich gerne den Herrn Bundeskanzler hier gehabt, denn seine Antworten auf sehr viele Aspekte von CETA – es soll niemand behaupten, wir beschäftigen uns nicht ausführ­lich damit – sind besonders interessant.

Im Übrigen haben wir ähnlich lautende Fragen an mehrere Minister gestellt, auch an den Herrn Vizekanzler. Teilweise unterscheiden sich die Antworten vom Herrn Vize­kanzler und vom Herrn Kanzler auf gleichlautende Fragen; auf all das kann man jetzt nicht eingehen. Allerdings, und darauf wollen wir uns jetzt kurz konzentrieren, schreibt der Herr Bundeskanzler an uns, an den Nationalrat in seiner Anfragebeantwortung auf die letzte Frage, die wir hier gestellt haben, nämlich wie die Beschlussfassung im Rat der EU ausschauen soll und ob es eine einheitliche Regierungslinie zu CETA gebe, abgekürzt: Die Bundesregierung wird bezüglich der Zustimmung oder Ablehnung des Abkommens eine gemeinsame und abgestimmte Position vertreten. (Abg. Pirklhuber: Abgestimmte!) Also nur zum Mitschreiben: „Die Bundesregierung wird bezüglich der


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Zustimmung oder Ablehnung des Abkommens eine gemeinsame, abgestimmte Posi­tion vertreten.“

Nun, die wird aber morgen und übermorgen schon von Interesse sein. Ich werde es Ihnen jetzt gleich anschließend kurz auseinandersetzen, nachdem ich ein paar Worte über die Vorgeschichte verlieren möchte, weil immer so getan wird – damit wir uns dann gleich für TTIP aufwärmen –, als ob ohnehin schon so viel diskutiert werde und alles so transparent sei. In Österreich ist dies in gewisser Weise so, da die Opposi­tion – nicht nur wir, aber gerade auch die Grünen – sehr, sehr viel Druck machen, da­mit das überhaupt ein Thema ist, so wie hier und heute und auch in der Vergangenheit.

Aber von der Regierung selbst ist selten etwas bis gar nichts gekommen. Das muss man schon einmal sehen. Es ist eben die Vorgängerregierung, da können Sie (in Rich­tung Staatssekretärin Duzdar) schon gar nichts dafür, die ein Verhandlungsmandat nicht nur für TTIP, sondern auch für CETA gegeben hat. Insofern hat die Kommissarin Malmström vollkommen recht. Sie hat im Auftrag der Regierungen verhandelt, also auch von Rot und Schwarz in Österreich. Das wurde jetzt kritisiert, an der Stelle nicht ganz zu Unrecht, Bezug habend auf diese Mitgliederbefragung in der Sozialdemokrati­schen Partei. Aber so billig will ich es mir gar nicht machen und auf die billige Fra­gestellung gar nicht eingehen. Damit halten wir uns hier gar nicht auf.

Wir fragen: Was können der Bundeskanzler und der Vizekanzler tun, wenn sie sich schon so aus dem Fenster lehnen? Das Parlament ist von denen jedoch nie einge­bunden worden. Man kann mit denen gut reden, das streite ich nicht ab, beim Herrn Mitterlehner im Besonderen, beim Herrn Kern werden wir es noch sehen. Der trainiert sich jetzt auch schon mehr – so wie sein Vorgänger – in öffentlichen Auftritten und in inseratenartigen Ankündigungen. Da werden wir das noch sehen, aber mit Herrn Mit­terlehner kann man streiten. Wie die in der Regierung tun, ist allerdings nicht ganz klar, und das wollen wir jetzt klären, zumal ja schon interessant ist, was 2013 zwischen Rot und Schwarz passiert ist.

Da wurde ausdrücklich bei CETA, und das muss man sich wirklich auf der Zunge zer­gehen lassen, anders als bei TTIP, der sogenannte Investitionsschutz, vulgo die privi­legierten Investorenklagerechte, ausdrücklich im Nachhinein noch ins Mandat hinein­reklamiert! Und der Juristische Dienst des Rates sagte: Ja, aber ihr wisst eh, da müsst ihr schon aufpassen, denn da müssen wir dann klären, ob die nationalen Parlamente darüber abstimmen dürfen oder nicht. – Wir haben das alles in den vertraulichen Proto­kollen nachvollzogen. Die Sozialdemokratie ist nirgendwo auffindbar, nicht einmal in ho­möopathischen Dosen, sondern sie ist immer mit dabei. Immer mit dabei!

Wenn wir nun einen Kanzler haben, der sich so mutig aus dem Fenster lehnt, dann wollen wir doch alle dazu beitragen, dass er nicht gleich ganz hinausfällt. Das wäre auch nicht gut. (Beifall bei den Grünen.)

Dass der Vizekanzler jetzt keinen großen Beitrag leisten wird, ist schon erkennbar und zu erwarten, es sei denn, die Frau Staatssekretärin erklärt uns jetzt anschließend, wie die „gemeinsame, abgestimmte Position“ der Regierung ab morgen ausschaut.

Jetzt zur Sache. Wir brauchen uns da nicht lange aufzuhalten, CETA ist bei Weitem nicht so schlimm, wie das bei TTIP befürchtet wird, es ist aber genug da, was auf der schiefen Ebene zu falschen Ergebnissen führt. Es sind auch einige Giftzähne drinnen, etwa dieser berühmte Investorenschutz.

Da wird es nichts helfen – vielleicht sagen Sie, Frau Staatssekretärin, etwas dazu –, dass jetzt Kanada und die Union einen Zusatz, einen sogenannten Beipackzettel oder Klarstellungen, Präzisierungen machen. Da oder dort, wo der Vertrag unklar ist, wo es Interpretationsspielräume gibt, kann das rechtlich helfen, logisch, aber für die materiel-


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len Einlassungen im Vertrag ergibt sich durch den Beipackzettel keine Änderung. Man isst immer noch das Medikament und nicht den Beipackzettel.

Wird nun über die bittere Pille eine Zuckerglasur drübergehübscht – da sind jetzt die Zu­ckerbäcker aller Couleurs unterwegs, auch die roten Zuckerbäcker, Gabriel, Trudeau, wie sie alle heißen, es ist ja lustig anzuschauen –, wird dadurch die Sache im Kern nicht besser. Sie wird nicht besser! (Abg. Pirklhuber: Auch nicht im …!) Das sollte man sich jetzt einfach klar vornehmen und anschauen, wie dann aufgetreten wird, und zwar ab morgen.

Es geht um diesen Sonderklagsweg der vor allem großen Konzerne – KMUs in Öster­reich und Deutschland sind ja auch reihenweise gegen diese Abkommen, denn sie se­hen genau, dass ihnen da etwas vorgespielt wird, wovon sie nichts haben, sondern nur die großen Konzerne. Auch der Deutsche Richterbund ist genau aus dem Grund dage­gen, weil es keine rechtliche Notwendigkeit und schon gar keine Grundlage gibt und so weiter und so fort.

Aber nein, es wird darauf beharrt. Es war dort schon die gleiche Behübschung. Man nennt es neuerdings Investitionsgerichtshof, obwohl es mit einem normalen Gerichts­hof nichts zu tun hat. Es bleibt eine Reihe von Konzernprivilegien, die nachher noch privat behandelt werden, und man tut so, als ob das ein Gerichtshof wäre. Das allein ist schon zurückzuweisen! Nur das. Genau diesen Giftzahn kriegen Sie mit diesem be­hübschten Beipackzettel nicht heraus, denn da zählt die Materie des Vertrags. Das Schiedsgericht wird sich einen Deut darum scheren, was da irgendwer drum herum an Glasur verschüttet hat.

Jetzt wollen wir wissen, wie es morgen sein wird. Es geht ja auch nicht nur um einzelne inhaltliche Punkte, sondern um die sogenannte vorläufige Anwendung, die Kenner wis­sen es. Was ist also alleinige Sache des Parlaments der Union? Was soll auch hierher kommen?

Das finde ich ja jetzt schon den Gipfel der Frechheit: Dieses Parlament ist nicht dabei, wenn darüber verhandelt wird, was hier abgestimmt und was woanders abgestimmt wird. Das ist nicht hinnehmbar! Wo passiert das? – Irgendwo rund um die Handelsmi­nister, das alles kann man nicht einmal mehr in den vertraulichen Protokollen nachvoll­ziehen, vermutlich aber morgen und übermorgen.

Es ist ja nicht mehr viel Zeit. Es ist ja nur mehr ein Monat Zeit, und ich bitte Sie, Frau Staatssekretärin, hier Aufklärung darüber zu liefern, was die gemeinsame, abgestimm­te Position bezüglich der vorläufigen Anwendung betrifft, wo es genau darum geht, dass Sie noch weniger zu reden haben, als Sie ohnehin schon zu reden haben.

Insofern ist darauf großes Augenmerk zu legen. Ich mache Sie noch einmal darauf auf­merksam, dass es bindende Stellungnahmen dieses Hauses gibt – sagen Sie das dem Herrn Kanzler und dem Herrn Vizekanzler, der morgen dorthin fährt , die einerseits auf der Landeshauptleutekonferenz beruhen – das sind jetzt nicht unbedingt unsere Freun­de, aber auch dort gibt es luzide Momente. Die haben nämlich eine verfassungsmäßig bindende Stellungnahme verabschiedet, die genau diese vorläufige Anwendung the­matisiert und die Schiedsgerichte ausdrücklich draußen haben will. Das ist nach der österreichischen Verfassung bindend.

Der Hauptausschuss des Nationalrates hat sich darauf bezogen, hat das am 22. Juni dieses Jahres inhaltlich aufgenommen und hat sie – die Bundesregierung, meine ich jetzt – ebenfalls gebunden. Also insofern könnte ja eine gemeinsame, abgestimmte Posi­tion zumindest bei den größten Problemen existieren, aber nicht, weil sich Kanzler und Vizekanzler und Rot und Schwarz einig sind, sondern weil dieses Parlament etwas zu­stande gebracht hat.


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Wir wollen also wissen, ob sich die Vertreter der österreichischen Bundesregierung an die Parlamentsvorgaben halten.

Ganz zum Schluss: Wie geht das, wenn der Herr Kanzler das Ganze zumindest ent­schleunigen will oder die wichtigsten Punkte reparieren will, indem er im Rat ankündi­gen lässt, dass Österreich nicht zustimmen wird?

Ja, es gibt dort eine qualifizierte Mehrheit, das bringen nur immer alle durcheinander, es gibt aber auch völkerrechtliche Bestimmungen für diese Staatsverträge, die dann vorsehen, dass jeder extra unterschreiben muss. In Österreich haben wir folgendes Prozedere: einstimmiger Beschluss der Bundesregierung, Beauftragung über den Bun­despräsidenten – also jetzt über Ihr Präsidium, Herr Präsident (in Richtung des Abg. Hofer) – an das zuständige Mitglied, und das ist jetzt im Vorfeld der Herr Vizekanzler. Würde er morgen gefragt werden, müsste er sagen: Nein, bei uns schaut es so und so aus, weil das Parlament und die Bundesländer das so beschlossen haben. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Stellen Sie sicher, dass er das macht, andernfalls setzt Herr Kern da die übliche „Kro­nen Zeitung“-Linie seines Vorgängers fort, wo er irgendwas erzählt und dann etwas an­deres macht.

Wenn es darauf ankommt, am 27. oder 28. Oktober, müsste Österreich eigentlich auf­grund der Beschlusslage die Unterschrift verweigern.

Wir wollen wissen, wie das ist. Was also ist das Gemeinsame und Abgestimmte? Bitte erklären Sie uns das! (Beifall bei den Grünen.)

15.12


Präsidentin Doris Bures: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar zu Wort gemeldet. Frau Staatssekretärin, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.12.24

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wie Sie ja wis­sen, befindet sich Bundeskanzler Christian Kern anlässlich der UNO-Generalversamm­lung derzeit in New York. Ich darf heute deshalb hier in seiner Vertretung sprechen.

Österreich ist eine offene Volkswirtschaft. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Vertretung von Mitterlehner …?) – Ich vertrete den Bundeskanzler im Parlament. (Anhaltende Zwi­schenrufe.) Österreich ist eine offene Volkswirtschaft, und gerade diese Offenheit hat dazu beigetragen, dass wir über Jahrzehnte auch eine hohe Beschäftigung hatten. Die­se Offenheit hat auch zum Wohlstand breiter Bevölkerungsgruppen beigetragen, und auch in Zukunft soll Österreich von einer immer stärker integrierten globalen Wirtschaft profitieren können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, in der Tat, Handel und wirtschaftliche Integration können den Wohlstand aller Betei­ligten erhöhen, allerdings ist eines klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Regeln des globalen Handels müssen aktiv gestaltet werden (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm), denn der globale Handel ohne entsprechende Spielregeln kann zwar den Wohlstand als solchen erhöhen, aber nicht notwendigerweise zwischen allen Men­schen gerecht verteilen.

Daher ist es unsere Aufgabe als Politik, sicherzustellen, dass globaler Handel in un­serer Gesellschaft allen zugutekommt und es keine Verlierer gibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. Zwischenruf des Abg. Pirklhuber. Abg. Schieder: Pirklhuber ist für Verlie­rer!)

Ohne entsprechende Spielregeln nimmt globaler Handel eben keine Rücksicht auf das Klima, auf die Umwelt, ohne entsprechende Spielregeln nimmt der globale Handel auch


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keine Rücksicht auf demokratische Entscheidungsprozesse. Er führt auch nicht, so wie wir erst jetzt wieder gesehen haben, zu einer fairen Steuerleistung derjenigen, die oft­mals auch am meisten davon profitieren. Wir haben daher sicherzustellen, dass all dies geschieht.

Das heißt, unsere Aufgabe ist es, zu schauen, dass politische Gestaltungsspielräume größer werden und nicht eingeengt werden, denn dies ist eine grundsätzliche Voraus­setzung dafür, dass wir den Herausforderungen einer globalisierten Welt auch begeg­nen können. Die Balance darf sich nicht zugunsten globaler Konzerne und zulasten de­mokratischer Entscheidungen verschieben. (Abg. Pirklhuber: Dann gibt es keine Un­terzeichnung!)

All dies gilt auch für CETA, denn – ich möchte das hier klarstellen : Wir sind natürlich für den globalen Handel, wir sind für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehung mit Kanada als wichtigem Partner und gutem Freund. Mit Kanada verbindet uns oftmals mehr, als uns trennt. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Gerade hier gäbe es eine große Chance, auf gemeinsamen Grundprinzipien aufzubauen und Vorbild dafür zu sein, den Welthandel sozial und gerecht zu gestalten.

Bei unserer Entscheidung, sehr geehrte Abgeordnete, nämlich ob Österreich diesem Ab­kommen zustimmen soll oder nicht, haben wir als Politik auch die Aufgabe, die Chan­cen und Risiken abzuwägen. (Abg. Peter Wurm: Vertrag ist fertig!) Vor dem Hinter­grund der kritischen Haltung weiter Teile der Bevölkerung und vieler kritischer Be­schlüsse – im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden – müssen wir uns mit den Risi­ken besonders intensiv auseinandersetzen. (Abg. Peter Wurm: Vertrag ist ausverhan­delt, Frau Kollegin!) Das ist im Übrigen kein Populismus, sondern das zeigt politisches Verantwortungsbewusstsein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Bezüglich der Chancen sagen Experten, dass CETA einen positiven Beitrag zum BIP der EU leisten kann. Die Europäische Kommission geht allerdings von einem Effekt in der Größenordnung von 12 Milliarden € aus. Das entspricht im Grunde genommen ja etwas weniger als 0,1 Prozent des BIP der EU, das heißt, selbst unter dieser Annah­me, im besten Fall, geht es um ein geringes Ausmaß.

Die Frage nach den Risiken ist wesentlich komplexer, denn die Risiken lassen sich nicht einfach so leicht quantifizieren. Die Frage ist eher, ob die Grundprinzipien, die ich Ihnen dargelegt habe, erfüllt werden oder ob in realistischen Szenarien die Gefahr be­steht, dass diese ausgehöhlt werden. Auch wenn CETA eine Weiterentwicklung im Vergleich zu früheren Abkommen darstellt – wie beispielsweise das Grundprinzip, das Recht des Staates auf regulatorische Maßnahmen, oder es gibt ja auch eigene Kapitel zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit –, gibt es durchaus nachvollziehbare Be­denken, die sich auf drei wesentliche Bereiche konzentrieren: erstens, den Investitions­schutz und den darin enthaltenen Streitbeilegungsmechanismus; zweitens, den Schutz der Daseinsvorsorge; drittens, die Durchsetzung der im Vertrag enthaltenen Prinzipien im Bereich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit.

Lassen Sie mich kurz ausführen: Im Bereich des Investitionsschutzes müssen wir uns schon die Frage stellen, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen wir zulassen möchten und können, dass Investoren jenseits der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Mög­lichkeit eingeräumt wird, Staaten zu klagen.

Wir dürfen jedenfalls nicht zulassen, dass Staaten regulatorische Maßnahmen im Inter­esse der Bevölkerung nicht setzen können oder nicht mehr wollen, weil das Risiko zu hoher Schadenersatzforderungen und Schadenersatzzahlungen diese Vorhaben hemmt.

Wir sehen diese Frage daher auch als einen ganz zentralen Punkt, als einen der ganz wesentlichen Bereiche des Abkommens (Abg. Pirklhuber: Das ist deutsche Posi­tion …!), über die jedenfalls hier im Hohen Haus beraten und entschieden werden muss.


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Im Bereich der Daseinsvorsorge muss immer gelten, dass gesetzte Liberalisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen nicht unumkehrbar sind, denn gerade die Daseins­vorsorge ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für soziale Gerechtigkeit und Teilhabe in unserer Gesellschaft.

Zum dritten Bereich, nämlich der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit: Viele Kri­tiker sind skeptisch, ob das Abkommen tatsächlich einen Beitrag zur effektiven Durch­setzung der geforderten Standards leisten kann. Es stellt sich natürlich die Frage, wa­rum eigentlich im Investitionsschutz zusätzliche Maßnahmen geschaffen werden (Ruf bei der SPÖ: Genau!), um Interessen durchzusetzen, während in anderen Bereichen aber auf solche Maßnahmen verzichtet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! In diesen kriti­schen Bereichen, die ich jetzt genannt habe, muss es daher zu wesentlichen Verbes­serungen kommen, bevor es auf europäischer Ebene zu einer Entscheidung über den Vertrag kommt. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.19


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Mag. Schieder zu Wort. Die Redezeit beträgt 5 Mi­nuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


15.20.02

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einerseits ist es eine wichtige Debatte, ande­rerseits ein recht ungünstiger Zeitpunkt, denn vor 20 Minuten hätte ja das Treffen der kanadischen Handelsministerin mit allen Abgeordneten stattfinden sollen beziehungs­weise hat dieses auch begonnen. Ich meine, dass es notwendig und auch wichtig ist, mit der Kollegin aus Kanada zu diskutieren – aber so ist das eben. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Kogler.)

Betreffend die Enttäuschung des Kollegen Kogler darüber, dass jetzt nicht Vizekanzler Mitterlehner da ist, muss ich sagen: Das hängt halt davon ab, an wen man die Anfrage stellt. Wenn er Vizekanzler Mitterlehner hätte sehen wollen, hätte er die Anfrage auch an ihn stellen können und müssen – aber das ist ja an sich auch egal, denn es geht ja um die Inhalte.

Kommen wir zum Inhalt. Erster Punkt: Die große Frage, die hinter der CETA- und TTIP-Debatte steht, ist ja in Wirklichkeit: Wie wollen wir in Zukunft die Globalisierung gestalten? – Es gibt zwei Ansätze, die in entgegengesetzte Richtungen gehen. Der ei­ne ist jener, wie ihn auch Joseph Stiglitz beschreibt: Die Konzerne versuchen, durch die Hintertür, durch geheim verhandelte Handelsabkommen zu kriegen, was sie im of­fenen politischen Prozess nicht erreichen können. – Das ist der Eindruck, der sich bei CETA und bei TTIP nachhaltig verschärft. (Abg. Pirklhuber: So ist es!)

Andererseits geht es auch darum, dass wir wissen: Ein Zurück in den reinen Natio­nalstaat geht auch nicht – wir brauchen eine fortschrittliche Handelsagenda, die Men­schenrechte, Umweltrechte, Arbeitnehmerrechte und all diese Dinge mit einschließt.

Damit kommen wir zum Unterschied zwischen CETA und TTIP. Bei TTIP ist es klar: Die US-amerikanische Seite rennt für die Liberalisierung genauso wie andere. Bei CETA hingegen habe ich oft den Eindruck, dass manche europäische Positionen – kri­tische Positionen, so wie wir sie auch mehrheitlich hier im Parlament haben – und die kanadische Position viel näher beieinander sind als das, was die europäischen Chef­verhandler in Form der Europäischen Kommission vertreten. Da habe ich manchmal, wenn Sie so wollen, den Eindruck – um einen Film zu zitieren –, dass da der Feind im eigenen Bett agiert und die Europäische Kommission auch versucht, ihre Liberalisie­rungsagenda in dieser Debatte einzubringen.


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Was sind die kritischen Punkte in Bezug auf CETA? – Einerseits die ICS, eine Weiter­entwicklung von ISDS, wobei sich nach wie vor zwei Fragen stellen, erstens: Brauchen wir solche Mechanismen überhaupt? Zweitens: Wenn wir einen Handel mit fairen Re­geln wollen, brauchen wir da nicht vielmehr eine internationale Gerichtsbarkeit, die nicht die nationalen Staaten aushöhlt? Und da stellt sich noch die Frage, ob diese Abkommen diese Anforderungen erfüllen. Bis jetzt sind, glaube ich, die Kritik und die Skepsis berechtigt.

Der zweite Punkt betrifft das „right to regulate“. Ist sichergestellt, dass nationalstaatli­che Entscheidungen über Umweltstandards, über politische Linien, über Weiterentwick­lungen, über sozialrechtliche Standards auch wirklich nicht durch die Hintertür ausge­höhlt werden können? – Auch da gibt es berechtigte Skepsis, und das, was wir bisher gehört haben, räumt diese Zweifel nicht aus.

Dritter Punkt: Sozial- und Umweltstandards, Vorsorgeprinzip. Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, die ILO-Normen, sind zwar alle erwähnt, aber nicht so einklagbar wie die Profite beziehungsweise die entgangenen Profite von Un­ternehmen. Das ist für mich kein Level Playing Field, wie es in der Finanzwelt heißt, zwischen Arbeitnehmerinteressen und Investoreninteressen, und das stimmt mich da­her sehr skeptisch.

Ein weiterer Punkt ist die Daseinsvorsorge. Das, was wir als öffentliche Dienstleistun­gen bezeichnen, seien es die Gesundheit, die Bildung, die Kinderbetreuung, die Müll­abfuhr, der Sport, der soziale Wohnbau, all diese Dinge müssen geschützt werden, und zwar eindeutig geschützt werden. Das kann ich im Text leider bis heute noch nicht ent­decken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie ist jetzt die österreichische Position? – Ich glaube, für uns als Nationalrat ist das recht einfach: Wir haben hier Entschließungsanträge beschlossen, die klarmachen: Die­se Standards dürfen nicht ausgehöhlt werden, und die politischen Standards dürfen nicht ausgehöhlt werden. Das sehen übrigens die Landeshauptleute in ihrer Konferenz genauso wie wir. Und an diesen Kriterien werden wir das vorliegende Abkommen mes­sen. Es ist ganz einfach: Wenn sich noch etwas fundamental ändert, dann kann man darüber diskutieren, ob man doch zustimmt, wenn sich nichts ändert, dann ist es mei­ner Meinung nach ein schlechtes Abkommen. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Das ist die Position, an die wird sich auch die österreichische Regierung halten, denn der Entschließungsantrag hat ja genau das an die Regierung so weitergegeben. Ich glaube, jetzt fängt die Diskussion erst so wirklich an, da muss man inhaltlich diskutie­ren, da muss man scharf diskutieren, da muss man aufseiten der Arbeitnehmerrechte, aufseiten der Umweltrechte, aufseiten der politischen Rechte der Nationalstaaten agie­ren. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Man braucht sich auch vor nichts zu fürchten: Wenn man das Abkommen kritisch ein­schätzt und diese Kritik berechtigt ist, dann wird man das auch bis zum Schluss durch­argumentieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

15.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haub­ner. – Bitte.

 


15.25.38

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier vor Kurzem eine große Enquete zum Thema CETA gehabt, da haben wir verfolgen können, dass einerseits manche Experten Standpunkte vertreten haben, die CETA kritisch sehen, aber genauso haben andere Experten gesagt, dass dieses Abkommen gut ist.


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Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat erst gestern gesagt: „Ceta ist ein echter Quantensprung gegenüber all den schlechten Abkommen, die wir beschlossen haben.“ – Wir haben ja alle Abkommen hier im Haus beschlossen, und jetzt machen wir mit diesem Abkommen einen Quantensprung – da muss man ganz ehrlich sagen, da stelle ich die Frage, was diese Diskussion hier jetzt bezweckt. (Ruf bei der FPÖ: Deswegen hat ja die SPD in Deutschland 19 Prozent!) 

Gerade Österreich als kleines Land, in dem 60 Prozent im Export verdient werden, wo jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export abhängig ist, braucht Handels­abkommen. Die Frau Staatssekretärin hat es ja auch gesagt: Der globale Handel ist wichtig, und er soll allen zugutekommen – so ist es ja, er kommt den Unternehmen zu­gute und er kommt den Arbeitnehmern zugute. Ich meine, das ist ein wesentlicher Punkt dieses Abkommens.

Wenn man jetzt sagt, wir werden das jetzt wieder neu verhandeln: CETA ist fertig ver­handelt, das ist Realität, das wissen wir alle! Seit 2009 wurde CETA verhandelt und ist eines der bestverhandelten Abkommen. Ich denke, dass wir jetzt nicht mehr kapitel­weise aufschnüren können. Alle Beteiligten sind in diese Verhandlungen eingebunden gewesen, auch wir von der Wirtschaft, wir haben unsere Standpunkte eingebracht und diese haben in diesem Abkommen Berücksichtigung gefunden. (Abg. Pirklhuber: Das stimmt doch nicht!)

CETA sieht die Abschaffung von Zöllen für 99 Prozent der Waren vor, das heißt, das ist eine echte Erleichterung für beide Seiten. (Abg. Pirklhuber: Wie hoch ist denn der Zollsatz derzeit?) Auch die Frau Staatssekretärin hat gesagt – ich darf sie zitieren –, dass Österreich und Kanada beziehungsweise die EU und Kanada ja viel verbindet. Ich denke, wir sollten auf jeden Fall darauf schauen, dass wir dieses Abkommen zu ei­nem guten Ende bringen.

Der Investitionsschutz wurde auf Betreiben vieler Nationen, aber speziell auch wieder von Sigmar Gabriel, 2014 neu verhandelt. Damals wurden wesentliche Teile des von der Europäischen Kommission entwickelten neuen Ansatzes eines bilateralen Investi­tionsgerichts verankert. Dazu gehören unter anderem die Berufungsinstanz, öffentlich ernannte Richter und eine explizite Verankerung des Rechts der Staaten, Regulierun­gen nach eigenem Ermessen vornehmen zu können.

Eines darf man ja auch nicht vergessen: Österreich hat ja schon 60 Investitionsschutz­abkommen geschlossen. (Abg. Kogler: Das sind ja andere!) Wenn jetzt alle sagen, CETA sei eines der bestverhandelten Abkommen, dann sollten wir schon darauf ach­ten, dass wir als Österreich in der EU auch unsere Glaubwürdigkeit behalten, denn das ist ja auch ein ganz wesentlicher Punkt. Die österreichische Regierung hat ja in diesem Punkt bis jetzt auch eine einheitliche Sprache gesprochen. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie vielleicht dem Herrn Bundeskanzler eines ausrichten könnten: Bei allem Verständnis für Parteibefragungen – aber meines Erachtens kann es doch nicht sein, dass 7,5 Prozent der Mitglieder der SPÖ, also 14 000 Personen, über ein Abkommen zwischen der EU und Kanada entscheiden, das sieben Jahre lang, seit 2009, ausführlich verhandelt wurde. Es geht um den Standort Europa und es geht um den Wirtschaftsstandort Österreich. (Abg. Pirklhuber: Fragen Sie einmal Ihre Mit­glieder! – Abg. Kogler: Ja eh!)

