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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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179. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 13. November 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

179. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode       Dienstag, 13. November 2012

Dauer der Sitzung

Dienstag, 13. November 2012: 9.05 – 21.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversi­cherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Ge­webesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden

3. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversi­cherungsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Grünen Bericht 2012 der Bundesregierung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1912/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Isel als Natura-2000-Schutzgebiet

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1412/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Ablehnung des GVO-Ratsbeschluss-Vorschla­ges 2011/0010 im EU-Ministerrat

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2059/A(E) der Abgeordneten Hannes Weninger, Ing. Hermann Schultes, Carmen Gartelgruber, Mag. Christiane Brunner, Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konsequente Umsetzung der öster­reichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit raschest möglichen Aus­stiegs aus der Kernenergie, über den

Antrag 1722/A(E) der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Hannes Weninger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie, über den


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Antrag 1978/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition für den weltweiten Atomausstieg, über den

Antrag 811/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Resolution AKW Mochovce, über den

Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend keine Rückkehr zur Atomkraft in Italien, über den

Antrag 1318/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend grenzüberschreitende UVP bei Betriebsverlängerung deutscher AKWs sowie über den

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Analyse von AKW-Stresstests durch österreichische Experten

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1532/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Wid­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen Te­melίn-UVP

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1533/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Wid­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertragsverletzungsverfahren gegen Mo­chovce-UVP

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1146/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Bedrohung Österreichs durch die unzurei­chende Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Fertigstellung der Blö­cke 3 und 4 des AKW Mochovce

13. Punkt: Bericht über den Antrag 2033/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen europarechtswidriger Temelίn-UVP

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1736/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Wid­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend noch immer offene Temelίn-Sicherheits­fragen

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1855/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Wid­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klage aufgrund eines Wettbewerbsversto­ßes durch Milliardensubventionen der Atomindustrie

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1518/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Versorgung von Bundesgebäuden durch garantiert atomstromfreie Energie

17. Punkt: Bericht über den Antrag 1861/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen ein Atommüllrestlager in Jas­lovske Bohunice

18. Punkt: Bericht über den Antrag 2097/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stilllegung von Atomkraftwerken als EU-Milliar­dengrab

19. Punkt: Bericht über den Antrag 2100/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012)

20. Punkt: Bericht über den Antrag 2057/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Peter Michael Ikrath, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Albert Steinhauser, Ernest Windholz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun-


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desgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Natio­nalrates und des Bundesrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Euro­päischen Parlaments (Bundesbezügegesetz – BBezG), BGBl. Nr. 64/1997, geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

22. Punkt: Bericht über den Antrag 1824/A(E) der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geldsegen für Süchtige

23. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2011 sowie über den

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2011 (Voranschlagsvergleichsrechnung Stand 31. März 2012)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungs­steuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Gebührenge­setz 1957, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versiche­rungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Flugabgabegesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bun­desabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Norm­verbrauchsabgabegesetz 1991, das Biersteuergesetz 1995, das Mineralölsteuerge­setz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabak­steuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Finanzstrafgesetz und das Aus­fuhrerstattungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2012 – AbgÄG 2012)

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird

26. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Fritz Neu­gebauer, Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert wird (2104/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 15

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 64

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 97

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 97

Aktuelle Stunde (45.)

Thema: „Perspektiven des Zivildienstes in Österreich“ ....................................... 15


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 4

Redner/Rednerinnen:

August Wöginger ......................................................................................................... 15

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ......................................................... 18

Otto Pendl ..................................................................................................................... 22

Claudia Durchschlag ................................................................................................... 23

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 24

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 26

Gerald Grosz ................................................................................................................. 27

Christoph Hagen .......................................................................................................... 29

Mag. Christine Lapp ..................................................................................................... 30

Hermann Gahr .............................................................................................................. 32

Dr. Peter Fichtenbauer ................................................................................................ 33

Tanja Windbüchler-Souschill ...................................................................................... 34

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 36

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 37

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (46.)

Thema: „Nein zu höheren EU-Beiträgen mit Faymanns Zustimmung – Öster­reich hat genug gezahlt!“ ......................................................................................................................................... 39

Redner/Rednerinnen:

Josef Bucher ................................................................................................................. 39

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 41

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 44

Mag. Peter Michael Ikrath ............................................................................................ 45

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 47

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................... 49

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 50

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 52

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 53

Ing. Hermann Schultes ................................................................................................ 55

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 56

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 58

Gerhard Huber .............................................................................................................. 59

Stefan Markowitz .......................................................................................................... 61

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 15

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  62, 236

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1936 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlas­sen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafge­setzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G) (1979 d.B.) .................................. 64

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ......................................................................... 64

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 66

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ..................................................................................... 66


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Karl Öllinger .................................................................................................................. 68

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 72

Dr. Wolfgang Spadiut .................................................................................................. 73

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 74

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 76

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 77

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................... 79

Dr. Andreas Karlsböck ................................................................................................ 80

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 82

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 83

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 85

Ursula Haubner ............................................................................................................ 86

Ewald Sacher ................................................................................................................ 87

Dr. Martin Strutz ........................................................................................................... 88

Karl Donabauer ............................................................................................................ 90

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 91

Anna Höllerer ................................................................................................................ 94

Gerhard Köfer ............................................................................................................... 95

Annahme des Gesetzentwurfes (namentliche Abstimmung) ........................................ 96

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1935 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittel­gesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesund­heit Österreich GmbH geändert werden (1980 d.B.) ......................................................................................................... 99

3. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1981 d.B.) ...................................................................................................................... 99

Berichterstatter: Dr. Erwin Rasinger ............................................................................ 99

Redner/Rednerinnen:

Wilhelm Haberzettl ..................................................................................................... 100

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 100

Dr. Andreas Karlsböck .............................................................................................. 101

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 103

Dr. Wolfgang Spadiut ................................................................................................ 104

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger ........................................................................... 104

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 105

Johann Hechtl ............................................................................................................. 106

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 107

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1980 und 1981 d.B. ..................................... 107

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1898 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1982 d.B.) ............................................... 108

Redner/Rednerinnen:

Ing. Erwin Kaipel ........................................................................................................ 108

Ridi Maria Steibl ......................................................................................................... 109

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ....................................................................... 109


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 6

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 110

Dr. Wolfgang Spadiut ................................................................................................ 111

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger ........................................................................... 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Fernabsatz mit Arzneimitteln – Ablehnung .........................................................  112, 113

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 113

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2012 der Bundesregierung (III-352/1931 d.B.) ............................................................................. 114

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1912/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Isel als Natura-2000-Schutzgebiet (1932 d.B.) .................................................................................................................... 114

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 1412/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ablehnung des GVO-Ratsbeschluss-Vorschlages 2011/0010 im EU-Mi­nisterrat (1933 d.B.) ................................................ 114

Redner/Rednerinnen:

Josef Jury .................................................................................................................... 114

Jakob Auer .................................................................................................................. 115

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 116

Walter Schopf ............................................................................................................. 118

Gerhard Huber ...................................................................................................  119, 136

Anna Höllerer .............................................................................................................. 120

Erich Tadler ................................................................................................................. 121

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 122

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 125

Rupert Doppler ........................................................................................................... 125

Franz Eßl ..................................................................................................................... 126

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 126

Mag. Michael Schickhofer ......................................................................................... 128

Maximilian Linder ....................................................................................................... 128

Hermann Gahr ............................................................................................................ 130

Bernhard Vock ............................................................................................................ 130

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................... 131

Harald Jannach ........................................................................................................... 132

Peter Mayer ................................................................................................................. 134

Ewald Sacher .............................................................................................................. 135

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 135

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 137

Ing. Hermann Schultes (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 138

Kenntnisnahme des Berichtes III-352 d.B. ................................................................... 138

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1932 und 1933 d.B. .......................... 138

8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1843 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird (1965 d.B.)                                                  138

Redner/Rednerinnen:

Erwin Hornek .............................................................................................................. 139

Mag. Josef Auer ......................................................................................................... 140

Werner Herbert ........................................................................................................... 141


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 7

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 141

Martina Schenk ........................................................................................................... 142

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 142

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 142

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 143

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2059/A(E) der Ab­geordneten Hannes Weninger, Ing. Hermann Schultes, Carmen Gartelgruber, Mag. Christiane Brunner, Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die konsequente Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie, über den

Antrag 1722/A(E) der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernener­gie, über den

Antrag 1978/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition für den weltweiten Atomaus­stieg, über den

Antrag 811/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Resolution AKW Mochovce, über den

Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend keine Rückkehr zur Atomkraft in Italien, über den

Antrag 1318/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend grenzüberschreitende UVP bei Betriebsverlängerung deutscher AKWs sowie über den

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Analyse von AKW-Stresstests durch österreichische Experten (1966 d.B.) ................................... 143

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1532/A(E) der Ab­geordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­tragsverletzungsverfahren gegen Temelίn-UVP (1967 d.B.) ....................................................................................................................................... 144

11. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1533/A(E) der Ab­geordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­tragsverletzungsverfahren gegen Mochovce-UVP (1968 d.B.) .................................................................................................................... 144

12. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1146/A(E) der Ab­geordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Bedro­hung Österreichs durch die unzureichende Durchführung der Umweltverträg­lichkeitsprüfung für die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des AKW Mochovce (1969 d.B.)           ............................................................................................................................. 144

13. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2033/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen europarechtswidriger Temelίn-UVP (1970 d.B.) .......................................................... 144


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 8

14. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1736/A(E) der Ab­geordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend noch im­mer offene Temelίn-Sicherheitsfragen (1971 d.B.)      ............................................................................................................................. 144

15. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1855/A(E) der Ab­geordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klage aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes durch Milliardensubventionen der Atom­industrie (1972 d.B.) ................................................. 144

16. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1518/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Versorgung von Bundesgebäuden durch garantiert atomstromfreie Energie (1973 d.B.) ............................................................................. 144

17. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1861/A(E) der Ab­geordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen ein Atommüllrestlager in Jaslovske Bohunice (1974 d.B.) .................................................................................................................... 145

18. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2097/A(E) der Ab­geordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stilllegung von Atomkraftwerken als EU-Milliardengrab (1975 d.B.)              ............................................................................................................................. 145

Redner/Rednerinnen:

Werner Neubauer ....................................................................................................... 145

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 146

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 147

Hannes Weninger ....................................................................................................... 149

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................... 150

Peter Mayer ................................................................................................................. 152

Erich Tadler ................................................................................................................. 153

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 153

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 156

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 156

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 157

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 158

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 159

Kurt List ....................................................................................................................... 160

Franz Hörl .................................................................................................................... 161

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 162

Peter Stauber .............................................................................................................. 163

Ernest Windholz ......................................................................................................... 164

Erwin Hornek .............................................................................................................. 165

Gerald Grosz ............................................................................................................... 166

Walter Schopf ............................................................................................................. 167

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1966 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die konsequente Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie (E 272) ..................................................... 167

Kenntnisnahme der neun Ausschussberichte 1967, 1968, 1969, 1970, 1971, 1972, 1973, 1974 und 1975 d.B. ....................................................................................................................................... 168

19. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2100/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpas­sungsgesetz 2012) (1994 d.B.) .................................................................................... 168


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 9

Redner/Rednerinnen:

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher .................................................................................. 169

Karl Donabauer .......................................................................................................... 169

Mag. Harald Stefan ............................................................................................  170, 178

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................... 171

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 172

Christoph Hagen ........................................................................................................ 173

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 174

Jochen Pack ................................................................................................................ 175

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 176

Gerald Grosz ............................................................................................................... 179

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 180

20. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2057/A der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Peter Michael Ikrath, Dr. Peter Fich­tenbauer, Mag. Albert Steinhauser, Ernest Windholz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bun­desrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Par­laments (Bundesbezügegesetz – BBezG), BGBl. Nr. 64/1997, geändert wird (1995 d.B.) ............................................................................................. 181

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 181

21. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1908 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1963 d.B.) ................ 181

Redner/Rednerinnen:

Ridi Maria Steibl ......................................................................................................... 181

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................... 182

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................. 183

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 183

Ursula Haubner .......................................................................................................... 184

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 185

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 185

Mag. Silvia Fuhrmann ................................................................................................ 186

Angela Lueger ............................................................................................................ 187

Franz Hörl .................................................................................................................... 187

Franz Riepl .................................................................................................................. 188

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 188

Hermann Lipitsch ....................................................................................................... 189

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 189

22. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1824/A(E) der Ab­geordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geldse­gen für Süchtige (1964 d.B.)                       190

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Kitzmüller .................................................................................................. 190

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................  191, 193

Christine Marek .......................................................................................................... 191

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger ........................................................................... 192

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 193

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 194

Ursula Haubner .......................................................................................................... 194

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1964 d.B. ................................................... 195


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 10

23. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsab­schluss für das Jahr 2011 (III-350 d.B.) sowie über den

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2011 (Voranschlagsvergleichsrechnung Stand 31. März 2012) (III-319 d.B.) (1976 d.B.) .................................................................................................... 195

Redner/Rednerinnen:

Alois Gradauer ........................................................................................................... 196

Konrad Steindl ............................................................................................................ 197

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................... 198

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 199

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger ........................................................................... 201

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 202

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 204

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 204

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 206

24. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1960 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das EU-Amtshilfegesetz erlassen wird und das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Um­gründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsge­setz 1955, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Bodenschätzungsge­setz 1970, das Gebührengesetz 1957, das Glücksspielgesetz, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteu­ergesetz 1992, das Flugabgabegesetz, das Neugründungs-Förderungsgesetz, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgaben­verwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Normverbrauchsabgabegesetz 1991, das Biersteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, das Alkoholsteu­ergesetz, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Tabaksteuergesetz 1995, das Tabakmonopolgesetz 1996, das Finanzstrafgesetz und das Ausfuhrerstattungsge­setz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2012 – AbgÄG 2012) (1977 d.B.)                                                                                                                      206

Redner/Rednerinnen:

Elmar Podgorschek ................................................................................................... 207

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 207

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 208

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 210

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................... 211

Jakob Auer .................................................................................................................. 212

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 222

Franz Eßl ..................................................................................................................... 223

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 223

Ing. Franz Windisch .................................................................................................... 224

Harald Jannach ........................................................................................................... 225

Entschließungsantrag der Abgeordneten Jakob Auer, Mag. Kurt Gaßner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Bewertungsrichtlinien für Einheitswerte – An­nahme (E 273) ............  220, 228

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 227

25. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1961 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird (1978 d.B.) .......................................................................................... 228

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bruno Rossmann ............................................................................................. 228

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 229


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 11

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................... 230

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................... 231

Elisabeth Kaufmann-Bruckberger ........................................................................... 231

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 232

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 233

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher .................................................................................. 235

Wilhelm Haberzettl ..................................................................................................... 235

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 236

26. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Fritz Neugebauer, Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Natio­nalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (2104/A)              ............................................................................................................................. 236

Zuweisung des Antrages 2104/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................... 236

Eingebracht wurden

Bürgerinitiative ............................................................................................................ 63

Bürgerinitiative betreffend „Schluss mit der Zeitumstellung“ (Ordnungsnum­mer 52)

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 62

1987: Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geändert wird

1988: Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird

1989: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Lan­desvertragslehrpersonengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Päda­gogische Hochschulen und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden

1990: Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unterneh­mer im Kraftfahrzeugsektor getroffen werden (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz – KraSchG)

1991: Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessord­nung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz ge­ändert werden

1992: Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – PF-ÜG

1993: Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnenschiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte

Bericht ........................................................................................................................... 63

III-368: Mittelstandsbericht 2012; BM f. Wirtschaft, Familie und Jugend

Anträge der Abgeordneten

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmonisierung der Ferien­regelungen (2111/A)(E)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung der rechtlichen Grundlagen für Modellregionen zur Gemeinsamen Schule (2112/A)(E)


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Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlosen Berufsschulab­schluss (2113/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundzüge der Förderungskriterien und Berechnung der Förderung des Strukturände­rungsfonds (2114/A)(E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grunderwerbsteuergesetz 1987 geändert wird (2115/A)

Anfragen der Abgeordneten

Gabriel Obernosterer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend versuchte Einflussnahme des Ministerkabinetts auf den Hochwassereinsatz der Pionierkompanie aus Villach im Drautal (13001/J)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fi­nanzen betreffend Finanzierung von lokalen Projekten durch partizipative BürgerInnen­beteiligung (13002/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend zwangsweise Unterbringung in psychiatrischen Abteilungen (13003/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Investmentbanken und Spekulanten als Eigentümer von Goldla­gerstätten (13004/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Vertrauenswürdigkeit von Gouverneuren der OeNB (13005/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend systematische Desinformationspolitik durch die OeNB (13006/J)

Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Förderung des Vereins „Springerin Verein für Kritik und Theorie zu ihrer Zeit“ (13007/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Rückführung des Goldes der OeNB aus London (13008/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Kosten für die Lagerung von Gold der Oesterreichischen Na­tionalbank im Ausland (13009/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Tätigkeitsbericht 2011 des Asylgerichtshofes (13010/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit be­treffend Geschmacksverstärker Glutamat (13011/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Auslagerung der AMA-Kon­trollen – ACA-Gesetz (13012/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die „Schattenliste“ Natu­ra 2000 (13013/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend das „Landwirtschaftsbud­get 2013“ (Bundesvoranschlag 2013, Untergliederung 42) (13014/J)


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Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Rechnungshofbericht – Lea­derproblematik“ (13015/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Pestizid im Grundwasser­strom von Korneuburg (13016/J)

Kurt List, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend die Veränderungs- beziehungsweise Zerstörungsabsichten an der Burgtoranlage am Wiener Heldenplatz (13017/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend bewusste Verschleppung von Verfahren gegen Beamte des Heeres und des BVT (13018/J)

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend bewusste Verschleppung von Verfahren gegen Beamte des Heeres und des BVT (13019/J)

Kurt List, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend bewusste Verschleppung von Verfahren gegen Beamte des Hee­res und des BVT (13020/J)

Johann Höfinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Unfälle von Berufssoldaten während des Dienstes beim österreichischen Bundesheer (13021/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend „Amtshaftung u.a. Entschädigungsleistungen – Entwicklung 2008 bis 2011“ (13022/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Amtshaftung u.a. Entschädigungsleistungen – Entwicklung 2008 bis 2011“ (13023/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend „Amtshaftung u.a. Entschädigungsleistungen – Entwick­lung 2008 bis 2011“ (13024/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend „Amtshaftung u.a. Entschädigungsleis­tungen – Entwicklung 2008 bis 2011“ (13025/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Steuerleistung der Tirolerinnen und Tiroler (13026/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12343/AB zu 12554/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12344/AB zu 12555/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12345/AB zu 12552/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12346/AB zu 12551/J)


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der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12347/AB zu 12553/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen (12348/AB zu 12556/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen (12349/AB zu 12557/J)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Abgeord­neten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen (12350/AB zu 12558/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mathias Ve­nier, Kolleginnen und Kollegen (12351/AB zu 12579/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Heinz-Pe­ter Hackl, Kolleginnen und Kollegen (12352/AB zu 12656/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (12353/AB zu 12711/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (12354/AB zu 12816/J)


 


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09.05.28Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Das Amtliche Protokoll der 178. Sitzung vom 8. November 2012 ist in der Parlaments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Klikovits und Themessl.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger wird durch den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung auf ORF 2 bis voraussichtlich 11.30 Uhr und auf ORF III in voller Länge übertragen wird.

09.06.22Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Perspektiven des Zivildienstes in Österreich“

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wöginger. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


9.06.36

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Die heutige Aktuelle Stunde der ÖVP beschäftigt sich mit dem Zivildienst, vor al­lem mit den Perspektiven des Zivildienstes.

Warum ist dieses Thema aktuell? – Weil es am 20. Jänner 2013 eine Volksbefragung in Österreich gibt, wo es darum geht, ob die Wehrpflicht beibehalten wird und damit auch der Zivildienst, oder ob ein Berufsheer eingeführt wird und ein bezahltes, freiwil­liges Sozialjahr.

Wichtig ist, dass die Bevölkerung und die Menschen in Österreich wissen: Fällt die Wehrpflicht, gibt es keinen Zivildienst mehr. Der Zivildienst ist als Wehrersatzdienst in der Verfassung verankert, das heißt ohne Wehrpflicht kein Zivildienst.

Der Zivildienst, meine Damen und Herren, hat sich seit der Einführung 1975 zu einem Eckpfeiler in der Sozial- und Gesundheitspolitik entwickelt, der heute nicht mehr weg­zudenken ist. Es ist richtig, dass vor allem in den ersten Jahren der Zivildienst nicht


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immer das beste Ansehen in der Bevölkerung hatte (Abg. Riepl: Dank der ÖVP! Abg. Dr. Cap: Mithilfe der ÖVP!), aber seit den letzten zehn, 15 Jahren stellt sich diese Fra­ge nicht mehr.

Derzeit sind rund 14 000 junge Männer pro Jahr, vor allem im Rettungswesen, in der Behindertenhilfe, in den Pflegeheimen und in den Krankenhäusern im Einsatz. Sie leis­ten dort einen unverzichtbaren Beitrag in unserer Gesellschaft für Menschen, die in Not geraten oder auf Hilfe angewiesen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Zivildienst, meine Damen und Herren, ist heute in der Gesellschaft unumstritten und genießt eine hohe Anerkennung. Der Zivildienst hat sich bewährt. Wir haben ein funktionierendes System.

Ich möchte aus aktuellem Anlass einige Zitate bringen, wo das Rote Kreuz ehemalige Zivildiener befragt hat, ob sie mit ihrem Dienst zufrieden waren. 1 300 haben sich zu­rückgemeldet, und davon möchte ich drei Zitate vortragen.

Einer hat gesagt: Der Zivildienst war für mich vor allem eine Vermittlungs- und Lehr­stelle, Werte werden vermittelt, Dankbarkeit, Respekt, Zusammenhalt. – Zitatende.

Ein Anderer hat zurückgeschrieben: Ich war gelernter Kfz-Mechaniker. Jetzt leite ich als Krankenpfleger eine Intensivstation. – Zitatende.

Ein Dritter hat zurückgemeldet: Ohne den Zivildienst wäre ich nie zum Roten Kreuz ge­gangen oder freiwilliger Mitarbeiter geworden. – Zitatende.

Meine Damen und Herren, diese drei Beispiele sagen alles aus darüber, wie wichtig der Zivildienst in unserer Gesellschaft ist, und deshalb wollen wir dieses Erfolgsmodell in Österreich auch beibehalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Ich kann das auch selber nur bestätigen. Ich war vor 17 Jahren Zivildiener beim Roten Kreuz, wurde anschließend hauptberuflicher Mitarbeiter in dieser wichtigen Organisa­tion und bin heute dort noch Mitarbeiter.

Die Frage, die sich stellt, meine Damen und Herren, ist folgende: Warum will man ein funktionierendes System abschaffen, ohne eine geeignete Alternative zu haben? In der Privatwirtschaft würde sich die Frage nie stellen, denn wenn man keine Alternative hat, dann schafft man ein bewährtes System nicht ab. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schickhofer: Wir haben ja eine klare !)

Das führt mich zum SPÖ-Modell, meine Damen und Herren. Als Alternative wird ein bezahltes, freiwilliges Sozialjahr angeboten. Das ist ein Widerspruch in sich. Ehren­amt und bezahlt passt einfach nicht zusammen, das ist ein Schlag ins Gesicht der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zu Tausenden in Österreich tätig sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schickhofer: Ehrenamtlichkeit beruht auch auf Freiwilligkeit!)

Ich sage Ihnen auch ein Beispiel, meine Damen und Herren von der SPÖ (Zwischen­rufe bei der SPÖ): Ein ehrenamtlicher Rot-Kreuz-Sanitäter, der seit zehn oder 15 Jah­ren wirklich ehrenamtlich, unentgeltlich beim Roten Kreuz im Rettungsdienst tätig ist, was wird sich der denken, wenn jetzt dann neben ihm jemand sitzt, der 1 400 € 14 Mal im Jahr bezahlt bekommt? (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  Der wird sich ver­äppelt vorkommen, meine Damen und Herren, der wird sich fragen: Warum leiste ich seit 20 Jahren unentgeltlich, ehrenamtlich einen Dienst für unsere Gesellschaft? (Bei­fall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das passt hinten und vorne nicht zusammen. Das ist der Anfang vom Ende des Eh­renamtes, und ich möchte schon betonen: Der Zivildienst ist eine Kaderschmiede für


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das Ehrenamt. (Zwischenruf des Abg. Heinzl.) In Oberösterreich beim Roten Kreuz bleiben rund 80 Prozent ehrenamtlich weiterhin nach dem Zivildienst tätig.

Außerdem birgt dieses Modell von Hundstorfer viele offene Fragen. Wie viele melden sich? Kein Mensch kann das beantworten. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das SPÖ-Mo­dell geht überhaupt nur von 6 500 sogenannten Freiwilligen aus, wir würden aber 9 500 benötigen. Das heißt, 3 000 fehlen in diesem System. Wo werden die eingespart? Das sollte die Bevölkerung wissen, meine Damen und Herren. Sie werden eingespart im Katastrophenschutz, bei der Feuerwehr und im Zivilschutz. Sie werden in der Jugend­arbeit eingespart, sie werden in der Kinderbetreuung eingespart (Rufe bei der SPÖ: Wer sagt denn das?  Lüge!), sie werden im Gedenkdienst eingespart, sie werden in der Schulwegsicherung, zum Schutz unserer Kinder, eingespart, und sie werden zu gu­ter Letzt auch noch in der Landwirtschaft eingespart. Meine Damen und Herren, das kann es nicht sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Und was ist, wenn sich überhaupt zum Beispiel nur 4 000 und nicht 6 500 melden? Wenn wir uns das System in Deutschland ansehen, so haben sich dort 40 000 nach dem Aussetzen der Wehrpflicht für den sogenannten Bundesfreiwilligendienst, „Bufdi“ wird das abgekürzt genannt, gemeldet. Da gibt es die berühmte Zehnerregel mit Deutschland und Österreich. Deutschland ist zehnmal so groß wie Österreich, wenn sich also in Deutschland 40 000 gemeldet haben, dann ist davon auszugehen, dass sich in Österreich nicht mehr als 4 000 melden werden. Das heißt, wir bekommen auch im Rettungssystem größere Probleme. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Als Mitarbeiter des Roten Kreuzes und als Innviertler pflegen wir ja zu unseren bayri­schen Freunden gute Kontakte. Ich habe mich beim Roten Kreuz in Bayern erkundigt, wie es denn denen so geht mit den Bufdis. Das Rote Kreuz Bayern hatte früher 1 600 Zi­vildiener, jetzt haben sie 600 sogenannte Bufdis. (Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren, dort wurde der Behindertentransport eingestellt und sie ha­ben stundenlange Wartezeiten in den Krankenhäusern. Das wollen wir sicher in Ös­terreich nicht haben! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Mag. Schickhofer: Zivildienst relevant für Behandlungszeit in Krankenhäusern !)

Wir dürfen ein funktionierendes System nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Und wenn wir diese nötige Anzahl an sogenannten Freiwilligen nicht bekommen, dann birgt das auch die Gefahr in sich, dass es auch bei Rettungseinsätzen zu Verzögerungen kommt und die Rettungswägen nicht mehr in zehn oder 15 Minuten beim Patienten sein kön­nen (Zwischenrufe bei der SPÖ), sondern nach 30 oder 40 Minuten. Das ist ein Zitat des oberösterreichischen Rot-Kreuz-Präsidenten Walter Aichinger. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dieser Vorschlag der SPÖ, meine Damen und Herren, ist keine Alternative für den Zi­vildienst und wird in der Praxis nicht funktionieren. Das sagen auch die Rettungsorga­nisationen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist peinlich! Zwischenruf des Abg. Strache.) Jetzt versucht man, dieses System noch mit Zuckerln auszuschmücken, um es zu attrakti­vieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Abg. Kopf: Das gibt Karies!)  Ja, das gibt Ka­ries, das stimmt. Das sind zu viele Zuckerl, die sind ungesund.

Jetzt geht es um die Anrechnung von Ausbildungszeiten. Am Donnerstag will der Herr Sozialminister vorstellen, dass jetzt Ausbildungszeiten für die spätere Berufswahl an­gerechnet werden sollten. Meine Damen und Herren, das kann man auch im beste­henden System machen, dazu braucht man keinen bezahlten Freiwilligendienst, das können wir im Zivildienst genauso gut regeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Dr. Graf: Richtig! Zwischenruf des Abg. Kickl.) Unsere Innenministerin ist zuständig für den Zivildienst, und der ist dort in guten Händen.

Der zweite Punkt ist, dass die Vermittlung jetzt über eine Agentur erfolgen soll  na ganz toll. Das ist ja der Gipfel in dieser Diskussion. Jetzt werden also Leiharbeiter ein-


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geführt, damit man einen Zivildienstersatz bekommt. Und wissen Sie, was der Haupt­grund für diese Agentur ist?  Dass die Kollektivverträge umgangen werden können. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.) Also das, meine Damen und Herren, ist eines ehe­maligen ÖGB-Präsidenten Hundstorfer nicht würdig, die Kollektivverträge über eine Leiharbeitsagentur zu umgehen. Das wird nie unsere Zustimmung finden. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ein Wort auch noch zum sogenannten Geburtenrückgang. Meine Damen und Herren, hat in den letzten zehn Jahren der Geburtenrückgang nicht stattgefunden?  Ich glau­be schon. Das ist eine absolute Panikmache. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Zivildiener in Österreich verdoppelt, von 7 000 auf 14 000. Das heißt, der Geburtenrückgang ist einfach kein Argument. Das wird so auch in der Praxis nicht stattfinden. Warum soll das jetzt ein Problem werden?

Meine Damen und Herren, abschließend ist zu sagen: Der Zivildienst ist eine Erfolgs­geschichte, es gibt keine Alternative zu diesem bewährten System. Ein bezahlter Frei­willigendienst ist eine Gefahr für das Ehrenamt und wird nicht funktionieren. Der Zi­vildienst ist oftmals auch ausschlaggebend für die weitere Berufswahl. Viele junge Männer entscheiden sich nach dem Zivildienst für einen Beruf im Gesundheits-, Sozial- oder Pflegebereich. Der Zivildienst bedeutet auch, Erfahrung zu sammeln, Teamarbeit und eine große menschliche Entwicklung sowie Zusammenarbeit innerhalb der Gene­rationen, zwischen Jung und Alt.

Der Zivildienst, meine Damen und Herren, schlägt auch Brücken. Vor allem zwischen dem Zivildienst und der späteren freiwilligen, ehrenamtlichen Tätigkeit in den Organisa­tionen. Die Frage über die Beibehaltung der Wehrpflicht und des Zivildienstes ist vor allem auch eine gesellschaftspolitische Frage. Das ist keine parteipolitische Frage, das ist eine gesellschaftspolitische Frage. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir brauchen den Zivildienst auch in Zukunft, der Zivildienst ist ein Gewinn für alle  deshalb Ja zur Wehrpflicht und Ja zum Zivildienst. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.)

9.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer einleitenden Stellungnahme gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


9.17.22

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Geschätzte Damen und Herren auf der Zuschauergalerie! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fern­sehschirmen! (Ruf bei der FPÖ: Liebe SPÖ!) Ja, diese Erfolgsgeschichte hat im Jah­re 1975 begonnen, und wenn wir die letzten Jahrzehnte Revue passieren lassen, stel­len wir sehr schnell fest, dass es sich beim Zivildienst im wahrsten Sinne des Wortes um eine Erfolgsgeschichte handelt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich gebe zu, dass es anfänglich Probleme gegeben hat. Ja, ich gebe zu, dass es im Jahr 1975 Bedenken gegeben hat. Ja, ich gebe zu, dass gerade manch junge Men­schen als Drückeberger bezeichnet worden sind, weil sie sich für den Zivildienst ent­schieden haben. (Abg. Riepl:  ÖVP!) Ja, und ich gebe auch zu, dass es sich gerade hierbei um ein Experiment gehandelt hat, ein Experiment, wo keiner gewusst hat, wie es ausgeht.

Es war ein Experiment, wo man im Jahr 1975 junge Männer in Behindertenorganisa­tionen, ins Krankenhaus, in Pflegeheime geschickt hat, ohne zu wissen, ob diese jun­gen Männer akzeptiert und respektiert werden, ob sie dort auch wirklich Verantwortung übernehmen können und ob sie dort auch Hilfe und Unterstützung sind. Und wir wissen


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heute: Ja, sie haben sich bewährt. Sie sind heute einfach nicht mehr wegzudenken und: Dieser Zivildienst hat vor allem auch das Rollenbild des Mannes verändert. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich Männer in sozialen Berufen und Gesund­heitsberufen engagieren. Und diesen Erfolg haben wir dem Zivildienst zu verdanken. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Neugebauer: Ganz wichtiger Aspekt!)

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zuweisungszahlen sprechen eine ganz, ganz klare Sprache, und der Zivildienst erfreut sich größter Beliebtheit. Wovon spreche ich?  Ich spreche davon, dass im Jahr 1975 344 junge Männer den Zivil­dienst geleistet haben, dass im Jahr 2004 die Zahl bereits bei über 10 000 jungen Männern lag, und dass wir im Jahr 2011 bereits bei 13 500 jungen Männern gelandet sind, also 13 500 junge Männer den Zivildienst geleistet haben. Da können wir sagen, das war ein Zuweisungsrekord.

Es ist uns gelungen, vor allem im Jahr 2011, zu 97 Prozent den Bedarf zu decken, und das ist nur aufgrund des Zivildienstes gelungen.

Wenn wir in die Zukunft schauen: Wir wissen, dass dieser Trend, was die Zivildiener betrifft, auch weiterhin anhalten wird. Dass wir weiterhin Zivildiener brauchen, liegt ganz klar auf der Hand. Denken wir nur an die zunehmende Anzahl an Rettungs­fahrten, wo man immer mehr weg von der stationären Behandlung hin zur ambulanten Behandlung geht, wo also die Zahl der Rettungsfahrten auch in Zukunft zunehmen wird (Abg. Mag. Lapp:  mit dem Rettungswagen herumfahren?!); denken wir daran, dass die Zivildiener vor allem auch gebraucht werden in unseren Pflegeheimen, zur Unter­stützung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeheimen; oder denken wir nur daran, dass sie vor allem auch dringend notwendig sind, um Zeit zu schenken, vor allem in den Behindertenheimen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strache.)

Herr Abgeordneter Wöginger hat bereits angesprochen, dass gerade in den letzten Wochen einige versucht haben, Angst und Sorge zu schnüren (Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Neugebauer: Wer fühlt sich da betroffen?) – pardon: zu schüren! – bezüg­lich der rückläufigen Geburtenraten. Wir wissen aufgrund der Aussagen des Statis­tischen Zentralamtes sehr wohl, dass die Anzahl der unter 19-Jährigen ab dem Jahr 2021 wieder wachsen wird. Die Statistik Austria sagt auch ganz klar, dass es im Jahr 2030 sogar mehr unter 19-Jährige geben wird, als es heute gibt. Das heißt, die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache dahingehend, dass uns die Zivildiener nicht ausgehen werden.

Zum anderen möchte ich hier auch noch betonen, selbst wenn es einen Geburtenrück­gang gäbe, hätte wohl das bezahlte Freiwillige Soziale Jahr mehr damit zu kämpfen als der Zivildienst. Das heißt, da gäbe es noch eine viel größere Betroffenheit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es wäre vor allem auch noch viel, viel schwieriger, im Wettbewerb mit der Wirtschaft junge Menschen zu finden, die sich für das bezahlte Freiwillige Sozialjahr entschei­den – außer man setzt bei diesem Konzept im wahrsten Sinne des Wortes auf Arbeits­losigkeit, das heißt: Je höher die Arbeitslosigkeit, desto mehr melden sich für das bezahlte Soziale Jahr. Aber das kann wohl nicht unser Ansinnen sein, das kann wohl keine Strategie sein, die wir unterstützen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Beifall zum Modell des Herrn Ministers Hundstorfer, den ich ansonsten sehr schätze, ist äußerst begrenzt, ja das geht hin bis zur Ablehnung. Und das zu Recht! Warum? – Die Antwort liegt ganz klar auf der Hand: Weil dieses bezahlte Modell der Anfang vom Ende der Ehren­amtlichkeit ist (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ – Abg. Mag. Schickhofer: Gibt es einen Zivildiener, der ehrenamtlich tätig ist?), weil dieses


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Modell ein Angriff ist auf die Motivation Tausender engagierter Freiwilliger in Öster­reich, weil gerade mit diesem Modell eben keine Zuverlässigkeit, keine seriöse Plan­barkeit für unsere Einrichtungen und unsere Organisationen garantiert werden kann (Abg. Silhavy: Zivildiener ist kein Ehrenamt!), weil wir auf ein Modell, das auf Ar­beitslosigkeit aufbaut, nicht zählen wollen und weil wir nicht aufgrund eines Wahl­kampfgags der SPÖ in Wien ein gut bewährtes Modell aufs Spiel setzen wollen. (Abg. Scheibner: Na servus! Seid’s ihr noch mit denen in der Regierung?)

Es ist uns wichtig, das hier einmal ganz klar darzustellen. Dieses System Zivildienst hat sich in den letzten Jahren bestens entwickelt, und wir wollen zweifelsohne nicht darauf verzichten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! August Wöginger hat in seiner Rede schon einige Bedenken von Fachexpertinnen und Fachexperten dokumentiert (Abg. Silhavy: Aber leider keine fachlichen!), und gerade die Fachexpertinnen und -experten wissen, wovon sie reden, wissen, warum sie das Modell, das in dieser Woche von Minister Hundstorfer im Detail vorgestellt werden soll, ablehnen. (Abg. Mag. Schickhofer: Die wissen das schon, bevor sie es kennen!) Fakt ist – egal, wie man dieses Modell rech­net –: Dieses Modell wird auf alle Fälle teurer werden. Egal, aus welcher Perspektive man dieses Modell betrachtet, es wird zu umfangreichen Leistungskürzungen kommen. Warum wird es zu Leistungskürzungen kommen? – Weil davon ausgegangen wird, dass in Zukunft nur mehr 6 500 Personen im sozialen Bereich im Rahmen des be­zahlten Freiwilligen Sozialjahrs im Einsatz sind, während wir heute durchschnittlich 9 700 Zivildiener im Einsatz haben. Im letzten Jahr, im Jahr 2011, waren 13 500 Zivil­diener im Einsatz. Und allein diese Rechnung zeigt, es muss zu einer Leistungskür­zung im Ausmaß von einem Drittel der Leistungen kommen. Das ist mathematisch ganz klar und liegt auf der Hand, dass es da zu Leistungskürzungen kommt. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie brauchen nur nach Deutschland schau­en, Sie brauchen nur nach Bayern schauen: Dort gibt es bereits Leistungskürzungen. Dort wurde bereits der Behindertentransport eingespart, dort wurden bereits die Warte­zeiten auf einen Transport ins Krankenhaus mit dem Roten Kreuz um das Doppelte oder Dreifache verlängert. Das sind Fakten, die nicht von der Hand zu weisen sind, das sind Fakten, die ganz klar zu belegen sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeord­neten der FPÖ. – Abg. Heinzl: Wer ist denn das dort? Die Sozialdemokraten? – Das ist die CDU!)

Es werden vor allem viele helfende Hände fehlen, und es werden viele Organisationen, die heute Zivildiener im Einsatz haben, in Zukunft keine Zivildiener haben beziehungs­weise bezahlte Freiwillige, die sich für das Sozialjahr entscheiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir ist es immer wichtig, von ganz konkreten Zahlen, Daten und Fakten zu sprechen. Deswegen ist mir auch die Frage wichtig: Wie schaut es eigentlich mit dem gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen des Zivil­dienstes aus? Aus diesem Grund habe ich bereits im Frühjahr 2011 an die Wirtschafts­universität in Wien einen ganz klaren Auftrag gegeben, diesbezüglich eine Studie zu erstellen. Es war mir damals wichtig, ein unabhängiges Institut damit zu beauftragen. (Abg. Weninger: Auftragsarbeit! Um Steuergelder!) Die Ergebnisse liegen in einigen Wochen vor, und diese Ergebnisse werden in wenigen Wochen auch präsentiert wer­den, wie es mit dem gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen des Zivildienstes ausschaut, um auch ganz klar Zahlen und Fakten sprechen zu lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Der Zi­vildienst war eine Erfolgsgeschichte und ist eine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn ich mir etwas wünschen darf für uns alle, für alle Österreicherinnen


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und Österreicher, dann ist es, dass wir auch weiterhin auf den Zivildienst aufbauen können und aufbauen dürfen, dass der Zivildienst vor allem auch weiterhin diese be­deutende Rolle im gesellschaftlichen und im sozialen System innehat. Wir wissen, der Zivildienst funktioniert bestens, wird von den Einsatzorganisationen sehr gelobt, wird von den Personen sehr gelobt, die von den Zivildienern betreut werden, dem Zivildienst wird das beste Zeugnis national, aber auch international ausgestellt.

Wir wissen aber natürlich, dass man den Zivildienst auch weiterentwickeln kann, und wir haben diesbezüglich selbstverständlich bereits viele Überlegungen angestellt. Die Ideen liegen hier auf dem Tisch, Ideen, die man rasch umsetzen kann, Ideen, die vor allem den Zivildienst noch attraktiver machen. Ich denke, dass es uns gelingen muss, die Zivildiener in Zukunft noch mehr nach ihren Fähigkeiten, nach ihren Talenten und nach ihrer Qualifikation einzusetzen und sie vor allem jenen Einrichtungen zuzuweisen, wo sie ihre Talente auch wirklich voll und ganz ausleben können.

Ja, es ist auch angedacht, dass man die Kenntnisse, die sich Zivildiener während ihrer Zivildienstzeit aneignen, natürlich bei gewissen Berufsausbildungen, bei gewissen Praktika anrechnen kann, und dass man einen Vorteil haben soll bei gewissen Prü­fungen, bei gewissen Aufnahmetests. Und wir wollen auch Überlegungen anstellen, dass auch Frauen, aber auch Männer, die bereits die Wehrpflicht geleistet haben, den Zivildienst antreten und dort ihre Erfahrungen machen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinzl: Hört, hört!)

Natürlich ist es auch im Zivildienst-Bereich wichtig und notwendig, die Verwaltungstä­tigkeiten weiter hintanzustellen und Vereinfachungen vorzunehmen. Es ist auch ange­dacht, die Arbeitszeiten der Zivildiener flexibler und nach den individuellen Möglichkei­ten und persönlichen Wünschen zu gestalten.

Ja, es gibt viele Vorschläge, und ich bin dankbar für jeden einzelnen Vorschlag. Jeden einzelnen Vorschlag werden wir prüfen, und jeden einzelnen Vorschlag werden wir nach dem 20. Jänner 2013 umfassend diskutieren, denn am 20. Jänner 2013 geht es um eine Grundsatzentscheidung, ob es den Zivildienst auch weiterhin geben wird.

Ich stehe nicht an, hier auch ganz klar zu sagen, dass ich nicht nur als Ministerin, son­dern vor allem auch als Staatsbürgerin und Mutter von zwei Kindern ganz klar für die Beibehaltung der Wehrpflicht und die Beibehaltung des Zivildienstes stehe (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ – Abg. Weninger: Als ÖVP-Funktionärin!), weil es hier nicht nur um eine sicherheitspolitische Frage, sondern letztendlich vor al­lem auch um eine gesellschaftspolitische Frage geht.

Am 20. Jänner 2013 geht es um die Frage: In welche Richtung wollen wir gehen? Wol­len wir unsere Kinder weiter in die Richtung erziehen, dass sie sich auch weiterhin en­gagieren, ohne zu fragen: Was bekomme ich bezahlt?, oder wollen wir eine Richtung einschlagen, die heißt: Was kann und muss der Staat für mich tun, was bekomme ich dafür bezahlt? – Ich sage Ihnen, das ist nicht unser Weg, dass jeder in Zukunft, wenn er Hand anlegt, letztendlich auch die Hand aufhält. Das ist nicht der Weg, den wir ver­treten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte alle Österreicher und Österreiche­rinnen: Gehen Sie am 20. Jänner zur Volksbefragung und sagen Sie ein klares Ja zur Beibehaltung der Wehrpflicht, zur Beibehaltung des Zivildienstes! Es geht um viel. (Bei­fall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

9.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde laut § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.


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Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pendl. (Abg. Scheibner  in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Pendl –: Das könnt’s euch nicht gefallen lassen!)

 


9.31.53

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, diejenigen, die länger in der Politik sind, haben vieles erlebt. Es würde den Zeitrahmen sprengen, hier alles zu zitieren, was diesbezüglich schon gesagt wurde. Ihr könnt ja alles selber nachlesen, und wissen werdet ihr es ja auch noch, welche Granden der zwei Parteien für ein Profi­heer waren, wie man jahre-, ja jahrzehntelang die Zivildiener verächtlich gemacht hat. Tun wir nicht so, als ob es das alles nicht gegeben hätte!

Aber lassen Sie mich eingangs sagen: Jawohl, es ist Zeit, und jeder Staat macht es, immer der Zeit entsprechend über die Organisation eines Heeres nachzudenken und darüber zu diskutieren. Es sollte eine saubere Lösung sein, und man kann durchaus ei­nen unterschiedlichen Zugang dazu haben, aber diese Diskussion darf nicht zu Sekun­därfragen hin verlagert werden. Das sind nämlich keine Primäraufgaben des Militärs, und bei allem Verständnis für den Sozialbereich, bei allem Verständnis für den Kata­strophenschutz: Wir führen eine Diskussion über unser Militär ausschließlich über
den Zivildienst oder über den Katastrophenschutz! (Beifall bei der SPÖ sowie des
Abg. Scheibner.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, dient nicht der Sache. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass man vieles im Staat neu organisiert; keine Frage. Da muss man aber auch hinterfragen: In welcher Zeit befinden wir uns? Welche Herausforderungen, wel­che Bedrohungsszenarien gibt es? Wie können wir dem entgegentreten, und was kön­nen wir hier organisatorisch und gesetzlich ändern? Das ist eine saubere Diskussion.

Das Problem im Sozialbereich, August Wöginger, und da bin ich bei dir, hat aber einen anderen Hintergrund: Weil wir dort seit Jahren überall eine Unterdeckung haben. So einfach ist es. Und es ist nicht eine Frage, ob du lange wartest auf die Rettung im Krankenhaus oder nicht – das ist ein Systemproblem, und darüber müssten wir in Wirk­lichkeit diskutieren. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das christlich-sozial ist – ich sage das jetzt ganz bewusst so –, dass man gegen ein ordentliches Be­schäftigungsverhältnis hier vom Leder zieht oder gegen ein Einkommen ist, dann ver­stehe ich die Welt nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Erklären Sie mir einmal, warum auf allen Dienststellen aller Rettungsorganisationen schon viele Jahre der Hauptberufliche neben dem Ehrenamtlichen Dienst macht, ohne dass es ein Problem gibt! Erklären Sie es mir! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scheibner.) Das ist gelebte Realität in allen Bundesländern. Und sie leisten hervorra­gende Arbeit. Ihnen allen, von den Militärs bis zu diesem Bereich der Zivildiener, ge­bührt unser gemeinsamer Dank und Respekt, keine Frage. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Moser und Scheibner.)

Aber das wird verkehrt diskutiert, ich sage das in aller Klarheit. Bei allen, die ehren­amtlich tätig sind, auch in NGOs, kennen wir die Problemstellung. Und es ist überhaupt keine Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir mit den jetzigen Syste­men alle unsere Probleme haben. Die Technik entwickelt sich weiter, der Stress nimmt zu. Wenn wir uns ansehen, wie diese Bereiche, wo heute Zivildiener im Einsatz sind, unter einem Mega-Stress, im wahrsten Sinne des Wortes, stehen, müssen wir uns überlegen, ob das wirklich notwendig ist. Eingeführt und bis heute so rechtlich determi­niert ist es ein Wehrersatz, ein „Zwangsverpflichten“ – unter Anführungszeichen – qua­si. Es ist ein Zwangsdienst, ob uns das nun freut oder nicht, und ich frage mich, ob das im 21. Jahrhundert notwendig und zeitgemäß ist. (Abg. Kickl: Wie ist das in der Schu-


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le? Ist das dann Schulzwang, oder was ist das dann?)  Wenn wir jetzt auch noch die Bildung damit vergleichen, Herr Kollege, dann bekommt das einen eigenen Touch. Dort will ich mich jetzt gar nicht hinbegeben.

Das Militär ist absolut wertvoll für diese Republik, es ist der Sozialbereich absolut wert­voll für diese Republik, und ich glaube, dass wir gemeinsam in sachlicher Weise diese Fragen abarbeiten müssen, ohne dass wir hier einer gegen den anderen sind oder ei­nen Bereich gegen den anderen ausspielen. Ich glaube, diese Systeme gehören adap­tiert, der heutigen Zeit angepasst, und wir erweisen den Beschäftigten, egal in wel­chem Bereich, keinen guten Dienst, wenn wir die Diskussion so wie derzeit führen. Ich glaube, die Menschen in unserem Land haben ein Recht darauf, dass wir eine ordent­liche Organisationsreform zustande bringen, wo der Mensch im Mittelpunkt steht.

Aber vergessen wir auch nicht, dass wir auch eine Verantwortung für jene jungen Men­schen haben, die von der Politik erwarten, dass sie faire, gerechte, sozial ausgegli­chene Regelungen vorfinden! Und da sind wir aufseiten der Fairness, der Gerechtig­keit, und wir versuchen, diese Fragen sachlich abzuarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

9.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Durch­schlag zu Wort. – Bitte.

 


9.37.20

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ich möchte aufgrund persönlicher Erfahrungen aus meinem beruflichen Kontext heraus zum Thema Stellung nehmen. Ich habe vor gut 20 Jahren mit einem Verein gemein­sam einen heilpädagogischen Kindergarten in Steyr gegründet, und eine Gruppe die­ses zweigruppigen Kindergartens war bestückt mit Kindern mit zum Teil sehr schweren Behinderungen.

Zehn Jahre darauf habe ich mit einer Kollegin ein Tagespflegezentrum gegründet, also eine Tagesbetreuung für pflegebedürftige ältere Menschen.

Gemeinsam war diesen beiden sehr unterschiedlichen Einrichtungen, dass sie von An­fang an meistens zwei Zivildiener ins Team eingebunden haben, und das war eine klassische Win-win-Situation für beide Seiten: Auf der einen Seite für die jungen Män­ner, die mit einem Lebensbereich in Berührung gekommen sind, der ihnen sonst mit Si­cherheit fremd geblieben wäre. Sie haben gelernt, mit sehr schwierigen Situationen umzugehen, auch mit schwierigen Menschen. Sie haben beispielsweise gelernt, schwerstbehinderte Kinder zu wickeln und zu füttern. Sie haben die Lebenserfahrun­gen, aber zum Teil natürlich auch die Eigenwilligkeiten alter Menschen kennengelernt.

Andererseits haben die Kinder selber unheimliche Freude gehabt mit den jungen Män­nern, denn sie kommen aus einem sehr frauenbetonten Leben mit Müttern, Frühförde­rinnen, Kindergartenpädagoginnen, Therapeutinnen, und sie haben die jungen Männer als große Bereicherung erlebt, weil diese einfach anders mit ihnen gespielt haben.

Das Gleiche gilt auch für die alten Menschen, die diesen intergenerativen Aspekt sehr geliebt haben.

Ein weiterer Aspekt, den ich dabei positiv beobachten konnte, war der Integrations­aspekt. Es gab sowohl auf der Seite der Zivildiener als auch auf der Seite der Be­treuten Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, und das Miteinander- und das Voneinander-Lernen hat bestens funktioniert.

Viele der Zivildiener – das hat August Wöginger schon gesagt – haben ja nach dem Zi­vildienst ihre beruflichen Pläne geändert. Sie sind zum Teil dann in Sozialberufe ge­gangen, und in vielen persönlichen Gesprächen haben sie mir auch gesagt, das hätten


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sie nicht getan, hätten sie nicht den Bereich der Sozialarbeit überhaupt erst kennen­gelernt. Da wir in Sozialberufen immer noch einen sehr großen Frauenüberhang ha­ben, sollte für uns dieser Aspekt durchaus sehr wichtig sein.

Da der Aspekt Ehrenamtlichkeit angesprochen wurde: Viele dieser Zivildiener sind den Institutionen nachher treu geblieben und haben dort weiterhin ehrenamtlich mitge­arbeitet.

Wenn jetzt Minister Hundstorfer das Modell eines bezahlten Freiwilligen Sozialen Jah­res mit einem Gehalt von immerhin 1 386 € vorstellt, habe ich da ein bisschen Bauch­weh, wenn ich gleichzeitig überlege, was KindergartenpädagogInnen oder Fachsozial­arbeiterInnen/-betreuerInnen im Bereich der Altenarbeit beispielsweise verdienen. Da muss ich ganz ehrlich sagen, dieser sehr geringe Gap gefällt mir da nicht besonders – ganz abgesehen natürlich von der Frage, ob sich genügend Freiwillige finden werden, die im Behindertenbereich oder auch im Altenbereich arbeiten werden, denn das sind, wenn wir ganz ehrlich sind, Bereiche, die nicht ein so hohes soziales Prestige haben wie beispielsweise der Rettungsdienst.

Ein Thema ist mir auch noch ganz wichtig, nämlich der Gedenkdienst. Der Gedenk­dienst darf nicht Opfer der Abschaffung der Wehrpflicht werden. Wir geben mit diesem Gedenkdienst – und das sind aktuell 48 junge Männer, die da entsandt sind – diesen jungen Männern, das sind engagierte, geschichtsbewusste Menschen, die Möglichkeit, sich im Sinne der Geschichtsaufarbeitung zu betätigen. (Abg. Dr. Glawischnig-Pies­czek: Jedes Jahr müssen die betteln gehen!) Wir können es uns als Republik Öster­reich nicht leisten, genau das durch den Rost fallen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wehrpflicht ist reformbedürftig, ich glau­be, da sind wir uns im Prinzip alle einig. Aber Reformbedürftigkeit heißt noch lange nicht, dass man deswegen ein gut bewährtes und gutes System kappen und somit das Kind mit dem Bade ausschütten muss. Ehrenamtlichkeit – und auch das ist schon öfter angesprochen worden – ist ein ganz wesentlicher Kitt unserer Gesellschaft, und Zi­vildiener leisten nach Ableistung des Zivildienstes, indem sie den Institutionen dann verbunden bleiben und dort weiterhin ehrenamtliche Arbeit leisten, einen ganz großen Beitrag dazu, sie sind eine ganz wesentliche Stütze. Das dürfen wir einfach nicht mut­willig zerstören. (Beifall bei der ÖVP.)

9.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Klubobmann Strache gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


9.41.46

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Wöginger heute angesprochen hat, dass man doch überlegen sollte, für den Freiwilli­gendienst Pensionszeiten anzurechnen, dann darf ich an die zahlreichen freiheitlichen Anträge erinnern, wo wir Freiheitlichen das hier im Hohen Haus gefordert haben (Bei­fall bei der FPÖ), wo wir sicherstellen wollten, dass all jene, die heute einen Freiwilli­gendienst in unserer Gesellschaft leisten, ob bei der Freiwilligen Feuerwehr oder wo auch immer, das ihren Pensionszeiten angerechnet bekommen und auch bei der Auf­nahme im öffentlichen Dienst eine bevorzugte Position einnehmen. Aber leider Gottes haben ÖVP und SPÖ diese Anträge allesamt abgelehnt. Das nur zur Erinnerung.

Warum haben wir heute überhaupt die Debatte zum Thema Zivildienst im Rahmen die­ser Aktuellen Stunde? Natürlich ist dieser untrennbar mit der Frage der Wehrpflicht ver­bunden, weil er nur dann aufrechterhalten werden wird. – Das war natürlich der Wahl­kampfgag von Bürgermeister Michael Häupl, der ihm 2010 gar nichts genutzt hat. Er hat nämlich bei den jungen Menschen eine klare Absage erhalten, nicht nur aufgrund


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dieses einen Gags, sondern aufgrund seines nachhaltigen politischen Versagens in vielen Bereichen (Beifall bei der FPÖ), und hat die SPÖ da sichtlich hineintheatert.

Man kann, wenn man diese aktuelle Debatte zum Thema Zivildienst und auch zum Thema Wehrpflicht heute führt, insgesamt zusammenfassen, dass in dieser Frage Herr Bundeskanzler Werner Faymann, aber auch Herr Minister Darabos im wahrsten Sinne des Wortes unsere Landesverteidigung gefährden, den Katastrophenschutz und die soziale Sicherheit ernsthaft gefährden, weil auf der einen Seite das Modell des SPÖ-Berufsheeres viel zu teuer ist und auf der anderen Seite die Hilfe bei Naturkata­strophen, aber auch bei Rettungseinsätzen, bei Blaulichtorganisationen, beim Behin­dertendienst nicht mehr aufrechtzuerhalten sein wird.

Das bedeutet, dass bei Ihrem Modell ein Ausfall von Zivildienern der Fall wäre, und das bedroht natürlich die Rettungs- und Hilfsorganisationen. Da muss man schon auch in Erinnerung rufen, es sind neben den 13 500 Zivildienern auch Grundwehrdiener im Einsatz für das Rote Kreuz, im Einsatz für Sanitätsdienste, im Einsatz auch für Spitals­dienste.

Ich selbst habe bei meinem Grundwehrdienst damals als Sanitäter die Ausbildung ge­habt für die Chirurgische Abteilung oder als Stationsgehilfe zusätzlich, war vier Wo­chen in der Rudolfstiftung in der Chirurgischen Abteilung und bin nach Wochen dann auch für das Rote Kreuz gefahren als Grundwehrdiener mit Zivildienern gemeinsam, wo wir Leben gerettet haben. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das sind unverzichtbare und anzuerkennende Leistungen, die wir in einem gut funk­tionierenden System aufrechterhalten wollen, während Sie letztlich mehr Geld, mehr Steuergeld für weniger Leistung auf der einen Seite auf allen Ebenen umsetzen wollen. Das ist eigentlich unvorstellbar. Aber das ist genau Ihr Prinzip bei einem gut bewährten System, das sowohl beim Grundwehrdienst als auch beim Zivildienst selbstverständlich Reformen benötigt, Verbesserungen benötigt, aber wo die Grundstruktur eine richtige ist und ein bewährtes System darstellt.

Die gegenwärtig 13 500 Zivildiener pro Jahr sind natürlich ein fester Bestandteil der Blaulichtorganisationen und der Sozialdienste. Wenn deren Wegfall kompensiert wer­den müsste, dann würde das bei allen Berechnungen mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr mehr kosten.

Wir haben ja die Beispiele im Bereich der Bundesrepublik Deutschland, die Sie zwar immer bemühen, aber nicht wirklich korrekt aufzeigen. Sie wurden ja heute dargelegt. Dort gibt es in der Zwischenzeit dieses Modell der Freiwilligkeit – und 40 000 freiwillig Gemeldete. Umgerechnet würde das 4 000 in Österreich bedeuten. Seien wir optimis­tisch, sollen es 5 000 sein. Aber es fehlen uns immer noch 9 000 bis 10 000 Menschen in diesem wichtigen Bereich. Das heißt, Ihre Rechnung stimmt von vorne bis hinten nicht und auch die Vergleichsbeispiele stimmen nicht. Es gibt daher keine Alternative.

Ich sage, nur wenn wir ein Ja zur Wehrpflicht sicherstellen, dann bedeutet das auch die Sicherstellung und ein Ja für den Zivildienst (Beifall bei der FPÖ), weil die Men­schenrechtskonvention im Artikel 4 genau das vorsieht und es nur bei Beibehaltung der Wehrpflicht auch die weitere Sicherstellung des Zivildienstes geben wird. Wer wird im Bereich der Behindertentransporte sonst diese Leistung sicherstellen? Wer wird bei den Rettungseinsätzen, bei den Krankentransporten, bei Essen auf Rädern, bei all die­sen notwendigen Bereichen dann, wenn diese Tausenden Menschen fehlen, das si­cherstellen?

Ich sage, das ist eine massive Gefährdung unseres Sozial- und Gesundheitssystems, wenn Sie das vorantreiben.

Natürlich ist der Zustand des Bundesheeres, den man kurz erwähnen muss, besorgnis­erregend. Aber, bitte, man darf nicht vergessen, wie viele ÖVP-Minister da letztlich ein


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Flickwerk fortgesetzt haben und nicht bereit waren, entsprechende Reformen zu set­zen.

Und natürlich, wenn man von den Perspektiven des Zivildienstes heute redet – zum Schluss kommend –, dann ist es ganz einfach: Er hat keine Perspektive, wenn am 20. Jänner nicht Ja zur Wehrpflicht gesagt wird! Ja zur Wehrpflicht bedeutet Ja zum Zi­vildienst (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), aber auch Aufrecht­erhaltung unserer Sicherheit und unserer Neutralität, weil wir keine Söldnerarmee, kein Berufsheer aus der historischen Erfahrung heraus mehr haben wollen. Das sollte gera­de die SPÖ besser wissen. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Klubobfrau Dr. Gla­wischnig-Piesczek. – Bitte.

 


9.47.22

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Aktuellen Stunde wurde von der ÖVP heute damit begründet, dass es um eine Diskussion über die Volksbefragung am 20. Jänner gehen soll.

Jetzt habe ich sehr interessiert zugehört, aber mir fehlt ein sehr wesentliches Argu­ment. Es geht bei dieser Volksbefragung um die Abschaffung der allgemeinen Wehr­pflicht. Ich habe von der ÖVP kein einziges Argument für die Beibehaltung der allge­meinen Wehrpflicht gehört, dafür, warum man weiterhin jungen Männern mit 18 Jahren sechs Monate Lebenszeit stehlen soll – dies anhand einer Entwicklung in Europa, wo seit dem Jahr 2000 17 EU-Länder die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft haben.

So einen Eingriff in die Freiheit von jungen Menschen muss man gut argumentieren. Und ausschließlich das Argument eines gut funktionierenden Zivildienstes herzuneh­men ist schon ein bisschen billig. (Beifall bei den Grünen.) Sie sollten sich einmal auch trauen, für diesen immensen Eingriff in das Leben von jungen Männern auch einmal ein militärisches Argument zu finden, anstatt den Zivildienst als einziges Argument da­für zu missbrauchen. Sie haben nämlich keines mehr! (Abg. Höfinger: Da gibt es viele!)

Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist mittlerweile in Europa schnell vor sich gegangen, da haben wir in den letzten zehn Jahren zuschauen können. Neben Ös­terreich gibt es nur mehr Länder, die am Rand der EU-Außengrenzen liegen, etwa Griechenland, Estland, Finnland, die dieses Modell noch weiterhin aufrechterhalten. Und ich möchte Sie wirklich fragen, ob Sie ernsthaft ausschließlich den Zivildienst her­nehmen, um weiterhin die allgemeine Wehrpflicht in der derzeitigen Form, die nicht mehr notwendig ist, zu argumentieren, nämlich vor dem Hintergrund, dass die Urauf­gabe des österreichischen Bundesheeres, nämlich die militärische Landesverteidigung, keine Berechtigung mehr hat.

Ich darf Ihnen vorlesen, was die Reformkommission des Bundesheeres schon vor vie­len, vielen Jahren festgestellt hat:

„Für die voraussehbare Zukunft besteht keine konventionelle militärische Bedrohung unseres Staatsgebietes.“ – Das war im Übrigen einstimmig. Das haben alle Parteien in dieser Form unterschrieben.

Und jetzt argumentieren Sie weiter für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht! – Wir argumentieren dagegen. Wir sind definitiv für die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, und zwar aus sehr guten Gründen. (Beifall bei den Grünen.) Und das sage ich nicht nur als zweifache Buben-Mutter.

Ein Satz des Kollegen Wöginger am Anfang war auch falsch. Er hat gemeint, es geht bei dieser Volksbefragung auch um die Einführung eines Berufsheeres. Da muss man


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schon sehr präzise sein. Es geht nicht um die Einführung eines Berufsheers, sondern Österreich hat bereits ein Berufsheer! 21 000 Planstellen im Heer sind bereits jetzt für Berufssoldaten. (Beifall bei Grünen, SPÖ und BZÖ.)

Es geht nur um eine einzige Frage, nämlich ob wir weiterhin 22 000 Präsenzdienern jedes Jahr sechs Monate ihrer Zeit stehlen. Das ist die einzige Frage, die es zu beant­worten gilt.

Und jetzt zum Zivildienst und zu den teilweise kruden Attacken, mit denen Sie versu­chen, die Wehrpflicht weiterhin zu verteidigen. Sie sagen, ein freiwilliges soziales, öko­logisches Jahr, ein freiwilliges ehrenamtliches Jahr ist ein Anschlag auf die Ehrenamt­lichkeit. Also wenn ich mir das so vorstelle: Ich bringe jeden Tag meinen größeren Sohn in die Schule. Dort steht ein Schülerlotse. Der macht das ehrenamtlich. Und nur weil daneben eine Polizistin steht, die das bezahlterweise macht, hört der Schülerlotse nicht auf, weiterhin die Kinder über die Straße zu bringen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), weil es ihm einfach Freude macht, weil es ihm einfach wichtig ist. Das ist ein absurdes Argument.

Zweitens: Wir haben 45 Prozent der österreichischen Bevölkerung in ehrenamtlichen Tätigkeiten, Männer und Frauen, Junge und Alte, bei Vereinen, in der Kirche, bei der Caritas, bei der Feuerwehr, überall. 45 Prozent! Und eines kann ich Ihnen wirklich vor­rechnen: Die waren nicht alle beim Zivildienst, mit Sicherheit nicht, das geht sich wirk­lich nicht aus. Das ist einfach ein Teil unserer Gesellschaft. Das gehört besser unter­stützt. Gerade in Katastrophenfällen haben wir immer wieder auch hier für eine bes­sere Absicherung argumentiert, insbesondere für den Katastrophenschutz, was Urlaub und so weiter betrifft. Das haben Sie immer abgelehnt.

Also kommen Sie nicht mit dermaßen kruden Argumenten, das wäre ein Anschlag auf das Ehrenamt! Selbst jetzt sitzen in Rettungsfahrzeugen nebeneinander Hauptamtliche und Ehrenamtliche. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Würde Ihr Argument zutreffen, gäbe es das alles gar nicht mehr.

Zu Deutschland. Immer wieder wird darauf verwiesen, in Deutschland bricht das ge­samte System zusammen und in Bayern muss man drei Stunden auf die Rettung war­ten. – Also das ist übelste Gruselpropaganda!

Wenn Sie es mir nicht glauben, vielleicht glauben Sie es Ihrer Parteikollegin Angela Merkel. Angela Merkel lobt das Modell als absolutes Erfolgsmodell. Kanzlerin Merkel hält den Bundesfreiwilligendienst für ein wahres Erfolgsmodell. „,Wir sind ein Stück weit reicher geworden, menschlicher in unserer Gesellschaft‘, sagte die Regierungs­chefin“ anlässlich des zweiten Jahres in Berlin.

Auch die Zahlen sprechen eine ganz deutliche Sprache. Das Deutsche Rote Kreuz sagt, wir könnten das Doppelte an Stellen besetzen, weil die Nachfrage so groß ist.

Also jetzt frage ich mich, welches Argument bei Ihnen noch übrigbleibt, um hier nicht einen Schritt in eine modernere, neue Zukunft zu gehen, die in ganz Europa mittler­weile Standard ist, nur nicht bei der ÖVP und bei der FPÖ. (Beifall bei den Grünen.)

9.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


9.52.49

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Zu den Mitgliedern des ÖVP-Klubs möchte ich eingangs etwas feststellen. Im Gegensatz zu den Dienstbefreiten und Untauglichen in Ihrer Reihe, die Sie heute eine Expertise über ein Bundesheer hier abgeben, habe ich meinen Präsenzdienst im Aufklärungsbataillon 1 der Hackher-Kaserne Gratkorn abge­leistet und weiß daher im Gegensatz zu vielen von Ihnen seitens der ÖVP – ein Bun-


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deskanzler, der dienstunfähig war, ein Verteidigungsminister, der untauglich war –, wo­von hier gesprochen wird, wenn man seinem Dienst auch nachkommt, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Denn was sich in dieser Debatte heute vollzieht, ist ja durchaus die Perversion des Zitates von Andreas Khol: „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit.“ Wobei ich den ein­zelnen Parteien durchaus auch die Wahrhaftigkeit absprechen will. Die SPÖ, die bis dato immer die Befürworterin der Wehrpflicht und des Zivildienstes war und jetzt erbit­terte Gegnerin dieser beiden Institutionen wird, ÖVP und Freiheitliche Partei Öster­reichs, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer Gegner des Zivildienstes wa­ren und einen NATO-Beitritt gefordert haben, und, und, und, und jetzt zu den erbitter­ten Befürwortern des Zivildienstes hier mutieren, die Metamorphose, die wir hier erle­ben. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Da wart ihr einig! Das waren schon die Orangen!) Und die Grünen, die immer gegen das österreichische Bundesheer waren, während jetzt ihre Klubobfrau Glawischnig für ein Berufsheer in diesem Land eintritt.

Nur, sehr geehrte Damen und Herren, bei dem Zustand, bei diesem wankelmütigen Zustand dieser Parteien in Österreich ist ja die Fragestellung am 20. Jänner ein Ar­mutszeugnis für die Demokratie und die Entscheidungsfreiheit der Österreicherinnen und Österreicher. Sie sind sich selbst nicht einig, verparteipolitisieren eine Sicherheits­frage für Österreich und wollen in diesem Zustand am 20. Jänner 2013 die Österrei­cherinnen und Österreicher befragen, die ja dieses Ihr parteipolitisches Spiel auf dem Rücken des Zivildienstes, der Zivildiener, aber auch der Angehörigen des Bundeshee­res längst durchschaut haben.

Ja was glauben Sie denn, sehr geehrte Damen und Herren, was es denn für einen Mehrwert, einen sicherheitspolitischen Mehrwert nach sechs Monaten Grundwehr­dienst in Österreich gibt, was das zu unserer Sicherheitspolitik beiträgt? – Null! Was glauben Sie denn, welchen persönlichen Mehrwert das für jene Zivildiener bringt, die neun Monate den Zivildienst ausüben? Bekommen sie schneller einen Studienplatz an der Medizinischen Fakultät? – Nein! Haben sie steuerliche Begünstigungen? – Nein! Kommen sie schneller im Bundesdienst unter? – Nein!

Aber diese Vorschläge bringen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, von den Parteien hier heute nicht. (Abg. Strache: Unsere Anträge!) Sie diskutieren nicht über eine mili­tärische Ausrichtung, eine sicherheitspolitische Ausrichtung Österreichs. Sie disku­tieren nicht über die Stärkung des Ehrenamts und jener Menschen, die sich in den Dienst der Sache stellen. Nein, Sie tauschen Ihre parteipolitischen Argumente auf dem Rücken jener Menschen aus, die in Österreich Sicherheitspolitik machen und die in Ös­terreich für das Ehrenamt leben, und das lasse ich nicht zu. (Beifall beim BZÖ.)

Wir lassen es nicht zu, dass junge Menschen zu nützlichen Idioten der Parteipolitik in diesem Land verkommen. Das ist ja das, was Sie am 20. Jänner wollen: junge Men­schen, die Monate aus ihrem Berufsleben, aus ihrem Ausbildungsleben herausgeholt werden, wobei man sich dann wundert, dass die Jugendarbeitslosigkeit steigt. Für den Zivildienst in diesem Land zahlen wir im Jahr 142 Millionen € und für die Wehrpflicht 800 Millionen €, knapp 1 Milliarde € Jahr für Jahr dafür, dass wir Menschen aus ihrer Ausbildung, junge Menschen aus ihrem Einstieg in das Berufsleben herausholen.

Da sagen wir, sehr geehrte Damen und Herren, 1 Milliarde €, genug gezahlt für diesen Zwangsdienst sowohl beim Bundesheer als auch beim Zivildienst.

Mit einer Mär möchte ich heute auch aufräumen. Die ÖVP tut hier in dieser Debatte so, als gäbe es Abgeordnete, die das Bundesheer abschaffen wollen. – Nein! Das BZÖ steht zum österreichischen Bundesheer. Und all jene, die sich um die Weiterentwick­lung des österreichischen Bundesheeres Sorgen machen und ihr Hirnschmalz dafür einsetzen, die stehen zum österreichischen Bundesheer. Und die Einführung oder der


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Ausbau eines Berufsheeres in Österreich ist nicht die Abschaffung des österreichi­schen Bundesheeres, sondern ist die Aufwertung und die Verbesserung des österrei­chischen Bundesheeres (Beifall beim BZÖ), sicherheitspolitisch, aber auch aus Sicht des Katastrophenschutzes, wenn wir in Österreich Professionalisten haben, die sich um die Sicherheit, um den Katastrophenschutz in unserem Land kümmern.

Wir wollen daher ein starkes Bundesheer und wir wollen auch eine starke Bürgerhilfe, wie es das BZÖ vorgeschlagen hat, wo es Boni gibt, wo es bessere Zugangsbedingun­gen zum Medizinstudium zum Beispiel gibt – es ist ja ein Irrsinn, dass Zivildiener ein, zwei Jahre warten müssen, bis sie einen Studienplatz an der MedUni bekommen –, wo es steuerliche Begünstigungen gibt, wo es für jene Menschen, Frauen und Männer gleich, die Bürgerhilfe leisten, selbstverständlich auch Einstiegsmöglichkeiten in den Bundesdienst gibt. Das ist Leistungsbereitschaft und das ist das Gegenteil von dem Zwangsdienst, den Sie den Österreicherinnen und Österreichern, den jungen Men­schen verantwortungslos die nächsten Jahre aufbürden wollen. (Beifall beim BZÖ.)

9.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


9.58.21

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Reden wir einmal Klartext! Wir reden hier nicht über den Zivildienst, sondern wir halten eine Debatte ab zur Volksbe­fragung, im Prinzip zur Wehrpflicht. Nichts anderes ist hier auf der Tagesordnung. Die­se Volksbefragung ist aus Sicht des Teams Stronach eine klare Alibi-Aktion. Bei dieser Volksbefragung können die Bürger unserer Ansicht nach zwischen Pest und Cholera entscheiden. Sie haben es in der Fragestellung geschafft, das nach dieser Volksbefra­gung offenzulassen.

Ich bin auch schon gespannt, wie viele Bürger daran teilnehmen werden, ob es 10 Prozent, 20 Prozent oder 30 Prozent sein werden. Ich glaube, wenn man dann da­von ausgeht, dass, wie Sie hier sagen, diese Volksbefragung bindend sein soll, dann hätten Sie hier Ihre Hausaufgaben im Vorfeld machen sollen.

Es wird immer wieder von den Kosten gesprochen. Meine Damen und Herren! Si­cherheit kostet Geld. Und diese Sicherheit beim Bundesheer hat derzeit nicht viel Geld gekostet, denn Sie lassen das Bundesheer verlumpen. Also hier muss eine Möglichkeit geschaffen werden, dass das Bundesheer wieder vernünftig handeln und arbeiten kann und eine ordentliche Ausrüstung und Bezahlung hat.

Meine Damen und Herren, nun stellt sich mir schon die Frage: Was kommt – je nachdem, wie sie ausgeht – dann wirklich nach dieser Volksbefragung? Haben Sie schon einen Plan B, sollte der Wehrdienst abgeschafft werden, und wird dieser dann auch funktionieren? Wie soll das Bundesheer danach aussehen? Wollen Sie nur eine Katastropheneinsatztruppe wie das Technische Hilfswerk in Deutschland? Oder was wollen Sie genau? Sollten Sie keine Katastrophenschutztruppe wollen, dann denke ich, dass Sie einmal beim Zivilschutz ein bisschen anfangen sollten! (Zwischenruf des Abg. Grosz.) Die Kompetenz des Zivilschutzes ist nämlich derzeit beim Innenministe­rium, und das Bundesheer leistet ja nur den Assistenzeinsatz im Katastrophenfall. Auch das müssten Sie also regeln.

Sprechen Sie einmal Klartext, was Sie wirklich wollen! Was wollen die Österreicher? Und was wollen die Parteien? Worum geht es hier wirklich? Welche sind die künftigen Aufgaben des Bundesheeres: Ist es eine EU-Schutztruppe? Oder handelt es sich um eine reine Katastrophenschutztätigkeit?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 30

Wir haben in Österreich bereits – es ist hier angesprochen worden – 13 000 Berufssol­daten plus noch zusätzlich Verwaltungsbedienstete. – Ich glaube, wir sollten uns auch darüber Gedanken machen, wie der Zivildienstersatz ausschaut, sollte diese Volksbe­fragung für ein Berufsheer ausgehen. Das Team Stronach hat diesbezüglich eine klare Position in der Hinsicht, dass wir Langzeitarbeitslose, welche die Mindestsicherung er­halten, mit 500 € zusätzlich belohnen wollen, wenn sie bei Rettungsorganisationen oder in Bereichen, wo man sie braucht, Hilfsdienste leisten. Das heißt, das sollte dann auf zirka zwei Jahre ausgelegt sein. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Eine weitere Überlegung des Teams Stronach: Ich weiß nicht, ob Sie das kennen, aber in Frankreich ist das Militär in das Rettungswesen eingeschaltet. Das heißt: Die Ret­tungsorganisationen haben Berufssoldaten in ihren Reihen, ebenso die Feuerwehr. Man müsste sich hier einmal überlegen, wie wir den gesamten Anforderungen gerecht werden können. – Wir stellen uns das so vor, dass Stützpunkte von Rettungsorganisa­tionen und der Feuerwehr in Ballungszentren, wo Freiwilligkeit besteht, insofern unter­stützt werden, als Berufssoldaten, die für den jeweiligen Bereich ausgebildet und An­gehörige des Bundesheeres sind – etwa Notfallsanitäter, die beim Bundesheer ausge­bildet wurden –, dann bei diesen Rettungsorganisationen, etwa beim Roten Kreuz oder beim Arbeitersamariterbund, Dienst versehen, wenn auf Grund von Freiwilligkeit zu we­nig Personal zur Verfügung gestellt werden kann. Ich glaube, das wäre eine ver­nünftige Sache. (Beifall beim Team Stronach.)

Dasselbe könnten wir uns im Bereich der Feuerwehren vorstellen. In den ländlichen Bereichen sind die Leute meist Pendler, die in die Ballungszentren fahren, und daher besteht dort das Problem, dass die Feuerwehr für kleinere Einsätze oder für einen plötzlichen Alarm oder Ähnliches nicht genügend Personal zur Verfügung stellen kann. Auch dort könnte das Bundesheer mit Berufssoldaten aushelfen, die dann in Feuer­wehrstützpunkten ihren Dienst machen und eine ordentliche Bezahlung bekommen. – Ich glaube, das wäre vernünftig. Für die Großeinsätze sind die Freiwilligen selbstver­ständlich nach wie vor sehr willkommen, aber so könnte die Freiwilligkeit in diesem Be­reich entlastet und den Rettungsorganisationen geholfen werden.

Wir vom Team Stronach sind für diese freiwilligen Dienste, aber auch für die Gleich­behandlung in diesem Bereich. Das heißt: Nicht nur Männer sollen diesen Dienst ma­chen, sondern auch Frauen. – Ich glaube, das wäre ein Dienst am Staat, der notwen­dig wäre und bei dem Bereitschaft richtig wäre. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wir wollen keinen Zwang, wir wollen niemanden zwangsverpflichten. Wir vom Team Stronach wollen ein funktionierendes Berufsheer mit einer fairen und ordentlichen Be­zahlung. (Beifall beim Team Stronach.)

10.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Christine Lapp gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.03.48

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Viele Österreicherinnen und Österreicher be­schäftigen sich gerade mit der Frage: Wohin soll die Ausrichtung in unserem Staat ge­hen? Sollen wir einen freiwilligen Zugang zur Landesverteidigung und einen freiwilligen Zugang zum Sozialbereich haben? Oder wollen wir einen Zwangsdienst?

Für den Sozialbereich ist Minister Hundstorfer ein sehr gutes Modell gelungen. Die Freiwilligkeit bringt mehr Motivation bei den Menschen, und diese Möglichkeit gibt es jetzt – neu – für Männer und Frauen von 18 Jahren bis zum Pensionsantritt. Das ist ein großes, wichtiges Angebot.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 31

Der Zivildienst, wie wir ihn jetzt haben, ist Zwangsverpflichtung, dabei werden jungen Männern Monate ihres Lebens auf Berufs- und Ausbildungswegen gestohlen. (Abg. Marek: Na geh bitte!) In diesem Bereich müssen wir ins neue Jahrhundert kommen, denn im 21. Jahrhundert, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, geht es darum, dass man mit Motivation und Freiwilligkeit viel mehr leisten kann! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP hatte in früheren Jahren eine andere Position, das muss man hier auch dar­stellen: Wenn sie sich jetzt als Retterin des Zivildienstes aufspielt, ist das meiner Mei­nung nach wirklich ein Hohn im Hinblick auf die Geschichte und auf Fragen des Zivil­dienstes! So haben die Minister Fasslabend und Lichal sowie Staatssekretär Kukacka immer davon gesprochen, dass der Zivildienst von jungen Männern nur aus „Bequem­lichkeitsgründen“ angetreten wird und dass da Drückeberger dabei sind. Minister Lichal hat sich sogar dazu verstiegen, auf die Frage, was die Zivildiener machen, zu sagen, dass diese ja nur Steinböcke im Alpenzoo waschen würden. – Man muss sich wirklich einmal die Historie ansehen und hier darstellen, wie man in der ÖVP die Hütchen tauscht! (Beifall bei der SPÖ.)

Das sehr hervorragende Modell von Minister Hundstorfer sieht vor, dass es Beschäfti­gungsverhältnisse für zwölf Monate gibt und dass für 6 500 Personen 1 386 € monat­lich brutto 14-mal im Jahr geregelt sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Werte Kollegin­nen und Kollegen von der ÖVP! Ich nehme an, Kollege Wöginger ist beim Roten Kreuz nicht ehrenamtlich, sondern beruflich beschäftigt!

Sie sagen immer, Sie wollen die „helfenden Hände“ der Gesellschaft. Die Idee der „hel­fenden Hände“ ist bei Ihnen aber damit verbunden, dass es eine Zwangsverpflichtung gibt, dass es eine Ausbeutung gibt und dass man nicht darauf schaut, dass es eine Professionalisierung und eine gerechte Bezahlung gibt. – Wir Sozialdemokraten wollen den Weg der Freiwilligkeit, der Professionalisierung und einer gerechten Bezahlung. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit arbeiten als Zivildiener im Rettungswesen 43,9 Prozent, und im Behindertenbe­reich und im Sozialhilfebereich sind ebenso Zivildiener beschäftigt. Diese stellen neun Monate ihres Lebens in den Dienst der Gesellschaft, und zwar zu einem Taschengeld und nicht zu einer gerechten Entlohnung, und sie verlieren auf ihrem Lebensweg Aus­bildungsmöglichkeiten und berufliche Karrieremöglichkeiten.

Durch das hervorragende Modell von Minister Hundstorfer wird es beim bezahlten Frei­willigen Sozialen Jahr eine Anrechenbarkeit auch für weitere Ausbildungen geben, zum Beispiel einen Zugang zum Medizinstudium.

Das Interesse an Sozial- und Gesundheitsberufen ist sehr groß. Momentan haben wir 250 000 Beschäftigte, und 90 000 Beschäftigte kommen pro Jahr neu in diesen Be­reich. Das heißt: Die Zivildiener stellen nur einen sehr geringen Anteil dar und können das System nicht aufrechterhalten. Vielmehr müssen wir darauf setzen, dass wir zu­sätzliche freiwillige, motivierte und professionell engagierte Beschäftigte finden.

Um für die nächsten Jahrzehnte gut vorbereitet zu sein, ist es wichtig, dass wir sagen: Ein bezahltes Freiwilliges Soziales Jahr ist im 21. Jahrhundert eine gute Vorausset­zung für jene Männer und Frauen, die sich freiwillig im Alter von 18 bis 60 Jahren für einen Beruf im Sozial- und Gesundheitsbereich interessieren. Die Entscheidung am 20. Jänner 2013 ist eine wichtige Zukunftsentscheidung. Werte Österreicherinnen und Österreicher, entscheiden Sie für die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

10.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 32

10.09.03

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich braucht auch in Zukunft verläss­liche, leistungsfähige, leistbare Sicherheitssysteme und -strukturen. Es geht um innere, äußere, zivile, soziale und allgemeine Sicherheit.

Das Bundesheer hat über viele Jahre hinweg aufgrund der Wehrpflicht und des Wehr­ersatzdienstes, des Zivildienstes, Großartiges geleistet. Daher danke ich einmal allen, die Dienst für diesen Staat geleistet haben, bei Friedenseinsätzen, bei Katastrophen­einsätzen, beim Schutz von Menschen und Infrastruktur, aber natürlich auch beim Grenzschutz. Ich danke diesen jungen Menschen! (Beifall bei der ÖVP.)

Fakt ist: Wir werden auch in Zukunft große Ansprüche und Anforderungen an die Si­cherheit stellen. Dafür braucht es Antworten, und es braucht Angebote an die Jugend, aber auch an die Gesellschaft.

Die ÖVP hat hier ein sehr klares Angebot: Wir bauen auf drei starke Säulen, und zwar erstens auf einen schlanken Wehrdienst, um Friedenseinsätze bewältigen zu können.

Zweitens bauen wir aber auch sehr stark auf den Katastrophendienst. Wir erleben wöchentlich, dass es Notfälle gibt und Menschen unsere Unterstützung brauchen. Gerade im Hinblick auf die alpine Sicherheit ist es mir als Tiroler ein großes Anliegen, dass wir auch in Zukunft einen leistungsfähigen Katastrophenschutz gewährleisten können.

Drittens ist – die Frau Bundesminister hat es heute schon erwähnt – über viele Jahre der Zivildienst in Österreich zu einer tragfähigen und schlagkräftigen Säule gewachsen, und es wäre aus meiner Sicht verantwortungslos und sogar fast fahrlässig, diese Säule zu gefährden.

Wir brauchen dieses Zivildienstsystem, das übrigens durch viele Reformen durch die Zivildienstverwaltungs Ges.m.b.H. verbessert wurde. Heute gelingt es, den Zivildienst mit wenig Verwaltungsaufwand effizient zu organisieren, und ich glaube, dieses Modell könnte man effizienter und kostengünstiger gar nicht bauen! – Dafür auch einmal ein: Danke!

Auch zukünftig werden wir uns – wie ich schon gesagt habe – auf drei starke Säulen stützen. Es geht auch darum, dass wir jungen Menschen Zugang zu Berufen im Ge­sundheitsbereich, im Pflegebereich und bei der Behindertenhilfe verschaffen, und ich glaube, es ist wichtig, darauf zu achten, wer auf welche Weise dieses System am bes­ten gewährleisten und garantieren kann.

Es gibt durchaus unterschiedliche Ansätze, und ich glaube, diese sollten wir disku­tieren. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür, und bis zum 20. Jänner sollten wir einen Weg vorschlagen, wo es in Zukunft mit der sozialen Sicherheit in Österreich hingehen soll. – Ich glaube, die Ausrichtung ist ganz klar. Ich selbst habe das Bundesheer erlebt, und es war damals nicht so leicht, Zivildiener zu sein, aber ich möchte auch das nicht aus meiner Lebensbilanz streichen, und ich bin seit 22 Jahren beruflich im Zivildienst tätig.

In der Landwirtschaft ist 1 Prozent der Zivildiener beschäftigt, welche zum Einsatz kommen, wenn es zu einem Unfall, einer Krankheit und zu Todesfällen gekommen ist. Damit konnte man viele Schicksale begleiten und bewältigen.

Folgendes möchte ich auch festhalten: Wenn heute hier davon gesprochen wird, dass man den jungen Menschen Zeit stiehlt, dann muss man einmal mit jungen Menschen reden! – Jeder, der Zivildienst geleistet hat, kann, glaube ich, für sich selbst mitneh­men, dass er in dieser Zeit einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft geleistet, aber auch persönlich viel gelernt hat. (Beifall bei der ÖVP.)


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Gerade die Erfahrungen dieser jungen Menschen sind der Beweis dafür, dass Zivil­dienst kein Zwangsdienst ist, sondern wir jetzt schon zwischen Bundesheer und Zivil­dienst entscheiden können, und zukünftig sollte eine dritte Variante dazukommen, nämlich der Katastropheneinsatz. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.)

Heute wird immer wieder damit argumentiert, dass es unterschiedliche Meinungen ge­geben hat und dass etwa Zivildiener als Drückeberger bezeichnet wurden. (Abg. Wind­büchler-Souschill: Das haben Sie immer gesagt!) – Ich behaupte heute: Es hat nie Zivildienst-Drückeberger gegeben. Früher war das Image schwierig, aber heute hat sich das Image gewandelt und die Zivildiener sind in der Gesellschaft anerkannt.

Daher sollten wir uns, glaube ich, öffnen, und wir sollten versuchen, junge Menschen für die soziale Verantwortung in diesem Staat zu gewinnen. Die jungen Menschen brauchen Chancen. Der Bedarf an Pflegepersonal im Gesundheitsbereich und im Be­hindertenbereich wird steigen. Es geht hier also sehr stark um soziale und gesell­schaftspolitische Verantwortung.

37 Jahre Zivildienst von heute auf morgen auszulöschen, wäre unverantwortlich. Daher ist es, glaube ich, wichtig, dass sich der Zivildienst so entwickelt hat. Das spiegelt auch die Entwicklung der Gesellschaft über diese Jahre wider, und daher entspricht es mei­nes Erachtens den Anforderungen, dass wir den Zivildienst auch in Zukunft so ge­stalten. Unsere Frau Bundesminister leistet Gewähr dafür, und dafür danke ich. Wir wissen, was wir am Zivildienst haben, und wir werden auch zukünftig die Hüter und Be­wahrer des Zivildienstes sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Fich­tenbauer. – Bitte.

 


10.14.07

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Vor allem aber: Sehr geschätzte Zu­schauer zu Hause vor den Fernsehschirmen! Der Staat gehört uns allen. Wie kommen wir also dazu, dass wir erleben müssen, dass aus einer missglückten politischen Laune heraus tragende Säulen der österreichischen Struktur der Sicherheitspolitik und der Sozialversorgung umgeworfen werden? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Als Bürgermeister Häupl erkennt, dass er die Wahl in Wien verliert, raunt er in ein ta­gespolitisches Medium, dass die allgemeine Wehrpflicht aufzuheben wäre. Und der Verteidigungsminister als folgsamer Apportierer eines „ausgegorenen großartigen poli­tischen Gedankenkonstruktes“ schwenkt in einer Woche vom In‑Stein‑Gemeißelten auf das Gegenteil um. – Das ist die Natur, die die heutige Debatte bestimmt.

Ich bin sehr froh darüber, dass angesichts der kommenden Auseinandersetzung am 20. Jänner das auch von der ÖVP vorgetragen wird und postuliere und halte klar fest: Der Zivildienst ist Wehrersatzdienst! Selbstverständlich argumentieren wir den Zivil­dienst nicht anstelle der Notwendigkeit, die allgemeine Wehrpflicht aufrechtzuerhalten. Die österreichische Bevölkerung muss schon eine Weile absurde Zahlenspielereien in Bezug auf die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, die Bereitschaft durch Freiwil­lige und ein gleich qualifiziertes Heer, das noch dazu höchstens so teuer ist wie das jetzige, hinnehmen. Die Absurdität dieser Behauptungen ist bereits allgemein bekannt. Es ist aber eindeutig, dass die Bevölkerung – jedenfalls in diesem Punkt, aber auch all­gemein, weswegen wir zu Recht die Verstärkung der direkten Demokratie einfordern – klüger ist als die Apporteure politischer Wirrnisse. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Fürntrath-Moretti.)


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Es ist natürlich richtig, dass es bei der Einführung des Zivildienstes eine gewisse Miss­liebigkeit gegenüber jenen Personen gab, die sich damals noch mit der Behauptung zum Zivildienst gemeldet haben, ihr Gewissen verbiete es, den Wehrdienst abzuleis­ten, weil damit Waffendienst verbunden ist. Es war gut so, dass diese Gewissensprü­fung abgeschafft wurde, und es ist Faktum, dass der Zivildienst nunmehr seit Jahr­zehnten zu einer unverzichtbaren tragenden Säule für die Versorgung der österreichi­schen Bevölkerung mit notwendigen Sozialleistungen geworden ist.

Wenn nun auch aus Apportierlust bezüglich der politischen Absurdität Minister Hunds­torfer mit Zahlenspielereien aufwartet, so sind diese natürlich keinen Deut besser als die Zahlenabsurditäten des Verteidigungsministers. Auf diese werden wir in diesen Tagen schon noch zu sprechen kommen. – Wenn jedenfalls behauptet wird, dass mit 6 500 Menschen dasselbe erfüllt werden kann wie derzeit mit rund 13 000 oder 14 000 Personen, und zwar auch im Hinblick darauf, dass die heutigen Zivildiener der jungen Bevölkerungsgruppe, der Gruppe der 18- bis 20-Jährigen, angehören und da­her die damit verbundenen körperlichen Belastungen auf dem Gebiet der Kranken-Transportdienste et cetera leichter leisten können als etwa ein arbeitsloser 55-Jähriger, der gerade noch keine Pension bekommt, ist das doch eine Absurdität, die nicht über­bietbar ist! Wer kann denn so etwas mit Verantwortung behaupten?! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass die Zahl der notwendigen Bediensteten sinken würde, ist natürlich auch ein Un­sinn. Bei Einführung des Zivildienstes 1975 betrug die durchschnittliche Lebenserwar­tung bei Männern 67 und bei Frauen 74 Jahre. Die Lebenserwartung ist inzwischen um zehn Jahr gestiegen und wird weiter steigen. Das heißt, die Notwendigkeit, ältere und daher natürlich auch krankheitsanfälligere Leute zu versorgen, wird steigen. Es wird ja nicht so sein, dass ausgerechnet zu einem grünen Kranken kein Rettungsdienst fährt, wenn es 30 Minuten dauert. Man wird sich das nicht nach Farben aussuchen, genauso wie es sich der heutige Grundwehrdiener auch nicht nach Farben aussucht, wem er bei Hochwasser zur Seite steht.

Es besteht diesbezüglich, auf den Punkt gebracht, eine Notwendigkeit, die nicht mit dem Herabsetzungsvokabel „Zwangsdienst“ zu versehen ist. (Präsidentin Mag. Pram­mer gibt das Glockenzeichen.) Das ist natürlich ein klassisches Agitprop-Vokabel, dass dann angewendet wird, wenn das ethische Grundprinzip, dass man anderen kostenlos zur Verfügung steht, das als Grundelement des Funktionierens der Zivilgesellschaft und der österreichischen Sicherheitspolitik unverzichtbar ist, herabgewürdigt werden soll. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann von dieser Stelle aus nur dazu aufrufen: Österreicher! Bekennen Sie sich am 20. Jänner zur allgemeinen Wehrpflicht zugunsten des österreichischen Staates! (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Wind­büchler-Souschill. – Bitte.

 


10.20.01

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Ministerin! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Die Wehrpflichtbefürworter und -befürworterinnen, allen vo­ran die ÖVP und die Ministerin, die eigentlich zuständig ist für den sozialen Frieden, spielen eindeutig mit den Ängsten und den Sorgen der Menschen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten von SPÖ und BZÖ.)

Die Frage: Wer pflegt meine Oma?, ist auch für mich essenziell, so wie für so viele Menschen in der Bevölkerung in Österreich, und die vermeintlich einfache Antwort der ÖVP ist ausschließlich: Die Zivildiener werden sie schon pflegen. Und bei der Frage:


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Wer schützt meine Wohnung vor dem Hochwasser?, ist es laut ÖVP genauso, dass es vermeintlich, im ersten Augenschein, eine einfache Antwort gibt: Die Zivildiener werden sie schon schützen und helfen. (Abg. Amon: Sie haben ja keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Antworten der ÖVP auf komplexe Fragestellungen in der Sozialpolitik, auf kom­plexe Fragestellungen der Gesellschaftspolitik und des Katastrophenschutzes haben nur einen einzigen Background, nämlich das alte tradierte System des Kalten Krieges aufrechtzuerhalten, einfach das alte System des Zivildienstes und des Grundwehr­dienstes aufrechtzuerhalten. Das ist Sozialpolitik à la ÖVP, und das ist meiner Ansicht nach einfach moralisch und politisch falsch. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses alte System basiert auf Einberufungen, auf Musterung, auf Stellungsbefehl, auf Bestrafungen, auf Degradierungen, auf Zwangsverpflichtungen, und das alles braucht nicht nur die Erneuerung, das braucht tatsächlich die Abschaffung und die Umstruktu­rierung des gesamten Sozialsystems in ein System, in dem existenzsichernd entlohnt wird und das vor allem für Frauen und Männer gleichberechtigt zugänglich ist. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit ein paar Mythen auf­räumen.

Erstens: Der Grundwehrdienst kostet die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen 200 Mil­lionen €, der Zivildienst kostet die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen insgesamt 140 Millionen € pro Jahr. (Abg. Großruck: Und was bringt er?) Das bedeutet 340 Mil­lionen €. Was daran billig sein soll, verstehe ich nicht und das kann mir auch bis dato niemand erklären, denn wenn diese 340 Millionen € tatsächlich in aktive Arbeitsmarkt­politik fließen, wenn sie tatsächlich zur Stützung des Sozialsystems vorhanden wären, dann wäre die Debatte über den Zivildienst überhaupt keine essenzielle mehr und sie würde auch überhaupt nicht mehr so sehr im Mittelpunkt stehen.

Mythos Nummer zwei: Wenn der Zivildienst fällt, gibt es keinen verlässlichen Ersatz für die jetzt geleistete Arbeit. – Die ÖVP und auch die Ministerin hinter mir gehen davon aus, dass die Zivildiener die einzige Stütze des Sozialsystems sind; in der Kinderbe­treuung, wie wir gehört haben, in der Altenpflege, aber auch in den Blaulicht-Organisa­tionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie gehen davon aus, dass, wenn die Wehr­pflicht und der Zivildienst tatsächlich abgeschafft werden, diese 340 Millionen € an­scheinend irgendwohin verschwinden, aber nicht im Sozialsystem landen. Das ist mei­ner Ansicht nach die völlig falsche Annahme und beweist nur einmal mehr, dass die Kampagne der ÖVP in die völlig falsche Richtung geht, nämlich das tradierte System aufrechtzuerhalten, anstatt gescheite Arbeitsmarktpolitik für den Sozialbereich zu ge­währleisten. (Beifall bei den Grünen.)

Frauen und Männern einen gleichberechtigten Zugang in ein Sozialsystem zu gewäh­ren, in dem existenzsichernd entlohnt wird, das sozialrechtlich abgesichert und für alle ab 18 Jahren offen ist: Was an dieser Vorstellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist so schwierig, um es nicht nur als Vision zu sehen, sondern tatsächlich um­zusetzen? Ich bin davon überzeugt, dass es funktionieren kann, ein Sozialsystem wirk­lich auf bezahlte Füße zu stellen.

Auch mit Mythos Nummer drei ist noch aufzuräumen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP, es ist empörend, dass Sie hier stehen und sagen, wenn der Zivildienst fällt, fällt auch der so wichtige Gedenkdienst. Das ist empörend und tat­sächlich falsch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn die ÖVP die Gedenkdiener nicht einmal jetzt schon absichert, während noch die Innen­ministerin zuständig ist für die so wichtigen Dienste, ist es mehr als falsch und empö-


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rend, sich hierher zu stellen und zu sagen, mit dem Zivildienst werden auch die Ge­denkdienste abgeschafft. Gedenkdienste auf eigene rechtliche Beine stellen, Gedenk­dienste auch für Frauen öffnen, sie am besten beim Bundeskanzleramt ansiedeln und tatsächlich mit mindestens einer Million Euro im Jahr absichern: Das ist die Zukunft der Gedenkdienste und nicht der Zivildienst. (Beifall bei den Grünen.)

Die Perspektive des Zivildienstes ist Erneuerung und Umstrukturierung, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch zu Hause vor den Bildschirmen, die Abschaf­fung der Wehrpflicht und somit auch die Volksbefragung sind eine Chance, das Sozial­system auf neue Beine zu stellen. Deshalb: Sagen Sie „Ja“ zur Abschaffung der Wehr­pflicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. – Bitte.

 


10.25.32

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich brauche hier nicht zu wiederholen, was ich das letzte Mal schon gesagt habe, nämlich dass aus unserer Sicht allein schon die Fragestellung bei dieser Volksbefragung falsch ist, denn es sollte nicht in dem Fall de facto über ein Wehrsystem abgestimmt werden, weil sich die Regierung auf nichts geeinigt hat, son­dern es sollten einmal die grundlegenden Aufgaben, die das österreichische Bundes­heer erfüllen sollte, geklärt werden, und dann kann man überlegen, mit welchem Wehr­system diese Aufgaben bestmöglich erfüllbar sind. (Beifall beim BZÖ.)

Aber heute geht es um den Zivildienst, und auch das ist grotesk – es wurde schon ge­sagt –, nämlich dass der Zivildienst als Rechtfertigung für die allgemeine Wehrpflicht hier hereingebracht wird. Der Kollege Wöginger hat schon recht: Ohne Wehrpflicht gibt es keinen Zivildienst. Warum nicht? Das sollte man sich einmal überlegen. Es gibt nämlich die Menschenrechtskonvention, und nach der Menschenrechtskonvention – ich glaube, für uns als Parlamentarier der demokratischen Republik Österreich ist das nicht ganz unwichtig – sind Zwangsdienste, staatlich verordnete Zwangsdienste nur in zwei Bereichen möglich und zulässig: im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht, also für die militärische Landesverteidigung, und bei unmittelbaren Katastrophenereignissen. Da sind unmittelbare Katastrophenereignisse gemeint, aber nicht ein, wie er auch im­mer wieder im Raum steht, allgemeiner Sozialdienst. Das ist menschenrechtswidrig und widerspricht auch unserer österreichischen Bundesverfassung.

Das heißt, die allgemeine Wehrpflicht, wenn sie denn notwendig ist zur Aufrechterhal­tung unserer Sicherheit, bedingt dann auch den Wehrersatzdienst. Auch da sollte man, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, die österreichische Bundesverfassung lesen. Die österreichische Bundesverfassung statuiert die allgemei­ne Wehrpflicht und die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes, wenn Gewissensgründe vorliegen. Das heißt, für einen Wehrersatzdienst muss ein Zivildiener auch heute noch Gewissensgründe vorweisen – sie werden nicht mehr überprüft, aber in der Bundes­verfassung ist das ein klares Erfordernis –, die den Dienst mit der Waffe unmöglich machen. Wir wissen heute alle, dass das überhaupt nicht mehr diskutiert wird, sondern es wird so dargestellt: Es ist eine wichtige Säule des Staates, und ohne diesen Zivil­dienst bricht alles zusammen.

Frau Bundesministerin Mikl-Leitner, wenn es so wäre – ich glaube ja, und das ist auch nicht gut, dass das reine Propaganda von Ihnen ist, dass Sie behaupten, ohne Zivil­diener müssten wir eine Stunde auf die Rettung warten –, aber wenn es so wäre, dass die österreichische Bundesregierung und somit auch Sie das Sozialsystem in Öster­reich auf Zivildienern aufbauen, dann wären Sie alle miteinander rücktrittsreif, denn das


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wäre verfassungswidrig und menschenrechtswidrig. Das ist eine Ergänzung, kann aber kein Ersatz sein. (Beifall beim BZÖ.)

Genauso hat das österreichische Bundesheer keine Kernaufgabe „Katastrophen­schutz“. Das ist Aufgabe der Länder. 350 000 Feuerwehrleute sind im Dienste des ös­terreichischen Katastrophenschutzes tätig. Das Bundesheer hat da eine wichtige er­gänzende Aufgabe, aber so zu tun, als ob, wenn 5 000 Soldaten, die jetzt bereitgestellt werden können, wegfallen, der gesamte Katastrophenschutz in Österreich zusammen­brechen würde, ist genauso unverantwortlich und meinungs- und panikmachend. Das ist nicht die Diskussion, die sich die Österreicherinnen und Österreicher auch im Sinne der Sicherheit ihres Landes verdient haben. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen auch Folgendes – das hat mich jetzt beim Abgeordneten Fichtenbauer gewundert, der noch argumentiert hat, die 13 000 Zivildiener müssen erhalten wer­den –: Meine Damen und Herren, jetzt kann man darüber reden, wer wann wo für oder gegen die Wehrpflicht gewesen ist, aber dass man in den letzten zehn Jahren krampf­haft versucht hat, die Einsatzgebiete für die Zivildiener zu erweitern, ist doch unbestrit­ten. Das geschah deshalb, weil es sonst jahrelange Wartezeiten für die Zivildienst­pflichtigen gegeben hätte, weil sich immer mehr für diesen Wehrersatzdienst gemeldet haben.

Es kann mir doch niemand erklären, dass im Jahr 2000 noch 6 000 Zivildienstplätze ausreichend gewesen sind, und jetzt müssen es 13 000 sein. Schauen Sie sich doch diese Liste für die Einsatzgebiete an! Ich glaube schon, dass GLOBAL 2000 und der WWF und die Niederösterreichische Landesregierung und alle möglichen Leute gerne solche billigen Arbeitskräfte haben, aber unbedingt notwendig zur Aufrechterhaltung des Sozialsystems ist das sicher nicht. Und das muss auf den wahren Kern zurück­geführt werden. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da steht es ja auch drinnen, die Zivildiener dürfen gar keine qualifizierten Tätigkeiten übernehmen. Da steht es drinnen: Hilfstätigkeiten bei der Betreuung, Reinigungstätig­keiten, Erhaltungsarbeiten, Gartenarbeiten, Hilfe bei administrativen Tätigkeiten. Das zieht sich durch alle Bereiche durch.

Also bleiben Sie bei der Wahrheit! Reden wir ernsthaft darüber, wie wir die Sicherheit des Landes auf eine bessere Basis stellen, wie wir auch, wenn möglich auf freiwilliger Basis, das Sozialsystem entsprechend verbessern, aber beenden Sie bitte wirklich, vor allem Sie von den Regierungsparteien, diese parteipolitisch motivierte Diskussion auf dem Rücken der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall beim BZÖ.)

10.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar zu Wort. – Bitte.

 


10.31.06

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Fernsehzuschauer! Ich finde die Diskussion sehr interessant. Dies heute ist ja eine Wehrpflichtdebatte, denn wir alle wissen, dass wir bald eine Volksab­stimmung haben werden (Abg. Bucher: Volksbefragung!), man nennt die Debatte heu­te hier aber nicht Wehrpflichtdebatte, sondern man nennt sie (Abg. Bucher: Volksbe­fragung, nicht Volksabstimmung!) – Befragung – eine Zivildienstdebatte, die hier abge­führt wird.

Jetzt frage ich mich, warum das so ist. Wir haben heute von der Frau Minister schon gehört, dass der Zivildienst eine Erfolgsgeschichte ist, und ich frage mich: Warum? Warum ist das eine Erfolgsgeschichte in Österreich? Warum ist der Zivildienst eine


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Erfolgsgeschichte? Der Zivildienst ist ja vor einigen Jahren sogar noch als moralisch bedenklich eingestuft worden. Ich kann mich noch erinnern, als der Herr Bundesmi­nister Darabos angelobt wurde, hat es geheißen: Wie kann man nur einen Zivildiener als obersten Heerführer beziehungsweise als Minister für die Landesverteidigung ver­eidigen? Wie kann das sein? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Strache: Er ist oh­nehin kein Verteidigungsminister!) Das heißt, es ist sehr, sehr negativ argumentiert worden, weil er eben ein Zivildiener war.

Der Zivildienst ist ein Wehrersatzdienst, das wissen wir ja. Das heißt, da sind Leute, die gesagt haben, sie wollen mit ihrer Zeit, die sie ja ableisten mussten, etwas Sinn­volles anfangen, und sie sind eben nicht zum Bundesheer gegangen, sondern sie ha­ben gesagt, sie wollen etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun. Das ist der Hinter­grund. Und wenn heute davon gesprochen wird, dass der Zivildienst eine Erfolgsge­schichte ist, dann frage ich mich: Für wen? Ist es eine Erfolgsgeschichte für jene, die das machen mussten, oder für jene, die sich billig Arbeitskräfte verschafft haben?

Das ist ja der Hintergrund: Es geht nicht darum, dass die Zivildiener so großartige Leistungen erbracht haben, denn wie wir schon vorher vom Kollegen Scheibner gehört haben, sind es hauptsächlich Hilfsdienste, die dort gemacht werden. Da geht es nicht um hoch qualifizierte Arbeiten, es geht um Hilfsdienste. Der Hintergrund ist: Es ist billig, es ist einfach billig. Diese 13 000 Zwangsverpflichteten leisten in Österreich billigste Ar­beit.

Das ist der Hintergrund, darum geht es, und darüber sollten wir reden. Das heißt, wir sollten darüber reden, ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, diesen Organisationen billige Arbeitskräfte zur zu Verfügung stellen, oder – was ja auch ein denkbarer Weg wäre – man unterstützt diese Organisationen finanziell, damit sie ordentliche Arbeits­kräfte zur Verfügung haben. Das wäre doch auch einmal ein guter Ansatz, statt zu ar­gumentieren, wir brauchen den allgemeinen Zwang, um diesen Organisationen billige Arbeitskräfte zur zu Verfügung zu stellen. Das wäre eine ehrliche Diskussion. (Beifall beim Team Stronach.)

Unterhalten wir uns jetzt darüber, was wirklich wichtig ist, was das Bundesheer braucht! Das Bundesheer braucht keinen Zwang. Wir brauchen keine Zwangsverpflich­teten. Es ist auch nicht nötig, jedes Jahr 30 000 Österreicher neu auszubilden für et­was, was keiner braucht. (Abg. Mag. Gaßner: Richtig!) Die allgemeine Wehrpflicht kommt ja aus einer Zeit, wo wir große Schlachten zu erwarten hatten, wo wir große Panzerschlachten im Herzen Europas zu erwarten hatten. Daher kommt die allgemeine Wehrpflicht: um möglichst viele halbwegs ausgebildete Menschen zu Verfügung zu haben, um im Kriegsfall relativ unausgebildetes Kanonenfutter zu haben. (Abg. Amon: Sie wissen nicht, was Sie da sagen!) Wenn man das historisch betrachtet, dann ist das so.

Jetzt machen wir einen Umweg: Wir bilden jedes Jahr 30 000 Menschen aus, die das spätestens nach zwei Jahren wieder vergessen haben, was sie gelernt haben, stecken unwahrscheinlich viel Geld hinein für nichts. Das bringt nichts. Es wär doch hundertmal besser, wenn wir die Kraft, die Energie und vor allem das Geld dort hineinsteckten, wo wir es brauchen. Wir brauchen es bei gut ausgebildeten Soldaten. Aber in sechs Mona­ten schafft man das nicht. Man kann in sechs Monaten nicht einen gut ausgebildeten Soldaten generieren. Das geht nicht. Das heißt, wir müssten es schaffen, dass sich je­mand freiwillig zumindest zwei Jahre ausbilden lässt – aber dann eben freiwillig.

Und was den Zivildienst betrifft: Wir müssen die Menschen nicht zwangsverpflichten, um sie dann als billige Arbeitskräfte – ich sage jetzt – zu missbrauchen, sondern wir könnten hier einen anderen Weg gehen. Wir könnten einen freiwilligen Sozialdienst einführen, auch zweijährig, oder – und das ist auch ein Ansatz, den wir überlegen müs­sen – noch etwas anderes: Es gibt ja in Österreich sehr, sehr viele Langzeitarbeitslose,


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und wenn man „Die Arbeitslosen von Marienthal“ gelesen hat – das würde ich Ihnen einmal empfehlen –, dann sieht man, wie schrecklich es ist, wenn man langzeitarbeits­los ist und keine Perspektive hat. Warum gehen wir nicht her und bieten diesen Men­schen eine Alternative, eine Perspektive? Wir könnten diese Menschen natürlich nicht zwingen, aber motivieren, indem man ihnen noch etwas draufgibt, diesen Zivildienst anzunehmen, so lange, bis sie eine adäquate Arbeit gefunden haben. (Beifall beim Team Stronach.)

Das wäre einmal ein progressives Modell, das wäre einmal eine gute Sache. Denn ei­nes ist auch sicher: Wenn jemand ein, zwei, drei Jahre arbeitslos ist und keine Arbeit findet, dann braucht er eine Perspektive. Hier könnten wir etwas Positives tun.

Wir brauchen keinen Zwang! Was wir brauchen, ist ein freiwilliger Dienst, und wir brau­chen vor allem ein schlagkräftiges Heer. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

10.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Da­mit schließe ich die Debatte.

10.36.38Aktuelle Europastunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Nein zu höheren EU-Beiträgen mit Faymanns Zustimmung –
Österreich hat genug gezahlt!“

Als erster Redner hat sich Herr Klubobmann Bucher zu Wort gemeldet. Die Redezeit beträgt maximal 10 Minuten. – Bitte.

 


10.36.58

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem Herr Bundeskanzler! Wir haben für diese Aktuelle Stunde des­halb dieses so dringende Thema auserkoren, nämlich das Thema „Nein zu höheren EU-Beiträgen“, weil wir sehen, dass gerade jetzt darüber verhandelt und nachgedacht wird, wie man aus den Nettobeitragsländern noch mehr Geld, vor allem Steuergeld, he­rauspressen kann. Wir sagen deshalb dezidiert und selbstbewusst im Interesse der ös­terreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler: Genug gezahlt für das, was auf eu­ropäischer Ebene derzeit läuft! (Beifall beim BZÖ.)

Es ist daher auch als ein Appell an Sie, Herr Bundeskanzler, zu verstehen, die Stim­mung der österreichischen Bevölkerung ernst zu nehmen und wahrzunehmen, dass sie gegenwärtig kein Verständnis mehr dafür aufbringt, wie die Mittel auf europäischer Ebene verschwendet werden. Ich appelliere auch an Sie, Herr Bundeskanzler, und vor allem an Ihren Hausverstand, vielleicht auch an Ihr eigenes Gefühl und an Ihren eige­nen Umgang mit Geld. Würden Sie, wenn Sie ein Auto kaufen, das 30 000 € kostet, dem Autohändler auch von vornherein sagen, ich zahle 35 000 €? Würden Sie das ma­chen, Herr Bundeskanzler? Oder verhalten Sie sich deshalb so gönnerhaft, wenn es um das Geld der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler geht, weil es nicht Ihr eigenes Geld ist, das Sie da auf europäischer Ebene verjubeln? – Ich ver­mute, dass Sie viel zu wenig Ernsthaftigkeit und viel zu wenig Sorgsamkeit an den Tag legen, wenn es darum geht, das hart verdiente Geld der Österreicher so effizient wie möglich auf europäischer Ebene zum Einsatz zu bringen. (Beifall beim BZÖ.)

Gerade in dieser Woche diskutieren wir das Budget für das kommende Haushaltsjahr, und wir sehen, dass Sie neuerlich Schulden machen, dass Österreich auf ein Rekord-


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schuldenniveau zusteuert und Sie auf der Ebene der Bundesregierung nicht wissen, wie wir all diese Ausgaben finanzieren wollen. Und dennoch sagen Sie, Herr Bundes­kanzler, in einem „Kurier“-Interview zu den EU-Beiträgen, die wir zu leisten haben: Sie sind schon gestiegen und werden weiter steigen. – Das heißt, Sie geben einen Frei­brief dafür ab, dass die Nettobeiträge für den EU-Haushalt in den nächsten Jahren bis 2020 weiter angehoben werden.

Das wollen wir vom BZÖ verhindern. Wir wollen, dass Sie darüber nachdenken, um welches Geld es sich handelt und wofür dieses Geld zum Einsatz kommt. Wir stehen ja dazu, als Mitglied der Europäischen Union auch einen Beitrag leisten zu müssen, wir vom BZÖ sind keine EU-feindliche Partei – nein, das sind wir dezidiert nicht! –, aber wir mahnen die Sorgfaltspflicht ein, die jedem EU-Mitgliedstaat zusteht, und wir haben auch die Verpflichtung, darauf zu schauen, dass die Mittel der Steuerzahler bestmög­lich verwaltet werden. Und das vermissen wir aufseiten der Bundesregierung. (Beifall beim BZÖ.)

Daher haben wir sehr großes Verständnis für das Verhalten Großbritanniens, dass sie in erster Linie auch um ihr Land kämpfen und kein Verständnis dafür aufbringen, wofür die Mittel verwendet werden.

Wir fordern auch das Vetorecht ein, das Österreich hat, auf den Tisch zu hauen, wenn es darum geht, die Mittel auf europäischer Ebene weiter auszudehnen, wofür viele kein Verständnis mehr haben. Wie kommen denn die Österreicherinnen und Österreicher dazu? – In Österreich muss gespart werden, es gibt Null-Lohnrunden für die Beamten, aber nicht für die Politiker. Bei den Regierungspolitikern werden im kommenden Jahr 1,8 Prozent draufgedoppelt. Die Bevölkerung hat kein Verständnis dafür.

Und warum? – Weil wir ja in Österreich unterm Strich immer weniger verdienen, weil der Nettolohnzuwachs sinkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und wir auch im Wohlstandsranking immer weiter zurückfallen. Natürlich ist das eine Folge einer fehlerhaften EU-Haushaltspolitik, die hier schlagend wird!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat niemand Verständnis dafür, dass die EU-Beamten zukünftig um 8,8 Prozent mehr verdienen. Man sieht und liest, auch in Berichten des Ersten Deutschen Fernsehens beispielsweise, dass eine EU-Sekretärin heute 8 000 € verdient, nicht brutto wie jeder Abgeordnete hier im Hohen Haus, son­dern netto. Netto 8 000 € verdient eine EU-Sekretärin in Brüssel heute! (Ruf beim BZÖ: Ein Wahnsinn!) Dazu kommt, dass da 16 Prozent Auslandszulage dabei sind, dass eine Haushaltszulage dabei ist, dass, wenn ein Kind studiert, 500 € gezahlt wer­den.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Fülle von Zulagen und Privile­gien, die Sie hier in einem Katalog von Bonifikationen finden, die im Grunde niemand versteht, wo ein EU-Beamter, wenn er ein Kind adoptiert, 20 Tage frei bekommt, selbst­verständlich mit 55 Jahren in Pension gehen kann und 85 Urlaubstage im Jahr hat.

Ich frage mich wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemo­kratie, was sagen Sie den Arbeiterinnen und Arbeitern in Österreich? Wie erklären Sie das? Wie erklärt das der Herr Bundeskanzler, der oberste Vertreter der Arbeiterschaft in Österreich? (Beifall beim BZÖ.) Wie argumentieren Sie das Ihren Genossinnen und Genossen gegenüber, die hart arbeiten müssen, ich weiß nicht, 1 300 € im Monat ver­dienen? Eine EU-Sekretärin hat 8 000 € netto, 85 Tage im Jahr frei und geht ohne Ab­schläge mit 55 Jahren in Pension.

Wie erklären Sie das? Das versteht ja niemand! Das ist ja völlig absurd und abgeho­ben, was sich da in Brüssel abspielt. 45 000 Beamte werden von den europäischen Steuerzahlern durchgefüttert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das kostet 65 Milliarden €, das ist ja nicht mehr tragbar und finanzierbar. (Beifall beim BZÖ.)


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Das hat nichts mit EU-Feindlichkeit zu tun, damit das ein für alle Mal gesagt wird, aber das ist nicht mehr seriös. Das hat ja nichts mehr mit Hausverstand zu tun. Das ist pure Abzocke! EU-Technokraten nehmen die europäischen Steuerzahler aus und zocken ab, wo sie nur können. Das ist die Realität und das unterstützen Sie, indem Sie diesen Technokraten noch einen Freibrief ausstellen, Herr Bundeskanzler. Das wollen wir ver­hindern. Das wollen wir unterbinden. Das heißt: Genug gezahlt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Da Sie auch auf die Finanztransaktionssteuer so stolz sind, erwarte ich mir, Herr Bun­deskanzler, dass Sie bei den Verhandlungen auch erreichen, dass die Nettobeiträge Österreichs in Zukunft sinken und nicht gleichbleiben. Sie müssen sinken, denn wenn zusätzliche Gelder über die Finanztransaktionssteuer eingenommen werden, dann muss das auch der Steuerzahler in Österreich spüren, indem die Nettobeiträge sinken. Das erwarten wir uns von Ihnen, Herr Bundeskanzler! Das wäre ein Erfolg bei den Ver­handlungen. (Neuerlicher Beifall beim BZÖ.)

Es ist ja schon längst so – und Sie wissen das –, dass all diese Maßnahmen auf euro­päischer Ebene nicht fruchten – ob das jetzt die Nettobeiträge für den Wohlstandsaus­gleich auf europäischer Ebene betrifft, ob das jetzt die Rettungsschirme betrifft oder die Griechenlandhilfe, jetzt neuerlich das dritte Hilfspaket für Griechenland. Es gibt ein drit­tes Hilfspaket mit 30 Milliarden €, während die Griechen wirklich leiden, nichts davon haben und ausschließlich die Banken profitieren.

Herr Bundeskanzler, auch als oberster Genosse, wie können Sie das unterstützen, dass die ganzen Banken, nur die Banken profitieren, die Bankdirektoren Bonifikationen erhalten und die eigentlichen Profiteure dieser Krise sind? Wie können Sie das der Be­völkerung als „Rettung“ verkaufen? Das ist keine Rettung, die Sie hier betreiben, son­dern Sie verkaufen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Österreichs! Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Realität! Und das sollten Sie überdenken. (Beifall beim BZÖ.)

Also es läuft sehr viel falsch in der Europäischen Union. Das hat nichts mit EU-Feind­lichkeit zu tun, sondern das hat mit dem Hausverstand zu tun. Den Griechen wird
nicht geholfen, auch den Spaniern wird nicht geholfen. Wo ist die Solidarität mit 350 000 Spanierinnen und Spaniern, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, die ihre Wohnungen verlassen müssen, weil die Banken die Mieten fällig stellen? Wo ist da Ihre Solidarität? Wo sind diese Gutmenschen, die immer gegen alles auf dieser Welt auftreten, was ungerecht ist?

Das ist pure Ungerechtigkeit! Die Banken profitieren – und Sie sind die größten Unter­stützer der Bankenmafia. (Anhaltender Beifall beim BZÖ. – Abg. Krainer: „Unterstützer der Bankenmafia“ ist nicht okay!)

10.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Faymann zu Wort gemeldet. Die Redezeit sollte 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


10.47.31

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Abgeordnete! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zur Entwicklung der Europäischen Union, zum Finanzrahmen und damit zum Beitrag Österreichs doch sagen, dass wir heute in der Bundesregierung neuerlich einen Bericht des Sozialministers bekommen haben, nach dem der Beschäf­tigungsstand, die Anzahl der Beschäftigten noch immer zunimmt. (Abg. Strache: Aber nicht bei den österreichischen Arbeitnehmern!) Während es betreffend Arbeitslosigkeit einzelne Gruppen gibt, die uns durchaus Sorgen bereiten, auch in Österreich, ist im eu-


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ropäischen Vergleich ganz klar, dass Österreich weiterhin zu den Ländern mit der geringsten Arbeitslosigkeit und der geringsten Jugendarbeitslosigkeit gehört. (Abg. Mag. Schatz: Was ist mit der wachsenden Zahl an Teilzeit?)

Aber warum sage ich das mit der Zunahme der Beschäftigung? – Weil die Zunahme der Beschäftigung nicht nur etwas mit Produkten zu tun hat, die wir in Österreich er­zeugen und in Österreich verkaufen, oder mit Dienstleistungen, die wir ausschließlich in Österreich und für Österreicher leisten, sondern weil natürlich diese Wirtschaftsleis­tung – und, Herr Bucher, das müssen wir den Leuten, wenn es fair sein soll, auch ge­meinsam verstärkt sagen –, weil diese Produkte, die wir erzeugen und exportieren, auch jemanden brauchen, der sie kauft, und weil die Dienstleistungen, die wir im Tou­rismus und anderswo erbringen, auch davon abhängig sind, ob sich das die Menschen in Europa leisten können oder nicht. (Abg. Bucher: Davon habe ich nicht gesprochen!)

Daher, wollte ich sagen, bekommen wir viel zurück, wenn wir an einem Europa mitwir­ken, in dem die Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteigt, sondern zurückgeht und in dem die Leute ordentlich leben können, auch Kaufkraft haben, sich auch etwas leisten kön­nen. (Abg. Kickl: Das wollen Sie mit unseren Mitgliedsbeiträgen fördern?!) Das nützt letztlich der österreichischen Wirtschaft und den jungen Leuten, die auf der Besucher­galerie sitzen, wenn sie einmal Arbeit in einem Bereich finden, der mit Export zu tun hat. Immerhin jeder vierte Arbeitsplatz in Österreich hat entweder direkt oder indirekt mit Export zu tun.

Das sollten wir den Leuten nicht verschweigen. Im Gegenteil! Wir müssen diesen Zu­sammenhang, dass ein starkes Europa auch der österreichischen Wirtschaft nützt, viel deutlicher kommunizieren. Sie und ich, alle loben die Klein- und Mittelbetriebe. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Die Klein- und Mittelbetriebe haben aber auch in Österreich eine starke Abhängigkeit davon, wie sich die Industrieunternehmen entwickeln, weil viele dieser Klein- und Mittelbetriebe direkt oder indirekt mit Industrieunternehmen zusam­menarbeiten oder für Industrieunternehmen arbeiten.

Gerade die Industrie hat deutlich und mehrfach ganz klar gemacht, dass ein starker Wirtschaftsstandort Europa die einzige Möglichkeit ist, auch Rahmenbedingungen für einen starken Industriestandort Europa zu schaffen.

Dieser starke Industriestandort Europa entsteht nicht, indem wir weniger auf europäi­scher Ebene zustande bringen, sondern indem wir mehr auf europäischer Ebene zu­stande bringen. Und das gilt natürlich auch für den Finanzrahmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Warum, sehr verehrte Abgeordnete, ist ein Finanzrahmen, der über sieben Jahre geht, besser als ein Finanzrahmen, der vielleicht provisorisch um jeweils ein Jahr verlängert wird? – Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, dass jemand, der etwas mittelfristiger und nachhaltiger denkt, nicht damit einverstanden sein kann, dass wir uns von Jahr zu Jahr mit irgendeinem krückenhaften Budget, mit einem Provisorium in das nächste Jahr bewegen, um zum Beispiel Projekte wie den Brenner-Basistunnel anzugehen, der für Österreich verstärkt mit Zahlungen aus der Europäischen Union ansteht und ver­stärkt von der Planungsleistung bis zur Bauleistung in der nächsten Periode in Angriff genommen werden soll. Wieso sollten wir davon profitieren, wenn nur ein proviso­risches Budget zustande kommt? (Abg. Dr. Moser: Darum ist er problematisch, der Brenner-Basistunnel!)

Ganz im Gegenteil! Wir müssen dann jedes Jahr schauen, ob das noch im Budget steht, und ich wüsste gerne, wer bei einem Tunnelbau, bei einem Infrastrukturprojekt dann einfach abbricht. Das heißt, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, Absehbarkeit für wirtschaftliche Entwicklungen in allen Bereichen, auch für Lehrwerkstätten, ist nötig. Eine Finanzierung für ein Jahr für eine Lehrwerkstatt zu bekommen, das ist zu wenig.


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Man braucht bei so einem Projekt einen längeren Atem. Daher muss es oberstes Ziel sein, dass dieser Finanzrahmen zustande kommt – das ist die erste Priorität –, und nicht ein Veto Österreichs. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher habe ich auch nicht verstanden, was Sie mit „Veto einfordern“ meinen. Wir ha­ben, so wie jeder andere in der Europäischen Union, ein Vetorecht. (Abg. Bucher: Ich habe es eingefordert bei Ihnen!) – Ja, bei mir eingefordert. – Das brauchen Sie deshalb nicht, weil jedes Land und jeder Regierungschef, der in den Verhandlungen dabei ist, die Möglichkeit hat, zum Schluss zu sagen: So, aufgrund meiner Forderungen, die nicht erfüllt sind, kann ich hier nicht mitwirken.

Aber was soll daran so positiv sein? – Sie haben das so dargestellt, als wäre das eine Frage des Mutes. Aber was ist daran so mutig, wenn zum Schluss nichts zustande kommt? Wer profitiert eigentlich davon?

Nehmen wir einmal die Frage des provisorischen Budgets! Die Einzigen, die ihren Ra­batt im Primärrecht haben, und damit einen hohen Betrag, ist UK. Also gut, sie haben einen Rabatt im Primärrecht zur Verfügung und haben diesen auch in einem provisori­schen Budget fixiert.

Aber was ist mit unseren Rückflüssen? – Wir haben eine Reihe von Rückflüssen, für die gesetzliche Grundlagen notwendig sind. Und dann schaffen wir ein provisorisches Budget und hoffen, dass gerade für den ländlichen Raum, zweite Säule, die uns so wichtig ist, die Gesetze verlängert werden, oder jene Gesetze, die überhaupt ablaufen, einen Großteil unseres Rabatts betreffen? Warum sind wir da so sicher, dass, wenn nichts zustande kommt, genau diese Gesetze, die dann uns zugutekommen sollen, von den anderen unterstützt werden?

Tatsächlich ist es so, dass kein Land – auch Österreich, auch ich als Regierungschef nicht –, die Möglichkeit, nicht zuzustimmen, aus der Hand gibt. Das Interesse – und das muss noch viel deutlicher herausgestrichen werden – muss aber sein, dass etwas zustande kommt.

Die Arbeitslosigkeit steigt in Europa. Wenn wir, was ich mir sehr wünschen würde, ver­stärkt Maßnahmen, gerade bei der Beschäftigung, bei der Infrastruktur, bei der For­schung, bei der Entwicklung verlängern, oder, siehe Berufsausbildung, sogar etwas Neues schaffen, dann braucht das zumindest einen siebenjährigen Zeitraum – und nicht ein jährliches Dahingewurstel.

Daher bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Forderungen, den Rabatt für Öster­reich, der im Kommissionsvorschlag ja verschwunden ist (Abg. Bucher: Seltsamerwei­se!), wieder zum Leben zu erwecken – er ist ja im dortigen Vorschlag nicht mehr zu finden –, berechtigt sind. Und wir wollen begründen, warum wir diesen Rabatt für Ös­terreich wollen. (Abg. Bucher: Aber nicht einen Kommissar!)

Wir wollen uns aber als zweite Priorität gerade in jenem Punkt, wo es so wenige Für­sprecher gibt, nämlich für den ländlichen Raum, als Österreicherinnen und Österrei­cher besonders für diese sogenannte zweite Säule starkmachen. Und ich möchte Ih­nen sagen, warum: Es gibt doch in der Landwirtschaft – und da reden wir immerhin von rund 40 Prozent des Budgets – die Unterstützung betreffend den Preis. Da gibt es so viele große Länder, die diese Säule um jeden Preis verteidigen. Da ist eine starke Lo­komotive in Europa erkennbar.

Aber im zweiten Bereich, dort, wo es um unsere Bergbauern und um unsere Biobauern geht, sind wir ziemlich alleine. Da haben wir wenige Verbündete, da gibt es kaum je­manden, der das so verteidigt wie wir. Ich bin überzeugt davon, dass wir in den Ver­handlungen sagen sollten, die Bergbauern in Österreich leisten Gewaltiges, der ländli­che Raum ist entscheidend für Österreich, für die politische und wirtschaftliche Ent­wicklung, für die Seele Österreichs. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 44

Und der biologische Landbau ist die Zukunft nicht nur Österreichs, sondern der biologi­sche Landbau ist auch die Zukunft Europas. Daher ist es ein europäisches Anliegen, diese Entwicklung massiv voranzutreiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abge­ordneten Dr. Moser und Dr. Pirklhuber.)

Also werden diese Verhandlungen hart werden, weil einerseits die gesamteuropäi­schen Interessen zu besprechen und zu diskutieren sind, auch vieles zu erkämpfen ist, und andererseits natürlich die jeweiligen nationalen, wo zum Schluss zusammenge­rechnet wird, wer wie viel von seinem BIP oder von dem leistet, was er sich aufgrund der Datenlage auch leisten kann.

Klar ist: Österreich steht gut da – von der Beschäftigungssituation, von den wirtschaftli­chen Daten, von dem, was wir erwirtschaften, von dem, was wir gemeinsam in diesem Land leisten. (Abg. Bucher: Vom Schuldenstand?!) Wir sind die Besten, und daher ist natürlich anzunehmen, dass die Schwächeren bei diesem Budget mehr als die Stärks­ten bekommen. Aber ich bin trotzdem froh darüber, als Regierungschef eines starken Landes in diese Verhandlungen zu gehen.

Ich habe lieber die Mühen und die Auseinandersetzungen in den nächsten Wochen oder vielleicht auch Monaten – niemand weiß, wann der Finanzrahmen wirklich abge­schlossen wird –, ich habe lieber die Konflikte und die Diskussionen darüber, dass ein starkes Land wie Österreich natürlich nicht so viele Befürworter hat, die uns gerne zu­sätzlich etwas geben wollen, dass wir dort um unsere Interessen auch kämpfen wer­den, das ist mir allemal lieber, als wir würden als ein Land in die Verhandlungen gehen, das irgendwie aus der Euro-Zone ausschert oder Spekulationsobjekt für viele ist, wie das manche Parteien auch in diesem Haus vertreten.

Daher: Eine starke Vertretung Österreichs für ein starkes Europa nützt beidem – der Entwicklung in unserem Land und der Entwicklung Europas. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Europastunde laut § 74b Abs. 2 in Verbindung mit § 97a Abs. 6 der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen zu Wort. – Bitte.

 


10.58.56

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanz­ler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, danke für das klare und sachliche Zurechtrücken der Tatsachen. Das brauchen wir hier, das muss man immer wieder sagen und immer wieder deutlich und laut sagen, denn es gibt hier herinnen, wie wir gehört haben, sehr unterschiedliche Meinungen. Das Motto des BZÖ heute scheint ja zu sein: Jeder für sich.

Egoismus und Inseldenken, meine Damen und Herren, sind immer schon schlechte Berater gewesen. Österreich gehört heute zu den modernsten, zu den wohlhabendsten und leistungsstärksten Staaten der Welt. Und warum? – Weil wir die Chance genutzt haben, die uns der europäische Einigungsprozess geboten hat.

Eine einfache Rechnung reicht, um das zu belegen. Der Herr Bundeskanzler hat schon davon gesprochen: Der allergrößte Teil unseres EU-Beitrages fließt wieder nach Ös­terreich zurück, nämlich in die Landwirtschaft, in die Bildung, in Infrastrukturprojekte, in Forschung und dergleichen. Netto zahlen wir also 0,2 Prozent unseres BIP an die EU. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 45

Unabhängig davon lässt unsere EU-Mitgliedschaft die österreichische Wirtschaft aber jährlich um das Fünffache – um das Fünffache – dieses Betrages wachsen. Wer also netto mit brutto vergleicht, der rechnet einfach falsch und denkt viel zu kurz.

Österreich profitiert als exportorientiertes Land wie kaum ein anderes Land in Europa von der EU. Die EU sichert uns einen riesigen Binnenmarkt, den wir für den Absatz un­serer Produkte brauchen, die EU stabilisiert und demokratisiert unsere östlichen und südlichen Nachbarn, und sie sorgt für europaweite Mindeststandards in Umwelt- und Sozialfragen.

Wer Kosten und Nutzen der EU ehrlich berechnen will, der muss auch diese Faktoren berücksichtigen, der muss auch diese Faktoren miteinbeziehen. Dann wird man erken­nen können, dass der Gewinn ungleich viel höher ist als der Beitrag, den wir leisten.

Aber eines ist auch klar: Österreich ist zwar bereit, einen angemessenen Beitrag zu leisten, aber der Haushalt, in den wir einzahlen, muss bestimmte Bedingungen und Standards erfüllen. Der neue Finanzrahmen der EU muss so aufgestellt werden, dass die Gelder effizient und effektiv genutzt werden, um diese großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, meistern zu können. Das heißt, Forschung und Bildung gehören gefördert, das Gleiche gilt für die transeuropäischen Infrastrukturprojekte und natürlich für nachhaltige Arbeits- und Beschäftigungsmaßnahmen. Dabei denke ich besonders an die Jugendgarantie, worüber wir hier schon oft gesprochen haben. Österreich ist diesbezüglich ein Vorbild. Wir sollten den Jugendlichen in Europa versprechen, dass sie vier Monate nach Abschluss ihrer Schulbildung einen Arbeitsplatz erhalten. Das kostet sicher kurzfristig Geld, aber langfristig bewahrt uns dieses Geld vor einer sozia­len Katastrophe. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das wäre ein starkes Zeichen der Solidarität, wenn alle Mitgliedsländer auf ihre Rabatte verzichten und dieses Geld zum Beispiel der Bekämpfung der Jugendar­beitslosigkeit widmen würden (Abg. Kickl: Kann das sein, dass Sie die Linie des Kanz­lers konterkarieren?), so wie das der Bundeskanzler auch schon vorgeschlagen hat. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Zum ländlichen Raum. – Der ländliche Raum – das hat der Herr Bundeskanzler auch schon gesagt – muss gefördert werden. Wir brauchen ein breites Versorgungssystem des ländlichen Raumes. Das geht von einem Ausbau der Kinderbetreuung hin bis zum Breitband-Internet im ländlichen Raum.

Das heißt, es müssen alle Menschen profitieren, seien es jene, die in der Stadt leben, oder jene auf dem Land. Dennoch muss auch der EU-Haushalt seinen Teil dazu bei­tragen, die Staatsschulden zu senken. Eine Möglichkeit zum Beispiel wäre auch die Deckelung der Großbauern-Förderung. Dadurch könnten Millionen eingespart werden, ohne einen einzelnen Arbeitsplatz zu gefährden.

Ich denke, wir könnten auch wieder gemeinsam weiterarbeiten an der Finanztransak­tionssteuer. Elf Länder sind bereit, diese einzuführen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wenn wir weiterkämpfen, sodass mehr Länder daran teilnehmen, wenn mehr Länder diese Finanztransaktionssteuer einführen würden, dann wäre das doch eine konstruktive und integrierende Politik, die gut für Österreich und gut für die Sanierung unserer Haushalte ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. – Bitte.