Hannes Androsch – der ist Ihnen nicht ganz fremd, meine ich – hat gesagt:

„Wenn von 8,6 Millionen Einwohnern nur 200.000 (die SPÖ-Mitglieder, Anm.) befragt werden, ist das schon einmal kein ernsthaftes Quorum. Und wenn von diesen 200.000 nur 14.000 gegen CETA sind, dann sind 186.000 dafür.“ – Man kann das also auch von einer anderen Seite sehen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Ich möchte noch ein Zitat bringen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 123

„Ohne Freihandel wird es nicht gehen. Es würde bedeuten, dass wir abgeschottet sind, ähnlich wie in der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit. Damals herrschten Not, Armut und Hunger. Ein kleiner Binnenstaat wie Österreich braucht den Zugang zu den Märk­ten und braucht offene Grenzen. Und nicht die Schrebergartenwirtschaft, mit der wir uns in früheren Zeiten mehr schlecht als recht über Wasser gehalten haben. Den Wohl­stand, den wir heute haben, könnten wir uns dann nicht mehr leisten.“ (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) – Meine Damen und Herren, das stammt auch von Hannes An­drosch.

Ich denke, CETA ist eine große Chance, und wir sollten auf dem Weg, den die Regierung bisher eingeschlagen hat, bleiben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Gamon.)

15.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kassegger. – Bitte.

 


15.31.00

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Danke, Frau Präsidentin! (Ruf bei der FPÖ: Jetzt geht’s los!) – Jetzt geht’s los! Ich bin etwas erstaunt, dass die SPÖ jetzt nach sieben Jahren draufkommt, Dinge neu verhandeln zu wollen, da gebe ich dem Kollegen Peter Haubner durchaus recht. Diese Dinge werden seit 2009 verhandelt, der Standpunkt der SPÖ war über lange Zeit auch jener, dass CETA und TTIP grundsätz­lich gut sind. Es hat leichte, vorsichtige Anmerkungen gegeben, dass das mit den Schiedsgerichten vielleicht nicht so optimal sei, aber grundsätzlich war das Signal der SPÖ über lange Jahre – bis eben Bundeskanzler Kern gekommen ist –, dass die SPÖ diesen beiden Abkommen durchaus zustimmt.

Bundeskanzler Kern ist leider nicht hier, ebenso wenig Herr Vizekanzler Mitterlehner, die jetzt hier die Ansprechpersonen wären, die Frage ist nämlich – und da gebe ich den Vorrednern auch recht –: Was ist jetzt die Linie der Bundesregierung? (Abg. Kogler: Das war ja die eigentliche Frage!) Ich sehe keine Linie der Bundesregierung, ich sehe sie nicht, ich sehe in Wirklichkeit diametral unterschiedliche Zugänge. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Die ÖVP, zumindest die Führungsspitze der ÖVP – bei den ÖVP-nahen klein- und mit­telständischen Unternehmen schaut es wahrscheinlich anders aus –, aber zumindest die Führungsspitze der ÖVP ist bedingungslos und vorbehaltlos für CETA und TTIP. Die SPÖ hat in den letzten Monaten unter Kern einen deutlichen Schwenk vollzogen. Wenn ich das richtig deute, gibt es da einige Dinge, über die sie nicht drüber kann, ins­besondere die Schiedsgerichte.

Einen klaren Standpunkt vertritt diesbezüglich seit Jahren die Freiheitliche Partei: Wir haben von Beginn an gesagt, wir müssen zum einen diese Freihandelsabkommen in einzelnen Punkten kritisch und genau analysieren und dürfen zum anderen eben nicht nur die vermeintlichen Vorteile betrachten, sondern wir müssen auch die potenziellen Risken – die werden ja immer ausgeblendet – sehr wohl auch zur Kenntnis nehmen.

Wenn wir bei der Enquete hören, dass derzeit überhaupt nur 1 Prozent der klein- und mittelständischen Unternehmen in die USA exportiert, dann muss ich doch ins Kalkül ziehen, dass für die übrigen 99 Prozent durch diese Marktöffnung sehr wohl potenzielle Nachteile entstehen werden und eintreten werden. Das wird von der ÖVP völlig ausge­blendet.

Noch einmal zur Regierung: Wie gesagt, ich bin verwirrt, was den Standpunkt der Re­gierung betrifft, und das nicht nur hinsichtlich CETA. (Zwischenruf des Abg. Wögin­ger.) – Ich bemühe mich, das zu verstehen (Abg. Wöginger: Das haben wir schon län­ger!) und strenge mich mit all meiner geistigen Kompetenz, die mir zur Verfügung steht, an, aber ich bin trotzdem verwirrt. Ich werde Ihnen auch erläutern, warum.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 124

CETA und TTIP sind eine Sache, bei der Kern in Wirklichkeit diametral das Gegenteil dessen sagt, was die ÖVP von sich gibt. In der Wirtschaftspolitik heißt es jetzt, wir müs­sen Investitionen der öffentlichen Hand fördern – bitte, Sie wissen ebenso wie ich, dass das nichts anderes als neues, extensives Schuldenmachen ist. Das passt jetzt nicht wirklich mit Ihrer Linie des ausgabenseitigen Sparens zusammen. Ich glaube auch nicht, dass die Maschinensteuer, die Vermögensteuer und ähnliche Vorschläge mit Ih­rem Zugang – auch nicht mit unserem! – übereinstimmen. (Abg. Katzian: Bewerbungs­rede?)

Das letzte Zeichen betrifft die Änderung der Gewerbeordnung, wo wir doch wissen, dass die neben allen sinnvollen Dingen, die da passieren, faktisch zu einer deutlichen Einnahmenreduktion bei den Wirtschaftskammern führt. Das ist jetzt auch nicht beson­ders freundlich vom Herrn Bundeskanzler in Richtung des Koalitionspartners. (Abg. Wö­ginger: Ist das eine Mediation?) – Nein, aber vielleicht habe ich Ihnen jetzt ein biss­chen erklären können, warum ich verwirrt bin.

Abschließend noch eine Sache: Gestartet ist diese neue Regierung mit einem State­ment von Vizekanzler Mitterlehner – nach dem „New Deal“ von Kern, von dem wir heu­te noch nichts sehen. Bitte, die Regierung ist seit 120 Tagen im Amt, schauen Sie sich die Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung an, das ist doch ein Eingeständnis des Nichtstuns, diese Dünne! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich, was die letzten 120 Tage geschehen ist. Normalerweise gibt man neu­en Regierungschefs 100 Tage Zeit, diese Zeit ist schon längst überschritten. Die heuti­ge Tagesordnung: keine einzige Gesetzesvorlage, sieht man von der Korrektur des Wahl­debakels ab.

Ich zitiere also Vizekanzler Mitterlehner:

„Ich habe die Rede“ – nämlich die Rede Kerns – „gehört. Ich will, unsere Seite will auch, und wenn wir gemeinsam die Probleme angehen, sollten sich Anspruch und Wirklich­keit miteinander verbinden lassen. Auf gute Zusammenarbeit – wir gehen die Sache an.“ – Anspruch und Wirklichkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

15.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pirkl­huber. – Bitte. (Abg. Peter Wurm: Bei der Wahrheit bleiben!)

 


15.36.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Staatssekretärin! Frau Präsidentin! Ich habe um 9 Uhr in der Früh gehört, dass heute der Kanzler durch Vize­kanzler Mitterlehner vertreten wird, ich habe nun zur Kenntnis genommen, dass er sich weiter vertreten lässt durch die Frau Staatssekretärin – seis drum! (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Klüger wäre es gewesen, hierher ins Parlament zu kommen. Warum? – Weil offen­sichtlich ist – und auch faktisch bewiesen, allein durch die Ausführungen der Kollegin­nen und Kollegen –, dass es keine gemeinsame, abgestimmte Position der Bundesre­gierung gibt, offensichtlich auch keine der Fraktionen SPÖ und ÖVP.

Meine Damen und Herren, es gibt jedoch eine gemeinsame Position unseres National­rates, des Bundesrates, der Landeshauptleute. Eine solche ist vorhanden, und ich möch­te schon sagen, die österreichische Bevölkerung ist auch nicht blöd, die schaut auch genau hin: Was ist gesagt worden, wer hat was gesagt, und wie wird dann entschie­den?

Da möchte ich eines aufgreifen: Frau Staatssekretärin, Sie haben klar gesagt – ich ha­be genau zugehört –, bevor dieses Abkommen unterzeichnet werden könne, brauche


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 125

es noch wesentliche Veränderungen. Diese Auffassung teile ich – aber das bedeutet konkret Nachverhandlungen, das bedeutet konkret kein Unterzeichnungsfahrplan mit 27. oder 28. Oktober, und darüber sollten wir uns heute klipp und klar verständigen: Das ist nicht einlösbar!

Die Aufgabe, die der Herr Wirtschaftsminister hat, ist, das auch auf europäischer Ebe­ne klarzumachen. Bitte sorgen Sie dafür, dass diese Information aus dem Nationalrat rechtzeitig an Vizekanzler Mitterlehner geht, damit nicht nachher wieder die Dinge an­ders dargestellt werden, als sie tatsächlich sind.

Eines möchte ich auch einmal sagen, weil hier immer wieder behauptet wird, jetzt am Schluss kommen kritische Argumente: Ja, bei TTIP war es genau umgekehrt! Jeder sagt, da könne man noch nicht endgültig beurteilen, nichts sagen, weil ja noch kein Text vorliegt. Jetzt bei CETA liegt er vor, wir haben unsere kritischen Argumente, wir bringen sie ein, und wir wollen auch, dass diese Argumente der Bevölkerung, der NGOs, der Gewerkschaften richtig beurteilt, bewertet und eingebunden werden. Das ist jetzt das Erfordernis, das ansteht.

Meine Damen und Herren, Kollege Haubner hat ja erwähnt, dass die Enquete stattge­funden hat. – Ja, nach viel, viel Druck von der Bürgerinitiative, getragen eben von den verschiedenen NGOs, und auch mit der Unterstützung hier im Haus haben wir sie zu­stande gebracht. Wenn man da den Expertinnen und Experten zugehört hat, wirklich zugehört hat, dann war das schon sehr spannend. Ich möchte ein paar Dinge hier zitie­ren.

Dr. Raza von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung hat ausgeführt:

„Man muss ganz klar sagen, Handelsabkommen der neuen Generation, wie TTIP, aber auch CETA, sind keine Handelsabkommen im traditionellen Sinn, sondern im Kern Re­gulierungsabkommen.“

Meine Damen und Herren, er hat dafür Paul Krugman zitiert, der Ähnliches internatio­nal formuliert hat. Es geht da nämlich um Disziplinierung von nationalstaatlichen Regu­lierungen, unter Umständen um Disziplinierung von sozialen und ökologischen Stan­dards, die einzelne Nationalstaaten, einzelne Regionen umgesetzt haben.

Besonders enttäuscht war ich bei dieser Enquete vom Kollegen Mitterlehner, denn was hat er dort gesagt? – Ich zitiere wörtlich aus dem vorläufigen Protokoll (Zwischenruf des Abg. Kassegger):

„Daher profitieren vor allem die KMUs, und natürlich profitiert davon auch die Landwirt­schaft. Warum die Landwirtschaft? – Weil gerade Produkte wie Wein, Lebensmittel et cetera, wenn sie zollbegünstigt sind, einen ganz anderen Markt vorfinden. Sagen Sie außerdem auch nicht, dass wir das nicht brauchen, denn da schaue ich mir nur einmal die Überschüsse unserer Landwirtschaft an!“ – Sagt der Wirtschaftsminister.

Da warte ich auf den Aufschrei der Bäuerinnen und Bauern diesseits (in Richtung ÖVP) und in der Praxis. (Abg. Steinbichler: Verdächtig ruhig ist es bei der ÖVP!) Kollegin­nen und Kollegen von der ÖVP, befragen Sie Ihre Mitglieder einmal, befragen Sie die Bäuerinnen und Bauern, was sie von dieser Aussage halten, wenn wir Zollkontingen­te – 50 000 Tonnen Rindfleisch, 75 000 Tonnen Schweinefleisch, 100 000 Tonnen Wei­zen – zusätzlich zollbefreit importieren! Das ist doch keine Ansage für die Landwirt­schaft, die ohnehin wirklich extreme Probleme und Schwierigkeiten hat!

Was auch bezeichnend war: Professor Breuss vom Österreichischen Institut für Wirt­schaftsforschung hat klar gesagt, Kanada öffnet sich für einen größeren Markt, und wie es immer ist, wenn sich ein Land für einen größeren Markt öffnet, gewinnt dieses Land mehr, also Kanada. – Das sind ganz klare Aussagen: Kanada wird mehr profitieren.


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Jetzt noch zu den Schiedsgerichten: Das sind ja Nebenverfassungen bitte, das ist ein Nebenverfassungsgericht, das hier eingeführt wird. Dazu haben ja nur privilegierte Un­ternehmungen und Konzerne Zugang, aber nicht Bürgerinnen und Bürger, das muss man schon klipp und klar festhalten. Lesen Sie, wie gesagt, die Unterlagen der En­quete, und Sie werden feststellen, dass die Expertinnen und Experten ganz große Be­denken haben. – Daher: Zurück an den Start! Wir müssen neu verhandeln, und dafür werden wir uns in diesem Haus noch massiv einsetzen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

15.41


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich Ihnen, Herr Abgeordneter Schellhorn, das Wort erteile, möchte ich die kanadische Ministerin für internationalen Handel, Frau Freeland, recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.) Sie wird unserer Debatte einige Minuten folgen und dann in eine Aussprache mit Abgeordneten des Hauses gehen.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


15.42.07

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Frau Staatsse­kretär! Sie haben eingangs erwähnt, es geht um eine gemeinsame Linie, eine abge­stimmte Meinung. Es geht aber auch um ein Informationsdefizit. Da gebe ich Kollegen Kogler völlig recht, es ist hier eine totale Verantwortungslosigkeit gegeben, weil Sie die Bürger viel zu spät darüber informiert haben, worum es eigentlich geht.

Es ist schiere populistische Verantwortungslosigkeit, gegen CETA zu sein. Das bedeu­tet nämlich, gegen Wachstum, gegen Arbeitsplatzsicherung und gegen Absicherung des Wohlstandes zu sein. Es sollte uns ganz klar sein, wohin es geht.

Ich verstehe Kollegen Pirklhuber nicht, wenn er sagt, 60 000 Tonnen Rindfleisch kom­men zu uns (Abg. Pirklhuber: 50 000 habe ich gesagt!) – oder 50 000, ist ja egal. – Die kommen nach Europa, nicht nach Österreich, das haben Sie vergessen! (Abg. Pirkl­huber: Ich habe gesagt, Import …!) Damit fängt es einmal an, mit der ehrlichen und kla­ren Titulierung, wohin es geht. (Beifall bei den NEOS.) Diese 50 000 sind 0,6 Prozent des gesamten EU-Volumens, und wenn Sie hier mit Regionalität kommen – lieber Kol­lege Pirklhuber, da sind wir ohnehin einer Meinung –, glaube ich, dass Sie einfach im­mer wieder Angstmache betreiben. (Ruf bei der ÖVP: Ja, genau! – Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Es besteht ja damit gerade die große Chance für die Bauern, sich zu spezialisieren – alle Experten sagen, dass das das am besten ausgehandelte Abkommen ist – und das dementsprechend fortzuführen. (Abg. Pirklhuber: Frag die Bauern!) Das ist die Chan­ce für die Bauern, nicht am Tropf des Kollegen Rupprechter zu hängen, nicht am För­derungstropf zu hängen, sondern Spezialisierung vorzunehmen. (Abg. Pirklhuber: Das müsst ihr den Bauern erst erklären, wie das funktionieren soll!) Das ist ein klassisches Beispiel dafür, wie es um Regionalisierung geht und wie es kommen sollte, dass wir in den allgemeinen Wettbewerb eingehen. Und die Bauern können es auch, die guten Bau­ern schaffen es heute schon, und dazu brauchen sie nicht einmal CETA, aber CETA würde ihre Chancen massiv erhöhen. (Abg. Pirklhuber: Wissen Sie, was die durch­schnittlichen Landwirte in Kanada haben?)

Nun zur offenen Gesellschaft, von der die Frau Staatssekretärin gesprochen hat, und zu den entsprechenden Spielregeln, die ausverhandelt wurden. Sie hat Folgendes ge­sagt: Man braucht Fairness, man braucht Fairness bei der Steuerbelastung. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Das ist ein europäisches Thema und kein Thema zwi­schen Europa und Kanada. Wie kommt man darauf? Das, was wir brauchen und was Sie sich auf die Stirn schreiben sollten, ist Fairness gegenüber den Bürgern. Sie ma­chen jetzt den Bürgern etwas vor: dass hier noch nachverhandelt werden sollte. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 127

Wie und wo und was? Man kann nicht mehr nachverhandeln, CETA ist ausverhandelt, und es sollte eine klare Stellungnahme dafür geben, dass dieses CETA-Abkommen end­lich ratifiziert, endlich unterzeichnet wird und endlich in Kraft treten kann. Alles andere ist gegen Wachstum, gegen Arbeitsplatzsicherung, gegen Wohlstandssicherung, das soll­te uns klar sein. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinbichler: Wo steht denn das? – Abg. Pirklhuber: Sie waren ja nicht auf der Enquete! Sie haben keine Ahnung!)

Wenn es darum geht, kann man auch das von Bundeskanzler Kern vielzitierte iPhone wieder thematisieren: Woher kommt das iPhone? Wie wird es gemacht? Mit wie vielen Zöllen ist es belastet? Wohin geht es? Wir sollten gerade den Klein- und Mittelbetrie­ben die Chance geben, durch das Beseitigen von Barrieren mehr zu erwirtschaften. Wir sollten ihnen die Freiheit geben, mit denen ein Geschäft zu machen, mit denen sie es wünschen. Und wir sollten vor allem an die Eigenverantwortlichkeit des Kunden denken.

Jetzt komme ich noch einmal auf die Landwirtschaft zurück, auf die große Angstmache mit dem Chlorhuhn. Jürgen Trittin, ein Gesinnungskollege von Ihnen, hat gesagt, er wis­se nicht, was klüger sei, das Antibiotikum dem Huhn vorher zu verabreichen oder das Huhn danach in Chlor zu tauchen. – Wenn es nach Ihrer Logik ginge, dann hätte das Biohuhn im Supermarkt heute schon ausgedient und es würde nur mehr Billigware ge­kauft werden. (Abg. Steinbichler: Das ist ja eine infame Unterstellung, Herr Kollege! Unerhört, was du sagst! Mach die Augen auf!)

Wir glauben an die Eigenverantwortlichkeit und an die Mündigkeit des Bürgers, daran glauben wir, und daran sollte man eigentlich auch denken. Es liegt in Ihrer Verantwor­tung, für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze und für eine Wohlstandssicherung zu spre­chen, und darum sollte das CETA-Abkommen nicht erst im Oktober in Kraft treten, son­dern eigentlich schon morgen. Das ist der springende Punkt! – Danke vielmals. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinbichler: So ein Blödsinn! – Ruf bei der ÖVP: Super, Sepp!)

15.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dietrich. – Bitte.

 


15.47.08

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben vo­rige Woche zum Thema CETA und TTIP eine Enquete gehabt, und all jene Abgeordne­tenkollegen und -kolleginnen, die dabei waren, können – wenn sie die kritische Mei­nung vieler Experten ernst nehmen – sich hier nicht herstellen und diesem Handelsab­kommen ohne Wenn und Aber zustimmen.

Meine geschätzten Damen und Herren, Globalisierung ist gut, aber sie ist nicht das All­heilrezept. Globalisierung ohne Rahmenbedingungen bringt viele, viele Globalisierungs­verlierer, und diese Globalisierungsverlierer haben mit dem Ja zum Brexit geantwortet. Deshalb ist es mehr als richtig, verantwortungsvoll mit Abkommen umzugehen, die sich nicht nur auf den Handel beziehen, die – so sagen es Experten – das Ziel haben, ein­heitliche Standards, einheitliche Reglements zu schaffen.

Der Brexit ist ein Zeichen dafür, dass das Vertrauen in die Europäische Union verloren gegangen ist. Auf der anderen Seite ist die Antwort der Europäischen Union, dass sie weiter im stillen Kämmerchen dahinverhandelt, ohne die Sorgen und Ängste der Bevöl­kerung ernst zu nehmen.

Meine geschätzten Damen und Herren, unsere Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass das kein Handel auf Augenhöhe ist. Allein die Kernarbeitsnormen werden von Kanada nicht vollzogen, auch das ist ein Grund. Sogar der Vorsitzende des kanadischen Ge­werkschaftsbundes, Hassan Yussuff, sieht dieses Abkommen sehr kritisch und sagt, seine Arbeitnehmer sind nicht geschützt. Noch mehr müsste das für unsere Arbeitneh-


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mer gelten, und da frage ich mich: Wo ist im ÖAAB die kritische Stimme, die die Ar­beitnehmer vertritt? Es kann doch nicht sein, dass nur Politik für Großkonzerne, für Großunternehmen gemacht wird und die kleinen Strukturen auf der Strecke bleiben. (Bei­fall beim Team Stronach.)

Versprechungen, dass es ein Wirtschaftswachstum geben wird, hat es auch vor der EU-Osterweiterung gegeben – wir alle können uns noch daran erinnern –, da hat es auch solch eine Goldgräberstimmung gegeben. Im Nachhinein gibt es viele Unterneh­men, die draufgezahlt haben, die wegen der EU-Osterweiterung und wegen der fal­schen Versprechen sogar Pleite gemacht haben. Deshalb sollten wir, glaube ich, sorg­samer mit unserer Verantwortung gegenüber den Bürgern umgehen.

Es gibt unterschiedliche Studien, eine zum Beispiel von der US-Universität Tufts, die sagt, dass die EU bis 2023 200 000 Arbeitsplätze allein aufgrund von CETA verlieren wird. In Kanada werden 30 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Es gibt aber auch Stu­dien der Kommission, die das positiv darstellen wollen, die sagen, die EU wird von ei­nem Wirtschaftswachstum von 0,08 Prozent profitieren, Kanada von 0,76 Prozent. – Also sehr, sehr geringe Werte.

Meine geschätzten Damen und Herren, CETA ist eine Entmachtung der Parlamente. Es ist ein lebendiges Abkommen, an dem ein Ausschuss im stillen Kämmerchen weiter feilen kann, wie man Anhänge und Protokolle verändert. Das heißt, wenn wir heute et­was beschließen, wissen wir nicht, was morgen und übermorgen in diesem Abkommen stehen wird. – Deshalb unsere äußerst kritische Haltung. (Abg. Pirklhuber: Sehr rich­tig!)

Zur SPÖ: Es ist schon sehr verwunderlich, wenn derjenige, der die Abstimmung unter den Mitgliedern durchführt, dann in der „ZiB 3“ nicht einmal weiß, was CETA ist. – So viel zur Glaubwürdigkeit dieser Regierungspartei. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich bin schon neugierig, was der New Deal von Bundeskanzler Kern bedeutet. Ist der New Deal vielleicht, dass ein klares Nein der Bevölkerung zu CETA, ein klares Nein bei der Abstimmung Ihrer Parteikollegen zu einem „Ja, aber“ umgeformt wird? Ist das der New Deal? Ich freue mich schon zu sehen, wie die Parteimitglieder sich über die Ent­scheidung des Bundeskanzlers freuen werden. So viel zu seiner Glaubwürdigkeit, so viel zu dem, was er Neues an Stil, Neues an Engagement in dieses Land eingebracht hat. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich danke der Frau Staatssekretärin.

15.52.20Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme nun die Verhandlungen über Punkt 2 der Tages­ordnung wieder auf.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuchs. – Bitte.

 


15.52.34

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ) (fortsetzend): Danke, Frau Präsiden­tin! Ich darf meine Rede fortsetzen: Wie haben sich eigentlich diese massiven Mängel im Rechnungswesen des Bundes quantitativ ausgewirkt? – Der Rechnungshof beauf­tragte im Zuge der Prüfung Mängelbehebungen im Ausmaß von unfassbaren 3,919 Mil-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 129

liarden €. – Fast 4 Milliarden € Fehler im Rechnungswesen des Bundes. Ich glaube, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Besonders beschämend für die Reputation des Bundes ist die Feststellung des Rech­nungshofes, dass die Bundesministerien und die Obersten Organe die auf den Rech­nungen angeführten Zahlungsziele nicht einhalten. Diese ungeheuerliche Vorgangs­weise der Ministerien kann viele Unternehmen in finanzielle Bedrängnis bringen.

Man muss sich einmal den umgekehrten Fall vorstellen: Wenn ein Unternehmer nicht pünktlich seine Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge zahlt, dann dauert es nicht lange, bis dem Unternehmer der Exekutor geschickt wird oder überhaupt ein Insolvenz­antrag gestellt wird.

Oder denken Sie an den Bauunternehmer aus Oberösterreich, der einen Mitarbeiter 11 Minuten zu spät angemeldet hat und deshalb von der Finanzpolizei eine Anzeige erhalten hat. (Abg. Krist: Weil er ein Wiederholungstäter war!) 2 180 € Strafe war das Ergebnis dieser Anzeige, und in zweiter Instanz wurde dann die Strafe auf immer noch sehr hohe 1 090 € reduziert.

Auch hier muss gelten: Was der Bund von den Unternehmern einfordert, muss zumin­dest im gleichen Ausmaß für den Bund gelten. Die ungeheuerlichen Schlampereien im Rechnungswesen der Ministerien müssen endlich ein Ende haben! (Beifall bei der FPÖ.)

15.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Präsidentin des Rechnungshofes. – Bitte.

 


15.54.33

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! In der vergangenen Wo­che hatte ich meine ersten parlamentarischen Termine und Aufgaben im Rechnungs­hofausschuss und im Budgetausschuss wahrzunehmen. Ich bedanke mich bei Ihnen allen sehr herzlich für die positive Aufnahme und für die überaus konstruktive Ge­sprächsbasis in beiden Ausschüssen.

Es ist mir außerordentlich wichtig, und das kann ich Ihnen versichern, sehr geehrte Da­men und Herren, mit Ihnen einen intensiven und permanenten Kontakt im Interesse der Kontrolle zu pflegen, weil der Rechnungshof letztlich nur gemeinsam mit dem National­rat entsprechend wirksam sein kann. Empfehlungen des Rechnungshofes können nur durch Sie mit der notwendigen politischen Verbindlichkeit versehen werden. Wie Öster­reich in Zukunft dastehen wird, hängt – und das ist meine wirkliche Überzeugung – von einem sachlichen Zusammenwirken aller Institutionen in Österreich ab und daher na­türlich zu einem Teil auch von einer gut funktionierenden Kontrolle.

Ich freue mich daher, heute erstmals in meiner Funktion als Präsidentin des Rech­nungshofes im Plenum des Nationalrates und somit vor dem gesamten Nationalrat zu sprechen. Ich möchte, ehe ich zum eigentlichen Tagesordnungspunkt – dem Bundes­rechnungsabschluss 2015 – komme, in aller Kürze einige grundsätzliche Bemerkungen aus der Sicht des Rechnungshofes machen und hoffe, dass das hier zugelassen wird.

Erfolg durch Kontrolle, so nenne ich die Botschaft für die Arbeit des Rechnungshofes. Der Rechnungshof hat die wichtigste Kontrollfunktion auf dem Gebiet der Finanzkon­trolle inne, und Kontrolle gehört untrennbar zur Demokratie, zu jenem Bereich also, den Sie als gewählte Abgeordnete repräsentieren. Kontrolle stärkt das Vertrauen in die öffentliche Hand, etwas, was die Bürgerinnen und Bürger, so denke ich, zunehmend brauchen. Ich denke auch, dass es an der Zeit ist, dass sich die Menschen, bei aller Kritik, wieder an positiven Zukunftsbildern orientieren können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 130

Sehr geehrte Damen und Herren, ein unabhängiges Kontrollorgan wie der Rechnungs­hof braucht daher eine klare strategische Ausrichtung, wenn er wirksam sein will und wenn er einen Nutzen für den Gesamtstaat entfalten will. Im Wort „Revision“ steckt schließlich die „Vision“, und zu den strategischen Zielen der Rechnungshofkontrolle ge­hören daher die sorgsame Verwendung von Steuermitteln und die Nachhaltigkeit öf­fentlicher Finanzen. Der Rechnungshof sorgt für Rechenschaft und Transparenz, er ist dazu da, dringende Reformerfordernisse einzumahnen, er sorgt sich um die Qualität öf­fentlicher Leistungserbringung, und er schafft durch sachliche und objektive Prüfarbeit Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern. All diese strategischen Ziele werden auch durch den Bundesrechnungsabschluss verfolgt.

Mit 42 Prozent führt der Rechnungshof den Vertrauensindex an. Der Rechnungshof ist also eine Vorzeigeinstitution, und auf diesem Fundament soll aufgebaut werden. Ich persönlich will aber in Zukunft den Fokus klar auf die Umsetzung legen. Daher geht es um Erfolg durch Kontrolle. Kontrolle hat nur dann Erfolg, wenn die Vorschläge behan­delt, gehört und umgesetzt werden. Kontrolle ist nicht Selbstzweck, sondern sie zeigt auch Chancen auf, und dementsprechend tritt der Rechnungshof konsequent gegen die Reformträgheit auf und fordert unbeirrt einen Reformruck ein.

Die politische Entscheidung liegt naturgemäß nicht beim Rechnungshof, sondern stets beim Parlament und bei den überprüften Regierungen – beim Bund und bei den Län­dern. Ich bitte Sie daher und appelliere an Sie, die Chancen und Möglichkeiten, die der Rechnungshof in seinen Berichten und Empfehlungen aufzeigt, aufzugreifen.

Allerdings habe ich hier eine Situation vorgefunden, mit der ich als Präsidentin des Rechnungshofes nicht ganz zufrieden sein kann: Aktuell sind mehr als 70 Berichte be­ziehungsweise Prüfungsergebnisse des Rechnungshofes vom Nationalrat noch nicht behandelt worden. Das ist ein Schwachpunkt und entspricht nicht meiner Auffassung vom Zweck der Arbeit des Rechnungshofes. Der Rechnungshof druckt nicht nur schö­ne Berichte, sondern er zeigt Fehler und Missstände auf und ist dem Steuerzahler ver­pflichtet. Rechnungshofberichte sollen zur Verbesserung des öffentlichen Systems bei­tragen, und sie sollten daher zeitnah hier im Parlament behandelt werden. Ich denke und bin zuversichtlich, dass wir in meiner Amtsperiode hoffentlich einen guten Arbeits­modus finden werden.

Ich komme nun zum Bundesrechnungsabschluss. Zum Bundesrechnungsabschluss 2015 kann ich nur sagen, dass wir in der Vorwoche in einer zweistündigen Sitzung bereits intensiv und zeitnah die Inhalte des Bundesrechnungsabschlusses diskutiert haben, und er steht jetzt auf der Tagesordnung.

Entsprechend der neuen Rechtslage aufgrund der BHG-Novelle im Vorjahr wurde der Bundesrechnungsabschluss schon Ende Juni vorgelegt, also drei Monate früher. Prä­sident Dr. Moser hinterließ mir somit den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2015 für die weitere parlamentarische Behandlung. Diese frühere Vorlage des Bundesrech­nungsabschlusses ist zeitnah – dafür sind wir dem Gesetzgeber auch sehr dankbar – und eignet sich als fundierte Grundlage für die Budgeterstellung des kommenden Jah­res. Auf Basis dieser Analyse des Status quo kann daher ein Budget besser geplant werden. Der Vollzug des abgelaufenen Jahres ist im Rechnungsabschluss ebenso dar­gestellt wie die budgetären Herausforderungen, außerdem sind zahlreiche Vorschläge für Maßnahmen enthalten.

Der Bundesrechnungsabschluss ist also ein umfangreiches und detailreiches Werk, und ich möchte an dieser Stelle nur einige Hauptaussagen kurz skizzieren.

Die wesentlichen Parameter der Abschlussrechnungen zeigen ein negatives Bild. Der Nettofinanzierungssaldo, also das Cash-Defizit, lag bei minus 1,9 Milliarden €. Das Net­toergebnis fiel mit minus 4,8 Milliarden € um 2,9 Milliarden € deutlich schlechter aus.


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Ich will nun das Nettoergebnis und den Nettofinanzierungssaldo miteinander verglei­chen. In der Finanzierungsrechnung sieht man den Mittelfluss eines Finanzjahres, Ein­zahlungen versus Auszahlungen, in der Ergebnisrechnung erkennt man die wirtschaft­liche Lage des Bundes, den Ressourcenverbrauch oder allenfalls auch den Ressour­cenzuwachs. Budgetäre Bugwellen werden durch die Verschiebung von Zahlungsver­pflichtungen in die Zukunft sichtbar. Somit liefert die Ergebnisrechnung finanzielle Warn­signale, die in der Finanzierungsrechnung nicht ersichtlich sind, beispielsweise durch Forderungsabschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen.

Um die österreichischen Staatsfinanzen nachhaltig zu planen – und das ist die drin­gende Empfehlung des Rechnungshofes –, müssen die Erkenntnisse aus dem Ergeb­nishaushalt herangezogen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass wirklich die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse in die Budgetplanung einfließen. Die Grund­lagen dafür liefert das neue Haushaltsrecht.

Der Rechnungshof empfiehlt daher, dass die Haushaltspolitik die bestehenden Instru­mente zur Budgetdisziplin und -überwachung, die Ergebnisrechnung, die Mittelfristpla­nung und die Stabilitätsziele ernst nimmt und nutzt, um den negativen Trend umzukeh­ren.

Und freilich haben wir im Ausschuss über die Qualität der Ergebnisrechnung gespro­chen. Übereinstimmung bestand dahin gehend, dass es natürlich noch Probleme gibt, insbesondere im Hinblick auf die periodengerechte Verbuchung. Der Herr Bundesmi­nister für Finanzen Dr. Schelling kündigte aber Maßnahmen zur Fehlerbehebung an, et­wa Schulungen in den Ressorts. Der Rechnungshof begrüßt das.

Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass wir unsererseits eine Funktionsprüfung zum Thema Qualität der Ergebnisrechnung planen und damit auch schon starten. Diese wird im Rahmen des nächstjährigen Bundesrechnungsabschlusses veröffentlicht werden. Ich bin mir sicher, dass wir mit unseren Prüfungsfeststellungen dazu beitragen können, handlungsorientierte Empfehlungen auszuarbeiten, um gemeinsam die Qualität der Er­gebnisrechnung zu heben.

Was sind die zentralen Daten dieses Zahlenwerkes? – Den Aktiva von 88,2 Milliar­den € standen im Jahr 2015 Fremdmittel von minus 241,5 Milliarden € gegenüber. Die Fremdmittel stiegen gegenüber 2014 um 5,8 Milliarden € an. Die Finanzschulden des Bundes im Jahr 2015 betrugen 199,1 Milliarden €. Das negative Nettovermögen im Jahr 2015 betrug bereits minus 153,4 Milliarden €, es verschlechterte sich damit weiter um weitere 3,4 Prozent. Das bedeutet, dass das Vermögen des Staates jährlich kleiner wird. Dieser Trend muss gestoppt werden.

Gesamtstaatlich betrachtet ist zu sagen, dass das öffentliche Defizit gemäß Maastricht-ESVG im Jahr 2015 minus 1,2 Prozent des BIP beziehungsweise minus 3,9 Milliar­den € betrug. Der strukturelle Saldo war ausgeglichen. Der öffentliche Schuldenstand des Staates, des Gesamtstaates stieg weiter auf minus 290,7 Milliarden € an. Damit lag die Schuldenquote zum Ende des Jahres 2015 bei 86,2 Prozent des BIP und somit deutlich über der Referenzmarke von 60 Prozent, die Maastricht vorsieht.

Was die Risken der mittelfristigen Haushaltsentwicklung betrifft, so bemängelt der Rech­nungshof, dass aus den von der Bundesregierung bisher publizierten Unterlagen keine nachvollziehbare finanzielle Gesamtdarstellung ersichtlich ist, die anschaulich macht, wie und durch welche Maßnahmen der strukturell ausgeglichene Haushalt ab dem Jahr 2018 konkret erreicht werden soll.

Der Rechnungshof steht auf dem Standpunkt, dass wir Handlungsspielräume für neue Aufgaben und Herausforderungen brauchen, wie beispielsweise beim Anstieg von al­tersabhängigen Ausgaben, der Migration, neuen sozialen Aufgaben, die auftreten, der


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Integration, der Ganztagsbetreuung und dem Arbeitsmarkt. Der Rechnungshof sieht aus diesem Grund dringenden Handlungsbedarf zur Verbesserung der bestehenden fi­nanziellen Lage des Bundes und verweist daher nachdrücklich auf die vom Rechnungs­hof immer wieder geforderten Strukturreformen, die auch im Bundesrechnungsab­schluss des Jahres 2015 enthalten sind. Genannt werden die Bereiche Bildung, Pen­sionen, Gesundheit, Soziales, Forschung und Förderungen. Mit diesen Empfehlungen steht der Rechnungshof nicht allein da. Die Empfehlungen des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission, des Fiskalrates und des IWF decken sich mit den Emp­fehlungen des Rechnungshofes.

Auf die viel diskutierten Ergebnisse der Abschlussprüfungen möchte ich auch noch kurz eingehen. Der Rechnungshof hat obligatorisch die Ordnungsmäßigkeit der Rech­nungen eines Jahres zu prüfen, man nennt das Belegprüfungen, zusätzlich macht er Funktionsprüfungen. Er prüft, ob die internen Kontrollsysteme in wesentlichen Berei­chen der Haushaltsverrechnung passen. Wir haben in drei Bereichen Funktionsprüfun­gen gemacht.

Bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Belege stellten wir fest, dass in fast allen Untergliederungen des Bundes Mängel in der Haushaltsverrechnung auftraten. 49,8 Pro­zent der überprüften Belege wiesen einen formalen Mangel auf. Und wir machten das auf der Ebene der Untergliederungen sichtbar und legten auch die Art der Beanstan­dung offen. Was ich hinzufügen will: Wir haben 1 449 Belege stichprobenmäßig ge­prüft. 49,8 Prozent beinhalteten formale Mängel, aber nur 60 der 1 449 Belege wiesen einen betraglichen Mangel auf. Die Ressorts wissen nun, wo die Probleme liegen, und können konkret an der Verbesserung arbeiten. Es geht um die Nichterfassung von Ob­ligos, Nichteinhaltung von Zahlungszielen, Nichtvorhandensein der Prüfung der sachli­chen und rechnerischen Richtigkeit, falsche Kontenzuordnung.

Die Mängel in der Budgetierung wurden bereits angesprochen. Verschiedene Ressorts haben eben den Grundsatz der getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes bei der Budgetierung nicht entsprechend eingehalten. Das betraf das Thema der Poli­tikerbezüge in einigen Bereichen, wo das nicht ausreichend budgetiert wurde, Leis­tungen im Zusammenhang mit der Besoldung der Landeslehrer und Auszahlungen für die Besoldung im Wissenschaftsbereich und Mietenbereich. Vor dem Hintergrund, dass nun die Budgeterstellung für das Jahr 2017 auf Hochtouren läuft, können und sollen gerade diese Feststellungen von Ihnen genützt werden.

Abschließend darf ich vielleicht noch auf die Analyse des Budgetdienstes zur Rolle des Rechnungshofes im Zusammenhang mit der Erstellung des Bundesrechnungsabschlus­ses eingehen. Ich bedanke mich beim Budgetdienst für die fundierte Analyse. Ich weiß, dass vielen Abgeordneten des Hohen Hauses das Thema der Rollen und der Verant­wortlichkeiten zwischen dem Finanzministerium und Rechnungshof beim Bundesrech­nungsabschluss wichtig ist. Ich will aber festhalten, dass der Rechnungshof verfas­sungsrechtlich dazu verpflichtet ist, den Bundesrechnungsabschluss zu verfassen. Bei den Prüfungen der Abschlussrechnungen wendet er internationale Standards an, die auch im BHG entsprechend vorgeschrieben sind.

Eine klare Rollenverteilung zwischen Erstellung und Prüfung des Rechnungsabschlus­ses ist aber auch aus der Sicht des Rechnungshofes förderlich. Diesbezüglich gibt es Raum für eine Diskussion darüber, in welcher Form diese österreichische Lösung bei der Erstellung des Bundesrechnungsabschlusses, die ja historisch gewachsen ist, wei­terentwickelt werden soll und kann. Die Entscheidung dazu liegt bei Ihnen als Ver­fassungsgesetzgeber. Der Rechnungshof ist offen für jede Weiterentwicklung, die der Sache dient.

Hohes Haus! Ich bin davon überzeugt und strebe an, dass auch unter meiner Amtsfüh­rung ein gutes Klima der Zusammenarbeit zwischen dem Nationalrat und dem Rech-


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nungshof stets fortgesetzt werden kann. Ich bin auch bereit, diese Zusammenarbeit aus­zubauen.

Der Bundesrechnungsabschluss liefert Ihnen zu allen Politikbereichen des Bundes um­fassende Informationen. Ich glaube, Sie können diese Informationen über die heutige Debatte und Beschlussfassung hinaus für Ihre politische Analyse nutzen. Mein Dank gilt an der Stelle auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes, die sehr viel Arbeit in die Verfassung des Bundesrechnungsabschlusses legen.

Ich bedanke mich für das Interesse an der Arbeit des Rechnungshofes und bitte Sie, gemeinsam mit dem Rechnungshof weiterhin auf die Zukunftsfähigkeit des Staates zu achten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

16.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Groiß zu Wort. – Bitte.

 


16.10.51

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lie­be Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist schön, dass wir heute über den Rechnungsab­schluss gesondert diskutieren und das nicht im Zusammenhang mit der Budgeterstel­lung machen. Das ist neu. Es ist schön, dass wir über ein umfangreiches Werk disku­tieren können, das aus vier Berichten besteht: der Finanzierungsrechnung, der Ertrags­lage, der Vermögenslage und dem viel diskutierten Sonderbericht. Es ist deswegen wichtig und deswegen schön, weil dieser Rechnungsabschluss die Grundlage für sehr viele Entscheidungen ist, die wir treffen, und das sollte nicht mit dem laufenden Budget verwaschen werden.

Was entnehmen wir diesem Rechnungsabschluss? – Auf der einen Seite hatten wir ein sehr schwieriges Umfeld. Wir hatten ein geringeres Wirtschaftswachstum, wir hatten mehr Arbeitslose, wir hatten die Flüchtlingsströme. Auf der anderen Seite hatten wir aber auch ein paar Goodies. Die Goodies sind die Zinslandschaft, die geringe Inflation und andere Aspekte. Wir haben diese guten Aspekte auch eingearbeitet, und wir se­hen, dass es durch die Steuerreform Vorzieheffekte gab und wir daher mehr einge­nommen haben und höhere Zuflüsse als geplant hatten.

Wir sehen aber auch, dass die anderen Goodies, die niedrigen Zinsen und die geringe Inflation, bereits wieder ausgegeben worden sind. Das heißt, die Ausgaben sind kaum geringer geworden, denn wir hatten Mehrausgaben im Bereich der Arbeitslosen, des Arbeitsmarktes und in vielen anderen Bereichen.

In der Vermögensvergleichsrechnung sehen wir sehr genau, dass auf der einen Seite wirklich positiv budgetiert wurde – kaufmännisch vorsichtig –, und das ist gut so, denn nur so können wir auch allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, auf der anderen Seite sehen wir im Bericht über die Feststellungen allerdings, dass unser Ziel, nicht nur eine Kameralistik zu haben, noch nicht ganz verwirklicht worden ist.

Diesbezüglich sind wir gefordert, unseren Regierungsmitgliedern gemeinsam mit dem Rechnungshof unsere Unterstützung anzubieten, denn wir wollen die Ertragslage und die Vermögenslage genau eruieren. Und wieso wollen wir diese Ertragslage so genau kennen? – Diese Ertragslage zeigt die Nachhaltigkeit der Politik, und diese hat sich lei­der nicht verbessert. Auch wenn wir eine Riesenverbesserung gegenüber dem Vorjahr hinsichtlich des Budgets erzielt haben, mussten wir trotzdem einen Vermögens- und Res­sourcenverbrauch feststellen.

Anhand des Vermögensstatus sehen wir, was bisher alles passiert ist. Die Frau Präsi­dentin hat schon gesagt, dass wir bei fast 154 Milliarden € mehr Verbindlichkeiten als


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Vermögenswerte liegen. Welche Lehren müssen wir daher daraus ziehen? – Einerseits sehen wir, die Budgetierung ist kaufmännisch in Ordnung und passt so, andererseits sehen wir, dass nachhaltige Reformen angegangen werden müssen. (Abg. Moser: Ja, bitte!) Wir müssen über die großen Positionen reden: im Sozialbereich, im Pensionsbe­reich, im Doppelförderungsbereich, wo immer wir auch hinsehen.

Auch bei den Auszahlungen müssen wir genau darauf achten, ob sie zu aktivieren oder abzuschreiben sind oder – noch schlimmer – in Zukunft weitere Ausgaben erzeugen. Um eine Trendwende herbeizuführen, brauchen wir meines Erachtens Investitionen haupt­sächlich in die private Wirtschaft, denn jede Schaffung eines privaten Arbeitsplatzes, die wir unterstützen, schafft zukünftige Einnahmen und verbessert unser Ergebnis. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wir brauchen aber vor allem Investitionen in die Stimmung in der Wirtschaft und bei den Konsumenten. Es gehört vermittelt, dass wir an dieses Land glauben, dass wir hier weiterarbeiten, miteinander die Ärmeln aufkrempeln und etwas weiterbringen können. Diese Stimmungsinvestitionen findet man wahrscheinlich gar nicht in diesem Budget: Das wären eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, eine Senkung der Bagatellsteuern und Verbesserungen des Arbeitsrechts. An diesen Themen müssen wir ansetzen, um das Budget langfristig zusammenzubringen. (Abg. Steinbichler: Soll das die Opposition tun? Ihr seid doch in der Regierung!) Das wäre die Möglichkeit: indem wir langfristig beim Budget Vermögen für unser Österreich aufbauen.

Unsere Bürger erwarten von uns eine Budgetsanierung durch die Senkung der Abga­benquote und mehr Investitionen in die Wirtschaft. Unsere Bürger werden mehr mitar­beiten, wenn die eine oder andere Position gestrichen wird. Wir glauben an unsere Bür­ger. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort. – Bitte.

 


16.16.38

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Kraker! Werte Damen und Herren! Herr Kollege Groiß! Es ist auch eine Investition in die Stimmung, wenn es Festlegungen im Regierungsprogramm gibt, die be­sagen, dass man genau diese Reformvorschläge tatsächlich umsetzt. Die Frau Präsi­dentin hat auch im Budgetausschuss davon gesprochen, dass es Reformrückstände gibt, und diese müssen endlich überwunden werden. So habe ich das noch in Erinne­rung, und genau so ist es.

Selbstverständlich geht es dabei um den sorgsamen, effizienten Umgang mit den Steu­ergeldern. Gleichzeitig geht es auch darum, die Reformen tatsächlich umzusetzen, die man angekündigt hat. Und da bleibe ich gleich bei einem Bereich, der dir jetzt gut ge­fallen wird. Das ist das Thema der One-Stop-Shops für Betriebsanlagengenehmigun­gen. Im Regierungsprogramm 2013 bis 2018 ist festgehalten, dass die bürokratischen Hürden für Unternehmen zu reduzieren sind.

Was ist geschehen? – Bis zum heutigen Tag des Jahres 2016 ist genau in diesem Be­reich sehr, sehr wenig bis gar nichts geschehen. Und das macht teilweise selbstver­ständlich auch die Probleme aus, die wir in den Einnahmen- und Ausgabenstrukturen des Budgets haben. Ja, es wäre eine Investition in die Stimmung, die angekündigten Re­formen tatsächlich umzusetzen.

Die Frau Präsidentin hat heute die Mängel angeführt, die bei der Belegsprüfung zutage getreten sind. Man muss das schon klarstellen: Jeder zweite Beleg wies de facto bei der Prüfung einen Mangel auf. Und das ist so nicht hinzunehmen. Da gilt es tatsäch-


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lich, klar Schiff zu machen, zu prüfen und das ordentlich zu machen. Immerhin geht es nicht nur um die Korrektheit der Zahlen, es geht nicht nur um das Einhalten der Zah­lungsziele, was für klein- und mittelständische Unternehmungen von großer Bedeutung ist, sondern es geht ganz klar um Transparenz. Und genau das brauchen wir in diesem Budget ganz besonders.

Ich komme auf die Reformen zurück. Ihr Amtsvorgänger, Herr Dr. Moser, hat seine Pe­riode mit 1 007 Empfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs beendet. Da sind verschiedene Bereiche angeführt, beispielsweise im Forschungsbereich. Und wir wissen, die Forschung von heute schafft die Arbeitsplätze von morgen. Daher ist es ganz besonders wichtig, möglichst strukturiert und effizient vorzugehen.

Da sind, wie gesagt, verschiedene Bereiche angeführt. Das beginnt mit der Evaluie­rung der Forschungsprämie. Es ist festgehalten, dass Steuerbegünstigungen regelmä­ßig auf ihre Wirksamkeit kontrolliert werden sollen. Das ist etwas, was über Jahre ver­schlafen worden ist; und wir werden sehen, was das jetzige Projekt wirklich bringt. Hier ist auch festgehalten, dass geprüft werden soll, ob die Länderförderungen tatsächlich in dieser Form effizient umgesetzt werden oder ob es gescheit wäre, diese Mittel über Bundeseinrichtungen abzuwickeln – ein ganz zentraler Punkt.

Festgehalten ist selbstverständlich auch das Monitoring der Forschungsquote und der Wirkungsindikatoren. Denn nur wenn man tatsächlich regelmäßig kontrolliert, das Mo­nitoring und eine entsprechende Follow-up-Prüfung macht, wird man die Probleme kon­sequent angehen und entsprechende Lösungen finden können.

Selbstverständlich geht es auch um die verstärkte Kooperation unabhängig von den Gebietskörperschaften – und ich sehe gerade die Bildungsministerin außer Dienst (in Richtung der Abg. Heinisch-Hosek) –: Dieses Klein-Klein-Denken in den Ländern und so weiter bringt natürlich gerade in diesen zukunftsorientierten Bereichen Probleme mit sich – wie es in der Bildung, aber auch in der Forschung ist.

Die Reformvorschläge liegen am Tisch. Die Frage ist: Wie konsequent wird das ange­gangen? – Ich glaube, gerade die Debatte um den Bundesrechnungsabschluss 2015 zeigt ganz klar die Handlungsnotwendigkeiten auf. Sie zeigt, wie wichtig es ist, entspre­chende Reformschritte zu setzen und diese in dieser Konsequenz auch umzusetzen.

Für Ihre Arbeit, Frau Präsidentin, wünsche ich Ihnen Ausdauer, Mut und natürlich auch die notwendige Weitsicht. – Alles Gute! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Loacker.)

16.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schopf zu Wort. – Bitte.

 


16.21.51

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Frauen Präsidentinnen! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte im Zuge dieser Debatte das Thema der Pensionen näher be­leuchten, weil es doch sehr interessant ist, dass wir nach dieser Vorlage, die wir auch im Ausschuss bereits diskutiert haben, festgestellt haben, dass der staatliche Zu­schuss, die staatliche Zuwendung letztendlich um 471 Millionen € geringer ist.

Das ist insofern interessant, als uns immer wieder von den verschiedensten Stellen ge­sagt wird – und auch einige Damen und Herren in dieser Runde meinen das immer wieder –, der Zuschuss werde von Monat zu Monat höher, die Pensionen seien nicht mehr finanzierbar.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Geschichte dieses Themas ansehen, so war es, was die Finanzierung der Pensionen in allen Bereichen und vor allem auch im ASVG-Bereich, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft, Usus, dass sich


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die Kollegen und Kolleginnen ein Drittel selbst bezahlen, ein Drittel der Arbeitgeber be­zahlt und für das restliche Drittel staatlicher Zuschuss gewährt wird.

Faktum ist, dass mittlerweile der staatliche Zuschuss im ASVG-Bereich nur mehr 18 Pro­zent beträgt, 82 Prozent der Pensionen zahlen sich die ASVG-Versicherten selber. Bei den Gewerbetreibenden ist es ein bisschen anders, da zahlt der Staat 49 Prozent dazu. Und um alle Gruppen zu erwähnen: Bei den Bauern ist es ein bisschen extremer, da zahlt der Staat fast 80 Prozent dazu. Aber bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehme­rinnen zahlt sich die betroffene Gruppe wie gesagt 82 Prozent selber. (Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Daher ein deutliches Wort an jene, die immer wieder meinen, die Finanzierung sei nicht sicher. Schauen Sie sich die Zahlen an! Dann, hoffe ich, wird sich hier eine andere Mei­nung dazu durchsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zum Antrittsalter: Hier verspüren wir und sehen mitt­lerweile auch in dem Bericht, dass die Maßnahmen, die die Bundesregierung beschlos­sen hat, greifen und dass die Ziele, die für das Jahr 2018 vereinbart und niedergeschrie­ben worden sind, schon jetzt im September 2016 erreicht worden sind.

Ich habe mir die Homepage der NEOS angesehen. Herr Loacker! Von Ihnen gibt es ja einige interessante Beiträge, unter anderem jenen vom 21. Mai 2014 zum Thema Pen­sionsantrittsalter. Ich zitiere wörtlich: „Laut Regierungsplänen, die nicht nur von NEOS, sondern auch von Rechnungshof, Pensionssicherungskommission und parlamentari­schem Budgetdienst für unerreichbar gehalten werden, soll das faktische Pensionsan­trittsalter bis 2018 von 58,4 auf 60,1 Jahre ansteigen.“ – Unmöglich, unerreichbar, mei­nen Sie.

Heute haben wir den 21. September. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Herr Loacker, wir haben nicht nur die 60 Jahre erreicht, sondern wir sind mittlerweile sogar um einige Monate darüber. Heute haben wir das durchschnittliche Antrittsalter von 60 Jahren und drei Monaten. Ich meine daher, dass es angebracht ist, Herr Loacker, die Fakten ge­nauer anzusehen und erst dann etwas zu sagen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Loa­cker und Scherak.)

Ich bitte Sie, mit den ständigen Verunsicherungen aufzuhören. Lassen Sie uns doch Menschen, die 40, 45 Jahre lang schwer arbeiten, nicht verunsichern! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


16.26.20

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich bin in der glücklichen Situation, ausnahmsweise einmal nach dem Kollegen Schopf zu Wort zu kommen; was deswegen gut ist, weil ein paar Elemente der Geschichtsfälschung da zurechtgerückt gehören.

Zum einen ist, wenn Sie Artikel aus dem Jahr 2014 zitieren, die statistische Gaunerei zu berücksichtigen, nämlich rund um das Herausrechnen der Invaliditäts- und Berufs­unfähigkeitspensionen unter 50 (Zwischenrufe bei der SPÖ), die das Sozialministerium da bewerkstelligt hat. Jetzt hat man einfach die Leute herausgerechnet. (Abg. Kirch­gatterer: Beschuldigen Sie das Sozialministerium der Gaunerei, Herr Loacker?) Und durch diesen Faktor alleine steigt das statistische Pensionsantrittsalter über 60.

Deswegen hat aber kein Mensch einen Tag länger gearbeitet als vorher. Es ist ein rein statistischer Trick. Aber das wissen Sie genau. Sie müssen nicht die Lerneffekte Ihrer


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Gewerkschaftsschule am Podium zeigen, das wissen Sie selber gut genug. Bleiben wir bei den Tatsachen!

Wenn es heißt, oh, in der Pensionsversicherung haben wir weniger Zuschussbedarf, als wir vorher angenommen hatten: Es gibt natürlich auch andere Faktoren. Zum Bei­spiel habe ich heute eine Anfragebeantwortung bekommen, auch aus dem Sozialminis­terium, mit der wieder so ein statistischer Trick offengelegt wird: Durch die höhere Ar­beitslosigkeit steigen auch die Beiträge der Teilversicherten an die Pensionsversiche­rung, sprich das, was das AMS an die Pensionsversicherung überweist, und das ist um 300 Millionen € höher, als es im Bundesvoranschlag vorgesehen war.

Und so wie Sie den FLAF ausräumen durch die Teilversicherung, kommen 100 Millio­nen € mehr in die Pensionsversicherung, als im Bundesvoranschlag vorgesehen war. Dass auf der anderen Seite dann in der Arbeitslosenversicherung das Geld fehlt, um aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, ist eine Tatsache, die die Gewerkschafter rund um den Herrn Schopf und den Herrn Katzian dann gerne verschweigen. Aber um ir­gendwie das Pensionsloch kleinzurechnen ist ihnen kein Trick zu schade.

Kommen wir zum Rechnungsabschluss! Der ist die in Zahlen gegossene Bankrotterklä­rung der Bundesregierung. An und für sich wird ja da gerühmt, dass wir ein struk­turelles Nulldefizit haben. Was heißt denn „strukturelles Nulldefizit“? – Dass es eben kein Nulldefizit ist. Da geht man her und drückt so lange Ausgabenposten weg, bis eben ein Nulldefizit dasteht.