 


11.04.22

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bucher, trotz meiner wirklich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 46

persönlichen Wertschätzung, die ich nach wie vor für Sie hege, muss ich sagen: Bei dem, was Sie heute wirr und unlogisch und populistisch vorgetragen haben, wundert es mich nicht, dass Ihnen nicht nur die Wähler, sondern auch Ihre eigenen Mandatare davonlaufen. (Rufe beim BZÖ: Na, na, na!)

Österreich, die Österreicherinnen und Österreicher gehören zu jenen, die am meisten von der EU-Mitgliedschaft profitieren. Wir gehören zu den Gewinnern, und ich werde versuchen, das jetzt anhand eines einfachen Rechenbeispiels – einfach gehalten, da­mit auch das BZÖ es nachvollziehen kann – darzustellen.

Aufgrund unserer EU-Mitgliedschaft ist die Wirtschaft durch die Mitgliedschaft jährlich um 0,4 bis 0,6 Prozent des Bruttonationalprodukts zusätzlich gewachsen. Das sind während der gesamten Mitgliedschaftsperiode etwa 10 Prozent. Diese 10 Prozent, um­gelegt auf ein Bruttonationalprodukt von grob 300 Milliarden, sind 30 Milliarden. Wenn man für diese 30 Milliarden eine Steuer- und Abgabenquote von 40 Prozent – das ist jetzt sehr konservativ und sehr zurückhaltend – in Anschlag bringt, bedeutet das Mehr­einnahmen für den Staat und damit für die Österreicherinnen und Österreicher von jährlich 12 Milliarden durch die EU-Mitgliedschaft. Wenn ich in Abzug bringe, was wir netto in das EU-Budget einzahlen, im Schnitt um die 700 Millionen, dann heißt das, wir können aufgrund der Mitgliedschaft in der EU für österreichische Anliegen jährlich etwa 11,3 Milliarden € mehr – das ist schon ein ordentlicher Batzen – einsetzen.

Jetzt frage ich dich, Kollege Bucher: Wenn du 500 € zu veranlagen hast, wo kannst du das tun, um am Jahresende 11 300 € zurückzubekommen? – Nicht einmal bei meiner Bank! (Zwischenruf des Abg. Kickl. – Abg. Bucher: Die Rechnung stimmt nicht!) In der EU-Mitgliedschaft. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das ist unfassbar! – Abg. Kickl: Herr Kollege, mit der Argumentation müssen Sie die 700 Millionen auch noch !)

Das ist der Grund, lieber Kollege – einfach nachrechnen!, mitschreiben, nachrechnen (Abg. Mag. Stefan: Das haben wir schon! Es ist falsch!) und mir recht geben, es geht nicht anders –, das ist der Grund dafür, dass wir mehr EU wollen, dass wir auch bereit sind, mehr zu zahlen, wenn es notwendig ist, weil Österreich mehr profitiert, weil die Österreicherinnen und Österreicher besonders profitieren. Das ist gerade für die jun­gen Menschen sehr wichtig.

Es geht nicht darum, und das müsst ihr auch einmal verstehen – ihr versteht es ja, ihr wollt es einfach aus Populismus nur nicht zugestehen –, es geht nicht darum, ob wir mehr zahlen, sondern darum, wofür diese Mittel eingesetzt werden. (Abg. Bucher: Ei­ne Sekretärin kriegt 8 000 netto!) Kollege Bucher, ja, ich habe zugehört, es war trotz­dem nicht richtig, aber was ich jetzt sage, mag vielleicht erhellend sein, auch für dich. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Bucher, was wir von den EU-Institutionen verlangen, ganz konsequent verlan­gen, ist, dass sie einerseits sparsam und kostenbewusst budgetieren und andererseits dem Prinzip des Better Spending entsprechen, das heißt, die Mittel klug und richtig einsetzen. Was heißt „klug und richtig einsetzen“? – Impulse für Wachstum und Be­schäftigung zu geben!

Die Europäische Union hat sich dabei an der Strategie 2020 zu orientieren, die hof­fentlich allen bekannt ist. Der Fokus dieser Strategie liegt auf der Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen, auf der Sicherung der Jugendbeschäftigung, auch für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund – ein wichtiges Thema in Europa – und auch darauf, die Investitionen in Bildung und Forschung und Innovation zu gewähr­leisten. Wir wollen eine wissens- und innovationsorientierte Wirtschaft, die zweierlei vermag: erstens im Wettbewerb zwischen den USA und Asien zu bestehen – eine der großen Herausforderungen – und zweitens jene notwendigen Sozialleistungen zu fi-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 47

nanzieren, auf die wir in Europa durchaus stolz sein können. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Was wollen wir von unserer Wirtschaft in Österreich? – Wir wollen, dass das EU-Bud­get auch die ländliche Entwicklung unterstützt – der Herr Bundeskanzler hat das dan­kenswerterweise sehr klar gesagt –, und ich halte auch viel von der Idee des Bundes­kanzlers und der Regierung, dass wir sämtliche Rabatte, die es jetzt gibt, in einen Fonds einbringen – das wären 7 Milliarden – und daraus kraftvoll Impulse für die Ju­gendbeschäftigung finanzieren. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzei­chen.)

Mit einem Wort (Abg. Strache: Vielleicht noch einen Schlusssatz, Herr Ikrath!): Wir wollen ein Europa, das Wachstum, das Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit si­cherstellt. Was wir nicht brauchen, ist der Populismus des BZÖ, und wir werden auch kein Veto brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.09


Präsident Fritz Neugebauer: Ich möchte nur darauf aufmerksam machen: Das sind keine Blockredezeiten, sondern die Redezeit jedes einzelnen Redners/jeder einzelnen Rednerin ist mit 5 Minuten begrenzt.

Nächster Redner: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


11.10.24

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute im Zuge seiner Ausführungen dargelegt, dass wir neue, zusätzliche Arbeits­plätze in Österreich haben. – Ja, vollkommen richtig, aber reden Sie doch mit Ihrem Parteifreund und Landeshauptmann Niessl im Burgenland, der wird Ihnen bestätigen, dass alle neuen Arbeitsplätze im Burgenland im letzten Jahr leider Gottes von keinem Österreicher besetzt worden sind, sondern zu 100 Prozent von osteuropäischen Ar­beitskräften, die auch günstiger und billiger arbeiten! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Vi­limsky: Richtig!)

Es findet ein Verdrängungsprozess statt, der dazu führt, dass wir trotz mehr Arbeit eine höhere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen haben und leider Gottes immer mehr Österrei­cher in der Arbeitslosigkeit landen.

Sie haben heute auch gesagt, Österreich stünde gut da. Also ich muss sagen, bei al­lem Respekt: Rekordstaatsverschuldung, Rekordsteuerbelastung in Österreich, eine Arbeitslosigkeit, die leider Gottes dramatisch ansteigt, wenn man alle Bereiche hinzu­zählt, nämlich auch die Schulungsbereiche und natürlich auch die Frühpensionisten, die zwangsweise in Pension geschickt werden und daher ohne Arbeit dastehen, und eine Rezession, die vor der Tür steht – all das beunruhigt Sie offensichtlich gar nicht. Alles eitel Wonne, wie Sie heute darzustellen versucht haben.

Man muss schon auch sagen, Herr Bundeskanzler, dass Sie in den letzten Tagen an­gekündigt haben, dass sich die EU-Beiträge Österreichs erhöhen werden, dass wir da­mit rechnen müssen, dass wir künftig höhere Beiträge zu zahlen haben werden. Damit haben Sie wieder einmal klar aufgezeigt, auf welcher Seite Sie stehen. Immer dann, wenn von der Europäischen Union irgendeine Begehrlichkeit zum Nachteil der öster­reichischen Bevölkerung kommt, sind Sie der Erste, der draufspringt, anstatt endlich das zu tun, was die österreichische Bevölkerung von Ihnen erwartet und erwarten kön­nen muss, nämlich dass sich der Bundeskanzler endlich auf seine Hinterfüße stellt und die österreichischen Interessen vertritt (Beifall bei der FPÖ), dass er endlich auch fest­hält, dass diese hohe Steuerlast, die wir in Österreich heute erleiden müssen, die die Bürger zu bezahlen haben, zu erwirtschaften haben, dass diese österreichischen Steu­ergelder für die Menschen in Österreich, für die Landsleute eingesetzt werden!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 48

Wir haben Bedarf in so vielen Bereichen. Hier im Land muss investiert werden, in die Bildung, wo wir Nachhaltigkeit und Verbesserungen schaffen müssen, in Innovation, in Forschung, in Arbeitsmarktinitiativen, überall dort wären Investitionen notwendig, in Bauprojekte, die anstehen, in Infrastrukturbereiche et cetera. Aber nein! Zu den hohen Beiträgen, die wir jährlich leisten – und es sind, bei aller Wertschätzung, über 3,6 Mil­liarden €, die wir Österreicher jährlich brutto an die Europäische Union an Beiträgen zahlen –, sagen Sie nur, wir bekommen ja ein bisschen etwas zurück. Das ist doch ei­ne Milchmädchenrechnung! Die 800 Millionen €, die wir netto zahlen – netto! –, wären doch besser in Österreich aufgehoben. Wir bräuchten sie etwa im Bereich Landwirt­schaft oder anderswo. (Beifall bei der FPÖ.)

ÖVP-Vizekanzler Spindelegger hat letzten Samstag ja wenigstens einmal den Begriff „Veto“ gegen das Budget in den Mund genommen. Das wäre wichtig, und natürlich braucht es Mut und Charakter, sich gegen solche Begehrlichkeiten der EU-Bürokratie zur Wehr zu setzen. Leider kann ich diese Ankündigung nicht ernst nehmen, denn im­mer dann, wenn der Herr Vizekanzler einmal ein bisschen Mut gezeigt hat, ist er gleich zusammeng’staucht worden, unlängst erst wieder von Herrn Juncker und anderen. Er war dann eigentlich gleich wieder auf Spur und hat auch wieder schön funktioniert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aber auch nicht verwunderlich, dass Herr Spindelegger sich auf Ebene der Europäischen Union nicht durchsetzen kann, hat er doch in der eigenen Partei schon Schwierigkeiten genug, wenn man sich anschaut, wie in Wahrheit Erwin Pröll die Linie vorgibt.

Aber eines steht fest: Die Österreicher erwarten sich von Ihnen, Herr Bundeskanzler, dass die Nettobeiträge oder Bruttobeiträge sinken, und zwar deutlich sinken! (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt keine Veranlassung, bei einer Rekordverschuldung, die wir heute haben, bei ei­ner Rekordsteuerbelastung, bei Problemen auf dem Arbeitsmarkt mit steigender Ar­beitslosigkeit, bei einer drohenden Rezessionsentwicklung so hohe Beiträge in dieses Konstrukt zu zahlen, zumal wir wissen, dass in Brüssel eine EU-Tintenburg sitzt, dass dort unglaubliche bürokratische Prozesse vor sich gehen, dass sogar der Europäische Rechnungshof dargelegt hat, dass über 20 Prozent dieser Beiträge missbräuchlich ver­wendet werden, in dunklen Kanälen versickern. Also von „Effizienz“ – ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder bemüht wird – ist da keine Spur.

Genau das erwarten sich die Menschen, und wir Freiheitlichen sind den Österreichern im Wort. Wir wollen nämlich nicht, dass wir Österreicher weiter entsorgt werden und weiterhin Nachteile haben, dass weiterhin Milliarden österreichischer Steuergelder in Richtung der Bankspekulanten fließen. Genau dafür sind Sie nämlich verantwortlich, Sie sind der Hampelmann der Bankspekulanten, Herr Bundeskanzler! Sie vertreten heute die Interessen jener, die diese Krise verursacht haben, anstatt dort endlich die Konsequenzen zu ziehen, eine Bankenkonkursordnung sicherzustellen (Beifall bei der FPÖ), anstatt endlich sicherzustellen, dass jene Manager, die als Brandstifter diesen Schaden am Finanzmarkt angerichtet haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Sie leben Solidarität mit den Bankspekulanten, die diesen Schaden angerichtet haben, und nicht mit den eigenen Bürgern und schon gar nicht auch mit den griechischen oder por­tugiesischen Bürgern.

Ich sage daher zum Abschluss: Wir werden, nachdem Sie uns auch den ESM mit rot-schwarz-grüner Zustimmung aufgebürdet haben, immer wieder klar und deutlich her­vorkehren, was sich die Menschen erwarten: Nettobeiträge zu senken, österreichische Interessen in Europa durchzusetzen, Griechenland endlich aus der Eurozone zu ent­lassen, anstatt die Entwicklung zur Schuldenunion voranzutreiben, wie Sie das getan haben! (Beifall bei der FPÖ. – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 49

Das erwarten sich die Menschen, weil sie eine friedliche Zukunft Europas und nicht eine unfriedliche Entwicklung erleben wollen, die jetzt durch die Schuldenunion ange­brochen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

11.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. – Bitte.

 


11.17.00

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Klubobmann Strache, bitte schon bei der Wahrheit bleiben! Der Beitrag Österreichs in die Europäische Union betrug 2011 2,7 Milliarden €. Von über 3 Milliarden € kann keine Rede sein. Die Nettobeiträge Ös­terreichs (Abg. Strache: 3,6!) – ich habe es hier, ich kann es Ihnen zeigen – lagen im Durchschnitt der letzten Jahre bei 560 Millionen €.

Wenn man jetzt vergleicht, weil Sie so auf die Banken schimpfen und auch Herr Bu­cher so auf die Banken geschimpft hat: Wir haben in Österreich jedenfalls bereits fünf­einhalb Milliarden € für die österreichischen Banken in den Sand gesetzt, und ein Zehntel davon jährlich macht der Nettobeitrag Österreichs an die Europäische Union mit hohem Mehrwert aus. (Beifall bei den Grünen.) Ich würde gerne dafür plädieren, dass wir in diesem Hohen Haus endlich einmal eine sachliche Debatte über den EU-Haushalt führen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Ich weiß, der EU-Haushalt ist eine hassenswerte Zwangsabgabe, so wird er jedenfalls gesehen. Ich sehe das nicht so. Er wird auch gesehen als ein Festival nationaler Inter­essen, und genau das können wir bei dieser Debatte hier in diesem Hohen Haus ver­folgen.

Wenn der Herr Bundeskanzler gemeint hat, er könne sich höhere Beiträge vorstellen, so sehe ich das als einen Schritt in eine richtige Richtung. Aber auf der anderen Seite muss man dann sehen, dass postwendend Herr Staatssekretär Lopatka sofort ausge­ritten ist und gesagt hat, erstens muss der Briten-Rabatt erhalten bleiben, zweitens darf es keine Kürzungen bei den Mitteln für die ländliche Entwicklung geben, und drittens müssen wir mehr sparen, mehr als das, was die zypriotische Präsidentschaft vorsieht, nämlich 50 Milliarden.

Ich verlese aus der österreichischen Position: Österreich begrüßt den Ansatz der Präsi­dentschaft, Kürzungen im Vergleich zum EK-Vorschlag vorzunehmen. Allerdings kön­nen die vorgeschlagenen 50 Milliarden lediglich ein erster Schritt in die richtige Rich­tung sein, dem weitere folgen müssen. – Zitatende. (Abg. Dr. Pirklhuber: So schaut’s aus!)

Sie, Herr Bundeskanzler, und auch Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, wol­len bei einem gesamten Finanzrahmen über die gesamte Periode von rund 1 000 Mil­liarden € gemeinsam mit den Nettozahlern Kürzungen in der Größenordnung von 100 Milliarden € erreichen. Der gesamte Finanzrahmen macht ja jährlich überhaupt nur 130 Milliarden € aus. Das ist ein Tropfen auf einem heißen Stein dafür, dass sich die Europa-2020-Strategie eine Reihe von Zielen im ökologischen Bereich, im sozialen Bereich, im Beschäftigungsbereich gesetzt hat; Beispiel: Abbau der Armut um 20 Mil­lionen Menschen. Da sehen wir einen Anstieg!

Sie müssen mir schon erklären, wie das gehen soll, Herr Bundeskanzler oder meine Damen und Herren von der ÖVP, wenn Sie sagen, Sie wollen weniger einzahlen und mehr haben. Das ist die Quadratur des Kreises. Ja das wird nicht gehen! Das ist letzt­endlich auch nicht mehr als eine erbärmliche Haltung zum EU-Haushalt, wie wir sie von Herrn Strache auf der einen Seite und von Herrn Bucher auf der anderen Seite er­klärt und präsentiert bekommen haben. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 50

Es ist keine Rede davon, dass zur Einhaltung der Europa-2020-Strategie im Europa­haushalt eigentlich mehr Mittel zur Verfügung stehen müssen: für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für die Erreichung der ökologischen Ziele, aber auch dafür, dass wir aus der Rezession herauskommen.

Es ist keine Rede davon, dass wir innerhalb des EU-Haushaltes substanzielle Um­schichtungen brauchen. Immer noch steht ein erheblicher Teil – derzeit rund 40 Pro­zent – für den Agrarsektor zur Verfügung. Da buttern wir Direktzahlungen in einem un­erträglichen Ausmaß in die Agrarindustrie hinein. Das muss ein Ende haben! Diese Gelder müssen in den Europäischen Sozialfonds, der schon seit Oktober kein Geld mehr hat, umgeschichtet werden, zur Bekämpfung der Armut, der Arbeitslosigkeit, für die Bildung, für die Forschung, für nachhaltiges Wachstum, aber auch für den ländli­chen Raum – aber nicht nur für die Agrarpolitik im ländlichen Raum, nein, für alle Men­schen im ländlichen Raum. (Beifall bei den Grünen.) Das heißt auch: Verwendung der Mittel für Altenpflege, für Kinderbetreuung und dergleichen mehr.

Effizienzsteigerungen – selbstverständlich, keine Frage, aber wir müssen uns auch die Finanzierungsseite anschauen. Wir haben ja jetzt mit der Finanztransaktionssteuer in Wirklichkeit ein Mittel, wo wir einen eigenen EU-Beitrag schaffen könnten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Teile der Finanztransaktionssteuer in den EU-Haushalt hineinflie­ßen würden. Und dann würden wir zusammen mit den Umschichtungen zu einer Win-win-Situation kommen.

Aber wenn Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, die Vetokeule schwingen, so begeben Sie sich auf eine Seite mit David Cameron und der FPÖ; Sie machen sich zum Erfüllungsgehilfen der FPÖ, und das ist eine Schande. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: „Bravo“!)

11.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


11.22.24

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn mein Vorredner von den Grünen für mehr Zahlungen Österreichs an die EU ein­tritt und jetzt auch noch die Kinderbetreuung europäisieren möchte, dann mag das ein bisschen merkwürdig klingen, aber es ist nicht wirklich relevant. (Abg. Mag. Ross­mann: Das habe ich nicht gesagt!)

Kollege Ikrath kommt jetzt gerade herein, daher: Ich hoffe nur, lieber Kollege, dass nie­mand aus der EU-Kommission bei deiner Rede mitgehört hat, denn dann brauchen wir gar nicht mehr verhandeln zu gehen. Wir haben gerade ein kleines Pflänzchen öster­reichischen Selbstbewusstseins in der Europäischen Union gehört, und zwar von Staatssekretär Lopatka, dann auch von Außenminister Spindelegger – ich glaube, das sind immer noch Parteikollegen von dir –, die ein Veto zumindest in den Raum gestellt haben. Das heißt, dass wir unseren Rabatt und auch noch die eine oder andere zu­sätzliche Unterstützung für Österreich haben wollen, ansonsten wird man, zumindest möglicherweise – das ist ohnehin schon sehr relativ –, dem EU-Budget nicht zustim­men. So weit, so gut. Das könnte man unterstützen, denn man braucht ja zuerst einmal eine Verhandlungsposition. Ob man das dann am Ende gerne macht oder nicht, ist et­was anderes, aber man muss ja einmal in Verhandlungen hineingehen, um die Pflöcke abzustecken, wenn man etwas erreichen will. Aber da kommt dann der Kollege Ikrath hier heraus – von derselben Partei wie der Herr Außenminister – und sagt: Na ja, gar keine Rede von Veto, sondern – ich zitiere –: Wir wollen oder sollen mehr zahlen, und dieses Geld soll nur gut eingesetzt werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also wie ist denn das jetzt? Wie ist denn die Verhandlungsposition? Der Herr Bundes­kanzler hat auch schon ein bisschen gesagt: Was soll das mit dem Veto? – Ich frage


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 51

Sie jetzt wirklich: Sie gehen in wichtige Verhandlungen, in denen es darum geht, die In­teressen Österreichs optimal zu vertreten. Wir haben schon einen EU-Kommissar, der mitgestimmt hat, als es darum ging, den Rabatt Österreichs zu streichen. Aber jetzt kommt die österreichische Bundesregierung, es kommen die Regierungsvertreter, und da taucht ein zartes Pflänzchen auf, indem man sagt, wir wollen vielleicht doch einmal ordentlich verhandeln. Aber nein, da kommt schon der Abgeordnete Ikrath hier heraus und sagt, wir wollen nicht weniger zahlen, wir wollen mehr zahlen. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath.)

Also, was ist denn das? Gehen Sie bei Ihnen in der Bank auch so verhandeln, wenn es um die Interessen der Bank geht? Da habe ich Sie anders erlebt, Herr Kollege, auch in den Ausschüssen. Wenn es um Ihre Interessen geht, sind Sie hart am Verhandeln. Wenn es jetzt um die Interessen Österreichs geht, wollen Sie allem nachgeben, was in der Europäischen Union so unternommen wird. Und ich sage Ihnen: Das ist der falsche Ansatz!

Herr Bundeskanzler, Sie sagen: Keiner will uns etwas zusätzlich geben, denn wir sind ja so reich. – Es braucht uns niemand etwas zusätzlich zu geben. Wir wollen nicht mehr zusätzlich für die Misswirtschaft zahlen, die da überall passiert und jetzt auch im­mer wieder aufgedeckt wird.

Kollege Ikrath, wir wollen auch nicht länger Haftungen für europäische Banken über­nehmen, die das dann „dankenswerterweise“ – nämlich für die Banken – ganz anders umsetzen, als wir uns das vorstellen würden. Und ich sage das auch im Sinne der Soli­darität mit der europäischen Bevölkerung. Ich habe hier von diesem Rednerpult aus vor wenigen Wochen kritisiert, dass die spanischen Banken 100 Milliarden € an Haf­tungen auch von Österreich bekommen haben, damit sie ihre eigene Misswirtschaft ab­decken können. Wie bedanken sich diese spanischen Banken für 100 Milliarden € an Haftungen? (Abg. Mag. Ikrath: Überhaupt nicht!) – Indem sie die eigene Bevölkerung aus den Wohnungen hinausschmeißen, was, wie wir jetzt wieder gesehen haben, bis zum Selbstmord geführt hat. Und jetzt versucht man in Spanien krampfhaft, das zu be­reinigen.

Das ist die europäische Politik, und das ist die Lobbying-Politik, die wir hier kritisieren. (Beifall beim BZÖ.) Und deshalb keinen Euro mehr für diese Misswirtschaft, Herr Kol­lege! Dem müssten Sie doch auch zustimmen.

Solidarität ja, auch mit der europäischen Bevölkerung, aber nicht auf unsere Kosten, damit die Spekulanten hier weiter ihr Geld machen können. (Abg. Mag. Ikrath: Das ist aber jetzt billig!)

Und wenn wir schon bei den Spekulanten sind, Herr Kollege  (Abg. Mag. Ikrath: Na geh, das ist so billig!) – Nein, das ist nicht billig, das ist teuer! Billig sind Ihre Milchmäd­chenrechnungen, Herr Kollege Ikrath, bei denen Sie fiktiv irgendwelche Gewinne he­rauslesen! (Beifall beim BZÖ.) Von dem haben wir auch genug, Herr Kollege, denn das haben wir jedes Mal gehört. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath.) Jedes Mal, wenn es um Rettungspakete gegangen ist, wenn es um Haftungspakete gegan­gen ist – mich können Sie nicht herausfordern, da weiß ich Ihnen noch genug zu ant­worten! –, haben wir vonseiten der Regierung gehört: Das ist alles ein Geschäft. – Nein, das ist kein Geschäft, zahlen müssen wir! Wenn es notwendig ist, wenn es sinn­voll ist, ist man auch dazu bereit, aber führen Sie uns hier nicht hinters Licht, und sa­gen Sie nicht die Unwahrheit!

Über die Finanztransaktionssteuer höre ich jetzt schon wieder, die soll auch in einen Fonds eingebracht werden. Da, von dieser Regierungsbank aus, hat die Finanzministe­rin gesagt: Das soll in das österreichische Budget fließen. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.) Wo ist denn das alles? (Abg. Strache: So ist es! Das ist das Entschei­dende: In das österreichische Budget muss das fließen!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 52

Genau das ist das Problem. Wir bekennen uns zu Europa. Wir bekennen uns auch zur Idee einer gemeinsamen Europäischen Union. Aber da muss man offen und ehrlich diskutieren, im Sinne der Bürger und nicht im Sinne der Bürokratien und der Institu­tionen.

Wenn Sie endlich dazu kämen, Österreich optimal und offensiv zu vertreten, dann hät­ten Sie uns auch an Ihrer Seite. Aber mit diesen Rechnungen, die Sie hier anstellen, und mit diesen Falschinformationen werden Sie alleine bleiben. (Beifall beim BZÖ so­wie der Abgeordneten Strache und Mag. Stefan.)

11.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


11.28.13

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Fernsehzuschauer! Wir haben heute schon vom Herrn Bundeskanzler gehört, dass es sehr viele positive Effekte – auch wirtschaftlicher Natur – gibt, was die Europäische Union betrifft. Jetzt stimmt das leider nicht ganz. Wenn man sich ein Land wie die Schweiz ansieht und mit Österreich vergleicht, dann sieht man, dass wir nicht allzu stark von der EU profitiert haben – andere Länder übrigens auch nicht. Das heißt, man darf nicht die absoluten Zahlen sehen. Natürlich haben wir in den letzten Jahren ein stärkeres Wirtschaftswachstum gehabt. Aber wenn man das mit Ländern vergleicht, die nicht bei der EU sind, sieht man, dass die ein noch stärkeres Wirtschaftswachstum gehabt haben als wir.

Das heißt, wenn man etwas vergleicht, dann darf man nicht Äpfel mit Birnen verglei­chen, sondern muss die Zahlen genau im Auge behalten.

Aber wir sind ja – das muss ich auch dazusagen – für eine starke Europäische Union. Dafür sind wir. Aber wir sehen die Vorteile eher in der Friedenserhaltung. Das heißt, für uns ist Europa ein Friedensprojekt – das darf man nicht aus den Augen verlieren. Na­türlich ist es auch ein wirtschaftliches Projekt, aber nicht so, wie Sie das darstellen, was die Beschäftigung betrifft und so weiter, sondern es gibt ja auch Verdienste im Be­reich des Aufbrechens von Monopolen; auch da haben wir einige Vorteile durch die EU gehabt. Oder auch was mehr Wettbewerb betrifft, haben wir einige Vorteile gehabt. Das sehen wir auch so. Aber für uns ist das Friedensprojekt immer im Zentrum.

Jetzt ist die Frage, wenn es darum geht, ob wir das Budget der EU beziehungsweise unseren Anteil, den wir zahlen, erhöhen sollen: Was bekommen wir dafür? Das ist die zentrale Frage.

Jetzt wird da argumentiert, es wird hier in Bildung investiert, die Arbeitslosigkeit be­kämpft. Jetzt frage ich mich: Warum muss das die EU machen? Warum müssen wir den Umweg gehen, dass wir unser Geld in die EU schicken und dann über Umwege hoffentlich wieder zurückbekommen, um das Bildungsproblem in Österreich zu lösen beziehungsweise hier für Beschäftigung zu sorgen? Das macht ja keinen Sinn. Und wenn man sich anschaut, was die EU so alles mit ihrem Geld macht, dann weiß man, dass das der falsche Weg ist.

Vor zirka vier Monaten hat es eine Diskussion gegeben im Zusammenhang damit, dass man sich die Förderungen im Bereich des Weinbaus genau angeschaut hat. Die EU macht ganz abstruse Dinge: Auf der einen Seite fördert die EU Weinbauern, die ihre Felder stilllegen. Das heißt, Weinstöcke, die nicht dementsprechend genutzt wer­den, werden gefördert – was ja grundsätzlich gut sein soll, weil wir anscheinend zu viel Wein in Europa haben. Auf der anderen Seite aber fördert die EU Weinbauern, die mehr Wein produzieren. Das macht sie auch. Und wozu hat das in der Vergangenheit geführt? Da hat es vom Europäischen Rechnungshof einen Bericht darüber gegeben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 53

Es hat dazu geführt, dass wir zig Millionen ausgegeben haben und letztlich mit diesem Förderdschungel nichts anderes erreicht haben, als dass der Status quo gleich ge­blieben ist. Das heißt, es wurde gleich viel weiter produziert, trotzdem wir Millionen ausgegeben haben. Und das gehört abgestellt! (Beifall beim Team Stronach.)

Ein zweites Beispiel: dieser „Wanderzirkus“ in Europa. Wir haben seit Jahrzehnten ei­nen „Wanderzirkus“ zwischen Brüssel und Straßburg. (Abg. Brosz: Da redet der Rich­tige!) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da wird permanent Geld ausgegeben, nur um die Eitelkeit der Franzosen zu befriedigen. Und jeder, der das anspricht, wird sofort als uneuropäisch und Sonstiges beschimpft. Darüber müssen wir auch einmal sprechen: Brauchen wir diesen „Wanderzirkus“?

Und jetzt sind wir genau dort, wo wir hin müssen. Jetzt sind wir dort, wo die EU von uns einen größeren Beitrag fordert und wir in einer sehr guten Verhandlungsposition wären. Wir haben eine gute Verhandlungsposition. Man will ja etwas von uns. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass wir einfach, wo wir eh schon genug zahlen, noch mehr zahlen. Jetzt will man etwas von uns. Und jetzt könnte der Herr Bundeskanzler herge­hen und sagen, ja, wir sind bereit, darüber zu reden, aber wir wollen, dass endlich die Hausaufgaben gemacht werden, wir wollen, dass das Geld in der EU nicht verschleu­dert wird, wir wollen, dass dieser „Wanderzirkus“ endlich aufhört, wo Milliarden in den Sand gesetzt werden. Das könnten wir einmal ansprechen. (Abg. Haubner: Damit könnten wir schon im Parlament anfangen!) Wir könnten diesen Förderdschungel end­lich einmal aufbrechen. Darüber müssen wir reden!

Wenn wir nicht darüber reden, wenn man Geld von uns will, wann bitte dann? Wir sind ja nie wieder in einer so guten Position wie jetzt, wo wir verhandeln könnten und wirk­lich gute Dinge bewegen könnten. Und was passiert? – Nichts! Und genau das ist das Problem.

Das ist ja symptomatisch, nicht nur in der EU: Es wird immer in die Geldtasche des Steuerzahlers gegriffen. Das macht ja auch die Bundesregierung. (Abg. Dolinschek: Ihr in eurem Klub auch!) Die macht ja auch die Hausaufgaben nicht und greift immer wieder in die Geldtasche des Steuerzahlers, weil es einfacher ist. Es ist einfacher, in die Geldtasche der Steuerzahler zu greifen, als dass man endlich die Hausaufgaben macht. (Abg. Petzner: Was macht denn ihr? 2 Millionen!)

Deshalb, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie in einer guten Position sind, dann führen Sie diese Verhandlungen so, dass letztlich für den Steuerzahler ein Vorteil herauskommt! (Beifall beim Team Stronach.)

11.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte.

 


11.33.35

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Gleich auf einzelne Punkte von den diversen Vorrednern eingehend: Es ist selbstverständlich die Aufgabe eines jeden Landes und daher auch von Österreich, darauf zu achten, dass mit den Geldern, die nach Brüssel gehen, verantwortungsvoll umgegangen wird, dass es die entsprechende Kontrolle gibt. Es gibt dafür die Antikorruptionsbehörde, die ihren Kampf gegen die missbräuchliche Verwendung dieser Gelder aufnimmt, und es gibt eine Initiative von einzelnen Ländern, an der Spitze Österreich, eingebracht am 12. Ju­li 2012, die fordert, dass man sich für die Zeit von 2014 bis 2020 gefälligst überlegt, wie man im Bereich der Administration und der Verwaltung bis zu 15 Milliarden € einsparen kann. Das heißt also, dass innerhalb des Haushaltes ganz besonderer Wert darauf ge­legt wird, dass es hier zu Einsparungen kommt, was die Bezahlung et cetera betrifft, und dass man gegen Privilegien auftritt. Österreich ist an der Spitze dieser Initiative und wird darauf achten, dass das auch umgesetzt wird. (Abg. Bucher: Das Gegenteil


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ist der Fall: Um 8,8 Prozent bekommen sie ihr Gehalt erhöht! Verdienen die roten Se­kretärinnen auch 8 000 € netto?)

Wir haben aber in dieser Debatte noch zu berücksichtigen, und das führt uns in die Grundsatzdebatte: Warum überhaupt Mitglied der Europäischen Union und der Euro­zone? – Und das ist ganz einfach zu beantworten: In Zeiten, in denen es einen ver­stärkten Wettbewerb gibt zwischen dem Großraum Asien, vor allem China und seiner Volkswirtschaft, den USA und vielen aufstrebenden Ländern, wie es Indien und andere sind, muss sich der europäische Kontinent anders organisieren, das heißt, wirtschaft­lich und politisch wettbewerbsfähig sein. Denn wir wollen, dass der Standort Europa und natürlich im Speziellen – das sage ich jetzt als Österreicher – der Standort Öster­reich abgesichert werden. Und wenn der Standort Österreich abgesichert wird, dann bedeutet das, dass auch die Beschäftigung, das Wachstum, unser Gesundheits- und Sozialsystem, die Pensionen ebenfalls abgesichert sind.

Da gibt es ein Verteilungssystem in der Europäischen Union, wo Schwerpunkte gesetzt werden. Und die Schwerpunkte sind im Moment im Bereich der Infrastruktur und natür­lich auch im Bereich des ländlichen Raumes. Und da muss man schauen, wie dann dort mit den Geldern umgegangen wird, dass das nicht bloß nach dem Gießkannen­prinzip erfolgt. Das ist ein sehr umkämpfter Bereich. Weitere Schwerpunkte sind Be­schäftigung, Wachstum – das steht immer mehr im Zentrum –, Jugendbeschäftigung, Forschung, Innovation und Bildung. So, und da wird jetzt versucht, das zu steuern. Diese Steuerung hat im Übrigen auch den Zweck, dass es zu einer ausgewogeneren Entwicklung der Regionen in Europa kommt.

Warum soll das so sein? – Schauen Sie, gerade jene Parteien, die immer sehr kritisch gegenüber Migrationsströmen sind, dort, wo ungeregelte Migrationsströme auftreten, sollten wissen: Wenn die Menschen einen Sinn darin sehen, auch in den europäischen Peripherien zu leben, zu arbeiten, dort zu bleiben, dann wird es diesen Migrationsdruck nicht geben, den keiner will, wenn der dann sozusagen in einem überbordenden Aus­maß zu einem Druck auch auf den europäischen Arbeitsmärkten führt. So einfach ist das.

Das muss man dann alles abwägen, und davon hängt dann auch ab, welche Beiträge man einzahlt, was damit geschieht, wie das kontrolliert wird – und was zurückfließt. Ös­terreich ist eines der reichsten Länder, eines der erfolgreichsten Länder und ruft auch alle Förderungsmöglichkeiten in Brüssel optimal ab. Daher kommen wir jetzt in die Dis­kussion.

Und da muss ich schon sagen, es hätte im Kommissionsbeitrag nicht drinnen stehen müssen, dass Österreich seinen Rabatt nicht bekommt. Wir haben einen österreichi­schen Kommissar, und da frage ich mich, was der österreichische Kommissar ei­gentlich gemacht hat in der EU-Kommission, wie es darum gegangen ist, ob diese Forderung aufgestellt wird oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Scheibner und Bucher.) Und jetzt im Nachhinein zu sagen, die Scharte soll der Bundeskanzler auswetzen, das ist ein bissel zu einfach. Da muss man schon die gesamte Geschichte betrachten.

Noch etwas, wenn wir schon bei den Zahlen sind: Wir haben seit 1995 insgesamt an Förderungen für Österreich 26,6 Milliarden € abgerufen. Das wurde sehr gezielt in Ös­terreich eingesetzt, unter anderem auch regionalspezifisch. Und es ist so, dass wir da­durch, dass wir im Euro-Raum sind, mindestens 500 000, wenn nicht mehr, Arbeits­plätze im Exportbereich abgesichert haben. Laut Wifo sind 0,9 Prozent BIP-Wachstum der EU-Mitgliedschaft Österreichs zuzurechnen. Es gibt Rückflüsse, die für die Re­gionalförderung eingesetzt werden, für die Landwirtschaft, aber auch für die Beschäfti­gung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, für die Förderung von Bio- und Berg­bauern und so weiter. Dazu sollten wir uns bekennen, dass das wichtig ist.


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Das alles bitte muss man dann in diesen Saldo mit einberechnen. Und da, glaube ich, ist es für uns nach wie vor ein äußerst hoher Gewinn, dass wir Mitglied in der Euro-Zo­ne sind, dass wir eine gemeinsame Währung haben, die mit dem Dollar und mit an­deren Währungen konkurrenzfähig ist, und dass wir in der Europäischen Union sind und von dem Ausgleich der Regionen, auch innerhalb Österreichs, profitieren. Dadurch ist Österreich noch reicher, noch konkurrenzfähiger und hat noch gesichertere Sozial- und Gesundheitssysteme – und all die Errungenschaften, die wir weiter behalten wol­len.

Deshalb zum Abschluss gesagt: Ich bin da immer sehr skeptisch gewesen, was dieses Transferieren von Souveränitäten und Entscheidungskompetenzen nach Brüssel be­trifft. Ich bleibe skeptisch, denn, ich sage dazu, wir wollen dafür sorgen, dass das ös­terreichische Modell auf diesem hohen, ja höchsten Niveau weiter abgesichert bleibt. Und das ist unsere Aufgabe auch hier im Nationalrat. (Beifall bei der SPÖ.)

11.39


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


11.39.13

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Europa ist für uns alle eine Erfolgsgeschichte, auch für jene, die es gerne kri­tisieren. Wir genießen es ja jeden Tag, dass wir in einem friedlichen Umfeld leben, dass Demokratie und Freiheit in Europa ein Ziel der gemeinsamen politischen Anstren­gungen ist.

Seit der Gründung der Europäischen Union – sie hat damals noch anders geheißen – ist die gemeinsame Verwaltung der landwirtschaftlichen Politik für alle Mitgliedsländer eine zentrale Absicht. Das ist ein großer Unterschied zu vielen anderen Bereichen, die wir hier zu entscheiden haben, und deshalb wird das Budget für die Landwirtschaft al­ler Länder in Europa beschlossen. Und deshalb ist unser Herr Bundeskanzler jetzt so­zusagen auch der Verhandler des Agrarbudgets in Europa für uns alle.

Herr Bundeskanzler, ich bin Ihnen sehr dankbar für die klaren Bekenntnisse, die Sie gerade ausgesprochen haben, denn es ist tatsächlich so, dass wir in Österreich mit unserer bisherigen Landwirtschaftspolitik in der Wirkung für die Menschen vorbildlich für Europa sind. Das, was wir alle genießen – ein Land mit einem hohen Erholungs­wert, eine Produktion mit einer hohen Qualität, Lebensmittel, die jeder Kontrolle stand­halten, Lebensmittel in einer Qualität, die unserer Kultur entspricht –, das haben wir ge­meinsam geschaffen. Das haben wir geschaffen auf der Basis europäischer Vorgaben, manches Mal auch Beengungen und Begrenzungen.

Neu hinzugekommen ist der Bereich der ländlichen Entwicklung. Kommissar Fischler hat diesen Gedanken in Europa durchgesetzt, denn Landwirtschaft ist nicht nur billige markt- und wettbewerbsfähige Produktion, wie das viele gerne sehen wollen, Landwirt­schaft ist Qualität und Vitalität im ländlichen Raum.

Diese österreichische Position ist vorbildlich entwickelt. Wir sind heute in diesem Be­reich Spitzenreiter, wenn es darum geht, die benachteiligten Gebiete zu erhalten, wenn es darum geht, Umweltprogramme zu entwickeln, die Biobauern zu unterstützen, wenn es darum geht, den Naturschutz zu fördern, Bildungsmaßnahmen zu finanzieren und – ganz wichtig – die Investitionen der Landwirte zu unterstützen, weil das Risiko für die Landwirtschaft in Europa größer ist als je zuvor und ohne öffentliche Unterstützung In­vestitionen kaum verantwortet werden können.

Die Jugend in Österreich hat bis jetzt in der Landwirtschaft eine Perspektive gesehen, und jetzt geht es darum, dass diese Perspektiven bei den Verhandlungen um die eu-


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ropäischen Budgets gesichert werden. An die 4 Milliarden € standen in der letzten Pe­riode zur Verfügung. Unsere Bundesregierung, der Herr Bundeskanzler, unser Vize­kanzler haben sich darauf verständigt – als Mindestlatte –, 3,8 Milliarden € herauszu­verhandeln, damit die Programme weiterlaufen können.

Herr Bundeskanzler, das ist sehr wichtig für uns, und es ist für die Regionen von ent­scheidender Bedeutung, dass Sie jetzt hart verhandeln – und ich bin froh, dass man sich da auf eine harte Verhandlungslinie verständigt hat. Es ist wichtig, dass Sie bei diesen Verhandlungen erfolgreich sind. Und es geht nicht so sehr darum, ob Nettozah­ler oder nicht Nettozahler, es geht darum, dass die Wirkungen passen, dass das, was wir für die Menschen entwickeln und anbieten können, für Österreich gut und positiv ist.

Und die Wirkungen sind da: Unsere Böden sind gesund, unser Humushaushalt ist in Ordnung. Wenn Sie mit dem Flugzeug aus Österreich wegfliegen und hinunterschauen (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber), dann werden Sie sehen, dass die österreichi­sche Staatsgrenze zu erkennen ist, weil bei uns die Äcker jetzt grün sind; sie sind wieder begrünt, für die Fruchtbarkeit der Böden. In anderen Ländern sehen Sie blanke schwarze Erde, und daran sehen Sie die Wirkung des Umweltprogramms in Österreich sogar vom Flugzeug aus. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek:  viel schwarze Erde! – Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist fast unglaublich, was die österreichischen Bauern leisten. Die Last, die der Herr Bundeskanzler jetzt auf seinen Schultern hat, wird ihn wahrscheinlich nicht erschrecken, weil er in Wirklichkeit immer für Österreich steht und für Österreich stehen muss. Jetzt geht es darum: Sie verhandeln nicht für irgendeine Neidgesellschaft, Sie verhandeln für Österreich, für alle Österreicher, für die Bäuerinnen und Bauern genauso wie für unsere Konsumenten, für die Touristen, für alle, die im Fremdenverkehr von unserer Landschaft leben, für alle, die einfach gerne bei uns daheim sind, gute Lebensmittel genießen wollen, stolz sind auf österreichische Qualität.

Sie verhandeln dafür, dass wir mit unserer Landwirtschaft eine Grundlage schaffen für eine Lebensmittelexportwirtschaft, die von Jahr zu Jahr besser und erfolgreicher wird und letztendlich Teil des österreichischen Wohlstands und des Fortschritts ist. Herr Bundeskanzler, bei diesen Verhandlungen werden wir mit Ihnen mitdenken, mitfiebern, und ich wünsche Ihnen alles Gute in Ihrem und in unserem Sinne. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler:  vielleicht sollten Sie ei­ne Autogrammkarte ausfüllen!  ist der größte Fan!)

11.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hübner. – Bitte.

 


11.44.42

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorredner Schultes! Genau das, was Sie eingangs Ihres Statements be­schrieben haben, das Agrarbudget, ist ja geradezu das beste Beispiel für das Scheitern der zentralen  (Zwischenruf bei der ÖVP.)  Bitte, was wollen Sie? (Ruf bei der SPÖ: Waren Sie auf Safari? – Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Kollege, wollen Sie eine Modediskussion führen oder über das EU-Budget reden? Machen wir nachher eine Modediskussion! Aber betreffend Agrarbudget werden Sie mir sogar zustimmen, da können Sie sich kurz zurücklehnen.

Das ist ja geradezu ein Beispiel für das Scheitern der zentralen EU-Verwaltung. Es gibt ja kein schlimmeres Ergebnis als die letzten 30 Jahre Zentralisierung des EU-Budgets.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 57

Es gibt nichts Bürokratischeres, es gibt nichts Wirklichkeitsfremderes, und es gibt nichts für den österreichischen Bauernstand Gefährlicheres als dieses Aus-der-Hand-Geben der Verwaltung unserer Agrarpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat da bezeichnenderweise einmal wahr gesprochen. Er hat gesagt, bei der zweiten Säule der Agrarpolitik, nämlich der Förderung der benachteilig­ten Gebiete des Alpenraums und so weiter, stehen wir alleine da. – Das stimmt, da ste­hen wir auch fast alleine da, und das ist auch die große Gefahr, denn einen Konsens gibt es für die Förderung, weil alle Länder den Zuschuss zu ihren Agrarprodukten be­nötigen, aber nur ein kleiner Teil – unter anderem Österreich – benötigt die Förderung der benachteiligten Regionen.

Die Entwicklung, die wir jetzt schon sehen, ist das Abwandern der Agrarproduktion, das Abwandern des Bauernstandes aus den benachteiligten Regionen, aus dem Wald­viertel, aus dem Alpengebiet, in die bevorrangten Regionen – das sind im Wesentli­chen Frankreich, teilweise Holland, Norddeutschland, Teile der Po-Ebene; das sind die Gebiete, wo produziert wird.

Das heißt, eine zentrale Verwaltung des Agrarbudgets, wie wir sie machen, ist zum eminenten Nachteil Österreichs – nicht nur seiner Bauernschaft, sondern des ge­samten Landes –, denn die Erhaltung der Agrarlandschaft – ich glaube, da sind wir uns einig, Herr Kollege Cap – ist ein Anliegen, das wir eigentlich alle teilen sollten. Daher ist es auch erstaunlich, was ich heute über die Forderung nach mehr EU-Budget höre. Das verstehe ich zwar vonseiten der Grünen, da wissen wir das sowieso, aber da geht man – so wie Robert Menasse – offenbar davon aus, dass nationale Gefühle oder das Festhalten an der Nationalstaatlichkeit pathologisch sind. Menasse hat gesagt, der Na­tionalstaat habe sogar kriminelle Züge in seinem Aufbau und in seiner Rücksichtslosig­keit.

Wenn man davon ausgeht – da gebe ich Ihnen recht –, soll man diesen pathologischen Verbänden, dem Nationalstaat alles wegnehmen und alles an die EU leiten; dort sitzen sicher unpathologische Leute, die alles bestens machen.

Wenn man das aber nicht so sieht – und ich gehe davon aus, dass zumindest die ös­terreichische Bundesregierung das nicht so sieht, dass auch die ÖVPler, die sich da gemeldet haben, das nicht so sehen –, dann muss man doch – um die Worte des Kol­legen Ikrath zu verwenden – einmal sachlich und zahlenorientiert darüber nachdenken. (Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath.)

Deine Rechnung, Kollege Ikrath, bedeutet ja – zumindest für mich – eine Erklärung, warum die Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG 2 Milliarden € Unterstüt­zung aus dem sogenannten Bankenrettungspaket verwendet hat. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Mag. Ikrath.– Das ist nicht falsch, das ist leider so. Das erklärt ein bisschen etwas, wenn man so rechnet, denn es gibt nur eine realistische Rechnung. Wir zahlen dort zirka drei Einheiten ein und bekommen zwei Einheiten heraus – also 2,7 Milliarden €; 1,7 oder 1,8 Milliarden werden wir herausbekommen.

Wir zahlen also drei Einheiten ein, zwei bekommen wir heraus. Jetzt kann man natür­lich – wie ich das zwischentonmäßig höre – sagen: Damit wir nicht zwei Einheiten, son­dern vier Einheiten herausbekommen, müssen wir sechs Einheiten einzahlen. – Das ist eine richtige Rechnung. Da zahle ich zwar in Summe eine Rechnung mehr, aber dann ist es sachlich richtig. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu allen anderen Spekulationen, wie jene des Kollegen Ikrath, dass man jetzt die mög­lichen Vorteile einer Wirtschaftsunion, einer Freihandelszone – die möglichen Vorteile, die Sie mit 0,4 Prozent des BIP, Kollege Cap sogar mit 0,9 Prozent des BIP betrach­ten – dem Beitrag gegenüberstellt und sagt: Na ja, ich komme hin, wir haben 12 Milliar­den Vorteile (Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath), da könnten wir eigentlich 12 Milliar-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 58

den einzahlen, und wir zahlen nur 700 Millionen ein – es ist in Wirklichkeit fast 1 Milliar­de! –, dann kommt man natürlich zu Dingen, die zumindest geistig ein – sagen wir ein­mal so – Budgethilfspaket für Österreich notwendig machen werden.

Jetzt sehen wir uns das bitte realistisch an: Was bekommen wir denn dafür? – Wir be­kommen ja für unsere Einzahlungen – brutto oder netto – keine Unterstützung der ar­men Kinder, wir bekommen kein Bildungsprogramm für die Slums von Lissabon, son­dern wir bekommen im Wesentlichen Subventionsbürokratie und Eigenverwaltung.

Bei den großen Brocken ist das Agrarbudget völlig gescheitert – eine Materie, die un­bedingt renationalisiert gehört, wo es für den österreichischen Bauernstand keinen an­deren Weg gibt als eine Verwaltung in unserem Interesse, mit unseren Fähigkeiten und ausgehend von unseren Bedürfnissen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bekommen das riesige Verteilungskarussell der Kohäsions- und Strukturfonds, die zu einem gewaltigen Schaden in Europa geführt haben. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) – Ich bin schon fast am Ende. – Diese Fehlentwicklungen gehen zu einem großen Teil auf diese Fonds zurück (Zwischenruf bei der ÖVP), und des­halb – um das schöne Wort noch einmal zu verwenden – benötigen wir ein Veto, aber nicht als Spielball oder als Koketterie, sondern als eine klare Ansage: Es darf hier kei­ne Ausweitung dieses Budgets geben (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glo­ckenzeichen); wenn nicht, stimmen wir dem nicht zu. Und das ist die Ansage des Vetos. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, das war ziemlich unüber­legt ! – Zwischenruf bei der FPÖ.)

11.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


11.50.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Her­ren! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Kollege Hübner hat von Sachlichkeit und von Zahlen gesprochen. Herr Kollege Hübner, Ihr nationalistischer Turnaround, den Sie hier einfordern, die Renationalisierung der vergemeinschafteten Agrarpolitik, ist ein Schuss in beide Knie. Sie werden auf den Knien dahinkriechen, wenn Sie versuchen, auf diese Art und Weise die europäische Politik zu reformieren. Angesichts einer globa­lisierten Wirtschaft – und auch die Agrarpolitik ist global – braucht es auch europäische Antworten, das ist gar keine Frage.

Es ist wirklich traurig, Herr Klubobmann Bucher, dass Sie heute, wenn Sie Zahlen ge­nannt haben, völlig falsche Zahlen genannt haben. Das ist purer schlechter Populis­mus. Sie sprechen davon, dass Assistenten im europäischen Sektor 8 000 € netto bekommen. Das ist falsch; sie bekommen in der Gehaltsstufe 1 1 680 € brutto und 3 900 € in der Stufe 8. (Abg. Bucher – auf ein Schriftstück deutend –: Das Erste Deutsche Fernsehen!) Also wenn Sie Zahlen nennen, nennen Sie sie korrekt! (Beifall bei den Grünen.)

Weiters müssen wir auch klar sagen: Die wirkliche Herausforderung ist doch die, ge­genüberzustellen, was wir tatsächlich netto einbringen – und das sind, Kollege Ross­mann hat das ja klar gesagt, im Schnitt ungefähr zwischen 350 und 550 Millionen € jährlich – und was wir im eigenen Land verbocken, im Bereich der Banken, im Bereich der Kommunalkredit, im Bereich der Hypo Alpe-Adria: Milliardenbeträge! Wenn wir die­se Milliardenbeträge hernehmen und gegenrechnen, dann kommen wir fünf, sechs Jahre aus und können unsere EU-Zahlungen leisten.

Und was bringen sie?, das fragen die Bürgerinnen und Bürger zu Recht. Da sage ich Ihnen: Sie bringen enorm viel. Sie können es alleine an den derzeitigen österreichi­schen arbeitsmarktpolitischen Zahlen ablesen, wenn Sie einen Europavergleich sehen.


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Österreich ist in diesem Punkt sicher besser aufgestellt, weil wir durch die europäische Vernetzung, vor allem durch die Erweiterung der Union, profitiert haben.

Das heißt nicht, dass wir nicht Reformbedarf, dass wir nicht Handlungsbedarf haben, aber wir haben eindeutig einen Standortvorteil, und das weiß jeder Bürger, jede Bürge­rin, der oder die in einem Unternehmen tätig ist, arbeitet, das so global oder mitteleuro­päisch vernetzt ist, wie das heute auch für die mittelständische Wirtschaft in Österreich normal ist.

Das sollte man ganz offen und klar sagen, Herr Bundeskanzler, und nicht populistisch darauf schielen, wie wir uns an der Notwendigkeit vorbeidrücken können, wie wir an der Notwendigkeit vorbeisehen können, dass wir ein Mehr an Vergemeinschaftung brauchen, dass wir die europäischen Probleme nur gemeinsam werden lösen können – ob das die sozialen, die finanzmarktpolitischen oder die großen ökologischen Krisen sind, vor denen wir stehen.

Sie haben heute eines angesprochen, Herr Bundeskanzler, das ich nur begrüßen kann: Sie haben die österreichischen Bergbäuerinnen und Bergbauern und auch die Biobauern angesprochen und zu Recht gesagt, das sei die Zukunftsstrategie im 21. Jahrhundert – so habe ich Sie verstanden, und da habe ich auch applaudiert, weil das richtig ist.

Wir brauchen eine massive und radikale Reform der Agrarpolitik, und das verweigern die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP. Ich verstehe den Koalitionspartner, ich ver­stehe Sie vonseiten der SPÖ nicht. Wofür lassen Sie sich jetzt einspannen? – Ich hoffe, für eine Reform, für eine radikale Reform der Agrarpolitik auf europäischer Ebe­ne. Das bedeutet mehr Geld in der ländlichen Entwicklung, und zwar hundert Milliarden in der Periode 2014 bis 2020, weil in dieser zweiten Säule die ganzen Zukunftsinves­titionen liegen, weil in dieser zweiten Säule die ländliche Entwicklung betroffen ist, weil in dieser zweiten Säule alle sozialen und ökologischen Projekte der Zukunft Europas abgewickelt werden müssen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Aspekt, den wir auch nicht links liegen lassen können, sind die europäischen Steu­ern. Wenn wir weiterkommen wollen in Europa – und wir haben einen wirklich mickri­gen Anteil von 1 Prozent des Gesamtbudgets –, dann müssen wir ganz einfach die neuen Instrumente wie die Finanztransaktionssteuer oder auch eine Kerosinsteuer in den Dienst der Interessen eines gemeinschaftlichen wirtschaftlichen und sozialen Ent­wicklungsprozesses der Union stellen.

Dieser Prozess bedeutet, dass wir bei der Jugendarbeitslosigkeit einen Schwerpunkt setzen müssen. Wenn wir ganz Europa in den Blick nehmen, dann sehen wir, dass die Jugendarbeitslosigkeit die große Herausforderung ist, auch politisch, denn letztlich ist es so: Nur wenn die jungen Menschen eine Perspektive haben, sowohl in der Bildung, als auch auf dem Arbeitsmarkt, werden sie die Zukunftsidee Europa auch unterstützen.

Die Union muss sozialer werden, sie muss die Finanzspekulation in den Griff bekom­men, sie muss Bildung, Entwicklung, Innovation und Forschung in den Vordergrund stellen.

Wenn Sie das ernsthaft wollen, Herr Bundeskanzler, dann wird es notwendig sein, sich auch entsprechend offensiv für diese Instrumente auszusprechen und nicht weiterhin in diesem Klub der Nettozahler zu verharren und eine defensive oder gar keine Europa­politik zu machen. Das ist die Herausforderung. (Beifall bei den Grünen.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


11.56.02

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Kollege Pirklhuber! Wenn du hier unserem Klubobmann unterstellst,


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dass er falsche Zahlen bringt, muss ich dir eines sagen: Die ARD hat am 13. Juli 2012 berichtet, dass in Brüssel eine privilegierte Sekretärin im Monat 8 000 € verdient. (Abg. Bucher: Netto!) Und bitte, eines ist klar: Die ARD ist sicher nicht BZÖ-nahe. (Zwi­schenruf bei den Grünen.)

Nun ganz kurz zum Budget: Herr Bundeskanzler! Wenn wir weniger Geld für die Agrar­riesen nach Brüssel überweisen, dann haben wir auch mehr Gestaltungsspielraum für unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft. Niemand sieht ein, warum Raiffeisen im Jahr 3 Millionen EU-Förderung braucht. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Da können wir richtig sparen.

Herr Bundeskanzler, man kann eine Krankheit nicht heilen, indem man das Fieberther­mometer versteckt; aber diese Bundesregierung versteckt seit vier Jahren das Fieber­thermometer. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Schauen wir uns unsere europäische Außen­politik in Südtirol an! Letzte Woche im Ausschuss habe ich Herrn Bundesminister und Obmann der Volkspartei Spindelegger darauf aufmerksam gemacht, dass Südtirol nicht mehr in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen, weil Rom die ganze Autonomie aushöhlt, das Selbstverwaltungsrecht mit Füßen tritt und es finanziell doppelt bluten lässt.

Die Antwort des Obmannes der Volkspartei war ganz einfach: Es ist alles in Ordnung, Herr Abgeordneter, wir dürfen das nicht skandalisieren; ich telefoniere ohnehin alle sechs Wochen mit dem Herrn Durnwalder!

Herr Bundeskanzler, da müssen Sie sofort ein Machtwort sprechen! Im Oktober dieses Jahres hat die italienische Regierung im Parlament, in der Kammer, einen Antrag ein­gebracht, dass die Verfassung geändert und die Abschaffung aller Autonomien be­schlossen wird. Nur durch ein Veto der Lega Nord ist das abgebrochen worden. Herr Bundeskanzler! Wir müssen da sofort handeln. Ich habe nur ersucht, dass man sofort den Südtirol-Ausschuss einberuft, dass man sofort berät, warum diese Bundesregie­rung nicht in der Lage ist, angesichts dieser Verletzungen – sei es das Mailänder Ab­kommen oder das Treten der Autonomie mit Füßen – eine Klage beim Europäischen Gerichtshof einzubringen – nichts! (Beifall beim BZÖ.)

Diese Bundesregierung – auch Sie, Herr Bundeskanzler – macht in dieser Frage seit Monaten eine Vogel-Strauß-Politik. Beenden Sie sie, denn, Herr Bundeskanzler, Rom kürzt so massiv, Südtirol ist nicht mehr in der Lage, seine öffentlichen Aufgaben zu erfüllen! (Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!) 850 Millionen € sind in Rom, die Südtirol zustehen, und das bei einem Jahreshaushalt von 5 Milliarden €! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das 1972 in Kraft getretene Autonomiestatut, welches das jahrzehntelange Streiten, jahrzehntelanges Blutvergießen beendet hat, wurde jetzt dreimal klar gebrochen. Es wurde sowohl finanzrechtlich, sozialrechtlich, als auch steuerrechtlich mit Argumenten einer innerstaatlichen italienischen Angelegenheit gebrochen. Die Südtiroler Abgeord­neten, Abgeordnete der Volkspartei, fordern bereits einen Freistaat Südtirol, weil die österreichische Bundesregierung schläft.

Herr Bundeskanzler, bitte wecken wir nicht Geister, die seit Jahrzehnten schlafen, Geister, die Blut in unser Kerneuropa bringen! Wenn Österreich da nicht handelt, dann passiert Massives, und das kann niemand verantworten.

Allein die Strahlkraft dieser Volkspartei in Südtirol hat nachgelassen. Die Südtiroler Volkspartei wird von einem Skandal in den anderen medial breitgetreten und ist nicht mehr handlungsfähig.

Herr Außenminister Spindelegger sagte im Ausschuss: Sobald Südtirol offiziell an mich herantritt, werde ich etwas tun. – Bereits am Samstag hat Volkspartei-Obmann Theiner


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in einer Aussendung geschrieben: Wir müssen jetzt Wien zum Handeln auffordern, denn ich habe keine Hoffnung, es gibt keine Chance, dass diese Regierung Monti den eingeschlagenen Kurs verändert. – Herr Bundeskanzler! Wenn Sie da nichts tun, wenn wir uns da der Realität verschließen, dann wecken wir wirklich schlafende Hunde, die Blut nach Europa bringen.

Eines muss man sich vor Augen halten: Der Volkspartei-Obmann Spindelegger sagt, er habe mit Monti gesprochen und erfahren, das sei nur ein Irrtum gewesen. – Ja ist es ein „Irrtum“, wenn eine italienische Regierung ein Verfassungsgerichtshof-Urteil ne­giert?!

Handeln wir da gemeinsam – es ist höchste Zeit, Herr Bundeskanzler. Hören Sie end­lich auf, das Fieberthermometer zu verstecken, sondern behandeln wir die Krankhei­ten, wo es notwendig ist! (Beifall beim BZÖ.)

12.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


12.01.28

Abgeordneter Stefan Markowitz (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Bei den Budgetverhandlungen sieht man wieder einmal, wie groß die Kluft zwischen den wirtschaftlich reichen und den wirt­schaftlich armen Ländern ist. Herr Bundeskanzler, ich sehe schon ein, dass Sie jetzt sagen, es gibt eine große Kluft, und wir sollten daher unsererseits kein Veto einlegen, wenn wir auf EU-Ebene verhandeln. Aus der Rede des Kollegen Ikrath haben wir ge­rade erfahren, je mehr wir in die EU einzahlen, desto mehr bekommen wir zurück. Viel­leicht sollten wir auch Folgendes überlegen: Schicken Sie doch den Herrn Bundes­kanzler nach Brüssel mit dem Auftrag, dort zu deponieren: Bitte, bitte, Österreich muss mehr zahlen, denn je mehr wir einzahlen, desto mehr bekommen wir zurück! – Das glaubt Ihnen in der Bevölkerung niemand, auch wenn Sie hier eine Schönwetterrede halten – denn die Österreicherinnen und Österreicher haben in diesem Land genug zu zahlen. Sie müssen sich einmal hier an das Rednerpult stellen und den Österreiche­rinnen und Österreichern endlich reinen Wein einschenken! (Beifall beim Team Stro­nach.)

Die Menschen hier in Österreich können nicht mehr verstehen, was Sie machen. (Abg. Kopf: Sagen Sie uns nicht, was wir zu tun haben!) Bitte? (Abg. Kopf: Machen Sie, was Sie glauben, aber sagen Sie uns nicht, was wir zu tun haben!)

Schauen Sie, Herr Klubobmann Kopf – bitte, die Kamera auf diesen Herrn, Herrn Klub­obmann Kopf, zu richten –: Ich gebe Ihnen vollkommen recht, aber Sie dürfen auch ei­nes nicht vergessen (Abg. Kopf: Das werden Sie noch lernen müssen, was Demokra­tie ist in diesem Haus!), nämlich dass wir hier im Hohen Haus parlare, also sprechen, können. Und wenn wir eine andere Meinung haben als Sie, dann würde ich Sie bitten, das auch so zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Kopf: Uns Sie auch! Sie auch!)

Wir handeln bereits danach. Ich gehe auch davon aus, dass wir in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten können. Aber wenn der Kollege Ikrath sagt, je mehr Österreich in die EU einzahlt, desto mehr bekommen wir zurück, dann glaubt Ihnen das am Ende des Tages niemand. (Zwischenruf des Abg. Grosz. – Ruf: Ihr seid aber nicht mehr lan­ge da!) – Kollege Grosz, was haben Sie gesagt? (Zwischenrufe des Abg. Mag. Wid­mann.) – Gut.

Auf alle Fälle dürfen wir eines nicht vergessen: Die EU steht auf einem Fundament, das so aufgebaut ist, dass, wenn ein Land nicht funktioniert, das andere Land ein­springt. Ich bin davon überzeugt, dass diese Vorgangsweise auf lange Sicht sicher nicht funktioniert. Es kann doch nicht sein, dass man, wenn eine Mauer auf der einen


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Seite kaputt ist, von der anderen Seite etwas herausnimmt und damit die Löcher stopft. Das wird auf lange Sicht so nicht funktionieren.

Herr Bundeskanzler, ich ersuche Sie wirklich: Wenn Sie auf EU-Ebene verhandeln – Sie haben gerade gesagt, wie stolz Sie auf Österreich sind, wie stolz Sie sind, dass Sie mit einem starken Österreich in die EU-Verhandlungen gehen –, dann kommen Sie bit­te am Ende des Tages auch wieder als Vertreter eines starken Österreichs zurück, so­dass wir stolz sein können, ein so gutes Fundament in Österreich geschaffen zu ha­ben.

Ich würde Sie auch bitten, danach zu trachten, dass wir diese Stärke, die Österreich er­worben hat und damit die einzelnen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, vielleicht auf diese Länder übertragen können. Wir können als gutes Beispiel vorangehen, damit es eben den anderen Ländern nicht so schlecht geht, damit Griechenland doch eine Chance hat. Man müsste sich eigentlich bei den Griechen entschuldigen, denn es ist – so wie es vorhin richtig angesprochen wurde – von all den überwiesenen Geldern kein Cent jemals bei den Griechinnen und Griechen angekommen. Sie von den Regie­rungsparteien sind alle Bankenretter! Wir müssen uns daher wirklich überlegen, wie man zukünftig mit der Bevölkerung, mit Europa und mit den Österreichern, den Bür­gerinnen und Bürgern in diesem Land umgeht. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stro­nach.)

12.04


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

12.05.14Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Fritz Neugebauer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 13001/J bis 13021/J;

2. Anfragebeantwortungen: 12343/AB bis 12354/AB;

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsdienstegesetz geändert wird (1987 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (1988 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehr­personengesetz 1966, das Prüfungstaxengesetz Schulen – Pädagogische Hochschu­len und das Unterrichtspraktikumsgesetz geändert werden (1989 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen zum Schutz gebundener Unternehmer im Kraftfahrzeugsektor getroffen werden (Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz – KraSchG) (1990 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Bewährungshilfegesetz geändert werden (1991 d.B.),

Pensionsfonds-Überleitungsgesetz – PF-ÜG (1992 d.B.),

Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Gasölen für nicht auf See befindliche Binnenschiffe und Sportboote sowie für mobile Maschinen und Geräte (1993 d.B.).


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B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Bürgerinitiative Nr. 52 betreffend „Schluss mit der Zeitumstellung“;

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz und das Arbeitsinspek­tionsgesetz 1993 geändert werden (1983 d.B.);

Finanzausschuss:

Antrag 2108/A(E) der Abgeordneten Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Rückforderung der im Zusammenhang mit der 3-Milliarden-€-Forderung an die BayernLB überwiesenen Zinsen;

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungs­gesetz, das Grunderwerbsteuergesetz und das Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister geändert werden (Grundbuchsgebührennovelle – GGN) (1984 d.B.);

Verfassungsausschuss:

Antrag 2106/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Gleichstellung von RichterInnen mit anderen öffentlich Bediensteten hinsichtlich der Betreuung von Kindern,

Antrag 2109/A der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (31. KFG-Novelle) und das Führer­scheingesetz (15. FSG-Novelle) geändert werden (1985 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, das Gele­genheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG und das Kraftfahrliniengesetz – KflG geän­dert werden (1986 d.B.);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Mittelstandsbericht 2012 des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend
(III-368 d.B.).

*****

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 5 bis 7 sowie 9 bis 18 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.


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Einwendungen gegen diesen Vorschlag liegen nicht vor. Wir können daher so vor­gehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Im Hinblick auf die Neugründung eines Klubs haben vier Fraktionen einen Vorschlag für die Neuverteilung der Redezeit innerhalb einer „Wiener Stunde“ vorgelegt, nämlich für mehrere Debatten folgende Regelung: SPÖ und ÖVP
je 14, FPÖ 12,5, Grüne 11, BZÖ 9,5 und STRONACH 8 Minuten pro „Wiener Stunde“.

Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart. Entsprechend dem oben erläuterten vorläufigen Schlüs­sel ergeben sich folgende Tagesblockredezeiten: SPÖ und ÖVP je 112 Minuten, FPÖ 100, Grüne 88, BZÖ 76 Minuten sowie STRONACH 64 Minuten. (Abg. Dr. Glawisch­nig-Piesczek: Wie heißt denn dieser Klub?)

Weiter schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung vor, die Redezeit des Ab­geordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig  (Abg. Scheibner: Nein, mit Mehrheit!) Ent­schuldigung? (Rufe: Es ist einer weniger! – Bei der SPÖ ist einer nicht ganz aufge­standen!) – Das ist mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit angenommen.

12.07.041. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1936 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfall­versicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G) (1979 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


12.07.09

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Elektronische Gesundheits­akte – eine Zwangsverpflichtung ab dem nächsten Jahr für alle Österreicherinnen und Österreicher. Im letzten Gesundheitsausschuss, Herr Bundesminister, haben Sie ge­sagt, wenn man aus ELGA aussteigt, entsteht kein Nachteil. Herr Bundesminister, Sie sind uns aber die Erklärung auf die Frage schuldig geblieben: Welcher Vorteil entsteht denn dadurch, wenn man sich zu ELGA sozusagen entschließt?

Es ist relativ schwierig für die Menschen in Österreich, aus ELGA überhaupt auszu­steigen. Es gibt in ganz Österreich neun Ombudsstellen, zu denen muss man dann hinmarschieren, dort kann man sich dann sehr mühevoll davon abmelden. Dann wer­den die Daten aber dennoch gespeichert. Auch laut der beschlossenen Fassung wer­den sie trotz allem gespeichert, denn Sie haben sich ja das Hintertürchen offen ge­lassen, indem Sie gesagt haben, sie werden dann zwar nicht in ELGA gespeichert,


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aber eben dort, wo sie ohnehin gespeichert werden müssen. In Wirklichkeit ist das also eine reine Augenauswischerei, auch dieser Abänderungsantrag, den Sie uns hier vor­gelegt haben.

Es ist eigentlich völlig unverständlich, Herr Bundesminister, dass es eine Regelung gibt, die den Menschen überhaupt nicht die Möglichkeit gibt, sich wirklich ordentlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie diesem System beitreten wollen oder nicht.

Eine zweite Möglichkeit neben diesen neun Ombudsstellen ist für ungefähr 1 Prozent aller Österreicher zum Beispiel auch die Bürgerkarte.

Herr Bundesminister, ich stelle es mir besonders schwierig vor bei schwer kranken Pa­tienten, die sich vielleicht eine Zweitmeinung einholen wollen, weil sie nicht ganz sicher sind, ob das, was ihnen der eine Arzt gesagt hat, auch wirklich richtig ist. Das ist bis heute gang und gäbe gewesen, doch das wird jetzt ein bisschen komplizierter: Da muss ein Schwerkranker zu einer Ombudsstelle, von denen es eine pro Bundesland gibt, fahren – das geht in Wien vielleicht noch einigermaßen einfach, in den größeren Bundesländern wird das schon relativ kompliziert –, muss genau dieses Hinausoptie­ren durchführen, dann kann er zum nächsten Arzt gehen und sich die Zweitmeinung einholen, und dann will er vielleicht wieder hineinoptieren. Das ist also ein enormer Aufwand, der meines Erachtens überhaupt nicht dafürsteht. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch so, dass ein ähnliches System in Holland hätte in Kraft treten sollen. Dort hat allerdings der Senat, also das Oberhaus im Parlament diesen Entwurf wieder auf­gehoben – aufgrund genau dieser sogenannten Opting-Out-Regelung, die es eben bei uns gibt. Das heißt, alle Menschen sind automatisch drinnen, es sei denn, sie melden sich davon ab. Ich halte das eigentlich für bedenklich, denn wenn es so ein großartiger Fortschritt ist, wie Sie es hier zu erklären versuchen – und Sie haben ja auch gesagt, die Patienten werden jetzt alle gestärkt; ich weiß zwar nicht, wofür sie gestärkt werden müssen, ich weiß nicht, ob sich die Patienten jetzt gerade so schwach fühlen, aber soll sein –, wenn das so ein großartiger Vorteil ist, dann wird es ja kein Problem sein, dass die Leute ohnehin freiwillig mitmachen. Das ist ja ganz klar.

Einen Aspekt möchte ich aber schon noch einbringen, Herr Bundesminister – der hat mir nämlich vor allem auch in dem Hearing ein bisschen gefehlt –, das ist die Tatsache, dass jetzt von der Europäischen Kommission eine EU-Datenschutzverordnung kom­men soll. Genau diese EU-Datenschutzverordnung würde bezwecken, dass selbstver­ständlich unser nationales Datenschutzrecht damit sofort ungültig wäre, wir müssten das sofort übernehmen. Und das würde natürlich auch bedeuten, dass die Gesund­heitsdaten dann sofort und in Echtzeit in ganz Europa einsehbar sind.

Damit wäre dann zum Beispiel der Masseur in England berechtigt, ganz legal die Ge­sundheitsdaten der Österreicherinnen und Österreicher einzusehen. – Wobei jetzt viel­leicht England kein besonders gutes Beispiel ist, denn was England betrifft, so wissen wir ja gar nicht, ob die 2014 überhaupt noch bei der EU sein werden. Die haben näm­lich Politiker, die sich ein bisschen mehr für das eigene Volk einsetzen als Sie, Herr Bundesminister. Unsere Politiker liegen ja eher in Brüssel. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber dann bleiben wir halt bei diesem Beispiel und setzen statt England Holland ein. Da kann dann der Masseur, der Pedikeur aus Holland alle Gesundheitsdaten einse­hen. Das haben Sie überhaupt nicht erwähnt. Wie werden Sie denn damit umgehen?

Gibt es denn von Ihrer Seite eine Initiative, Herr Bundesminister, dass diese Verord­nung in dieser Art und Weise, wie sie derzeit geplant ist, nicht kommen wird? – Ich ha­be nichts von Ihnen gehört, ich habe auch von den Kollegen aus den Regierungs­parteien dazu überhaupt nichts gehört. Das wird einfach zur Kenntnis genommen. Da werden die Österreicherinnen und Österreicher einfach an der Nase herumgeführt. Wir führen ELGA ein mit 1. Jänner 2013, und mit 1. Jänner 2014, also genau ein Jahr spä-


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ter, sind sämtliche Gesundheitsdaten in sämtlichen europäischen Netzen vernetzt und abrufbar. Und das ist reiner Missbrauch!

Wenn man sich auch noch überlegt, wer eigentlich in der EU danach getrachtet hat, dass so eine Verordnung kommt, dann stellt man fest, dass das Ganze von England ausgeht, denn in England sind diese Life-Science-Unternehmen – das sind eine Art Marktforschungsunternehmen – schon jetzt federführend in den Bestrebungen dahin gehend, dass genau diese Richtlinie kommt. Es sind nämlich genau diese Unterneh­men, diese Marktforschungsunternehmen, die ganz, ganz großes Interesse an den eu­ropäischen Gesundheitsdaten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister und Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, die Sie dieser Richtlinie heute die Zustimmung geben, Sie sind dafür verantwortlich, dass die Österreicherinnen und Österreicher zu gläsernen Patienten, zu gläsernen Menschen in ganz Europa wer­den. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: sollen Kranke noch kränker werden, das ist die Devise!)

12.12


Präsident Fritz Neugebauer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Herr Ab­geordneter Mag. Maier zu Wort. – Bitte.

 


12.12.18

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wer­te Kolleginnen, werte Kollegen! Meine Vorrednerin hat in ihren Ausführungen behaup­tet, dass in der geplanten Datenschutz-Grundverordnung Gesundheitsdaten in Echtzeit abgerufen werden können.

Ich berichtige: Das ist falsch.

Die Datenschutz-Grundverordnung, die derzeit im Entwurf vorliegt, sieht vor, dass Ge­sundheitsdaten für Gesundheitszwecke verarbeitet werden können, also auch in den Mitgliedstaaten für eine elektronische Gesundheitsakte. – Die Ausführungen der Kol­legin Belakowitsch sind grundsätzlich falsch. (Beifall bei der SPÖ.)

12.13


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


12.13.00

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nichts Neues, Herr Abgeordneter Maier, dass von der FPÖ Behauptungen in den Raum gestellt werden, die einfach nicht stim­men. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nun, das ist mehrfach bewiesen. Also schlimmer als Sie jetzt hier kann man es ohnedies schon nicht mehr machen.

Ich möchte Ihnen – ich habe es im Ausschuss auch gemacht – eine Presseaussen­dung der ARGE Daten zur Kenntnis bringen, und zwar vom 18. März 2005, im Zusam­menhang mit der Einführung der e-card:

„e-card bringt Big-Brother-System für Ärzte und Patienten“ (Abg. Dr. Belakowitsch-Je­newein: Können Sie selber auch etwas sagen? Oder wissen Sie gar nichts zu sagen?)

„Für Hans Zeger, , sind die Pläne der Peering Point GmbH ,eine krasse Einschrän­kung der Informations-Freiheit der Ärzte und Patienten.‘ Ihn erinnert das geplante Mo­dell an Nordkorea, “. Es sind „gläserne Ärzte und Patienten.“

Das ist faktisch genau identisch mit dem, was Sie uns heute hier wieder in der Droh­form zum Besten gegeben haben: „, einem möglichen Datenmissbrauch ist Tür und Tor geöffnet“, „kriminelle legistische Begehrlichkeiten“ werden auftreten, „Informa-


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tionsmonopol“, und: „,Auf Kosten der Versicherten etabliert man ein teures System, dessen Mehrwert fraglich ist.‘“

Ich glaube, wir alle wissen, dass das Modell der e-card ein Erfolgsmodell ist, kein Mensch in Österreich kann sich die e-card mehr wegdenken. Ich kann mich nicht erin­nern an irgendeinen Datenmissbrauch, den es mit der e-card gegeben hat. (Abg. Dr. Strutz: Da steht ja nichts oben!) – Ja, Gott sei Dank! Sie wollen ja immer etwas drauf haben. Es steht auch auf ELGA nichts oben, es werden auch in ELGA keine Da­ten gespeichert. (Abg. Neubauer: Natürlich gibt’s da einen Missbrauch!) – Der nächste Unsinn, den Sie uns erzählen: ELGA speichert die Daten, mit ELGA wird es eine Mög­lichkeit geben, auf die Daten dezentral zugreifen zu können. – Ihre Daten, Frau Kol­legin Belakowitsch-Jenewein, sind in den Administrationen des Krankenhauses, und wo auch immer, bereits jetzt gespeichert und werden das auch bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, es handelt sich um Panikmache vonseiten der FPÖ – Panikmache, die ich in dieser Form nicht verstehe. (Abg. Dr. Karlsböck  ein Schriftstück in die Höhe hal­tend –: Der sozialdemokratische Ärztekammerpräsident!)

Wenn wir uns anschauen, wie lange wir jetzt schon über die Frage von ELGA reden, (Abg. Dr. Jarolim: Ich bin jetzt froh, dass eine wirklich sehr uninformierte Gruppe jetzt aufgeklärt wird! Das wollte ich nur einmal sagen!) – Das ist ganz gut so. Danke schön, Herr Kollege Jarolim.

Seit 2004 diskutieren wir ELGA, und seit 2004 ist die Frage: Schaffen wir es überhaupt, ELGA einzuführen? Es wurde viel darüber diskutiert, es hat, sage ich einmal, drei Ge­sundheitsminister gebraucht, um ELGA umzusetzen. Minister Stöger ist es jetzt mit un­heimlicher Zähigkeit und mit unheimlich vielen geduldigen Gesprächen mit allen Stake­holdern im System gelungen. Es gab unzählige Veranstaltungen, Verhandlungsrunden gemeinsam auch mit der Ärztekammer, es gab unzählige Hearings, nämlich zwei lan­ge, große Hearings zu den Fragen: Was für Probleme gibt es bei ELGA? Wie wird mit ELGA umgegangen? Wie wird das gemacht? – Das heißt, es wurde ein Menge an Ge­sprächen geführt. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein  das vorhin erwähnte Schrift­stück in die Höhe haltend –: Zu welcher Fraktion gehört denn der, Frau Kollegin? Ist der von Ihrer Fraktion?)

Die Ärztekammer fühlt sich noch immer nicht genug informiert. Allerdings, liebe Frau Kollegin Belakowitsch (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Ist der von Ihrer Fraktion?), ist es so, dass wir heute hier ein Rahmengesetz für ELGA beschließen. Ich verstehe die Sorgen der Ärztinnen und Ärzte, dass sie in der Frage: wie ist es „handlebar“?, Probleme, Ängste und Sorgen haben. Das ist doch etwas, was wir von der Sozialde­mokratie immer gesagt haben: Es muss praktikabel sein. Es kann nicht sein, dass wir ein System etablieren, das die Zeiten verlängert, das die Zeit am Patienten verkürzt. Wir haben bis zum Jahr 2016 jetzt Zeit, das System so zu entwickeln, dass es be­nutzerfreundlich ist, und zwar so, dass es Ärztinnen und Ärzten nützt. Und genau diese Dinge werden jetzt auch erledigt.

Das heißt, wir beschließen hier den Grundsatz und die Möglichkeit für die ARGE ELGA weiterzuarbeiten, genau die Probleme, die die Ärztekammer jetzt aufzeigt, auch noch zu klären – denn es ist nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten und nicht im Sin­ne der Ärztinnen und Ärzte, ein System zu etablieren, das PatientInnen und Ärzten schadet, sondern, ganz im Gegenteil, das die Versorgung verbessert und auch für Pa­tienten und Ärzte die Administrierbarkeit im System erleichtert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 



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12.17.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ELGA ist eine schwierige Sache. Ich sage deshalb zu Beginn: Das, worin wir übereinstimmen, ist, dass der derzeitige Zu­stand der Verwaltung von Akten, von Gesundheitsdaten im Gesundheitsbereich nicht zufriedenstellend ist und deshalb dringend geändert werden muss. Deshalb werden wir auch jenen Bestimmungen – vor allem im Telematikgesetz –, in denen es um einen besseren Schutz von Daten geht, als es ihn derzeit gibt, zustimmen. Das ist ein wich­tiger Punkt.

Das unterscheidet unsere Kritik auch von der jener der Freiheitlichen, bei der so getan wird, als ob der derzeitige Zustand ein guter wäre. – Nein, das ist er nicht! Wenn wich­tige, sensible Gesundheitsdaten per Fax verschickt werden können und auch an fal­sche Adressen gelangen können, weil die Nummer beispielsweise falsch eingespei­chert wurde, dann ist das kein guter Zustand – und deshalb brauchen wir dringend bessere Regelungen. Aber – und das ist der Punkt – ELGA selbst, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, das ist das josephinistische Prinzip, im Bereich der Ge­sundheitsakten umgesetzt: Gesundheitsakten für das Volk, aber nicht durch das Volk.

Da gibt es einen besseren Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, und diesen hat uns Dänemark vorgezeichnet. Dort hat man eine elektronische Gesundheitsverwal­tung auf dem Freiwilligkeitsprinzip aufgebaut. Da stellt es wahrscheinlich dem Herrn Gesundheitsminister und vielen Abgeordneten hier die Nackenhaare auf: Ja wie kann man so etwas machen?! Das ist doch unverantwortlich! Da machen ja möglicherweise nicht alle mit!

Dänemark hat gezeigt, dass man dann erfolgreich ist, wenn man erstens das System auf Freiwilligkeit aufbaut und zweitens, damit es angekommen wird, natürlich den Kun­den- und den Versichertennutzen in den Mittelpunkt stellt. In Dänemark sind derzeit alle – faktisch alle – dabei, in einem freiwilligen System. Und warum? – Das erkläre ich Ihnen auch noch: Weil das System von Beginn an einen konkreten Nutzen für die Ver­sicherten hatte.

Wo ist der Nutzen bei ELGA in Bezug auf den Impfpass? – Ja, der wird kommen, ir­gendwann einmal! Der wird auch abgespeichert werden. – Das wäre ein konkreter Nut­zen für viele Versicherte und deren Kinder, deren Impfdaten beispielsweise verwaltet werden müssen.

Nächster Punkt: Mutter-Kind-Pass – derzeit nicht auf ELGA vorgesehen. Ja, er wird vielleicht irgendwann einmal kommen.

Dritter Punkt: In Dänemark kann man sich über die elektronische Gesundheitsverwal­tung den Termin mit dem Arzt ausmachen, kann in die Warteliste des Arztes einse­hen – in die Warteliste! –, kann in die Warteliste für Operationen in Spitälern einsehen, kann, wenn man sich operieren lassen muss, auch einsehen, ob dieses Krankenhaus, dieses Spital im Ranking gute Werte hat, ob es oft operiert und so weiter.

Das ist ein konkreter Nutzen für die Versicherten, das sollte im Mittelpunkt stehen – und nicht ein relativ undefiniertes Interesse einer Gesundheitsverwaltung an möglichst vielen Daten! Ja, ich weiß, derzeit sind auf ELGA noch nicht viele Daten für die Ein­speicherung vorgesehen, aber es gibt eine Verordnungsermächtigung, die es dem Bundesminister ermöglicht – und damit haben wir prinzipiell ein Problem –, sukzessive weitere Daten einspeisen zu lassen.

Im Hearing haben wir gehört, dass es nicht nur Bedenken in Bezug auf diese Verord­nungsermächtigung gibt, sondern auch – und das halte ich für mindestens genauso wesentlich – in Bezug darauf, dass ein System, das nicht gut serviciert ist – und eine gute Servicierung kann ich bei ELGA derzeit noch nicht erkennen –, so wie bei-


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spielsweise das britische elektronische Gesundheitsakte-System, auch Gefahr läuft, zu crashen. In Großbritannien wurden Unsummen aufgewendet, um die Elektronische Ge­sundheitsakte zu entwickeln, und nachdem man 20 Milliarden € ausgegeben hat, wur­de das Projekt gestoppt.

Jetzt weiß ich schon, wir in Österreich sind weit von diesen 20 Milliarden entfernt. Aber, Herr Bundesminister, die offiziellen Angaben – Ihre beziehungsweise jene in der ent­sprechenden Regierungsvorlage –, was für das System, für die Entwicklung des Sys­tems, für die Wartung, für die laufende Wartung des Systems aufgewendet wird, sind alles andere als vertrauenserweckend beziehungsweise realistisch. Das sind keine realistischen Angaben! Wir müssen damit rechnen, dass dieses System, das ja ten­denziell ausgebaut werden soll, wesentlich mehr kosten wird. Wir müssen vor allem deshalb damit rechnen, weil es vom Prinzip her nicht sehr fehlerfreundlich konzipiert wurde. Würde es so wie das dänische System bottom-up, also von unten her, und nicht als Top-down-System entwickelt, dann wäre die Chance wahrscheinlich größer, dass wir bei den Kosten auch zu einer realistischen Einschätzung kämen beziehungsweise, was noch wesentlicher ist, dass bei den Maßnahmen und bei den Diensten, die für die Versicherten, für die Patienten in diesem System übrig bleiben, ein konkreter Kunden- oder Patientennutzen erreicht werden könnte – und zwar von Beginn an und nicht als Versprechen des Bundesministers, dass irgendwann einmal, in einigen Jahren, so etwas wie der Impfpass kommen wird, der uns versprochen wurde, der aber nicht in ELGA enthalten ist.

Zusammenfassend: Die Kosten sind unrealistisch, die Verordnungsermächtigungen er­möglichen Ihnen, ohne eine parlamentarische oder eine demokratische Kontrolle allzu viel selbst zu steuern. Die Opt-out-Möglichkeit ist eine Drohung, auch für die Versi­cherten, die dann unter bestimmten Voraussetzungen das Haftungsrisiko tragen. Au­ßerdem gibt es in der entsprechenden Vorlage nach wie vor unklare Nutzungsbestim­mungen.

Deshalb wird es von unserer Seite auch ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten geben. Die grüne Fraktion wird im Wesentlichen diesem Antrag nicht zustimmen. Herr Kollege Grünewald sieht darin jedoch ein paar Fortschritte und wird Ihnen dann er­klären, warum er dieser Vorlage zustimmt. Aber wesentlich scheint mir, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren: Sie sollten sich das noch einmal überlegen!

Sie hätten sich bei der Entwicklung von ELGA für uns alle etwas mehr Zeit nehmen sollen. Das Hearing, das wir jetzt im Ausschuss gehabt haben, stand ja am Ende die­ses Prozesses. Dieses Hearing für Parlamentarier hätte eigentlich ein Hearing für die Bevölkerung sein müssen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen es verstehen, sie müs­sen nachvollziehen können, was ELGA an Chancen, aber auch an Risiken für sie bringt.

Ich bringe deshalb folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Mag. Steinhauser, Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Bezug auf ELGA wird die Regierungsvorlage wie folgt geändert:

„In Art. 1 lautet § 14 Abs. 2:

‚(2) Die durch ELGA verfügbar gemachten ELGA-Gesundheitsdaten dürfen ausschließ­lich 1. zur persönlichen Betreuung oder Behandlung von ELGA-TeilnehmerInnen in Zu­sammenhang mit Gesundheitszwecken gemäß § 9 Z 12 DSG 2000, ausgenommen für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten von


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a) den/die ELGA-Teilnehmer/in behandelnden oder betreuenden ELGA-Gesundheits­diensteanbietern,

b) ELGA-Gesundheitsdiensteanbietern, an die ein/e ELGA-Teilnehmer/in zur Behand­lung oder Betreuung von einem ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter gemäß lit. a zuge­wiesen wurde,

oder

2. zur Wahrnehmung der Teilnehmer/innen/rechte gemäß § 16 von

a) ELGA-Teilnehmer/inne/n,

b) deren gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter/inne/n sowie

c) der ELGA-Ombudsstelle (§ 2 Z 14),

verwendet werden.‘“

*****

Ich hätte mir gerne das Vorlesen dieses Antrags erspart, weil ich das bei diesen An­trägen, in denen zahlreiche Zahlen und Ziffern vorkommen, die ohnehin niemand von Ihnen in der Kürze verstehen kann, als relativ sinnlos erachte, aber es ist ein wichtiger Antrag, und ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.).

12.27


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Albert Steinhauser, Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1979 d.B. über die Regierungsvorlage Bun­desgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemei­ne Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bau­ern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsge­setz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G; 1936 d.B.)]

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelema­tikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetz­buch geändert werden (Elektronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G; 1936 d.B.) in der Fassung des Berichtes des Gesundheitsausschusses ( 1979 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Art. 1 lautet § 14 Abs. 2:

„(2) Die durch ELGA verfügbar gemachten ELGA-Gesundheitsdaten dürfen aus­schließlich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 71

1. zur persönlichen Betreuung oder Behandlung von ELGA-TeilnehmerInnen in Zu­sammenhang mit Gesundheitszwecken gemäß § 9 Z 12 DSG 2000, ausgenommen für die Verwaltung von Gesundheitsdiensten, von

a) den/die ELGA-Teilnehmer/in behandelnden oder betreuenden ELGA-Gesundheits­diensteanbietern,

b) ELGA-Gesundheitsdiensteanbietern, an die ein/eine ELGA-Teilnehmer/in zur Be­handlung oder Betreuung von einem ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter gemäß lit a zugewiesen wurde,

oder

2. zur Wahrnehmung der Teilnehmer/innen/rechte gemäß § 16 von

a) ELGA-Teilnehmer/inne/n,

b) deren gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter/inne/n sowie

c) der ELGA-Ombudsstelle (§ 2 Z 14),

verwendet werden.“

Begründung

Die in der Regierungsvorlage angeführte Formulierung ist ungenau und nicht geeignet, eine Verwendung der ELGA-Daten ausschließlich zur Behandlung und Betreuung von PatientInnen sicherzustellen.

Die Anführung des Wortes „personenbezogen“ im Einleitungssatz des von der Regie­rung vorgeschlagenen Abs. 2 schränkte nicht die Nutzung durch Dritte, sondern allen­falls die Datenselbstbestimmung der PatientInnen ein. So erlaubte die in der Regie­rungsvorlage angeführte Regelung etwa, Daten aus ELGA über eine per Verordnungs­ermächtigung nach § 28 noch zu definierende Rolle jedenfalls nicht unmittelbar perso­nenbezogen zu verwenden. Es ist jedoch klar, dass auch nicht personenbezogene – etwa anonymisierte – Daten gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ohne große Pro­bleme sehr leicht konkreten Personen zugeordnet werden können.

Durch den Entfall des Wortes „personenbezogen“ im Einleitungssatz ist sichergestellt, dass die Daten der ELGA-TeilnehmerInnen ausnahmslos nur unter den klaren Ein­schränkungen der Ziffern 1. und 2., also ausschließlich zur unmittelbaren Betreuung oder Behandlung der TeilnehmerInnen oder zur Wahrnehmung der TeilnehmerInnen­rechte, verwendet werden dürfen.

Ohne diese Änderung ist die Verwendung von ELGA-Daten ohne unmittelbaren Perso­nenbezug nicht eingeschränkt. Die TeilnehmerInnen verlieren somit das Verfügungs­recht über die sie betreffenden Daten.

Die bisherige Ziffer 1 ermöglichte dem Wortlaut zu Folge den nachfolgend in den Un­terpunkten a bis c genannten Personengruppen die Nutzung der Daten auch dann, wenn diese Verwendung nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der Betreuung oder Behandlung der PatientInnen stand. Die doppelte Nennung der Betreuung oder Be­handlung sowohl im Einleitungssatz zu Ziffer 1 wie auch bei der Beschreibung der in der Folge angeführten NutzerInnen garantiert, dass die Daten von den behandelnden oder betreuenden GesundheitsanbieterInnen auch ausschließlich zu Behandlung oder Betreuung genutzt werden können. Es ist somit ausgeschlossen, dass behandelnde oder betreuende GesundheitsanbieterInnen ELGA-Daten ihrer PatientInnen ohne de­ren Wissen etwa für wissenschaftliche Publikationen nutzen können.

Die in Ziffer 1 lit. C genannte Personengruppe ist zu streichen, da das Gesetz keine ausreichende Regelung über die Voraussetzungen zur Teilnahme an dieser Personen-


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gruppe trifft. Es ist daher – anders als bei behandelnden ÄrztInnen oder der aus­schließlich im Auftrag der TeilnehmerInnen eingreifenden Ombudsstelle – für die ELGA-TeilnehmerInnen nicht erkennbar, ob eine Person tatsächlich der in Ziffer 1 Lit c genannten Gruppe angehört oder nicht. TeilnehmerInnen haben somit nicht einmal die Möglichkeit, die Einhaltung des Gesetzes hinsichtlich dieses Punktes zu überprüfen.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


12.27.35

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! ELGA ist eine Chance, aber auch ein Risiko. Wir haben 18 Monate lang verhandelt. Das ist exakt das Doppelte einer Schwangerschaft. Ich frage mich, wer da jetzt Geburtshelfer war. Ich bekenne mich dazu, dass ich dann Ja gesagt habe. Ich sage auch jetzt Ja, und zwar aus verschiedenen Gründen.

Der erste Entwurf war völlig untauglich. Es war ungefähr so, wie wenn man ein Auto mit fünf Rädern und ohne Bremse hat. Es gab darin unsinnige Bestimmungen wie zum Beispiel, dass ein Arzt, wenn er ELGA nicht verwendet, mit bis zu 10 000 € zu bestra­fen ist. Das ist die dreifache Summe dessen, womit ein Alkolenker schwer bestraft wird. Dass sich Ärzte dann aufregen und glauben, wir sind politisch irgendwo gegen die Wand gefahren, war natürlich klar. Auch die e-Medikation war anfänglich absolut untauglich. Daher empfahl auch der unabhängige Gutachter, dass man das neu auf­setzt.

Schwamm drüber! Wir haben lange verhandelt, und herausgekommen ist dann etwas deutlich Besseres. Chance heißt das, was jetzt vorliegt. Dem kann man sich doch nicht verschließen! Denn: Wenn jemand heute von Vorarlberg nach Wien zur Behandlung kommt, ist ELGA natürlich eine Informationsschiene, da, wie ich annehme, nicht jeder, der in Wien spazieren fährt, seine Befunde mit sich trägt. Ich nehme auch an, dass je­mand, der einen Notfall hat, nicht alle seine Befunde mit sich trägt. Außerdem gibt es genügend Menschen mit schlechter Artikulationsfähigkeit. Es gibt Leute, die die deut­sche Sprache auch nach 20 Jahren nicht beherrschen, es gibt aber auch Leute, die Alzheimer-Demenz et cetera haben, die einfach mit dem System überfordert sind und nicht mehr mitkommen.

Die e-Medikation hat auch dann einen Sinn, wenn man verschiedene Ärzte besucht, denn da bekommt man oft ähnliche Medikamente verschrieben, weil der eine Arzt vom anderen nichts weiß und es oft so ist, dass der Patient sich bei aller sogenannten Mün­digkeit oft hinten und vorne nicht auskennt.

Risiken gibt es auch bei ELGA, das muss man fairerweise ganz klar sagen. Es nützt ja nichts, wenn man den Leuten ständig Sand in die Augen streut. Ein Risikofaktor ist schlicht und einfach der Datenschutz. ELGA ist Österreichs größtes Datenschutzpro­jekt. Das muss man so sehen. Seit Wikileaks, seit Daten im Pentagon geknackt wur­den, muss man sehr vorsichtig sein. Wenn gesagt wird, dass in Österreich alles sicher ist, dann sage ich als gebürtiger Österreicher: Na ja, das ist zumindest hinterfra­genswert! Wir haben aber bei ELGA sehr viele Bremsen eingebaut. Vor allem: Der Patient kann auf jeder Ebene sehr leicht rausoptieren, er kann den Befund rausoptie­ren, sich ganz rausoptieren, sich reinoptieren, also im Grunde kann er sagen: Ich will in diesem System nicht dabei sein!, und auch der Arzt kann sagen: Ich will in diesem Sys­tem nicht dabei sein!

Die Bürokratie, die dadurch auf die Ärzte zukommt, ist natürlich auch zu beachten. Die Ärzte haben Angst, dass sie nur mehr vor dem Computer sitzen, irgendwelche Daten


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herunterladen und keine Zeit mehr haben werden, mit den Patienten zu reden, sondern nur mehr mit dem Computerkastl beschäftigt sind.

Das ist ernst zu nehmen, da kann man nicht sagen, so wie die Frau Stadträtin Wehsely es tut: Die Ärzte machen da immer nur Schwierigkeiten, jetzt müssen wir drüberfah­ren! – Das ist vielleicht der Stil, der in der Gemeinde Wien oder sonst irgendwo üblich ist, aber wir von der ÖVP meinen, dass man, wenn ein Arzt beziehungsweise die An­wender Bedenken haben, diese zumindest anhören muss. (Beifall bei der ÖVP.)

Das „Drüberfahren“ ist ein Wort, das in meinem Vokabular sicher nicht zu Hause ist, al­lerdings muss man sagen, die Ärzte fangen ja nicht mit dem Kienspan an, sondern ELGA ist ein Zusatztool, mehr nicht.

Öllinger hat es richtig gesagt, dieses System ist in vielen Ländern gescheitert. Es ist in Deutschland neu aufgesetzt worden, in England ein Albtraum, auch in Tschechien und in den Niederlanden. Da könnte ich noch lange Beispiele aufzählen.

Es war natürlich ein Fehler von Ihnen, Herr Minister, dass Sie ohne Wenn und Aber ge­sagt haben: Das ist ein Super-Projekt, das kommt! Wir meinen, es bringt Chancen, aber es birgt auch ein Risiko in sich. Jedenfalls: Wir wollen es mit den Anwendern ge­meinsam machen. Wir wollen es nicht so machen, wie das im AKH mit dem von der Gemeinde Wien seit zehn Jahren betriebenen AKIM-Projekt gemacht wird; das funk­tioniert hinten und vorne nicht. Das neue „impuls.kis“ arbeitet drei Mal so langsam. Ich meine, da muss man sich schon einmal an der Nase nehmen und sehen: Man muss den Ärzten und den Schwestern Tools an die Hand geben, mit denen sie auch arbeiten können. Auch das ist Mitarbeiterpflege! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bleibe aber dabei und stehe auch dazu: ELGA ist, so wie es jetzt besteht – nämlich ein abgewandeltes Schweizer Projekt mit Freiwilligkeit et cetera –, ein international durchaus herzeigbares Projekt, das Chancen bietet, die Behandlung in Österreich noch zu verbessern, die aber ohnehin schon auf einem sehr hohen Niveau ist. (Beifall bei der ÖVP.)

12.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. – Bitte.

 


12.32.40

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Um Kostendämpfung und Einsparungen im Gesundheitssystem zu erreichen, sind unter anderem die Vermeidung von Doppelbefundungen und Kontraindikationen notwendig. Dass man dies aber ausgerechnet mit dem schlecht durchdachten und sehr teuren System „Elektronische Gesundheitsakte“ erreichen will, stößt auf breite Ableh­nung.

ELGA ist weder gesundheitspolitisch noch datenschutzrechtlich ausreichend durch­dacht. (Beifall beim BZÖ.) Dass das ELGA-System für eine integrierte Gesundheitsver­sorgung ungeeignet ist und offensichtlich andere Ziele verfolgt, ist aus den willkürlich festgelegten Speicherfristen und automatisierten Löschungsverpflichtungen erkennbar. Welchen Grund hat wohl die nicht zu akzeptierende Opt-out-Regelung? Es werden alle Daten des Patienten automatisch gespeichert, und der Patient muss dann mittels schriftlichem Einspruch oder über die e-card die Löschung verlangen. Warum wehrt man sich so vehement gegen die Opt-in-Regelung, wo der Arzt den Patienten fragen sollte, ob er die Speicherung will oder nicht? Dies wäre eine faire und leicht durch­führbare Regelung. Es liegt der Verdacht nahe, dass der Minister bei der Opt-in-Rege­lung wohl die Befürchtung hat, dass ein Großteil der Patienten nicht mitmachen und sich ELGA schon von Beginn an als Flop herausstellen würde.


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Dass die Befunde trotz Opt-out in die Datenbank kommen, lässt wiederum den Ver­dacht aufkommen, dass auf Patientenwunsch zwar die Daten gelöscht werden, aber für wissenschaftliche Zwecke und Marktforschungen weiter Verwendung finden. Eine lückenlose Erfassung der Gesundheitsdaten ist aber sowohl bei Opt-out als auch bei Opt-in nicht gegeben, was ELGA zahnlos macht.

Mir ist unverständlich, dass man unseren Vorschlag, die Daten auf der e-card zu spei­chern, nicht angenommen hat. Die Vorteile der Speicherung sind ganz klar: Zum einen sind die Kosten um ein Vielfaches geringer als bei ELGA. Man braucht für jeden Arzt nur ein Schreib- und Lesegerät. Eine österreichweite Vernetzung ist nicht notwendig. Die jährlichen Kosten von 60 Millionen € würden nicht anfallen.

Dadurch, dass die e-card mit einem Pin-Code gesichert wird, hat nur derjenige Zugriff zu den Daten, dem es vom Patienten erlaubt wird. Jeder Patient ist somit sein eigener Datenschützer und für seine Daten selbst verantwortlich. Durch den gegebenen Daten­schutz kann man dann eine Speicherung auf der e-card zwingend vorschreiben, was die Effizienz steigern würde.

Das Argument, dass man trotzdem die Daten zentral speichern müsste, ist unrichtig. Über 2000 Jahre wurden keine Daten zentral gespeichert. Es wäre auch ein Verlust der e-card kein Beinbruch, man müsste eben die Daten wie ursprünglich abrufen. Wenn man Opt-out wählt, stehen ja die Daten auch nicht zur Verfügung.

Bei einer Speicherung der Daten auf der e-card stünden natürlich diese Daten für wis­senschaftliche Zwecke nicht zur Verfügung, aber das wird ja angeblich ohnehin nicht gewollt. Der einzige Grund für die Ablehnung dieser Speicherung können in meinen Augen nur die zu geringen Kosten und die einfache Handhabung sein. Aber es ist ja typisch für unser Gesundheitssystem: Es muss alles möglichst aufgeblasen und teuer sein.

ELGA ist ein System, das den Patienten gläsern macht, ihm aber in keinster Weise nützt. Deswegen werden wir ELGA nicht zustimmen. (Beifall beim BZÖ.)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Stöger zu Wort. – Bitte.

 


12.36.38

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren als Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen! Es ist heute ganz wichtig, dass wir in der Gesundheitspolitik jene Bedürfnisse und jene Interessen in den Mittelpunkt stellen, die den Menschen, den Pa­tientinnen und Patienten dienen. Die Elektronische Gesundheitsakte stellt dazu einen ganz großen Meilenstein für die Patientinnen und Patienten dar. Die Partner im Ge­sundheitswesen – Bund, Sozialversicherungen, Länder – haben sich darauf geeinigt, die Information im Gesundheitswesen zu verstärken und damit patientenorientiert die richtigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Wir machen nicht nur das, sondern wir haben bei der Regierungsklausur am Freitag auch sichergestellt, dass das österreichische Gesundheitssystem modernisiert und weiterentwickelt wird. Wir werden Krankengeld für Selbstständige neu einführen und wir werden auch gleichzeitig dafür sorgen, dass die Zahngesundheit steigt und die Ge­bietskrankenkassen in ihren Zahnambulatorien moderne Leistungen für die Versicher­ten anbieten können.

Aber nun zu ELGA, meine sehr verehrten Damen und Herren! – Ärztinnen und Ärzte können alle relevanten Gesundheitsdaten jetzt im Internet beziehungsweise im ELGA ablesen. Es ist etwas vorbei, was bisher gang und gäbe war: dass ein Patient/eine Pa-


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tientin mit einem dicken Paket von Befunden zum Arzt hat gehen müssen und der Arzt das alles gar nicht durchlesen konnte.

Oder – stellen Sie sich das vor! –: Ein Patient war im Krankenhaus. Der Entlassungs­befund ist bisher nur an jenen Arzt geschickt worden, der als Hausarzt angegeben worden ist. Nun will der Patient seinen Arzt konsultieren, aber gerade an dem Tag, an dem er krank ist, hat sein Arzt einen freien Tag. Er muss zur Vertretung gehen, aber dieser Arzt ist nicht informiert.

Oder schauen Sie sich an, wie es Patientinnen und Patienten geht, die einerseits von ihrem Hausarzt ein Medikament verschrieben bekommen haben, andererseits gleich­zeitig bei einem Facharzt/einer Fachärztin in Behandlung sind oder ihnen das Kranken­haus ein Medikament verschrieben hat. Diese Ärzte, die alle gute Arbeit leisten, haben keine Information, was ihre Kolleginnen und Kollegen verschrieben haben, und können daher den Patienten nicht so gut beraten, wie sie das in Zukunft werden tun können.

Wir haben in den Pilotprojekten bemerkt, dass dies eine bessere Information darstellt, denn bisher hat es eine zielgerichtete Kommunikation gegeben, aber jetzt kann jeder Arzt – wohlgemerkt: aber nur jene Ärzte/Ärztinnen, denen die Patientinnen und Patien­ten das Vertrauen schenken – auf die elektronischen Gesundheitsdaten, auf die ge­speicherten Gesundheitsdaten zugreifen. Ihre Vertrauensärztin/Ihr Vertrauensarzt kann darauf zugreifen, und das Ganze für 28 Tage – und damit haben wir auch einen ge­waltigen Schritt beim Datenschutz gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mir geht es darum, dass wir den Datenschutz massiv verbessern, und das haben wir mit dieser Maßnahme getan. Wenn Sie Ihre Kreditkarte, Ihre Bankomatkarte zücken, wissen Sie, wer in der Bank auf Ihre Daten zugreift? – Das wissen Sie nicht, das sagt mir auch meine Bank nicht. Im Gesundheitswesen werden wir das ändern: Jede/r kann sehen – man wird ein Pro­tokoll bekommen, wenn man das möchte –, wer auf ihre beziehungsweise seine Ge­sundheitsdaten zugegriffen hat, und ich denke, dass das den Datenschutz massiv ver­bessert.

Wenn es Menschen gibt, die den Datenschutz nicht einhalten, dann haben wir dafür strenge, auch gerichtliche Strafen vorgesehen. Ich kann Ihnen versichern, das ist die größte Datenschutzmaßnahme, die diese Republik bisher geschaffen hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht auch darum, Mehrfachuntersuchun­gen hintanzuhalten, den Prozess medizinischer Versorgung zu optimieren, und es geht auch darum, eben patientenorientiert zu handeln. So gesehen ist die Elektronische Ge­sundheitsakte ein ganz wesentlicher Schritt zur Verbesserung und zur Stärkung der Qualität im österreichischen Gesundheitswesen. Ich möchte Ihnen auch berichten, was der Unterschied zum englischen oder dänischen Modell ist. Es ist mir ganz wichtig, das auch deutlich zu sagen.

Im Vereinigten Königreich hat man versucht, eine Form der Technik allen Krankenhäu­sern überzustülpen. Dass das nicht funktionieren kann, weiß jeder, der einmal ein EDV-System eingeführt hat. Was haben wir gemacht? – Wir haben ganz deutlich ge­sagt, wir wollen die bestehenden Systeme belassen, wie sie sind, wir wollen aber eine Vernetzung zwischen den Gesundheitsdaten herstellen, die beim Arzt, im Krankenhaus oder beim Facharzt gespeichert sind. Diese bleiben auch dort, es wird keine zentrale Speicherung geben. Was wir zustande bringen, ist eine Verknüpfung dieser Daten dann, wenn eine entsprechende Abfrage von dem Arzt kommt, den Sie, liebe Patientin, lieber Patient, auswählen und dem Sie das auch ermöglichen. Insofern macht es mich stolz, dass wir diese Maßnahme jetzt umsetzen können.

Eines noch: Das war ein langer, intensiver Diskussionsprozess. Wir haben zwei Hea­rings veranstaltet – eines davon im Gesundheitsausschuss –, im Sommer haben wir


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auch viele Gruppen eingeladen, mitzuwirken. Wir haben einen langen Diskussionspro­zess geführt, und viele – vor allem die betroffenen Personen, die Pensionistenverbän­de, die Seniorenverbände in Österreich – haben klar und deutlich gesagt: Ja, wir wol­len diese Elektronische Gesundheitsakte haben!, und haben auch ihre Unterstützung dafür zugesagt. – Ich bedanke mich bei allen, die das gemacht haben.

Ich bedanke mich auch ganz besonders bei allen Ärztinnen und Ärzten, die mir in den letzten Tagen dazu gratuliert haben. Diese wollen die Information haben! (Beifall bei der SPÖ.) Sie wollen die Information haben, damit die Qualität ihrer ärztlicher Versor­gung noch besser wird, als sie es ohnehin schon ist.

Ich möchte weiters Herrn Abgeordnetem Dr. Rasinger und Frau Abgeordneter Dr. Oberhauser danken; sie haben sich sehr intensiv in den Diskussionsprozess einge­bracht. Herr Abgeordneter Maier hat auch mit seiner Expertise über den Datenschutz ganz massiv dazu beigetragen (Abg. Dr. Karlsböck: Ist das eine Abschiedsrede?), dass das, was für mich ein Ziel war – nämlich den höchsten Grad des Datenschutzes sicherzustellen –, mit dieser Gesetzesinitiative tatsächlich umgesetzt worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich sagen: Es ist nicht meine Aufgabe, mich auszuruhen, sondern es ist meine Aufgabe, das Gesundheitssys­tem weiterzuentwickeln und weiterzubringen. Ich habe daher heute im Ministerrat die 50. Gesetzesnovelle eingebracht, damit wir das Gesundheitssystem modern ausrichten und es patientenorientiert gestalten. In diesem Sinne will ich auch weiterarbeiten und danke Ihnen allen, die diesem Gesetz im Interesse von Patientinnen und Patienten die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


12.45.26

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! ELGA wurde in den letzten fünf Jahren sehr hef­tig diskutiert, und ich möchte Folgendes auch für die Zuseher klarstellen: Die Ärzte, die Sozialversicherungen, die Länder waren eingebunden. Es hat insgesamt über 40 Ter­mine mit den Ärzten gegeben, die immer wieder behauptet haben – ich meine ganz konkret die Vertreter der Ärztekammern –, dass sie nicht eingebunden gewesen wären.

Sie haben ja für heute einen großen Protest angekündigt. Ich habe den Medien ent­nommen, Hohes Haus, dass Ärzte aufgerufen wurden, in weißen Kitteln hier zu er­scheinen, um ihren Protest darzulegen. – Ich sehe keine Ärzte in weißen Kitteln. Es wurde von 100 und mehr Ärzten gesprochen. (Abg. Dr. Karlsböck: Das wissen aber nur Sie! Das ist ein Gerücht!) Ich meine daher, Herr Bundesminister, Sie haben voll­kommen recht: Die Ärzte wollen ELGA, die Ärzte wollen eine neue gesetzliche Grund­lage, wie mit Gesundheitsdaten umgegangen wird, denn derzeit haben wir in Öster­reich ein Problem im Bereich der Bundesländer, wir haben ein Problem mit unter­schiedlichen Systemen und dass es keine Patientensouveränität, dass es keine Daten­sicherheit bei den KIS-Systemen und bei den sonstigen Systemen auf Länderebene gibt. (Abg. Öllinger: Reden Sie jetzt als Datenschützer oder für die SPÖ?)

Was ich hier sehr klar sagen möchte, ist: Ich verstehe bis heute nicht, warum die Ärzte noch immer gegen ELGA auftreten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Wenn man sich die Geschichte der Gesundheitspolitik der letzten Jahre ansieht (Zwi­schenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein), dann merkt man, dass die Ärzte ge­gen jede Reform waren, weil sie nur ihre eigenen Interessen vertreten haben und nicht die Interessen der Patienten.


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Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch jetzt wurde von den Ärz­ten wieder Protest angekündigt, Protest gegen die Gesundheitsreform, die die Regie­rung mit Bundesminister Stöger realisieren möchte. Ich meine, die Aktion, die die Ärzte nun ankündigen, ist nicht nur überreizt, sie widerspricht dem Berufsethos der Ärzte. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit derartigen, unsinnigen Pla­katen (der Redner hält ein Plakat hoch) wollen die Ärzte in ganz Österreich auftreten. Ich fordere Sie von hier, von dieser Stelle auf (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Sie haben den Ärzten ...!): Ziehen Sie diese Protestaktionen zurück! Sie verunsichern die Menschen! Es kommt zu einer Panikmache durch Ärzte, und das ist mit aller Entschie­denheit abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: ... ist Panikmache?)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ELGA hat sehr viel mit Daten­schutz zu tun. Ich sage es Ihnen hier ganz klar und deutlich: Ich war zu Beginn der De­batte gegen die Elektronische Gesundheitsakte, aber es ist uns in vielen Verhand­lungsrunden und Gesprächen gelungen, Datensicherheitsmaßnahmen vorzusehen, die über dem Standard des Datenschutzgesetzes liegen. (Abg. Öllinger: Das ist keine Kunst!)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 14 schreibt Standards vor, die eben über dem Datenschutzgesetz liegen (Abg. Öllinger: Das ist keine Kunst!), weil die Verwendung der Gesundheitsdaten, Kollege Öllinger, auf § 9 Ziffer 13 Daten­schutzgesetz beschränkt wird.

Wir haben allerdings ein Problem, und zwar die Bundesländer. Ich möchte es ganz of­fen aussprechen: Wir haben unterschiedliche Systeme, wir haben neun verschiedene Krankenanstaltengesetze mit unterschiedlichsten datenschutzrechtlichen Standards. Nach einigen Krankenanstaltengesetzen können beispielsweise Massenabfragen durch­geführt werden, es gibt keine Patientensouveränität, es gibt nicht die Möglichkeit, dass Patienten kontrollieren, wer ihre Gesundheitsdaten verwendet hat.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bekommen mit ELGA erstmals einheitliche ... (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Jetzt wissen Sie selber nicht, was wir bekommen!) ... eine einheitliche Regelung über Gesundheitsdaten in Ös­terreich. Die Bundesländer sind aufgefordert, endlich ihre Krankenanstaltengesetze so zu ändern, dass sie zumindest der Richtlinie der Europäischen Union entsprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


12.50.53

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Zu ELGA: Grundsätzlich ist ELGA ja eine gute Sache. Man muss sich einmal überlegen, was in Österreich jeden Tag so passiert. Es gibt eine Studie, die belegt, dass es in Ös­terreich aufgrund von Medikamenten, die sich miteinander nicht vertragen, über eine Million Wechselwirkungen gibt. Das heißt, ein Arzt verschreibt ein Medikament, ein anderer Arzt verschreibt ein anderes Medikament, weiß aber nichts davon, dass das schon verschrieben wurde, oder ein anderes, das nicht mit dem ersten zusammen­passt, und es entstehen Wechselwirkungen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Jetzt wissen wir, dass Wechselwirkungen mitunter auch gewaltige negative Folgen ha­ben können. Es gibt in Österreich auch einige Todesfälle wegen Wechselwirkungen. Genau das würde ELGA verhindern. Es würde dies deshalb verhindern, weil sowohl


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der Apotheker als auch der Arzt und alle Beteiligten wissen, wer was bekommt. Und wenn etwas nicht zusammenpasst, könnte man sogar ein Modul implementieren, das Alarm schreit. (Abg. Brosz: Im Körper – oder wo?) Das heißt, würde ein Arzt ein Me­dikament verschreiben, das Wechselwirkungen erzeugt, vielleicht sogar gefährliche Wechselwirkungen, dann könnte dieses System von sich aus aktiv werden. All das ist möglich. (Abg. Öllinger: Das ist ja interessant!)

Oder wenn es darum geht, die Krankengeschichte zu kennen: Wenn man ins Spital geht wegen einer Erkrankung oder wegen eines akuten Falls ist es jetzt oft so, dass der Arzt die Vorgeschichte nicht kennt. Das heißt, man muss mühsam den Patienten befragen: Was nehmen Sie für Medikamente, was haben Sie für Behandlungen hinter sich?, und, und, und. (Abg. Öllinger: Das ist das Wesen!) Wenn der Patient das nicht vollständig aufzählen kann, wenn er vielleicht schon etwas älter ist, dann weiß der Arzt das gar nicht.

Das heißt, es ist doch endlich an der Zeit, ein System zu haben, mit dem wir ganz ge­nau dokumentiert haben: Wie ist die Krankengeschichte, welche Medikamente vertra­gen sich, welche nicht?, damit auch der Apotheker weiß, was die Person bekommt. (Abg. Öllinger: Die Krankengeschichte steht nicht in der ELGA drinnen! Sie haben ja keine Ahnung! – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Damit gibt es auch keine Doppelverschreibungen, denn der Apotheker sieht da, das wurde ja schon verschrieben und, und, und. Das heißt, man würde auch eine Tablet­tenabhängigkeit besser sehen. (Abg. Öllinger: Sie haben keine Ahnung!) Das heißt, es gibt damit also ganz, ganz viele Möglichkeiten, und ELGA ist grundsätzlich einmal eine positive Sache. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Und jetzt sind wir genau bei dem Punkt, wo der Herr Maier von der SPÖ hier versucht, Ärzte-Bashing zu betreiben. Selbstverständlich haben die Ärzte ihre Bedenken. Selbst­verständlich ist es so, wie es jetzt vorliegt, unausgegoren. Man muss sich das einmal vorstellen: In Österreich liegt eine Situation vor, wo die Ärzte 13 €, 14 € für einen Pa­tienten bekommen und immer wieder neue Aufgaben aufoktroyiert bekommen. (Abg. Öllinger: Sie haben einen unausgegorenen Standpunkt!)

Das heißt, wenn man etwas Sinnvolles machen will, muss man die Ärzte einbeziehen. Die Ängste der Ärzte sind ja nicht von der Hand zu weisen. Erstens: Wie kann das Sys­tem in der Praxis umgesetzt werden? Zweitens: Wird es zu Wartezeiten kommen, wenn da alle möglichen Dinge gemacht werden müssen? Wie ist es mit den Kosten? Wie ist es mit den Startup-Kosten? – Das sind ja alles Bedenken, die man ernst nehmen muss! Da geht es ja nicht darum, dass die Ärzte so, wie das hier (in Richtung SPÖ weisend) unterstellt wurde, einfach alles verhindern wollen, was irgendwie positiv ist. Die sehen ja auch, dass da eine positive Entwicklung stattfindet, auch was den Da­tenschutz betrifft.

Jetzt höre ich immer, das alles ist so unsicher, elektronische Daten sind generell unsi­cher. – Wir wissen, dass es in Österreich Ärzte gibt, die ihre Krankenakten einfach in den Mistkübel schmeißen und mit dem Hausmüll entsorgen. Ich weiß, dass das nicht gesetzeskonform ist, aber es passiert trotzdem. Das heißt, es gibt immer wieder Pro­bleme, was den Datenschutz betrifft.

Aber es geht ja nicht darum, das zu generalisieren, und jeder Vorteil wird sofort mit dem Totschlagargument Datenschutz niedergeredet – auch das Pentagon ist theore­tisch „hackbar“, auch das ist schon passiert; man kann letztlich nichts hundertprozentig sicher machen –, sondern es geht darum, dass wir nicht den Fehler machen, etwas Gutes nur deshalb nicht einzuführen, weil wir Angst haben, dass es missbraucht wer­den könnte. Das ist der Punkt. Das heißt, wenn es hier Bedenken gibt, dass da ein Missbrauch möglich ist, dann müssen wir doch das System sicherer machen und nicht das Ganze gleich über Bord werfen! Das wäre doch der Ansatz.


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Eine Sache noch betreffend die Länder: Wir haben gehört – der Herr Stöger hat das ja auch sehr offen zugegeben –, es gibt Länder, wo das zum Albtraum wurde, Großbri­tannien zum Beispiel, wo man es nach zehn Jahren und nach gewaltigen Kosten wie­der abgeschafft hat. Und jetzt ist die Frage, wie können wir diesen Albtraum hier in Ös­terreich verhindern?

Anstatt dass Sie das tun, was Ihnen auch die Ärztekammer empfohlen hat, nämlich diese Sache einmal ganz lokal irgendwo zu testen, einmal zu schauen: Wie kommt es beim Patienten an, wie kommt es bei denen an, die das eingeben müssen, wie kom­men die Apotheken damit zurecht, wie kommt man überhaupt mit den Daten und mit dem Datenaustausch zurecht (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein), welche Startup-Kosten bei den Ärzten sind notwendig, wie kann man die Ärzte unter­stützen?, also anstatt dass man das lokal sehr begrenzt macht – man macht es zum Beispiel, sagen wir, einmal in Wien in einem Bezirk – und schaut, wie das ange­nommen wird, wollen Sie heute hier einfach ein Ermächtigungsgesetz über Österreich drüberziehen ohne Rücksicht auf Verluste und ohne zu wissen, wie sich das tatsäch­lich in der Praxis umsetzen lässt.

Deshalb wird es von uns heute hier keine Generalermächtigung geben. Wir wollen ganz genau wissen, was da geplant ist, und vor allem wollen wir einen lokalen Ausbau, wo wir einmal schauen, wie man das überhaupt implementieren kann. Wir haben ja schon gehört, dass es bei den Sozialversicherungsträgern unterschiedliche EDV-Sys­teme, unterschiedliche Programmiersprachen gibt. Wie kann man das alles zusam­menführen? Darüber hat sich ja noch keiner so richtig Gedanken gemacht. (Zwischen­ruf des Abg. Öllinger.) All das müssen wir klären – und das müssen wir lokal klären, bevor wir es dann über ganz Österreich drüberstülpen.

Eine Sache noch zum Schluss: Wenn man sich das bei der Bank Austria anschaut, die haben nichts anderes gemacht, als ihr Kontoführungssystem umzustellen – nicht mehr. Sie haben die Experten zusammengetrommelt, haben das Monate vorbereitet, haben aber auch etwas nicht gemacht, was wir hier machen sollten: Sie haben vorher keinen Testlauf versucht. Genau das ist der Punkt. Wir sehen die Probleme, die die Bank Aus­tria jetzt hat, und die Kunden laufen ihnen davon. Wollen Sie das auch den Österrei­chern und Österreicherinnen zumuten? (Abg. Öllinger: Testphase für das Team Stro­nach!)

Wollen Sie ihnen zumuten, dass Sie hier ein System drüberstülpen, ohne es vorher getestet zu haben? – Also ich würde Ihnen wirklich empfehlen, dass Sie die Bedenken der Ärztekammer ernst nehmen. Machen Sie das mit den Ärzten gemeinsam in einer Partnerschaft! (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.) Und vor allem: Unterstützen Sie die Ärzte dabei, das System zu implementieren, denn es wird nur partnerschaftlich gehen und sicherlich nicht über die Köpfe der Ärzte und der Patienten hinweg. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

12.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf (den Vorsitz übernehmend): Als nächste Rednerin ge­langt Frau Abgeordnete Mag. Aubauer zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.58.02

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gehen wir doch davon aus, was die Patienten wollen – in der Mehrheit sind das ältere Personen –: Unsere Erfahrungen zeigen, die Mehrheit der Senioren steht ELGA sehr positiv gegenüber.

Warum? – Wir Senioren wollen nicht immer die Laborbefunde zusammensuchen, wir wollen nicht mehr die Röntgenbilder mit uns herumschleppen. Vorteil der Elektroni­schen Gesundheitsakte wird sein, wenn der Patient von einem Arzt zum anderen wan-


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dert, dass auch die Daten mitwandern – eben auf elektronischem Wege. Da ist der Arzt immer bestens informiert, und das ist uns ja so wichtig, denn da gibt es Defizite.

Vor Kurzem passierte es einem Kollegen, weil ein Befund nicht rechtzeitig in einem zweiten Spital vorhanden war, dass er innerhalb von wenigen Tagen eine zweite Com­putertomografie über sich ergehen lassen musste. Mit ELGA wäre das nicht nötig ge­wesen.

Großer Vorteil von ELGA – und das ist für ältere Menschen noch wichtiger –: keine Doppelbefundungen. Das spart dem Patienten unnötige Aufregungen, es spart uns Steuerzahlern auch sehr viel Geld. Da ist die Rede von fast 130 Millionen € an Einspa­rungen pro Jahr ab dem Jahr 2017. (Abg. Öllinger: Das glauben Sie? Das glauben Sie wirklich?)

Mit diesem Geld könnten wir sehr viel für die Gesundheitsvorsorge, für die Prävention machen. Das wäre doch was! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Belakowitsch-Jene­wein: Von welchem Gesetz reden Sie? – Abg. Öllinger: Das wäre was!)

E-Medikation ist ein ganz dringender Wunsch der Senioren. Die meisten müssen ja ei­nen ganzen Pillenmix schlucken, und dann kann es zu Wechselwirkungen kommen, wenn ein Arzt gar nicht weiß, was ein anderer verschrieben hat. Der Herr Bundesmi­nister hat dieses Problem ja schon angesprochen.

Vorteil der E-Medikation: Schutz vor Wechselwirkungen, weil dann alle Medikamente im System gespeichert sind.

Sicherheit der Daten – auch davon war heute schon die Rede. Ich weiß aus vielen Ge­sprächen, den Senioren bereitet die Sicherheit der Daten viel weniger Kopfzerbrechen als Doppelbefundungen und Wechselwirkungen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Für das Protokoll: kein Applaus!)

Es zählt für die Patienten, dass in Notfällen der Arzt sofort die ganze Krankenge­schichte kennt. Und das ist ein großer Vorteil.

Besonders wichtig ist für uns auch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Es liegt uns sehr am Herzen, dass die Patienten nicht verunsichert werden. Also bitte keine Panikmache!

Das Projekt Elga soll ja auch Verbesserungen für die Ärzte bringen. Da muss es doch gelingen, dass wir alle – ich betone: alle – Ärzte ins Elga-Boot holen. (Abg. Dr. Bela­kowitsch-Jenewein: Dabei ist noch gar keiner dabei!)

Erinnern wir uns an die Kritik im Zusammenhang mit der e-card. Auch damals gab es massive Widerstände, heute ist die e-card eine Erfolgsgeschichte – und das wird auch Elga sein. Mit der entsprechenden Umsetzung bringt Elga Verbesserungen für die Patienten und für die Ärzte, also für alle in unserem Gesundheitssystem. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Karlsböck. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.01.26

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus! Man muss die Debatte um Elga im Gesamtkontext mit der Gesundheitsreform sehen.

Es hat in der Zweiten Republik noch nie solch große Unruhe im Gesundheitssystem gegeben. Noch nie waren die Patienten mit solch einschneidenden Leistungskürzun­gen und -einschränkungen konfrontiert. Noch nie in der Zweiten Republik hat es so vie-


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le Selbstbehalte im Gesundheitssystem gegeben. Es gibt enorm viele Einschrän­kungen, Hürden für die Patienten, wenn sie Gesundheitsleistungen abrufen wollen. Es ist noch nie in Österreich so viel für Gesundheit ausgegeben worden. Noch nie war die Versorgung der Bevölkerung so in Gefahr, und noch nie waren die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals und vor allem der Ärzte so schlecht, wie auch die Stim­mung.

Nach vier Jahren Stöger und nach der, wie Sie heute gesagt haben, 50. Gesetzesno­velle in Ihrer Regierungszeit bekommen die Patienten nicht mehr das beste, sondern das billigste Medikament. Sie müssen so lange wie noch nie auf einen Arzttermin war­ten, müssen die höchsten Selbstbehalte in der Geschichte zahlen. 70 000 Kinder war­ten in Wien noch immer auf einen adäquaten Therapieplatz in Ergo-, Physio- und Psy­chotherapie. Psychiatrie auf Krankenschein ist in weite Ferne gerückt, Kur für Angehö­rige wird gestrichen, Physiotherapie wird von zehn auf sechs Behandlungen gekürzt, und vieles mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt massive Einschränkungen in der Neuro-Reha und eine Öffnung der Kranken­kassenambulatorien für einige Privilegierte.

Sie, Herr Minister, erzählen hier den Menschen allerdings, dass die Versorgung ver­bessert, die Qualität gesteigert, die Qualität in den Mittelpunkt gerückt wird, dass al­les – kurz gesagt – besser und vor allem billiger wird, verschweigen jedoch, wie das in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft gehen soll. Das geht nämlich nicht!

Herr Minister, Sie verschweigen, dass Bund, Länder und Sozialversicherung derzeit an einer Vereinbarung arbeiten mit dem Ziel einer radikalen Umgestaltung des österreichi­schen Gesundheitssystems. Dramatische Leistungseinschränkungen bedeutet das. Sie müssen 3,4 Milliarden € einsparen! Da kommt eine Lawine der Belastungen auf die Menschen zu.

Das Einzige, das Sie damit zusammengebracht haben, ist – weil Sie das auch heute noch hinter verschlossenen Türen tun; genauso, wie Sie es auch bei Elga gemacht haben –, dass Sie einen Ärzteaufstand provoziert haben. Herr Kollege Maier – er ist jetzt nicht im Saal –, es gibt diesen Ärzteaufstand, und dieser wird nicht von unseren Leuten, sondern von Ihren Leuten geführt. Das muss an dieser Stelle auch einmal ge­sagt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wird viel davon gesprochen, dass der Patient Vorrang hat. Ja, der Patient muss Vorrang haben, aber da gibt es jetzt viele Fragen in Bezug auf Elga.

Elga, haben wir heute schon gehört, hat massive Schwierigkeiten mit sich gebracht. Sie haben dieses möglicherweise nutzbringende Instrumentarium schlicht und einfach schlecht vorbereitet. Sie haben es schlecht vorbereitet, Sie haben es schlecht verhan­delt und Sie haben es leider auch schlecht umgesetzt.

Wir haben im Ausschuss Fragen gestellt, auf die wir keine Antworten bekommen ha­ben. Warum werden die Daten dort, wo sie liegen, nicht verschlüsselt? Warum gibt es nur eine Transportverschlüsselung? Warum bestehen Sie politisch – wie Sie gesagt haben, eine politische Entscheidung – auf das Opt-out-Modell, das umständliche Ab­melden, warum wollen Sie kein Opt-in? Warum wollen Sie keinen technischen Nach­weis des Behandlungszusammenhangs herstellen? Warum keine Testphase? Warum, warum, warum? – Antworten darauf haben wir nicht bekommen.

Also, wie gesagt: schlecht vorbereitet. 130 Berufsgruppen haben Zugang zu den sen­siblen Daten der Menschen.

Haben Sie die großen Sorgen und Ängste der Patienten nicht gesehen, Herr Minister? Es sind in kürzester Zeit – nicht durch Aufhetzen durch die Ärzte – in den Ordinationen über 100 000 Unterschriften gesammelt worden, bevor Elga gestartet wurde – über


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100 000! Mittlerweile sind wir bereits – diese Aktion geht ja weiter – bei 130 000, 140 000. Es wird demnächst ein Volksbegehren eingeleitet werden, dem sich die Frei­heitlichen natürlich anschließen werden.

Elga bedeutet nichts weiter als das Ende des Arztgeheimnisses. Die sensiblen Daten der Patienten sind nur in der Praxis sicher. Das ist eine Feststellung, die ich unter­schreiben kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Vernetzung, die Elga bedeutet, bedeutet einen Freibrief für Cyber-Kriminelle, be­deutet ein Ende der Anonymität, der Vertraulichkeit, der Intimität des Verhältnisses Arzt/Patient. Sie bedeutet ein Ende der Selbstbestimmung und letztendlich der Men­schenwürde des Patienten. Sie bedeutet volle Kontrolle, volle Überwachung, Ende des Datenschutzes. (Zwischenruf der Abg. Dr. Oberhauser.) Das ist leider das Projekt Elga, wie wir es heute sehen. Das ist nämlich die große Kritik.

Der Vorwurf der Politik, dass sich die Ärzte nur gegen die Kontrolle wehren, ist absolut absurd. Überwacht und reglementiert wird bereits jetzt sehr intensiv. Jeder Patient weiß ein Lied davon zu singen, dass es eine umfassende Bewilligungspflicht bei jeder Kleinigkeit gibt. Der Patient hat bei jeder Kleinigkeit einen Bewilligungsmarathon zu ab­solvieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Über jedes verschriebene Medikament, über jede Leistung wird heute schon Statistik geführt. Da kann doch Elga nicht noch genauer reglementieren und noch mehr über­wachen.

Ganz zum Schluss möchte ich noch auf die Kosten hinweisen. Herr Minister Stöger, glauben Sie wirklich, dass die Kostenplanung, die Sie vorgelegt haben, halten wird? Glauben Sie das mit der Erfahrung eines Skylink, eines AKH oder eines Nordbahnhofs, den wir in Wien bauen? – Das alles funktioniert leider nicht!

Das Fazit für Elga von unserer Seite aus: Elga ist medizinisch unbrauchbar, behin­dert bei der medizinischen Tätigkeit und kostet ein Vermögen.

Ein letzter Satz noch: Spielen Sie nicht länger die Patienten gegen die Ärzte aus! Hö­ren Sie auf, Unruhe zu stiften, Misstrauen zu schüren und bedienen Sie sich nicht pri­mitivster Neidkomplexe! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sonst müssten Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, nichts weiter als ein Störfaktor in einem doch relativ funk­tionierenden System zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

13.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Spindelberger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.07.43

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Das ist genau das, was einen Maserati fahrenden Zahnarzt von mir unterscheidet (Beifall bei der SPÖ): Ich möchte wirklich sachlich ans Thema Elga herangehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und das, was mich auch von den bisherigen Matschkerern der Opposition unterschei­det, ist der Umstand, dass ich persönlich sehr stolz darauf bin, bei der Taufe der Elek­tronischen Gesundheitsakte dabei sein zu dürfen. (Abg. Neubauer: Eine so schiache Neiddebatte, eine untergriffige!) Denn eines haben Sie vergessen, Herr Dr. Karlsböck: dass mit diesem Gesetz sehr wohl ein Meilenstein im Bereich der österreichischen Ge­schichte geschrieben wird.

Aber auch ich möchte meinen Unmut hier kundtun über das mehr als unverständliche und – ich sage es so – teilweise auch unverantwortliche Vorgehen der Funktionärinnen und Funktionäre – da mache ich schon einen Unterschied – in der Ärztekammer. (Abg. Mag. Stefan: Wer sind denn Sie eigentlich? Wer sind Sie? Wieso wissen Sie das? Wieso kennen Sie sich aus? Sind Sie ein gelernter Politiker?)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 83

Worum geht es eigentlich bei diesem System Elga? – Künftig werden alle Befunde und alle gesundheitsrelevanten Dokumente der Patientinnen und Patienten elektro­nisch gespeichert. Und wir haben es ja heute auch schon gehört: Jede Patientin/jeder Patient hat die Möglichkeit, sich von diesem System entweder zur Gänze zu trennen, zu sagen, ich möchte, dass gar keine Daten von mir irgendwo aufscheinen (Abg. Mag. Stefan: Kennen Sie sich da wirklich aus?), oder er/sie kann auch nur einzelne Befunde herausnehmen lassen. Und genau diese Daten werden dann dezentral beim Arzt oder im Spital gespeichert, und das nach strengstens definierten technischen Qualitätskriterien.

Für die niedergelassenen Ärzte gibt es ohnehin – Herr Dr. Rasinger, das muss ich dir schon sagen – nur die Verpflichtung, folgende Daten zu speichern – da haben wir vier Punkte, wenn ich das jetzt richtig kenne –: die Entlassungsbriefe aus den Spitälern, die Labor- und Radiologiebefunde sowie die vom Arzt verschriebenen Medikamente. Und sonst gibt es grundsätzlich keine Verpflichtung für die Ärzte, daran teilzunehmen. (Ruf bei der FPÖ: Derzeit!) Ich sage aus meiner Sicht: leider.

Aber da du, Kollege Rasinger, gemeint hast, man hätte im Vorfeld mit den Ärzten mehr reden sollen: In den letzten 18 Monaten hat es genügend Verhandlungsrunden gege­ben, in denen vonseiten des Ministeriums sehr wohl auf deren Wünsche eingegangen worden ist.