Auf einen Privathaushalt umgelegt würde das heißen: Eine Familie hat Ausgaben für Wohnen, für Essen, für Kleidung, für ein Auto, für alles Mögliche, und da kommt ein Ge­halt oder vielleicht kommen zwei Gehälter herein. Wenn das Auto einen Motorschaden hat, zähle ich das einfach nicht zu den Ausgaben, denn das ist ja nicht strukturell. So hat die Familie trotz eines Motorschadens beim Auto ein strukturelles Nulldefizit. Eine Familie muss auch für das Auto zahlen, aber der Staat rechnet es sich schön, und sagt: Es ist eh nichts. Wir haben immer irgendeine Ausrede dafür, dass Ausgaben nicht zählen.

Was wir haben ist eine spitzenmäßige Steuerquote im internationalen Vergleich. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden ausgepresst wie die Zitronen. Die wissen gar nicht mehr, wie sie überhaupt durch Arbeit zu Wohlstand kommen können, und gleichzeitig erreicht der Schuldenstand neue Spitzenstände.

Nun kann man einmal schauen, wie das andere Länder machen: Deutschland, Schwe­den und die Niederlande nützen die Zeit der Niedrigzinsphase, um die Schuldenstände und die Schuldenquoten zu senken. Jetzt hat die EZB extra, weil die ganzen Mit­gliedstaaten so fußmarod sind, künstlich die Zinsen niedrig gehalten. Das wäre eigent­lich dazu gedacht, die Schulden zurückzuzahlen und dann mit leichtem Gepäck in die Zukunft zu marschieren. Manche können das, aber wir können es nicht. Wir haben Spitzensteuern, wir haben Spitzenschulden.

Eigentlich hat die Regierung in ihrer ersten Halbzeit jetzt den absoluten Versager-Hattrick geschafft: Spitzenschuldenstand, Spitzenarbeitslosigkeit und Spitzensteuer­quote – ja, schlimmer geht es gar nicht! Wenn Sie jetzt wieder in der komischen, ich nenne es – unter Anführungszeichen – „Steuerreform“, die Gegenfinanzierung, also beim Linke-Tasche-rechte-Tasche-Rechnen, das Herausreißen beim Steuerzahler zu optimistisch angenommen haben, wird es sich nicht ausgehen. Sie haben die Einnah­men zu optimistisch angesetzt.

Nächstes Jahr werden wir wieder hier stehen und werden wieder feststellen, dass Ös­terreich im internationalen Vergleich zurückgefallen ist. Während andere Länder sich bessern entwickeln, die Steuerquoten drücken, die Schuldenquoten drücken, werden wir wieder mit einer Spitzensteuerquote dastehen – die Österreicher zahlen inzwischen


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mehr Steuern als die Schweden – und hier wieder ein Armutszeugnis namens Bundes­rechnungsabschluss debattieren. Es ist wirklich traurig. (Beifall bei NEOS und Team Stronach.)

16.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Nachbaur zu Wort. – Bitte.

 


16.31.33

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Steu­erzahler! Wir haben heute schon viel zum Bundesrechnungsabschluss gehört. Ich gra­tuliere der Frau Präsidentin zu ihrem guten Einstand, wünsche weiterhin viel Erfolg und wünsche uns auch, dass sie bei uns so viel Gehör wie möglich findet.

Unter anderem haben wir gehört, dass unser Schuldenstand auf 86,2 Prozent des BIP kletterte. Das ist natürlich viel zu hoch. Aber um die Verschuldung zu reduzieren, dür­fen wir nicht einmal daran denken, auch nur eine einzige Steuer zu erhöhen – der ge­fräßige Staat kassiert jetzt schon mehr als genug –, sondern wir brauchen endlich wirk­lich Strukturreformen und wir müssen den Wirtschaftsstandort entlasten.

Ich weiß, das sind die üblichen Überschriften, daher muss es jetzt endlich ans Einge­machte gehen. Die größten Kostentreiber sind ja bekanntermaßen das Pensions- und das Gesundheitswesen. Beispielsweise fließt mehr als jeder vierte Steuer- und Abga­beneuro ins Pensionssystem. Hier muss dringend reformiert werden, besonders im Sin­ne der jüngeren Generationen, siehe Rechnungshofberichte.

Wir müssen außerdem runter mit der Steuer- und Abgabenquote und, wie Vizekanzler Mitterlehner immer richtig trommelt, endlich die Bürokratie abbauen, damit es mit der Wirtschaft wieder bergauf geht. Aber Bürokratieabbau, das kann schon keiner mehr hören (Abg. Moser: Wie lange stellt die ÖVP den Wirtschaftsminister?), daher müssen wir jetzt endlich Taten setzen. Daher schlage ich vor, dass wir hier alle unsere dichten Terminkalender von diversen Parteiveranstaltungen entrümpeln und stattdessen Be­triebsbesuche einplanen, sehr geehrte Kollegen!

Ich weiß, einige tun das regelmäßig und wir haben erfreulicherweise sogar einige Un­ternehmer unter uns, aber es würde allen guttun, weniger im eigenen Parteisaft zu ko­chen und dafür mehr Zeit in den Betrieben zu verbringen. Dann würden wir nämlich sehr rasch herausfinden, was der Wirtschaftsstandort braucht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Hagen. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Die Nettoinvestitionsquote ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 60 Prozent ein­gebrochen. Diesen Wahnsinns-Abwärtstrend müssen wir umkehren. Der große heils­bringende Investor, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf aber nicht der Staat sein, sonst haben wir ja noch mehr Schulden und diese können logischerweise nur über Steuerer­höhungen finanziert werden. Und jeder Ruf nach höheren Steuern ist falsch, denn die Kuh, die man melken will, darf man nicht vorher umbringen. (Abg. Doppler: Oder ver­kaufen!)

Nicht der Staat schafft wertschöpfende Arbeitsplätze und spült Geld in den Haushalt, sondern ausschließlich die Privatwirtschaft. Aber wenn die Firmen mit unnötigen Vor­schriften, Beauftragten, weltfremden Arbeitsinspektoren, hohen Steuern, Gebühren und Abgaben schikaniert werden, sind sie naturgemäß wenig motiviert, hier zu investieren oder gar Leute einzustellen. Die Lösung ist also sicher nicht mehr Staat, sondern ein schlanker Staat.

Wir haben auch in der Geschichte gesehen, dass der reale Sozialismus im Jahr 1989 in Konkurs ging, und auch heute kann man in der ganzen Welt beobachten, wo die


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Schuldenpolitik hinführt, nämlich im schlechtesten Fall zum Staatsbankrott. Venezuela ist das erdölreichste Armenhaus der Welt, wo man sich heute sogar um Lebensmittel prügelt. Offenbar warten die dortigen Politiker immer noch darauf, dass sich das Land aus der Krise herauskonsumiert. Aber man kann sich nicht herauskonsumieren und reichkonsumieren. Ökonomische Gesetze lassen sich nicht durch Ideologie aushebeln.

Argentinien hat erst im April dieses Jahres bei einem US-Hedgefonds Schulden in der Höhe von 9 Milliarden US-Dollar beglichen. Man sieht also, dass Schuldenmacherei Staaten in die Abhängigkeit von Finanzmärkten bringt, und das wollen wir, glaube ich, alle nicht. (Abg. Lichtenecker: Das ist jetzt auch spannend!)

Wie Finanzminister Schelling immer richtig sagt: Die Lösung kann nur lauten, endlich Strukturreformen umsetzen. Und halten wir uns an die Vorschläge des Rechnungs­hofes! Alle arbeitenden Menschen, die im Übrigen das Sozialsystem erhalten, werden es uns genauso danken wie jene, die vom Sozialsystem leben, denn sonst ist es ja nicht mehr finanzierbar. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


16.36.34

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit)|: Frauen Präsidentinnen! Ho­hes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Nachbaur! Ich schätze dich sehr, aber ich glaube, du hast vergessen, dass du jetzt Mitglied eines par­lamentarischen Klubs einer Regierungspartei bist. Sage bitte alles, was du gesagt hast, deinem Minister – und es soll dringend umgesetzt werden, da hast du vollkommen recht. (Beifall und Bravoruf des Abg. Hagen.)

Zum Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2015, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gesamtwirtschaftlich verbesserten sich 2015 das BIP-Wachstum, die Preissta­bilität, die Beschäftigung und die Leistungsbilanz. Sehr bedenklich sind natürlich die Arbeitslosenzahlen, weil die Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum sehr stark zugenom­men hat. Österreich erfüllte 2015 die europäischen Fiskalziele mit Ausnahme der Schul­denquote, die mit 86,2 Prozent deutlich über dem 60-Prozent-Limit lag. Keine gute Ent­wicklung haben wir auch, was das Bundesvermögen angeht, wie wir heute schon ge­hört haben.

Ich möchte der Rechnungshofpräsidentin bei dieser Gelegenheit alles Gute und viel Erfolg wünschen. Bleiben Sie bitte sehr energisch, denn für uns Parlamentarier ist der Rechnungshof natürlich eine Grundlage für die Kontrolle. Ich möchte Ihnen alles Gute für die Zukunft wünschen. Und wenn Sie in die gleiche Kerbe schlagen wie Ihr Amts­vorgänger Moser, dann ist es vollkommen richtig, haben wir auch heute schon gehört, was die Umsetzung von verschiedenen Reformen betrifft. Ich glaube, das hier ist ganz, ganz wichtig.

Was die Mittelverwendung betrifft: Ich habe genau zugehört, als Sie vorhin gesprochen haben. Es ist wichtig, dass Doppelgleisigkeiten abgeschafft werden und – auch von Ih­nen angesprochen – die verschiedenen Sektoren wie Bildung, Pension, Gesundheit und vor allem Soziales, Forschung und Förderungen angegangen werden. Weiters ist es sehr wichtig, wie von Kollegin Nachbaur und von mir angesprochen, die längst fäl­ligen Reformen dringend anzugehen und umzusetzen. Frau Kollegin Nachbaur, sagen Sie das bitte Ihren Ministern!

Ich habe einen kleinen Hoffnungsschimmer, denn ich habe gehört, dass der Herr Fi­nanzminister gesagt hat, die kalte Progression würde schon abgeschafft gehören. Ich


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glaube, diese kalte Progression ist ein Bremsklotz in jeder Hinsicht. Diese Reformen sind notwendig, damit Österreich positiv in die Zukunft sehen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

16.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.39.23

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin des Nationalrates! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich denke, so wie wir mehrheitlich einen Bun­desvoranschlag hier diskutieren und diesem die Zustimmung erteilen, so wäre es auch schön, wenn wir hier für einen Bundesrechnungsabschluss auch positivere Worte fin­den als jene, die ich jetzt in den letzten Redebeiträgen gehört habe.

Ich fürchte fast, dass es Abgeordnete in diesem Hohen Haus gibt, die sich noch nie mit einer Invaliditätspensionistin oder einem Invaliditätspensionisten unterhalten haben, wa­rum sie denn eine solche Pension beziehen, oder mit Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern, denen eine Invaliditätspension bevorsteht. „Tricks“ und „Gaunerei“ als Aus­drücke in dem Zusammenhang zu verwenden, erachte ich als dieser Gruppe gegen­über äußerst respektlos. Das möchte ich gerne gesagt haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Die Frau Präsidentin des Rechnungshofs hat von positiven Zukunftsbildern gespro­chen, die sie gerne zeichnen würde und an denen wir ja alle hier im Hohen Haus ge­meinsam zu arbeiten haben und auch arbeiten. Weil das Wort Reformstau in Bezug auf Pensionen und das Drumherum immer wieder in den Mund genommen wurde, denke ich: Lassen Sie uns hier doch ein positives Zukunftsbild zeichnen! Die Reformen der letzten Jahre – wir haben das vorhin besprochen, und Kollege Schopf hat es an­gedeutet – zeigen doch eindeutig erste Wirkungen, wenn wir 750 Millionen € weniger aus­geben, als veranschlagt waren. Die volle Wirkung wird dann in den nächsten Jahren zu sehen sein.

Es waren drei Gesetze, und ich möchte sie Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, die wir hier im Hohen Haus beschlossen haben, Pensionsreformgesetze, die ihre Wirkung jetzt zeigen und sich in diesem Bundesrechnungsabschluss ganz klar widerspiegeln. Es war das das Budgetbegleitgesetz aus 2011: Sie wissen, die erstmalige Anpassung der Alterspension erfolgt erst im zweiten Kalenderjahr, es gibt eine Anhebung der Lang­zeitversichertenregelung auch für Frauen auf das 62. Lebensjahr und viele andere Be­reiche mehr. Wir haben 2011 auch schon begonnen, bei der Invalidität erste Schritte zu setzen. Ich kann nicht alles aufzählen. Der Nachkauf von Schul- und Studienzeiten ist massiv verteuert worden.

Im Stabilitätsgesetz 2012, dem zweiten Gesetz, das ich nennen möchte, ist bei der Korridorpension einiges an noch intensiveren Möglichkeiten des Einsparens auf den Tisch gelegt worden. Der Abschlag wurde von 4,2 Prozent auf 5,1 Prozent erhöht, das dürfen wir nicht vergessen.

Die wirklich große Maßnahme, auf die ich hier noch einmal eingehen möchte, ist die Reform der Invaliditätspension selbst gewesen. Es gibt nicht nur eine Mitwirkungs­pflicht des Antragstellers, der Antragstellerin, sondern vor allem auch den Wegfall der befristeten Invaliditätspensionen für ab 1964 Geborene. Zum Glück haben wir auch den Rechtsanspruch auf medizinische und berufliche Rehabilitation festgelegt.

Meine Redezeit ist leider um. Es wäre noch wichtig und ist mir wichtig, zu sagen, dass wir ohne diese Anpassungen über 2 Milliarden € mehr Ausgaben für den Bundeszu­schuss gehabt hätten. Mit den Anpassungen, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden, haben wir 4,3 Milliarden € an Einsparungen erreicht, und durch die Anpassun-


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gen selbst noch einmal 3,2 Milliarden €, also insgesamt einen Betrag von 7,5 Milliar­den €. Danke allen, die da mitgewirkt haben! Das ist doch wohl auch etwas, das positiv zu diesem Rechnungsabschluss und zu künftigen Budgetvorhaben zu sagen wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Mag. Loacker zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


16.43.50

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Minister a.D. Heinisch-Hosek hat mir unterstellt, ich hätte gesagt, die Damen und Herren, die in Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension kämen, wären Trickser. (Abg. Fekter: Das Ministerium hat getrickst!)

Tatsächlich habe ich gesagt, dass das Bundesministerium statistisch trickst, indem es die Invaliditätspensionen und Berufsunfähigkeitspensionen unter 50 aus der Statistik herausrechnet und so das Pensionsantrittsalter künstlich hinaufrechnet. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schopf: Sie haben „Gaunerei“ gesagt! – Abg. Keck: Entschuldigen Sie sich!)

16.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.44.00

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Mit dem neuen Haushaltsrecht haben wir eine Umstellung vollzogen, nämlich von der alten josephinischen Kameralistik auf Bilan­zierung und Rechnungslegung, so ähnlich, wie Konzerne das auch tun. Das brachte mehr Kostenwahrheit, brachte mehr Transparenz.

Die erste Eröffnungsbilanz des Bundes habe damals 2013 noch ich als Finanzminis­terin vorgelegt. Bereits damals gab es ein negatives Vermögen. Ich war total über­rascht und habe es mir vorher nicht vorstellen können, dass wir kein positives Vermö­gen aufgebaut haben mit diesen Milliardenschulden, die wir in der Vergangenheit auf­genommen haben. Nach wie vor wächst das negative Vermögen des Bundes weiter an, von 148 Milliarden € auf 153 Milliarden €.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll uns schon nachdenklich stimmen, wie wir das Geld der Steuerzahler verwenden.

Das Defizit ist in diesem Bundesrechnungsabschluss mit minus 1,8 Milliarden € zwar deutlich verbessert gegenüber dem Voranschlag, aber immer noch ein Minus. Erfreu­lich ist – und das erwähne ich jetzt im Hinblick auf die Zwischenrufe der Opposition –, dass der Weg in die richtige Richtung führt. Der Primärsaldo ist mit 3,38 Milliarden € positiv. Das ist möglich aufgrund der niedrigen Zinsen. Das BIP-Wachstum war besser als prognostiziert, die Preisstabilität ist gewährleistet, die Beschäftigung ist gewachsen, der Leistungsbilanzüberschuss ist von 2,6 auf 8,6 Milliarden € angewachsen.

All das stabilisiert unseren Haushalt und hat sich gegenüber 2014 wirklich signifikant verbessert. Insgesamt erfüllen wir die EU-Fiskalziele, ausgenommen die schon er­wähnte hohe Schuldenquote. Sie ist bei den Fiskalzielen unser Sorgenkind.

Gesamtwirtschaftlich ist die steigende Arbeitslosigkeit eine sehr große Herausforde­rung. Durch die Zuwanderung und nach wie vor geringen Wachstumsraten ist auch zu erwarten, dass sich dieses Problem nicht von selbst löst. Wirtschaftswachstum, aktive Standortpolitik brauchen wir, damit wir Arbeitsplätze schaffen. Brexit, Steuererhöhun-


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gen, aber auch die Ablehnung von CETA sind Jobkiller und erhöhen die Arbeitslosig­keit.

Der Rechnungshof hat eine Prüfung der Belegkontrolle durchgeführt, und deren Ergeb­nisse waren auch für mich erschreckend. Mehr als die Hälfte der Stichproben wiesen Mängel auf. Der Rechnungshof beauftragte aber eine Mängelbehebung in einer Grö­ßenordnung von 3,9 Milliarden €. Daraus ist ersichtlich, dass die Beauftragung des Rech­nungshofes mit dem Rechnungsabschluss die richtige Strategie ist. Ich bekenne mich dazu. Ich glaube, wir wären nicht so erfolgreich in der Mängelbehebung, würden wir den Rechnungsabschluss ähnlich wie das Budget erstellen und der Rechnungshof nur einen Bestätigungsvermerk geben. Ich lehne diese Strategie, die von manchen hier gefordert wird, eher ab, weil sie nicht zielführend ist. Die Mängelbehebung gewährleis­tet nämlich, dass die Bundesdienststellen einheitlich gemäß Haushaltsrecht vorgehen.

Ein vergleichbares, einheitliches Haushaltsrecht der Länder haben wir leider noch im­mer nicht. Viele Gemeinden, allen voran die Stadt Wien, weigern sich nach wie vor, von der alten intransparenten Kameralistik abzuweichen und auf eine moderne Bilan­zierung umzustellen. Hoffentlich können wir im Rahmen der Finanzausgleichsverhand­lungen da einen Schritt weiterkommen. Es wäre höchst an der Zeit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

16.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Yilmaz. – Bitte.

 


16.49.32

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Sehr geehrte Präsidentinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine Rechnungsabschlussdebatte gibt uns immer wieder die Möglich­keit, auch in die Zukunft zu schauen, auf Investitionen, die wir für unsere Zukunft täti­gen sollten und wollen.

Wie wir wissen, sind im letzten Jahr und heuer fast 100 000 Menschen nach Österreich geflüchtet und wurden hier aufgenommen. Wir wissen auch, dass 70 000 bis 80 000 Men­schen mit großer Wahrscheinlichkeit in unserem Land bleiben werden, manche längere Zeit, manche für immer.

Das heißt, wir haben eine gemeinsame Zukunft in diesem Land und müssen im Zu­sammenhang damit auch über Investitionen nachdenken. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich bin, wie Sie wissen, Wiener Abgeordnete; in Wien wird sehr viel in für die gemein­same Zukunft Gutes investiert. Ich gebe Ihnen aber ein Beispiel aus Salzburg: Salz­burg hat eigenständig Geld in die Hand genommen und in Deutschkurse investiert und sich damit 1,1 Million € an Grundsicherung erspart, cash auf die Hand. Durch solche Investitionen macht man die Menschen unabhängig von der Grundsicherung; sie kön­nen auf eigenen Beinen stehen und selbst für sich sorgen. Und das eingesparte Geld kann wieder in die gemeinsame Zukunft investiert werden.

Oder: Vorarlberg – das sind alles keine sozialdemokratisch regierten Bundesländer – ist das einzige Bundesland, in dem es möglich ist, 30 Prozent der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist doch ein Beispiel! (Abg. Moser: Das ist die grüne Handschrift!) Das heißt: Wenn man will, kann man!

Ich wünsche mir für das gesamte Bundesgebiet, dass wir für unsere gemeinsame Zu­kunft, für die Unabhängigkeit der Menschen von der Grundsicherung in die Qualifika­tion investieren, um sie fit zu machen.

Ich glaube, ein paar Sekunden habe ich noch, um ein Beispiel aus dem roten Wien zu bringen: In Wien wurde innerhalb von acht Monaten ein Jugendcollege für nicht schul­pflichtige Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren auf die Beine gestellt – Deutschkur­se, Qualifikationsmaßnahmen. 1 000 junge Menschen werden davon profitieren, somit wird auch die Bundeshauptstadt davon profitieren.


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Zum Schluss bedanke ich mich sehr herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofes, und Ihnen, Frau Präsidentin, wünsche ich alles Gute für Ihre Amts­zeit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Moser.)

16.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Zakostelsky. – Bitte.

 


16.52.38

Abgeordneter Mag. Andreas Zakostelsky (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lie­be Präsidentin des Rechnungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und heute insbesondere auch vor den Fernsehschirmen! Der Bundesrechnungs­abschluss 2015 zeigt mit einem Nettoergebnis von minus 4,8 Milliarden € ein etwas besseres Ergebnis als seinerzeit der Voranschlag mit minus 5,1 Milliarden €.

Mit einem öffentlichen Defizit von 1,2 Prozent und einem strukturellen Defizit von 0,1 Pro­zent des BIP wurden wichtige Defizitgrößen, ich würde sagen, zumindest im Zaum ge­halten. Damit erfüllt Österreich 2015 die europäischen Fiskalziele ganz klar, allerdings mit einer wesentlichen Ausnahme. Die Ausnahme ist die Schuldenquote, meine Da­men und Herren, die mit 86,2 Prozent des BIP beinahe Rekordhöhe erreicht und damit auch klar über dem Jahr 2014 – damals 84,3 Prozent – und natürlich deutlich über dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent liegt.

Hören wir daher bitte mit so Lächerlichkeiten auf, meine Damen und Herren, wie von Kaputtsparen zu reden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Loacker.) Meine Damen und Herren! Wo ist denn das Sparen zu sehen, wenn man jährlich beinahe 5 Milliar­den € mehr ausgibt, als man einnimmt? 5 Milliarden € mehr auszugeben als einzuneh­men, das könnte sich weder ein Unternehmer noch ein Privater in Österreich leisten. Und wo ist das Sparen zu sehen, wenn die Schulden unseres Landes Jahr für Jahr steigen? Für großartige weitere Investitionen des Staates, meine Damen und Herren, wie das in letzter Zeit geäußert wurde, über die man in manchen internationalen Me­dien lesen konnte, für großartige weitere Ausgaben des Bundes kann und darf natür­lich kein Spielraum gegeben sein.

Der Finanzminister, meine Damen und Herren, hat leider keine – ich sage einmal –Ge­neralkompetenz, mit der er eine zwingende Spardisziplin vorgeben könnte. Daher war, man muss es realistisch sehen, die Rolle der Finanzminister der letzten Jahre letztend­lich eine ganz klare, nämlich Schlimmeres zu verhindern. Die neue Rechnungshofprä­sidentin Dr. Kraker hat auch ganz klar die Risiken bei der Bewältigung der budgetären Herausforderungen der kommenden Jahre aufgezeigt, die im Raum stehen.

Ganz konkret rät uns der Rechnungshof, vorhandene Ineffizienzen, Doppelgleisigkei­ten und Kompetenzüberlappungen in manchen Bereichen rigoros und rasch zu besei­tigen. Angesprochen werden in diesem Zusammenhang vor allem die Bereiche Bil­dung, Gesundheit, Soziales, aber auch Förderungen.

Vielen Dank auch von meiner Seite und von unserer Fraktion an den Rechnungshof, an Präsidenten Moser, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die sorgfältige Er­stellung des Rechnungsabschlusses, und natürlich auch der Auftrag und die Bitte an Frau Präsident Kraker, diesen Kurs ganz klar weiterzufahren.

Es zeigt sich damit unterm Strich, dass wir dringend eine ausgabenseitige Konsolidie­rung unseres Budgets brauchen. Die Handlungsoptionen sind deutlich aufgezeigt, und nicht vergessen sollten wir – das wurde heute auch schon da oder dort angespro­chen –, dass wir derzeit ja noch von einer extremen Niedrigzinsphase profitieren. Spä­testens dann, wenn die Zinsen wieder steigen, meine Damen und Herren, wenn die Zinsen beispielsweise auch nur um einen Prozentpunkt steigen, stehen wir vor gewal­tigen Herausforderungen.


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Dazu vielleicht noch einen kurzen Einschub, weil vielleicht da oder dort auch immer wieder von Vermögensteuern geträumt wird: Die Nullzinsphase ist ja de facto eine ganz, ganz brutale Vermögensteuer, die eine systematische Umverteilung von Privaten zu den Staaten bedeutet. (Abg. Öllinger: Brutal!) In diesem Sinne ist schon anzumerken, dass die Politik der EZB zumindest in diesem Ausmaß auch sehr, sehr kritisch zu se­hen und zu beleuchten ist. (Abg. Öllinger: Wir gehen sammeln!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Hinweis schließen, der für un­sere Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, vor allem auch die zukünftigen und jungen Generationen, wichtig ist: In Österreich müssen wir endlich aufhören, auf Kosten unse­rer Kinder zu leben. Wir müssen den Reformhandlungsbedarf erkennen – ausgespro­chen ist er ja, vom Rechnungshof wurde er ebenfalls aufgezeigt. Wir müssen die Re­formrückstände in Österreich beseitigen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der ÖVP.)

16.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Obernosterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.57.27

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Grüß Gott, Frau Rech­nungshofpräsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Jetzt noch ein besonderer Gruß an die Ab­ordnung des Wirtschaftsbundes von Mariahilf: Ein recht herzliches Grüß Gott dafür, dass ihr heute bei dieser Debatte über den Bundesrechnungsabschluss zuhört! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben jetzt darüber diskutiert; ich glaube, es sind alle Zahlen genannt worden, alle Stärken, alle Schwächen. Wir haben die zum Teil wirklich nicht ganz faire Kritik der Op­positionsparteien gehört, aber das gehört eben zur Rolle von Oppositionsparteien da­zu. Wir haben die berechtigte Kritik der Frau Rechnungshofpräsidentin gehört, die ernst zu nehmen ist. Diese Mängel sind einfach zu beseitigen. Wir wissen aber auch, dass, als wir hier herinnen vor einem Jahr oder einem knappen Jahr das Budget für 2015 be­schlossen haben, wir von allen Oppositionsparteien gehört haben, dass dieses Budget ein schönfärberisches Budget ist, auf keinen Fall einzuhalten ist und auch nicht halten wird.

Heute haben wir die Tatsachen auf dem Tisch, und die zeigen, dass dieses Budget doch gehalten hat, dass die Vorgaben eingehalten wurden. Ich sage immer, man muss ein Budget so wie ein Wirtschaftstreibender die Bilanz zunächst einmal in der Gesamt­heit sehen und dann erst in Detailbereiche hineingehen, um festzustellen, was dort noch zu machen und zu tun ist. Das vom Finanzminister vorgelegte Budget hat aber, wie gesagt, gehalten, und es hat sogar Mehreinnahmen gegeben. Es gab natürlich ge­wisse Vorzieheffekte, das wissen wir auch, wir wissen aber auch, dass es wesentlich mehr Ausgaben im Bereich Sicherheit und Integration gegeben hat, die in die drei­stelligen Millionen gegangen sind. Trotzdem haben wir das Budget mit einem besseren Ergebnis abgeschlossen, als wir es vor einem Jahr beschlossen haben. Das muss man auch einmal positiv zur Kenntnis nehmen, denn wir wissen, welche Zahlen wir vor ei­nem Jahr auf dem Tisch liegen hatten und welche Zahlen heute hier auf dem Tisch lie­gen. (Beifall bei der ÖVP.)

Etwas muss man dazu auch noch ganz klar sagen: Wir kennen den Budgetpfad. Wenn wir den einhalten wollen, dann wissen wir, dass wir die angekündigten Reformen wei­terhin so schnell wie möglich umsetzen müssen. Eines ist nämlich überall gleich, ob in der Familie, in einem Wirtschaftsbetrieb oder im Staat: Wenn man regelmäßig mehr ausgibt, dann kommt irgendwann einmal der Tag, an dem man ein Riesenproblem hat!