Für mich ist eines unbestritten – und das sollte jeder Arzt/jede Ärztin auch einmal be­greifen –: dass durch dieses Gesetz, das wir heute verabschieden, die Behandlungs­qualität für die Patientinnen und Patienten sehr wohl steigen wird (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Woher wissen Sie das?) und im Bereich des Datenschutzes neue Qualitäts- und Sicherheitskriterien Einkehr finden werden. (Abg. Dr. Fichtenbauer: Sind Sie Arzt?)

Voraussetzung ist aber – und das ist das Entscheidende bei diesem Gesetz –, dass die Spitäler und die Ärzte mit dieser Elektronischen Gesundheitsakte eine Art kommunizie­rendes Gefäß aufbauen, da dadurch zum Wohle der Patientinnen und Patienten der In­formationsfluss verbessert werden kann – und, sage ich, verbessert werden muss. Derzeit, das hat ja Kollegin Aubauer ganz genau und auch sachlich ausgeführt, liegt das alles im Verantwortungsbereich der Patientinnen und Patienten.

Wenn sich jetzt die Ärzte teilweise massiv dagegen zur Wehr setzen, dieses System in ihrer Ordination zum Einsatz zu bringen, und – das ist das, was mir wehtut – Ängste schüren und versuchen, Ammenmärchen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, frage ich mich, was das Ganze soll. Haben sie vielleicht Angst, dass sich herausstellen könnte, dass sie Patientinnen und Patienten in der letzten Zeit falsch behandelt haben?

Kollege Rasinger, du hast in deinem Redebeitrag immer davon gesprochen, was den Ärzten zumutbar ist und was nicht, dazu sage ich nur eines: Kein Arzt kann mit den Behandlungsmethoden im 19. Jahrhundert stehen bleiben, sondern jeder muss versu­chen, im 21. Jahrhundert anzukommen!

Aus meiner Sicht sollte es endlich einmal gelingen – das machen die meisten nieder­gelassenen Ärzte ohnehin –, die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt zu stel­len und nicht immer nur das eigene Bankkonto. (Beifall bei der SPÖ.)

13.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.12.00

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Bei ELGA, diesem komplexen Thema, werde ich das ab-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 84

geklatschte Vergleichsbeispiel vom vollen und leeren Glas jetzt einmal nicht erwähnen. Die Meinungen gehen sehr auseinander. Was über die Ärztekammer und deren Funk­tionäre gesagt wurde, spiegelt nicht das wider, was alle Ärzte denken. Die Ärzteschaft ist kein monolithischer Block.

Unter den angestellten Ärzten ist sicher die Mehrheit für ELGA, weil sie in ähnlichen Systemen groß geworden sind und damit leben. Im Praxisbereich gibt es Widerstände, einerseits aufgrund des Datenschutzes und andererseits aufgrund eines befürchteten Mehraufwandes und einem Mehr an Bürokratie. Argumentiert wird, dass dann weniger Zeit für den Patienten bleibt.

Das Pentagon wurde schon mehrfach erwähnt. Würde man aber dieses Beispiel über­strapazieren, wären wir im Mittelalter. Dann dürfte man nirgendwo Daten speichern, egal wo. Ich glaube nicht, dass Österreich auf dem Weg zur Monarchie ist.

Wir sind auch Pflichtmitglieder bei den Krankenkassen. Da gibt es kein Opt-in. Das Opt-in wird dann schwierig, wenn ganze Länder mit ihren Ärztekammern den Patienten abraten, sich in die sogenannte oder gefürchtete Gefahr zu begeben. Wenn Ärzte sa­gen: Macht das nicht, ihr seid gläsern, jeder schaut rein!, was werden die Patienten dann tun? – Sie werden es nicht machen.

Allerdings hat Öllinger recht: Mehr Patientenfreundlichkeit wäre von Nutzen gewesen, und möglicherweise wäre dann auch ein aktives Opt-in kein Problem gewesen.

Trotzdem: Es bleiben noch vier Jahre Zeit, bis ELGA etabliert wird, und diese Chance muss, glaube ich, genutzt werden.

Das Fessel-Institut ortet eine Zustimmung von 80 Prozent der Bevölkerung. Da würde ich aber auch vorsichtig sein, da wahrscheinlich 80 Prozent im Detail nicht so informiert sind, dass sie sozusagen im vollen Bewusstsein von Pro und Kontra darüber urteilen können.

Ich rede jetzt aber auch von der gelebten Praxis. Wie oft habe ich erlebt, dass mitten in der Nacht ein Patient mit Angehörigen kommt, die sagen, dass er drei Tage vorher noch bei uns in der Klinik war. Und es war unmöglich, da Daten zu bekommen – un­möglich. Der Arztbrief und die Fieberkurve waren im Arztzimmer unter sehr hohen Sta­peln von zu diktierender Arztbriefen; wenn korrekt gehandelt, sogar versperrt in einem Schrank, was aber eher die Seltenheit war. Es gab keinen Zugang.

Leute kommen oft aus Pflegeheimen, die in der Nacht unterbesetzt sind, massiv unter­besetzt sind, sie kommen teilweise wegen Kleinigkeiten. Und wenn man sie fragt, sa­gen sie, sie haben eine gelbe Tablette, drei rote und zwei weiße Tabletten genom­men. – Es sind keine Daten da, auch von Pflegeheimen nicht.

Ich habe einen tragischen Fall gesehen, wo man einer Patientin – selbst Oberärztin – Befunde und Arztbriefe gefälscht hat, um sie im Glauben zu halten, sie hätte keine Me­tastasen eines bösartigen Tumors. Sie kommt mit epileptischem Anfall herein, in eine andere Klinik, nicht in die angestammte, niemand weiß, was sie hat. Wenn man ge­wusst hätte, dass es Hirnmetastasen gibt, dann hätte man auch die Epilepsie erklären können, und so weiter.

Also zu sagen, dass das alles für den Patienten keinen Sinn macht, halte ich für schwer überzogen. (Beifall der Abg. Dr. Moser, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Kopf.)

Patienten können erstmals in ihre Befunde und Datenlagen schauen – erstmals! Früher hat man den Patienten sogar Arztbriefe vorenthalten, die haben sie gar nicht bekom­men. Chefärzte, Betriebsärzte, Schulärzte haben keinen Zugriff auf die Daten, und das ist schon etwas. Auch freiwillige Versicherungen nicht, Privatversicherungen nicht, der Arbeitgeber nicht – das ist für mich schon ein gewisses Moment der Sicherheit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 85

Für Ärzte ist es sicher eine Art Fremd- und Eigenevaluierung, wenn ihre Daten, die sie vom Patienten bekommen haben oder an ihm erhoben haben, Diagnose und Therapie, sichtbar für Kolleginnen und Kollegen werden. Ich glaube, das kann unangenehm sein, wird aber alle Ärzte dazu bringen, sich alles noch einmal genauer anzuschauen. Es sollte dann nicht mehr vorkommen, was ich oft erlebt habe, dass mitten in der Nacht ein Patient zugewiesen wird, auf dessen Zettel steht: hoch fieberhafter Patient. Und dann, wenn ich sage: Sie haben ja gar kein Fieber!, sagt er, dass der Doktor das rauf­geschrieben und die Überweisung ans Gartentor gesteckt hat. – Das gibt es auch, ist aber nicht die Regel; da würde man Ärzte schwer beleidigen.

Es sind alle Zugriffe dokumentiert. Der Patient kann schauen, wer in seine Akte hinein­geschaut hat, und ohne Patient und dessen Zustimmung geht gar nichts.

Ich glaube, dass in diesen drei Jahren noch einiges an gewünschten Verbesserungen umzusetzen ist, und ich sehe, dass es Leute gibt, die auch weiter reden wollen – in die­ser Hoffnung bleibe ich. Dann kann aus diesem System etwas werden, was man nicht mehr so fürchten oder verzerrt darstellen muss wie jetzt. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

13.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.18.03

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! ELGA – ELGA ist das größte IT-Projekt, das diese Republik jemals aufgesetzt hat. Ich habe mich in den vergangenen Jahren immer sehr dafür ausgesprochen, dass wir das machen, aus mehreren Gründen.

Österreich ist für sein gutes Gesundheitssystem bekannt, und es macht Sinn, wenn Österreich eines der ersten Länder ist, das eine funktionierende elektronische Gesund­heitsakte hat.

Grundsätzlich ist die Idee einer elektronischen Gesundheitsakte, einige meiner Vorred­ner haben darauf hingewiesen, alles andere als etwas Schlechtes. Als ich letztes Jahr schwanger war, immer pendelnd zwischen Innsbruck und Wien – Risikoschwanger­schaft, weil alte Mutter –, hätte ich mir gewünscht, dass für den Fall, dass irgendetwas passiert, meine Daten auch in Wien online und schnell zur Verfügung stehen. Stattdes­sen reiste ich permanent mit einem Packen Papier zwischen Innsbruck und Wien hin und her.

Grundsätzlich macht also diese elektronische Gesundheitsakte durchaus Sinn, und ich weiß, dass man solch eine elektronische Gesundheitsakte auch so aufsetzen kann, dass man guten Gewissens jedem Arzt und jedem Patienten empfehlen kann, daran teilzunehmen.

Umso mehr bedauere ich zum einen den zunächst einmal vom Herrn Bundesminister aufgesetzten Verhandlungsprozess. Als, sage ich jetzt einmal, kleines Licht und kleine Abgeordnete in diesem Haus kann ich nicht nachvollziehen, Herr Bundesminister, wie mit durchaus seriösen Bedenken der Ärzte zu Beginn und über einen großen Teil der Dauer dieser Gespräche hinweg von Ihrem Ministerium und Ihnen umgegangen wurde.

Bei Ihnen ist immer klar, dass die Arbeiterkammer Interessen zu Recht vertritt. Aber es ist heute in einer schockierenden Art und Weise zutage getreten, wie sehr die SPÖ ganz offensichtlich die Bedenken der Ärztekammer, die dafür zuständig ist, die Interes­sen der Ärzte zu vertreten, nicht ernst nimmt. (Abg. Dr. Strutz: Warum sagt Rasinger das nicht? – Ruf bei der FPÖ: Weil er nicht darf!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 86

Was die Elektronische Gesundheitsakte betrifft, gibt es einerseits Interessen der Ärzte, der Krankenhäuser, der Länder. Für mich im Zentrum stand allerdings immer das Inter­esse des Einzelnen, des einzelnen Bürgers. Der Bürger und der Schutz seiner Daten sind etwas zentral Wichtiges, und der Bürger hat nur dieses Parlament und nicht die Ärztekammer, um vertreten zu werden.

Sehr viele Dinge in diesem Gesetz sind gut gemacht. Ein ganz großer Punkt bleibt üb­rig: Es ist mir absolut unverständlich, warum sowohl in den Krankenanstalten der Län­der, aber im Besonderen jetzt, im Jahr 2013, mit einer neu aufzusetzenden ELGA noch nicht einmal die externen ELGA-Datenspeicher inhaltsverschlüsselt sein müssen! Ja, ich habe gestern noch bis spät in der Nacht mit Mitarbeitern der ELGA GmbH geredet: Denen ist das auch klar, und sie wollen in Zukunft diesen Makel in einer Sicherheits­verordnung beseitigen.

Ich hätte gefunden, Herr Minister Stöger, man hätte noch heute am Vormittag zustim­men können, das gleich in diesem Gesetz zu tun. Für mich ist nach wie vor völlig un­verständlich, dass das nicht passiert ist. Auch im Vertrauen und in der Hoffnung darauf, dass diese Verordnung entsprechend sauber und ordentlich gemacht wird, werde ich aus diesem Grund diesem Gesetz heute leider nicht zustimmen können.

Gesundheitsdaten sind nicht deswegen so sensibel, weil Frau Karin Hakl sich das einbildet, sondern weil Versicherungen oder Banken ein Vermögen dafür ausgeben würden, jeweils zu wissen: Lebt ein Mensch lange genug, um einen Kredit zurückzu­zahlen? Ist das Risiko, diesen Menschen zu versichern, hoch, sehr hoch oder niedrig? Oder nehme ich den gar nicht erst in meine Versicherung auf?

Wir reißen hier viele Löcher auf. Viel mehr Menschen als bisher haben auf viel mehr Daten Zugriff. Ich danke im Besonderen auch dem Kollegen Rasinger dafür, dass mit einem Abänderungsantrag zumindest ein echtes Opt-out, ohne dass die Daten grund­sätzlich gespeichert werden, dass ein technischer Schutz des Behandlungszusammen­hanges auch noch mittels Abänderungsantrag in dieses Gesetz eingeführt wurde.

Mein Optimismus, dass der grundlegende Datenschutz – auch im Sinne einer Inhalts­verschlüsselung – am Schluss noch im Verordnungsweg zum Tragen kommt, bleibt aufrecht. Da es nicht im Gesetz steht, sozusagen als Ermahnung, stimme ich heute lei­der dagegen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

13.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Haubner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.23.20

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Sozialversicherung, also der Hauptver­band, die Länder, das Ministerium ringen seit Langem um eine Reform des Gesund­heitswesens. Bis 2016 sollen Millionen eingespart werden. Wie, wann, wo diese Re­form kommen soll, die nachhaltig unser, wie alle betonen, gutes System sichern soll, ist eigentlich mehr als unklar. Klar ist jetzt, was heute auf dem Tisch liegt. Es soll die Elektronische Gesundheitsakte kommen – auch eine jahrelange, endlose Geschichte – mit Einführungskosten von 150 Millionen €. Die laufenden Kosten sind nach wie vor un­klar.

Gerade bei ELGA zeigt sich für mich, dass nicht immer alles, was lange währt, gut sein muss. Es ist ganz klar, dass es bei der Einführung eines neuen Systems viel Überzeu­gungsarbeit kostet, um alle notwendigen Partner mit ins Boot zu holen, dass es natür­lich Vor- und Nachteile abzuwägen gibt. Wir hatten auch im Ausschuss ein sehr inter­essantes Experten-Hearing. Für mich, für uns bleiben nach wie vor einige Fragen of-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 87

fen, und wir bezweifeln nach wie vor, dass das, was zur Beschlussfassung vorliegt, der richtige Weg ist.

Wir vom BZÖ sagen ganz eindeutig Ja zur echten Freiwilligkeit und Selbstverantwor­tung der Patientinnen und Patienten, in ein System zu gehen, das gerade viele sen­sible Daten speichert, denn wir sind der Meinung, nur der Patient, nur die Patientin als mündiger Bürger allein kann im Sinne seiner persönlichen Gesundheit entscheiden, welche Daten bei ihm persönlich und zu seinem Nutzen zusammengeführt werden sol­len und wem er diese zur Kenntnis bringt. Daher: Ja zu einem aktiven Opt-in-System! (Beifall beim BZÖ.)

Aber Nein zu einem Opt-out-System, das zuerst alle erfasst, und dann kann man zwar aussteigen, aber mit vielen Hürden und eventuell auch Nachteilen, dass es hier zu einer Löschung kommt! Es gibt jetzt einen Abänderungsantrag des Kollegen Rasinger; ich konnte ihn mir noch nicht genau anschauen. Wir werden ihn uns genau anschauen, ob es hier eine Änderung in diesem Sinne geben könnte.

Ich vermute, dass wir derzeit diese Opt-out-Lösung haben – Kollege Spadiut hat es ja schon gesagt –, weil man dem Patienten, der Patientin nicht zutraut, dass sie selber entscheiden, und viele dann wahrscheinlich nicht in dieses System hineingehen wür­den. Daher sagt man: politische Lösung, alle hinein, und wer heraus will, muss sich dann selbst engagieren. – Das wird gerade bei älteren Patienten etwas schwierig sein.

Wir vom BZÖ sagen: ein klares Ja zu dem, das unterstützt, dass Patient und Patientin eine sehr sichere und nachvollziehbare Befundung bekommen sollen. Aber wir sagen absolut Nein zu einer neuen Bürokratie! Das sehen wir mit diesem Elektronischen Ge­sundheitsakt, vor allem sehen wir die Gefahr, dass das auf Kosten der notwendigen Zeit, auf Kosten der notwendigen Gespräche und des persönlichen Umgangs des Arz­tes mit seinem Patienten, mit seiner Patientin geht.

Wir sagen auch klar Ja zu einer umfassenden Sicherheit, was die persönlichen Daten anbetrifft, aber Nein dazu, dass Daten für andere Zwecke als eine ärztliche Behand­lung verwendet werden, auch nicht in anonymisierter Form! (Beifall beim BZÖ.) Daher sehen wir vom BZÖ in diesem heutigen Entwurf mehr Risiken als Chancen, wir sehen viele oder einige ungelöste Probleme – das Opt-out-System habe ich schon angespro­chen –, und wir sehen auch die hohen Kosten, die bis heute nicht klar sind.

Daher ist ELGA unserer Überzeugung nach in erster Linie ein teures Prestigeprojekt. Es ist ein teures Prestigeprojekt, das in anderen Ländern, in anderen europäischen Ländern gescheitert ist, ein Projekt von Ihnen, Herr Bundesminister, das Sie natürlich als Erfolgserlebnis verkaufen wollen und verkaufen müssen, um davon abzulenken, dass in der Gesundheitsreform eigentlich überhaupt nichts weitergeht, vor allem was die echten Verwaltungseinsparungen anlangt. Ich nenne als Beispiel nur die Zusam­menlegung der verschiedenen Sozialversicherungssysteme oder auch die Vereinheitli­chung des EDV-Systems.

Wir vom BZÖ werden daher dieser Regierungsvorlage heute nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall beim BZÖ.)

13.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.28.42

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! „Ein teures Prestigeprojekt“ – Frau Kollegin Haubner, erinnern Sie sich: Es war schon im Regierungsübereinkommen von Schwarz-Blau, nämlich von Ihnen, damals vorgesehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ursula Haubner: Es ist nicht gekommen! Wir haben schon gewusst, warum nicht! – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 88

Zum Zweiten, sehr geehrte Damen und Herren: Wir haben vorhin blaue Panikmache pur erlebt in der Rede des Arztes, des Zahnarztes Dr. Karlsböck. Eine Frage an ihn: Von welchem Land hat er bei der Vernaderung des Gesundheitssystems gespro­chen? – Von Österreich nicht! Von einem Land mit einem der besten Gesundheitssys­teme der Welt wohl nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Gott sei Dank, sehr geehrte Damen und Herren, gibt es viele Ärzte, die positiver den­ken als manche hier im Hohen Haus oder in der Ärztekammer. Wenn ein niederöster­reichischer Landesrat von der Abschaffung der Kammer gesprochen hat, dann meine ich, er hat wohl ein bisschen zu weit gegriffen. Aber einige Funktionäre gehörten dort abgewählt, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: In den Kammern auch! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte ELGA aus dem Blickwinkel der Pflege – als Vertreter einer großen Pflege­organisation, nämlich der Volkshilfe – kurz beleuchten und diese Frage stellen: Ist ELGA auch für die Pflege in Hinkunft nutzbar? – Die Antwort ist eindeutig: Jawohl, es wird auch in der Pflege durch ELGA Fortschritte geben. In einer der weiteren Ausbau­phasen werden nämlich auch die Pflegedienstanbieter in das ELGA-System mit einbe­zogen. (Demonstrativer Beifall der Abg. Mag. Aubauer.)

Es ist dringend geboten – das kann ich aus der Praxis sagen –, dass wir für mehr Infor­mationsvernetzung auch in der Pflege sorgen. ELGA wird daher auch in der Pflege Nutzen bringen, und zwar zuallererst für die betroffenen Menschen, für die Patientin­nen und die Patienten, die wir betreuen. An der Behandlung und Betreuung sind heute meist mehrere Gesundheitseinrichtungen beteiligt, und gerade deswegen muss der In­formationsfluss zwischen diesen übergreifend gesichert werden.

Bereits vorhandenes Wissen zum Patienten stärkt die Qualität der medizinischen und pflegerischen Entscheidungen. ELGA wird das gewährleisten, sehr geehrte Damen und Herren! Die Patientensicherheit wird erhöht werden. Vor allem die Belastung der Patientinnen und Patienten durch Mehrfachuntersuchungen kann reduziert werden, und ELGA wird dazu beitragen. Das ist auch eine Frage der Menschlichkeit. Es geht ja meist um alte und auch schon nicht mehr belastbare Menschen. Aber auch die Be­lastbarkeit der Angehörigen und der Pflegerinnen und Pfleger ist eine begrenzte, und ELGA wird uns hier helfen.

Zuletzt ist es auch eine Frage der Kosten. Zeitersparnis bei der Bewältigung der medi­zinischen Bürokratie, wenn ich das so nennen darf, wird auch eine Kostenersparnis sein; es bleibt dann Zeit, und es bleibt Geld für die Pflege. In diesem Sinne, sehr ge­ehrte Damen und Herren, sind wir von den pflegenden Organisationen sicher sehr po­sitiv zu ELGA eingestellt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Aubauer.)

13.32


Präsident Fritz Neugebauer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Strutz. Wunschgemäß sind 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


13.32.11

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz über die Elektronische Gesundheitsakte ist sicherlich eine hochsensible Materie und ist sicher­lich das Gesetz mit den weitreichendsten Folgen für jeden von uns – für jeden, für Sie persönlich –, das wir in dieser Legislaturperiode beschließen. Deswegen auch meine Hochachtung und mein Respekt für den Debattenbeitrag der Frau Abgeordneten Hakl, die für sich persönlich entschieden hat: Ich traue den schönen Worten, die hier von­seiten des Gesundheitsministers gesprochen wurden und die im Gesetz umrissen sind, nicht, und ich werde dagegen stimmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 89

Herr Bundesminister! Ob ELGA funktionieren wird, das wird erst die Zukunft zeigen: ob die Ärzte es annehmen werden, ob die Patienten damit auch umgehen können. Ich bleibe skeptisch, weil es ein Zwangssystem ist, weil es nicht auf Freiwilligkeit basiert und der Patient, der Arzt überzeugt wird von den zweifellos auch positiven Dingen, die in diesem Gesetz stehen, sondern weil es verordnet wird und weil es auf Druck ge­schieht.

Wir Freiheitliche lehnen ELGA aus mehreren Gründen ab: weil wir glauben, dass es ein schlechtes Gesetz ist, das hier dem Nationalrat vorliegt, weil es ein unausgereiftes Gesetz ist und weil es – glauben Sie mir das! – dieses Parlament noch lange beschäf­tigen wird.

Ich zitiere nur im Rahmen des Gesetzesprozesses Stellungnahmen wie beispielsweise die des Rechnungshofes. Der Rechnungshof hat Folgendes festgestellt:

Mit dem angedachten Konzept ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung nicht erkennbar. Die genannten Zielsetzungen können nicht erreicht werden. Die finanziellen Auswirkungen werden dem Kosten-Nutzen nicht gerecht. Es ist nicht klar, für welche konkreten Zwe­cke die finanziellen Mittel für die ELGA GmbH genutzt werden. Es ist nicht nachvoll­ziehbar, aus welchen Gründen von einer Vermehrung des Verwaltungsaufwandes und der Kosten auch für Unternehmen – damit sind die Verbünde in den Ländern gemeint – auszugehen ist.

Das sagt der Rechnungshof, nicht die Opposition! Das Land Salzburg stellt fest – Zitat –:

Wir stellen „die Sinnhaftigkeit und den Nutzen eines mit hohem finanziellem Aufwand zu implementierenden Systems überhaupt in Frage.“

Ich bin gespannt, wie die Abgeordneten des Landes Salzburg heute persönlich stim­men werden! Die Ärztekammer lehnt ELGA in dieser Form auch ab, obwohl zum Schluss eine gewisse Zustimmung – nachdem 15 Millionen Anschubfinanzierung ge­währt werden – gegeben ist.

ELGA kostet uns mehrere Hundert Millionen €; das ist Geld, mit dem längst überfällige medizinische Leistungen für Patienten finanziert werden können. ELGA stellt eine große Anzahl von Österreicherinnen und Österreichern im Netz bloß. Und ganz per­sönlich: Stellen Sie sich die Frage, ob Sie das auch tatsächlich haben wollen!

Nach den jüngsten Hack-Attacken, wie sie beispielsweise bei der Gebietskrankenkas­se in Tirol der Fall gewesen sind, sagen wir, dass die Sicherheitsstandards nicht jenem hohen Niveau entsprechen – es ist darauf verwiesen worden –, das eigentlich State of the Art ist. Ich glaube auch, dass ein technischer Designfehler darin besteht, dass die Daten dezentral, nicht zentral gespeichert werden, denn bei einer zentralen Speiche­rung wären sie sicherer, während das in kleinen Gesundheitsdienstanbieter-Institutio­nen wie beispielsweise der Gebietskrankenkasse in Tirol nicht gewährleistet ist.

Wir sind entschieden gegen eine Zwangsverpflichtung der Österreicher/innen! Wer ELGA nicht will, muss umständlich einen Austritt über das Internet bewerkstelligen. Ich appelliere wirklich an Sie, Herr Gesundheitsminister, ELGA nur mit ausdrücklicher Zu­stimmung Realität werden zu lassen und die Opt-out-Regelung für Patienten als Ein­schränkung der Patientenrechte und gesetzliche Einführung eines Rechtfertigungs­zwangs bei Wahrung der eigenen Überzeugung in eine Opt-in-Regelung, also in Frei­willigkeit, umzuwandeln.

Wir Freiheitliche wollen lückenlose Datensicherheit – die ist bisher nicht gewährleistet –, wir wollen absolute Freiwilligkeit, wir wollen eine günstigere Variante, wie sie mit den neuen technischen Möglichkeiten lösbar wäre, und wir wollen Patientenfreundlichkeit.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 90

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – ELGA verschlingt Unsummen an Steuer­geld. Wir wollen, dass unser Steuergeld zuerst für Gesundheitsleistungen eingesetzt wird, für mehr Ärzte an den öffentlichen Spitälern eingesetzt wird, für mehr Pflegeper­sonal und für eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter in den Spitälern verwendet wird, aber nicht für Gesundheitsdienstleitungen im Umfeld von IT-Systemen, die unter dem Strich mehr kosten werden, als sie uns Nutzen bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.38.04

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident!Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Dr. Strutz, wenn Sie ohnehin alles wollen, dann verhandeln Sie mit und stimmen Sie mit! – Die einfachste Antwort auf Ihren Redebei­trag. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Maier.)

Herr Bundesminister! Als Parlamentarier erlaube ich mir zu sagen, dass nicht alles, was angekündigt wird – auch, wenn es ein Minister ankündigt –, schon Gesetz ist. Ich habe da ein paar Wahrnehmungen gemacht, und ich denke, dass wir über diese Fra­gen und einige andere offene Fragen in der nächsten Zeit noch intensiv diskutieren können.

Zu ELGA: Ich bin hier gewesen – viele von Ihnen auch –, als wir die e-card eingeführt haben. Das war eine Debatte! Wir brauchten ohnehin mehrere Abstimmungen. Da wa­ren alle Vermutungen vorhanden, was alles passiert: Missbrauch, Verlust, zu teuer, al­so ein Wahnsinn!

Die e-card ist eingeführt, und sie ist heute ein Herzeigeprodukt in ganz Europa! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Andere Länder kommen zu uns und fragen: Wie habt ihr das ge­macht?

Wenn auch ELGA heute nicht allen Intentionen entspricht, so wird doch ELGA – davon bin ich überzeugt –, wenn alle daran arbeiten, eine ähnliche Entwicklung machen. Denn ich glaube, die Zeit ist reif, dass wir an mehr Vernetzung denken, dass wir an mehr Information denken und dass wir zu mehr Übereinstimmung und Abstimmung vor allem bei den gesamten Gesundheitsanbietern, die es wirklich nicht leicht haben, kom­men. ELGA ist ein Schritt dorthin. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn oft gesagt wird, die Regierung erklärt und macht nichts – wir haben in der Re­gierungserklärung zur XXIII. und XXIV. Gesetzgebungsperiode klar erklärt, dass wir diese Entwicklung gehen wollen, dass wir die Struktur der Gesundheitseinrichtungen kritisch hinterfragen, eine integrierte Versorgung wollen, die Anbieter als solche in das Verfahren einbinden. Aber auch die Steuerung dazu soll fortgesetzt werden. Es soll eine Überbrückung bei den Versorgungsschnittstellen geben. Das war eine klare Erklä­rung. Hier haben wir ein Gesetz, das in hohem Maße diesen Intentionen entspricht: in hohem Maße entspricht!

Nun, wichtig ist für mich eines – nicht unbedingt, wer recht hat –: dass die Patienten zu ihrem Recht kommen. Beim Studium dieses Gesetzes habe ich die Überzeugung ge­wonnen, dass die Patienten zu ihrem Recht kommen. Sie werden einbezogen, sie kön­nen hinausoptieren, sie können wieder hineinoptieren. Die Patienten kommen also zu ihrem Recht. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: So ganz nebenbei, oder wie?)

Des Weiteren sind die Daten auch entsprechend abgesichert, da alle vorgegebenen Richtlinien ordentlich berücksichtigt wurden. Ich denke, dass wir daran auch noch wei­terarbeiten werden, denn der technologische Wettbewerb ist ständig im Gange.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 91

Was mir nicht gefällt, ist, dass drinnen steht, dass die technologische Ausstattung als solche Arbeitsplätze nach Österreich bringt, denn im IT-Bereich haben wir in Österreich im Hinblick auf Arbeitsplätze bis heute noch nicht allzu viel profitiert. Das ist jedoch nur eine Randbemerkung und ändert nichts daran, dass das Gesetz als solches eine klare Struktur, eine klare Zielrichtung hat und deshalb auch tauglich ist, beschlossen zu wer­den.

An der heutigen Beschlussfassung ändert auch nichts, dass es eine namentliche Ab­stimmung geben wird. Diese werden wir auch ertragen, und sie wird stattfinden. Alle sind eingeladen, ihre kritischen Einwände einzubringen. Wir verfolgen den Grundsatz, ein Gesetz zu machen, das den Menschen nützt. Ich wünsche uns bei der Verwirkli­chung dieser klaren Vorgabe viel Glück. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Mag. Steinhauser. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.42.01

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Egal ob BefürworterIn oder GegnerIn dieses Gesetzes, alle haben heute betont, wie hochsensibel dieses Thema ist. Zu Recht! Es geht um die Frage der Speicherung der Gesundheitsdaten, um die Fragen, wie sie vernetzt und verknüpft werden und wer sie abrufen kann. Manche finden das Gesetz beängstigend, andere praktisch, aber alle müssen sich die gleichen Fragen stellen und stellen auch die gleichen Fragen, egal ob jung oder alt, und die Fragen liegen auf der Hand: Sind meine Gesundheitsdaten si­cher? Wer kann sie einsehen? Und kann ich mich gegen Missbrauch schützen?

Ich bin Dr. Rasinger dankbar, weil er nicht den Eindruck erweckt hat, dass die Gesund­heitsdaten sicher sind. Dr. Rasinger hat zu Recht gesagt, vielleicht mit anderen Wor­ten: Dort, wo Daten gespeichert werden, gibt es Datenlecks. – Das wissen wir spätes­tens seit Anonymus und Wikileaks, und es gibt viele andere, die aus kommerziellen Gründen Daten absaugen. Gerade die Gesundheitsdaten, und auch das wissen wir, sind natürlich aus kommerziellen Gründen interessant. Sie sind interessant für Phar­mafirmen, für Versicherungen, für ArbeitgeberInnen. All diesen Berufsgruppen will ich nicht unterstellen, dass sie Daten absaugen wollen, aber es steht außer Zweifel, dass es ein Interesse an den sensiblen Gesundheitsdaten gibt.

Wenn man die Frage stellt, ob die Gesundheitsdaten bei ELGA sicher sind, so liegt die Antwort auf der Hand: Sie könnten sicherer sein! Was fehlt, ist die Vollverschlüsselung der Daten, sodass die Daten unbrauchbar wären, auch wenn ELGA gehackt wird. Las­sen Sie mich einen Vergleich anstellen: Eine Bank schützt sich gegen Bankraub. Wenn dennoch ein Bankräuber eindringt und Geld abholt, dann legt man ihm noch ein Farb­paket bei, damit er das Geld nicht verwenden kann. Bei ELGA fehlt dieses Farbpaket. Man schützt sich zwar davor, dass ein Hacker in das System eindringt, aber wenn er einmal drinnen ist, dann liegen die Daten offen. Da fehlt die Vollverschlüsselung, die bedeuten würde, dass die Gesundheitsdaten für den Hacker nicht brauchbar sind.

Die Antwort auf die Frage, warum eine Vollverschlüsselung nicht vorgesehen ist, Herr Minister, die sind Sie uns im Ausschuss schuldig geblieben. Die haben wir mehrmals gestellt, mehrere Fraktionen haben das getan. Die Antwort sind Sie uns schuldig ge­blieben, und das ist schade, denn da wird ein wichtiges Sicherheitselement nicht einbe­zogen und mit Sicherheit nicht der höchstmögliche Datenschutzstandard garantiert.

Ein zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Wer soll an ELGA teilnehmen? Diese Frage ist zentral. Die Regierung hat sich für ein Opt-out-System entschieden. Wir wür­den ein Opt-in-System präferieren. Warum? – In der Datenschutzdebatte geht es auch darum, Bewusstsein zu schaffen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich bewusst da-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 92

für entscheiden, dass ihre Daten gespeichert werden. Und das ist nur über eine Opt-in-Regelung möglich. Es werden sich auch BürgerInnen dafür entscheiden, weil sie für sich zum Schluss kommen, dass für sie ein Nutzen gegeben ist. Nur so erzeugt man die notwendige Sensibilität.

Ich sage Ihnen, was bei einem Opt-out-System passieren wird: Es werden 99,99 Pro­zent nicht hinausoptieren, weil das relativ kompliziert ist, weil sie keine Bürgerkarte ha­ben, weil sie nicht zu den Ombudsstellen gehen. Sie werden drinnen bleiben. Es wird kein Bewusstsein für Datenschutz geben.

Ganz abgesehen davon: Ein Opt-in-System würde die Verwaltung dazu zwingen, die Kundenorientierung in den Mittelpunkt zu stellen, denn, wenn man will, dass die Bür­gerinnen und Bürger am System teilnehmen, dann muss man es möglichst attraktiv für sie gestalten. Wenn man ein Opt-out-System hat, dann ist das einzige Anliegen, mög­lichst hohe Hürden zu errichten, damit niemand hinausoptiert.

Wir sind nicht grundsätzlich gegen ELGA, meinen aber, dass vieles verbessert und an­ders gestaltet gehört.

Wir bringen daher auch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Albert Steinhauser; Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Artikel 1 entfallen die §§ 13 bis 24 sowie § 27 und § 28 Abs. 2 bis 5.

*****

Ein letzter Satz: Respekt vor Kollegin Hakl! Gegen die eigene Parteilinie zu stimmen, ist immer eine Herausforderung. Wir haben auch eine lange gemeinsame Datenschutz­geschichte. Ich kann mich noch erinnern, dass unsere Positionen bei der Vorratsdaten­speicherung aufeinandergeprallt sind. Wir haben damals illegal mitgefilmt. Da wollten Sie uns noch die Kamera wegnehmen. – Ich freue mich, zu erkennen, dass es in die­ser Frage ein hohes Bewusstsein gibt.

Respekt aber auch vor Kollegem Grünewald, auch wenn er diesmal meine Meinung nicht teilt. Der Parlamentarismus lebt von der Vielfalt der Meinungen. Und in diesem Sinne freue ich mich, dass einmal zwei Abgeordnete bekunden, dass sie anderer Mei­nung sind als ihr Klub. Wir tauschen heute also Grünewald gegen Hakl. So ist es. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Albert Steinhauser; Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialver-


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sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gen­technikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elektronische Gesundheits­akte-Gesetz – ELGA-G; 1936 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichts (1979 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem ein Gesundheitstelematikgesetz 2012 erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz, das Gentechnikgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Elek­tronische Gesundheitsakte-Gesetz – ELGA-G; 1936 d.B.) in der Fassung des Aus­schussberichts (1979 d.B.) wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 entfallen die §§ 13 bis 24 sowie § 27 und § 28 Abs. 2 bis 5.

Begründung

Die technologische Weiterentwicklung hat eine Weiterentwicklung des Gesundheitste­lematikgesetzes unumgänglich gemacht. In österreichischen Gesundheitseinrichtungen liegen Millionen von sensiblen Gesundheitsdaten unter unklaren, oftmals veralten und nicht sicheren Bedingungen auf elektronischen Datenspeichern.

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass mit der Modernisierung des Gesundheitstelema­tikgesetzes nunmehr wesentlich konkreter gefasste Rahmenbedingungen benannt wer­den, unter denen die elektronische Speicherung sensibler Gesundheitsdaten zu erfol­gen hat.

Entsprechend der technologischen Weiterentwicklung ist grundsätzlich auch die Schaf­fung eines elektronischen Gesundheitsaktes grundsätzlich zu begrüßen. Eine elektroni­sche Speicherung von Gesundheitsdaten kann eine erhebliche Verbesserung für Pa­tientInnen mit sich bringen. Diese Verbesserung darf sich jedoch nicht ausschließlich auf die Datenverfügbarkeit für andere beziehen. Gerade das dänische Gesundheits­portal bietet PatientInnen eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten, die in Österreich bisher allenfalls theoretisch angedacht, jedoch nicht einmal theoretisch ins Planungs­stadium gekommen sind. Dieser Nutzen für die PatientInnen bzw. die Versicherten hat dazu geführt, dass das dänische Gesundheitsportal trotz der Notwendigkeit eines be­wussten und gewollten Opt-ins durch die TeilnehmerInnen nach nicht einmal 10 Jahren des Betriebs über 95% der Versicherten umfasst.

Die in Österreich nunmehr von der Regierung vorgeschlagene elektronische Gesund­heitsakte erfüllt alle diese Voraussetzungen nicht. ELGA orientiert sich nicht am Pa­tientInnennutzen, sondern an obrigkeitsstaatlichen Bedürfnissen. Der Obrigkeit sollen Daten zugänglich gemacht werden. Der unmittelbare Nutzen für die PatientInnen ist da völlig nebensächlich. Das drückt sich auch in der Tatsache aus, dass der einzige direkt spürbare PatientInnennutzen – der Medikamentensicherheitsgurt – technisch nichts mit ELGA zu tun hat und bereits seit Monaten eingesetzt werden könnte. Das Ausrollen des Medikamentensicherheitsgurts wurde jedoch bewusst verzögert, um das Projekt als Werbeträger für ELGA nutzen zu können.

Das vorliegende ELGA-Konzept ist leider nicht geeignet, die Position der PatientInnen im österreichischen Gesundheitssystem zu stärken oder den BürgerInnen die Selbst­bestimmung über ihre sensiblen Gesundheitsdaten einzuräumen. Das ist schade, denn eine elektronische Gesundheitsakte, die die Versicherten und PatientInnen in den Mit­telpunkt des Systems stellt, wäre ein Beitrag zu einer echten Verbesserung, einer ech-


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ten Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem und einer echten Stärkung selbstbe­stimmter, interessierter PatientInnen.

Die Chance, die zentrale Gruppe im Gesundheitssystem, die PatientInnen, ins Zentrum von ELGA zu stellen, bedarf zumindest

Opt-in statt Opt-out mit erhöhtem Haftungsrisiko für PatientInnen

Klare Verwendungsregelungen für sensible Gesundheitsdaten

Ein demokratisch abgesichertes abgesichertes Instrumentarium, dass die Rechte des Parlaments weder völlig undefiniert an den Minister auslagert noch Sozialpartner- und Gesundheitspartner-Interessen vor PatientInneninteressen stellt.

Elemente mit offenkundigem, unmittelbarem PatientInnenutzen wie etwa einem Impf­pass, einen Röntgenpass, den Mutter-Kindpass, Datingsystemen usw.

Wesentlich klarere Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit.

Eine moderne Gesellschaft wird ohne eine elektronische Gesundheitsakte nicht aus­kommen. Noch ist weder Geld verloren noch ein System installiert, dass ähnlich ande­ren Modellen in stranded costs mündet. Dieser Antrag eliminiert nicht einfach Bestim­mungen und deckt die Löcher durch Umbenennung folgender Paragrafen zu, sondern lässt ganz bewusst die Paragrafenbenennung bei. Damit wird signalisiert, dass

Abschnitte 1 bis 3 technisch notwendig und geboten sind

Abschnitt 4 sowie die Übergangsbestimmungen und die ELGA betreffenden Verord­nungsermächtigungen einer grundlegenden Überarbeitung bedürfen.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.47.19

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Auch mein Respekt gilt Herrn Abgeordnetem Grünewald, denn er hat deutlich den Nutzen für den Patienten hervorgehoben, und ich möchte zu Beginn mei­ner Debattenrede darauf eingehen, was ich für den Nutzen halte, den ELGA zukünftig für die Patientinnen und Patienten haben kann.

Ich habe auch Erfahrungen gemacht mit dem Informationssystem, wie es den derzeiti­gen Möglichkeiten entspricht. Ich hatte eine Leukämie-Patientin zu betreuen, die sta­tionär und ambulant im AKH Wien aufgenommen war. Ihr Gesundheitszustand hat sich so verschlechtert, dass ein Transport ins AKH Wien nicht mehr möglich war und sie ins Bezirkskrankenhaus gebracht werden musste. Die Patientin hatte keine Befunde da­bei. Sie konnte in ihrem Zustand weder über Diagnose noch Medikation und Behand­lung Auskunft geben. Es ist den Ärzten des Krankenhauses gelungen, über das AKH einen diensthabenden Arzt, der sie im AKH Wien behandelt hat, zu erreichen, und der konnte dann auch die korrekte Betreuung der Patientin sicherstellen.

In solchen Situationen geht es tatsächlich um Leben und Tod! Das haben Sie, Herr Dr. Grünewald, auch sehr deutlich aufgezeigt. Das ist eine selbst erlebte Situation, an­hand der ich aufzeigen möchte, wie komplex die Kommunikation zwischen den Spi­tälern derzeit noch funktioniert. Darüber hinaus gibt es auch noch die Schnittstellen hin zu den niedergelassenen Ärzten und auch zu anderen Gesundheitsdienstleistern. Wenn ELGA im Vollausbau funktionieren wird, können die Schwierigkeiten, die es jetzt gibt, wenn es um Informationen über Gesundheitsdaten geht, künftig vermieden wer­den. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 95

Durch ELGA werden die Patientendaten überall unmittelbar und ohne Zeitverzögerung verfügbar sein, und sie basieren auf gesicherten Daten. ELGA ist ein Informationssys­tem, das den PatientInnen, den Spitälern, den niedergelassenen Ärzten, den Apothe­ken und im Endausbau auch den Pflegeeinrichtungen einen gesicherten Zugang zu wichtigen Gesundheitsdaten ermöglichen wird. Die e-card ist der Schlüssel zum Abruf dieser Daten, wobei es, und das muss ich jetzt noch anmerken, für die Patientinnen und Patienten durch das Opting-out bei der freiwilligen Teilnahme bleibt. Es hat jeder die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob er seine Gesundheitsdaten bei ELGA ge­speichert haben will oder nicht.

Trotz gewisser, heute auch bereits vorgebrachter Bedenken, die ich durchaus teilen kann, bietet der Zugang zu modernen Informationstechnologien neben den Risiken na­türlich auch sehr große Chancen. Die Chancen werden bei Weitem überwiegen. Es ist Zeit, ELGA jetzt einzuführen und dieses Projekt zu starten. Es wird für unser Gesund­heitssystem und für die Patientinnen und Patienten von Nutzen sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Köfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.50.47

Abgeordneter Gerhard Köfer (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Wer von uns besitzt kein Facebook-Konto? (Rufe: Ich!) – Also gut, die meisten von uns.

Es gehört mittlerweile zum guten Ton eines jeden Politikers, der jugendlich, cool und transparent wirken möchte. Alle mit Facebook-Konto posten Bilder und Texte, von de­nen sie meinen, dass die ganze Welt Interesse daran haben könnte. Sie hoffen auf um­so mehr Freundschaftsanfragen, je mehr persönliche Daten sie veröffentlichen. Je mehr, desto besser!

Was passiert jedoch, wenn wir von einem anderen User mit einem Foto von uns in der Öffentlichkeit präsentiert werden, einem Foto, das man so, in dieser Form, nicht hätte veröffentlichen wollen? Ich weiß zwar im Nachhinein ganz genau, wer das gemacht hat. Wenn der Schaden bereits angerichtet ist, ist es jedoch zu spät.

Facebook wurde zu einem weltweiten sozialen Netzwerk. Es hat viel Gutes bewirkt, hat aber auch für so manchen das Alltagsleben zur Hölle werden lassen. Wir haben erlebt, wie in den Revolutionen im arabischen Raum mit Gesprächen, mit Worten, aber auch mit Facebook die Demokratie erzwungen wurde. Es hat aber auch Scheidungen gege­ben, es wurden Jobs und Wohnungen verloren, weil der Nutzer sein Leben nach au­ßen getragen und für jedermann öffentlich einsichtig gemacht hat. Somit ist der Ver­gleich mit ELGA gegeben. (Abg. Riepl: Ist das nicht die falsche Rede?) – Das ist nicht die falsche Rede!

Es wäre zu einfach, ELGA nur als Elektronische Gesundheitsakte zu sehen, eine Akte über unseren Gesundheitszustand, die lediglich Ärzte und medizinische Institutionen posten können. ELGA ist mehr, ist ein Meilenstein! Die Vernetzung aller gesundheitsre­levanten Daten und Fakten beinhaltet die immense Chance, beim Abbau der Bürokra­tie in der medizinischen Verwaltung zu helfen. ELGA birgt aber auch die große Gefahr des Verlusts und des Missbrauchs sensibler persönlicher Daten. Dies vor allem auch deshalb, weil die Sicherheit derartiger Daten umso mehr schwindet, je mehr Personen zum jeweiligen IT-System Zugang haben. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Kinderkrankheiten dürfen sich soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook durchaus einmal leisten, eine Elektronische Gesundheitsakte aber nicht. Der Beipackzettel lässt erkennen: Es wird vor Risiken gewarnt von der Ärztekammer, von Datenschützern,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 96

aber vor allem auch von Juristen, und diese Bedenken sollte man durchaus ernst neh­men. Speziell, meine Damen und Herren, die Ärztekammer bemängelt zu Recht das IT-System und die Sicherheit der Daten. Selbst wenn man die Zugriffe im Nachhinein mit einem Protokoll dokumentieren kann, so wurde dieser Missbrauch dann bereits betrieben. Da nützt es dann auch nichts, wenn man den Zugreifenden im Nachhinein ermitteln kann. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Geschätzter Herr Bundesminister! Unser Gesundheitssystem zählt sicherlich zu den besten der Welt. Wir dürfen uns trotzdem nicht vor den politischen und sozialökonomi­schen Problemstellungen in der medizinischen Versorgung verschließen. Ich ersuche Sie daher sehr freundschaftlich, noch einmal diese Kinderkrankheiten zu überdenken, zu behandeln, zu beseitigen, um so auch die Schnittstellen der medizinischen Wert­schöpfungskette zwischen den Ambulatorien, den Krankenhäusern, den Pflegeheimen, den Ärzten und Patienten, aber auch der medizinischen und pharmazeutischen For­schung zu optimieren. Ich würde Sie darum ersuchen, dass Sie sich bemühen, die Vollverschlüsselung doch noch zu gewährleisten. Und noch ein persönlicher Wunsch an Sie: Suchen Sie das Gespräch mit der Ärzteschaft, denn nur mit deren Akzeptanz kann am Ende des Tages das Gesundheitssystem effizienter funktionieren. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

13.55

13.55.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1979 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen zwei Abänderungs­anträge eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die Abänderungsanträge, unter Berücksichtigung des Verlangens auf getrennte Abstimmung, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der §§ 13, 14 Abs. 1, 2a bis 5 so­wie der §§ 15 bis 24, 27 und 28 Abs. 2 bis 5 in Art. 1.

Wer diesem Abänderungsantrag beitritt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öl­linger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung des § 14 Abs. 2 in Art. 1.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Öllin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des § 14 Abs. 2 in Art. 1.

Wer dieser Änderung zustimmen möchte, den ersuche ich um ein Zeichen. – Auch das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur getrennten Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwur­fes in der Fassung des Ausschussberichtes.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 97

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein Zei­chen. - Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Da dieses Verlangen von 20 Abge­ordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“, das sind die grauen Stimmzettel, beziehungsweise „Nein“, das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung dürfen ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dem nicht ihre Zustim­mung erteilen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen. Bitte achten Sie sorgfältig darauf, nur einen Stimmzettel einzuwerfen.

Ich ersuche nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namens­aufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Auer wird ihn dabei ablösen. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Jakob Auer und Zanger werfen die Abge­ordneten ihren Stimmzettel in die Urne.)

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen. Die Sitzung wird zu diesem Zweck für wenige Minuten unterbrochen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 14.02 Uhr unterbrochen und um 14.06 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 171; davon „Ja“-Stimmen: 102, „Nein“-Stimmen: 69.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 98

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Amon, Aubauer, Auer Jakob, Auer Josef;

Bayr, Becher, Binder-Maier, Buchmayr;

Cap, Cortolezis-Schlager, Csörgits;

Donabauer, Durchschlag;

Einwallner, Eßl;

Fazekas, Franz, Fuhrmann, Fürntrath-Moretti;

Gahr, Gaßner, Gerstl, Gessl-Ranftl, Glaser, Grillitsch, Großruck, Grünewald;

Haberzettl, Hakel Elisabeth, Hammer, Haubner Peter, Hechtl, Heinzl, Hell, Himmel­bauer, Höllerer, Hörl, Hornek, Huainigg;

Ikrath;

Kaipel, Katzian, Keck, Kirchgatterer, Königsberger-Ludwig, Kopf, Kößl, Krainer, Kräu­ter, Krist, Kuntzl, Kuzdas;

Lapp, Lettenbichler, Lipitsch, Lohfeyer, Lueger Angela;

Maier Johann, Marek, Matznetter, Mayer Elmar, Mayer Peter, Muchitsch, Muttonen;

Neugebauer Fritz;

Oberhauser, Obernosterer;

Pack, Pendl, Plessl, Prähauser, Prammer, Praßl, Preiner, Prinz;

Rädler Johann, Rasinger, Riepl, Rudas;

Sacher, Schickhofer, Schittenhelm, Schmuckenschlager, Schönegger Bernd, Schön­pass Rosemarie, Schopf, Schultes, Silhavy, Singer, Spindelberger, Stauber Peter, Steibl Ridi Maria, Steindl Konrad, Steßl-Mühlbacher, Stummvoll;

Tamandl;

Weninger, Windisch, Wittmann Peter, Wöginger, Wurm.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Belakowitsch-Jenewein, Brosz Dieter, Brunner Christiane, Bucher Josef;

Deimek, Dolinschek, Doppler;

Fichtenbauer;

Gartelgruber, Gradauer, Graf, Grosz Gerald;

Hagen, Haider, Hakl Karin, Haubner Ursula, Herbert Werner, Höbart Christian, Hofer, Huber Gerhard, Hübner Johannes;

Jannach, Jarmer, Jury;

Karlsböck, Kaufmann-Bruckberger, Kickl, Kitzmüller, Köfer, Korun, Kunasek;

Lausch, Lichtenecker, Linder, List, Lugar Robert;

Markowitz, Mayerhofer, Moser, Mühlberghuber, Musiol;

Neubauer Werner;

Öllinger;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 99

Petzner, Podgorschek;

Riemer, Rosenkranz, Rossmann;

Schatz, Scheibner, Schenk, Schwentner, Spadiut, Stefan, Steinhauser, Strache, Strutz;

Tadler Erich;

Unterreiner;

Venier, Vilimsky, Vock;

Walser, Widmann Rainer, Windbüchler-Souschill, Windholz, Winter;

Zanger, Zinggl.

*****

14.07.222. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1935 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von mensch­lichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Öster­reich GmbH geändert werden (1980 d.B.)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1981 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung zu Punkt 3 wurde verzichtet.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung zu Punkt 2 erteile ich dem Herrn Be­richterstatter, Herrn Abgeordnetem Dr. Rasinger, das Wort. – Bitte.

 


14.08.42

Berichterstatter Dr. Erwin Rasinger: Ich bringe folgende Druckfehlerberichtigung zum Bericht des Gesundheitsausschusses vom 24. Oktober 2012 in 1980 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz – OTPG) erlassen und das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Ge­webesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden, vor:

Der dem Ausschussbericht angeschlossene Gesetzentwurf ist um die in der Regie­rungsvorlage enthaltenen, unverändert gebliebenen Anlagen A und B zu ergänzen.

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Danke für diese Berichtigung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Haberzettl. 3 Minuten Redezeit sind wunschgemäß eingestellt. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 100

14.10.01

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Im Zusammenhang mit Transplantationen menschlicher Organe bestanden in der EU bis vor Kurzem keine harmonisierten Quali­täts- und Sicherheitsstandards. Die in der Folge entstandene Richtlinie über die Quali­täts- und Sicherheitsstandards für zu Transplantationen bestimmte menschliche Orga­ne ist nun in nationales Recht umzusetzen.

Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt hauptsächlich in einem Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen, auch Organtransplantationsgesetz ge­nannt. Dieses Gesetz wiederum legt fest, welche Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Entnahme und der Transplantation von menschlichen Organen einzuhalten sind.

Darüber hinaus werden die erforderlichen Anpassungen in anderen Gesetzen vorge­nommen: Das sind das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Ge­sundheit Österreich GmbH.

Das Organtransplantationsgesetz enthält im Wesentlichen ethische Grundsätze für die Organspende. Insbesondere ist festgehalten: die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit bei Lebendspenden, das Verbot der Bezahlung von Organspenden, das Verbot von auf Gewinn ausgerichteten Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit menschlichen Orga­nen und diesbezügliche Werbeverbote.

Die seit 1982 geltende Widerspruchslösung bleibt unverändert. Das heißt, eine Organ­entnahme zu Transplantationszwecken nach dem Tode ist zulässig, sofern die oder der Verstorbene zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Für die Gegner der Opting-out-Lösung weise ich auf Folgendes hin: Diese 30-jährige Opting-out-Lösung ist ein Grund­stein für die Erfolgsgeschichte des österreichischen Transplantationswesens.

Auch das Widerspruchsregister wird weiterhin von der Gesundheit Österreich GmbH geführt. Die Lebendspenden waren bisher nicht explizit geregelt, dafür wird nun ein rechtlicher Rahmen vorgesehen. Dieser enthält im Wesentlichen: ein Verbot von Or­ganspenden von unter 18-Jährigen, umfassende schriftliche und mündliche ärztliche Aufklärungspflicht, eine Einwilligung in schriftlicher Form, keine Entnahme bei ernstem Risiko für die Spenderin oder den Spender, eine Nachsorgeuntersuchung durch die entnehmende Krankenanstalt drei Monate nach der Spende und danach noch regel­mäßige schriftliche Erinnerungen an fachärztliche Kontrollen.

Die Gesundheit Österreich GmbH wird in Abstimmung mit dem Transplantationsbeirat, der wiederum in der Gesellschaft implementiert ist, zur Ausarbeitung von wissenschaft­lichen Empfehlungen für alle Phasen der Transplantationskette und Nachsorge ver­pflichtet.

Ich denke, dass Österreich mit dem vorliegenden Gesetz auch in Zukunft eine, wenn nicht überhaupt die praktikabelste Lösung in Europa, jedenfalls aber eine auf die Ret­tung von Leben ausgerichtete Regelung haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.13.41

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als begeisterter Krimileserin ist mir im heurigen Urlaub ein Buch in die Hände gefallen, das sich mit dem Thema Organhandel auseinandergesetzt hat. Es war sehr spannend, weil es augenscheinlich sehr realitätsnah geschrieben war.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 101

Mir ist beim Lesen dieses Krimis, aber auch bei Dokumentationen im Fernsehen über dasselbe Thema wieder einmal bewusst geworden, wie sinnvoll die österreichische Re­gelung mit der Widerspruchslösung ist. Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss verbes­sern wir die Situation in Österreich noch ein Stück mehr, insbesondere was den Be­reich der Lebendtransplantationen angeht.

Menschen, die zu einer Organtransplantation bereit sind, nehmen in der Regel viel auf sich, meist um Familienangehörige zu unterstützen, sehr oft sogar, um ihnen das Le­ben zu retten. Mit der neuen Regelung der verpflichtend angebotenen Nachsorge be­ziehungsweise der Erstellung eines individuellen Nachsorgeplans anerkennt der Staat diese menschlich großartige Leistung. Auch die Tatsache, dass durch die neuen Rege­lungen klargestellt wird, dass die Nachsorge und etwaige nachfolgende Komplikationen als Versicherungsfall im Sinne einer Krankheit zu werten sind, bringt für die Spen­derinnen und Spender Klarheit und Sicherheit. Als großen Schritt im Sinne der Spen­dersicherheit betrachte ich auch die Zuerkennung einer lebenslangen Rente im Fall ei­ner Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Selbstverständlich bleibt die österreichische Widerspruchsregelung aufrecht und wird durch klare Vorgaben, auch in Umsetzung einer EU-Richtlinie, geregelt. Dass es ver­boten ist, Organe zu verkaufen, also Gewinn damit zu erzielen, ist ebenso unmissver­ständlich klargelegt wie der Charakter der Freiwilligkeit in Bezug auf die Spenderinnen und Spender.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine gute österreichische Lösung wird noch besser und sicherer und bringt sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den Spenderinnen und Spendern mehr Sicherheit und Qualität. Die Einstimmigkeit des Be­schlusses ist auch als Zeichen des Verantwortungsbewusstseins der Politiker und Poli­tikerinnen in diesem Land diesem Thema gegenüber zu werten. – Ein herzliches Dan­ke dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

14.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.15.57

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Das Gesetz als solches ist schon erklärt worden, es ist schon besprochen worden. Es geht hier mehr oder weniger um Details der Nachbe­treuung bei Lebendspenden. Darüber braucht man eigentlich nicht mehr viel zu disku­tieren, wir werden dem zustimmen.

Aber ich möchte die Gelegenheit für den Versuch nützen, im Rahmen dieser Debatte eine Diskussion über etwas Grundsätzliches, Ethisches anzustoßen, nämlich über die Problematik, die hinter der – nicht Lebendspende, sondern – Totspende, wenn Sie so möchten, steht.

In der Öffentlichkeit wird die Organspende zu Recht als Akt der Nächstenliebe gese­hen. Das ist gut und richtig so. Jedoch muss man in diesem Zusammenhang auch von Zeit zu Zeit beleuchten, wie diese Prozesse tatsächlich ablaufen.

Wir haben eine technische Definition des Todes eines Menschen im Krankenhaus: Das ist der Hirntod, der Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Das stammt aus dem Jahre 1968 und ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft natür­lich nur mehr ein Teilaspekt des Sterbens und ein Teilaspekt auch im rechtlichen Sinn. Sagen wir es anders: Rechtlich gesehen ist der Hirntod ein Kunstgriff, um Menschen, die noch nicht ganz tot sind, die Organe entnehmen zu können, denn eine Organtrans­plantation funktioniert nur dann, wenn die Organe, trivial gesagt, noch leben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 102

Wir führen in unserem Land leider überhaupt keine Diskussion darüber. Wie schon der Vorredner, Herr Haberzettl, gesagt hat: Es gilt die Widerspruchslösung, das ist derzeit ein großer Erfolg der Transplantationsmedizin. Das ist alles gut und richtig. Die Trans­plantationsmedizin wird übrigens immer zu wenig Organe haben. Warum? Weil auch ihre Behandlungsmethoden immer besser werden. Auch das muss gesagt werden, im positiven Sinn.

Seit dem Jahr 1982 gilt bei uns also die Widerspruchslösung. Wenn man jetzt weiter hinterfragt, bedeutet diese Widerspruchslösung Folgendes: Wenn der Widerspruch un­terlassen wird – das gilt übrigens auch für Ausländer, die bei uns sterben –, gilt das im Ereignisfall als Zustimmung zur Organentnahme. Der Sterbende verliert damit jegli­chen Rechtsanspruch als Person und wird seinen Angehörigen entzogen, das muss man einfach einmal so sagen.

Dazu muss man sagen: Wenn die Gesellschaft nicht mehr fragt, was dieser sterbende Mensch braucht, sondern nur mehr fragt, was wir von diesem sterbenden Menschen brauchen, dann haben wir ein Problem, und das untergräbt das Fundament des Zu­sammenlebens massiv.

Keine Frage, um Kranken mit Organleiden zu helfen, müssen wir alles Menschenmög­liche tun, aber in Abwägung der Würde der Sterbenden und ihrer Angehörigen.

Ich möchte dieses Thema auch deshalb ansprechen, weil ich in letzter Zeit – fragen Sie mich nicht, warum – sehr viel mit Eltern zu tun gehabt habe, die etwas sehr Trau­matisches, nämlich den Verlust ihres Kindes erlebt haben. Mit diesen bedauernswerten Eltern bin ich im Diskussionsprozess gestanden.

Ich sage Ihnen jetzt nur Folgendes: Wenn ein tragisches Schicksal eintritt, wenn zum Beispiel Eltern durch einen tragischen Unfall ihr Kind verlieren, dann werden diese Menschen in der Regel nach einem gewissen Verarbeitungsprozess mit diesem dra­matischen Schicksal fertig.

Sie werden aber nicht damit fertig, wenn sie erfahren, was im Eventualfall, dass sie einer Organtransplantation zugestimmt haben, mit ihrem Kind passiert ist, weil in so ei­nem Fall das Dramatischste passiert, nämlich: Sie können sich von ihrem Kind im Mo­ment des Sterbens nicht verabschieden. Es ist vielleicht etwas zu abstrakt, um es hier im Hohen Haus anzusprechen, aber als freier Abgeordneter, der nur seinem Gewissen Rechenschaft ablegen muss, glaube ich, dass wir uns so einer Diskussion hier ruhig stellen können.

Ich erzähle Ihnen jetzt anhand von zwei Beispielen, wie das in einem normalen Kran­kenhaus, wo solche Transplantationsteams arbeiten, funktioniert. Bei einem gibt es ein sterbendes Kind, wo die Organe durch Infektionen unbrauchbar geworden sind. Da sagt man den Eltern: Bleiben Sie bei Ihrem Kind, es lebt noch, es versteht Sie irgend­wie, begleiten Sie es bis zuletzt, das hilft später.

Im selben Krankenhaus hören Sie von den behandelnden Ärzten und dem Team im Fall eines Unfalltodes oder im Fall eines Komas nach einem Unfall: Das Kind ist tot, da sind keine Empfindungen und Wahrnehmungen mehr, das Einzige, was Sie noch tun können, ist zu entscheiden, ob Sie einem anderen mit einer Organspende helfen wol­len oder nicht. Sie können ruhig nach Hause gehen. – Und das ist genau der springen­de Punkt, den wir hier diskutieren müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt selbstverständlich ein anerkanntes Recht auf sein eigenes, ungestörtes und in­dividuelles Sterben, das jeder Mensch hat. Und in vielen Fällen muss man provokant sagen, dass das heute schon umdefiniert worden ist, nämlich zur Pflicht der Organ­spende. Wir halten mit unserer Regelung der Widerspruchslösung Sterbeprozesse an, wir greifen massiv in diese ein, und zwar ungefragt. Ich spreche das jetzt an, um


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schlicht und einfach dazu aufzufordern, dass wir uns alle hier in einem mittelfristigen Diskussionsprozess dort hinbewegen, wo Deutschland schon ist. Diskutieren wir die Widerspruchslösung gegen die Entscheidungslösung.

In Deutschland schaut es so aus: Da bekommt jeder Versicherte alle zwei, drei oder vier Jahre – die Fristen weiß ich jetzt nicht so genau, aber in regelmäßigen Abstän­den  ein Informationsblatt mit einem Einwilligungsformular und einem Schreiben, wo er aufgefordert wird, aktiv Ja oder Nein zu sagen für den Fall der Fälle. Das wird dann in einem zentralen Register eingetragen.

Ich finde, einer entwickelten Demokratie, wie Österreich es ist, würde das gut anste­hen, und es würde uns auch ein bisschen weiterführen, gerade in Bezug auf Ethik und Moral. Ich bitte Sie hier, sich in diesen Entscheidungsprozess einzubringen.  Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grüne­wald zur Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.22.21

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ich verstehe einiges, was Kollege Karlsböck gesagt hat, allerdings ist der Umgang mit Menschen, ein humaner, ein psychologisch versierter Umgang mit Men­schen, Eltern von Kindern, wie Sie gesagt haben, per Gesetz nicht festzuschreiben. Ich glaube, die Österreichische Gesellschaft für Transplantation hat sicher Empfehlungen in diese Richtung herausgegeben, und ich halte es für mehr als notwendig, gerade El­tern von gehirntoten Kindern Unterstützung zu bieten, unmittelbar und vor allem nach­her. Das ist sicher eines der schrecklichsten Ereignisse, die es gibt.

Trotzdem würde ich die jetzige Regelung in Österreich nicht gerne aufs Spiel setzen, sondern lieber die Rahmenbedingungen und das Umfeld verbessern. Dass die Fest­stellung des Hirntodes nicht mehr dem wissenschaftlichen Stand von hier und heute entspricht, glaube ich keinesfalls, denn die Österreichische Gesellschaft für Neurologie und andere Gesellschaften haben zeitgemäße Methoden publiziert und Leitlinien vor­geschrieben, und all diese Untersuchungen müssen nach 24 Stunden wiederholt wer­den, die Untersuchungen dürfen nicht vom Transplanteur durchgeführt werden, son­dern von zwei verschiedenen unabhängigen Fachärzten für Neurologie.

Da gibt es verschiedene Methoden, zum Beispiel ein Angiogramm; wenn ein Gehirn nicht mehr durchblutet ist, ist es tot. Also man kann den Blutfluss radiologisch messen, man kann EEG-Aufzeichnungen machen, und die werden alle wiederholt, also dass so­zusagen Leute mit funktionierendem oder schlecht funktionierendem Gehirn vom Le­ben zum Tod befördert werden, kann man de facto ausschließen. Es handelt sich nicht um Wachkoma-Fälle, wo solche Sachen nach Jahren einmal passieren können.

Das Gesetz ist jedenfalls gut, allerdings hat die Gesellschaft für Transplantationschirur­gie sich sehnlich gewünscht, gerade bei Lebendspenden – das betrifft ja vorwiegend Niere, Teile der Leber oder das Knochenmark – die SpenderInnen wissenschaftlich und natürlich gesundheitspolitisch, ärztlich nachzubetreuen. Wenn jemand nur mehr ei­ne Niere hat, weil er eine gespendet hat, ist er natürlich gefährdet, weil er diese Niere braucht, lebensnotwendig braucht, außer er will eine Dialyse und braucht dann viel­leicht später wieder einen Spender.

Dieses Vorhaben ist vorwiegend, glaube ich, auch an finanziellen Problemen geschei­tert. Ich schlage aber trotzdem vor, dass man Gespräche mit dieser Gesellschaft führt, und es könnten auch Krankenkassen Interesse haben, dass diese Lebendspender kei­nen Schaden erleiden, denn sie zahlen ja dann, sie haften, auch das Sozialsystem haf-


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tet. Also da könnte man schon Mittel und Wege finden, ein Register aufzubauen, das allen Erfordernissen Rechnung trägt. Ich bin da optimistisch, vielleicht können Sie da etwas helfend eingreifen, Herr Minister. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.26.16

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Mit dem Organtransplantationsgesetz wird die Richtlinie für Qualitäts- und Si­cherheitsstandards für die zur Transplantation bestimmten menschlichen Organe in ös­terreichisches Recht umgesetzt. Da geht es um den Bereich der Lebendspenden und deren Erfassung, die damit zusammenhängenden Aufzeichnungen und die Erfassung schwerwiegender Zwischenfälle. Insgesamt wurden in Österreich im Jahre 2011 673 Organe von Verstorbenen und 57 Transplantationen von Lebenden vorgenommen. Es ist absehbar, dass die Zahl der Lebendspenden steigen wird.

Wichtig ist, dass die Lebendspende von Organen – hauptsächlich sind es Nieren – rechtlich geregelt wird, was für die behandelnden Ärzte und für die betroffenen Perso­nen mehr Rechtssicherheit bedeutet. Mit der Einführung des Lebendspenderegisters wurde ein wichtiger Punkt berücksichtigt. Dadurch ist für die wichtige Nachsorge der Organspender gesorgt. Durch das Angebot eines Nachsorgeprogramms und die finan­zielle Absicherung möglicher negativer Folgen der Organspende werden die Spender gegenüber Risiken, die sich aus der Organspende ergeben, wirksam abgesichert.

Ich denke, das ist man Lebendspendern, die ein Organ für einen Mitmenschen zur Ver­fügung stellen und dadurch für die Gesellschaft und den Empfänger nahezu Über­menschliches leisten, schuldig. (Beifall beim BZÖ.)

14.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kauf­mann-Bruckberger. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.27.53

Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Österreich sind rund 1 100 Menschen für eine Organtransplantation vorgemerkt, jedoch erlebt ein großer Teil diese rettende Operation nicht mehr, die Wartezeit für ein Organ ist leider Gottes viel zu lange. Trotz des medizinischen Fortschritts sind aber auch Spenderorgane streng limitiert, was auch zur Folge hat, dass ganz einfach viel zu wenige vorhanden sind.

Zu den Fakten: Im Jahr 2011 wurden 673 Organtransplantationen mit Organen von Verstorbenen und 57 Transplantationen mit Organen von Lebendspendern vorgenom­men. Was die Zahl der Nierenlebendspenden betrifft, ist diese seit einigen Jahren rela­tiv konstant, allerdings liegt Österreich mit einem Anteil von etwa 15 Prozent sehr deut­lich hinter den Niederlanden, Schweden, den USA und auch der Schweiz zurück.

Man kann als gesunder Mensch natürlich auch nur mit einer Niere leben, und speziell dann, wenn man einem Verwandten damit ein besseres, ein neues Leben schenken kann, ist man gerne bereit zur Spende. Aber was ist, wenn es keinen Spender gibt? – Dann gibt es nur eine einzige Ausweichmöglichkeit, das ist die Dialyse. Die Dialyse ist eine der schwierigsten und zeitaufwändigsten Therapien und leider Gottes auch nur zeitlich begrenzt.

Ein nächster wichtiger Punkt ist das Thema der Organspende nach dem Tod. Wenn man sich mit dem Thema Organspende in der Familie nicht wirklich auseinandersetzt,


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dann verdrängt man diese Frage auch sehr häufig. Aber kommt es dann aufgrund ei­nes Unfalls doch zu einem Gespräch zwischen einem Familienmitglied und dem Arzt, kann es sehr oft vorkommen, dass dieses der Entnahme eines Organs des Verstorbe­nen nicht zustimmt. Die österreichischen Ärzte halten sich zum Großteil an diesen Wunsch der Angehörigen.

Wir dürfen aber auch nicht vom Tisch wischen, dass es einen weltweiten Missbrauch gibt, und zwar illegale Organentnahmen. Horrorgeschichten, dass man sich Organe auch illegal kaufen kann, haben wir alle schon einmal gehört. Leider Gottes ist das mittlerweile Realität und keine Horrorgeschichte.

Das heißt, dass es auf jeden Fall auch zu wenig Informationen über die Notwendigkeit legaler Organtransplantationen oder Organspenden gibt. Wir fordern eine Sensibilisie­rung für dieses Thema, mehr Information der Bevölkerung. Die Menschen müssen da­rüber informiert werden, dass man sich in Österreich darauf verlassen kann, dass Or­ganspende, Organentnahme und auch die Transplantation gesetzlich sehr streng gere­gelt sind. Es werden sogar Lebendspenden abgelehnt, wenn nur der leiseste Verdacht besteht, dass finanzielle Interessen mit der Spende in Verbindung gebracht werden können.

Abschließend: Wir unterstützen jede Art von Information und unterstützen die individu­elle Nachsorge, die lebenslange optimale medizinische Betreuung von Lebendspen­dern. (Beifall beim Team Stronach.)

14.31


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesmi­nister Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.31.30

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben mit dem heutigen Gesetz zur Regelung der Organtransplantation wie­der einen wichtigen Qualitätsschritt gesetzt. Es geht darum, die Grundsätze der Organ­spende festzulegen, die Freiwilligkeit und die Unentgeltlichkeit. Wir haben mit dem ös­terreichischen Modell, nämlich dass wir ein Widerspruchsregister gegen Organspen­den haben, deutlich gezeigt, dass wir damit in Europa die besseren Ergebnisse errei­chen.

Wir haben mit diesem Gesetz auch sichergestellt, dass Lebendspenden und Men­schen, die Lebendspenden machen, ganz, ganz besonders geschützt werden. Unter anderem haben wir gesetzlich klargestellt, dass eine Lebendspende von unter 18-Jäh­rigen nicht zulässig ist. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, dass der Schutz von SpenderInnen und Empfängern besonders in den Vordergrund gestellt wird. Die Rege­lungen über die Nachsorge von Lebendspendern wurden auch in die Gesetzgebung aufgenommen. Dazu haben wir auch einen Versicherungstatbestand kreiert bezie­hungsweise haben wir den besonderen Schutz von Lebendspendern im Sozialversi­cherungsrecht vorgenommen. Ich denke, dass wir damit einen wichtigen Schritt in Richtung Verbesserung der Qualität und Versorgung der österreichischen Bevölkerung geleistet haben.

Sehr geehrter Herr Präsident, wenn Sie erlauben, möchte ich etwas Besonderes tun. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir ändern heute auch Sozialversicherungs­gesetze, und ich habe mir vorgenommen, mich heute, weil wir das tun, bei jemandem zu bedanken, der jahrelang dazu beigetragen hat, dass die österreichischen Sozialver­sicherungsgesetze und die Sozialversicherung eine solch gute Stellung haben. Ich spreche von Herrn Abgeordnetem Karl Donabauer.

Herr Abgeordneter Donabauer hat über vier Jahrzehnte in der Sozialversicherungsan­stalt der Bauern, in verschiedenen Selbstverwaltungskörpern mitgewirkt, und wenn ich


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das richtig sehe, hat er seit Beginn dieser Sozialversicherungsanstalt Verantwortung übernommen. Er hat auch Verantwortung übernommen als deren Obmann, und er hat mir vor Kurzem mitgeteilt, dass er diese Funktion zurücklegt. Die Nachfolge ist auch schon angetreten, und ich erlaube mir, mich von diesem Platz aus als Mitglied der Bun­desregierung bei dir für deine außerordentlichen Leistungen auch in diesem Hause zu bedanken.  Danke sehr. (Allgemeiner Beifall. – Bundesminister Stöger begibt sich zu Abgeordnetem Donabauer und reicht diesem die Hand.)

14.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Diesem Dank können wir uns sicher alle anschlie­ßen. Wir freuen uns, dass uns Abgeordneter Donabauer in seiner Funktion als Abge­ordneter erhalten bleibt.

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hechtl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.34.55

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätztes Hohes Haus! Mit diesem Organtransplantationsgesetz – das wurde auch schon ausgeführt – erfolgt eine Umsetzung der EU-Richtlinie. Damit einherge­hend werden einheitliche Mindeststandards auf EU-Ebene in der Organtransplantation einkehren. Für mich ist ein wichtiger Teil, dass neben den Qualitäts- und Sicherheits­standards auch der ethische Standard einen wichtigen Punkt in diesem Gesetz ein­nimmt.

Ich denke, besonders wichtig dabei sind die Freiwilligkeit und auch die Unentgeltlich­keit, dass also keine wirtschaftliche Leistung, kein wirtschaftlicher Erfolg aus dieser Transplantation zu erzielen ist.

Sehr wichtig ist für mich auch die soziale Absicherung, wenn man Organe für eine Transplantation zur Verfügung stellt. Wer trägt die Kosten? Nun ist dies sichergestellt, und der Herr Bundesminister hat es schon angeführt, und es gab in allen Bereichen der Sozialversicherung konstruktive Kräfte, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben. Ich denke zum Beispiel an die Frage, wer die Kosten bei einer Transplantation für den Spender trägt, und das ist nunmehr eine Krankenversicherungsleistung. Auch die Nachbehandlung ist nunmehr eine Krankenversicherungsleistung, und das erscheint mir auch besonders wichtig. Sehr wichtig ist aber auch, und das wurde auch schon ein­mal angeführt, dass, wenn eine Komplikation bei einer Transplantation auftritt – wir hoffen es nicht –, Versicherungsschutz durch die Unfallversicherung besteht, sprich ei­ne lebenslange Rente möglich ist.

Geschätzte Damen und Herren! Mit diesem Organtransplantationsgesetz wird wieder und ganz besonders zum Ausdruck gebracht, dass wir weiterhin zu einer bestmögli­chen Gesundheitsversorgung stehen. Wir können mit Stolz darauf hinweisen, dass Ös­terreich eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat.

Ich denke, gerade diese beiden heutigen Gesetze, jetzt das Organtransplantationsge­setz und vorher dieses ELGA-Gesetz, sind zukunftsweisende Maßnahmen, gesetzliche Bestimmungen, die wir hier für Österreichs Bevölkerung, für die Patientinnen und Pa­tienten beschlossen haben beziehungsweise beschließen werden.

Ich möchte auch dem Herrn Bundesminister und allen daran Beteiligten dazu gratulie­ren, denn es war sicher nicht sehr einfach, diese Gesetzesmaterien in Einklang zu brin­gen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Hechtl reicht Bundesminister Stöger die Hand.)

14.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 107

14.37.48

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammenfassend kann ich, glaube ich, sagen, dass dieser ausdrückliche Rahmen, der heute beschlossen wird, doch etwas sehr Wesentliches ist. Eine risikobasierende Nachversorgung wird geregelt, vor allem wird aber auch die Wertschätzung gegenüber Menschen, die Organe spenden, durch diese Versicherungsmöglichkeit, die gegeben wird, zum Ausdruck gebracht.

Dass das in der Praxis immer wieder einen höheren Stellenwert bekommt, kann man sich auch vergegenwärtigen, wenn man sich die Zahlen anschaut. Die Lebendspenden betreffen vor allem Nieren- und Lebertransplantationen, das wurde schon gesagt. Es stehen zurzeit noch 57 Organspenden von lebenden Menschen 673 Organspenden von Verstorbenen gegenüber. Da sieht man schon, welches Ungleichgewicht da vor­handen ist.

Lassen Sie mich auch ein paar Zahlen oder ein paar Dinge zu den Organspenden ver­storbener Menschen sagen, denn da bleibt ja weiterhin die Widerspruchslösung be­stehen, die an sich eine sehr zufriedenstellende Lösung ist. Die Rate in Österreich ist bei zirka 20 Organspenden in Bezug auf 1 Million verstorbener Menschen. Das ist ähn­lich hoch wie in Italien, Frankreich oder Belgien. Hingegen gibt es in Deutschland eine Zustimmungslösung, wie es heute auch schon andiskutiert wurde, und dort liegt die Rate bei 15 Organspenden in Bezug auf 1 Million Einwohner. Daher hat Deutschland im vergangenen Mai ein Gesetz verabschiedet, eine umfassende Reform, wo sie in Zu­kunft die Menschen anschreiben, darauf aufmerksam machen, postalisch befragen wollen, ob sie sich nicht bereit erklären, eine Organspende nach ihrem Tod durchzu­führen.

Interessant ist aber auch, dass das geographisch gesehen sehr unterschiedlich ist. Bremen zum Beispiel hat 60 Organspender bezogen auf 1 Million Einwohner, Nieder­sachsen, also gleich angrenzend, nur 16 Organspender bezogen auf 1 Million Einwoh­ner. Es wird interessant sein, wie hier, wenn die ersten Befragungen ausgewertet sind, die Entwicklung ist.

Ich denke, dass das ein gutes Gesetz ist, eine gute gesetzliche Voraussetzung für die Nachversorgung, für die Wertschätzung der Menschen, die sich zu einer Organspende bereit erklären. Und das ist, glaube ich, eine ganz wesentliche Sache, die mit diesen Rahmenbedingungen stark verbessert wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amon.)

14.40

14.40.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen erlassen und das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneimittelgesetz, das Gewebesicherheitsgesetz und das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH geändert werden, samt Titel und Eingang in 1980 der Beilagen, unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehler­berichtigung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 108

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1981 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14.43.044. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1898 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1982 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.43.33

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Novelle zum Arzneimittelgesetz setzt europäische Regelungen bezüglich eines Gemeinschaftskodex und harmonisierte Vorschriften für die Genehmi­gung, Überwachung und Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln um. Die daraus resultierenden Änderungen beziehen sich auf fast alle Bereiche unseres Arzneimittel­gesetzes, unter anderem auf den Nebenwirkungsbegriff und die Meldung von vermute­ten Nebenwirkungen, auf Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung eines Arzneimittels, aber auch die Bereitstellung von Informationen durch die Behörden und die Informationsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit.

Hintergrund der europäischen Harmonisierungsbemühungen ist die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten sowohl bei den Behörden der Mitgliedstaaten als auch bei den Zu­lassungsinhabern mit dem Ziel, Arzneimittelsicherheit in Europa zu stärken, vor allem durch verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten.

Künftig werden neben ÄrztInnen und anderen Gesundheitsberufen auch die PatientIn­nen als aktive Partner in das Pharmakovigilanzsystem eingebunden. Schließlich sollen die Abläufe rund um die Überwachung der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel noch transparenter werden. Dazu wird sowohl bei der Europäischen Arzneimittel-Agen­tur als auch den zuständigen nationalen Behörden ein entsprechendes Internetportal für Arzneimittel eingerichtet.

Im Einzelnen bringt die Novelle eine Erweiterung des Nebenwirkungsbegriffes auf alle unerwünschten Arzneimittelwirkungen, eine Verpflichtung des Zulassungsinhabers zur Führung einer Wirkstoffstammdokumentation, zur Führung eines Risikomanagement­systems für jede Arzneispezialität, eine Aufforderung, Nebenwirkungen dem BASG zu melden, die Verpflichtung, nationale und europäische Portale zu verlinken sowie alle Meldungen und Berichte über die Europäische Datenbank als einzige Stelle abzuwi­ckeln.


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Es ist dies also eine Novelle, die Vorteile und mehr Sicherheit für alle Beteiligten im Gesundheitssystem bringt; eine Novelle, die wir gerne unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.46.21

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon mein Vorredner gesagt hat, geht es bei der Novelle zum Arzneimittelgesetz um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Im Konkreten geht es etwa um neue Risikomanagementbestimmungen für bereits zugelassene Arz­neimittel und eine neue Meldepflicht im Fall von Nebenwirkungen.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf den ELGA-Beschluss hinweisen, in dem ja vorgesehen ist, dass Wechselwirkungs- und Interaktionsprüfungen in Apothe­ken stattfinden, wenn der Patient sein Einverständnis dazu mit der e-card-Übergabe bestätigt. Dies ist auch aus technischer Sicht erforderlich. Eine Interaktionsprüfung be­ziehungsweise eine Wechselwirkungsprüfung ist aber bei der Abgabe durch Fern­absatz beziehungsweise über Internetbestellungen technisch unmöglich. Auch kann im Nachhinein zum Beispiel beim Bezug einer rezeptpflichtigen Arznei über das Internet zur Sicherheit der Patienten nicht die Zusammensetzung geprüft werden. Daher wäre sicherzustellen, dass alle Medikamente, die bei der e-card-Medikation maßgeblich sind, vom Fernabsatz ausgenommen werden, denn auch in Österreich ist das Thema „Bestellen über Internet“ nicht fremd. Es gibt zwar Kampagnen, die hier gegensteuern und die eine oder andere Pressemeldung, wie zum Beispiel von der APA vom 8.9.2010, wo es heißt: Gefährliche Medikamentenfälschung aus dem Internet bremsen.

Es wird auch versucht, Fälschungen durch Arzneipflichten beziehungsweise Vorgaben für die Gestaltung der Web-Seiten hintanzuhalten. Tatsache ist aber, der Markt mit der Möglichkeit, Arzneien über das Internet abgeben zu können, hält Arzneifälschungen sozusagen nicht hintan, sondern macht sie noch leichter zugänglich.

Mir persönlich ist es aus vielerlei Erfahrungen auch ein Anliegen, Herr Bundesminister, Sie zu bitten, dass Sie diese Entwicklung mehr als nur im Auge behalten und in Zu­kunft Möglichkeiten schaffen, um durch Ihr Ressort sozusagen der Billigbestellung über das Internet Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der ÖVP.)

14.48


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.02

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ganz kurz zu meiner Vorrednerin: Selbstverständlich haben Sie recht, und es wird auch von uns der Versandhandel mit Sicherheit keine Zustimmung bekommen, nur, Frau Kollegin, das ist in diesem Gesetz, das wir heute besprechen, gar nicht das Thema; das kommt erst. Das heißt, Sie sind Ihrer Zeit ein bisschen voraus. (Abg. Steibl: Ja, wir sind immer voraus!)

Jetzt geht es um die Umsetzung einer europäischen Richtlinie, um den Kodex sozusa­gen, um die Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln, die hier umgesetzt werden soll. Dem werden wir selbstverständlich auch zustimmen, weil das sicherlich etwas ist, das Sinn macht. Es erhöht natürlich auch die Sicherheit von Medikamenten, und daher ist dem sicherlich die Zustimmung zu geben.


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Was Sie jetzt angesprochen haben, was aber auch schon davor angesprochen worden ist, ist natürlich etwas, das im Raum steht, Herr Bundesminister, nämlich der Versand von Arzneimitteln.

Ich würde Sie schon bitten, sich auch bei der geplanten nächsten Novelle, die uns ja ins Haus steht – wann immer das sein wird, ob das schon im nächsten Gesundheits­ausschuss sein wird oder später –, das wirklich ganz genau zu überlegen, denn Sie haben vor wenigen Minuten die ELGA beschlossen, die E-Medikation. Damit würden Sie das ja de facto wieder auskegeln und aushebeln, damit hätten Sie sich den Be­schluss auch gleich ersparen können.

Ich denke, da sollten wir in Österreich wirklich eine Vorreiterrolle einnehmen, was die Sicherheit von Medikamenten anlangt.

In diesem Zusammenhang ist es mir wirklich ein Anliegen, auch hier einmal auf die überbordenden Mengen an sogenannten Medizinprodukten hinzuweisen, die im Super­markt angeboten werden, bei denen es sich nicht mehr nur um Pflaster und Verbände handelt, sondern bereits um Medikamente zum Einnehmen oder Medikamente, die im Bereich der Schleimhäute anzuwenden sind. Auch da, glaube ich, sollte man sich wirk­lich ernsthaft überlegen, wie man für die Sicherheit der Patienten ein Gesetz schaffen kann, um diesem ausufernden Markt an Medizinprodukten Einhalt zu gebieten, wie man im Rahmen eines Medizinproduktegesetzes, das man ja nicht ganz vom Arznei­mittelgesetz trennen darf (Beifall bei der FPÖ), auch eine Möglichkeit findet, um hier Regelungen im Sinne der Menschen zu finden, die da oftmals nicht etwas wirklich Schädliches, aber etwas völlig Sinnloses einnehmen.

Das ist etwas, was mir ein Dorn im Auge ist, vor allem, weil die Zahl solcher Mittel jetzt, in der Herbstzeit, gerade wieder ansteigt und man den Eindruck hat, dieser Markt nimmt von Jahr zu Jahr zu. (Beifall bei der FPÖ.)

14.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.51.35

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Ganz kurz zum Versandhandel. Also ich glaube, es ist gescheiter, man ist der Zeit voraus, als man hinkt ihr hintennach. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt offenbar einen Vorschlag von Herrn Spadiut, und ich hoffe, dass der nur den In­ternethandel von Einzelpersonen betrifft. Hier könnte man einen Versandhandel ma­chen, von dem Krankenhäuser profitieren, aber den wird er wohl nicht gemeint haben. Den würde ich aber jedenfalls unterstützen. Da soll etwas angeschoben werden, denn es ist höchste Zeit.

Was mich an den Reaktionen der Ärztekammer auf dieses Gesetz etwas irritiert hat, ist die Bemerkung, dass bei Zwischenfällen bei Bluttransfusionen das den Ärzten abge­golten werden muss. Wenn ich Bluttransfusionen in der Privatpraxis mache und nicht im Krankenhaus, finde ich das nahezu unverschämt. Das ist so selten, dass es einem Arzt vielleicht alle fünf Jahre oder alle zehn Jahre passiert. Und das dann noch abge­golten zu bekommen, ist meiner Meinung nach schon eine Geschmacklosigkeit.

Was an dem Gesetz gut ist, das ist, dass ein Risikomanagement aufgebaut werden muss, weil ja Medikamente zwar vorerst an Patientengruppen erprobt werden, wenn aber die Zulassung stattgefunden hat, natürlich ein Vielfaches an Patienten dieses Mit­tel oder eines dieser Mittel einnehmen. Und da kommen natürlich auch andere Neben­wirkungen, die vorher statistisch sonst nicht erfasst werden konnten, zum Tragen, und das ist wichtig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 111

Wenn man meint, die Patienten sollten auch diese Nebenwirkungen melden, muss man wirklich mit einem hohen Zeitaufwand rechnen, denn es gibt auch zufällige Koin­zidenzen. Also wenn jemand, was nicht selten vorkommt, ein Verhackertes in der Stei­ermark isst – das ist auch nicht selten kontaminiert, weil es nicht gebraten oder ge­kocht ist, sondern frisch –, und er hat dann Bauchweh und sagt: Jetzt habe ich ein neu­es Medikament, das macht Bauchweh!, obwohl es eben etwas ganz anderes war. Also da wäre ich vorsichtig.

Ich glaube, man sollte auch dieses Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen fi­nanziell so ausstatten, dass dort keine Sparprogramme greifen. Manchmal kommt man da schon in einen Sparwahn hinein, der letztlich der Gesundheit, dem Gesundheitssys­tem und den Patienten schadet.

Das wäre es eigentlich schon. – Wir stimmen der Gesetzesvorlage jedenfalls zu. (Bei­fall bei den Grünen.)

14.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.54.34

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Durch die Änderung des Arzneimittelgesetzes soll der geänderten EU-Richtlinie Rechnung getragen werden. Ziel ist es, die Arzneimittelsicherheit in der EU durch ver­stärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu erhöhen. Pharmafirmen müssen Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudien vorlegen, und sie müssen mit den Zulas­sungsunterlagen einen Risikomanagementplan vorlegen. Außerdem kommen auf die Pharmafirmen hinsichtlich auftretender Nebenwirkungen von Medikamenten neue Mel­depflichten zu. In der Gebrauchsinformation wird der Patient aufgefordert, vermutete Nebenwirkungen zu melden. Dadurch werden für die Unternehmen Mehrkosten von 2,88 Millionen € entstehen.

Die Verordnung ist gut, und wir werden auch zustimmen, da mehr Medikamentensi­cherheit gegeben ist.

Wie es mit der Medikamentensicherheit jedoch aussieht, wenn der Versandhandel be­ziehungsweise Internethandel von Medikamenten von der EU erlaubt wird, wird, wenn die Vorlage am Tisch liegt, zu diskutieren sein. Da es viele Argumente gegen diesen Handel gibt, steht das BZÖ einer solchen Freigabe negativ gegenüber.

Um das zu unterstreichen, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Fernabsatz mit Arzneimitteln

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Gesundheit wird ersucht, mit seinen Amtskollegen des Res­sorts Arbeit, Soziales, Konsumentenschutz und Wirtschaft sicherzustellen, dass der Fernabsatz mit Arzneimitteln („Versandhandel“) in Österreich nicht legalisiert wird.“

*****

(Beifall beim BZÖ.)

14.56



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 112

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Spadiut, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betref­fend kein Fernabsatz mit Arzneimitteln

eingebracht zum TOP 4 Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungs­vorlage (1898 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (1982 d.B.)

Der Fernabsatz mit Arzneimitteln („Versandhandel“) wird von den Antragstellern - ba­sie­rend auf den Informationen der direkt betroffenen österreichischen Apothekerinnen und Apotheker - abgelehnt.

Nur einige der vielen Argumente die eindeutig gegen den Fernabsatz von Arzneimitteln sprechen sind folgende:

Es besteht kein persönlicher Kontakt zwischen Patient und Apotheker.

Die Beratung verliert zwangsläufig an Qualität: Es fallen Mimik und Körpersprache des Patienten weg.

Es werden Fragen, die sich erfahrungsgemäß aus der jeweiligen Situation bei der Arz­neimittelübergabe ergeben, nicht gestellt; der Apotheker kann nicht beurteilen, ob der Kunde die Erklärung verstanden hat

Der fehlende persönliche Kontakt des Patienten zu Arzt oder Apotheker führt zum Auf­schub des Arztbesuches und möglichen Gesundheitsgefährdungen durch ungeeignete oder ineffiziente Versuche der Selbstbehandlung mit hohen Folgekosten für das Ge­sundheitssystem.

Verlockende Angebote im Internet verleiten Kunden, Arzneimittel zu bestellen und nach eigenem Gutdünken einzunehmen, ohne die persönliche Beratung eines Arztes oder Apothekers einzuholen.

Die Anwendung von Arzneimitteln ohne begleitende Betreuung durch den Apotheker führt zu möglichen Anwendungsfehlern.

Arzneimittel werden durch den Versand zu „Konsumgütern“. Ein Patient, der Arznei­mittel über das Internet erwirbt, bezieht seine Information ausschließlich aus der dort publizierten Arzneimittelwerbung, die darauf abzielt, Kaufanreize zu schaffen und Im­pulskäufe zu stimulieren.

Im Gegenzug dazu steht ein wichtiges Instrument des Verbraucherschutzes, nämlich das Rücktrittsrecht, aufgrund der Beschaffenheit des Produktes, beim Versandhandel mit Arzneimitteln nicht zur Verfügung.

Durch den direkten und persönlichen Kontakt bei der Arzneimittelübergabe an die Kun­dinnen und Kunden entsteht eine persönliche Beziehung mit den abgebenden Apothe­kerinnen und Apothekern und wird die persönliche Verantwortung verstärkt. Im Fern­absatz kommt dieses wichtige Kriterium der Ausübung eines freiberuflichen Gesund­heitsberufes hingegen nicht zum Tragen.

Die e-Medikation, die sicherstellt dass Arzneimittelwechselwirkungen verhindert wer­den, wird ad Absurdum geführt.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 113

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Gesundheit wird ersucht, mit seinen Amtskollegen der Res­sorts Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und Wirtschaft sicherzustellen, dass der Fernabsatz mit Arzneimitteln („Versandhandel“) in Österreich nicht legalisiert wird.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Kaufmann-Bruckberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.56.36

Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Zuge der Arzneimittelsicherheit ist dieses Gesetz sicherlich zu begrüßen. Positiv zu werten ist, dass die Mitgliedstaaten vermehrt zusammenarbeiten werden, um so auch das Eindringen von gefälschten Arz­neien in die legale Lieferkette zu unterbinden.

Dies dient natürlich auch dem Schutz der legalen Lieferkette vor gefälschten Arzneien. Gefälschte Arzneien – wir haben es ja heute schon öfter gehört – überschwemmen den Markt, und es gibt keinen Schutz für die Patienten. Nebenwirkungen können verhee­rende Folgen haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind für uns beispielsweise auch die Generika oder auch die traditionellen Arzneimittel, wo in Zukunft auf einen Unbedenklichkeitsbericht, der re­gelmäßig zu aktualisieren war, verzichtet wird. Damit werden Generika quasi aufge­wertet, und das bedeutet gleichzeitig eine Entlastung des Gesundheitssystems.

In einem Punkt, meine Damen und Herren, muss man Kritik äußern, wie es auch die Ärztekammer gemacht hat. Sie hat kritisiert, dass die Patienten die Nebenwirkungen mitteilen müssen. Die Qualität dieser Meldungen ist sicher zu hinterfragen, sagt die Ärztekammer, da der Informationsgehalt durch medizinische Laien eine enorme Nach­bearbeitung erfordert.

Auch wenn die Verwaltungskosten für Unternehmer hier geschätzte 2,8 Millionen € pro Jahr ausmachen werden, stehen wir diesem Gesetzentwurf positiv gegenüber. (Beifall beim Team Stronach.)

14.58

14.58.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1898 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Fernabsatz mit Arzneimitteln.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 114

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

14.59.365. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Be­richt 2012 der Bundesregierung (III-352/1931 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1912/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Isel als Natura-2000-Schutzgebiet (1932 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1412/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ablehnung des GVO-Ratsbeschluss-Vorschlages 2011/0010 im EU-Ministerrat (1933 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jury. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.01.06

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir sprechen über den Grünen Bericht 2012, der meiner Meinung nach den Ausdruck „Bericht“ nicht verdient. (Abg. Grillitsch: Oh je!) Es ist eine Festschreibung, ein Status quo der verfehlten österreichischen, ja europäischen Agrarpolitik, die auf dem Rücken unserer Bauern und unseres ländlichen Raumes ausgetragen wird. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns diese Entwicklung ansehen, also das Bauernsterben der letzten 15, 16 Jahre seit dem EU-Beitritt – den Rückgang von 240 000 auf 175 000 Betriebe –, so ist das, muss ich sagen, bedenklich. Besonders für den ländlichen Raum, ja für die ge­samte österreichische Wirtschaft ist es bedenklich, berücksichtigt man, dass dieser stolze Bauernstand und diese Bauernschaft für unsere Tourismuswirtschaft und in wei­terer Folge für den ländlichen Raum essenziell sind.

Sehr verehrter Herr Minister Berlakovich, Sie werden diesen Grünen Bericht mit Ihren Parteikollegen von der ÖVP natürlich als „Erfolgsmodell“ feiern, aber: So ist es nicht! Wenn wir uns die Probleme, mit denen unsere Bauernschaft zu kämpfen hat, verge­genwärtigen, dann sehen wir, dass diese bei der AMA-Organisation anfangen. Bei den Almfutterflächen gibt es wahnsinnige Probleme für unsere Bauern in den Bundeslän­dern Kärnten und Tirol. Das Management in der AMA, das es eigentlich nicht gibt, ist nur darauf ausgerichtet, den Bauern ihre Arbeit so schwer wie möglich zu machen, mit Normierungen, Zertifizierungen und mit irrsinnigen bürokratischen Aufwendungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufgabe der AMA wäre es eigentlich, die Bauern zu unterstützen und in weiterer Folge dafür zu sorgen, dass der Bevölkerung gesunde und sichere Lebensmittel zur Verfügung stehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 115

Aber was macht die AMA? – Die AMA ist ein Schwindelverein, muss ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Huber.) Die AMA sagt immer: Wo Öster­reich drin ist, muss Österreich draufstehen. Das ist eine Lüge. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Obwohl heute in Österreich mit ausländischer Ware produziert wird und diese hier geschlachtet wird, wird das AMA-Gütesiegel verwendet. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das stimmt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Stel­len Sie es nicht immer in Abrede!

Diese Schwindelei sollte im Interesse Österreichs, unserer Bevölkerung und im Inter­esse der Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit abgestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für diesen Grünen Bericht gibt es von unse­rer Partei einen Fünfer, weil er der Status quo des Bauernsterbens in unserem Land ist.

Seitens der Freiheitlichen stelle ich die Forderung: Wir kommen nicht um eine Renatio­nalisierung unserer gemeinsamen Agrarwirtschaft in Österreich herum. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


15.05.16

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich mich bei all jenen Bäuerinnen und Bauern bedanken, die zu diesem Grünen Bericht die Daten, die Fak­ten liefern, weil diese hervorragende Unterlage, die von den Beamten des Hauses und verschiedenen Kommissionen erstellt wird, für uns eine wertvolle Unterstützung und Hilfe darstellt. Dafür danke ich erstens den Bauern und zweitens Ihnen, die diese Da­ten und Fakten zusammengestellt haben, für diesen hervorragenden Überblick. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, in weiterer Folge darf ich auch noch erwähnen: Es darf ein Grüner Bericht, wenn positive Ergebnisse darin vermerkt sind, durchaus auch einmal als positiver Bericht wahrgenommen werden, Herr Kollege Vorredner. (Zwischenruf des Abg. Jury.) Damit wir das auch einmal festhalten und nicht so tun, als ob das alles nichts wäre. Da gibt es für Sie noch einen Nachholbedarf. Seien Sie beruhigt, Sie kön­nen sich ja die Unterlagen ansehen, und dann werden Sie sehen, dass das letzte Jah­resergebnis ein durchaus positives war.

Und eines weise ich entschieden zurück, nämlich dass die AMA ein Schwindelverein ist, meine Damen und Herren. Das lassen wir uns nicht bieten. Nehmen Sie das gefäl­ligst zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie schon meinen, dass die AMA schwindeln würde, weil die AMA behauptet, wo Österreich draufsteht, müsste Österreich auch drin sein, dann muss ich sagen: Lernen Sie die Kennzeichnung des Gütesiegels und der verschiedensten Kennzeichnungen! Dann werden Sie wissen, wo das AMA-Gütesiegel drauf ist, ist auch nichts anderes drin­nen als österreichische Ware. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Vock.)

Das sollten Sie nach so langer Parlamentszeit endlich einmal wissen. Oder haben Sie bis jetzt diese Tatsachen an sich vorübergehen lassen? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Mag ja sein, das ist Ihre Sache. Aber wie auch immer.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass der Grüne Bericht etwas ist, worüber wir zwar diskutieren, was aber an sich nicht mehr änderbar ist. Das ist Faktum. Dieser ist quasi die Bilanz des letzten Wirtschaftsjahres und ist auch durchaus positiv ausge­fallen, und dazu sollten wir uns auch bekennen. Das ist zum einen aufgrund hervorra-


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gender Ernteergebnisse möglich gewesen – was anhand gestiegener Preise auch durchaus sichtbar geworden ist –, und diese hat die Landwirtschaft auch dringend be­nötigt, um die Verluste aus den Vorjahren halbwegs auszugleichen.

Das bedeutet nicht, dass jetzt alles wunderbar und schön ist – das wissen wir selbst auch –, aber durch das positive Ergebnis des letzten Jahres war es möglich, die Durst­strecke der Vorjahre ein wenig auszugleichen.

Wie eng Freud und Leid beisammen liegen, sieht man anhand der heurigen Ernteer­gebnisse, welche in einer Region des Landes hervorragend waren und im anderen Teil Österreichs, im Osten, um es klar zu sagen, aufgrund dramatischer Trockenschäden, Frostschäden und Überschwemmungen in vielen Gebieten katastrophal waren.

Die Unwetterschäden des heurigen Jahres machen rund 120 Millionen € aus, davon sind immerhin rund 300 000 Hektar betroffen. Daran sieht man, wie unterschiedlich auch eine statistische Auswertung sein kann: positiv in einer Region, hingegen kritisch und schwierig in anderen Regionen.

Wir sollten jedoch bei allen Schwierigkeiten und bei aller Tageshektik der politischen Auseinandersetzungen eines nicht vergessen: Ich darf mich beim Herrn Bundesminis­ter für die positive Arbeit bedanken, die er als Bundesminister geleistet hat, denn letzt­lich sind auch politische Rahmenbedingungen notwendig, um zu derartigen Ergebnis­sen zu führen.

Diesbezüglich sollten wir auch wissen, dass sich gerade in Zukunft die entscheidende Frage stellen wird, wie denn die Ausstattung des Budgets, der GAP-Finanzierung, die Ausstattung der ländlichen Gebiete, der zweiten Säule der ländlichen Entwicklung möglich sein wird.

Ich bedanke mich heute bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich für die klare An- und Aussage des Herrn Bundeskanzlers, dass dies hier Priorität hat, denn, meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass die Regierung, der Herr Bundeskanzler, der Herr Vize­kanzler, der zuständige Landwirtschaftsminister und auch die Frau Finanzministerin in dieser Sache geschlossen vorgehen, und wir werden sie dabei unterstützen.

Eines möchte ich noch festhalten: Es wird immer so getan, als ob die Bauern die größ­ten Förderungsempfänger wären. Dabei ist spannend, wenn man sich die Datenban­ken ein wenig anschaut und sieht, dass rund 128 Millionen aus der zweiten Säule im Jahre 2011 in nicht-bäuerliche Organisationen geflossen sind. Diese sind still und leise in den Tourismusbereich, über Firmen, über Wirtschaftsbereiche, über Gemeinden, über LEADER-Projekte und so weiter und so fort geflossen. Aber sie fahren alle mit, wenn es heißt, die Bauern erhalten Fördergelder.

In Wirklichkeit bekommen auch viele andere durchaus nicht unbeträchtliche Förderun­gen. Es sei auch so. Ich habe nichts dagegen, wenn damit Arbeitsplätze und die Be­schäftigung gesichert werden. Aber man sollte den Mut haben, dies auch klar und deutlich darzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.10.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Minister! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Kollege Jakob Auer, du hast jetzt sozusagen ein Loblied auf den Grünen Bericht gesungen, auf die Beamtinnen und Beamten, die da tätig sind, und auf die Bauern und Bäuerinnen. Ich kann mich dem Lob, was den Bericht selbst betrifft, sehr wohl anschließen. Das eine ist nämlich die Analyse, und der Grüne Bericht ist die


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Analyse des österreichischen Agrarsystems, wenn man bereit ist, diese Analyse über­haupt wahrzunehmen, zu lesen, zu studieren. Das ist das eine. Und da gebührt den Beamten wirklich unser aller Dank für diese gute Arbeit.

Es gibt ja ein politisches Instrument dafür, da sind auch die MitarbeiterInnen der grü­nen Bäuerinnen und Bauern im Rahmen der §-7-Kommission vertreten, die in Vorbe­reitung der jährlichen Erstellung des Grünen Berichtes tätig ist. Und in diesem Gre­mium sitzen auch grüne Bäuerinnen und Bauern und versuchen, auch in der Berichts­legung jene Punkte anzugehen und aufzugreifen, die wichtig sind, wie zum Beispiel die Gleichstellung im ländlichen Raum, wie zum Beispiel die Frage der Eiweißversorgung Österreichs mit gentechnikfreien Futtermitteln, um zwei Beispiele zu nennen. (Präsi­dentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Aber, Kollege Auer, das Problem der Politik beginnt dort, wo auf Basis dieser Analysen keine konsequenten agrarpolitischen Maßnahmen gesetzt werden. Erstens einmal ist bei der Umsetzung der Empfehlungen des Grünen Berichtes der Minister säumig.

Zweitens, und das ist viel gravierender, du hast die Einkommenssituation angespro­chen. Jawohl, auch ich bin der Meinung, dass die bäuerlichen Arbeitsplätze in das Zentrum, in den Mittelpunkt der Agrarpolitik gestellt werden müssen.

Warum geschieht das, bitte, nicht? Warum wird im Rahmen der GAP-Diskussion nicht klipp und klar der Arbeitsplatz Bauernhof als zentrale politische Kategorie diskutiert? – Nein, der Herr Minister geht nach Brüssel und verlangt eine noch längere Übergangs­frist. Bis 2021 will er die ungerechten Betriebsprämien in Österreich weiterziehen. Das ist ja unglaublich!

Kollege Auer, was du sagst, ist genau das Gegenteil dessen, was der Minister tut. Er will Wettbewerbsverzerrung. Der Minister will im Grunde genommen die Aufrechterhal­tung eines ungerechten Agrarsystems, solange es geht. Und dagegen werden wir auf­treten. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Auer, du hast auch die Förderungen angesprochen. Wer bekommt die Förde­rungen? „Standard“, Jänner 2012, ich lese einige Beispiele vor: Raiffeisen Ware Aus­tria: 2,91 Millionen € – also kein Kleinbauer, Ländliches Fortbildungsinstitut Steiermark: 3,36 Millionen €, auch nicht uninteressant, Agrarmarkt Austria Marketing: 2 Millionen €. Also die Bäuerinnen und Bauern sind unglücklich und warten immer noch auf  (Abg. Huber: Wie viel bekommt Raiffeisen?) – Raiffeisen Ware: 2,91 Millionen €.

Das ist die eine Seite. Die Förderungspolitik der Europäischen Union gerade im Be­reich der Direktzahlungen ist dringend reformbedürftig. Da warten wir auf Vorschläge, Herr Minister. Das ist auch skandalös, der Minister hat noch keinen einzigen Entwurf im Landwirtschaftsausschuss vorgestellt, keinen einzigen seiner Entwürfe, die er sozu­sagen vor sich herträgt, wobei er in der „BauernZeitung“, in der Öffentlichkeit und den Journalisten erklärt, was die Zukunft ist. Aber im Ausschuss war er nicht bereit, weder die Beamten einzubinden, dass sie uns das neue Programm vorstellen, noch hat er uns selbst ausführlich über die geplanten Maßnahmen informiert.

Ich halte das für eine Art und Weise von Politik, Kollege Auer, wo du als Vorsitzender auch von mir von diesem Platz aus wirklich aufgerufen bist, alles zu unternehmen, damit wir noch im heurigen Jahr, 2012, im Landwirtschaftsausschuss eine ausführliche Analyse, sowohl was die erste Säule als auch was die zweite Säule betrifft, machen und mit den Expertinnen und Experten Gespräche führen, wie wir das seit Monaten for­dern. Das ist eine Conditio sine qua non, wenn wir in diesem Bereich etwas weiter­bringen wollen. (Abg. Ing. Schultes: Sag noch etwas zum Kocourek!)

Ja, zur AMA und zum Kontrollsystem. Kollege Schultes, ja, zum Kocourek kann ich schon etwas sagen: Betrug bleibt Betrug, ob im Biolandbau oder im konventionellen,


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das ist immer so und da werden wir mit aller Kraft dagegen arbeiten. Da kannst du dir sicher sein, und zwar mit aller Kraft gegen Betrug und gegen Korruption, auf allen Ebe­nen. (Beifall bei den Grünen.)

Zur AMA: Das möchte ich schon sagen, das AMA-Kontrollsystem ist ein Staat im Staat. Ich war jetzt zwei Tage auf Zypern anlässlich eines Austausches von Vorsitzenden von Agrarausschüssen. Ich bin zwar nur stellvertretender Ausschussvorsitzender, aber ich mache das gerne. EU-Kommissar Cioloş hat eines klargemacht. Er hat gesagt, die Bü­rokratie machen nicht wir, denn es gibt Staaten, die haben zwei Seiten zum Ausfüllen, und es gibt Staaten, die haben solche Pakete. Und das hat er auch ganz offiziell ein­mal in Österreich gesagt. Also wenn man hier die EU beuteln will, dann sollte man zum Schmied gehen und nicht zum Schmiedl, und der Schmied sitzt in diesem Fall im Mi­nisterium und in der AMA, und diese Herren sitzen auf einem sehr hohen Ross.

Es geht darum, wie die Bäuerinnen und Bauern derzeit behandelt werden, was die Art und Weise der Kontrolle betrifft. Wir sind ja immer als Kontrollpartei bekannt, dafür, dass wir positiv zur Kontrolle stehen, aber es geht um das Wie.

Es werden quasi schon fast die Menschenrechte verletzt. Es ist so, dass Bäuerinnen und Bauern vor die Tatsache gestellt werden, dass sie vor sieben Jahren falsch infor­miert wurden, aber sie die Haftung dafür tragen, weil die Kammern sie falsch informiert haben. Also das sind Tatbestände, die einfach zum Himmel schreien. Und da muss man ganz klipp und klar sagen, wir brauchen eine radikale Reform dieses Agrarsys­tems.

Aber Sie, Herr Minister, machen nichts anderes, als den Status quo zu verteidigen, statt endlich einmal durchzustarten und zu sagen, ja, die notwendigen Änderungen sind ein positives Signal, nämlich für die Landwirtschaft, auch für die Gesellschaft.

Wir wollen umweltorientierte Landwirtschaft. Wir wollen ökologischen Landbau ausbau­en, verdoppeln, wir wollen die ländlichen Räume entwickeln, wir wollen die Synergien nutzen und die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Bäuerinnen und Bauern stärken. Und das schafft Zukunft, das schafft Vertrauen.

Was Sie machen, ist Bürokratie, das ist Terror gegenüber den Bäuerinnen und Bauern, so wie es derzeit läuft, und es ist einfach inakzeptabel. Und wir werden mit aller Kraft dagegen arbeiten, da können Sie sicher sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Schopf zu Wort. – Bitte.

 


15.16.45

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Ich möchte mich auch gleich zu Beginn im Namen unserer Frak­tion bei jenen herzlich bedanken, die diesen, wie ich meine, sehr guten und ausführli­chen Bericht gestaltet haben. Vor allem möchte ich mich bei den Bäuerinnen und Bauern sehr herzlich für ihre Arbeit bedanken und auch bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die in der Land- und vor allem auch in der Forstwirtschaft tätig sind. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Man kann mit Fug und Recht von einem sehr guten Jahr 2011 in der Landwirtschaft sprechen, vor allem wenn man sich die Entwick­lung der Einkommen ansieht. Im letzten Jahr sind ja die Einkommen gegenüber 2010 durchschnittlich um 33 Prozent gestiegen. Vergleichen wir hier mit anderen gesell­schaftlichen Gruppen, zum Beispiel Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, dann sieht man, dass der Einkommensanstieg nicht ganz 4 Prozent beträgt. Somit bedeuten


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33 Prozent doch einen kräftigen Anstieg. (Abg. Jakob Auer: Zwei Jahre vorher: 28 Pro­zent!)

Was man auch sehen muss, ist, dass trotz dieser durchschnittlich 33 Prozent doch Un­terschiede existieren. Bei den Bäuerinnen und Bauern gibt es Gruppen, wo das Ein­kommen durchschnittlich um 38 Prozent gestiegen ist. Es gibt aber auch Gruppen, von denen ich meine, dass sie besonders viel leisten, zum Beispiel im Rahmen der schwie­rigen Arbeit auf Bergbauernhöfen oder Biobauernhöfen, wo der Anstieg des Einkom­mens leider deutlich unter dem erwähnten Wert liegt.

Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht zeigt aber auch eine Reihe von Schwie­rigkeiten, und ein sicher ganz großer Bereich ist das sogenannte Bauernsterben. Täg­lich sperren in unserer Republik drei Bauernhöfe zu, und ich denke, dass das ein sehr großes Problem ist. Aber auch die unterschiedlichen Fördersysteme, die wir haben, werden in diesem Bericht aufgezeigt, und ich meine, dass noch viel Arbeit zu leisten ist, damit es vor allem im Bereich der Förderungen gerechter wird.

Wir sind bestrebt, für diese Gerechtigkeit zu arbeiten. Herr Minister! Sie sind gefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

15.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


15.19.14

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Da wir gerade von der AMA gehört haben. Die österreichische AMA beschäftigt 591, also fast 600 Beamte. Im Vergleich dazu die deutsche BALM, dasselbe Institut, und Deutschland ist ja zehnmal größer als Österreich, die deutsche BALM hat 89 Be­amte. Das muss man sich einmal vor Augen halten. Diese AMA ist wirklich ein Staat im Staate. Diese AMA dient dazu, ÖVP-Machtpolitik gegenüber der Landwirtschaft zu be­treiben.

Im Marketingbereich, wo die AMA erfolgreich wirtschaften sollte, versagt sie kläglich. Von den 18 Millionen €, die die AMA jährlich an Zwangsbeiträgen von ihren Landwir­ten, von ihren Produkten abzweigt, gehen zwei Drittel in der eigenen Verwaltung auf. Von einem Marketing ist da überhaupt nicht zu reden. Die AMA Marketing müsste sich einmal ein Beispiel an der Wein Marketing nehmen, abgesehen davon, dass dieses Marketingsystem, wie es die AMA betreibt, überhaupt nicht gesetzlich gedeckt ist. In Deutschland gab es Prozesse, dort mussten sie sofort damit aufhören. (Bundesminis­ter Dipl.-Ing. Berlakovich: Stimmt ja nicht!)

Aber ganz kurz: Wir haben heute auch zwei Anträge auf der Tagesordnung, wobei ich den Herrn Bundesminister am 4. Februar 2011 ersucht habe, dass er im EU-Ministerrat ablehnt, dass die Zulassung weiterer gentechnisch verseuchter Maisarten beschlossen wird. Heute stimmen die ÖVP, die SPÖ gegen diesen Antrag, die anderen sind dafür.

Was haben wir heute für eine Landwirtschaft in Österreich? – Der Konsument, wenn er heute Brot kauft – egal, ob Biobrot oder normales Brot –, bekommt bei 20 gezogenen Proben in ganz Österreich 14 Proben, die mit Glyphosat verseucht sind. Dieses Gly­phosat dient einzig und allein dazu, dass Raiffeisen Millionenprofite und gute Geschäf­te macht.

Wir sollten in Österreich darauf schauen, Herr Landwirtschaftsminister, dass der Kon­sument Lebensmittel ohne chemische Zusätze bekommt, Lebensmittel ohne chemi­sche Bomben. Dieses Glyphosat kann man mit chemischen Kampfstoffen vergleichen, wie uns Experten im Ausschuss berichtet haben. (Abg. Jakob Auer: Schon wieder!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 120

Herr Bundesminister! Wir sollten in Österreich Produkte produzieren, die frei von Spritzmitteln und Kunstdünger sind, wo nicht so wie heute die Nährstoffe in der Indus­trienahrung fehlen. Wir haben kranke, wir haben schwache Pflanzen; die Industrienah­rung macht die gesamte Bevölkerung krank.

Abgesehen davon importieren wir nach wie vor 600 000 Tonnen gentechnisch ver­seuchtes Soja. Das AMA-Gütesiegel ist ein einziges Desaster. Herr Bundesminister! Sie feiern sich hier mit diesem Grünen Bericht ab. Der Grüne Bericht ist wirklich lo­benswert, aber wenn wir uns vor Augen halten, dass in den letzten 15 Jahren die ÖVP-Agrarpolitik dafür die Verantwortung trägt, dass 70 000 Betriebe schließen mussten, sich dann abzufeiern, das ist einfach ein Wahnsinn.

Die Landwirte sind verzagt, die Landwirte sind enttäuscht, die Landwirte sind verzwei­felt. Aber was macht die Politik? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jakob Auer.) Sie macht nur Eigenwerbung, sie vertritt nur Raiffeisen. Wir alle zusammen müssen einmal die Landwirtschaft vom schwarzen Joch Raiffeisen befreien.

Herr Bundesminister! Seien Sie endlich einmal bereit, eine Politik der Ehrlichkeit, eine Politik, die dem Landwirt eine Zukunftsperspektive gibt, zu machen! Schichten wir die Förderungen endlich um! Sorgen Sie dafür, Herr Bundesminister, dass dieses Bauern­sterben endlich aufhört! Niemand hat dafür Verständnis, dass Konzerne Förderungen in Millionenhöhe bekommen, der kleine Landwirt aber auf der Strecke bleibt. Der kleine Landwirt muss zusperren, weil diese ÖVP, weil Raiffeisen einzig und allein weg vom kleinen Landwirt hin zum großen Industriebauern will. Da sind wir eindeutig dagegen.

Herr Bundesminister, nun zum Antrag, den ich betreffend Isel eingebracht habe. Die Isel in Osttirol ist der letzte unverbaute Fluss, den es in den Alpen gibt, der letzte Hoch­gebirgsfluss (Abg. Hörl: Bei dir ist gleich das Licht aus!), wozu der Herr Hörl gesagt hat, an diesem Fluss müssen Kraftwerke gebaut werden. – Das muss man sich einmal vorstellen, diesen Fluss zu verbauen, nur damit der Bezirkskaiser von Osttirol, der Herr Köll, der die am höchsten pro Kopf verschuldete Gemeinde von ganz Österreich hat, aus seinem Schulden-Schlamassel herauskommt. Das ist die falsche Politik. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Forderung war, dass der Herr Bundesminister mit dem Land in Beratungen eintritt, dass man eine Lösung findet, dass diese Großkraftwerke  (Abg. Mag. Wurm: Die Isel gehört geschützt!) – Wie die Frau Kollegin Wurm sagt: „Die Isel gehört geschützt“. Jetzt bin ich neugierig, Frau Kollegin, ob Sie heute meinem Antrag zustimmen werden. Stimmen Sie zu, schützen Sie endlich die Isel!

Herr Bundesminister! Machen wir endlich eine Politik für die Landwirte und nicht gegen die Bauern. (Beifall beim BZÖ.)

15.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Höllerer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


15.25.10

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Aus Tirol wieder zurück zum Grünen Bericht: Heute schon er­wähnt wurde auch die §-7-Kommission, die hervorragende Arbeit leistet, deren Analy­sen dann in den Grünen Bericht einfließen und dort für alle Interessierten auch ein gu­tes Nachschlagewerk darstellen.

Im Jahr 2011 wurden von der §-7-Kommission auch drei Empfehlungen betreffend die Förderung der Gleichstellung an Bundesminister Berlakovich gegeben. Er hat auch ei­ne Reihe davon diesbezüglich umgesetzt. Bei den Förderstellen wurde eine Trainings­reihe zum Aufbau von Genderkompetenz abgehalten. Zukunftskonferenzen für LEADER-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 121

Programme betreffend Maßnahmen zur Chancengleichheit hat es gegeben. Ein Wett­bewerb für Chancengleichheitsprojekte hat stattgefunden, die Preisverleihung war vori­ge Woche. Die Arbeitsgruppe Chancengleichheit hat Empfehlungen für die Perio­de 2014 bis 2020 erarbeitet, die mit in Diskussion stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Leitung der land- und forstwirtschaftlichen Betrie­be wird immer noch von Männern dominiert, aber der Anteil der Frauen in der Landwirt­schaft und der Anteil der Betriebsführerinnen ist steigend. Laut InVeKoS-Daten 2010 liegt er bei rund 38 Prozent. Das ist im europäischen Vergleich sehr, sehr hoch.

Die Bäuerinnen verstehen sich als berufstätige Frauen, als Unternehmerinnen. Sie er­schließen auch neue Einkommensquellen für ihre Betriebe, insbesondere in der Direkt­vermarktung sind sie tätig. Laut der aktuellen Bäuerinnen-Befragung fällt der Zustän­digkeitsbereich der Direktvermarktung zu 60 Prozent den Bäuerinnen zu, die aufgrund ihrer Qualifikation und vor allem auch ihrer persönlichen Eigenschaften erfolgreiche Di­rektvermarkterinnen sind. Die Direktvermarktung ist wichtig in Österreich, sie ist ein landwirtschaftlicher Betriebszweig mit vielen Facetten – mit ökonomischen Aspekten, wenn es um den Einkommenserwerb und die Kombination daraus geht, und auch mit sozialen Aspekten: Arbeitsplätze, Selbstbewusstsein und traditionelles Wissen stecken dahinter.

Die ökologischen Bedingungen, die gerade in der Direktvermarktung besonders zum Tragen kommen, die kleinen Strukturen, die besonderen Rassen, die Haltungsformen und -sorten sind erwähnenswert; die Direktvermarktung ist klein. Es sind 12 000 Betrie­be, die 10 bis 50 Prozent ihres landwirtschaftlichen Einkommens über die Direktver­marktung erwirtschaften, 11 000 Betriebe sagen, dass sie über 50 Prozent des Ein­kommens durch die Direktvermarktung erwirtschaften. Der Produktionswert betrug laut Buchführungsergebnissen 174 Millionen €.

Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Bereich sind vor allem Frauen sehr aktiv tätig, dieses unternehmerische Potenzial der Frauen in der Direktvermarktung sichert Arbeitsplätze und stärkt die Wirtschaft im ländlichen Raum. Damit diese Wettbewerbs­fähigkeit und die Innovationskraft der heimischen Direktvermarkterinnen und Direktver­markter auch weiter ausgebaut werden kann, damit Frauenarbeitsplätze gesichert wer­den können, muss der ländliche Raum auch künftig mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet sein. (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber der Minister tut ja nichts!)

Die Gemeinsame Agrarpolitik und die Finanzierung der Agrarpolitik ist derzeit in Ver­handlung, sehr geehrter Herr Abgeordneter. Es wird auch auf die Mittel in der ländli­chen Entwicklung ankommen, die letztendlich auch auf die Direktvermarktung und auf die Frauen in der Landwirtschaft durchschlagen. Und da brauchen wir dringend Erfolg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.29


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Tadler zu Wort. – Bitte.

 


15.29.03

Abgeordneter Erich Tadler (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Die Gütesiegeldiskussion ist ein bisschen abgeflaut, auch aus Tirol sind wir wieder zurückgekehrt. Es geht jetzt um die Umwelt und Wasserwirt­schaft.

Im Großen und Ganzen, Herr Minister, stehen wir in Österreich im EU-Schnitt mit unse­rer Wasserqualität ja sehr gut da, wenn man von regionalen Belastungen des Grund­wassers durch landwirtschaftliche Bodennutzung, den Senkgruben und den undichten Entsorgungssystemen und Kanalanlagen, die Sie auch ab und zu erwähnt haben, be-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 122

ziehungsweise den unsicheren Deponien absieht. Meine Damen und Herren! Die gibt es auch. Der Umgang mit der wertvollsten Ressource, die wir haben, nämlich unserem kostbaren Trinkwasser sollte hier überdacht werden.

Ein weiteres, leider sehr aktuelles Thema ist der Hochwasserschutz und die Wildbach­verbauung, wie in dieser Woche in Kärnten, in unserem südlichen Bundesland, im Lavanttal, in Osttirol, Gerhard Huber, oder in St. Lorenzen, in meiner Urheimat, in der Obersteiermark, diese Katastrophen bedingen, dass wir umdenken müssen.

Nicht nur das Bauen in den sogenannten roten Zonen, sondern vor allem politischer Druck und wirtschaftliche Interessen müssen ein Ende finden. Es geht um Verantwor­tung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und darum, dass die Verantwortlichen meistens ohne Haftung dastehen. Gerade der Bund, der mit der Kompetenz der Wild­bachverbauung ausgestattet ist, müsste gewisse Dinge verhindern.

Bei solch schrecklichen Naturkatastrophen wird der Ruf nach unserem – wir haben heute schon darüber diskutiert – Bundesheer immer wieder laut. Junge Soldaten wer­den dann mit einem schnellen Kameraschwenk von den Medien ganz kurz gezeigt. Da­bei sind unsere Pioniere wochenlang im Einsatz. Das sollte man dabei bedenken.

Aber zurück zu unserer Umwelt, zu unserer Wasserwirtschaft: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gehen wir sehr vorsichtig und nachhaltig mit unseren Trinkwasser­reserven um! – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

15.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


15.31.31

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren Abgeordneten! Wir diskutieren heute den Grünen Bericht 2012. Es ist dies der 53. Bericht und mit Sicherheit das umfassendste Nachschlagewerk für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft und die wirtschaftliche und soziale Lage der hei­mischen Bäuerinnen und Bauern des vor- und nachgelagerten Bereiches.

Der Dank ist angebracht und gebührt den Mitarbeitern meines Hauses, die diesen Be­richt seit Jahrzehnten exzellent aufarbeiten und eine große Datenbasis schaffen.

Er zeigt auch Erfreuliches – es wurde erwähnt –: Im Jahr 2011 hat es ein sehr positives Einkommensplus gegeben. Das sei an die Adresse all jener gesagt, die hier alles in Grund und Boden reden und die sich offensichtlich nicht ernsthaft mit diesem Thema befassen. Ein 30-prozentiges Einkommensplus zeigt, dass es eine positive Perspektive für die Landwirtschaft gibt, zeigt aber auch, dass die Bedingungen in diesem Jahr 2011 sehr gut waren. Das Wetter hat gepasst, die Erträge haben gepasst, auch die Produk­tionsbedingungen waren optimal.

Das zeigt aber auch Folgendes: Wenn man sich die Einkommenssituation in der Land- und Forstwirtschaft über die Zeitreihe anschaut, dann ist diese von sehr volatilen Prei­sen geprägt und zeigt, dass die Einkommen auf- und abgehen, sodass dieses positive Plus 2011 gerade die negative Entwicklung der letzten Jahre ausgleicht. Die landwirt­schaftlichen Einkommen sind noch immer unter dem Durchschnitt des Erwerbseinkom­mens von unselbständig Beschäftigten.

Das heißt, wir müssen dort etwas tun, und es zeigt auch, dass die Zahlungen der Euro­päischen Union einen hohen Stellenwert haben. Die Prämien sind mit rund 60 Prozent Anteil an diesem Einkommen sehr wichtig, daher zahlt es sich auch aus. Wir müssen in diesem Zusammenhang beim Budget, beim mehrjährigen Finanzrahmen der Europäi­schen Union auch kämpfen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 123

Man muss gleichzeitig sehen, dass, wenn die Erzeugerpreise im Agrarbereich steigen, wie das jetzt der Fall ist, auch die Produktionsmittel immer teurer werden: Treibstoffe, Dünger, Pflanzenschutz, Lohnkosten. All das bis hin zu den Futtermitteln belastet die bäuerliche Produktion. Daher braucht es auch da eine positive Perspektive.

Wir haben das heurige Jahr gesehen: Da geht es der Landwirtschaft wiederum schlechter. Es gab Fröste in einigen Regionen, Dürren und Überschwemmungen. Es ist damit zu rechnen, dass die Einkommenssituation wiederum eine schwierigere wird.

Die AMA wurde erwähnt. Herr Abgeordneter Pirklhuber, hier von „Terror“ durch die AMA gegenüber den Bauern zu sprechen  (Abg. Dr. Pirklhuber: Richtig! !) – Sie befleißigen sich hier einer Sprache, die nicht zu akzeptieren ist. Es ist nicht zu akzep­tieren, was Sie hier aufführen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

So wie Sie reden, reden andere politische Gruppierungen. Die AMA ist eine Behörde, die einen Auftrag zu erfüllen hat. Sie muss ordentlich mit den Bauern umgehen, das ist keine Frage. (Abg. Jury: Das macht sie nicht!) Aber „Terror ausüben“, dass Sie diesen Begriff hier in den Mund nehmen, das ist ungeheuerlich! Sie werten die Arbeit der Kon­trollore ab, die sich bemühen, darauf zu schauen, dass die Mittel, die wir bundesseitig und landesseitig einsetzen, ordnungsgemäß verwendet werden. Die AMA soll als Ser­viceorganisation für die Bauern fungieren.

Gemeinsame Europäische Agrarpolitik und mehrjähriger Finanzrahmen: Das Budget soll Ende dieses Jahres beschlossen werden. Wir stehen am Scheideweg in Europa, ob sich die Landwirtschaft in den nächsten Jahren bis 2020 in Richtung einer Agrar­industrie oder in Richtung einer bäuerlichen Landwirtschaft entwickeln soll.

Wir lehnen die Agrarindustrie ab. Die Betriebe werden immer größer, aber trotzdem ha­ben wir in Österreich nach wie vor bäuerliche Familienbetriebe. Ich halte das für ein sinnvolles Konzept. Ja, es gibt den Strukturwandel und es ist bedauerlich, wenn Betrie­be aufhören. Aber: Schauen Sie sich die Zahlen an, bevor Sie hier Horrorszenarien malen! Wir haben in Österreich im Vergleich zu Deutschland, Dänemark, Holland und anderen europäischen Ländern eine kleinstrukturierte Landwirtschaft. Im Flächenver­gleich sind die deutschen Betriebe zweieinhalbmal größer, die tschechischen fünfmal, die dänischen zehnmal. Bei der Kuhzahl, bei der Schweinezahl pro Betrieb sind alle Betriebe rund um uns herum größer.

Das heißt, unsere Agrarpolitik hat erreicht, dass wir trotzdem eine bäuerliche Struktur haben, weil es uns gelingt, Märkte zu bedienen, die österreichische Bevölkerung zu er­nähren sowie Spezialitätenprodukte zu erzeugen. Und das soll auch in Zukunft so sein.

Daher ist es wichtig, dass wir Finanzmittel sichern, insbesondere durch die ländliche Entwicklung. Sie ist das Herz der österreichischen Agrarpolitik, darin findet sich das In­vestitionsprogramm. Jeder Euro, den ein Bauer bekommt, löst Investitionen von rund 7 € in der Wirtschaft aus. Das können wir gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten brauchen.

Wir haben das Umweltprogramm drinnen, für das wir in ganz Europa gelobt werden. All jenen, die sagen, unsere Agrarpolitik ist nichts, sei erwidert: Das Umweltprogramm ist Vorbild in Europa. So wie wir es machen, soll die Europäische Agrarpolitik werden.

Es gibt das Bergbauernprogramm, in dem Erschwernisse abgegolten werden, ein LEADER-Programm, wo im ländlichen Raum die Landwirtschaft, der Tourismus, die Wirtschaft und das Gewerbe zusammenarbeiten, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Das Wifo zeigt, dass sich der ländliche Raum in Österreich positiv entwickelt – nicht je­des einzelne Dorf, aber unterm Strich entwickelt sich der ländliche Raum positiv. Und daher wollen wir diesen erfolgreichen Weg der Agrarpolitik auch in Zukunft fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 124

Jakob Auer hat es erwähnt: Es ist uns in der Bundesregierung gelungen, einen Schul­terschluss mit der Bauernvertretung für die Verhandlungen zum jetzigen mehrjährigen Finanzrahmen zu erzielen. Österreich kann da sehr viel Geld verlieren, weil wir im letz­ten Jahr überproportional viel Geld für die ländliche Entwicklung bekommen haben. Das, was wir gemacht haben, nämlich eine Ökologisierung der Landwirtschaft, wo die Bauern hochwertige Lebensmittel erzeugen, aber auch auf die Umwelt schauen, die­sen Weg will jetzt Europa nachmachen.

Dazu braucht es aber Geld. Es war wichtig, dass wir uns darauf verständigt haben, dass in den Verhandlungen die ländliche Entwicklung Priorität hat, dass wir eine Sum­me von 3,8 Milliarden € bei einem 50-prozentigen Kofinanzierungssatz anstreben – das ist wesentlich –, dass wir dann die Projekte, für die wir bekannt und bei denen wir er­folgreich sind, weiterführen können.

Es hat auch die Landeshauptleutekonferenz einstimmig beschlossen, dass die ländli­che Entwicklung mit entsprechenden Mitteln dotiert werden soll – so wie bisher. Das ist eine wichtige Unterstützung auf diesem Weg unserer Verhandlungen. Denn wenn wir das nicht hätten, wären rund 70 000 Betriebe gefährdet und noch einmal 30 000 Ar­beitsplätze im ländlichen Raum außerhalb der Landwirtschaft.

Wir haben immer gesagt, die Mittel der ländlichen Entwicklung dienen einerseits den Bauern, eindeutig, aber sie dienen auch den Arbeitsplätzen rundherum im vor- und nachgelagerten Bereich, damit die Vitalität und die Lebensfähigkeit des ländlichen Raumes erhalten wird.

Zu einem anderen Punkt: Die Wildbach- und Lawinenverbauung wurde angesprochen, auch die Hochwässer der letzten Tage in Österreich, tragische Ereignisse. Es war wichtig, dass die Bundesregierung hier zusätzliches Geld aufgestellt hat, um Sofort­maßnahmen zu setzen, um den Gemeinden und den Ländern zu helfen, nicht nur in der Steiermark, sondern auch in anderen Bundesländern. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Stauber.)

Ziel ist, Menschen zu schützen, Hab und Gut zu schützen. Die Einrichtungen des Hochwasserschutzes haben gerade in Kärnten viel Schaden verhindert. Das waren richtige Schritte, und wir werden das auch weiter ausbauen. Dafür gibt es mehr Geld.

Zum Projekt Isel sei gesagt: Man kann das Projekt erst dann bewerten, wenn es voll ausgeplant ist. Es gibt derzeit nur eine Planungsphase. Österreich ist Spitze im Ge­bietsschutz, 27 Prozent unserer Landesfläche sind in irgendeiner Form unter Schutz gestellt, 15 Prozent davon sind Natura-2000-Gebiete. Das hat einen hohen Stellenwert.

Der letzte Punkt: Gentechnikfreiheit. Entgegen Horrormeldungen, die vorhin hier ver­breitet wurden: Österreich ist gentechnikfrei im Anbau. (Zwischenruf des Abg. Huber.) Wir haben eine Landwirtschaft, die nicht auf Gentechnik setzt. Wir wollen ein Selbstbe­stimmungsrecht. Wir wollen selber entscheiden, was auf unseren Äckern und Feldern passiert. Wir wollen die Gentechnik nicht. Wir wollen das auch EU-rechtlich abgesi­chert haben.

Eine große Zahl von Ländern unterstützt uns dabei auf der europäischen Ebene. Ein paar große Staaten sind hier noch dagegen. Da ist es wichtig, dass wir eine gemein­same Anstrengung unternehmen, damit wir der österreichischen Bevölkerung garantie­ren können: keine Gentechnik in der Landwirtschaft und keine Gentechnik in unseren Lebensmitteln. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schön­pass. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 125

15.40.01

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn der vorliegende Grüne Be­richt bei fast allen agrarischen Produkten eine positive Entwicklung der Preise und Mengen bestätigt, dürfen wir dennoch vor großen Problemen nicht die Augen ver­schließen.

Die Fördermittel sind nach wie vor sehr ungerecht verteilt. Große Betriebe mit viel Flä­che erhalten viel Geld, kleine Betriebe hingegen nur wenig. Die Gesamtanzahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist nach wie vor rückläufig. Damit der ländliche Raum nicht ausstirbt, braucht es dringend Gegenmaßnahmen. Grundvoraussetzung ist – da unterstreiche ich die Forderung der Arbeiterkammer –, nicht nur an die Landwirtschaft zu denken, sondern auch an alle dort lebenden Menschen mit ihren Bedürfnissen in Bezug auf Beschäftigung und Versorgung.

Daher sehe ich in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik Europas für die nächste Förderperiode 2014 bis 2020 durchaus eine Chance, denn dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die ländliche Entwicklung neu zu gestalten.

Ich werde nicht müde zu fordern, die Agrarfördergelder für die gesamte Bevölkerung des ländlichen Raums zu öffnen, denn es geht nicht nur um bäuerliche Betriebe, son­dern auch um fehlende soziale Dienstleistungen, Kinderbetreuung, fehlende Infrastruk­tur und vieles mehr.

Der ländliche Raum, sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht nur die Landwirt­schaft, sondern das sind vor allem auch die Menschen, die dort leben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


15.41.52

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht 2012 bietet Einblick in die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft.

2009 war ein schlechtes Jahr, was die Einkünfte der vielen fleißigen Bauern und Bäu­erinnen betroffen hat, und ich stimme Ihnen, Herr Minister, nicht zu, dass, wie Sie im Ausschuss und auch heute gesagt haben, die Preise für die Bauern bei allen agrari­schen Produkten so gestiegen sind, dass die sehr schlechten Jahre, vor allem das Jahr 2009, bereits wieder aufgeholt worden sind.

Was man wirklich bedenken muss, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, dass sehr viele Höfe aufgelassen werden. Im Jahr 2010 gab es nur noch zirka 173 317 land­wirtschaftliche Betriebe, das sind gegenüber der letzten Vollerhebung im Jahr 1999 um gut 20 Prozent weniger.