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Deshalb müssen wir schauen, dass das nicht passiert. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Ganz wichtig ist, dass wir, wenn dieser Budgetpfad eingehalten wird, auch wieder ei­nen gewissen Spielraum bekommen, um einfach in die Zukunft zu investieren, in Wachs­tum zu investieren, auch in die Wirtschaft zu investieren, denn wir wissen, dass damit auch zukünftige und neue Arbeitsplätze verbunden sind und einfach die Wirtschafts­kraft Österreichs aufrecht bleibt.

Wie gesagt, die Reformen sind umzusetzen. Wenn wir diese Konsequenz haben, wenn wir diesen Mut haben – und das erwarten die Österreicherinnen und Österreicher von uns –, dann werden wir, wie gesagt, das Budget auch einmal dorthin bringen, dass wir einen Überschuss haben, dass wir noch stärker in die Zukunft investieren können und damit auch die Zukunft unserer Kinder, unserer Jugend in diesem Land, in diesem wun­derschönen Land sichern können. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


17.01.21

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier und jetzt, wir haben es ja alle gehört: Wir müssten, wir sollten, wir könnten, wir wollten. (Abg. Obernosterer: … auch mitma­chen!) Aber wir tun es nicht! Das ist jetzt mein Appell, nachdem ich mir hier bei dieser Diskussion wirklich alle Mitglieder der Regierungsparteien angehört habe und auch die Worte der Frau Präsidentin zur Kenntnis genommen habe.

Ja, das ist sozusagen ein ganzes Willensprogramm, das Sie uns präsentiert haben. Nur, dieses Wollen: Es ist ja die Devise – wie heißt das schnell? – „Erfolg durch Kon­trolle“ eigentlich eine Devise fürs Parlament. Ich nehme Ihnen gerne ab, dass das das Ziel des Rechnungshofes ist, nur: Ihr Problem ist, dass wir ja das tun müssen, was Sie uns vorschlagen! Dieses Tun hängt immer am: Wir könnten, müssten, wollten, sollten!, und dieses: Wir könnten, müssten, sollten, wollten!, soll endlich in ein Tun münden!

Da hätte ich einen wunderbaren Vorschlag, den auch die Frau Präsidentin hier genannt hat, den der Budgetdienst, den wir ja eingesetzt haben, studienmäßig belegt hat und den mein Kollege Rossmann eingangs erwähnt hat: Warum tun wir nicht – ich sage das jetzt umgangssprachlich – endlich entsprechend den Empfehlungen, dass der Bun­desrechnungsabschluss vom Finanzressort vorgelegt wird und der Rechnungshof ihn sozusagen rein prüfungsmäßig kontrolliert? Warum gehen wir nicht dazu über, dass wir endlich den internationalen Standard einführen: Der Rechnungshof macht das Hakerl, aber vorgelegt und erarbeitet wird das durch das BMF?

Frau Präsidentin, das war ja auch Ihr Plädoyer; ich wiederhole es nur. Warum machen wir das nicht? Warum ändern wir nicht die Verfassung, die Finanzverfassung, in diese Richtung? – Das kostet uns nichts! Das spart uns beim Rechnungshof Budgetmittel, der Rechnungshof würde entlastet werden. Der Rechnungshof könnte dann mehr an­dere Bereiche kontrollieren, in mehr anderen Bereichen zu Erfolg führen – „Erfolg durch Kontrolle“ heißt es ja. Tun wir das doch, Frau Kollegin Fekter, eine Allianz, Frau Kolle­gin Tamandl, gerade die Mitglieder des Budgetausschusses! Ja, es geht ohneweiters! Es ist ja rein eine Frage des Wollens. Es kostet nichts, und es spart uns etwas. (Abg. Fekter: Aber es bringt auch nichts!) – Na sicher bringt es etwas! Dem Rechnungshof bringt es freie Personalressourcen. Erkundigen Sie sich, auch Moser hat schon immer gesagt … (Abg. Fekter: Sie haben ja kontrolliert, trotzdem …!) – Erkundigen Sie sich, Frau Kollegin Fekter, ich lade Sie herzlich ein! – Das wäre ein erster Vorschlag.

Ein zweiter Vorschlag, ein dritter und ein vierter finden sich in den Zeilen des Rech­nungshofes, dass man im Hinblick auf nachhaltige Budgetierung, im Hinblick darauf,


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dass das erreicht werden soll, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, endlich die Mittelverwendungsseite hinsichtlich Ineffizienz, Doppelgleisigkeiten und Kompetenzüber­lastung entlasten muss. Die Frau Präsidentin hat es ja gesagt: Bildung, Pensionen, Ge­sundheit, Soziales, Forschung, Förderungen – da gibt es Doppelgleisigkeiten, da gibt es Ineffizienzen, da werden die Mittel sozusagen nicht kompetenzmäßig klar verteilt, sondern da gibt es Überlappungen. Das alles sollten wir endlich bereinigen!

Ich habe auch schon mit vielen Abgeordneten der Regierungsparteien darüber gespro­chen, weil ich ja Lösungen will. Ich will sie nicht ständig kritisieren, ich will ja haben, dass etwas weitergeht! Diese Kolleginnen – auch eine lachende Kollegin an der Seite der Frau Kollegin Tamandl (Abg. Fekter: Schittenhelm heißt sie! Dorothea Schitten­helm!) – sagen mir immer wieder: Es fehlt der Prozess. Es fehlt der Prozess! Wir sind ja durchaus bereit, auch Kompetenzen zu bereinigen, aber da geht es halt um die Macht gewisser Länder. Da beißen sich anscheinend auch die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien laufend die Zähne aus.

Warum soll man nicht einmal sozusagen vorrangig den Rock des Abgeordneten und den Rock der Abgeordneten im Auge haben und nicht das Hemd des Bürgermeisters oder des Mandats im eigenen Bundesland, das anscheinend immer davon abhängt, wie man sich jetzt im Nationalrat verhält: ob man eher die Interessen des Landes ver­tritt oder doch – wofür man gewählt wurde – die Interessen des Bundes. Da könnte man sich also wirklich einmal sozusagen am eigenen Rock nehmen und den gesamt­wirtschaftlichen und Gesamtwohlinteressen einen Vorrang einräumen, damit die Refor­men, die vom Rechnungshof immer wieder, auch in Form dieser 1 007 Detailvorschlä­ge, genannt werden, endlich umgesetzt werden, damit endlich etwas getan wird und sich hier in den Reden nicht immer dieses: Wir könnten, sollten, wollten, müssten!, und so weiter wiederholt.

Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sie haben in uns Oppositionellen ja relativ – wie soll man denn sagen? – viel Echo erwirkt. Wir sind ja froh, dass Ihre Mitarbeiter sehr verlässlich und sehr seriös am Werk sind und immer wieder ein gutes Argumen­tarium liefern. Nur: Umsetzen müssen wir es hier, meine KollegInnen von den Regie­rungsparteien, hier in diesem Plenum, damit das Steuergeld wirklich verantwortungs­bewusst verwendet wird und nicht in Doppelgleisigkeiten, Kompetenzwirrwarr, Unzu­länglichkeiten, Ineffizienzen und so weiter versickert.

Das ist jetzt, glaube ich, mindestens das zehnte Plädoyer, das ich hier halte. Ich hoffe, dass ein elftes nicht notwendig sein wird. (Beifall bei den Grünen.)

17.07


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Steinbichler ist der nächste Redner. – Bitte. (Abg. Steinbichler tritt ans Rednerpult und stellt ein Schild mit einer Zeichnung auf, in der unter anderem die Worte „Apple“, „Starbucks“ und „Konzernsteuer“ enthal­ten sind. – Abg. Fekter: Ein Taferl! – Weitere Zwischenrufe.)

 


17.07.21

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin, ebenfalls herzlichen Glückwunsch für Ihre sehr wichtige Arbeit! Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf der Galerie, aber ganz besonders auch jetzt, nach getaner Arbeit bei den meisten, vor den Fernsehge­räten! Und ja, Frau Kollegin Fekter, ich habe ein Taferl, ich werde es aber ein bisschen später erklären.

Vielleicht der Spruch des Tages oder das Zitat des Tages zur heutigen Diskussion, zu diesem Rechnungsabschluss 2015: „Eine Regierung muß sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, daß jeder einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist


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nicht gerecht, daß er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate teilen muß.“ – Friedrich der Große, 1712. Dieses Zitat ist 300 Jahre alt, und solange sich die­se Diskussionen in diesem Haus hinziehen, Frau Kollegin Fekter, über den Finanzaus­gleich, über die Vorhaben, über die Wahlversprechen, über die Reformen, so lange wird auch dieser Spruch Gültigkeit haben!

Es wurden hier wirklich, besonders von der Frau Präsidentin, einige Aussagen der Kolleginnen und Kollegen richtiggestellt, in denen ja direkt schöngeredet wurde, wie in Ordnung das Budget ist, wie gut dieses Österreich dasteht. Ich habe jedes Mal ein schlechtes Gefühl, wenn ich an die Zukunft meiner Enkerl denke: 290 Milliarden € Staats­verschuldung – Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, dabei ist mir nicht gut! Dazu müssen wir wissen, was die Frau Präsidentin gesagt hat: Das verklei­nert das Volksvermögen.

Das sind die Fakten, und das ist die Realität. Das schönzureden ist einfach unverant­wortlich, auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, weil es die Wäh­lerinnen und Wähler in Bezug auf die Realität und das Problembewusstsein einfach täuscht. Es ist Wählertäuschung, das hier schönzureden!

Frau Präsidentin, danke, Sie haben von der Reformträgheit dieser Regierung gespro­chen. Das deckt sich genau mit der Aussage des Ex-Vizekanzlers und Ex-Finanzmi­nisters Hannes Androsch bei einem Vortrag in der Oberbank in Linz. Er wurde vom Chefredakteur der „Oberösterreichischen Nachrichten“ befragt, und Hannes Androsch sagte: Der Zustand, der Kraftzustand dieser Regierung ist ganz einfach zu umschrei­ben: Diese Bundesregierung ist ganz stark im Unterlassen und ganz schwach im Um­setzen.

Diese Ergebnisse müssen wir hier diskutieren. Das sind die Ergebnisse! Kollege Ober­nosterer, auch wenn wir noch so positiv reden, auch wenn wir uns noch so Positives wünschen: Wenn du aus deiner Küche kein Gericht bringst, das deinen Gästen schmeckt, dann kannst du das am Tisch nicht mehr schönreden. Hier geht es um die­ses Gericht in dieser Küche Österreich, das wir auf den Tisch stellen, und die Frau Prä­sidentin hat berechtigt gesagt: 80 Anträge des Rechnungshofes wurden von dieser Re­gierung noch überhaupt nicht behandelt.

Ja, Kolleginnen und Kollegen, das sind die Fakten. Ich glaube, genauso ist es bei den alternativen Energien, Kollegin Greiner hat davon gesprochen – genau das Gegenteil ist der Fall, Frau Kollegin! Die Bio-Heizwerke bei der Energie AG in Timelkam, das Bio-Heizwerk bei der FACC in Ried und weitere wurden entweder stillgelegt oder ge­schleift, oder es wird mit Atomstrom und Russengas geheizt. Und in der Werbung der Regierung heißt es dann, der Strom wird grüner, aber die Arbeitsplätze im Inland, die Jobs werden gekillt und damit auch das Volksvermögen.

Frau Kollegin Fekter, ich stelle heute den Antrag, dass die ÖVP aufgrund ihres Ver­haltens hinsichtlich CETA und TTIP sowohl bei der Enquete als auch bei der heutigen Diskussion das Wort Volkspartei einfach wieder aus dem Parteinamen herausnimmt. Ich habe einen alternativen Namen: Man könnte sie ja auf „Konzernpartei Österreich“ taufen. Die Abkürzung brauche ich nicht zu sagen, denn die ist bereits besetzt.

Das sind die Fakten. Man muss hier fragen – Frau Kollegin Moser hat es gerade ge­sagt –: Vertreten wir hier die Länder? Vertreten wir hier Parteiinteressen? Oder vertre­ten wir die Zukunft unseres Landes? – Ich glaube, es gibt keine höhere Aufgabe – und dafür sind wir gewählt –, als die Interessen und die Zukunft der Bürgerinnen und Bür­ger in diesem Staate zu vertreten.

Bei der schon erwähnten Veranstaltung hat Direktor Gasselsberger von der Oberbank auch kritisiert, dass dieser Spielraum von 9 Milliarden € – das ist ein unvorstellbarer Betrag, der dieser Regierung allein durch den günstigeren Zinssatz zur Verfügung ste-


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hen würde – nicht für Maßnahmen für den Konjunkturmotor genützt wird, sondern für die Schuldentilgung verwendet wird. Der Grund dafür, warum wir im internationalen Ranking immer mehr verlieren, sind, glaube ich, genau diese wesentlichen Unterschie­de zu unseren deutschen Nachbarn. Dort wird das gemacht: Seit Schröder und der Agenda 2010 haben sie dort in die Zukunft gedacht.

Wir machen eine Loch-auf-und-Loch-zu-Politik. Bei dieser Regierung fehlen die klare Strategie für die Zukunft und auch der Mut zur Umsetzung. Da ist dieses gegenseitige Belauern, man spürt es in den laufenden Diskussionen. Es ist keine Frage: So kann man auf keiner Baustelle arbeiten, so kann man in keinem Betrieb arbeiten. Das ist ge­nau das Ergebnis, das wir hier diskutieren.

Ich bin der Meinung, es ist höchste Zeit, dass wir diese Vorschläge des Rechnungsho­fes umsetzen. Es sind 1 027, und an dieser Stelle darf ich Ihrem Vorgänger, Frau Prä­sidentin, Herrn Moser, noch einmal Danke sagen: Er hat zu Ihrem Wechsel 1 027 Vor­schläge (Abg. Moser: 1 007 sind es!) hinterlassen. Ich denke, das ist doch ein Arbeits­papier für diese Regierung. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Wir brauchen für die Zukunft eine enkerlgerechte Politik, denn wir zahlen mit der Scheckkarte unserer Enkerl. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

17.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Matznetter. – Bitte.

 


17.13.46

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungshofes, willkommen hier im Plenum! Ich darf die Gelegenheit nützen, um mich hinsichtlich eines Aspekts ein bisschen zu entschuldigen, den wir schon im Aus­schuss diskutiert haben, nämlich hinsichtlich des Misstrauens, dass der Rechnungshof, wenn er den Bundesabschluss erstellt, weniger kritisch wäre (Abg. Fekter: Nein, viel kritischer!) – weniger kritisch wäre! –, als wenn er ihn nur prüfen würde. (Abg. Haider: Das hat niemand behauptet! Das behaupten nur Sie!)

Jetzt haben wir nicht viele Wirtschaftsprüferkollegen da, aber die, die da sind, werden mir das bestätigen: Ich glaube das nicht. (Abg. Fekter: Ich auch nicht!) Der Rech­nungshof ist dauerhaft bestellt, er muss nicht um seine Bestellung fürchten, er be­kommt auch kein Honorar.

Frau Präsidentin, nehmen Sie Folgendes mit, auch für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter: Wir vertrauen darauf, dass das, was kritisch anzumerken ist, auch weiterhin kri­tisch erfolgt. Und an die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Aspekt einbrachten: Ich möchte dasselbe wiederholen wie im Ausschuss. Überlegt bitte: Der Rechnungshof ist ein Organ dieses Hauses. Und es gibt eine Budgethoheit des Parlaments. Es ist unser Budget, und wir sind für die Erstellung verantwortlich – der Finanzminister ist Durch­führender –, daher macht unser Organ den Abschluss. Also ganz so unbeleckt waren die Schaffer unserer Verfassung auch nicht, und in diesem Sinn würde ich Änderungen in diesem Bereich mit großer Vorsicht vornehmen. (Demonstrativer Beifall der Abg. Fekter. – Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der zweite Punkt: Ich möchte fast eine Verpflichtungserklärung von den Kolleginnen und Kollegen der Opposition hören, weil ich noch die Worte im Ohr habe, die Sie ge­funden haben, als das Budget für diesen Abschluss, den wir jetzt diskutieren, beschlos­sen wurde: warum das nicht halten wird, dass die Prognose viel zu optimistisch ist und dass wir, wenn dann der Einbruch kommt und das Wachstum nicht so stark ist, in Schulden und in steigenden Defiziten ersticken werden. – Bitte werden Sie weder Meteo­rologen noch Wirtschaftsforscher, denn noch schlimmere Prognosen können wir uns im Land nicht leisten! Die Opposition lag völlig daneben. Dieses Budget beweist: Es wurde eingehalten, wir haben richtig budgetiert, und wir haben trotz schwächeren als


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erwarteten Wachstums alle Ziele gehalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Deimek: Wem wollen Sie denn das erzählen?)

Der letzte Punkt ist: Ich darf mich an dieser Stelle heute auch einmal bedanken, näm­lich – Otto Pendl sagt: Richtig! (Abg. Kassegger: Das macht der Otto Pendl …!) – beim Regierungspartner ÖVP. Jan Krainer hat wortwörtlich die entsprechenden Passagen eines „FAZ“-Interviews des Bundeskanzlers vorgelesen, das irrtümlich von manchen als Aufruf zur Schuldenmacherei und sonst wie kritisiert wurde, aber die Fraktion hat richtig erkannt, dass es richtige Ausführungen waren, und hat ihm auch dazu applau­diert. Ich bedanke mich dafür, denn eine solche Einsicht ist besser als so mancher Querschuss des Finanzministers, und ich sage daher zum Koalitionspartner: Weiter so! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.17


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens des Berichterstatters wird keines gewünscht.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1256 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

17.17.433. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 34, 55, 57, 61 und 62, 65 und 76 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 73, 78, 80, 83, 88 und 91 bis 96 (1248 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Ing. Höbart. – Bitte.

 


17.18.20

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Herr Präsident! Hoher Nationalrat! Werte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Es geht jetzt um den Sammelbericht über die von Ihnen, Herr Präsident, genannten Petitionen. Ich werde jetzt aus freiheit­licher Sicht die Petition 57 argumentieren und hier im Plenum noch einmal darüber de­battieren. Es geht darum, dass unser ehemaliger Abgeordneter und jetziger Kärntner Landesrat Mag. Gernot Darmann eine Petition mit dem Titel „Rettung des Waffenpas­ses für Jäger“ eingebracht hat.

Hier kommen wir schon zu einer sehr ernsten Thematik, nämlich dass uns Freiheitli­chen auffällt, dass gerade das Waffengesetz von der linken Seite und von gewissen Krei­sen in dieser Republik immer mehr mit Argusaugen beobachtet wird – ein Waffenge­setz im Übrigen, das schon jetzt sehr, sehr restriktiv und mit klaren Regeln versehen ist –, wobei offensichtlich versucht wird, rechtschaffene Bürger sozusagen ein bisschen in die Illegalität zu treiben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 150

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur die Überlegungen der Europäischen Kom­mission erwähnen, halbautomatische Waffen zu verbieten, obwohl man doch weiß, dass sämtliche Terroranschläge in den letzten Jahren und Monaten stets mit vollautomati­schen, illegalen Waffen vollbracht wurden – tragischerweise. Wir sehen hier also in kei­ner Weise einen Änderungsbedarf.

In weiterer Folge versucht man jetzt auch, die Waffenpassausstellungen, wo es ja klare rechtliche Richtlinien gibt, immer restriktiver zu gestalten.

Wir stellen fest, dass sogar an Polizisten immer weniger bis gar keine Waffenpässe ausgegeben werden, obwohl diese ja eigentlich die rechtliche Voraussetzung und Not­wendigkeit haben, sich bei gewissen Problematiken – so es auf der Straße zu Proble­matiken kommt – in den Dienst zu stellen. Und das wird dann interessant, wenn sich ein Polizist bücken und einen Stecken aufheben muss, den er vielleicht auf der Straße findet, um sozusagen mit dem tschetschenischen Verbrecher auf der Straße zu fech­ten. Das kann es nicht sein!

Genauso wenig kann es sein, dass man jetzt versucht, betreffend den Waffenpass für die Jäger restriktiver zu agieren. Da gibt es ganz klare Richtlinien, nämlich § 21 und § 22 des Waffengesetzes. Diese Paragraphen regeln die Ausgabe des Waffenpasses für den jagdlichen Gebrauch genau, und das hat auch einen Sinn. Da hat es jetzt, wie gesagt, im Vollzug, im Verwaltungsvollzug, komischerweise immer öfter die Situation gegeben, dass an Jäger keine Waffenpässe mehr ausgegeben wurden. Darauf basie­rend gab es dann unsere Petition.

Interessant daran ist eines: Da müssen wir schon feststellen, dass es zu einer Ge­setzesänderung auf Verwaltungswegen gekommen ist, weil nämlich der Verwaltungs­gerichtshof irrtümlicherweise – oder bewusst?, das ist jetzt die Frage – Folgendes fest­stellt – und ich zitiere jetzt –:

„Danach muss von einem Jagdausübenden die jagdliche Fertigkeit erwartet werden,“ – na no na ned, das ist eigentlich eine logische Schlussfolgerung – „die Nachsuche nach Wild (auch Schwarzwild) auch in unwegsamem Gelände mit einer Jagdwaffe vorzuneh­men, ohne eine Waffe der Kategorie B zu benötigen.“ – Kategorie B ist oftmals eine Faust­feuerwaffe.

Also da wünsche ich Verwaltungsgerichtshofbeamten wirklich viel Spaß, wenn sie ir­gendeinem halb erlegten Wild, wenn man das jetzt so sagen will, einen Fangschuss setzen müssen oder ihm in unwegsamem Gelände mit der Jagdwaffe sozusagen nach­jagen müssen. Also da hat eben eine Gesetzesänderung auf dem Verwaltungsweg statt­gefunden, und das war der Hintergrund unserer Petition.

Ich ersuche alle hier in diesem Hause, die an der Gesetzgebung beteiligt sind, wieder den normalen Weg der Gesetzgebung sicherzustellen und solchen komischen Erkennt­nissen des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuwirken. (Beifall bei der FPÖ.)

17.22


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner kommt Herr Abgeordneter Lipitsch zu Wort. – Bitte.

 


17.22.34

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Werte Zuseher! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der letzten Sitzung des Petitionsausschusses insgesamt 43 Tagesordnungspunkte behandelt, und ich möchte hier anmerken, dass es dabei diesmal etwas Neues gab. Wir hatten im Vorfeld sechs Anhörungen, und ich glaube, dass es eine wichtige Aktion war, das neu zu gestalten, denn es hatten die Einbrin­gerinnen und Einbringer die Möglichkeit, ihre Anliegen darzustellen und auch ihre Be­weggründe, warum sie das eingebracht haben, dort zu erläutern. Ich denke, das ist ein


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Modell, das wir weiterverfolgen sollten, denn so hatte jede Fraktion die Möglichkeit, zu­mindest eine Bürgerinitiative oder Petition zu nennen, die dann dort mit den Einbrin­gern diskutiert worden ist.

Ich möchte aber darüber hinaus erwähnen, dass im Vorfeld dieses Ausschusses auch eine Veranstaltung mit Verantwortlichen für Bürgerinitiativen und Petitionsausschüsse aus anderen Staaten stattgefunden hat. Ich möchte mich bei Kollegen Bernhard recht herzlich dafür bedanken, dass er das organisiert hat, denn es war sehr wichtig, die Sichtweise der anderen Staaten zu sehen. Wir haben im Oktober die Möglichkeit, diese Gespräche in Luxemburg zu vertiefen, und die Möglichkeit, mit den Luxemburger Kol­legen und Kolleginnen genauer über ihr Vorgehen zu diskutieren.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, der mir besonders gut gefallen hat: Es gibt Themenpakete, die, so wie jetzt TTIP oder CETA, über längere Zeit aktuell sind und zu denen immer wieder Bürgerinitiativen eingebracht werden. Es ist sinnvoll, dass man das zu einem Gesamtpaket zusammenfasst und nicht in jeder Sitzung immer wieder den gleichen Ablauf hat, um dann etwas weiterzubringen.

Unsere Aufgabe ist es, die Erfahrungen aus all den Gesprächen und auch aus dem, was wir ausprobieren, mitzunehmen und den Ausschuss weiterzuentwickeln. Wir ha­ben schon einige Schritte gemacht, es werden aber noch weitere Schritte wichtig sein, um den Ausschuss in dieser Legislaturperiode auch umzumodeln, sage ich jetzt ein­mal – ich kenne ihn ja schon sehr, sehr lange.

Ich möchte aber zur Anhörung zurückkommen. Da hat es sechs verschiedene Themen gegeben, und ich möchte auf die Bürgerinitiative 88 eingehen, diese betrifft das Prinzip „Best- statt Billigstbieter bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr“, die Erhaltung der Qualitäts- und Sozialstandards in diesem Bereich sowie den verpflichtenden Personal­übergang, wenn Ausschreibungen im Linienbusverkehr durchgeführt werden.

Es ist ganz wichtig, dass dieses Bestbieterprinzip, das wir im Baugewerbe ja schon verankert haben, auch betreffend den öffentlichen Regional- und Nahverkehr im Bun­desvergabegesetz verankert wird. Wir haben diese Aufgabe dem Verfassungsaus­schuss zugewiesen. Enthalten ist aber auch die Festlegung der Ausgestaltung von Ver­gabeverfahren hinsichtlich Qualitäts- und Sozialstandards, die in bundesgesetzliche Nor­men gegossen werden sollen. Ich glaube, das ist eine wichtige Sache: Qualität für den Nah- und Regionalverkehr, damit die KundInnen dort auch eine entsprechende Qualität haben, und auf der anderen Seite die Sozialstandards, um für die Beschäftigten auch sicherzustellen, dass sie jede Möglichkeit haben.

Die Bürgerinitiative 85 betreffend „Ehe Gleich!“ war ebenfalls ein Thema. Dabei geht es um die Aufhebung des Eheverbotes von gleichgeschlechtlichen Paaren. Ich möchte darauf hinweisen, dass derzeit schon fast 40 000 Unterstützer unterschrieben haben. Da haben wir ja weitere Stellungnahmen eingeholt, und es gibt auch weiterhin die Mög­lichkeit, dass diese Bürgerinitiative unterstützt wird, um dieses Anliegen besonders her­vorzuheben, denn es geht darum, gleichgeschlechtlichen Paaren in Österreich auch die Möglichkeit einer Ehe zu geben, was in anderen Staaten bereits gang und gäbe ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Initiative will diese Diskriminierung beenden. Ich muss nur eines sagen: Wenn ges­tern im ORF Kärnten diskutiert worden ist, ob es eine Diskriminierung ist, wenn ein Damensaunatag oder ein Männersaunatag eingeführt wird, dann ist es höchst an der Zeit, dass wir dieses Thema „Ehe Gleich!“ abhandeln und einer positiven Erledigung zuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab viele Anliegen, viele Initiativen, unterschiedlichste Themen in 43 Punkten, aber ich möchte eines sagen: Es ist natürlich schon so, dass nicht immer den Interessen der Einbringer, aber auch der Fraktionen direkt gefolgt werden kann, es ist aber eine An-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 152

regung für unsere Arbeit, und wir sind dabei, die Anträge so gut wie möglich zu verpa­cken, sodass wir sie in Gesetzestexte gießen können.

Ein Dankeschön an den Kollegen Bernhard! Wir werden den Ausschuss weiterentwi­ckeln – ich denke, da sind alle Fraktionen einer Meinung. Wir werden diesen Weg auch so weitergehen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.

 


17.27.25

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen! Hohes Haus! Ich nehme Bezug auf die Petition Nummer 65 betreffend das Rauchergesetz, TPD2, eine EU-Richtlinie, die wir hier im Parlament umgesetzt haben. Ich will jetzt nicht allzu lange über die Raucherhatz sprechen, möchte aber doch ganz kurz erklären, was diese Peti­tion, die wir unterstützen, fordert.

Kurze Erklärung zum Hauptthema – ich habe es hier mit (eine E-Zigarette in die Höhe haltend) –: eine E-Zigarette, ein Dampfgerät, sage ich einmal. Diese TPD2 hat nun alle klassischen Zigaretten, Kautabak und Elektrozigaretten in ein Paket hineingeschmissen, und das ist natürlich sachlich und fachlich vollkommen falsch. E-Zigaretten sind nach­weislich nicht gesundheitsgefährdend, weder aktiv noch passiv, und trotzdem hat der Gesetzgeber in Österreich diese EU-Richtlinie übererfüllt und verbietet diese E-Zi­garette in Österreich mehr oder weniger ganz genau so wie eine klassische Zigarette.

In Österreich dampfen circa 250 000 Personen. Ich selbst habe vor circa drei Monaten angefangen zu dampfen, konnte meinen Zigarettenkonsum um 70 Prozent reduzieren, habe seither einige tausend Zigaretten weniger geraucht. Das heißt, eigentlich müss­ten wir alle hier Interesse haben, das zu unterstützen. Und was macht der Gesetzge­ber? – Er macht genau das Gegenteil.

Noch ein wichtiger Hinweis: 50 Prozent aller Raucher, die hiermit anfangen, kommen von der Zigarette endgültig los, hingegen nur 3 Prozent, die das über Apothekenprodukte versuchen.

Der Gesetzgeber hat in TPD2 speziell für die Dampfergeschichte einige Hürden einge­baut: Es gibt ein Werbeverbot, es gibt extrem komplizierte Zulassungsbedingungen, und dann – meiner Meinung überhaupt der Clou – gibt es ein Internethandelverbot, das es in der Europäischen Union so eigentlich gar nicht geben dürfte. Das heißt, auch wenn dieses Produkt in Deutschland zugelassen ist, muss ich es in Österreich noch einmal zulassen beziehungsweise darf ich mein Produkt nicht über die Grenzen Öster­reichs hinaus innerhalb der Europäischen Union verkaufen – also vollkommener Schwach­sinn.

Was ist passiert, seit dieses Gesetz in Kraft ist? – Ganz kurz: 40 Prozent Umsatzrück­gang in Österreich – und das betrifft doch einige, ich glaube, 75 bis 80 Dampfershops –, einige dutzend Unternehmer mussten bereits aufhören, knapp 150 neue Arbeitslose. Übrigens – um auch zu den Schockbildern zu kommen –: Was ist da passiert? – Der Kon­sum von klassischen Zigaretten ist genau um 0 Prozent zurückgegangen. Sprich: Alles, was Sie hier mit dem Gesetz wollten, ist nicht eingetreten, das heißt, es wird nicht we­niger geraucht.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tabak- und Nicht­raucherinnen- beziehungsweise Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 153

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Frau­en werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die das Tabak- und Nichtraucherinnen- beziehungsweise Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) dahin gehend abändert, dass insbesondere die Möglichkeit des Umstiegs auf die E-Zi­garette als Alternative zur Tabak-Zigarette nicht behindert wird. Gleichzeitig soll in die­ser Regierungsvorlage den E-Zigarettenhändlern und den Trafikanten ermöglicht wer­den, ihre Handelsgeschäfte mit E-Zigaretten ohne willkürliche Schikanen gegenüber den Konsumenten betreiben zu können.

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.31


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Wurm soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Wurm und weiterer Abgeordneter

betreffend Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG)

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 3: Sammelbericht des Aus­schusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 34, 55, 57, 61 und 62, 65 und 76 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 73, 78, 80, 83, 88 und 91 bis 96 (1248 d.B.) in der 144. Sitzung des Nationalrats am 21. September 2016

Die Errichtung des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz hat für die österreichischen Raucher, aber auch die Gastronomen, Trafikanten und die E-Zigarettenhändler sachpolitisch und wissenschaftlich nicht zu rechtfertigende massive Einschränkungen gebracht, die weit über das Vorsorgeprinzip hinausschießen. Das ab­solute Rauchverbot in der Gastronomie, aber auch die weitergehende Einschränkun­gen der Berufsausübung für Trafikanten und E-Zigarettenhändler gefährden und ver­nichten Arbeitsplätze, bringt aber im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz tatsächlich keine Verbesserungen, wie die letzten unabhängigen Umfragen zur Wirk­samkeit der „Schockbilder“ auf Zigarettenpackungen beweisen. Auch die von der EU selbst beauftragten Umfragen und statistischen Erhebungen belegen unmissverständ­lich das enorme Potential der E-Zigarette, wo innerhalb kürzester Zeit mehr als neun Millionen Menschen vom Tabakrauchen auf die um 95 Prozent weniger schädliche Alternative des Dampfens umgestiegen sind. Vor diesem Hintergrund muss das weit überschießende und nur den Lobbyisten der Pharmaindustrie dienende Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz umgehend geändert werden. Damit soll für die österreichische Rauchkultur und den betroffenen Konsumenten- und Berufs­gruppen ein in einer westlichen Demokratie und Gesellschaftsordnung entsprechender Freiraum geschaffen werden. Gleichzeitig soll auch den umsteigewilligen Raucherin­nen und Rauchern von herkömmlichen Zigaretten ein möglichst einfacher Zugang zur Alternative des Dampfens ermöglicht werden. Der bisher eingeschlagene Weg einer fortgesetzten Verbotskultur muss umgehend gestoppt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 154

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Frau­en werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die das Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) dahingehend abändert, dass insbesondere die Möglichkeit des Umstiegs auf die E-Zigarette als Al­ternative zur Tabak-Zigarette nicht behindert wird. Gleichzeitig soll in dieser Regie­rungsvorlage den E-Zigarettenhändlern und den Trafikanten ermöglicht werden, ihre Han­delsgeschäfte mit E-Zigaretten ohne willkürliche Schikanen gegenüber den Konsumen­ten betreiben zu können.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Gahr zu Wort. – Bitte.

 


17.31.32

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Besucher auf der Galerie! Mit dem vorliegenden Sammelbericht diskutieren wir insgesamt 19 Petitionen und Bürgerinitiativen. Darunter gibt es 11 Bürgerinitiativen, bei denen mindestens 500 Wahlberechtigte unterzeichnet haben.

Mein Vorredner Hermann Lipitsch hat schon betont, dass wir uns im Ausschuss be­mühen, durch Stellungnahmen von Ministerien oder Institutionen, durch Hearings oder die Ladung von Erstunterzeichnern jede Petition oder Bürgerinitiative bestmöglich zu behandeln, sie entweder einem Fachausschuss zuzuweisen oder natürlich auch der Volksanwaltschaft. Insgesamt, so denke ich, haben wir uns weit geöffnet, indem wir zu diesen Petitionen und Bürgerinitiativen auch die elektronische Zustimmung einholen kön­nen.

Wenn wir heute hier diskutieren, so diskutieren wir eine Themenvielfalt – von Gesund­heit über Mobilität, Justiz, Kultur, Sicherheit, Bildung, Familie, Asyl, Medien, Wohnrecht bis zur Lebensmittelherkunft und so weiter. Man sieht also, dass die Bürgerinnen und Bürger die direkte Demokratie in Anspruch nehmen.

Ich selbst habe heuer im Frühjahr eine Petition zur Registrierkassenpflicht eingebracht, in der es darum geht, praktikable Lösungen für Vereine und Ehrenamtliche zu erzielen. Österreich ist ein Land, in dem Ehrenamtlichkeit hoch im Kurs steht: 3,3 Millionen Men­schen engagieren sich in 122 000 Vereinen ehrenamtlich. Damit ist das ein riesiger Beitrag zur sozialen Sicherheit, aber natürlich auch zum sozialen Zusammenleben.

Die Petition forderte praktikable Lösungen, wie schon gesagt, durch Erhöhung der Um­satz- und Gewinnfreigrenzen, Erleichterungen und Praxistauglichkeit bei der Beleger­teilungspflicht, Unterstützung für Vereine und Festveranstalter bei der technischen Ab­wicklung. Zusätzlich zu dieser Petition gab es natürlich noch durchaus massive Unter­stützung von allen Seiten, und nach intensiver Diskussion wurde dann im Juli-Plenum eine machbare, vertretbare und aus meiner Sicht vernünftige Lösung beschlossen. Es gibt damit Klarheit für Vereine und Wirte, einfache und verständliche Regelungen, Er­leichterungen und neue Impulse für die Gastronomie und ein klares Bekenntnis zum Vereinswesen in Österreich.

Speziell für Vereine ist die Zusammenarbeit von Vereinen und Gastronomen möglich. Es gibt einige Vereinfachungen bei den unentgeltlichen Mitarbeitern, es gibt keine Re­gistrierkassenpflicht für kleinere Vereinskantinen, und die Ausweitung der kleinen Ver­einsfeste von 48 auf 72 Stunden kommt gerade öffentlichen Körperschaften, zum Bei­spiel der Feuerwehr, entgegen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 155

Für die Wirte ist es möglich, dass die Mitarbeit näherer Angehöriger, welche kurzfristig und unentgeltlich mithelfen, möglich ist, außerdem erfolgte eine Ausweitung der Kalte-Hände-Regelung, und eine einfache und unbürokratische Anstellung von Aushilfskräften wurde ermöglicht.

Als Einbringer dieser Petition und im Namen vieler Vereinsfunktionäre und Vertreter der Blaulichtorganisationen bedanke ich mich bei allen, die mitgewirkt haben, beson­ders bei Bundesminister Schelling. Es gibt jetzt Klarheit, es gibt Transparenz, es gibt Fairness, es gibt Erleichterungen und weniger beziehungsweise zumutbare Bürokra­tie. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

17.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.

 


17.34.56

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher auf der Besuchergalerie! Die Bürgerinitiative 78 „Wert­schätzung Familienarbeit – faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle“ wurde von über 5 200 Bürgerinnen und Bürgern mit ihrer Unterschrift unterstützt, und sie wurde nach Einholung der Stellungnahme von den Regierungsparteien zur Kenntnis genommen.

„Das Gelingen einer sozialen Kultur ist ganz auf das frühe Glück der Kinder angewie­sen.“ – Das ist ein Zitat des bekannten deutschen Familienpädagogen Wolfgang Berg­mann, dem ich mich zu hundert Prozent anschließen kann. Verwendet wird dieses Zitat auch als Grundsatz dieser Bürgerinitiative.

Familien haben es in der heutigen Zeit schwer, sofern sie nicht zu den wenigen reichen zählen. 1,5 Millionen Bürger stehen an der Armutsgrenze, mehr als 400 000 Kinder sind armutsgefährdet und laufen Gefahr, aus wirtschaftlichen Gründen sozial ausge­grenzt zu werden. Der finanzielle Druck auf Familien wird immer größer. Bei steigen­den Wohn- und Lebenshaltungskosten, stagnierenden Gehältern und steuerlicher Höchst­belastung müssen im Gegensatz zu früher meistens beide Elternteile arbeiten, um die Versorgung der Familie zu garantieren.

Die Ideen und die Anliegen der Bürgerinitiative sind ein interessanter Ansatzpunkt für die zukünftige Familienpolitik in Österreich: Das Ziel ist eine Gleichstellung der außer­familiären und der innerfamiliären Kinderbetreuung. Laut aktuellen Studien wollen 80 Pro­zent der Mütter ihre Kinder selbst betreuen, dies ist aber laut den Einbringern dieser Bürgerinitiative meistens aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen nicht möglich. Es sollte daher seitens der Politik ein eigenes Berufsbild Familienarbeit erstellt werden, unter das jene Frauen fallen, die sich bewusst dafür entscheiden, ihre Kinder überwie­gend selbst zu erziehen und selbst zu betreuen.

Die Unterzeichner der Bürgerinitiative fordern ein Elterngehalt, das den Kosten einer außerhäuslichen Betreuung entspricht, mit Pensions- und Krankenversicherung wie bei jeder anderen Erwerbstätigkeit. Dadurch, dass die Mütter finanziell abgesichert sind, be­steht eine echte Wahlfreiheit zwischen Familie und Erwerbstätigkeit.

Unsere Familien sind in den letzten zehn Jahren immer die Verlierer gewesen: Die Fa­milienbeihilfe wurde immer noch nicht an die Inflationsrate angepasst, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für die Pension bleibt weiterhin auf niedrigem Niveau und auch die arbeitsrechtliche Karenz wurde nicht, wie von den Freiheitlichen gefordert, auf drei Jahre verlängert. Das ab März 2017 geltende Kinderbetreuungsgeldkonto ist nicht nur kompliziert gestaltet, sondern bringt für die Familien auch eine Verkürzung der Be­zugsdauer und weniger Geld.


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Parallel dazu mangelt es an Kinderbetreuungseinrichtungen, die ganzjährig und ganz­tägig geöffnet sind. Vor allem in ländlichen Regionen leiden darunter Berufstätige und Alleinerziehende, die ohne Unterstützung durch die eigene Familie oder teure Tages­mütter aufgeschmissen sind.

Zusammengefasst: Die Bürgerinitiative, die hier eingebracht wurde, will, dass innerfa­miliäre und außerfamiliäre Kinderbetreuung gleich viel wert sind. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

17.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


17.39.31

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Die Kollegen Lipitsch und Gahr haben ja schon erwähnt, dass es im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen noch immer Reformbedarf gibt, aber dass wir in der Arbeitsweise doch ein Stück weitergekommen sind – insofern erfolgt auch auf jeden Fall unsere Zustimmung zu diesem Bericht, weil wir in einigen wesentlichen Punkten Zuweisungen erreicht haben, nämlich an die Fachausschüsse, und in einigen wesent­lichen Punkten sogar Ergebnisse erzielt worden sind.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch wieder an ei­ner Bürgerinitiative zeigen, wie weit und wie tiefgehend manchmal solche Bürgerinitia­tiven unser Haus bewegen, nämlich an der Bürgerinitiative zu TTIP und CETA, die wir schon vor einiger Zeit ins Haus bekommen haben. Diese hat auch eine Forderung be­inhaltet, nämlich nach einer parlamentarischen Enquete. Die haben wir letzte Woche hier abgehalten, und die war sehr, sehr interessant, konstruktiv, unter Beiziehung auch der Zivilgesellschaft und vieler Expertinnen und Experten.

Also man sieht, dass ausgehend von Forderungen von Bürgerinitiativen und Petitionen hier im Parlament sehr wohl auch weitreichende Anstöße kommen, und das finde ich ausgezeichnet. Bei der Gelegenheit auch noch einmal an den Vorsitzenden Michael Bernhard gerichtet: Diese positiven Impulse für unsere Arbeitsweise haben auch mit den Impulsen zu tun, die der Vorsitzende dann und wann gibt. Konkret waren das auch diese parlamentarischen Fachgespräche, die wir hatten, mit guten Experten aus ande­ren Regionen, das heißt aus anderen Ländern, aus anderen Parlamenten. Im Aus­tausch zu diesem Petitions- und Bürgerinitiativenrecht sehen wir, dass es noch gute Möglichkeiten gibt, dieses bei uns zu verbessern und zu vertiefen.

Ich hoffe, dass wir im Laufe der nächsten Sitzungen in diese Richtung auch zu konkre­ten Maßnahmen kommen, möglicherweise auch zu einer gemeinsamen Entschließung, was ich sehr begrüßen würde, wenn wir hier weiterkommen. Konkret geht es darum, dass man diese Hearings oder Ersthörungen von Petenten und Bürgerinitiativenvertre­tern in der Geschäftsordnung verankert, dass wir uns gemeinsam aus dem Ausschuss heraus für eine solche Verankerung in der Geschäftsordnung des Hauses einsetzen.

Ich möchte zum Schluss einige konkrete Beispiele anführen, die aus meiner Sicht sehr positiv waren, nämlich zum Beispiel die Petition den Uhudler betreffend. Auch dieses Problem, bei dem es um regionale Lebensmittel, um Interessen der regionalen Wirt­schaft geht, konnte gelöst werden: Der Uhudler ist – unter Anführungszeichen – „geret­tet“, die EU ist nicht drübergefahren. Wir haben es konstruktiv lösen können.

Ein weiteres Beispiel ist eine Bürgerinitiative, die, glaube ich, sehr wegweisend ist, näm­lich betreffend faire Lebensmittel, wozu wir auch eine Anhörung hatten. Wir haben sie dann dem Landwirtschaftsausschuss zur weiteren Behandlung zugewiesen, und ich muss sagen, die Bürgerinitiative ist wirklich engagiert. (Beifall bei den Grünen.) – Ja,


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richtig, das gilt der Bürgerinitiative! Warum? Weil sie gezeigt hat, dass das Engage­ment für Herkunftsbezeichnungen und regionale Produkte bis zu 10 000 Arbeitsplätze in Österreich schaffen kann, was mit einer Studie der Kepler Universität belegt wurde. Also ich denke, das sind ganz wichtige Impulse, die wir hier in den Landwirtschaftsaus­schuss mitnehmen.

Vorausschauend möchte ich noch sagen: Es waren auch gute zentrale politische For­derungen dabei. Ein Beispiel war die Frage der öffentlichen Ausschreibungen im Li­nienbusverkehr. Da geht es darum, dass die Bürgerinitiative die Anwendung des Best­bieterprinzips anstatt des Billigstbieterprinzips fordert. – Ja, natürlich, eine gewerkschaft­liche Initiative, sehr positiv, von uns auch unterstützt.

Ich sage nur eines: Im Rahmen von CETA, dem kanadisch-europäischen Freihandels­abkommen, müssen genau solche Sachen dann transatlantisch ausgeschrieben wer­den. Na das möchte ich sehen! Bei solchen Dingen wird es dann ordentlich zugehen, und da werden wir auch da und dort … (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ja, Kollege Scherak, das ist so. (Abg. Scherak: Aber Bestbieter geht auch transatlantisch!) – Na­türlich ginge Bestbieter auch transatlantisch. Der Punkt ist nur, wenn sich ein auslän­discher Anbieter durch die Ausschreibungskriterien benachteiligt fühlt, dann haben wir das erste Schiedsverfahren im Bereich des öffentlichen Verkehrs.

Also Sie sehen, die Dinge sind nicht so einfach. Und wir werden zu CETA, davon bin ich überzeugt, auch noch die eine oder andere Initiative hier im Haus haben – von den Bürgerinnen und Bürgern. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.44


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte.

 


17.44.26

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren Abgeordnete dieses Hauses! Der nunmehr vorliegende Sammelbericht enthält un­ter anderem die Bürgerinitiative Nr. 96 „ÖH-Beitrag senken!“. Das heißt, die Betreiber dieser Bürgerinitiative setzen sich für die Senkung der Zwangsbeiträge, die alle Stu­denten in Österreich an die Österreichische Hochschülerschaft zu zahlen haben, ein, und zwar von derzeit 19,20 € auf 4,50 €.

Hiezu liegen zwei Stellungnahmen vor, eine vom Ministerium und eine von der Bun­desvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft. Diese teilt mit, dass sie sich ge­gen diese Bürgerinitiative ausspricht, weil sie ja schließlich eine qualitätsvolle Arbeit leis­te, weil sie die Finanzmittel für Schulungen, für Beratungen und Services sowie zur Un­terstützung von studentischen Projekten und Initiativen benötige.

Ja, Hohes Haus, es ist Aufgabe der Österreichischen Hochschülerschaft, Beratung zu leisten. Es ist ihre Aufgabe, Studenten ihr Studium hindurch zu begleiten, ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. An manchen Universitäten, an manchen Fachhochschu­len tun sie das gut, und an manchen tun sie das eben nicht so gut. Wenn man es in Summe betrachtet, muss man ganz klar sagen, dass die Funktionäre der Österreichi­schen Hochschülerschaft das ganz offensichtlich nicht so gut tun, denn wenn sich nur mehr ein Viertel aller Studierenden tatsächlich mit den Aktivitäten der ÖH auseinander­setzt und es bei ÖH-Wahlen – und das wird uns ja immer wieder aufs Neue bewie­sen – eine Wahlbeteiligung zwischen 20 und 25 Prozent gibt, dann muss man ganz klar sagen, dass die Vertretung offensichtlich nicht richtig funktioniert.

Man sollte sich auch anschauen, warum das so ist, was die Funktionäre der Österrei­chischen Hochschülerschaft sonst noch so machen und wozu sie die Mitgliedsbeiträge verwenden. Da werden zum Beispiel gefördert: die Veranstalter eines Konzerts für So­lidarität mit den Aufständen in der Türkei, die Produktion eines Musikvideos, eine Ring-Parade oder Filmprojekte in Georgien. An der Universität für Bodenkultur fand ein Sex-


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spielzeug-Bastelkurs statt. Und nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang den wohl größten Skandal innerhalb der Österreichischen Hochschülerschaft, nämlich den Finanzskandal um das Café Rosa. (Beifall bei der FPÖ.) Da wurde eine halbe Million Euro an Mitgliedsbeiträgen in den Sand gesetzt! Das sind bitte die Beiträge von 25 000 Studierenden, die von linken Funktionären der Österreichischen Hochschüler­schaft verschwendet wurden.

Bei all diesen Vorgängen darf man sich wirklich nicht wundern, wenn sich der Großteil der Studierenden von der ÖH abwendet.

In diesem Zusammenhang darf ich feststellen, dass es schade ist, dass unser Antrag im Ausschuss, nämlich diese Bürgerinitiative dem Wissenschaftsausschuss zuzuwei­sen, abgelehnt wurde, denn damit verpasst man die Möglichkeit, Dinge, die offenbar aus dem Ruder gelaufen sind, wieder ins rechte Lot zu bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 


17.47.45

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zum Sammelbericht des Petitions­ausschusses: Ich möchte zuerst das Thema etwas allgemeiner anlegen – ich habe glück­licherweise heute etwas mehr Redezeit von meinem Klub bekommen – und dann auch auf eine konkrete Bürgerinitiative eingehen.

Wir sind unter den Ausschüssen sozusagen die Visitenkarte des Parlaments nach au­ßen. Wir sind der einzige Ausschuss, der tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger ins Haus einlädt oder sich auch – noch seltener – mit den Bürgern etwas direkt vor Ort ansehen kann. Wir haben in den letzten fast drei Jahren eine sehr gute Entwicklung genommen, finde ich, und das in einem guten Maß an Kooperation zwischen Regie­rungsparteien und Oppositionsparteien. Wenn man auch inhaltlich oft sehr unterschied­licher Meinung ist, sind wir doch einige Schritte gemeinsam gegangen. Wir haben zu­letzt im Juni wieder ein Hearing abgehalten, im Rahmen dessen wir sechs Bürgerinitia­tiven vor den Vorhang geholt haben und mit den Initiatorinnen und Initiatoren über ei­nen längeren Zeitraum hinweg, nämlich einen ganzen Vormittag, diskutiert haben. Da gibt es jetzt weitere Schritte.

Was ist das Nächste, das wir tun? – Wir haben einen internationalen Austausch ge­startet, wir hatten auf meine Einladung hin mit den Kollegen vom Deutschen Bundes­tag, der Südtiroler Volksanwaltschaft, mit Vertretern des Luxemburger Parlaments, ei­niger deutscher Landtage und einiger österreichischer Landtage eine Klubenquete im Parlament. Spannend dabei war, zu erkennen, dass wir innerhalb Österreichs nicht ver­netzt sind. Also das, was in Deutschland gang und gäbe ist, dass Abgeordnete des Pe­titionsausschusses im Bundestag beim Landtag anrufen und fragen, wie es ausschaut, oder in Brüssel anrufen, das haben wir nicht. Das österreichische Parlament denkt nicht in Richtung Bundesländer, in Richtung Regionen oder in Richtung Europa. Und wir ha­ben auch einige Schwachstellen lokalisiert.

Wir sind als Nächstes ins Luxemburger Parlament eingeladen, wo wir uns das Ganze noch genauer ansehen werden, aber es fallen schon einige Dinge auf: Warum kann der Deutsche Bundestag Themen, Petitionen, Bürgerinitiativen an die Landtage, an das Europaparlament weiterleiten und das österreichische Parlament nicht? Wir antworten auf eine solche Petition oder Bürgerinitiative mit dem Hinweis, dass wir keine Zustän­digkeit haben, man möge von vorne beginnen, mit einem neuen Formular, mit einer neu­en Unterschriftensammlung, und verlangen damit, dass die Bürgerinnen und Bürger ein weiteres halbes Jahr ihrer Zeit dafür aufwenden.


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Warum hat Österreich mit mehr als 8 Millionen Einwohnern deutlich weniger Mitarbeiter für den Petitionsausschuss – nämlich um 10 Prozent – als die Stadt Bremen oder das 500 000 Einwohner starke Luxemburg? Wir haben zwei Mitarbeiter, die den Petitions­ausschuss mit betreuen, also das nicht ausschließlich machen. Ich will jetzt nicht sa­gen, dass wir im Parlament in Summe mehr Ressourcen brauchen, aber wenn wir die Visitenkarte nach außen sind und wenn wir sagen, wir wollen das Parlament bürgerIn­nennäher machen, warum zeichnet sich das nicht auch in den Ressourcen ab?

Wir sind übereingekommen – alle Fraktionen, sowohl Regierungsfraktionen als auch Op­positionsfraktionen –, dass wir jetzt im Herbst unsere Positionen abgleichen wollen und dann den Konsens in der Frage suchen, in welchen Bereichen wir den Petitionsaus­schuss nachhaltig verändern können. Warum sage ich „nachhaltig“? – So, wie es jetzt funktioniert, ist es sehr gut, aber in der Konstellation wird es wohl nicht immer so sein, aus unterschiedlichsten Gründen, jedenfalls nicht auf die nächsten Dekaden betrach­tet. Das kann man sagen. Wenn neue Abgeordnete im Ausschuss sind, muss die Qua­lität gesichert sein, und das ist der Punkt, den ich immer wieder nenne: Wir müssen aus der Gnade ein Recht machen, und das können wir nur dann, wenn wir die Ge­schäftsordnung knacken, insbesondere Abgeordneten Scherak davon überzeugen, dass es möglich ist, und eine Reform noch in dieser Legislaturperiode zustande bekommen.

Zweiter Punkt, und das auch abschließend, um den Rahmen nicht zu sprengen: Wie sieht derzeit eine erfolgreiche parlamentarische Bürgerinitiative aus, und wie lange braucht man, um eine harte Nuss zu knacken?

Wir hatten das Anliegen, dass es die Finanzierung und Errichtung eines Grabmals für aus Österreich stammende Opfer von Maly Trostinec geben soll. Das ganze Thema an sich war rasch umschrieben, es geht um Opfer der Nationalsozialisten und den letzten Ort, wo eine tatsächlich sehr große Anzahl von Österreicherinnen und Österreichern den Tod gefunden hat. Von mehr als 10 000 Menschen, die aus Österreich dorthin de­portiert wurden, sind genau 17 Überlebende dokumentiert. Man kann sich das in etwa vorstellen. Es gab aufseiten der Abgeordneten sofort den Konsens, dass man da etwas tun muss. Die Frage ist: Was passiert denn im Parlament? Wie rasch bekommt man die Klubs dazu? Wie rasch bekommt man einen gemeinsamen Entschließungsantrag, um das überhaupt in den richtigen Ausschuss weiterzutragen?

Eine der NachfahrInnen eines solchen Opfers hat im Februar 2015 eine parlamentari­sche Bürgerinitiative gestartet und innerhalb von vier Monaten diese 500 Unterschriften zusammengehabt, indem sie weitere Nachkommen kontaktiert hat. Sie hat sie im Ju­ni 2015 dem Parlament übergeben, und wir haben auch im Juni 2015 das erste Mal im Petitionsausschuss über dieses Thema beraten und entsprechende Stellungnahmen eingeholt, die im Laufe des Sommers 2015 an das Parlament gegangen sind. Ab Herbst 2015 haben wir nach einer gemeinsamen Position gesucht, die nicht nur eine Antwort an die Bürgerinitiative, sondern auch eine Lösung für das Anliegen bringen sollte.

Letztlich hat es bis Juni 2016 gedauert, bis dem Außenpolitischen Ausschuss ein ge­meinsamer Entschließungsantrag zugewiesen werden konnte. Das heißt, wir reden von einem Jahr. Der Außenpolitische Ausschuss tagt meines Wissens kommende Woche, und dann reden wir zumindest von Oktober, möglicherweise auch November, wenn im Ausschuss eine Mehrheit dieses Anliegen unterstützt.

Mein Thema ist auf der einen Seite eine große Dankbarkeit, dass wir es geschafft ha­ben – ich weiß, dass es keine Selbstverständlichkeit ist –, auf der anderen Seite aber auch die Frage: Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir bei Themen, bei denen es einen breiten Konsens im Haus gibt, solche Anträge in einer deutlich ra­scheren Reaktion zustande bringen? Ich möchte uns das einfach mitgeben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Wir haben – und das ist jetzt mein abschließendes Statement – als Visitenkarte des Ho­hen Hauses die Verantwortung nach außen hin, auch rasch auf Anliegen zu reagieren, und wir müssen als Abgeordnete – als alle 183 Abgeordnete, nicht nur jene aus dem Petitionsausschuss! – dafür Sorge tragen, dass die Gnade, die wir gegenüber den Bür­gerinnen und Bürgern walten lassen, endlich zu Recht wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.54


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lasar. – Bitte.