Noch bedenklicher ist der Rückgang der Anzahl der Bergbauern, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn diese Höfe nicht mehr bewirtschaftet werden, schaut es finster aus für unser Land – nicht nur was den Fremdenverkehr betrifft, sondern vor al­lem was die Umwelt betrifft (Beifall bei der FPÖ), denn die vielen fleißigen Bergbauern leisten durch die Bewirtschaftung der Steilflächen einen großen Beitrag für die Umwelt, für die Sicherheit vor Naturkatastrophen und Naturgefahren. Deshalb, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren, müssen wir alles daransetzen, dass die Existenz der Berg­bauern gewahrt bleibt.

Der Grüne Bericht soll ein gutes Nachschlagewerk bleiben und kein trauriges Ge­schichtsbuch werden! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.43



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 126

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Herr Abgeordneter Eßl zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


15.43.57

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Der Grüne Bericht ist ein umfangreiches Nach­schlagewerk mit Daten, Fakten, Entwicklungen, die nachlesbar sind, und ich glaube, er ist ein durchaus positiver Bericht. Vonseiten der Opposition wird natürlich versucht, ihn schlechtzumachen, aber in einem Punkt kann ich die Kritik und den Unmut der Op­position und im Speziellen natürlich der Bäuerinnen und der Bauern sogar verstehen, nämlich in Bezug auf die Futterflächen-Feststellungen.

Wenn zum Beispiel im Jahr 2010 durch eine Kontrolle eine Futterfläche festgestellt worden ist, dann ein Bescheid erlassen worden ist, der Bauer diese Fläche dann als Fördergrundlage für das nächste Jahr herangezogen hat, und im Jahr 2012 wieder kontrolliert wird, dabei weniger festgestellt wird und durch diese Kontrolle dann ausge­löst wird, dass der Bauer sogar für jene Jahre, in denen die vom ersten Kontrollor fest­gestellte Fläche beantragt worden ist, Rückzahlungen und Sanktionen zu ertragen hat, dann müssen wir darüber nachdenken, wenn das Gesetzeslage ist, ob diese Geset­zeslage gerecht ist, und nötigenfalls sollte man diese Gesetze auch ändern. (Beifall bei FPÖ und Grünen. – Abg. Linder: Bravo, Kollege!)

Wir haben die Möglichkeit, dass wir in dieser Runde entsprechend darüber nach­denken.

Die Einkommensentwicklung betreffend darf ich feststellen, dass das Jahr 2011 ein sehr gutes Jahr war. Das war auch notwendig, weil es eben im Jahr 2009 diesen sehr großen Knick gegeben hat, den aber die Jahre 2010 und 2011 noch nicht ganz ausge­glichen haben.

Auffällig allerdings ist gerade in den Berghöfekataster-Gruppen 3 und 4 im Besonderen die Einkommenslage der Bergbauern im Allgemeinen. Sie liegt doch sehr weit hinten. Und das soll Auftrag für die Zukunft sein – wir sind da in etwa bei der Hälfte der Nicht-Bergbauern und bei einem Drittel der ertragreichen Gebiete Österreichs –: nach 2014 in der Gemeinsamen Agrarpolitik entsprechend Schwerpunkte zu setzen, damit wir bei der AZ für die Bergbauern Verbesserungen schaffen können, damit Umweltprogramme und Investitionsförderungen für diese Bereiche auch entsprechend zur Verfügung ste­hen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Brunner ist die Nächs­te, die sich zu Wort gemeldet hat. – Bitte.

 


15.46.42

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Landwirtschafts­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst kurz zu den Anträgen des Kollegen Huber: Wir würden beiden zustimmen. Es ist ja nicht einzusehen, warum man einer Aufforderung gegen Gentechnik in Pflanzen nicht zustimmen sollte. Deswegen gibt es von uns die Zustimmung dazu. (Beifall des Abg. Dr. Strutz.)

Zum zweiten Antrag betreffend den Erhalt der Isel als Natura-2000-Gebiet möchte ich Herrn Kollegem Huber ganz herzlich gratulieren, weil er offenbar der Erste ist, der den Zugang der Grünen zur Wasserkraft verstanden hat. Zu diesem Antrag sagen wir, ja, schauen wir uns das an mit der Wasserkraft, aber eben genau wo. Gerade die Isel ist ein richtiges Beispiel dafür, dass wir sagen, es darf keinen Eingriff geben. Dieses Ge­biet ist so schützenswert, dass wir es erhalten müssen. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 127

Herr Minister, Sie hätten sehr wohl die Möglichkeit gehabt, etwas zu tun, indem Sie nämlich endlich einmal einen Rahmenplan, einen Plan hinsichtlich des Wasserkraft­ausbaues machen, in dem man dann sehr bewusst auch Tabuzonen und No-Go-Areas festlegen kann. Das haben Sie unterlassen, und deswegen erklären Sie sich da wieder für nicht zuständig und überlassen den Ausbau der freien Wirtschaft. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich:  durchsetzen können!) – Herr Minister, Sie sind nun auch einmal für Umweltangelegenheiten zuständig, daher würde ich es schon als Ihre Auf­gabe sehen, dass Sie sich als Minister, der dafür zuständig ist, genau ansehen (Bun­desminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Es wurden sensible Gebiete geschaffen und weni­ger sensible!), wo die sensiblen Gebiete sind und wo wir verhindern sollten, dass dort tatsächlich ein Eingriff erfolgt. Und das haben Sie nicht gemacht.

Jetzt zum Grünen Bericht, für den ich mich auch ganz herzlich bedanke: Er ist immer eine gute Informationsquelle. Ich möchte zwei Themenbereiche herausgreifen, die noch nicht angesprochen worden sind, und zwar zum Ersten den Tierschutz. Es gibt im Grünen Bericht eine ganz gute Ist-Beschreibung, was im Tierschutz gerade geschieht. Was mir fehlt, sind die Maßnahmen, die Sie vorhaben, um Tierschutz auch in der Landwirtschaft zu verbessern.

Das zweite wichtige Thema, das natürlich auch mit Landwirtschaft im Zusammenhang steht, ist der Klimaschutz. Der Klimawandel wirkt sich sehr stark auf die Landwirtschaft aus, die Landwirtschaft zählt aber auch zu den Verursachern des Klimawandels.

Der Grüne Bericht behandelt vor allem das Thema Agrosprit; die einzige Quote, die Österreich übererfüllt, Umweltziele verfehlen wir ansonsten. Das ist auch die einzige Maßnahme, wofür ich Sie je habe kämpfen gesehen, Herr Minister! Ich habe ja immer kritisiert, dass Sie nicht kämpfen. Das haben Sie jetzt gemacht, nur leider halt gerade für die falsche Maßnahme, denn mittlerweile steht fest – das hat auch die Europäische Kommission, die nicht unbedingt eine Klimaschutzorganisation ist, festgestellt –, dass Agrosprit keine Klimaschutzmaßnahme ist.

Deswegen frage ich Sie jetzt – zwei Wochen vor Beginn der nächsten Klimaverhand­lungen –: Welche Klimaschutzmaßnahmen haben Sie tatsächlich vor, welche Klima­maßnahmen wollen Sie in Österreich tatsächlich setzen? Seit einem Jahr gilt das Kli­maschutzgesetz. Es steht nicht viel drin, außer dass es bis zum März dieses Jahres Maßnahmen geben muss, die auch umgehend umzusetzen sind. Bisher ist uns keine einzige Maßnahme bekannt. Das heißt, Sie setzen nicht einmal Ihr eigenes Gesetz um, deswegen frage ich Sie: Wann kommen endlich Maßnahmen, welche sind das, und wann fangen Sie endlich mit der Umsetzung dieser Maßnahmen an?

Ich finde, dass es eine große Verantwortung aus österreichischer Sicht ist, endlich Kli­mapolitik zu machen. Ich finde es höchstgradig peinlich, dass Österreich da so aus­lässt. Wir hätten eine große Chance, wenn wir wieder Klimaschutz-Vorreiter werden. Sie hätten jetzt am Ende der Kyoto-Periode eine große Chance, die Klimapolitik in Ös­terreich neu aufzustellen.

Wir haben immer kritisiert, dass das gesamte Umweltbudget durch den Ankauf der Zertifikate blockiert ist. Das fällt jetzt weg, und Sie hätten die Möglichkeit, dieses Geld in die Hand zu nehmen und tatsächlich endlich wieder einmal Umweltschutz in Öster­reich zu machen. Was passiert? – Sie verzichten auf dieses Geld! (Zwischenbemer­kung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) – Klimaschutz und Agrosprit sind sehr wohl auch Thema im Grünen Bericht, und wenn Sie Klimaschutz machen wollen, dann brauchen Sie auch Geld dafür; abgesehen jetzt von dem Kauf der Zertifikate, da­mit Sie nichts an Maßnahmen umsetzen müssen.

Ich fordere von Ihnen, endlich auch wieder einmal aktiv Umweltpolitik in Österreich zu machen. (Beifall bei den Grünen.) Dazu braucht man Geld – und Sie verzichten auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 128

dieses Geld! Deswegen bin ich unbedingt der Meinung, Österreich braucht dringend ein eigenständiges, starkes und engagiertes Umweltministerium. (Beifall bei den Grü­nen.)

15.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Schickhofer ist der Nächste, der zu Wort kommt. – Bitte.

 


15.51.46

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Ich gratuliere allen Bäuerinnen und Bauern, die es durch ihren Arbeitseinsatz, durch ihren Fleiß und durch ihre Innova­tionskraft geschafft haben, dass sich die Einkommens- und Vermögenssituation im Jahr 2011 massiv verbessert hat. Trotzdem gibt es massive Unterschiede bei den Ein­kommen und bei den Vermögen bei den Bauern.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen uns auch im Bereich der Land­wirtschaft für mehr Verteilungsgerechtigkeit ein, und deswegen möchte ich auf die Ver­mögenssituation, die im Grünen Bericht dargestellt wird, näher eingehen. Ich kenne nämlich leider relativ wenig Bauern, die im Durchschnitt über 382 000 € Vermögen ver­fügen, wenig Land- und Forstbetriebe, die im Durchschnitt über 486 000 € Vermögen verfügen und im Schnitt insgesamt 66 000 € Geldvermögen zur Verfügung haben. Das heißt, es muss sehr, sehr viele geben, die wenig Geld haben, und viele, die 120 000, 130 000, 140 000 € Geldvermögen haben.

Wenn wir jährlich pro Betrieb öffentliche Gelder in der Höhe von 18 180 € einsetzen und sich im Schnitt das Geldvermögen um 5 600 € erhöht, also 31 Prozent davon, müssen wir überlegen, ob die eingesetzten Mittel wirklich jene Ziele erreichen, die wir mit der Landwirtschaftspolitik auch unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit und der Chancengerechtigkeit erreichen möchten.

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Minister, die Vermögenssituation im nächsten Grünen Bericht noch viel differenzierter und genauer darzustellen! Wir wissen ja aus dem Ver­mögensbericht der allgemeinen Haushalte, dass 50 Prozent unter 76 000 € Gesamt­vermögen haben. Deshalb ist, glaube ich, eine differenzierte Darstellung auch im Land­wirtschaftsbereich notwendig.

Ich appelliere noch einmal an Sie, Ihre Bäuerinnen und Bauern zu motivieren, nicht ihr Geldvermögen aufzubauen, das um 9,3 Prozent gestiegen ist, sondern in die Betriebe zu investieren.

Wir brauchen öffentliche Gelder für die Landwirtschaft, aber in erster Linie für Investi­tionen und für die „kleinen“ Landwirte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Linder gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


15.54.19

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Die Aussage des Abgeordneten Eßl hat mich fas­ziniert. Vielleicht passiert da ja etwas, aber ich traue mich nicht, mehr dazu zu sagen, ich habe heuer schon genug AMA-Prüfungen gehabt. – Das einmal vorweg. Ich hüte mich, noch etwas dazu zu sagen.

Der Grüne Bericht legt für das Jahr 2011 durchwegs ein gutes Zeugnis, ein gutes Zeugnis, weil die Preise und die Mengen gestimmt haben, wir wissen aber heute schon, dass die Situation für das Jahr 2012 eine ganz andere ist. Ich glaube, wir sollten die Bereiche, die wir nicht beeinflussen können – Mengen, Witterung vor allem, Prei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 129

se –, zwar hinnehmen, wie sie sind, und uns darüber freuen, wir sollten aber jene Be­reiche aus dem Bericht herausnehmen, die wir sehr wohl beeinflussen können, und uns zu Herzen nehmen.

Von 1999 bis 2010 20 Prozent weniger Betriebe! – Ich gebe Ihnen schon recht, Herr Minister, dass viele kleine Betriebe mit ein, zwei Hektar dabei waren, die eben dem Wettkampf nicht mehr standhalten konnten, aber wir gehen mittlerweile in diese Rich­tung, dass Betriebe mit 20, 30 Hektar, mit 40, 50 Stück Vieh nicht mehr lebensfähig sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, das ist eine Entwicklung, über die wir uns schon Gedanken machen sollten, wenn wir wissen, dass genau diese Betriebe für unsere ländliche Vielfalt, für unsere Landschaftspflege verantwortlich sind, sie aber auch unsere Produktpalette aufbessern und bereit sind, direkt zu produzieren und direkt zu verkaufen, die an und für sich auch resistent gegen Witterungseinflüsse sind, anders als ein Betrieb mit 100, 150 Hektar, der mit einem Schlag alles verliert, weil das Wetter nicht passt.

Ich glaube, hier sollten wir den Hebel ansetzen und alles dazu tun, dass diese kleinen Betriebe eine Grundförderung bekommen, eine, wie wir immer sagen, Förderobergren­ze einziehen oder die Förderung degressiv machen (Beifall bei der FPÖ), denn ich glaube, 10 Hektar zu bewirtschaften verursacht mehr Kosten pro Hektar als bei 100 oder 150 Hektar. (Abg. Mag. Wurm – in Richtung des Abg. Dr. Strutz –: Das ist Lan­dessache!) – Da kennt sich aber jetzt jemand nicht aus, aber da können Sie nichts da­für, okay! (Abg. Mag. Gaßner: Das hat nichts mit dir zu tun, die redet mit dem Huber!)

Um auch ein „schönes“ Beispiel zu bringen, Herr Minister: Ich war vor etwas mehr als einem halben Jahr bei Ihnen mit dem Anliegen einer Bäuerin, die vier Kühe gehabt hat und für diese vier Kühe dadurch, dass sie eine Meldung einen Tag zu spät eingereicht hat, 800 € Förderung verloren. Als ich sie jetzt gefragt habe: Burgi, hat sich etwas ge­tan?, hat sie gesagt: Nein, ich habe nicht einmal eine Antwort bekommen, aber klar, wenn die Homepage 4,39 Millionen € kostet, können für eine so kleine Bäuerin wie mich nicht 800 € drin sein! (Beifall bei der FPÖ.)  Das sollte uns zu denken geben.

Ich glaube auch, dass wir die Bürokratie abbauen müssen, gerade für die kleinen Bau­ern. Ich habe Ihnen schon letztes Mal im Ausschuss das Formular zur Meldung für Di­rektvermarktung gezeigt, Herr Minister! Wenn man heute Schweine schlachtet und sie direkt auf dem Bauernmarkt vermarktet, muss man bei mehr als fünf Stück eine Mel­dung machen und 75 Cent pro Schwein im Quartal bezahlen. Das heißt, man muss für sechs Schweine um 4,50 € Meldung in Papierform machen, man muss den Betrag ein­zahlen, eine Überweisung machen, die AMA muss das verarbeiten.

Also ich glaube, da haben wir den Hebel anzusetzen, wir müssen die Grenzen höher setzen, die Bürokratie vereinfachen. Wenn uns dahin gehend etwas gelingt, werden wir die Existenz der kleinen Bauern sichern können, werden wir die kleinstrukturierte Land­wirtschaft erhalten können. Wir brauchen uns nicht mit Dänemark, wir brauchen uns nicht mit der Tschechei, wir brauchen uns nicht mit Deutschland zu vergleichen, denn wir haben durch das ländliche, durch das Bergbauerngebiet wirklich eine (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich)  – Ja, aber wir müssen dann alles daransetzen, dass wir es innerhalb von Österreich vergleichbar machen, dass wir die Kleineren stützen und halten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sollte unser Ziel sein, dann werden die Bauern auch weiterhin auf ihrem Berg blei­ben und ihre 10, 15 Hektar bewirtschaften. (Beifall bei der FPÖ.)

15.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 130

15.58.48

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Der Grüne Bericht 2011 zeigt, dass die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag für Arbeit in unserem Land leistet – 530 000 Arbeitsplätze in vor- und nachgelagerten Bereichen werden gesichert –, dass die österreichische Landwirtschaft einen großen Beitrag leistet für eine intakte Um­welt – Österreichs Landwirtschaft produziert umweltgerechter und nachhaltiger als vie­le vergleichbare Länder –, dass Österreichs Landwirtschaft einen riesigen Beitrag leis­tet für gesunde und hochwertige Lebensmittel – 21 575 Betriebe wirtschaften biolo­gisch – und dass Österreichs Landwirtschaft auch einen großen Beitrag für eine siche­re und nachhaltige Energieversorgung leistet, wenn es um die Pflege und Erhaltung der Wälder geht, im Speziellen natürlich der Schutzwälder.

Zum Antrag des Kollegen Huber: Ich glaube, das Thema Isel wird schon seit Jahren diskutiert. Der Antrag gibt aus meiner Sicht relativ wenig wieder. Es gibt einen in­tensiven Dialog zwischen Wien, Brüssel und Tirol, seit Jahren prüfen die Behörden. Es geht um diese gemeine Tamariske, und man weiß, die Gutachter sind sich nicht einig, wenn man diese Gutachten durchliest.

Ich habe zwar nicht mit dem Bürgermeister Rücksprache gehalten, den du genannt hast, Kollege Huber, aber mit einem Iseltaler Bürgermeister, und die sehen das sehr, sehr kritisch. Es ist auch die Bevölkerung eingebunden worden: Es hat bei der Volks­befragung – und das ist dir als Osttiroler ja bekannt – Zustimmung von der Bevölke­rung gegeben, das war also eine Basisentscheidung. Ich glaube, das sollte man ernst nehmen. (Abg. Huber: Mit wie viel Budget?)

Wir müssen auch über Folgendes nachdenken: Osttirol hat über ein Drittel der Flächen im Naturschutzgebiet. Zusätzliche Natura-2000-Flächen würden es den Gemeinden auch wieder erschweren, Wohnraum im Iseltal zu schaffen und ausgewiesene Gewer­beflächen umzusetzen. (Zwischenruf des Abg. Huber.)

Daher musst du, Kollege Huber, nachdenken, damit du Osttirol nicht wirtschaftlich den Arm abschneidest, denn die Aussagen, die du hier heute getätigt hast, sind aus meiner Sicht für den Wirtschaftsstandort Osttirol – und du kennst deine Region – äußerst be­denklich. Daher rate ich dir: Geh in den Dialog mit den Gemeinden, geh in den Dialog mit der Bevölkerung, und dann wirst du zur Vernunft kommen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vock. – Bitte.

 


16.01.13

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn man diesen Grünen Bericht liest, so scheint die Welt unserer Bauern wirklich noch in Ordnung zu sein. Die Bauern erreichen einen hohen Selbstversorgungsgrad für Österreich. Bei Rindern und Kälbern haben wir immerhin einen Selbstversorgungsgrad von 145 Prozent. (Abg. Huber: Das stimmt aber nicht!) Bei Schweinen liegt er bei 108 Prozent, bei Hühnern immerhin noch bei 90 Prozent und bei Milch bei 156 Pro­zent. (Abg. Huber: Und beim Getreide?) – Ich rede jetzt nur über die Tierhaltung in Ös­terreich. Interessant ist auch, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich seit Jahren gleichbleibend ist. Wir kommen bei Rindfleisch auf 18,2 Kilogramm pro Kopf, bei Schweinefleisch auf 56,3 Kilogramm, bei Geflügel auf 20,5 Kilogramm und bei Milch auf 88,9 Kilogramm pro Kopf.

Wenn man aber in diesem Bericht weiterliest, so sieht man, dass der Import an Fleisch und Tieren zunimmt. Dann frage ich mich: Warum nimmt der zu, wenn wir einen so ho­hen Selbstversorgungsgrad haben? Der Import von lebenden Tieren ist von 192,1 auf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 131

216,3 Millionen € gestiegen – also um 12,6 Prozent; bei Fleisch und Fleischwaren von 744,6 auf 830,9 Millionen € – das macht plus 11,6 Prozent. Noch einmal: trotz hohem Selbstversorgungsgrad! Bei Milch und Molkereierzeugnissen verzeichnen wir einen An­stieg von 608,9 auf 660,4 Millionen € – das heißt plus 8,5 Prozent, bei einem Selbst­versorgungsgrad von 156 Prozent.

Wieso steigt der Import? (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Weil wir auch expor­tieren!) – Weil wir auch exportieren, sagt der Herr Minister. Das heißt, ich lese dann dieselben Zahlen im Export? Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass sich hier leider die wahren Zahlen wiederfinden. Wenn man sich zum Beispiel die erschreckenden Zahlen der Rinderhalter ansieht, dann ist die von 82 906 im Jahr 2005 auf 69 586 im Jahr 2011 gesunken. Das heißt, jeder sechste Bauernhof wurde in den letzten sechs Jahren geschlossen. (Abg. Zanger: Schuld ist der Grillitsch!)

Herr Minister, Sie haben hier gesagt, dass der Grüne Bericht ein Erfolgsergebnis zeigt. Dass jeder sechste Rinderhof geschlossen wird, ist ein Erfolg für Sie? Herr Minister, Sie sind stolz darauf, das haben Sie heute hier gesagt.

In der Schweinehaltung ist es noch schlimmer: 2005 waren es noch 54 356 Schweine­halter, 2011 sind es nur mehr 30 941. Praktisch jedem zweiten Schweinebauern wurde in den letzten sechs Jahren der Hof geschlossen. Das nennen Sie ein Erfolgsergebnis, Herr Minister?! – Na danke schön! (Zwischenruf beim BZÖ.)

Ich habe auch bezüglich der Schlachtungen gefragt – da zum Beispiel jedes zehnte Schwein, das in Österreich geschlachtet wird, aus dem Ausland importiert wird –, ob der Gesundheitsminister sicherstellen kann, dass das dann auch als ausländisches und nicht als inländisches Schwein verkauft wird. Er hat sich darauf berufen, dass im EU-Ministerrat eine neue Verbraucherinformationsverordnung entsteht, dass das kom­men wird. Er hat mir garantiert, dass parallel zu diesen Verhandlungen auf europäi­scher Ebene auch eine Initiative in Österreich gestartet wird, die einen verbesserten Täuschungsschutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zum Ziel hat. Wenn das Ziel ist, dass der Gesundheitsminister einen Täuschungsschutz schaffen will, heißt das aber, dass die Verbraucher in Österreich derzeit getäuscht werden. Wir kaufen öster­reichisches Schweinefleisch, und tatsächlich ist es importiertes Schweinefleisch. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Kollege Auer hat gesagt, das AMA-Gütesiegel ist ja das Gütesiegel für Österreich, und das stellt das ja sicher. Ich habe hier eine Aussendung des „Konsumenten“ vom Au­gust dieses Jahres, in der noch einmal die Kriterien des AMA-Gütesiegels stehen:

„Die Landesfarben (z.B. Rot-Weiß-Rot für Österreich, Blau für die EU) wie auch der Schriftzug im Innenkreis des Zeichens – z.B. ‚Austria‘ für Österreich – weisen auf das Gebiet hin, aus dem mindestens zwei Drittel der Rohstoffe kommen ().“ – Zwei Drit­tel, aber nicht 100 Prozent! Das heißt, ich garantiere hier den Konsumenten nicht, dass auch Österreich drinnen ist, wo Österreich draufsteht.

Herr Minister, ich fordere Sie hiermit auf, endlich Maßnahmen zu ergreifen, die den Stand unserer Bauern schützen! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir können mit der EU-Massentierhaltung nicht mithalten. Nur eine qualitativ hochwertige Produktion – unter Berücksichtigung des Tierschutzes – rechtfertigt höhere Preise und hilft unseren Bau­ern, höhere Erträge zu erzielen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Binder-Maier zu Wort. – Bitte.

 


16.06.07

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Für mich persönlich ist dieser Grüne Bericht


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 132

tatsächlich ein sehr umfangreiches Nachschlagewerk mit vielen Daten, Zahlen, Infor­mationen. Und ich habe ihn beim Durchlesen äußerst interessant und spannend gefun­den und bin auf viele Details gestoßen, die ich nicht gekannt habe.

Beim Durchblättern und Durchlesen bin ich auf einen Hinweis auf eine Forschungs­arbeit der Bundesanstalt für Bergbauernfragen unter dem Motto „Gender Mapping“ ge­stoßen. Die Bedeutung von Gender Mapping für den ländlichen Raum in Österreich liegt darin, dass Daten nach Geschlecht und Regionen aufgeschlüsselt und dargestellt werden und dadurch die Schaffung einer Datenbasis gewährleistet wird, in der ge­schlechterspezifische sowie auch regionale Besonderheiten und Unterschiede darge­stellt werden. Diese Übersicht zeigt klar, wie das Zusammenleben der Geschlechter im ländlichen Raum tatsächlich funktioniert und wie die Lebenssituation der Menschen ausschaut.

Spannend dabei ist die Feststellung der AutorInnen, dass zwar auch im ländlichen Raum im Bereich der Kinderbetreuung sehr viele Maßnahmen gesetzt wurden, aber immer noch vorwiegend Frauen ihre Kinder persönlich betreuen, was tatsächlich ein Hindernis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für die Teilhabe von Frauen an der Berufswelt ist. (Abg. Zanger: Aber die Kinder profitieren davon!)

Was noch sehr deutlich hervorgeht, ist, dass die Quote für Kinderbetreuungseinrich­tungen auch im ländlichen Raum – und es zeigt sich, dass sehr viele Initiativen umge­setzt wurden – bei 80 Prozent liegt, aber die Quote von Einrichtungen, in denen Mittag­essen verabreicht wird, unter 20 Prozent liegt. Das heißt, meine Damen und Herren, wir haben noch einiges an Nachholbedarf, und wir werden diese Situation für die Frau­en, für die Kinder mit vereinten Kräften verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

16.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jan­nach. – Bitte.

 


16.08.49

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Gleich zu Beginn möchte ich einmal dem Abgeordnetenkollegen Eßl herzlich für seine endlich einmal klaren Worte in Bezug auf die Almflächenfeststellung danken. Wir als Opposi­tion brauchen hier keine Stellungnahme mehr abgeben, wir schließen uns deinen Aus­sagen über die Almflächenfeststellung der Agrarmarkt Austria vollinhaltlich an und er­suchen den Minister, wenn er schon nicht auf uns hört, wenigstens auf seinen eigenen Abgeordnetenkollegen zu hören. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenso schließen wir uns deinen Ausführungen über die Einkommensentwicklung im Bergbauerngebiet an. Auch da sind wir völlig d’accord: Die Einkommensentwicklung im Bergbauerngebiet ist desaströs.

Herr Minister, jetzt muss ich Sie schon fragen: Haben Sie einmal nachgerechnet, wie viele landwirtschaftliche Betriebe während Ihrer Amtszeit die Türen geschlossen ha­ben? Das waren seit 2008 mehr als 15 000 Betriebe. Da können Sie doch nicht herge­hen und vor dem Plenum von einer erfolgreichen Agrarpolitik sprechen. Das, was da passiert, das ist Bauernsterben fortgesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eine Zahl aus dem Grünen Bericht. Der Grüne Bericht wird – das weiß ja auch jeder – vom Ministerium überarbeitet, aber da kann man wenig machen, weil die Zah­len einfach offenliegen. Schauen wir uns die Entwicklung bei den Milchbetrieben in den letzten 10 Jahren an: Im Jahr 2002 gab es 56 700 Betriebe, im Jahr 2011 37 000 Be­triebe. Genau 33 Prozent der Milchbetriebe haben in den letzten 10 Jahren zugesperrt. Da herzugehen und von einer erfolgreichen und nachhaltigen Agrarpolitik zu sprechen ist ein Schlag ins Gesicht jedes aktiven und arbeitenden Bauern. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 133

Auf die Ausführungen von Frau Abgeordneter Höllerer möchte ich auch noch kurz ein­gehen. Sie hat gesagt, 40 Prozent der bäuerlichen Betriebe werden von Frauen ge­führt. Das mag nach der Statistik stimmen, aber in der Praxis sieht das so aus, dass der Mann arbeiten geht und den Betrieb an die Frau verpachtet. Der Mann macht dann genauso noch die Landwirtschaft. Das sind Scheinbetriebsführerinnen, die die Quote auf 40 Prozent anheben. Das wissen Sie ganz genau. Viele verpachten ihren Betrieb an die Frau, damit sie steuerlich günstiger gestellt werden, weil sie im Nebenerwerb ar­beiten müssen, und deswegen kommen wir auf eine Quote von 40 Prozent. (Bundes­minister Dipl.-Ing. Berlakovich: Trotzdem ist sie die Betriebsführerin!)

Hören Sie bitte mit diesen Märchen auf! Stellen Sie das einfach so, wie es tatsächlich ist, dar! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, weil der Herr Minister gesagt hat, wenn die Agrarbudgetverhandlungen schlecht ausgehen, dann werden 70 000 Betrie­be in Österreich zusperren müssen. Das sind mehr als 50 Prozent der österreichischen Betriebe. Ich stimme ihm zu, wir müssen um das Geld für die Landwirtschaft kämpfen. Wir müssen alle gemeinsam kämpfen. Ich verstehe auch seinen Aufschrei, denn ich er­warte mir von einem Landwirtschaftsminister, dass er für seine Berufsgruppe kämpft.

Aber im letzten Jahr hat diese Bundesregierung, auch mit Ihnen, Herr Minister, ein Sparpaket beschlossen, und ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, wie viel Kos­ten das den Bauern verursacht hat. Und da frage ich Sie: Wo war denn Ihr Aufschrei beim Beschluss, den Agrardiesel zu streichen?, 50 Millionen € einfach futsch, den Bauern weggenommen; oder bei der Beitragserhöhung bei der Sozialversicherung – 85 Millionen € bis 2017 zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Belastungen; oder bei der Erhöhung der Beiträge der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe – laut Auskunft Finanzministerium 10 Millionen € zusätzliche Belastung. Dazu kommt die unsägliche Umwidmungsabgabe, von der der Herr Minister sagt, sie bringt 250 Millionen € zusätz­liche Belastung pro Jahr für die Landwirtschaft.

Da, Herr Minister, erwarte ich mir einen Aufschrei von Ihnen! Und deswegen halte ich es für verlogen, hier zu sagen, wenn Brüssel das Geld nicht gibt, dann werden sound­so viele Betriebe zusperren, aber im eigenen Haus die Bauern so massiv zu belasten, wie Sie das im letzten Jahr getan haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch etwas Grundsätzliches: Der Grüne Bericht, das habe ich ja schon erwähnt, wird vom Landwirtschaftsministerium redigiert. Zahlen werden teilweise weggelassen, teil­weise bearbeitet. Sagen wir es höflich: Er wird so hergerichtet, wie er dem Landwirt­schaftsministerium passt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das ist eine Unter­stellung!) Aber es gibt auch Berichte, die hier im Plenum landen, die der Herr Minister leider Gottes immer versäumt, weil er nicht für den Rechnungshof zuständig ist. Es gibt zwei Berichte, die der Rechnungshof erstellt hat, nicht über die Situation in der Land­wirtschaft, denn die Bauern arbeiten anständig und ehrlich, sondern über die Arbeit im Ministerium. Diese Berichte werden dem Plenum demnächst zur Kenntnis gebracht.

Der eine Bericht betreffend das LEADER-Programm ist schon bearbeitet worden. Es geht hier um ein Agrar- und Landwirtschaftsprogramm, wo es reine Misswirtschaft, kei­ne Kontrolle, keine Projektziele, keine Nachbearbeitung gibt. Beim Projekt LEADER wurden dem Landwirtschaftsministerium vielfach Geldverschwendung und Misswirt­schaft vom Rechnungshof attestiert.

Das Zweite, das ist das Bekanntere, ist die Rechnungshofprüfung des Ministeriums. Ich erwähne nur kurz die Homepage, 4 Millionen €, dann die Selbstvermarktung, 30 Millionen € – 30 Millionen € in den letzten fünf Jahren nur für das Konterfei des Mi­nisters in den Zeitungen. Das ist nicht die Agrarpolitik, die wir uns vorstellen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Im Übrigen, gleich als Vorankündigung, gibt es angeblich einen Rechnungshofbericht über das ÖPUL-Programm, wo auch massive Missstände im Ministerium und durch das Ministerium aufgezeigt werden.

Herr Bundesminister, ich ersuche Sie: Nutzen Sie die letzten Monate Ihrer Amtszeit, um diese sündteure Misswirtschaft, diese Freunderlwirtschaft im eigenen Bereich ab­zustellen! Das hilft den Bauern noch immer am effektivsten. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


16.15.00

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Jannach! Wie kann man den Erfolg der Agrarpolitik messen? Wie macht man das am besten? Macht man eine Rückschau? Schaut man auf sich selber und sagt, vor 10 Jahren war alles besser? Oder vergleicht man sich mit anderen Mitgliedstaaten in Europa? Und da können wir so manches vor­weisen.

Wir haben die „jüngste“ Landwirtschaft, wir haben die meisten Betriebsführer unter 45 Jahren. Wir haben den größten Anteil am Biolandbau im Vergleich zu anderen Mit­gliedsländern. Und: Zeigen Sie mir ein Land, das flächendeckend zum Beispiel die Milchproduktion auf GVO-frei umgestellt hat! Da waren wir sehr erfolgreich, nicht zu­letzt auch aufgrund der aktiven Landwirte, die sehr motiviert ihrer Arbeit nachgehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber nun zurück zum Grünen Bericht. Es ist ja schon mehrmals das positive Ergebnis mit mehr als 30 Prozent Einkommensplus erwähnt worden. Der Herr Kollege Schopf – ich glaube, er ist momentan nicht im Saal – hat den Vergleich mit den Einkommens­steigerungen eines Arbeitnehmers angestellt. Ich glaube, der Vergleich hinkt, denn man müsste ihn mehrjährig darstellen, und wir wissen ganz genau, das Einkommens­plus von 30 Prozent hat noch lange nicht den Rückgang seit 2008 wettgemacht. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Huber.)

Ein Punkt, den ich hervorheben möchte, ist die Wirtschaftskraft, die die Landwirtschaft hat. Die österreichische Landwirtschaft investiert im Jahr 2 Milliarden €. Das heißt, ein Betrieb nimmt jährlich 23 000 € in die Hand und investiert diese Summe in die regio­nale Wirtschaft. Das ist eine ganz besondere Leistung.

Der Herr Kollege Schickhofer hat das heute auch wieder angesprochen, er hat das schon im Ausschuss getan, darum möchte ich darauf eingehen: Das Barvermögen der Betriebe ist gestiegen. Ich glaube, dieser Blickwinkel ist fachlich etwas falsch, denn man müsste die Eigenkapitalausstattung der Betriebe in Prozent heranziehen, die ist nämlich gesunken. Das zeigt, die Betriebe investieren, nicht zuletzt auch durch den Strukturwandel. (Abg. Mag. Schickhofer: Die Eigenkapitalveränderung ist mit 12 000 € positiv!)  In Prozent! Die Eigenkapitalquote der Betriebe im Verhältnis zum Wert, wie bei einer Bilanz, so müsste man das darstellen.

Aber wir wissen ganz genau, das ist dadurch entstanden, dass die Betriebe sehr viel investieren, und die Investitionsförderung ist da ganz, ganz wichtig, weil wir wissen, dass noch viele Investitionen anstehen. Wir wissen aber ganz genau, in der derzeitigen Förderperiode ist das Geld für die Investitionsförderung schon verbraucht. Darum ist es ganz, ganz wichtig, dass in der neuen Periode die zweite Säule für die Investitionsför­derung dementsprechend ausgestattet ist. Wenn man dem Bundeskanzler heute Vor­mittag zugehört hat, dann möchte man meinen, er hat verstanden, worum es geht. Und ich hoffe, dass er es bis zum 22. oder 23. November nicht vergisst. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.17



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 135

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


16.17.37

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ein paar wenige Anmerkungen zum Gewässerschutz: Die seit 1991 laufenden Untersuchungen unserer Flüsse und Grundwässer zeigen leider immer noch regionale Belastungen, vor allem durch Nitrate und Pflanzenschutzmittel. Die Ur­sache liegt in intensiver landwirtschaftlicher Bewirtschaftung und Nutzung.

Ich möchte als Mandatar Niederösterreichs darauf hinweisen, dass gerade der Norden und Osten Österreichs, im Speziellen Niederösterreichs, besonders belastet sind, und appelliere daher an die Einsicht unserer Landwirtschaft, dass ein maßvoller Umgang mit chemischen Betriebsmitteln unabdingbar ist. Besonders auch die Niederschlagsar­mut hat dieses Problem noch verschärft. Die wenigen Bäche des Weinviertels und die Flüsse des Waldviertels haben in den letzten Monaten sehr wenig Wasserführung ge­zeigt.

Die Nitratbelastung ist erfreulicherweise von 2006 bis 2007 zurückgegangen. Seitdem steigen die Werte aber wieder, und rund gerechnet ist jede 9. Messstelle eine, die die Schwellwerte überschreitet.

Daher der Appell, Herr Bundesminister, dass Sie das Aktionsprogramm Nitrat, die dies­bezügliche EU-Ratsverordnung und die österreichischen Umweltprogramme mit all ih­ren Einhaltungsvorschriften exakt kontrollieren. Dazu fordern wir Sie auf, beziehungs­weise wir unterstützen Sie gerne dabei, damit auch in den Problemgebieten im Osten und Norden Österreichs in Zukunft die Wasserqualität und damit auch die Lebensquali­tät für die kommenden Generationen gesichert sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königs­berger-Ludwig. – Bitte.

 


16.20.01

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Grüne Bericht ist wirklich ein Nachschlagewerk, aus dem man viele Daten herauslesen kann, der auch für die Arbeit im Landwirtschaftsausschuss sehr wichtig ist. Ich habe mir ein Thema ausgesucht, über das ich kurz sprechen möchte, das ist der Überblick über die Produktion und die Märkte – und da besonders in Bezug auf den angebauten Mais.

Sie alle wissen, der Mais und die damit zu verbindenden Bienen sind ein großes An­liegen der sozialdemokratischen Fraktion, damit man dem Bienensterben ein wenig entgegentreten kann. Wenn man einen Blick auf den Grünen Bericht richtet, dann sieht man, dass gerade beim Maisanbau im letzten Jahr eine enorme Steigerung zu ver­zeichnen gewesen ist. Bei dem sogenannten Körnermais gibt es bei der Ernte eine Steigerung um 25 Prozent und eine Ausweitung der Anbaufläche um 8 Prozent, und bei dem sogenannten Nassmais konnten für den Silo- oder Grünmais die Produktions­mengen um 13 Prozent gesteigert werden.

Ich finde das gut, ich finde das positiv für die Bäuerinnen und Bauern, die in diesem Produktionszweig tätig sind. Auf der anderen Seite möchte ich aber schon wieder ein­mal in Erinnerung rufen, dass auch aufgrund des Maisanbaus unsere Bienenvölker aussterben. Wir haben zu diesem Thema – über die Pestizide – einen Unterausschuss des Landwirtschaftsausschusses eingesetzt, und ich würde mich wirklich freuen, wenn wir in diesem Ausschuss gemeinsam eine Lösung finden könnten, um diesem großen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 136

Problem der Pestizide – beim Bienensterben im Speziellen auch der Neonicotinoide – entgegenzutreten.

Das hat zwar nicht unmittelbar etwas mit dem Grünen Bericht zu tun, aber ich denke mir, da diese Anbauflächen so erweitert werden und ich oder wir den Eindruck haben, dass das Bienensterben nicht so ernst genommen wird, möchte ich diese Gelegenheit, meinen Debattenbeitrag, nutzen und in dieser Debatte heute auch auf diesen Aspekt ein Augenmerk legen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


16.21.49

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kollege Gahr hat gerade vorhin gesagt, dass in Gesamtosttirol über das Isel-Projekt abge­stimmt wurde. (Abg. Gahr:  zwei Gemeinden!) Das ist eine absolute Lüge, Kollege Gahr. Es wurde nur in den Gemeinden Virgen und Matrei abgestimmt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gahr.) Hätte man in Gesamtosttirol abgestimmt, dann wäre die Abstimmung ganz anders ausgegangen.

Ganz kurz: Dieser Herr Bundesminister ist meiner Meinung nach komplett von der Rolle. Das Beispiel war schon im Ausschuss: Als ich ihn gefragt habe, wie viel die Ha­gelversicherung von ihm an Zuwendungen aus dem Budget bekommt, hat er gesagt: Gar nichts! Der Vorsitzende des Agrarausschusses musste ihn berichtigen und sagen: Herr Bundesminister, das stimmt nicht, es sind sehr wohl 13 Millionen jährlich. (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.)

Wenn ein Bundesminister hergeht und es als Erfolg verkauft, wenn 70 000 Betriebe in den letzten 15 Jahren geschlossen werden mussten, weil ihre Existenz nicht mehr ge­sichert war, ist das eine einzige Frechheit.

Fakt ist: Der Herr Bundesminister hat gesagt, wir haben in Österreich Lebensmittel, die gentechnikfrei sind. – Auch das ist unwahr. Wir importieren jährlich 500 000 Tonnen gentechnisch verseuchtes Soja. Dieses Soja verfüttern wir an unsere Nutztiere (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich), und dieses Fleisch, die­se Lebensmittel bekommt der Mensch eins zu eins auf den Teller.

Es ist einfach ein Wahnsinn: Wir importieren jährlich 200 000 Schweine lebend. Das sind diese ganzen Schlachttiertransporte. Verantwortlich ist da unsere Agrarpolitik, weil unsere Landwirte nicht mehr imstande sind, kostendeckend zu produzieren. Diese im­portierten Schweine bekommen den österreichischen Beschaustempel – AT – und wer­den als österreichische Produkte verkauft. (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht! Das ist ei­ne Lüge!)

Wenn man dann hergeht und sagt: Vergleichen wir unser Österreich mit dem Aus­land! – Ja, vergleichen wir, Herr Bundesminister! In Italien bekommen die Landwirte für die Produkte 50 Prozent mehr, für den Diesel sind sie von der Mineralölsteuer befreit. In Deutschland bekommen sie 26 Cent pro Liter Diesel rückvergütet. Was wollen Sie eigentlich vergleichen?

Und wenn man den Grünen Bericht liest: Wir sind nicht mehr autark, nicht einmal mehr beim Getreide. Wir produzieren heute nur mehr 88 Prozent von dem Getreide, das wir für das tägliche Leben brauchen. Und der Bundesminister geht her und fordert E10. – Gute Nacht! Beenden Sie diese Politik, denn ansonsten werden Sie von den Landwir­ten ausgejagt! (Beifall beim BZÖ.)

16.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bei aller Hitzigkeit und Emotionalität der De­batte verwarne ich jetzt vorerst einmal. Begriffe wie „von der Rolle“ und „Frechheit“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 137

sind an diesem Platz nicht angebracht, Herr Abgeordneter! Im Wiederholungsfall grei­fe ich zum Instrument des Ordnungsrufes. (Unruhe im Saal.)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Eine klassische Gelbe Karte! – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

 


16.25.13

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die­se Diskussion mitzuverfolgen ist wirklich spannend, und was hier an Dingen gespro­chen wird – jetzt muss ich sehr aufpassen, dass ich nicht auch einen Ordnungsruf krie­ge –, das ist ja kaum zu glauben.

Eines muss ich jetzt schon noch einmal hervorholen: Der Erstredner, das war Kollege Jury, hat davon geredet, dass er die „Renationalisierung“ der Landwirtschaft wün­sche. – Was heißt denn das? Erkläre uns das bitte einmal, Herr Kollege! Heißt das, du bist gegen die Bauern? Heißt das, wir nehmen uns aus der EU heraus? Heißt das, wir versorgen Österreich selber? – Also, so einen Blödsinn habe ich wirklich in der ganzen Debatte noch nicht gehört. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) – Entschuldigung, ich nehme den „Blödsinn“ zurück. (Zwischenruf des Abg. Jury.)

Wir haben jetzt einen Grünen Bericht zu diskutieren, der heute schon von vielen Seiten relativ schwer angegriffen, aber auch immer wieder gelobt wurde. Herr Bundesminister, immer wieder kommt es zur Sprache, dass unsere landwirtschaftlichen Betriebe zu­sperren. Ich will das jetzt überhaupt nicht wiederholen, aber was mich dabei sehr be­rührt, ist die Tatsache (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jury), dass diejenigen, die aufhören, Bergbauern sind, dass diejenigen, die aufhören, Nebenerwerbslandwirte sind, dass diejenigen, die aufhören, kleine und mittlere Betriebe bis 30 Hektar sind und dass die Betriebe über 100 Hektar sich mehr als verdoppelt haben.

Da stimmt etwas nicht in der Landwirtschaftspolitik, denn wir werden doch nicht glau­ben, dass wir in dem großen Europa mitspielen können, bei den Betrieben, von denen Sie vorhin geredet haben, mit über 1 000 Kühen, Schweinen, et cetera, Hunderte Joch, die bewirtschaftet werden. – Da können wir nicht mit, und ich denke, es ist höchst an der Zeit, dass wir unsere Philosophie überdenken, dass wir die Landwirtschaftspolitik generell überdenken. (Abg. Dr. Graf:  die Renationalisierung!)

Dasselbe gilt auch für die Einkommen. Da können wir jetzt trefflich streiten, ob die 33 Prozent Einkommenssteigerung bei den Bauern viel oder wenig sind. Wir sollten uns das einmal im langjährigen Durchschnitt anschauen und dann vielleicht einmal mit den Einkommen der unselbständig Erwerbstätigen vergleichen. Da schaut das dann ganz anders aus. Also auch diese Vergleiche sollten so nicht gemacht werden.

Und wenn man von der Förderverteilung spricht – auch das wurde heute schon einige Male gesagt –: Interessant ist, dass die Anzahl der Förderempfänger sinkt, die Förder­empfänger werden weniger, aber die Anzahl derer, die über 50 000 € Förderung krie­gen, steigt. Auch das ist meiner Meinung nach eine Fehlentwicklung, Herr Bundesmi­nister, und wir sollten uns wirklich dringend zusammensetzen, um da neue Wege zu beschreiten, wenn wir unseren Bauern das Überleben sichern wollen – und damit auch uns eine schöne Landschaft sichern wollen, damit auch uns ordentliche, qualitativ hochwertige Lebensmittel sichern wollen.

Kollege Auer hat davon geredet, dass es so viele Förderungen in ganz anderen Be­reichen gebe. Herr Kollege Auer – er ist gerade da –, ich darf dich bitten, dieses The­ma, wohin andere Förderungen auch noch fließen, auf die Tagesordnung des Land­wirtschaftsausschusses zu nehmen, damit wir uns einmal ganz genau anschauen, wer denn da außer den Bauern, die es dringend brauchen, wirklich gefördert wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.28



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 138

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Schultes zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


16.28.57

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Hohes Haus! Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Abgeordneter Huber hat sehr viele abenteuerliche Aussagen von sich ge­geben (Abg. Huber: Alles die Wahrheit!), die ich nicht alle wiederholen werde. Eine Aussage muss ich wiederholen: Er hat gesagt, dass Schweine aus dem Ausland in Ös­terreich geschlachtet werden und dann als österreichisches Fleisch in Verkehr kom­men. – Das stimmt natürlich nicht! (Zwischenruf des Abg. Huber. – Gegenruf des Abg. Jakob Auer.)

Das AMA-Gütesiegel ist eines, das die österreichische Herkunft sicherstellt, und es wird nur vergeben, wenn das Tier in Österreich geboren, aufgewachsen und ge­schlachtet worden ist. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für das österreichische Biogütezeichen. Du solltest dir das endlich merken! (Abg. Huber: Ich habe nicht vom AMA-Gütesiegel und nicht vom Biosiegel gesprochen!) – Genau, du hast vom Be­schaustempel gesprochen. Der Beschaustempel ist kein österreichisches Herkunftszei­chen und gibt auch keine Berechtigung, irgendeine Herkunft anzugeben, sondern das heißt nur, dass nach österreichischen Kriterien geschlachtet wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Und du wirst irgendwann einmal kapieren müssen: Das Konsu­mentenzeichen ist das AMA-Gütesiegel. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Er hat sich selber berichtigt!)

16.29

16.29.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens der Berichterstattung wird keines gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-352 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1932 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1933 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch da jene Damen und Herren im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

16.31.278. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1843 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Geodateninfrastrukturgesetz geändert wird (1965 d.B.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 139

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

 


16.31.51

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mit der Änderung des Geodaten­infrastrukturgesetzes wird der Geltungsbereich des Gesetzes auf die Umsetzung der Geodateninfrastrukturrichtlinie, kurz INSPIRE, beschränkt. Österreich hat in der Ver­gangenheit die Richtlinie übererfüllt, und so wurden Geodaten der untersten Verwal­tungsebene unter anderem von Energie- und Wasserversorgern oder öffentlichen Ver­kehrsunternehmen erhoben und gepflegt. Mit dieser Änderung wird sichergestellt, dass man zu Geodatendiensten nur dann verpflichtet ist, wenn diese auch rechtlich vorge­schrieben sind.

Was sind Geodaten eigentlich, und wozu werden sie verwendet? – Unter Geodaten versteht man digitale Informationen, mit denen man auf der Erdoberfläche eine be­stimmte räumliche Lage zuweisen kann. Man unterscheidet zwischen Primärdaten – diese werden unmittelbar gewonnen – und Sekundärdaten, das sind Daten, die weiterbearbeitet wurden und werden und damit der Basis 1 zur Verfügung stehen.

Die Geobasisdaten werden in der Regel von Ländern und Gemeinden bereitgestellt. Geofachdaten stammen hingegen aus unterschiedlichen raumbezogenen Fachdaten­banken. Wenn diese Daten zusammengefasst werden, kann man diese relativ über­sichtlich in einem Geoinformationssystem darstellen.

Ein sehr positives Beispiel dafür ist das Geoportal des Landes Niederösterreich. Hier können hochauflösende Bilder mit diversen Einstellungen angesehen werden. So kann man Grundstücksgrenzen, Hochwassergebiete, Geländehöhen, aber auch Burgen, Schlösser, Mountainbike-Routen oder auch Lkw-Fahrverbote abfragen. Somit erklärt sich auch die breite Nutzungsmöglichkeit dieser Datenbank. Frächter, Häuslbauer, Ur­lauber und Menschen, die sich dafür interessieren, können dieses Datenmaterial ab­rufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist ein besonderer Schutz von personenbe­zogenen Daten überaus wichtig, und dieser ist auch unbedingt sicherzustellen. Es soll dies keine Basis für Menschen sein, die Unlauteres im Schilde führen.

Im Zuge der gemeinsamen Umweltpolitik innerhalb der EU ist es wichtig, dass Informa­tionen – und so auch Geodaten – für die Festlegung und Durchführung von Umweltzie­len zur Verfügung stehen. Um die Einbeziehung dieser Daten für den Umweltschutz möglich zu machen, muss die Information zwischen Nutzern und Anbietern koordiniert sein, und die Daten der diversen Sektoren müssen ebenfalls kombinierbar sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Geodaten sind in der Landwirtschaft Alltag, eine Selbstverständlichkeit, Luftbilder für die Bauern, wo Kontrollen im Zuge von verschie­denen Kontrolleinrichtungen wahrgenommen werden, eine Selbstverständlichkeit. Ich verweise auch ausdrücklich darauf, dass Österreich in Bezug auf Agrarförderung jenes Land ist, das mit Abstand die niedrigsten Rückzahlungen leisten muss, weil die Bauern sehr präzise mit diesem wichtigen Instrument arbeiten.

Kollege Gaßner hat vorhin gesagt, man solle das, was Präsident Auer angesprochen hat, vielleicht hinterfragen und auch diskutieren. Herr Kollege Gaßner, dem stimme ich zu. Wenn es um Zahlungen für den ländlichen Raum geht, dann sollte man dies klar


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 140

differenzieren und nicht permanent so darstellen, als seien dies Landwirtschaftsförde­rungen.

Ich darf – um einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen – nur einige Organisatio­nen und einige Beträge anführen; damit wird verständlich, warum sich die Bauern mit dieser Pauschalanschuldigung nicht einverstanden erklären können.

Der Österreichische Naturschutzbund hat 469 944 € bekommen; die Arge NATUR­SCHUTZ 375 000 €; der Natur- und Wildpark Buchenberg 1 185 000 €; Natur Projekt- und PlanungsGmbH – wer immer das ist – 502 000 €; Landesregierung/Naturschutzab­teilung 972 000 €; Abteilung Naturschutz Land Tirol 955 000 €; der hochgeschätzte Umweltdachverband 269 000 €.

Daher bin ich sehr wohl der Meinung des Kollegen Gaßner, dass man das sehr genau diskutieren und betrachten sollte. Man sollte vielleicht auch gleich strenge Maßstäbe bei der Kontrolle dieser Einrichtungen anlegen, wie sie in der Landwirtschaft selbstver­ständlich sind. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

16.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Mag. Auer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.36.52

Abgeordneter Mag. Josef Auer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kollege Hornek hat ja schon ein bisschen Bezug genommen auf diese EU-Richtlinie mit der englischen Abkürzung. Worum geht es? – Es geht um das Ziel, eine europäische Geodateninfrastruktur innerhalb der EU – normierbar und vergleich­bar – zu schaffen. Wichtig ist, dass es eben bestmöglich zum Austausch von Geodaten kommen kann. Nur so können länderübergreifende und die Umweltpolitik und sonstige politische Maßnahmen betreffende Tätigkeiten auch sehr gut koordiniert werden. Ganz wichtig ist daher die Normierung der Daten, sodass sie EU-weit verwendbar sind und auch verstanden und gelesen werden können.

Dazu möchte ich noch sagen, dass es darüber hinaus auch wichtig ist, dass wir ins­gesamt einen Weg in Richtung Open Government Data gehen, dass es also Verwal­tungsdaten gibt, die frei zugänglich sind und automatisiert verarbeitbar gemacht wer­den sollen. Damit sollen neue Anwendungen und Dienste ermöglicht werden, die auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Prozessen mehr fördern. In­formation ist die Währung der Demokratie, habe ich einmal gelesen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie wird der Unterstützung einer integrierten europäischen Umweltpolitik garantiert dienen – ich glaube, Herr Minister, dass Sie mir da zustimmen – und auch ei­ne weitreichende Auswirkung auf die Anbieter der behördlichen Geodaten haben.

Es geht zum Beispiel um Daten zur Qualität der Luft, etwa bei uns im Tiroler Inntal, wo es immer wieder zu sehr, sehr schwierigen Luftsituationen kommt. Mittels Geodaten werden diese Umweltdaten in Zusammenhang gebracht, und im Bedarfsfall können mögliche Konsequenzen auch länderübergreifend gezogen werden.

Abschließend: Ein Ziel darf man sicher nicht aus den Augen verlieren, nämlich einen Nutzen für unsere Umwelt zu ziehen. Als Tiroler Mitglied des Tourismusausschusses möchte ich sagen: Eine blühende Freizeit- und Tourismuswirtschaft funktioniert nur in­nerhalb einer intakten Umwelt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Herbert. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 141

16.39.31

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Da meine beiden Vorredner schon ausführlich Stellung bezogen haben, was Geodaten sind und wo der Sinn dieser gegenständlichen Regierungsvorlage liegt, darf ich gleich zum Wesentlichen kommen.

Ja, wir werden dieser Regierungsvorlage zustimmen, wenngleich ich bereits im Aus­schuss zwei Anmerkungen gemacht habe, die bis dato noch nicht umgesetzt wurden und die ich an dieser Stelle noch einmal hervorheben möchte.

Zum einen geht es um die Aufnahme einer Feststellung in diese Regierungsvorlage, dass die dort zu verarbeitenden Daten oder die verwendeten Daten nicht für andere Zwecke, also zweckentfremdet, verwendet werden sollen. Auch eine entsprechende Löschungserklärung, wie sie in anderen gesetzlichen Bestimmungen bereits Usus ist, nämlich dass man Daten, die man nicht mehr braucht, auch verpflichtend löschen muss, wäre sinnvoll und wahrscheinlich innovativ gewesen.

Das Zweite, mit dem ich ein bisschen ein Problem habe oder das mir ein bisschen un­klar erscheint, ist die Definition der „Einrichtungen der untersten Verwaltungsebene“. Es wird wahrscheinlich schwierig sein, in den jeweiligen Einzelfällen dann festzustellen: Wer war denn das wirklich?, oder: Wer ist denn da gemeint gewesen?, nämlich nicht nur, wenn es um den Adressaten dieser gesetzlichen Bestimmungen geht, sondern auch, wenn es darum geht, die Zuständigkeit und die Kompetenzen bei der Vollzie­hung namhaft und griffig zu machen, und speziell dann, wenn es um Sanktionierungen geht, wenn das eine oder andere danebengegangen ist.

Das wären zwei sinnvolle Ergänzungen gewesen, die leider hier nicht Eingang gefun­den haben.

Nichtsdestotrotz: Der Rest erscheint uns tauglich, sinnvoll und zweckmäßig, und daher, wie gesagt, werden wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Brun­ner. – Bitte.

 


16.41.24

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! In diesem Gesetz geht es unter anderem darum, Zugang zu Geodaten zu bekommen, den Zugang für Bürgerinnen und Bürger, auch für Wissenschaft und Verwaltung zu er­leichtern. Das begrüßen wir natürlich. Aus unserer Sicht soll der Zugang auch so um­fassend wie möglich sein. In dieser Novelle werden die Stellen, die aufbereitet werden müssen, die Stellen, die durch ausgegliederte Gesellschaften aufbereitet werden müs­sen, wie zum Beispiel das Umweltbundesamt, auf das mindestnotwendige Maß redu­ziert.

Ich hoffe, dass damit vor allem auch die Arbeit des Umweltbundesamtes, das ja sehr wertvolle Informationen im Umweltbereich zur Verfügung stellt, erleichtert wird. Das Budget des Umweltbundesamtes wird von Ihnen aber leider gekürzt. Und ich hoffe, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, dass das Umweltbundesamt sich trotzdem ein biss­chen leichter tut und uns weiterhin wertvolle Informationen bereitstellen kann.

Auch nicht zuletzt deswegen: Österreich braucht ein eigenständiges, starkes und enga­giertes Umweltministerium. (Beifall bei den Grünen.)

16.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Frau Abgeordnete Schenk zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 142

16.42.43

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Geodateninfrastrukturgesetz wurde ja von mei­nen Vorrednern schon sehr viel gesagt.

Der Zugang zu und die Nutzung von Geodaten sollen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Verwaltung und für die Wirtschaft vereinfacht werden. Wir haben ja schon im Jänner 2010 hier im Hohen Haus über dieses Gesetz beraten. Es hat hier einen aus­führlichen Diskussionsprozess gegeben. Wie gesagt, am 29. Jänner 2010 wurde es beschlossen. Es hat auch damals schon Bedenken bezüglich Datenschutz gegeben. Diese wurden dann, meiner Erinnerung nach mit einem Fünf-Parteien-Antrag, auch in diese Gesetzesinitiative mit eingebunden. Und am 2. März 2010 ist dieses Gesetz in Kraft getreten.

Was wir hier heute beschließen, ist eine Änderung, weil diese Richtlinie übererfüllt wur­de. Warum sie übererfüllt wurde, das ist mir im Ausschuss irgendwie verborgen geblie­ben und ist auch heute aus den Redebeiträgen nicht hervorgegangen.

Faktum ist, dass wir dieses Gesetz, das Geodateninfrastrukturgesetz für sehr wichtig und richtig halten. Es ist ein wichtiger Beitrag für eine positive Umweltpolitik. Wir wer­den diesem Gesetz natürlich unsere Zustimmung geben, so wie wir ihm auch im Aus­schuss unsere Zustimmung gegeben haben und auch schon dem ersten Gesetz im Jänner 2010. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

16.44


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.44.20

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich danke den Mandatarinnen und Mandataren, dass sie hier so fach­lich auf dieses Thema eingegangen sind und dass durchwegs Zustimmung zu diesem Gesetz signalisiert wurde.

Wir haben ja die Situation, dass wir mit einer Fülle von Daten – manchmal überschie­ßend – konfrontiert sind, daher ist es umso wichtiger, dass eine Ordnung ins System kommt, dass die vorhandenen – in diesem Fall – Geodaten auch zugänglich gemacht werden, dass die Bürger, die Institutionen, die Behörden einen optimalen Nutzen da­raus ziehen können, wenn es zum Beispiel darum geht: Wo sind Überschwemmungs­gebiete? Wo laufen Energieleitungen? Wo laufen Wasserversorgungsleitungen?

Daher soll die Zugänglichkeit hier verbessert werden, auch die Verfügbarkeit der Daten für den Fall von baulichen Maßnahmen, die Qualität soll verbessert werden, und auch der Nutzen soll optimiert werden. Das heißt, es sollen die Menschen davon profitieren. Und wir erwarten uns davon auch, dass Umweltthemen stärker in den Fokus treten, dass die Umweltpolitik stärker in die Politikbereiche einfließt durch die Nutzung dieser Geodaten, die sich ja nicht nur auf technische Daten beziehen, sondern eben auch auf umweltrelevante Daten.

Daher herzlichen Dank für die Bereitschaft, dieses Gesetz gemeinsam zu beschließen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Be­cher. – Bitte.

 


16.45.43

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich möchte zusammenfassend nochmals feststellen, dass wir in Österreich die EU-Richtlinie nicht


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 143

übererfüllen, sondern dass wir sie jederzeit auch auf die Bedürfnisse unseres Landes abstimmen können. Und in diesem Sinne wird, was den Geltungsbereich betrifft, rein auf die Umsetzung dieser Geodateninfrastruktur-Richtlinie Rücksicht genommen und dieser darauf beschränkt. Das bedeutet, dass insbesondere unsere öffentlichen Ver­kehrsunternehmen, aber auch Wasser- und Energieversorger von zeitintensiven Ver­waltungsaufgaben entbunden sind.

Selbstverständlich stellen wir mit dieser Novelle zum Geodateninfrastrukturgesetz die hohe Relevanz der Daten nicht infrage. Es ist eine grundsätzlich begrüßenswerte Da­tensammlung, wenn man bedenkt, dass mit diesen Daten sämtliche Objekte auf der Erdoberfläche positionsgenau festgehalten werden können. Und dadurch werden eben auch eine einheitliche Aufbereitung und Zugänglichkeit behördlicher Daten sicherge­stellt – diese können von jedermann, zum Teil auch nur mit Einschränkungen, abge­rufen und genutzt werden. Die letzten beiden Jahre haben auch gezeigt, dass das für bestimmte Anwender – Landschaftsplaner, Architekten – durchaus von großem Inter­esse ist.

Was noch nicht Realität ist, ist, dass auch Gesundheitsdaten abgerufen werden kön­nen, zum Beispiel welche Krankheiten in welcher Region besonders gehäuft auftreten. Ich hoffe, dass diese Möglichkeit für die Grundlagenforschung bei der nächsten No­velle bereits Realität sein wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.47

16.47.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens der Berichterstattung wird keines gewünscht.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1843 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

16.48.129. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2059/A(E) der Abgeordneten Hannes Weninger, Ing. Hermann Schultes, Carmen Gartelgruber, Mag. Christiane Brunner, Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konse­quente Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines eu­ropaweit raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie, über den

Antrag 1722/A(E) der Abgeordneten Ing. Hermann Schultes, Hannes Weninger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernener­gie, über den

Antrag 1978/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition für den weltweiten Atomaus­stieg, über den

Antrag 811/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Resolution AKW Mochovce, über den


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Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Rückkehr zur Atomkraft in Italien, über den

Antrag 1318/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend grenzüberschreitende UVP bei Betriebsverlängerung deutscher AKWs sowie über den

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Analyse von AKW-Stresstests durch österreichische Experten (1966 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1532/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertragsverletzungs­verfahren gegen Temelίn-UVP (1967 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1533/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertragsverletzungs­verfahren gegen Mochovce-UVP (1968 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1146/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Bedrohung Öster­reichs durch die unzureichende Durchführung der Umweltverträglichkeitsprü­fung für die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des AKW Mochovce (1969 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2033/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einleitung eines Ver­tragsverletzungsverfahrens wegen europarechtswidriger Temelίn-UVP (1970 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1736/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend noch immer offene Temelίn-Sicherheitsfragen (1971 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1855/A(E) der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klage aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes durch Milliardensubventionen der Atomindustrie (1972 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1518/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Versorgung von Bundesgebäuden durch garantiert atomstromfreie Energie (1973 d.B.)


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17. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 1861/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen ein Atommüllrestlager in Jaslovske Bohunice (1974 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2097/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stilllegung von Atom­kraftwerken als EU-Milliardengrab (1975 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Neubauer zu Wort. – Bitte.

 


16.48.44

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! In einer Umfrage, die vor 14 Tagen veröffentlicht wurde, hat man die Österreicherinnen und Österreicher gefragt, was sie denn in den letzten Jah­ren stolz gemacht habe. Und Sie werden es kaum glauben, was hier an erster Stelle rangiert, nämlich: 69 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben sich dazu bekannt, dass sie am meisten darauf stolz sind, dass Österreich sich dazu entschieden hat, keine Atomkraftwerke zu errichten. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser Umfrage und dieser Meinung kann ich mich nahtlos anschließen, denn diese Entscheidung betreffend Zwentendorf aus dem Jahre 1978 hat schon einiges in un­serem Land bewirkt. Diese Beschlussfassung zur Atompolitik hat die Haltung Öster­reichs in diesem Punkt natürlich nachhaltig beeinflusst.

Wir haben heute einen Fünf-Parteien-Antrag zum Thema Atom, Atomkraft und all den damit verbundenen Themenbereichen vorliegen, und ich sage, es könnte heute ein gu­ter, ein erfolgreicher Tag für die Umwelt in Österreich werden – ich betone: es könn­te –, wenn diese Bundesregierung diesen Antrag auch tatsächlich als Auftrag für die Zukunft verstehen würde.

Es gibt so etwas wie einen Grundkonsens in dieser Republik zum Thema Atompolitik, aber auch die Welt hat sich verändert. Die Welt ist der Globalisierung anheimgefallen, und wir wissen alle, dass die Energiefrage eines der brennenden Themen auch für die Zukunft sein wird. Und Energiefragen haben sich im Zuge der Ereignisse von Tscher­nobyl und nicht zuletzt auch aufgrund des Ereignisses in Fukushima massiv zugespitzt.

Wir sind nicht nur Gefahren ausgesetzt, die uns von diesen Kraftwerken her erreichen, sondern wir haben auch entlang unserer Grenzen Schrottreaktoren stehen – wie Krško, wie Mühleberg, wie Temelín und andere. Wir müssen in Zukunft einfach ver­stärkt darauf achten, wie wir mit diesen Dingen von der Regierung her auch umgehen, denn eines kann es nicht sein: dass wir heute hier einen Fünfparteienbeschluss fassen, um uns gegenseitig zu erklären, wie toll wir nicht mit dieser Atompolitik und mit den Gefahren umgehen, aber letztendlich dann in der aktiven optionellen Handlungs­weise nicht auch tatsächlich etwas tun gegen die Gefahren, die an der Grenze lauern. Da müssen wir tatsächlich besser werden.

Wir wollen deshalb nicht, dass diese heutige Entscheidung so etwas wie einen Place­bo-Effekt für Österreich hat, sondern wir wollen für die Österreicherinnen und Österrei-


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cher von hier aus heute ein tatsächliches Signal setzen, und zwar dahin gehend: Ja, wir sind für eure Sorgen da! Wir kümmern uns in Zukunft tatsächlich darum, dass diese Frage der Atomkraft in Österreich behandelt wird und dass die Atomkraft in Europa keine Zukunft mehr haben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Da wir im Ausschuss gehört haben, dass zahlreiche Anträge, die heute auch auf der Tagesordnung stehen und zur Behandlung und Beschlussfassung vorliegen, eigentlich nur deshalb vertagt oder nicht behandelt wurden, weil sie nach Ansicht der Regie­rungsparteien auf der Grundlage von Gerüchten zustande gekommen sein sollen, darf ich Ihnen Folgendes sagen:

Herr Bundesminister, Sie haben uns in der letzten Sitzung des Umweltausschusses gesagt, wir haben keinen Bedarf, wegen eines Atomrestmülllagers an der tschechi­schen Grenze hier tätig zu werden, und auch nicht beim Atomrestmülllager in der Slo­wakei, weil man ja offiziell gar nicht wisse, ob das überhaupt kommt. – Zwei Tage spä­ter, Herr Bundesminister, hat die größte Tageszeitung in Österreich diesen Aufmacher gehabt. (Der Redner hält die Titelseite einer Ausgabe der „Kronen Zeitung“ mit der Schlagzeile „Atom-Knall in Tschechien“ in die Höhe.) Wir wissen genau, dass Tsche­chien hier ein drittes Atomkraftwerk baut und dass Temelín und auch Dukovany mit dritten und vierten Reaktoren ausgerüstet werden.