 


17.55.03

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zur Petition Nummer 76 betreffend „Praktikable Lö­sungen bei der Registrierkassenpflicht für Vereine und Ehrenamtliche“: Herr Gahr, ich muss ehrlich sagen, ich bin ein bissel verwundert, dass gerade die ÖVP eine solche Petition einbringt, weil Sie es doch an und für sich in der Hand hätten, mit Ihrem Fi­nanzminister darüber zu reden. Dazu brauchen wir doch keine Petition. Machen Sie es einfach, dann brauchen wir gar nicht darüber zu reden! Machen Sie es! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wissen Sie, das ist genau der Stil der ÖVP: ankündigen, nichts tun, nur darüber reden. Das ist es! Jetzt kommen Sie mit einer Petition … (Zwischenruf des Abg. Gahr.) – Ja, das ist Ihr Problem, es ist immer das Gleiche. Es ist immer wieder das Gleiche mit der ÖVP: ankündigen, nichts tun, nur darüber reden. (Abg. Tamandl: Ist ja längst erledigt! Da wart ihr ja dagegen!) Ja, Sie können ruhig dreinreden, es ist nichts dabei. Das halte ich ja aus. (Abg. Schönegger: Sie haben es verschlafen!) Aber lassen Sie mich grundsätzlich auch zu unserer Linie etwas sagen!

Registrierkassenpflicht: An und für sich lehnen wir das Ganze ab, denn das bringt nichts. Das Einzige, was Sie gemacht haben, ist nichts anderes, als dass Sie die Un­ternehmer – die ganze Wirtschaft, die Kleinunternehmen – unter Generalverdacht ge­stellt haben, dass sie alle Steuerhinterziehung betreiben. Das haben Sie damit ge­schafft. All die Kleinbetriebe, die sich oft nicht einmal einen Mitarbeiter leisten können, die sich nicht einmal eine Registrierkasse leisten können, haben Sie damit unter Gene­ralverdacht gestellt.

Was haben Sie seither gemacht? Das sind genau zwei Punkte, und über die bin ich eigentlich auch ein bissel verwundert. Erstens: Sie haben das Gesetz jetzt ein wenig entschärft. Das heißt, für Umsätze außerhalb fester Räumlichkeiten entfällt jetzt die Re­gistrierkassenpflicht, wenn die Höhe der jährlichen Umsätze unter 30 000 € liegt. Schön und gut! Zweiter Punkt: Auch für Kantinen und so weiter gilt das, wenn die Umsätze eben unter 30 000 € liegen. Das haben Sie geschafft. Aber was hat das gebracht? Das hat genau Ihren Vereinen von Schwarz und Rot etwas gebracht. Die haben sich bei Ihnen beklagt, und deshalb haben Sie das einfach gemacht. Das versteht niemand – und schon gar kein Kleinunternehmer! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schönegger: Sie sind gegen Vereine?!)

Das ist eine wirklich unangenehme Sache, die Sie da gemacht haben, um das glimpf­lich auszudrücken. Es ist eine reine Beschönigungsaktion von Rot und Schwarz, damit ihr genau eure Vereine wieder ins Trockene bringt, und bringt nichts für die Kleinun­ternehmer und für die, die sich wirklich nichts leisten können. (Beifall bei der FPÖ.) Schämen Sie sich dafür! Das sage ich Ihnen heute in meiner ersten Rede. In meiner ersten Rede sage ich Ihnen: Genieren Sie sich für das, was Sie da gemacht haben! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Steinbichler gelangt als Nächster zu Wort. (Abg. Steinbichler stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der folgende


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Abbildung zu sehen ist: Ein lassoschwingender Cowboy auf einem Pferd mit der Auf­schrift „Konzernsteuer“ jagt drei „IKEA“-, „Google“- und „Starbucks“-Rinder.)

 


17.58.12

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Vor­weg zu diesem wichtigen Punkt Bürgerinitiativen: Ich denke, ich darf hier Stéphane Hes­sel zitieren, mit diesen zwei kleinen Schriften (zwei Exemplare in die Höhe haltend): „Em­pört Euch!“ und „Engagiert Euch!“ Deshalb gilt mein aufrichtiger Dank allen Bürger­initiativen, allen Bürgerinnen und Bürgern, die bereit sind, sich für ihre Themen einzu­setzen und ehrenamtlich zu engagieren. Ich glaube, davon lebt ein Staat: dass nicht nur drübergefahren wird, sondern die ernsten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger wirklich berücksichtigt werden.

Ich werde dann zur Bürgerinitiative Nummer 80 – „Faire Lebensmittel“ – sprechen, vor­weg aber noch die Tafel erklären, weil ich das vorhin nicht gemacht habe, und mich bei Bruno Rossmann bedanken – das passt vielleicht jetzt im Anschluss an die Ausfüh­rungen des Kollegen Lasar –: Lieber Kollege, du hast die faire Besteuerung angespro­chen, die natürlich auch in den Rechnungshofberichten ein ganz wesentliches Thema ist, und du hast die Konzerne angesprochen. Auf der Tafel zu sehen ist ein Bild von Dr. Tassilo Wallentin: Die Kleinen hängt man, und die Großen lässt man laufen. – Ich wollte das noch ergänzen, weil es so gut zu den Lebensmitteln und zum Thema TTIP und CETA passt.

Ich bin wirklich begeistert von dem – wenn die Berichterstattung stimmt –, was die ka­nadische Außenministerin unlängst gesagt hat, nämlich dass diese Bedenken der Bür­gerinnen und Bürger berechtigt sind. Nein, das ist kein politischer Pragmatismus, son­dern das sind berechtigte Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Danke, Frau Kollegin Winzig, dass du endlich reingekommen bist: Du sollst die kleinen KMUs vertreten und nicht die Konzerne, weil die vertreten sich eh selber und zahlen keine Steuern – das ist die Ergänzung zu diesem Bild. (Beifall beim Team Stronach.)

62 000 Frachtschiffe fahren täglich. Das solltest du jetzt bitte nicht auf die leichte Schul­ter nehmen! 62 000 Frachtschiffe, Containerfrachtschiffe, fahren steuerfrei auf unseren Meeren, und wenn der Zoll dahinter ist, flaggen sie aus und gehen in eine andere Steu­erhoheit. Und das ist das Problem dieser Politik: dass das negiert wird! Der Kleine wird besteuert, wenn er seine Versicherung nicht bezahlt, wird ihm das Kennzeichen vom Auto weggenommen, und die Großen lässt man laufen.

Dazu gebe ich gleich noch ein Beispiel. Das ist ja überhaupt das Größte – so kann man auch heimische Arbeitsplätze vernichten (eine Tafel mit dem Logo der Agrarmarkt Austria und den Titeln „Merkblatt“ und „Milchreduktionsmaßnahmen 2016/17“ in die Hö­he haltend): Die Agrarmarkt Austria – das ist die Kurzfassung, die Langfassung lautet: Angst macht abhängig – schreibt gerade das Milchreduktionsprogramm aus. Ja, was ist denn das in Wirklichkeit? – Es ist (eine weitere Tafel mit dem Logo der Agrarmarkt Austria und dem Titel „Palmölunterstützungsprogramm“ in die Höhe haltend) ein Palm­ölunterstützungsprogramm durch die Agrarmarkt Austria! Wir verbieten unseren Bäue­rinnen und Bauern, die Landschaft zu pflegen. Wir verbieten unseren Bäuerinnen und Bauern, gesunde Lebensmittel zu erzeugen, und geben stattdessen Palmöl hinein, weil das ein besseres Geschäft für unsere Konzerne ist. – Freunde, das ist die Politik die­ser Regierung!

Ich möchte auf die Petition Nummer 80 Bezug nehmen und darf dem anwesenden Fritz Jeitler herzlich für diese Initiative mit bereits über 50 000 Unterschriften danken. Faire Lebensmittel: Was heißt denn faire Lebensmittel? – Er hat das im Petitionsausschuss ganz hervorragend begründet. Da geht es um Arbeitsplätze und einen Wirtschaftsfak­tor. Er hat eine Studie von Professor Schneider von der Universität in Linz: Das sorgt


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für 10 000 zusätzliche heimische Arbeitsplätze. Ja, Frau Kollegin Fekter hat recht ge­habt, sie ist jetzt leider nicht im Saal: Da werden bei TTIP und CETA Arbeitsplätze zer­stört – aber wenn wir es unterschreiben. Zuerst einmal sind die heimischen Arbeitsplät­ze entscheidend, denn das ist regionale Kaufkraft, das ist regionale Lebensqualität, das ist regionale Lebenskultur, das ist regionale Gesundheit, das ist Arbeit, und das ist Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Pirklhuber.)

Zu den angesprochenen Produktionsstandards, Kolleginnen und Kollegen: Ja, das ist das Entscheidende! – Wenn ich vielleicht sogar beim Spazierengehen oder beim Gas­sigehen mit dem Hund oder beim Joggen kontrollieren kann, wie mein Lebensmittellie­ferant produziert, wenn ich sehe, auf welchem Feld er arbeitet, auf welcher Wiese er mäht und in welchem Stall er arbeitet, dann ist das etwas anderes, als wenn ich sehe, dass das Ganze mit dem Schiffscontainer angeliefert wird – Nana Mouskouri: „Ein Schiff wird kommen“ –, denn: Im letzteren Fall haben wir das Problem mit dem Fleisch-Doping, mit dem Hormonfleisch, da haben wir das Problem mit den aus GVO erzeug­ten Lebensmitteln.

Ich bin stolz auf die österreichische Produktion und bedanke mich bei allen Bäuerinnen und Bauern für die saubere Arbeit: GVO-freie Milch, GVO-freies Rindfleisch. Das sind Leistungen, die man nicht verwässern darf, sondern die man schützen muss, und ich finde, das ist die Aufgabe dieses Parlaments. (Beifall beim Team Stronach.)

Danke noch einmal für diese großartige Initiative, danke der Firma Jeitler mit ihren Mit­arbeitern und Mitarbeiterinnen, mit den fleißigen und tüchtigen Vertretern draußen vor Ort, die von Haus zu Haus fahren und täglich in der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern hören, wie wichtig, wie notwendig, wie groß die Sehnsucht nach fairen Le­bensmitteln ist.

Ich möchte mit dem Klima- und Umweltschutz enden, weil das, glaube ich, auch ein ganz wesentlicher Punkt ist. Wenn wir gerade das wärmste Jahr der Geschichte erlebt haben, diese normalen Wetterübergänge, wie wir sie auf dem Land kennen, nicht mehr möglich sind, es von extrem heiß zu extrem kalt geht, extrem trocken voriges Jahr, ex­trem nass heuer, dann wissen wir, dass wir uns ganz besonders eines sichern müssen: Das ist die Ernährungssouveränität, das sind gesunde, echte, ehrliche Lebensmittel.

Eines darf ich abschließend sagen: Gesunde Lebensmittel sind nicht teuer, sondern das Teuerste sind billige Lebensmittel. – Danke, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Doppler: Bravo, Leo!)

18.04


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Doppler gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


18.04.09

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lieber Leo Steinbichler, von Nana Mous­kouri wieder zurück zum Sammelbericht für Petitionen und Bürgerinitiativen – davon haben wir schon gehört –: Das ist eine sehr wichtige Einrichtung, weil sich die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hier im Parlament wiederfinden.

Ich nehme Stellung zur Bürgerinitiative Nummer 95 betreffend die Einführung eines ge­setzlich verpflichtenden, gut wahrnehmbaren Mindestgeräusches für Kraftfahrzeuge. Wir haben das im Plenum schon einmal diskutiert, ich glaube, es wurde eingebracht von Frau Kollegin Dietrich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geräuscharmen und unhörbaren Fahr­zeuge sind ein großes Problem, vor allem für Blinde und sehbehinderte Menschen, aber


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auch für Kinder und ältere Menschen. Für blinde Menschen – ich habe vor Kurzem mit einem Portier bei uns im Krankenhaus gesprochen – ist es nicht wahrnehmbar, und das ist ein Problem. Da sind natürlich verschiedene Gefahrenquellen vorhanden.

Ich glaube, es ist notwendig und richtig, wenn wir hier gesetzliche Grundlagen dafür schaffen, dass diese Fahrzeuge, die ja sonst in Ordnung sind, akustisch wahrnehmbar sind beziehungsweise ein Mindestgeräusch aufweisen und von älteren beziehungswei­se behinderten Menschen gehört werden können. Ich glaube, das wäre notwendig, denn das dient der Sicherheit unserer Mitmenschen, die ein bisschen beeinträchtigt sind. – Herzlichen Dank. (Beifall der Abgeordneten Königsberger-Ludwig und Dietrich.)

18.05


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Königsberger-Lud­wig zu Wort. – Bitte.

 


18.05.48

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Doppler, ich kann Ihnen recht geben, was die lärmarmen Elektro- und Hybridfahrzeuge betrifft. Das ist für blinde Menschen wirklich ein großes Handicap.

Wir haben in der Stellungnahme des BMVIT die Mitteilung erhalten, dass es eine EU-Verordnung gibt, wonach ab 1. Juli 2019 alle neuen Fahrzeugtypen mit einem Alarm­signal ausgestattet sein müssen und ab 1. Juli 2021 alle neuen Fahrzeuge. Ich denke, das ist einmal gut.

Wichtig wird noch sein, dass in der ganzen Diskussion auf EU-Ebene darauf geachtet wird, dass der Pausenknopf nicht in den Fahrzeugen angebracht ist. Das BMVIT ist auch dieser Meinung, weil der Pausenknopf so ausgeschaltet werden kann, und das ist dann wieder gefährlich für die blinden und sehbehinderten Menschen. Aber da wird noch verhandelt. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, dass dieses wirklich gute Instrument für die blinden und sehbehinderten Menschen dann auch umgesetzt wer­den kann.

Ich möchte auch noch auf eine andere Petition eingehen, die ebenfalls Menschen mit Behinderungen betrifft, nämlich die Petition Nummer 63, in der öffentliche Verkehrsmit­tel zu erschwinglichen Preisen für BezieherInnen der erhöhten Familienbeihilfe gefor­dert werden, analog dem Top-Jugendticket. Das würde bedeuten, dass eben jene Men­schen, die in Behinderteneinrichtungen, in Beschäftigungstherapieeinrichtungen arbei­ten, analog dem Top-Jugendticket um 60 € ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmit­tel, etwa für die ÖBB, erhalten.

Ich glaube, das wäre sehr wichtig, weil eben diese Menschen – man muss das wis­sen – in den Einrichtungen maximal 10 bis 70 € Taschengeld erhalten und auf der ei­nen Seite mit diesem Geld die Fahrscheine eigentlich sehr schwer berappen können. Auf der anderen Seite gelten Unterstützungen, die in den Stellungnahmen der Minis­terien angeführt sind, immer nur für die Fahrt zur Arbeit und nicht für die Fahrt im Frei­zeitbereich. Menschen mit Behinderungen haben aber genauso ein Recht auf Mobilität auch in der Freizeit, und deswegen wäre dieses Top-Behindertenticket eine wirklich wichtige Errungenschaft.

Ich möchte auch anfügen, dass ich die Stellungnahmen, die ich von vier Ministerien erhalten habe, sehr gut und ausführlich finde. Aber ich glaube, dass der Sinn dieses Top-Behindertentickets, wenn ich das jetzt mit Respekt sagen darf, nicht ganz verstan­den worden ist, denn es ist keine Unterstützung für Menschen mit Behinderung, um in die Arbeit zu gelangen, sondern es ist ein Ticket, das Menschen einfach dazu ermäch­tigt, auch in der Freizeit mobil zu sein und an allen möglichen Dingen teilhaben zu kön­nen, an denen nicht behinderte Menschen eben teilhaben.


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Ich möchte wirklich noch einmal betonen, dass diese Petition von der Schule für so­ziale Berufe eingebracht worden ist und diese SchülerInnen aus ihrem Alltag sprechen, in dem sie einfach sehen, dass die Menschen zwar zur Arbeit kommen, gute Unterstüt­zung erhalten, in die Beschäftigungstherapie kommen, aber auf der anderen Seite eben von der Freizeitmobilität ausgeschlossen sind. Vielleicht finden wir ja einen Weg, eine Möglichkeit, gemeinsam mit den Ländern, gemeinsam mit den Verkehrsverbünden, denn diese sind laut den Ministerien zuständig, gemeinsam auch mit dem BMF oder dem Fa­milien- und Jugendministerium, Geldquellen, wenn ich das so sagen darf, zu er­öffnen und diesen Menschen dieses Top-Behindertenticket auch zu ermöglichen.

Man kann die Petition noch unterstützen. Bitte nützen Sie die Gelegenheit auf der Par­lamentshomepage! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aubauer.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


18.09.33

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Thema Registrierkassenpflicht, Vereine und Ehrenamt: In Österreich sind das Ver­einsleben sowie das Ehrenamt äußerst ausgeprägt, jedoch ist deren Tätigkeit zu hin­terfragen, denn nicht alle Vereine sind sozial ausgerichtet.

Unser tägliches Leben ist ohne Freiwilligkeit, gerade in einer Blaulichtorganisation, nicht mehr vorstellbar. Mehr denn je ist gerade die ländliche Bevölkerung auf freiwillig und ehrenamtlich Tätige in Blaulichtorganisationen angewiesen. Diese Freiwilligkeit ist je­doch leider seit einiger Zeit von einem Nachwuchsmangel geprägt. Darüber hinaus for­dert die Technik einen zunehmenden Finanzierungsbedarf, sodass Gemeindebudgets zunehmend belastet werden.

Erlöse aus Veranstaltungen, welche ebenfalls ehrenamtlich veranstaltet werden, flie­ßen zur Gänze in die Vereinskasse und werden größtenteils zur Anschaffung und War­tung von Gerätschaften sowie Ausbildung verwendet. Mit dem freiwilligen Dienst in ei­ner Blaulichtorganisation sowie diversen zweckgebundenen Einnahmen erspart sich der Staat viel Geld. Registrierkassen und Belegerteilungspflicht sind für derartige Orga­nisationen unverhältnismäßig und gehen an deren Sinn vorbei. Bei nachgewiesener so­zialer Tätigkeit erscheint es gerechtfertigt, auf derartige Verpflichtungen seitens des Bun­des zu verzichten. – Danke.

18.11


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

 


18.11.14

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Da­men und Herren im Bundesrat, ah, im Nationalrat! Ich bedanke mich bei allen, die bei einer Bürgerinitiative mitmachen, denn dadurch zeigen sie ihr politisches Interesse an unserem Staat Österreich.

Ich möchte mich auf die Bürgerinitiative Nummer 88 betreffend Linienbusverkehr bezie­hen, denn gerade der regionale Busverkehr hat eine sehr hohe Bedeutung, besonders im ländlichen Raum, denn damit werden die Schüler transportiert, darin finden die Pend­ler und auch die älteren Menschen ihr Transportmittel.

Zu dieser Bürgerinitiative gab es auch ein Hearing im Petitionsausschuss, wo die Ge­werkschaft vida ihre Anliegen vorgebracht hat, bei denen es vor allem darum gegan­gen ist, die Probleme bezüglich Sozialdumpings aufzuzeigen. Die Verkehrsverbünde ge­ben in der Regel nämlich Bruttoverträge aus, und damit ist es natürlich, dass nach ge-


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fahrenen Kilometern bezahlt wird und dass man, so sagt der Sprecher, vor allem bei den Löhnen der Bediensteten spart. Er verlangt also, dass das Bestbieterprinzip dem Billigstbieterprinzip weicht. Er sagt auch noch, dass der Leitfaden, den es für Sozial- und Qualitätsstandards gibt, verpflichtend eingeführt werden soll und dass bei einem Wechsel die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen vom neuen Unternehmer übernom­men werden.

Wir haben Stellungnahmen vom Verkehrsministerium eingeholt, und dieses sagt, dass es bereits einen Leitfaden dahin gehend gibt, aber die regionalen Gebietskörperschaf­ten die Vergabe innehaben und nicht verpflichtet werden können. Das Bundeskanzler­amt sagt auch noch dazu, dass es Qualitätsrichtlinien gibt, aber dass diese nur als Orientierungsfunktionen für den Auftraggeber angewendet werden.

Aus meiner Sicht ist es auch wichtig, dass der Fahrgast im Mittelpunkt steht, dass der öffentliche Verkehr so einfach wie möglich ist und dass es eine optimale Abstimmung zwischen den einzelnen Verkehrslinien gibt, damit eine hohe Qualität und natürlich ein gutes Informations- und Serviceangebot für den Kunden vorherrschen. Entgegen dem Billigstbieterprinzip sollen in den Ausschreibungen zusätzlich Leistungen und Innova­tionen zu einem Mehrpreis führen können, der auch für den Steuerzahler vertretbar sein muss, und dadurch soll es auch Verbesserungen im laufenden Betrieb geben.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Arbeitsprogramm dazu bekannt, dass sie das Bestbieterprinzip vor dem Billigstbieterprinzip in Anwendung bringt, und wir haben das schon in einer der letzten Sitzungen durch die Vergaberechtsnovelle 2015 gezeigt. Da wurde schon der erste Schritt dahin gehend gesetzt.

Zum Abschluss kann ich noch sagen, dass wir diese Bürgerinitiative dem zuständigen Ausschuss, dem Verfassungsausschuss, zugewiesen haben, damit dieser die Bürger­initiative weiter behandelt. Das ist, glaube ich, die optimale Lösung in diesem Fall. (Bei­fall bei der ÖVP.)

18.14


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wal­ser. – Bitte.

 


18.15.00

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf diese Gelegenheit nützen, auf eine BürgerInneninitiative hinzuweisen, die sehr erfolgreich war und, wie ich glaube, eigentlich eine vorbildhafte Bewegung darstellt. Es handelt sich darum, dass es in Weißrussland einen Ort gibt, der für die österreichische Geschichte eine große Bedeutung hat. Wissen Sie, wo die meisten Österreicherinnen und Öster­reicher ermordet worden sind? – Es ist nicht Auschwitz, es ist nicht Mauthausen, Da­chau oder ein anderer Ort, es ist Maly Trostinec – Maly Trostinec in Weißrussland! Es war vor allem eine Frau, nämlich Waltraud Barton, die diesen Ort ins kollektive Ge­dächtnis Österreichs zurückgeholt hat.

Ich kenne sie seit sechs, sieben Jahren. Frau Barton ist persönlich sehr betroffen, die erste Frau ihres Großvaters ist in Maly Trostinec ermordet worden, auch andere Fami­lienmitglieder, und Frau Barton hat nicht lockergelassen. Sie hat eine Initiative ins Le­ben gerufen, Malvine, nach dem Vornamen ihrer Verwandten. Sie hat dann auch einen Verein gegründet, der aktiv geworden ist, und sie hat sich auch an uns im Parlament gewendet. Ich habe das wirklich als sehr positiv empfunden, es hat zwischen den Par­teien konstruktive Gespräche gegeben.

Ich darf mich ausdrücklich beim Obmann, dem Kollegen Bernhard, bedanken, der das in die Hand genommen hat. Wir haben mit Petra Bayr von der SPÖ, Herrn Präsidenten Kopf, der auch mit dabei ist, Karl Öllinger und mir von den Grünen und eben dem Kol-


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legen Bernhard von den NEOS einen gemeinsamen Initiativantrag als Ergebnis dieser Petition ins Leben gerufen, und ich hoffe, dass dieser auch erfolgreich sein wird.

Frau Barton hat erreicht, dass in Österreich Medien darüber berichtet haben. Sie hat erreicht, dass wir heute die Opferzahl viel genauer wissen als vorher. Vorher hat man von ungefähr 10 000 gesprochen, inzwischen wissen wir, es handelt sich um 13 500 Ös­terreicherinnen und Österreicher, die nach den Nürnberger Gesetzen natürlich Juden und Jüdinnen waren.

Frau Barton möchte jetzt eine würdige Gedenkstätte in Maly Trostinec in Weißrussland errichtet haben, und ich glaube, wir als Parlament sind aufgerufen, diesem Wunsch ge­recht zu werden und alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit wir das auch ver­wirklichen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Barton hat auch erreicht, dass ein hochkarätig besetzter Ideenwettbewerb ins Le­ben gerufen worden ist. Es hat auch eine Jury gegeben, in der Kapazitäten wie bei­spielsweise Friedrich Achleitner saßen; da war Bertrand Perz mit dabei, die Leiterin des Jüdischen Museums, Frau Spera, war mit dabei. Und es gibt auch schon einen Ent­wurf, der praktisch umsetzbar ist.

In diesem Zusammenhang gilt, glaube ich, für uns: Die Zivilgesellschaft hat ihre Aufga­be erledigt. Die Zivilgesellschaft hat darauf hingewiesen, was notwendig ist. Sie hat Vor­arbeiten geleistet, und die Zivilgesellschaft in Person von Frau Barton wendet sich nun an uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Ich glaube, für uns alle sollte klar sein: Jetzt ist die Politik am Zug, und wir sollten dringend Schritte setzen, um eine wür­dige Gedenkstätte in Maly Trostinec errichten zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Bernhard.)

18.19


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


18.20.02

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich möchte gleich an die Ausführungen des Kollegen Walser anschließen, weil auch er ein gutes Bild von der Arbeit des Petitionsausschusses gezeichnet hat, die heute in einer sehr einhelligen und positiven Form diskutiert wird. Es geht um die er­wähnte Bürgerinitiative zur Errichtung einer würdigen Gedenkstätte für die Opfer der Shoa in Weißrussland, wozu es den geplanten Vierparteienantrag im nächsten Außen­politischen Ausschuss als eine wirklich nachhaltige Konsequenz dieser Initiative geben wird.

Als zweites Beispiel erwähnt sei die Initiative der vida, die sehr konkret Probleme im regionalen, vor allem ländlichen Busverkehr angesprochen hat. Sie hat unter anderem das Billigstbieterprinzip bei den Ausschreibungen kritisiert. Als Konsequenz daraus ha­ben wir hier im Haus gemeinsam einen Antrag beschlossen, der wiederum dazu ge­führt hat, dass das zuständige Verkehrsministerium eine Richtlinie ausgegeben hat, dass in Zukunft bei der Vergabe von Busaufträgen sowohl soziale als auch ökologische Aspekte mitberücksichtigt werden. – Ein Zeichen dafür, dass das österreichische Parla­ment die Initiativen aufnimmt, diskutiert und auch umsetzt.

Es gibt aber natürlich auch Initiativen, die damit leben müssen, dass sie keine politi­sche Mehrheit in diesem Haus finden, wie zum Beispiel die Initiative des Herrn Gehring von der christlich-sozialen Partei, den wir ja kennen, weil er einmal für die Wahl des Bundespräsidenten kandidiert hat. Er hat eine Bürgerinitiative zur Zerschlagung des ORF eingebracht. Zum ORF haben wir heute schon zu Beginn dieser Sitzung eine sehr ausführliche Debatte geführt, und wir haben ein klares Bekenntnis zum ORF als öster­reichische Medienanstalt abgelegt.


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Nein auch zur Initiative der freiheitlichen Studenten, die die Zerschlagung der Österrei­chischen Hochschülerschaft zum Ziel hat. Erster Punkt in diese Richtung, die Interes­senvertretung der österreichischen Studenten abzuschaffen, wäre die geforderte mas­sive Kürzung des Mitgliedsbeitrages. Das hätte zur Folge, dass die Serviceberatungs­leistungen der Österreichischen Hochschülerschaft nicht mehr erbracht werden können.

Zu diesen beiden Initiativen sagen wir Nein, aber alles in allem, glaube ich, zeichnet dieser Bericht ein gutes Bild der österreichischen Politik, nämlich Anregungen der Zivil­gesellschaft aufzunehmen, zu diskutieren und, wenn sie eine parlamentarische Mehr­heit finden, auch konkret umzusetzen und andererseits auch zu sagen, wenn etwas nicht die politische Mehrheit in diesem Hause findet. (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


18.22.47

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte zur Petition 65 sprechen, die da lautet: „Abänderung des Entwurfs zur Abänderung des Tabakgesetzes“. Eigentlich hät­te sich diese Petition überholt, denn die Abänderung des Tabakgesetzes haben wir be­reits beschlossen, dennoch sind die Inhalte der Petition klar und allemal wert, hier he­rinnen auch diskutiert zu werden.

Diese Petition hat durchaus kontroverse Diskussionen in meiner Fraktion ausgelöst. Es ist da die Rede von 250 000 Dampfgeräten, die in Österreich im Einsatz sind, 200 000 da­von sind über den Onlinehandel verkauft worden. Onlinehandel zu verbieten ist natür­lich eine Maßnahme, die höchstens als symbolisch zu betrachten ist, denn Onlinehan­del macht vor Staatsgrenzen nicht halt. Es waren also das Für und Wider der Argu­mente für die Dampfgeräte abzuwägen.

Auf der Positivseite ist zu sagen, dass diese Dampfgeräte deutlich weniger schädlich sind als Zigaretten. Auch kann man positiv vermerken, dass der Umstieg auf Dampf­zigaretten sehr oft dazu führt, dass im Anschluss daran ganz mit dem Rauchen auf­gehört wird. Das wünschen wir natürlich auch unserem Kollegen Wurm von der FPÖ, dass er den Schritt, ganz aufzuhören, noch schafft.

Negativ ist allerdings zu vermerken, dass die Liquids, das sind die Trägerstoffe, die ver­dampft werden, zum Teil auch nikotinhaltig und im Grunde genommen eigentlich Che­miecocktails sind. Es ist nicht ganz klar, was wir bei dem Verdampfen, mit dem Inha­lieren dieser Stoffe tatsächlich in unsere Lungen aufnehmen.

Die E-Zigarette ist aber nicht nur ein Weg für den Ausstieg, sondern sie ist auch eine Einstiegshilfe. Wenn ich an meine drei Söhne denke, die alle drei in einem Alter sind, in dem sie das Rauchen versuchen wollen und es auch probieren, wird mir sehr deutlich, dass in ihrem Freundeskreis immer mehr diese Dampfgeräte verwendet werden, weil: Es ist ja eh weniger schädlich! Der Schritt später von diesem Dampfgerät hin zur Zi­garette ist aber auch ein kleiner. Also es wirkt in beide Richtungen, und deswegen glaube ich schon, dass da das Für und Wider gut abzuwägen ist, wenn es darum geht, wie wir vor allem unsere jungen Leute, unsere Jugendlichen davor schützen können, diesen Weg zu gehen. Ich glaube, in Abwägung aller Tatsachen, aller Fakten ist es gut gewesen, dass wir diesen Onlinehandel verboten haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


18.25.40

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Die Bürgerinitiative zur Errichtung des Grabmals für die österreichischen Opfer von Maly Trostinec, die Opfer der NS-Militärdiktatur, ist


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 168

politisch, wie schon gesagt worden ist, vom Nationalrat aufgegriffen worden. Vier der sechs Parlamentsparteien, alle außer FPÖ und Team Stronach, stehen hinter diesem wichtigen Vorhaben. Es geht dabei darum, eine lebendige, eine verantwortungsvolle und gleichzeitig auch eine kritische Gedenkkultur zu etablieren. Wir als jetzige, aber auch künftige Generationen werden bei einer solchen Gedenkkultur ohne überlebende per­sönliche Zeitzeugen der NS-Diktatur auskommen müssen, und trotzdem werden wir die Aufgabe haben, zu warnen, zu mahnen und auch zu erinnern.

Das Grabmal, das in Maly Trostinec entstehen soll, ist einerseits ein wirkliches Denk­mal an jene 40 000 bis 60 000 Menschen, die dort ermordet worden sind; wie gesagt, etwa 10 000 davon Österreicherinnen und Österreicher. Es geht darum, ihnen Namen und Identität zurückzugeben und sie damit in unserem kollektiven Gedächtnis zu ver­ankern. Gleichzeitig ist es ein Mahnmal, nie wieder ein solch faschistisches, autoritäres und alle Menschenrechte missachtendes Regime zuzulassen.

Ich möchte mich auch bei Frau Barton, stellvertretend für den Verein IM-MER, für die sehr wichtige Recherchearbeit, die da geleistet worden ist, bedanken. Allein die meis­ten Namen der Opfer herauszufinden war sehr, sehr schwierig. Es ist auch wichtig, zu erwähnen, finde ich, dass die meisten dieser 10 000 österreichischen Opfer ältere al­leinstehende Frauen gewesen sind. Die Arbeit, die der Verein IM-MER macht, ist auch verbunden mit einer aktuell sehr wichtigen Aufgabe, nämlich mit Menschenrechtsarbeit und mit der Förderung von Zivilcourage. Ich glaube, gerade Zivilcourage können wir in Zeiten wie diesen nie genug haben, daher ein wirklich herzliches Danke für die wich­tige Tätigkeit des Vereins und das Einbringen der Bürgerinitiative, die hier im Haus ge­fruchtet hat und auch weiter fruchten wird und hoffentlich bald realpolitisch umgesetzt werden wird. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


18.27.54

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir ha­ben im letzten Petitionsausschuss wieder Petitionen und Bürgerinitiativen zu den viel­fältigsten Themen behandelt.

In der Petition Nummer 62 zum Beispiel geht es um die Grundlagen für die Verleihung und Aberkennung von Ehrendoktoraten an österreichischen Universitäten. Vorab ist da­zu zu sagen, dass die Universitäten im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Autono­mie in ihren Statuten Regelungen über die Verleihung und auch die Aberkennung von Ehrendoktoraten haben müssen.

Hintergrund dieser Petition ist die Aberkennung des Ehrendoktorates von Konrad Lo­renz durch die Universität Salzburg. Mit dieser Petition greift die FPÖ den Fall eines all­seits anerkannten, eines weltweit anerkannten und mit dem Nobelpreis ausgezeichne­ten österreichischen Wissenschafters auf und macht eine selbständige Entscheidung einer Universität, die diese im Rahmen ihrer Autonomie getroffen hat, zum Inhalt einer Petition. Durch die Wortwahl in dieser Petition gibt sie aber auch einen tiefen Blick in die blaue Seele frei.

Man kann alle Entscheidungen diskutieren, die Frage ist aber immer, in welcher Art und Weise. In dieser Petition zeigt sich ein meiner Ansicht nach doch wenig wertschät­zender Umgang mit Andersdenkenden, mit anderen Meinungen. Durch Bezeichnungen wie „akademische Zwerge“, „einer unerfahrenen Studentensprecherin“, „einem Theolo­gen, der (…) nicht gerade durch große Erfolge geglänzt hat“, werden Entscheidungs­träger abgekanzelt und verunglimpft, und das ist sicherlich nicht die Art und Weise, in


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der diskutiert werden soll. Man kann derartige Entscheidungen durchaus kritisch se­hen, und auch die Vorgangsweise kann insbesondere im Hinblick auf allfällige Beispiel­wirkungen durchaus diskutiert werden. Eine solche Diskussion kann vielleicht auch ei­nen objektiveren Umgang mit der Vergangenheit mit sich bringen, jegliche Ereignisse sind immer im Lichte der Zeit zu sehen. Eine nachfolgende, mit der Weisheit des Rück­blicks erfolgende Beurteilung wird meistens anders ausgehen als eine Beurteilung im aktuellen Zeitpunkt, dadurch darf aber weder eine Verharmlosung noch eine Übertrei­bung stattfinden.

Wichtig ist, wie man damit umgeht. Versucht man, zu polemisieren, zu instrumentali­sieren, oder versucht man eine möglichst objektive Darstellung mit Daten und Fakten, eine Information über Geschehnisse und vor allem über die Folgen und über Wirkun­gen von Geschehnissen, um daraus wiederum Erkenntnisse für gegenwärtige Entwick­lungen zu bekommen und seine eigenen Entscheidungen danach auszurichten, kurz ge­sagt, um aus der Vergangenheit zu lernen?

Eine andere Bürgerinitiative beschäftigt sich mit dem Erhalt historischer Ensembles. – Nicht umsonst sind wir stolz auf unsere historischen Bauten! Also auch darauf bezieht sich eine Bürgerinitiative. Viele dieser Bauten stammen aus anderen Zeiten, aus dem dunklen Mittelalter, dem Absolutismus, aus Zeiten, in denen Menschenrechte, Aufklä­rung, Demokratie keine oder eine andere Wertschätzung erfuhren. Sie sind damit stei­nerne Zeugen, Denkmäler, die das tun sollen, was der Name schon sagt, nämlich zum Denken anregen, und schon aus diesem Grund erhalten werden müssen.

Zum Abschluss noch einige Worte zur Bürgerinitiative Nummer 83, in der es um die Errichtung bezirksübergreifender Schlichtungsstellen für Mietrechtsangelegenheiten in ganz Österreich geht. Das Justizministerium und der Städtebund haben in ihren Stel­lungnahmen richtigerweise ausgeführt, dass das nicht so einfach geht, wie in der Bür­gerinitiative beschrieben. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Zu­ständigkeit ist es vor allem ein Ressourcenproblem, das nämlich die Gemeinden treffen würde. Eine Schlichtungsstelle einzurichten erfordert eigens dafür geschultes und aus­gebildetes Personal, und überdies ist auch die Finanzierung dieses Mehraufwandes bei Weitem fraglich. Den Gemeinden noch mehr Kosten und noch mehr Bürokratie auf­zubürden kann meiner Meinung nach nicht der richtige Weg sein. (Beifall bei der ÖVP.)

18.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

 


18.32.05

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher hier im Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den TV-Geräten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg vielen Dank für ungemein viele Bür­gerInneninitiativen, die wir ins Haus bekommen und die uns auf konkrete Problema­tiken in den unterschiedlichsten Lebensrealitäten noch einmal verstärkt aufmerksam ma­chen. Eine davon möchte ich heute explizit herausgreifen, nämlich betreffend Leerstand öffnen.

Diese Initiative bildet die derzeitige Wohnsituation ziemlich gut ab. Wohnungen sind in einigen Regionen einfach nicht vorhanden oder in anderen Gegenden Österreichs viel zu teuer. Eine monatliche Miete von 800 € kalt für 70 Quadratmeter ist in der Regel nicht bezahlbar, egal, ob man 22 Jahre alt und Single ist oder ein Kind hat und viel­leicht Mitte 40 ist. Denken wir auch an Eigenmittel in der Höhe von 35 000 €! Ohne sich zu verschulden, ist das eigentlich nicht finanzierbar.

Ein richtiger Ansatz, finde ich, ist die Idee der Leerstandsabgabe wie in dieser Initiative gefordert wird, ganz einfach aus solidarischen Gründen, um eben so vielen Leuten wie möglich das Recht auf die eigenen vier Wände zu schaffen. Wohnungen stehen manch-


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mal frei, monatelang, jahrelang, und im Gegenzug suchen etliche Menschen günstige Wohnungen.

Ich halte es außerdem für ganz zentral, Wohnbaufördermittel endlich zweckzuwidmen. Mich ärgert es wirklich ungemein, dass diese Gelder, die vom Bund und in Wirklichkeit von uns allen kommen, nicht entsprechend oder auch falsch eingesetzt werden.

Ebenso braucht es dringend eine Mietrechtsreform. Schon lange – und das wissen wir alle – entspricht die monatliche Miete nicht mehr einem Viertel des monatlichen Ein­kommens. Das ist nichts, was irgendwie so besonders fiktiv ist, sondern das ist ein Ziel aus meiner Sicht, zu dem wir wieder kommen möchten. Es ist auch nicht gerecht, so wie es jetzt läuft. Vor allem im privaten Bereich gibt es Vermieterinnen und Vermieter, die irgendwelche Zuschläge verrechnen, zusätzlich noch zur Lage, die eben fern von jeglicher Realität sind.

Ich hoffe, gefühlte Ewigkeiten später, dass jene, die noch immer auf stur schalten, un­seren Vorschlägen, nämlich den Vorschlägen unserer Bautensprecherin Ruth Becher, Stichwort Universalmietrecht – das würde für Transparenz sorgen und da wäre man nicht abhängig vom Goodwill der VermieterInnen –, endlich beitreten. Die Junge Gene­ration in der SPÖ unterstützt das auch. Wir haben dazu auch eine BürgerInneninitiative ins Haus gebracht, nämlich „Billiger wohnen jetzt!“. Es ist nämlich so, Menschen, egal, ob jung, mittelalt oder älter, können nicht länger warten, wie auch diese Initiative zeigt. Sie haben einfach das Recht darauf, und es ist auch unser Job, bezahlbare eigene vier Wände zu schaffen. Also an jene, die noch immer innehalten: Bewegen Sie sich bitte endlich! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Köchl.)

18.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


18.35.08

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über die Bürgerinitiative Faire Lebensmittel; vielleicht bräuchte es noch den Zusatz faire heimische Lebensmittel. Ich glaube, das wäre die richtige Defi­nition für diese Bürgerinitiative, weil es ja letztlich darum geht, wie wir unsere heimi­schen Lebensmittel, jene transparenten Lebensmittel, die von unseren fleißigen Bäue­rinnen und Bauern täglich mit viel Mühe erzeugt werden, auf dem Markt auch entspre­chend wettbewerbsfähig unterbringen können.

Meine Damen und Herren! Ich fühle mich dadurch bestätigt, weil ja wir es waren, die bereits vor zehn Jahren mit solchen Initiativen begonnen haben. Ich erinnere mich an das Jahr 2005, an die Initiative Geschmack der Heimat. Es war eine große Kampagne, gemeinsam mit einer kleinformatigen großen österreichischen Tageszeitung. Es ist uns auch gelungen, den Journalisten Günther Nenning, den Sie alle kennen, für diese Ini­tiative zu gewinnen, um Beiträge zu schreiben und auf den Wert und die Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern hinzuweisen.

Die nächste Aktion war dann So schmeckt Österreich.

Die dritte Aktion war im Jahr 2008, als die Finanzkrise begonnen hat: Heimisch kaufen sichert Jobs. Wir haben bei der Kepler-Universität eine Studie in Auftrag gegeben, die eben besagt – ich glaube, das ist noch immer die gleiche Studie –: 10 Prozent mehr heimische Lebensmittel sichern 10 000 Arbeitsplätze, sichern 10 000 Jobs in Österreich.

Es freut mich, wie gesagt, dass es jetzt diese breite Initiative gibt, die hoffentlich nicht parteipolitisch missbraucht, sondern wirklich auch vom Parlament über alle Parteien hin­weg umgesetzt wird, damit wir unseren Konsumenten wirklich heimische, österreichi­sche Lebensmittel zu fairen Preisen sicher und transparent anbieten können. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 171

Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. – Bitte.

 


18.37.30

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätztes Ho­hes Haus! Der Sammelbericht beinhaltet eine Vielzahl von Petitionen und Bürgerinitia­tiven. Mit diesem direkten und demokratischen Recht ermöglichen und stärken wir das Einbringen und das Behandeln von Meinungen im parlamentarischen Prozess. Gerade in den letzten Tagen ist es abermals deutlich geworden, dass direkte Mitbestimmung, direkte Meinungseinbringung – ich denke da an die Mitgliederbefragung zum Thema CETA – von der Bevölkerung sehr ernst und intensiv angenommen wurde. Ich danke daher von dieser Stelle aus allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die bei dem wich­tigen Thema CETA mitgewirkt haben.

In den zur Debatte stehenden Bürgerinitiativen und Petitionen sind vielfältige Themen angesprochen worden, die im Ausschuss behandelt wurden. Das Themenspektrum um­fasst zum Beispiel die Kinderbetreuungsfinanzierung, die Einrichtung von Schlichtungs­stellen für Mietrechtsangelegenheiten, die Erhaltung des Ensembleschutzes, das Min­destgeräusch bei Fahrzeugen, das Uhudler-Thema, das Tabakgesetz, faire Lebensmit­tel, das Bestbieterprinzip bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr und vieles mehr.

Ich möchte vielleicht ein bisschen auf die Bürgerinitiative 80 eingehen, die faire Le­bensmittel einfordert. Bei dieser Bürgerinitiative wird die Herkunftsbezeichnung auf Le­bensmittel angesprochen. Die Bürgerinitiative hatte, wie gesagt, bei Einbringung über 12 000 Unterzeichner und hat jetzt circa 50 000 Unterstützer. Für uns sind gesunde und faire Lebensmittel ein wichtiges gesundheitspolitisches Thema. Österreich hat ei­nen sehr hohen gesetzlichen Produktionsstandard, wir können auf unsere Lebensmittel wirklich mit Stolz blicken. Dennoch müssen wir den hohen Standard halten bezie­hungsweise je nach technischen Möglichkeiten auch ausbauen. Kennzeichnungen, ge­rade im Lebensmittelbereich sichern den Konsumenten Informationen und Schutz auch vor Krankheiten. Es gilt, die heimischen Produkte zu stärken, die regionalen Produkte auszuweiten. Wir sehen darin eine Stärkung gerade der regionalen Wirtschaft, die auch Arbeitsplätze schafft.

Gesunde Lebensmittel sind für uns ein wichtiges Thema. Gesunde Lebensmittel setzen aber auch einen gesunden und fairen Anbau und auch eine gesunde und faire Pro­duktion voraus. Die SPÖ unterstützt dieses Einbringen, und mit der Zuweisung an den Landwirtschaftsausschuss ist nun dieser am Zug. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Rauch. – Bitte.

 


18.40.21

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen im Hohen Haus! Liebe Zuschauer auf der Galerie! Es ist wie immer: Der Pe­titionsausschuss zeigt die Stimmung in der Bevölkerung auf, zeigt auf, wie sich Ge­setze auswirken, und zeigt auf, wo eventuell Handlungsbedarf besteht.

Ich gehe nun auf drei Bürgerinitiativen kurz ein.

Die erste Bürgerinitiative, auf die ich eingehe, betrifft das Thema ORF, das heute hier im Hohen Haus schon diskutiert wurde. Sie beschäftigt sich mit der Entstaatlichung des ORF, mit der Abschaffung der ORF-Gebühren et cetera. Wir von der ÖVP haben es heute schon klar gesagt: Uns ist ein unabhängiger ORF wichtig. Wir stehen auch zu ei­ner Vielfalt in der Medienlandschaft, wir wollen keine Medienmonopole in diesem Land. Wir wissen auch, dass der ORF vor finanziell schwierigen Jahren steht. Es wird die neue ORF-Geschäftsführung an ihrem Reformwillen und daran, wie sie mit den Finan­zen umgeht, dann bemessen werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 172

In dieser Bürgerinitiative geht es darum, die ORF-Gebühren abzuschaffen. Wir von der ÖVP-Fraktion wollen das nicht. Wir meinen: Es braucht einen unabhängigen, starken ORF, es braucht unabhängige, starke Journalisten, und die müssen auch dementspre­chend ausgestattet sein. Deshalb ist für uns von der ÖVP eine Abschaffung der ORF-Gebühren kein Thema. Ich sage aber auch dazu: Eine Gebührenerhöhung ist für mich persönlich auch nicht des Rätsels Lösung, sondern es ist an die Geschäftsführung des ORF der Appell zu richten, mit entsprechenden Reformen den ORF in eine gute und vor allem unabhängige Zukunft zu bringen.

Eine weitere Bürgerinitiative beschäftigt sich mit der Asylpolitik, nämlich mit der Frage: Wie schaut es mit der Asylpolitik in unserem Land aus? – Dazu nur ganz kurz: Wir alle kennen die europäische Situation, und wir alle kennen die österreichische Situation. Ich glaube, dass der Innenminister und auch die gesamte Bundesregierung in diesem Be­reich die richtigen Schritte setzen werden und auch schon gesetzt haben. Ich erinnere nur an die Asylobergrenze. Aber ich erinnere auch an die demnächst zu erlassende Verordnung, wenn es um eine neue Asylgesetzgebung geht. Aber auch das Thema Mindestsicherung spielt in diese Bürgerinitiative hinein. Also man sieht schon: Da be­steht Handlungsbedarf. Da muss sich sicher einiges im Hohen Haus bewegen.

Die letzte Bürgerinitiative, auf die ich eingehe, beschäftigt sich mit der Österreichischen Hochschülerschaft. Darin geht es darum, die ÖH-Beiträge zu senken. Meiner Meinung nach hat die ÖH wie auch andere Interessenvertretungen die Aufgabe, ihre Mitglieder­interessen zu vertreten. Ich glaube, das funktioniert mit dem derzeitigen ÖH-Beitrag sehr gut. Wie man weiß, beträgt er derzeit 18,70 €. Davon wird sogar ein kleiner Bei­trag in eine Unfall- und Haftpflichtversicherung für die Studenten investiert. Der Groß­teil geht direkt an die Hochschulvertretung, nämlich 87 Prozent, und nur 13 Prozent ge­hen an die ÖH-Bundesvertretung.

Aus unserer Sicht stellt dieser Beitrag von 18,70 € einen angemessenen Beitrag zur Um­setzung der gesetzlich vorgegebenen Interessenvertretungsaufgaben dar. Die Gelder sollen auch ordnungsgemäß verwendet werden. Ich glaube aber, so etwas wie das Café Rosa könnte man sich in Zukunft sparen, das ist keine artgerechte Verwendung von Mitgliedsbeiträgen. Man sollte in Zukunft solche Dinge vermeiden. Aber grundsätz­lich ist unserer Meinung nach der ÖH-Beitrag, so wie er ist, angemessen. Und wir wol­len auch keine Senkung dieses Beitrages. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


18.43.38

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öster­reichische Busunternehmen und ihre Beschäftigten befördern rund 670 Millionen Per­sonen im Jahr im Linienverkehr. Dieser Bereich ist daher als Wirtschaftsfaktor, aber auch verkehrspolitisch ganz wichtig.

In der Bürgerinitiative 88 – sie wurde heute schon einige Male erwähnt – wird die For­derung erhoben, bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr das Bestbieterprinzip statt des Billigstbieterprinzips anzuwenden, Qualitäts- und Sozialstandards sowie einen ver­pflichtenden Personalübergang bei Ausschreibungen im Linienbusverkehr zu verankern.

Meine Damen und Herren, die Ausschreibungen im öffentlichen Nahverkehr nehmen in Österreich zu. Die Bundesländer und deren Verkehrsverbünde – so etwa derzeit Nie­derösterreich – schreiben immer mehr Buslinien für den zukünftigen Betrieb aus. Zum Zug kommen meistens Billigstbieter. Diese Art des Wettbewerbs geht meistens auf Kos­ten der Beschäftigten, der Qualität, der älteren Mitarbeiter und in vielen Bereichen auch auf Kosten der Sicherheit. Internationale Erfahrungen zeigen, dass reine Preiswettbe­werbe über Löhne und über Arbeitsbedingungen des Personals ausgetragen werden.


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Diese Entwicklung wollten auch die Abgeordneten hier in diesem Haus nicht, und da­her wurde bereits im April 2015 eine Ausschussfeststellung beschlossen – sie wurde damals einstimmig beschlossen –, dass der Bundesminister einen Leitfaden für die Be­rücksichtigung von Sozial- und Qualitätskriterien bei Ausschreibungen im öffentlichen Busverkehr ausarbeiten soll. Dieser Leitfaden ist schon vorhanden, aber er kommt der­zeit in einigen Bereichen nicht zur Anwendung, weil es regionale Gebietskörperschaf­ten gibt, die sich daran nicht halten müssen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Petitionsausschuss hat diese Bürger­initiative dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Ich glaube, es ist wert, darüber wei­ter zu diskutieren. Es wurden auch drei Stellungnahmen zu diesem Thema abgegeben, zwei davon waren eher unterstützend. Etwas verwundert hat mich die Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen, der darin festhält, dass die Verankerung des Best­bieterprinzips finanzielle Mehraufwendungen mit sich bringt und er die Forderung der Einbringer und der Unterzeichner daher ablehnt. Das heißt, es besteht da noch Dis­kussionsbedarf. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


18.46.21

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich darf heute zur Petition Für die Erhaltung historischer Bauten und Ensembles in Wien reden. Ein wesentlicher Punkt dabei betrifft die Erhaltung des Ju­gendstilgebäudes in Steinhof. Wir haben nun schon zwei Jahre lang diese Petition im Petitionsausschuss beraten, mit dem Ergebnis, dass ohne einen Antrag der Wiener Stadtregierung – sprich: der rot-grünen Koalition – keine Möglichkeit besteht, dass wir das Weltkulturerbe in Steinhof schützen können.

Ich kann daher von dieser Stelle aus die rot-grüne Stadtregierung nur nochmals aufru­fen, einen solchen Antrag zur Anerkennung als Weltkulturerbe zu stellen, um damit die­sen historischen Bauten und Ensembles in Österreich – in diesem Fall in Wien – ent­sprechend Rechnung zu tragen.

Wir wollen das Werk von Otto Wagner auch in Zukunft erhalten, und wir lehnen es ab, dass in den letzten Jahren durch den Bau verschiedenster Gebäude an den Rändern dieses Ensembles – und zwar durch den Bau von Verwaltungsgebäuden, nun auch von Wohnhäusern und Rehabilitationszentren – der Ensembleschutz in Gefahr gerät.

ICOMOS Österreich hat daher gesagt, es bedarf dringend eines solchen Antrags, es ist notwendig, dass dieses Werk von Otto Wagner erhalten bleibt. Daher: Kommen wir dem nach! Ich darf die Stadt Wien dazu aufrufen, dem endlich Rechnung zu tragen – zum Schutz historischer Bauten Österreichs, zum Schutze österreichischer Ensembles und vor allem zum Schutz des Werkes Otto Wagners. (Beifall bei der ÖVP.)

18.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


18.48.07

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf zwei Petitionen: auf Petition Nummer 55, Rettung des regionsgeschützten Uhudlers, und auf Petition Nummer 76, praktikable Lösungen bei der Registrierkassenpflicht für Vereine und Ehrenamtliche.

Beide Petitionen zeigen, dass die Sorgen und Nöte der Bevölkerung hier im Hohen Haus ernst genommen werden. Wir haben zu beiden Themen bereits entsprechende Beschlüs­se – und zwar auch im Sinne der betroffenen Antragsteller – gefasst.


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Der Uhudler ist bereits seit Jahrhunderten ein Kultgetränk im Südburgenland. Er ist auch dafür verantwortlich, dass Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden, die Wertschöp­fung in der Region bleibt und es auch einen florierenden Tourismus in dieser Region gibt.

Zum Uhudler ist zu sagen, dass auch die burgenländische Landesregierung mit Agrar­landesrätin Verena Dunst aktiv geworden ist. Neun Uhudler-Rebsorten wurden in die burgenländische Weinbauverordnung aufgenommen. Wir haben hier im Hohen Haus im Mai dieses Jahres auch den Beschluss gefasst, dass weitere Uhudler-Rebsorten als Obstwein ausgezeichnet werden. Das ist auch die Grundlage dafür, dass in der Zu­kunft circa 150 Uhudler-Bauern im Südburgenland weiterhin die wirtschaftliche Grund­lage haben werden.

Zur Petition Nummer 76, wo es um praktikable Lösungen bei der Registrierkassenpflicht für gemeinnützige Vereine und Ehrenamtliche geht, ein paar kurze Anmerkungen: Da wäre ein Beschluss sehr wichtig, vor allem für Vereine in kleineren Gemeinden, denn die Vereine sind wesentliche Kulturträger in den Gemeinden, und die Vereine sind es, die das Dorfleben im sprichwörtlichen Sinn am Leben erhalten.

Ich möchte auch den 3,5 Millionen Freiwilligen in Österreich sehr herzlich für ihre zahl­reichen unentgeltlichen Aktivitäten in den Vereinen unseres Landes danken. Ich darf er­wähnen, dass es allein im Burgenland 4 900 Vereine gibt, mit circa 100 000 Vereins­mitgliedern, und dass es über 300 Ortsfeuerwehren gibt, mit knapp 17 000 aktiven Frei­willigen. Ein herzliches Dankeschön für diese freiwillige unentgeltlich geleistete Arbeit! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

18.49

18.50.22

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1248 der Beilagen über die Petitionen Nr. 34, 55, 57, 61 und 62, 65 und 76 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 73, 78, 80, 83, 88 und 91 bis 96 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tabak- und Nichtraucherinnen- be­ziehungsweise Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Unruhe auf der Galerie.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.51.56Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Abgeordne­ten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesord­nungspunktes 1 zu verlesen, damit dieser Teil mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr den entsprechenden Teil des Amtlichen Protokolls.

„TO Punkt 1: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1814/A der Abge­ordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Eva Glawischnig-Pies-


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czek, Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (1257 der Beilagen).

Es liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung Beilage I/1 vor.

Die Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Glawischnig-Piesczek, Mag. Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen bringen den Abänderungsantrag Beilage 1/1 ein.

Abstimmung:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1257 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 1/1 bei Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten in zweiter Lesung in getrennter Abstim­mung mit wechselnden Mehrheiten und in dritter Lesung mehrstimmig – in je­dem Fall mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit – angenommen.

Es liegt ein Verlangen gemäß § 51 Abs. 6 GOG von 20 Abgeordneten auf Verlesung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 1 vor (Beilage I/2).“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amt­lichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Dieser Teil des Amtlichen Protokolls gilt daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsord­nung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

18.53.50Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 1821/A(E) bis 1856/A(E) eingebracht worden sind.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.54 Uhr ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.54.13Schluss der Sitzung: 18.54 Uhr

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