Tun Sie also nicht so, als sei kein Handlungsbedarf gegeben! Es ist in diesen Berei­chen massiver Handlungsbedarf gegeben. Nur sollten Sie als Bundesregierung diesen endlich auch tatsächlich ernst nehmen.

Wir werden auf jeden Fall danach trachten, dass all diese Punkte, bei denen die Frei­heitliche Partei massiv dazu beigetragen hat, dass sie in dieser Form heute auch zur Beschlussfassung gelangen, der Bundesregierung nicht nur als Placebo dienen, um sagen zu können, sie hätte ja ohnedies schon etwas getan, sondern wir werden Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, an den Taten messen, wie Sie in Zukunft damit umgehen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

16.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schul­tes. – Bitte.

 


16.54.16

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Wir haben heute schon einen besonderen Anlass. Es ist natürlich ein Thema, das die Men­schen immer wieder bewegt und besorgt. Wenn wir heute davon reden, dass sich Ös­terreich nicht nur von der Verwendung von Atomenergie endgültig lossagt, sondern noch viel mehr auch darauf einwirken will, dass unsere Nachbarländer, ganz Europa aus der Atomkraft aussteigt, wenn wir das heute tun, dann ist das schon ein hoher An­spruch. Und ein solches Anliegen, das in Form eines Fünfparteienantrags zum Aus­druck gebracht wird, verdient es, vom gesamten Haus getragen zu werden. Das heißt, er wird dann hoffentlich – das wird sich noch herausstellen – mit der Zustimmung von sechs Parteien beschlossen. Auch solche Veränderungen kommen in diesem Haus vor.

Es ist ein Antrag, der ein großes Zeichen des Vertrauens in unseren Bundesminister Berlakovich ist (Abg. Mag. Brunner: Das ist ein Arbeitsauftrag!), denn gerade er ist es, der ganz offensichtlich bis jetzt bewiesen hat, dass der Vertreter Österreichs in der eu­ropäischen Szene rund um die Verwendung der Atomkraft derjenige ist, der die Ak­zente setzt, und derjenige ist, der, wenn es darauf ankommt, das Wort ergreift und, wenn es darauf ankommt, die Dinge auch durchsetzt.


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Wir sind sehr stolz darauf, dass der Stresstest in Europa tatsächlich durchgeführt wur­de. Wir sind mit den Ergebnissen nicht überall zufrieden, aber unsere Experten waren so weit dabei, dass wir heute auch die Interpretation bringen können. Immerhin ist die­ser Stresstest dann auch in der Schweiz, auch in der Ukraine durchgeführt worden und zeigt, wo Fehler sind, zeigt, wo etwas behoben werden muss, zeigt, wo nachzuarbeiten ist. Das alleine ist es, glaube ich, wert, dass wir unserem Herrn Bundesminister dafür Danke sagen, weil er hier so vehement die Initiative ergriffen hat. (Beifall bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Jetzt geht es in Zukunft darum, dass sich Ös­terreich in der europäischen Gemeinschaft der Staaten, die keine Atomkraft einsetzen, noch stärker in die Sprecherposition bringt und dafür sorgt, dass andere Länder in die Nachdenkphase kommen.

Letztendlich muss uns aber bewusst sein, dass die Verwendung von Kernenergie nicht von heute auf morgen zu beenden ist, und daher geht es darum, die Sicherheitssys­teme europaweit ständig zu beobachten, weiterzuentwickeln, die Informationssysteme zu verbessern und Österreich in eine starke Position zu bringen, wenn es um die stän­dige Diskussion zu diesem Thema geht. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Minis­ter, die Staaten, die in Bezug auf dieses Thema ein Anliegen haben, zu diesen Fragen äußern. Gerade heute war Vaclav Klaus bei uns im Haus und hat mit den Klubobmän­nern/-frauen gesprochen – und ich weiß nicht, vielleicht gibt es da parteiintern bei den Freiheitlichen noch etwas zu klären, denn der Herr Strache war nicht der, der am lau­testen die tschechische Position eingemahnt hat.

Jedenfalls, meine geschätzten Damen und Herren, wichtig ist, dass wir in Zukunft in dieser Frage der Sicherheit hart am Ball bleiben und in der österreichischen Frage der neuen Energie, der neuen Stromherstellung neue Wege gehen und die erneuerbaren Energien stärker forcieren. Denn: Nur zu verlangen, dass die anderen ihre Atomkraft­werke zusperren, wird zu wenig sein. (Abg. Mag. Stefan: Aber der Schüssel hat ge­sagt, wenn sie in der EU sind, ! Der Schüssel hat versprochen, wenn wir sie auf­nehmen, dann werden sie sicher die Atomkraftwerke zusperren!) Nur zu verlangen, dass Endlager ordentlich angelegt werden, wird zu wenig sein. Es geht um neue We­ge, und es geht bei den neuen Wegen darum, österreichische Technologie in Polepo­sition zu bringen, dass wir damit auch unsere Arbeitsplätze absichern können und zei­gen können, dass wir mehr können als nur Nein sagen. Wir können Ja sagen zu einem zukunftsfähigen Weg! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich sage sehr selten inhaltlich etwas, aber ich möchte schon klarstellen, weil der Präsident der Tschechischen Republik hier im Haus war und vier Fraktionen bei diesem Besuch, der bei mir stattgefunden hat, anwesend waren: Es gab unter allen Fraktionen keine unterschiedliche Meinung – ganz und gar nicht. Der Präsident hat ganz eindeutig die Botschaft entgegengenommen, dass Öster­reich, dass sich die Parteien hier in großem Gleichklang für die Anti-Atompolitik aus­sprechen. Und, ja, er hat wenig Freude damit, das darf ich auch sagen, aber das ist ja nicht die Frage gewesen, die Botschaft ist, glaube ich, beim Präsidenten angekommen. Ich möchte keine Fraktion hier stärker betonen als eine andere, das ist mir wichtig, weil wir hier wirklich gemeinsam vorgegangen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner zu Wort. – Bitte.

 


16.59.28

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich spreche auch zu unserem gemeinsamen Antrag zur Anti-Atompolitik in Österreich. Nach den Ausführungen meines Vorredners ist es mir schon wichtig zu betonen, dass


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es mein Selbstverständnis als Parlamentarierin ist, nicht Anträge zu formulieren, um mich bei einem Minister zu bedanken, sondern Anträge hier zu beschließen, um einem Minister Arbeitsaufträge mitzugeben – denn wir sind hier die Legislative, und der Mi­nister ist nur das ausführende Organ. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, wir sollten als Parlament durchaus auch einmal selbstbewusst auftreten. Wir haben löblicherweise einen Anti-Atomkonsens in Österreich, der hin und wieder unterschiedlich ausgelegt wird oder unterschiedlich ausgeprägt ist. Dieser Antrag ist, wie ich denke, ein Mindeststandard, das, worauf wir uns alle einigen konnten. (Präsi­dent Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Ich bedanke mich auch bei allen Verhandlungspartnern – nur Partnern in diesem Fall – dafür, dass dieser Antrag möglich war. Wir haben eigentlich sehr hart verhandelt, um diesen Antrag zustande zu bringen. Aus meiner Sicht entspricht er einem Mindeststan­dard, und ich gehe selbstverständlich davon aus, dass der Herr Minister ihn auch um­setzen wird, denn das ist seine Aufgabe als Minister.

Aber für mich ist die Arbeit mit diesem Antrag nicht abgeschlossen. Wir können jetzt nicht sagen: So, jetzt haben wir diesen Antrag, damit können wir das ad acta legen!, denn die Anti-Atompolitik soll ja damit wieder Schwung bekommen. Die Arbeit beginnt aus meiner Sicht erst jetzt, vor allem nicht nur die Arbeit in Österreich, denn in Öster­reich gegen Atomkraftwerke aufzutreten ist nicht allzu schwer. Österreich muss einen wichtigen Beitrag gegenüber unseren Nachbarstaaten leisten und auf europäischer Ebene wirklich noch einmal Druck machen, um den Atomausstieg zu erreichen.

Herr Minister, wir wollen Ihnen das mitgeben, damit Sie auch nachdrücklich auf euro­päischer Ebene auftreten können, um den österreichischen Anti-Atomkonsens ganz klar darzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Der Ausgang für diesen Antrag war eine Petition, die vor allem von „Global 2000“ ini­tiiert wurde und dann über die Klubobleute ins Parlament gekommen ist. Diese Petition wurde nach der Katastrophe von Fukushima gestartet. Es ist traurig, dass es leider im­mer wieder Katastrophen braucht, um in der Umweltpolitik Aufmerksamkeit zu bekom­men. Nichtsdestotrotz hat diese Petition wieder gezeigt, wie groß das Interesse der ös­terreichischen Bevölkerung in Sachen Anti-Atompolitik immer noch ist.

Dieses Interesse ist auch sehr begründet, gibt es doch rund um Österreich sehr viele Hochrisiko-Reaktoren – in fast allen Nachbarstaaten, auch direkt an der österreichi­schen Grenze. Daher ist die Sorge der Österreicherinnen und Österreicher mehr als berechtigt und mehr als verständlich.

Über 703 000 Menschen haben diese Petition unterschrieben. Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei all jenen bedanken, die da mitgemacht haben, vor allem auch bei den InitiatorInnen, die da große Bemühungen an den Tag gelegt haben. Ich bedanke mich vor allem bei all jenen, die sich diesem Aufwand unterzogen haben – es ist ein großer Aufwand, so etwas zu starten, so viele Unterschriften zu sammeln –, und ich bedanke mich auch bei all jenen, die sonst noch zum Erfolg dieser Petition beigetragen haben.

Wir konnten diese Petition auch vorbildhaft im Parlament behandeln, mit einem Hea­ring im Petitionenausschuss und im Umweltausschuss. Wir werden das auch noch gemeinsam den EinreicherInnen mitteilen. Meiner Meinung nach war diese Petition auch eine Unterstützung, um in die parlamentarische Diskussion wieder ein bisschen Bewegung zu bringen.

Was ich mir gewünscht hätte, ist, dass wir gleich auch die Forderungen der Petition in einen Antrag bringen und hier 1 : 1 beschließen. So hat der ursprüngliche Antrag der Grünen ausgeschaut: Da stand zuerst die Abschaltung aller Hochrisiko-Reaktoren, ein Plan, um überhaupt in Europa aus der Atomkraft auszusteigen, dann die Streichung


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der Subventionen, mehr Fördergelder für Energieeffizienz und erneuerbare Energien und auch ein Stopp der Laufzeitverlängerungen. Einige dieser Forderungen konnten wir in diesem Antrag unterbringen und durchsetzen.

Daher freue ich mich auch über diesen Antrag. Wie gesagt, aus unserer Sicht stellt er einen Mindeststandard dar, der Sie, Herr Minister, dazu verpflichtet, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um zu erreichen, dass die Hochrisiko-Reaktoren an unseren Grenzen abgeschaltet werden und dass es keine weiteren Zu- und Neubauten gibt, und um vor allem auch politischen Druck auf jene Länder auszuüben, die immer noch auf Atomkraft setzen und diese weiter ausbauen wollen, und um auch gemein­same Aktionen mit jenen Ländern zu setzen, die jetzt schon AKW-frei sind, was, wie ich meine, eine sehr wichtige Initiative wäre.

Die Staaten, die keine AKWs wollen, sind in der Mehrheit. Es kann nicht sein, dass diese immer unter dem Diktat der wenigen Atomkraftbefürworter, die es noch gibt, ste­hen müssen. (Beifall bei den Grünen.) Auch hier geht es darum, selbstbewusst aufzu­treten, auch auf europäischer Ebene glaubhafte Anti-Atompolitik zu machen, glaubhaf­te österreichische Anti-Atompolitik zu machen und, wie gesagt, auch gemeinsame Ini­tiativen mit anderen Staaten zu setzen.

Heute gab es schon die erste Gelegenheit dazu, die Frau Präsidentin hat es angespro­chen. Mich würde interessieren, Herr Minister, wie Sie gegenüber dem tschechischen Ministerpräsidenten aufgetreten sind. Soweit ich gehört habe, war er unseren Argu­menten gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. Aber es geht einfach darum, ganz nach­drücklich die Position des österreichischen Parlaments zu übermitteln – ich hoffe, dass das auch die österreichische Regierung so sieht – und jedenfalls auch klarzumachen, dass die österreichische Bevölkerung keine Atomkraft möchte, weder Atomkraft in Ös­terreich haben möchte noch Atomkraft importieren möchte, und auch keine Risiko-Re­aktoren an unseren Grenzen. Ich fordere Sie auch auf, das entsprechend dem tsche­chischen Ministerpräsidenten und allen anderen Atomkraft-Befürwortern, die es immer noch gibt, mitzuteilen.

Im Übrigen bin ich der Meinung: Um Umweltpolitik weiter voranzubringen, brauchen wir in Österreich ein eigenständiges, starkes und engagiertes Umweltministerium! (Beifall bei den Grünen.)

17.06


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


17.06.10

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon sehr stolz darauf, dass wir nun, nach einer fast einjährigen Verhandlungsrunde, diesen Fünf-Parteien-Antrag zustande gebracht haben. Er ist sicher ein Kompromiss eines in der langen Tradition der österreichischen Anti-AKW-Politik stehenden Konsenses und teilweise auch der Versuch, unzählige Oppositionsanträge, die im Umweltausschuss zu behandeln waren, in einem einzigen Antrag zu integrieren.

Wir haben versucht, all jene Anträge, die in diesen Fünf-Parteien-Antrag inhaltlich hi­neinpassen, mitzuerledigen, haben keinen Antrag vertagt, sondern sehr offen diskutiert und gesagt: Was wir gemeinsam formulieren können, packen wir in diesen Antrag hi­nein! – Das ist natürlich, wie es in der Politik so ist, ein politischer Kompromiss. Aber auf diesen können wir, glaube ich, alle sehr stolz sein. Die anderen Anträge wurden von der Mehrheit des Umweltausschusses abgelehnt.

Ich möchte mich eingangs sehr herzlich bei denjenigen bedanken, die eigentlich die Initialzündung für diese politische Initiative gesetzt haben: Es waren „Global 2000“ auf


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der einen Seite und die Österreicherinnen und Österreicher auf der anderen Seite. Mehr als 700 000 Österreicherinnen und Österreicher haben diese Petition unterschrie­ben, und die Klubvorsitzenden haben stellvertretend für die Politik diese Petition unter­zeichnet. Wir haben ein sehr ausführliches, inhaltlich hervorragendes Hearing mit den Experten und den Umweltorganisationen im Petitionsausschuss durchgeführt und schlussendlich diesen Fünf-Parteien-Antrag formuliert. Ich möchte stellvertretend für das ganze Team von „Global 2000“ Dr. Klaus Kastenhofer sehr, sehr herzlich danken, die Meinung der Österreicherinnen und Österreicher zur Anti-AKW-Politik aufgegriffen zu haben.

Mein Dank gilt auch den Umweltsprecherinnen und Umweltsprechern, den Kollegen Schultes, Brunner, Hofer und Widmann. Es waren harte Verhandlungen, manchmal an der Kippe zum Abbruch, aber ich glaube, der österreichische Anti-AKW-Konsens hat gesiegt. Ich sehe das ebenso als einen weiteren Meilenstein, weil er einerseits unse­rem Nationalrat den Auftrag gibt, weiterhin aktiv und offensiv in Österreich, in Europa und global gegen die Nutzung der Kernenergie aufzutreten, und sich andererseits an die Regierung richtet, in Anerkennung dessen, was diese Bundesregierung in diesem Bereich geleistet hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Anti-AKW-Gipfel des Bundeskanzlers und auch an seine Initiative, gemeinsam mit den Umweltorganisa­tionen zu vereinbaren, Österreich ab 2015 von jeglichem Import von Atomstrom freizu­machen.

Dieser Antrag ist aber gleichzeitig auch Unterstützung für und Auftrag an alle, die politisch tätig sind – die Bundesregierung, Abgeordnete, Umweltorganisationen und NGOs –, gemeinsam diesen in der österreichischen Tradition der Anti-AKW-Politik vor­handenen Mainstream innerhalb der Bevölkerung politisch mitzutragen, verstärkt auch gegenüber denjenigen aufzutreten, die glauben, dass die Ereignisse von Fukushima leicht wieder vergessen werden.

Die Sozialdemokratie steht in der Tradition der Anti-AKW-Politik, und ich bin sehr froh, dass wir diesen Antrag heute einstimmig beschließen können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


17.10.01

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ein guter gemeinsamer Anti-Atomantrag macht noch lange keine gute Anti-Atompolitik dieser Bundesregierung – das sei einmal einleitend festgehalten (Beifall beim BZÖ) –, denn die Bemühungen seitens der Opposition, aber auch vieler NGOs in den letzten Jahren haben gezeigt, dass sie bisher bei dieser Bundesregierung auf taube Ohren gestoßen sind, wie wir es in einer Umweltausschusssitzung vor einigen Wochen, wo wir diesen gemeinsamen Antrag endformuliert und einstimmig beschlossen haben, wieder erlebt haben, als gleichzeitig viele Anträge der Opposition, die in Summe in diesen Antrag eingeflossen sind, von dieser Regierung abgelehnt wurden. Da frage ich mich schon, warum man diese guten Einzelanträge der Opposition, die zum Teil noch viel weiter gehen, verhindern will und bemüht ist, einen gemeinsamen Antrag mit dieser Regie­rung zu machen.

Aber ich sage auch: Der Wille steht für das Werk, und wir akzeptieren und respektieren das auch! Doch das Entscheidende wird sein, dass diesen Ankündigungen auch ganz konkrete Taten folgen. Da sage ich gleich vorweg: Spätestens in drei Monaten bekom­men Sie, Herr Minister, von mir eine schriftliche Anfrage, was denn von diesen Punkten alles umgesetzt worden ist. Da wollen wir dann, noch vor der Nationalratswahl, wissen, ob Sie auch bereit sind, diesen Antrag gemeinsam mit Ihren Regierungskollegen ent­sprechend umzusetzen.


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Der vorliegende Antrag ist an sich ja kein schlechter, denn: Da geht es um die Um­setzung und Aussetzung von Rechtsmitteln. Da geht es darum, politischen Druck zu erzeugen. Da geht es um die Revision des Euratom-Vertrages. Da geht es auch da­rum, gegenseitige Informationsabkommen abzuschließen, um die tatsächliche Situa­tion zu erfahren.

„Atomstopp-Oberösterreich“ hat das aufgezeigt: 2007 wurden von 20 INES-1-Fehlern beziehungsweise -Störfällen, die in Temelín stattgefunden haben, gerade einmal ein Drittel gemeldet. 14 wurden nicht gemeldet. Da stellt sich dann schon die Frage, was solche Abkommen noch wert sind.

Wir reden in diesem gemeinsamen Antrag auch über die Subventionierung der Atom­kraft, die in vielen Bereichen unzulässig ist, auch über die Haftungen, über die Versi­cherungen, die in Wirklichkeit der Steuerzahler in den jeweiligen Staaten der Standorte übernimmt.

Ich komme jetzt auf zwei ganz konkrete Anträge des BZÖ zu sprechen.

Erstens: Vertragsverletzungsverfahren gegen Temelín. – Was hindert Sie daran, ein solches einzuleiten? Sie wissen ganz genau, dass die Erweiterung des AKW Temelín um zwei weitere Blöcke EU-rechtswidrig war, und zwar nach dem alten UVP-Recht stattgefunden hat, also nicht EU-konform war. Es wird auf Teufel komm raus gebaut, obwohl jeder Energieexperte weiß, dass nach Fertigstellung dieses Monsterkraftwer­kes in Temelín ein Drittel des tschechischen Stromes für den Export bestimmt ist und nicht für den Eigenbedarf. – Das sind Dinge, die man abstellen sollte. Aber da tut die Regierung nichts. Sie leitet kein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Nächstes Beispiel: Mochovce. – Genau dieselbe Situation: Auch da strengen Sie kein Vertragsverletzungsverfahren an.

Ich erinnere Sie auch daran, dass im Jahr 2000 der Nationalrat einstimmig beschlos­sen hat, das „Energiekapitel“ mit Tschechien nicht abzuschließen. Da gibt es noch of­fene Sicherheitsfragen. Damals waren sieben große Sicherheitsfragen zu klären. Man hat beschlossen, das nicht abzuschließen. Was ist passiert? – Temelín ist in Vollbe­trieb gegangen, und Sie haben zugesehen – bis dann am 14. Dezember 2006 hier in diesem Hohen Haus wiederum einstimmig beschlossen worden ist, völkerrechtliche Schritte einzuleiten. Doch Sie haben dem wieder nicht Folge geleistet.

Was will ich damit sagen? – Ich habe große Sorge, dass wir nun nach den Sonntagsre­den der Regierungsparteien zwar einen schönen Antrag formuliert haben, dass aber die Umsetzung auf sich warten lassen wird. Doch was macht der gewiefte Bürger, der sich zur Wehr setzen will? – Er macht das so wie der Rainer Widmann: Er bringt eine Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen den Ausbau von Temelín ein. Ich bin nämlich entgegen der Annahme von Tschechien zu­tiefst davon überzeugt, dass radioaktive Strahlen grenzüberschreitend sind, was inzwi­schen jedes kleine Kind weiß. Offenbar weiß das aber diese Regierung noch immer nicht.

Ich bringe eine Individualbeschwerde ein, weil ich mich in meinem Leben bedroht fühle, wie auch Zehntausende, ja Hunderttausende Menschen in Oberösterreich, und weil es gegen unsere Gesundheit und gegen unser Eigentum hier im schönen Österreich geht. Dass Sie von der Regierung das machen, hätte ich mir erwartet, und es nicht den Men­schen überlassen, Privatklagen und Individualbeschwerden einzubringen, und sie auf weiter Flur alleine lassen.

Diese Dinge gilt es zu diskutieren. Wir tragen das mit, wenn Sie es jetzt machen. Sie haben nämlich den Blankoscheck für eine gerichtliche und auch rechtliche Auseinan­dersetzung mit den Nachbarländern. Das steht im gemeinsamen Antrag so drinnen. Da bin ich schon gespannt, was diesbezüglich in den nächsten Tagen kommen wird.


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Oder: Unser Antrag in Richtung EuGH, eine Klage gegen den Wettbewerbsverstoß. – Ja was ist denn damit, dass die Haftungen für die großen Atomkonzerne und Milliar­densubventionen die Allgemeinheit zahlen muss und damit die erneuerbare Energie konkurrenziert wird? Da frage ich mich dann schon, Herr Minister: Warum unterneh­men Sie in dieser Sache nichts? Da kommt geltendes EU-Recht zum Tragen, und ich bin dafür, dass man EU-Recht auch einhalten soll.

Oder: Euratom, wo immer wieder das Argument bemüht wird: Wir wollen dabei sein, wir wollen mitreden können! – Na wo reden wir denn da mit? Was hat Euratom bis heute gemacht? Sicherstellen, dass Atomkraftwerke, die in Betrieb sind, sicher sind. Vielleicht oder auch nicht, wenn irgendwelche Schrottreaktoren länger am Leben erhal­ten werden. Aber in Wirklichkeit geht es nicht um den Ausbau der erneuerbaren Ener­gien in Europa. Das wäre das Einzige, was zweckdienlich und richtig wäre.

Ich erwarte also von Ihnen nicht nur eine aktive Anti-Atompolitik, sondern auch, dass Sie mit nationalen Maßnahmen den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Sie wissen genau, dass das Umweltbudget im nächsten Jahr um ein Drittel sinkt, und zwar von rund einer Milliarde auf 650 Millionen €. 350 Millionen €, die bisher für soge­nannte JI/CDM Programme, CO2-Zertifikate ausgegeben worden sind, um die Klimabi­lanz zu schönen, sind nun frei geworden.

Warum nehmen Sie diese Mittel nicht her, um in Österreich erneuerbare Energie mas­siv auszubauen und unser Land umweltfreundlicher zu machen? Das wäre der richtige Ansatz! Darüber sollten Sie auch nachdenken. (Beifall beim BZÖ.)

17.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


17.15.49

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ge­schätzte Damen und Herren! Dieser Fünf-Parteien-Antrag ist sicherlich ein großer Schritt für uns, geht es doch dabei letztendlich um den europaweiten Ausstieg aus der Atomkraft und unter anderem auch um die Sicherheit der AKWs, die noch im Betrieb sind, Stichwort: Stresstest. Da war unser Minister federführend dabei, diese Maßnah­men voranzutreiben.

Aber es geht auch um die Lagerung des Atommülls. Wir wissen ganz genau, auch wenn wir in Zukunft die Atomkraft nicht nutzen werden, so werden doch unsere Kinder und unsere Enkel nach wie vor mit dem Problem der Endlagerung konfrontiert sein, und das gibt uns sicherlich zu denken.

Aber eines ist klar: sich einfach dagegen auszusprechen, zu sagen: Das wollen wir nicht!, ist zu wenig, sondern wir müssen auch über Alternativen reden, wie etwa über erneuerbare Energieformen. Diese müssen wir noch stärker vorantreiben. Da haben wir mit dem neuen Ökostromgesetz, mit der Erhöhung der budgetären Mittel, die ver­doppelt wurden, einen großen Schritt getan und einen weiteren Meilenstein gesetzt. Aber das heißt noch lange nicht, dass dann, wenn das Fördervolumen verdoppelt wird, automatisch die erneuerbaren Anlagen dementsprechend mit wachsen und sich mit entwickeln. Wir wissen ganz genau, dass es immer wieder Unstimmigkeiten gibt, wenn es darum geht, Anrainerinteressen und Naturschutzinteressen unter einen Hut zu brin­gen.

So haben wir zum Beispiel in Oberösterreich versucht, beim Thema „Windkraft“ einen Masterplan zu erstellen, wo man versucht hat, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Leider Gottes ist dieser gemeinsame Nenner ein ziemlich kleiner geworden. Wenn wir wissen, dass in Oberösterreich zurzeit nicht einmal 30 Windkraftanlagen in Betrieb sind, während in Niederösterreich über 300 Anlagen für atomstromfreie Energie sor­gen, dann ist uns klar, dass wir da noch Potenzial haben.


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Daher meine Aufforderung: Mehr Mut zu haben, diesen Masterplan nochmals zu über­denken, damit wir unsere Vorreiterrolle auch sichern können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.18


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Tadler. – Bitte.

 


17.18.05

Abgeordneter Erich Tadler (STRONACH): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Erst im heurigen Frühjahr wurde eine Studie des renom­mierten Max-Planck-Institutes bekannt, wonach die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Super-GAU deutlich höher berechnet wurde, als bisher angenommen, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren.

An den Ost- und Südgrenzen unserer Republik sehen wir, wie wir heute schon gehört haben, deutlich, wie alte, ja uralte Schrottreaktoren die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung gefährden. Aus diesem Grunde wurde wahrscheinlich auch bei uns an der Salzburger Grenze Isar 1 heruntergefahren, wobei es beim Herunterfahren auch noch Probleme gegeben hat.

Diese Tatsache spiegelt sich auch, wie heute schon erwähnt wurde, in den 700 000 Un­terschriften wider. Dafür möchte auch ich mich herzlich bei „Global 2000“ bedanken.

Weltweit ticken aber heute noch 438 solcher AKW-Bomben um uns herum, an ver­schiedenen Standorten. Der Ansatz mit dem Stresstest war ein richtiger Schritt, doch die Ausgestaltung und die Umsetzung dieses europaweiten Tests spricht nicht unbe­dingt für sich. In dieselbe Kerbe schlägt auch die abschließende Stellungnahme des grenzüberschreitenden UVP-Berichtes für das slowakische Atomkraftwerk Mochovce. In diesem Bericht werden allerdings die grenzüberschreitenden Auswirkungen eines Störfalles völlig negiert und ausgeschlossen. Laut Ihnen, Herr Bundesminister, sei das Vorgehen, vor allem jenes der Slowakei, in dieser Hinsicht ein Affront gegen Öster­reich. Das ist auf das Allerschärfste zu verurteilen, wie Sie das auch festgestellt haben.

Die Katastrophe von Fukushima ist wohl allen Anwesenden noch gegenwärtig, wobei die wirklichen Langzeitauswirkungen davon noch nicht einmal abgeschätzt werden können. Bezüglich Mochovce, 160 Kilometer von Wien entfernt, möchte ich mir nicht vorstellen, welche Auswirkungen ein Störfall oder ein Super-GAU dieses Atomkraftwer­kes auf Österreich und vor allem auf den Großraum Wien haben könnte.

In diesem Zusammenhang ist die Entschließung des Umweltausschusses ein erster Schritt, dem noch viele folgen sollen. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass aus dem Fünf- ein Sechs-Parteien-Antrag wird – das soll aber kein weiteres Jahr mehr dauern. Danke sehr. (Beifall beim Team Stronach.)

17.20


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich zu Wort. – Bitte.

 


17.20.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag enthält eine Reihe von sehr wichtigen Punkten und ist damit eine wertvolle Unterstützung der Anti-Atompolitik der österreichischen Bun­desregierung. Ich kann Ihnen versichern, dass wir diese Politik konsequent und zielge­richtet umsetzen, und einige Punkte, die in dem Antrag enthalten sind, verfolgen wir bereits, sowohl auf europäischer Ebene als auch weltweit.

Die Katastrophe von Fukushima hat eindeutig gezeigt, dass Atomkraft nicht sicher ist, und alle, die das behaupten, sind einmal mehr Lügen gestraft worden – und das im


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Jahr 25 nach Tschernobyl. Viele Menschen sagen zu Recht, die Menschheit wird nicht klüger und setzt nach wie vor auf Atomkraft, heute mehr denn je, weil Energie immer teurer wird, und viele Staaten – denken Sie an China, Indien und andere – Energie brauchen und daher verstärkt auf Atomkraft setzen.

Wir sagen klar Nein dazu. Österreich hat eine lange Tradition, weil die österreichische Bevölkerung sich damals dagegen ausgesprochen hat. Wir wurden bisher in Europa etwas belächelt, dass wir die Atomkraft nicht nutzen und damit sozusagen Modernität zeigen, aber durch Fukushima wurden wir leider in unserem Weg bestätigt.

Oberste Maxime für uns ist die Sicherheit der österreichische Bevölkerung. Die Wahl der Energie ist nationales Recht, das heißt, jeder europäische Staat kann die Energie­form wählen, die er für richtig hält. Aber es gibt auch einen grenzüberschreitenden Si­cherheitsanspruch, und damit ist klar, dass sich Österreich bei allen Verfahren beteiligt, die grenzüberschreitend sind. Wenn eben ein Nachbarland ein Atomkraftwerk errichtet, ist klar, dass Österreich an den grenzüberschreitenden UVP-Verfahren teilnimmt und die Sicherheitsinteressen der österreichischen Bevölkerung wahrnimmt.

Das gilt auch für eine Endlagersuche. Hier wurde angesprochen, dass Tschechien ein Endlager für seinen atomaren Müll sucht. – Das ist richtig, aber die Suche geht schon seit Jahren und Jahrzehnten, und dort ist es in Wahrheit genau so, wie es in Österreich wäre. Wenn Tschechien sagt: Hier wäre ein möglicher Standort!, sagt die dortige Be­völkerung: Nein, nicht hier bei uns! – Das heißt, diese Suche gestaltet sich für die Tschechen als sehr schwierig. Aber klar ist, sobald Tschechien beginnt, ein Verfahren abzuwickeln, und sagt, hier wollen wir einen Standort machen, ist Österreich bei diesen Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren dabei und bringt die österreichischen Interes­sen ein.

Hier wurde auch erwähnt, dass wir uns nicht widersetzen. – Wir tun das sehr wohl!

Betreffend Tschechien und das UVP-Verfahren: Tschechien wurde verurteilt, weil es die UVP-Richtlinie nicht umgesetzt hat. Die Europäische Union ist die Hüterin der Ver­träge und setzt sich auch hier ein; Österreich unterstützt die Europäische Union dies­bezüglich.

Gegen die Slowakei läuft ein Verfahren wegen Nichteinhaltens der UVP-Richtlinie. Auch da ist Österreich dahinter, dass die Europäische Union, die auf die Einhaltung der Verträge pochen muss, genauso harte Maßstäbe anlegt.

Wir haben aber die Konsequenzen gezogen. Als im Vorjahr Fukushima passiert ist, haben viele Menschen in Österreich gefragt: Na, wie steht es denn um die Sicherheit der Atomkraftwerke rund um uns und in Europa? Österreich war federführend: Wir ha­ben die Stresstests auf europäischer Ebene initiiert, Kommissar Oettinger hat sie dann umgesetzt. Es war Österreich jener Staat, der sehr vehement gedrängt hat, dass das penible und konsequente Stresstests sind.

Jetzt liegt der Endbericht vor, und man muss sagen, die Stresstests waren gut, aber sie waren nicht gut genug, denn das, was wir wollten und was sich die Menschen in Österreich – und ich behaupte: auch in Europa – erwarten, ist, dass jedes einzelne Atomkraftwerk in Europa bewertet wird: Wie sicher ist es? Wie sind die Standards? Wo gibt es Nachrüstbedarf? – Das ist nicht erfolgt, daher sind wir nicht zufrieden. Der Zeit­raum, in dem die Europäische Kommission die Atomkraftwerke überprüft hat, war zu kurz. Das muss man kritisch anmerken, daher sind wir hier noch nicht am Ende der Reise angelangt.

Aber all den Unkenrufen zum Trotz, die viele – leider auch Oppositionsparteien und NGOs – geäußert haben: Dass Österreich mit den Stresstests sozusagen ein Weißwa­schen der Atomkraftwerke, der Atomlobby will, ist lächerlich. Das ist lächerlich! Die ös-


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terreichische Bundesregierung hat sofort nach Fukushima einen Aktionsplan gegen die Atomkraft beschlossen, wo wir gemeinsam auftreten.

Der Sinn der Stresstests – das sagen auch kritische Wissenschaftler – hat den Punkt getroffen, nämlich dass die Atomlobby erstmals eingestanden hat: Ja, es gibt Probleme bei den Atomkraftwerken und wir müssen uns einer Überprüfung stellen. – Und was gleichfalls herausgekommen ist – auch wenn wir damit nicht zufrieden sind –, ist, dass bei allen europäischen Atomkraftwerken Verbesserungsbedarf besteht, und das ist ein Fortschritt.

Das ist ein sehr zäher, harter Weg, denn da gibt es viel Widerstand in Europa. Jene, die auf Atomkraft setzen, wollen sich nicht ins Handwerk pfuschen lassen, aber wir un­terstützen Oettinger auf diesem Weg.

Ich bin der Meinung, dass wir auch ein europäisches Nuklearsicherheitssystem entwi­ckeln müssen. Wir müssen die Lehren aus Fukushima ziehen! Die Menschen haben ein Recht darauf, zu sagen, wir müssen hier Vorkehrungen treffen. Auch wenn die Wahl der Energieform nationales Recht ist, so muss doch Europa gemeinsam schau­en, dass man Unfälle verhindert und dass die Menschen Sicherheit haben.

Daher ist auch unsere Forderung klar – das ist ja nicht mit diesen Stresstests zu Ende –: Diese haben einen Nachrüstbedarf von in etwa 10 bis 25 Milliarden € ergeben. Jetzt geht es darum, den nächsten Schritt zu setzen, nämlich dass die einzelnen Mit­gliedstaaten, die Atomkraftwerke haben, Aktionspläne entwickeln, wie sie die Mängel bei den AKWs beheben.

Das ist keine ausgemachte Sache. Da ist wichtig, dass die Regierungschefs auch han­deln. Diese werden den Endbericht zu den Stresstests bekommen, und Österreich wird da darauf drängen, dass entweder AKWs abgeschaltet oder nachgerüstet werden, ganz klar – egal, was es kostet –, denn bei der Sicherheit darf nicht gespart werden. Da gibt es keine Kompromisse.

Wir haben uns auch bereits wenige Monate nach Fukushima bemüht, eine Plattform in Europa zu bilden. Ich habe jene Staaten in der EU und auch jene in Europa, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind, nach Wien eingeladen, um eine Anti-AKW-Platt­form zu bilden. Sie sind nach Wien gekommen und wir haben vereinbart, weiterzuar­beiten.

Man muss aber kritisch anmerken, dass der Elan mancher Staaten nachlässt, weil Fu­kushima auch nicht mehr so in den Schlagzeilen ist und es daher offensichtlich nicht mehr ein solches Thema ist. – Österreich lässt nicht nach: Ihr Antrag ist wichtig und eine wichtige Unterstützung, auf diesem Weg weiterzugehen und uns Partner in Euro­pa zu suchen.

Aber man hat auch Erfolge, denken Sie beispielsweise an Deutschland: Deutschland steigt aus der Atomkraft aus, für ein Hochindustrieland ist das schon ein beachtlicher Schritt. Die Energiewende dort – man liest und sieht es permanent in den Medien – ist kein einfacher Weg, aber ein politisch richtiger. Die Schweiz hat gesagt, sie baut die Atomkraft nicht aus. In Italien hat die Bevölkerung beschlossen, nicht in die Atomkraft einzusteigen. – Das heißt, wir werden mehr auf unserem Weg in Richtung eines Euro­pa ohne Atomkraft. Das wird aber nicht von heute auf morgen gehen.

Abschließend: Man hat in Japan, als Fukushima passiert ist, gesehen, dass die Notfall­pläne sozusagen nicht so optimal gelaufen sind. Aus diesem Anlass haben wir initiiert, dass wir in Österreich die Notfallpläne, die wir auf Bundesseite und in den Bundeslän­dern haben, überprüfen. Wir vom Lebensministerium haben gemeinsam mit der Innen­ministerin und mit den Bundesländern vor wenigen Wochen eine Notfallübung veran­staltet, um zu überprüfen, wie funktionstüchtig unsere Notfallpläne sind, wenn – Gott


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bewahre – ein Vorfall bei einem Atomkraftwerk in Europa passiert, und wie die Organi­sationen zusammenarbeiten, also, Feuerwehr, Bundesheer, Rotes Kreuz, Polizei und die anderen Hilfsorganisation bis hin zu den Zivilschutzeinrichtungen.

Man kann jetzt als Quintessenz Folgendes sagen: Die Übung wurde in mehreren Stu­fen abgehalten, auch in einer Feldübung, und sie hat ergeben, dass die Notfallpläne funktionieren, dass die Behörden gut aufeinander abgestimmt sind und dass die öster­reichische Bevölkerung die Botschaft hören kann, dass wir vorbereitet sind für einen Fall, der hoffentlich nie eintritt, aber die Notfallvorsorge funktioniert. Das ist wichtig und das ist auch ein Teil der Sicherheitspolitik für die österreichische Bevölkerung. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


17.29.02

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Im vorigen Jahr war Atom­energie, aber auch Anti-Atompolitik – nicht zuletzt durch die katastrophalen Vorfälle in den japanischen Atomkraftwerken von Fukushima und die Unsicherheit über bestehen­de Atommeiler – immer wieder Thema in der öffentlichen Debatte.

Durch die damaligen Vorfälle flammte nicht nur in Österreich, sondern vor allem auch im Ausland der Wunsch nach einem umfassenden und vor allem endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft auf. Wirklich erfreulich ist jedenfalls die eindrucksvolle Zahl an Un­terstützerinnen und Unterstützern der Petition „Zum weltweiten Atomausstieg – Ab­schalten! Jetzt!“, die mit ihren Unterschriften ganz klar den Weg der österreichischen Regierung bekräftigt haben.

Ich denke an die Vorfälle vom 11. März 2011, an das Erdbeben mit der Stärke 9, an dessen Folgen, an den verheerenden Tsunami, und an die vielen Toten in Japan. Ich denke aber auch an die Auswirkungen auf die japanischen Atomkraftwerke und an die Kernschmelze in mehreren Reaktoren. Die Kostenschätzung für die Stilllegung und den Abbau der Atomreaktoren in Japan ergab einen Kostenpunkt von über 10 Milliar­den € und eine Umsetzungsdauer von fast 40 Jahren.

Sehr geehrte Damen und Herren, Österreich setzt auf erneuerbare Energien, insbe­sondere Wasserkraft und Windkraft. Speziell in Niederösterreich haben wir ein realis­tisches Leistungspotenzial bei den Windkraftanlagen von über 1 500 Megawatt. In mei­ner Region ist ein Großteil dieses Potenzials vorhanden, und es werden auch gerade viele Anlagen errichtet beziehungsweise stehen diese im Planungsstadium.

Wir dürfen hier aber nicht nur die Errichtung diskutieren, sondern wir müssen auch die Stromnetze erneuern, in intelligente Ansätze investieren, vor allem in Elektromobilität, aber auch in die sogenannten intelligenten Stromnetze. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.31


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gartelgruber. – Bitte.

 


17.31.20

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kollegen! Ja, auch ich begrüße heute hier diesen Fünf-Parteien-Antrag. Ich glaube, es ist uns gelungen, damit auch ein Zeichen in der Antiatompolitik zu setzen, um hier ei­nen raschest möglichen Ausstieg aus der Kernenergie zu beschließen. Aber ich schlie­ße mich auch der Forderung meiner Kollegin Brunner an: Dies soll nur ein Arbeitsauf­trag für Sie sein, Herr Minister.


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Meine Vorredner haben auch schon angesprochen, dass Ausgangspunkt die Petition „Zum weltweiten Atomausstieg – Abschalten! Jetzt!“ war, die von 703 000 Österreiche­rinnen und Österreichern unterzeichnet wurde. Fünf Parteien – wie ich jetzt gehört ha­be, sechs Parteien – im Haus sehen die Notwendigkeit, hier gemeinsam für Österreich ein Zeichen zu setzen.

Ich möchte aber an dieser Stelle auch an das Euratom-Volksbegehren erinnern. Leider haben die Initiatoren die Grenze von 100 000 Unterschriften nicht erreicht. Die Abgabe­frist lief nur ein paar Tage vor der furchtbaren Katastrophe in Fukushima aus. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Volksbegehren sehr viel mehr Unterstützung erhalten hätte, wäre es noch länger gelaufen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Ini­tiatoren des Euratom-Volksbegehrens herzlich bedanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich muss aktiv für die EU-weite Stillle­gung besonders von Schrottreaktoren und gegen eine Laufzeitverlängerung eintreten. Herr Minister, Sie haben gesagt, der Stresstest ist jetzt das, was aufgrund Ihrer Initia­tive herausgekommen ist. – Ich finde, wenn wir uns das anschauen, sagt das ja nur aus, dass die Atomkraftwerke jetzt länger Zeit haben nachzurüsten, und es ist meiner Meinung nach kontraproduktiv, wenn wir heute eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren haben. Hier wird ein Problem eigentlich nur prolongiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister! Mit diesem Antrag liegen 24 konkrete Maßnahmen vor, die Ihre Initiative europaweit unterstützen sollen, aber ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ganz ersparen, dass dies meines Erachtens nur ein kleines Placebo ist. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die Oppositionsanträge abgelehnt wurden, insbesondere auch der An­trag meines Kollegen Norbert Hofer bezüglich eines Atommüllrestlagers in Bohunice.

Sie haben hier auch schon das grenzüberschreitende Sicherheitsbewusstsein in Euro­pa angesprochen: Dieses Atommüllrestlager soll nur 60 Kilometer von der burgenländi­schen Grenze erbaut werden, und das spricht ja auch dafür, dass das AKW Bohunice ausgebaut werden soll. Da erwarte ich mir auch von Ihnen, dass Sie sich massiv da­gegen einsetzen. Und um wirklich glaubwürdig zu sein, sind Sie gefordert, dieses Pro­jekt zu verhindern. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Ich fordere auch die Kollegen von SPÖ und ÖVP auf, unsere Oppositionsanträge nicht abzulehnen, denn diese sind sehr sinnvoll und beinhalten auch wichtige Bemühungen, damit dieser Fünf-Parteien-Antrag, den wir heute beschließen, nicht nur zu einem Lip­penbekenntnis verkommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

17.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


17.34.52

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Wir setzen heute einen gemeinsamen Schritt zu einem atomstromfreien Österreich und zum weltweiten Atomausstieg. Dies sollte vor allem auch ein gemeinsames Zeichen der Geschlossenheit nach außen sein.

Es wurde schon erwähnt: Heute wurde diese Geschlossenheit gegenüber Tschechien auch schon demonstriert, denn wir in Österreich – und das kommt auch bei den Rede­beiträgen durch – sind uns ja einig. Die Überzeugungsarbeit sollten wir nach außen, gegenüber dem benachbarten Ausland und innerhalb der Europäischen Union, leisten.

Dieser heutige Beschluss, und das wurde auch schon gesagt, trägt ganz wesentlich die Interessen der österreichischen Bevölkerung weiter und transportiert vor allem auch die zahlreichen Resolutionen, die viele Gemeinden und viele Bürger an uns gerichtet


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 158

haben – auch meine Gemeinde –, dass wir das ernst nehmen sollen, dass auch die ös­terreichische Bevölkerung den Atomkurs Österreichs und der österreichischen Bundes­regierung mitträgt.

Und es ist, glaube ich, notwendig, dass wir unsere Bundesregierung und unseren Bun­desminister auch unterstützen, wenn es darum geht, substanziell etwas weiterzubrin­gen und Verbesserungen zu erwirken. Ich glaube nämlich, dass es nicht angebracht ist, das Atomthema hier in diesem Haus für parteipolitische Profilierung zu nutzen, son­dern wir sollten hier wirklich gemeinsam an substanziellen Verbesserungen arbeiten. (Abg. Neubauer: Da ist auch nichts zum Profilieren!)

Ich möchte aber bei all dem Bemühen zum weltweiten Atomausstieg – und das auch als Zivilschutzverband-Präsident in Oberösterreich – ganz vehement auf das Thema Atomsicherheit hinweisen, und ich glaube, auch da sollten wir entsprechende Schritte setzen. Aktuelle Umfragen zeigen uns, dass die Bevölkerung, wenn man sie fragt, vor welchen Gefahren und welchen Bedrohungen sie Angst hat, als erstes Thema ganz wesentlich die Angst vor einem Atomunfall nennt. Und ich glaube, da müssen wir wirk­lich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken und hier Schritte setzen.

Mit dem Schritt, den der Herr Bundesminister mit den Stresstests bewirkt hat, haben wir, glaube ich, aufzeigen können, dass die Sicherheit von Atomkraftwerken verbesse­rungswürdig ist. Da sind jetzt auch Schritte zu setzen, es sind nämlich die Hochrisiko­reaktoren abzuschalten und alle anderen nachzurüsten. Ich glaube, das sind wir unse­rer Bevölkerung schuldig, denn wir müssen die Sicherheit der Bevölkerung auch da bestmöglich garantieren.

Mit diesem heutigen Beschluss setzen wir ein gemeinsames Zeichen für die Steige­rung der Sicherheit von AKW, für den Ausstieg aus der Atomkraft und vor allem auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

17.37


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


17.37.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Zu Beginn noch einmal ein großes Danke­schön an die Initiatoren der Petition, Global 2000. Diese Petition hat wirklich eine sehr gute Geschichte, muss ich sagen, weil sie gezeigt hat, dass die Instrumente, wenn man sie aktiv nutzt und wenn genug Druck entsteht, sehr wohl im Parlament auch wirk­lich zu gemeinsamen Initiativen werden können, die auch, wie man in der Stellungnah­me des Ministers gesehen hat, zumindest einmal stante pede ernst genommen wer­den. – Zu den Details komme ich später.

Was ich aber auch noch erwähnen will und was wir nicht unterschlagen sollten, ist – und das finde ich bemerkenswert –, dass es zig Kommunen, also zig Gemeinden ge­geben hat, die Resolutionen gemeinsam, auch parteiübergreifend, in Gemeinderäten beschlossen haben, und diese Petitionen wurden auch im Parlament be- und verhan­delt und mit dieser Petition miterledigt. Ich finde das sehr bemerkenswert, weil es zeigt, dass auch auf kommunaler Ebene die Bereitschaft der Politik da ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wenn es um Lebensinteressen der Regionen geht, wenn es um die Lebensinteressen zum Beispiel von Mühlviertler Gemeinden geht, die direkt die Erstbetroffenen sind.

Damit sind wir schon bei den konkreten Problemen. Der Herr Minister hat ja auch selbst die Frage der Endlagerung angesprochen, die völlig offen ist – ein offenes The­ma von Zigtausenden Jahren –, die eigentlich, wenn man es nüchtern betrachtet, eine


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gar nicht lösbare politische Frage darstellt, denn man müsste eigentlich Lagerungssys­teme entwickeln, die auch sozusagen jenseits politischer Stabilitäten halten, in der Realität praktisch halten. Denn was ist, wenn das Geld nicht mehr da ist, um solche Lagerstätten permanent zu überwachen, wenn es einmal wirklich durch Naturkatastro­phen oder ähnliche Dinge über Jahrzehnte unmöglich ist, Zugang zu diesen Dingen zu haben? – Das scheint mir einer der zentralen Punkte, wo wir, wenn wir das durchden­ken, wieder sicher sind, dass unser Weg, ein atomkraftfreies Europa zu entwickeln, der richtige Weg, der sichere Weg ist.

Da, Herr Minister, ginge es auch noch um ein paar Dinge, die wir in Oberösterreich zum Beispiel mehrfach begonnen haben offensiv anzuziehen und die man auf europäi­scher Ebene massiv vorantreiben müsste, nämlich unter anderem die Frage der Kos­tenwahrheit. Die Kostenwahrheit bei der Stromproduktion ist derzeit nicht gewährleis­tet. Die Illusion der tschechischen Politik ist doch die, dass der Atomstrom wirklich der billigere Strom wäre! Das ist sozusagen eine absolut kurzfristige Bilanzierung, die be­rücksichtigt keine Versicherungskosten, keine allfälligen Haftungsfragen, keine Fragen der Kosten der Lagerung. Das müsste einmal in der Kostenwahrheit integriert werden. Das ist ein ganz starkes Argument, das wir unbedingt angehen sollten!

Fukushima zeigt, wie die Unternehmungen dort heute operieren. Sie sind heute in Staatseigentum, da es gar nicht anders geht. Diese Haftungssummen sind durch pri­vate Firmen nicht zu decken. Und genau da müsste unsere Kritik in Europa ansetzen, letztlich trifft es ja wieder den Steuerzahler. An diesem Punkt sollte auch die Aus­stiegskonferenz für die atomkraftfreien Staaten ansetzen – das wäre die Initiative, die wir brauchen –, an der Frage der Haftung, an der Frage der risikobasierten Einschät­zungen.

Gleichzeitig müssten wir – das steht auch im Antrag, und das finde ich ganz wichtig – die Möglichkeiten zur Einberufung einer Euratom-Vertragsrevisionskonferenz berück­sichtigen. Das müssten die zwei Elemente sein, hier eine gemeinsame Linie zu entwi­ckeln.

Herr Minister! Wenn Sie sagen, dass die Ambitionen vieler Länder nicht mehr be­sonders groß sind, da der Unfall in Fukushima schon länger vorbei ist, sage ich Ihnen klar: Dann sind wir aufgerufen, erst recht alle Anstrengungen zu unternehmen und auch aktiv einzuladen, nämlich nach Wien einzuladen, und hier die nächste Folgekon­ferenz mit einer guten Vorbereitung und mit einer offensiven Ansage zu veranstalten.

Das wäre Ihre Aufgabe. Darauf werden wir aber nicht warten, sondern wir werden das in den nächsten Monaten, und zwar im nächsten Jahr, ganz sicher von Ihnen einfor­dern. Das wird eine wichtige Nagelprobe sein, ob Sie ernsthaft bereit sind, diesen An­trag auch in der Politik zu verfolgen, ihn real umzusetzen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


17.41.45

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Dass Atomkraft nicht sicher ist, wurde uns unter anderem durch die Kernschmelze in Tschernobyl im April 1986 auf tragische Weise bestätigt.

Mit diesem Fünf-Parteien-Antrag kann Österreich sehr wohl aktiver Vorreiter im euro­päischen Raum werden. Um die Atomlobby wirksam zu bekämpfen, brauchen wir ei­nen langfristigen, raschen, aber vor allem auch ambitionierten Ausbau von Sonnen- und Windenergie sowie Energie aus Biomasse. Da muss es zu einem Umdenken kom­men.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 160

Der Gemeinsame Aktionsplan der Bundesregierung vom März 2011 hat bereits Fort­schritte gebracht. Die Sicherheitsreserven aller Atomanlagen innerhalb der EU, in der Ukraine und in der Schweiz wurden überprüft. Außerdem hat im April 2011 in Wien ein Treffen von Staaten stattgefunden, die schon auf Kernenergie verzichten.

Die gesamteuropäische Linie, die gesamteuropäische Strategie geht in Richtung Zu­rücksetzung von Atomstrom. Daher ist es sehr bedauerlich, dass Tschechien gerade den umgekehrten Weg einschlagen will, denn wirtschaftliche Interessen sollten und dürften niemals über umwelt- und sicherheitspolitischen Interessen stehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter List. – Bitte.

 


17.43.46

Abgeordneter Kurt List (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Beurteilung der Ergebnisse des Stresstests aus BZÖ-Sicht: Herr Bundesminister, Sie haben vor Kurzem gesagt, dass dieser Test für Sie nicht befriedigend ist. – Ge­schätzte Damen und Herren, das ist logisch, der EU-Stresstest für die Atommeiler ist nämlich vernichtend. Alle europäischen Atomkraftwerke haben Sicherheitsmängel, 64 Atomkraftwerke davon sind besonders gefährdet. Erdbeben- oder Tsunami-Kata­strophen wie in Fukushima würden direkt zum Super-GAU führen.

In diesem Prüfbericht wurden weitere Gefahren durch menschliches Versagen oder Terrorattacken gar nicht bewertet; das wurde nicht berücksichtigt. Aber trotzdem lässt dieser Stresstest interessante Schlüsse zu.

Beispielsweise sind dem slowenisch-kroatischen Atomkraftwerk Krško doppelt so viele Seiten gewidmet wie allen 17 deutschen Reaktoren gemeinsam. Der Schrottreaktor Krško liegt auf einer aktiven Erdbebenlinie. Es treten dort ständig gefährliche Störfälle auf. Kürzlich musste aufgrund von Kühlwasserproblemen der Schrottreaktor herunter­gefahren werden. Auslöser für die Abschaltung war das Versagen der Kühlung. Nach heftigen Unwettern in der Region war die Kühlung des Schrottreaktors durch die hoch­wasserführende Save unmöglich geworden.

Krško ist eine latente Gefahr für alle, für den Süden Österreichs, ein Sargnagel für Kärnten und die Steiermark. Wir vom BZÖ verlangen daher die sofortige Abschaltung und Stilllegung von Krško! (Beifall beim BZÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Gleichzeitig muss der Wahnsinn der Prager Regie­rung, der heute bereits diskutiert wurde, nämlich das AKW Temelín zu verdoppeln und Dukovany zu erweitern, mit allen Mitteln bekämpft werden. Das, was heute hier gesagt wurde, ist zu wenig, denn das ist eine Kriegserklärung Tschechiens an Österreich mit tickenden „Atombomben“.

Wir fordern diese gescheiterte Bundesregierung mit Ihnen, Herr Umweltminister Berla­kovich, auf, in der Europäischen Union ein Veto, massiven Protest gegen diesen mögli­chen Atomknall in Tschechien einzulegen. Das, was heute geschehen ist, ist leider zu wenig.

Aber ich glaube, dass es diesen massiven Protest leider nicht geben wird, da Sie, Herr Minister Berlakovich, eine äußerst schwache Antiatompolitik betreiben und vor den Atomstromkonzernen in die Knie gehen. Berlakovich sorgt lieber mit Steuergeldern für volle Kassen beim Bauernbund, als sich für eine aktive Antiatompolitik einzusetzen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Stimmt es nicht? Es stimmt doch, oder?

Die Sanierung der unsicheren Atommeiler wird die Konzerne vermutlich rund 25 Milliar­den € kosten. Die EU und auch Berlakovich mahnen leider nur das freiwillige Nachrüs­ten dieser Schrottmeiler ein, und das ist zu wenig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 161

Wir vom BZÖ verlangen die sofortige Nachrüstung oder Abschaltung von gefährlichen Atomreaktoren. Wir wollen diese Atomreaktoren abschalten und stilllegen – die ÖVP will diese Schrottreaktoren weiter betreiben, das ist gefährlich und verantwortungslos.

Diese gescheiterte Bundesregierung schützt die Atomlobby in Europa weiterhin. Rot und Schwarz sind dieser tödlichen Atompolitik wirtschaftlich völlig ausgeliefert – das war auch schon unter Ex-Kanzler Schüssel so. Das ist die falsche Politik und eine gro­ße Gefahr für ganz Europa.

Diese Gefahren hat das BZÖ längst erkannt. Unser Klubobmann Josef Bucher und un­ser Umweltsprecher Rainer Widmann haben daher bereits ein Maßnahmenpaket er­stellt, ein effizientes Maßnahmenpaket für eine sichere atomstromfreie Zukunft. Nur un­sere Forderungen, die Forderungen des BZÖ, garantieren langfristig ein atomenergie­freies Europa! (Beifall beim BZÖ.)

17.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.

 


17.47.53

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich ist ein wunderschönes europäisches Spitzenland. Wir haben eine tolle Kultur. Wir haben schöne Opernhäuser, Theater, eine wunderschöne Natur, die meisten Schutzgebiete auf der Welt, die besten Skigebiete. Wir haben tolle Hand­werker, innovative Industrien. Wir haben bereits einen hohen Anteil an erneuerbarer Energie, nämlich 34 Prozent. Und wir haben nun einen Fünf-Parteien-Antrag, alles in Europa zu unternehmen, um den Ausstieg aus der Atomkraft zu erreichen.

Aber müssen wir uns nicht auch einmal selbstkritisch fragen, wie Ausstieg ohne Ein­stieg geht? Haben wir den Einstieg in die Atomkraft nicht bereits 1978 in Zwentendorf erledigt? – Da sind wir übrigens auch Weltmeister: Kein anderes Land der Welt hat ein Atomkraftwerk fertiggebaut und es dann nicht in Betrieb genommen! Gott sei Dank. (Abg. Neubauer: Aber kein Land der Welt hat es vorher gebaut und dann abgestimmt!) Nicht, Herr Neubauer? Wir sollten uns schon manchmal die Frage stellen, ob wir uns da nicht manchmal selbst überholen.

Mich hat damals Bundeskanzler Kreisky davon überzeugt, mein jugendlicher Leicht­sinn, meine technische Gläubigkeit haben dazu geführt, dass ich gegen Zwentendorf gestimmt habe. Kreisky hat dann allerdings sein Versprechen nicht gehalten.

Gelogen wird auch bei den Atomkraftwerken in Europa, da gebe ich Ihnen recht. Aber es war unser Minister, es war Minister Berlakovich – Herr List, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis –, der den Begriff „Stresstest“ erfunden hat und dem wir es auch zu ver­danken haben, dass diese Kraftwerke überprüft worden sind (Abg. List: Zu wenig!) und die Mängel, die da aufgetaucht sind, auch repariert werden. Unser Minister ist dafür verantwortlich, dass Europa ein Stück sicherer wird.

Aber sollten wir uns nicht den realen Dingen zuwenden, schauen, dass wir den Anteil der erneuerbaren Energie erhöhen, dass wir auch von den 64 Prozent, die übrig blei­ben, wenn wir unsere Ziele 2020 erreichen, von den fossilen Energieträgern wegkom­men? Ich glaube, das stünde uns gut an.

Da ich heute die Diskussion über das Projekt Isel gehört habe, nehme ich zur Kenntnis, dass das BZÖ und die Grünen zwar immer wieder von erneuerbarer Energie und von Energiewandel sprechen, aber dann, wenn es darauf ankommt, dagegen sind.

Ich glaube, Sie sollten Ihre Politik ändern. Herr Pirklhuber, nicht nur reden, auch tun! Helfen wir zusammen, dass wir Österreich ein Stück weiterentwickeln. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) Nicht nur maulen, sondern aktiv sein! (Beifall bei der ÖVP.)

17.50



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 162

Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Winter. – Bitte.

 


17.50.17

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Themenschwerpunkt des letzten Umweltausschusses war, wie der laufenden Debatte unschwer zu entnehmen ist, die Atomgefahr rund um und in Österreich. Dieses Ge­dankengut geht auf immerhin 15 Initiativen der Oppositionsparteien zurück. Das be­deutet, mehr als zwei Drittel der Tagesordnung sind von den Oppositionsparteien be­stritten worden. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Daher wundere ich mich wirklich sehr über den Titel dieses Fünf-Parteien-Antrages: konsequente Umsetzung der Anti-Atompolitik. Das würde für mich ein politisches Tun, ein aktives Tun der Regierung voraussetzen.

Wir wollen das als guten Gedanken nehmen und den Herrn Minister beauftragen, auch tatsächlich Initiativen zu ergreifen.

Mich zu täuschen ist nun nicht meine Lieblingssportart, deshalb möchte ich sagen, dass bis dato dies die einzige Initiative Österreichs nach eineinhalb Jahren Fukushima war und ich hoffe, dass es das nicht bleiben wird.

Schauen wir nach Tschechien. In Tschechien wird das dritte AKW geplant. Temelín soll weiter ausgebaut werden, mit zwei neuen Reaktoren. Dukovany soll verlängert werden. All das begründet der tschechische Innenminister mit einem Satz: Es ist not­wendig, das Energiesystem zu stabilisieren und so weit wie möglich auf heimische Energiequellen zurückzugreifen. – Also bitte, da wird Energieautarkie wohl ad absur­dum geführt. Das ist ein Satz, der vor Hohn nur so trieft. (Beifall bei der FPÖ.)

Die EU-Kommission hat ja erst unlängst den Bericht, veranlasst durch den Stresstest, herausgegeben, und Kommissar Oettinger hat erkannt, dass praktisch bei allen AKWs in Europa Handlungsbedarf besteht. Dieser Handlungsbedarf soll mit rund 25 Milliar­den € abgedeckt werden.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Grünen bereits einen Luftsprung machen und sagen: Es wäre doch wesentlich besser, würde das in alternative Energien, in Öko­energie investiert werden! Aber genau deswegen werfe ich den Grünen Realitätsver­weigerung vor, denn würden wir ad hoc aus der Atomenergie aussteigen, kämen wir nicht nur zurück ins Mittelalter, sondern auch unsere Wirtschaft würde einen enormen Schaden erleiden.

Da Grünpolitiker immer wieder sagen, sie vertreten die sogenannten Intellektuellen und die Gebildeten, möchte ich schon auch sagen: Das, was Sie da betreiben, ist wirklich wirtschaftlicher Analphabetismus. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur roten Reichshälfte, zu den roten Genossen in diesem Hohen Haus möchte ich noch sagen: Sie als Sozialdemokraten oder Sie, die Sie sich Sozialdemokraten nen­nen, haben die demokratische Wortfloskel am Ende Ihres offiziellen Namens wieder gefunden und wollen diese wiederbeleben. Nicht anders ist für mich erklärbar, dass Sie und insbesondere Ihr Bundeskanzler sich so auf die Europäische Bürgerinitiative stür­zen.

Ein paar Worte zu Bundeskanzler Faymann: Was soll man von einem Mann halten, der seinen eigenen Lebensweg verleugnet? Was soll man von einem Mann halten, dem es offensichtlich peinlich ist, Taxifahrer gewesen zu sein? – Ich glaube, solch ein Mann hat den Titel Bundeskanzler in Österreich nicht verdient. Und es gibt viele Menschen, die meiner Meinung sind. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Riepl: Was soll man von einer Frau halten, die vorbestraft ist?)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 163

Noch einmal kurz zur Europäischen Bürgerinitiative: Das ist ganz einfach eine Augen­auswischerei, das ist ein scheindemokratisches Instrument, denn selbst wenn sämtli­che berechtigte Bürger in der EU diese Bürgerinitiative unterschreiben würden, käme nichts anderes zustande, als dass sich die Kommission ernsthaft damit befassen muss. Es gibt keinerlei verpflichtenden Charakter. Letztendlich können all diese Unterschrif­ten in irgendeinem Keller der Europäischen Kommission einfach verwahrt werden. (Zwischenruf des Abg. Riepl.)

In ganz Europa gibt es derzeit Unruhen und Aufstände, und die Menschen rufen nach mehr Demokratie. Ich meine, dass diesbezüglich ein Umdenken bei den Regierenden sowohl in Österreich als auch in der EU und in Europa gefordert ist.

Ein Grundsatz dieses Umdenkens sollte sein: Wir leben in einer endlichen Welt, und in einer endlichen Welt gibt es kein unendliches Wachstum! – Wenn dieser Satz be­herrscht und gelebt wird, wird vermutlich eine bessere und vernünftigere Politik in Ös­terreich und in Europa möglich sein. (Beifall bei der FPÖ.)

17.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Stauber. – Bitte.

 


17.55.24

Abgeordneter Peter Stauber (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Liebe Frau Kollegin Winter, eines muss ich Ihnen schon sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, dass der jetzige Bundeskanzler als Student als Taxifahrer, als untadeliger Taxifahrer unterwegs war. Aber Sie als Vorbestrafte sollten hier im Parlament nicht über andere urteilen. Das möchte ich Ihnen schon ans Herz legen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nun zum Thema: Für mich ist sehr erfreulich, dass es uns im Umweltausschuss endlich gelungen ist, 15 Entschließungsanträge zum Thema Umweltpolitik, die bereits mehrere Jahre im Ausschuss hin- und hergeschoben und vertagt wurden, endzuerledigen.

Es freut mich auch, dass wir in dieser sensiblen Materie endlich einen gemeinsamen Antrag aller hier im Parlament vertretenen Parteien zustande gebracht haben. Dieser gemeinsame Entschließungsantrag ist für mich auch deshalb so wichtig, weil wir hier immer wieder betonen, wie wichtig es ist, die Rahmenbedingungen und das Entwick­lungspotenzial für den ländlichen Raum zu verbessern und zu stärken. Und eines der wichtigen Assets für den ländlichen Raum ist eine saubere und sichere Umwelt. Da-
her ist es uns auch ganz besonders wichtig, die Sicherheit in unserem Lande hochzu­halten.

Als Kärntner setze ich mich schon seit vielen Jahren für eine atomenergiefreie Zone jenseits der österreichischen Südgrenze ein. Da bin ich durchaus bei dir, Herr Kollege List, denn auch ich setze mich absolut dafür ein.

Wir sind diesbezüglich natürlich mit unterschiedlichem Erfolg unterwegs. Auf der einen Seite sehe ich als Lichtblick, dass sich im Juni letzten Jahres in Italien bei einem Refe­rendum 94,1 Prozent der Abstimmenden gegen einen Wiedereinstieg in die Atompolitik ausgesprochen haben, und das bei einer Wahlbeteiligung von immerhin 57 Prozent. Damit ist auch der Bau zweier neuer Atomkraftwerke in Italien, nämlich im 30 Kilometer von Venedig entfernt liegenden, stark erdbebengefährdeten Chioggia und im 25 Kilo­meter nordwestlich von Triest gelegenen Monfalcone in Friaul, damit in unmittelbarer Nähe zu Kärnten und der Steiermark, vom Tisch. Aber wir müssen weiterhin wachsam bleiben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 164

Ich möchte die heutige Gelegenheit wieder einmal wahrnehmen, an Sie, Herr Umwelt­minister, zu appellieren, die ablehnende Haltung Österreichs zum slowenischen Atom­kraftwerk Krško auch auf europäischer Ebene verstärkt zu thematisieren. Der Herr Kol­lege hat schon gesagt, dass das Atomkraftwerk Krško ein großer Gefahrenherd für uns ist, es ist ein Hochrisikoreaktor – nicht nur wegen seiner Bauweise, sondern auch des­halb, weil es an einer Erdbebenbruchlinie liegt.

Wie schon vorher erwähnt, hat es dort vor Kurzem ein schweres Unwetter gegeben, weshalb das Kraftwerk runtergefahren werden musste. Man sieht also, welches Gefah­renpotenzial dort vorhanden ist. Daher bitte vollsten Einsatz gegen dieses Atomkraft­werk!

Alles in allem können wir sagen, dass dieser Antiatompolitik-Konsens sehr positiv ist, der Antiatompolitik-Konsens zwischen den politischen Parteien, aber auch mit der Be­völkerung. Dass voriges Jahr über 700 000 Österreicherinnen und Österreicher die Pe­tition „Abschalten! jetzt!“ zum weltweiten Atomausstieg unterzeichnet haben, be­legt den großen Rückhalt auch in unserer Bevölkerung, was die Atompolitik betrifft.

Man kann also durchaus sagen, dass Österreich das Vorreiterland für einen weltweiten Atomausstieg ist – und so soll es auch bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. – Bitte.

 


17.59.27

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Anti-AKW-Politik Österreichs, ich kann den Vorrednern nur beipflich­ten, hat mittlerweile Vorbildfunktion. Ich bin von diesem Thema sehr überzeugt. Ich ha­be ja selbst einmal ein Volksbegehren mit eingebracht, es gab dafür ganz große Unter­stützung durch die Bevölkerung, über 900 000 Menschen haben es unterschrieben.

Es bedarf eben immer wieder eines Anlassfalles, damit man jene wachrüttelt, die glau­ben, man kann das alles verniedlichen, verharmlosen. Fukushima war jetzt dieser An­lassfall. Dieses Parlament tut gut daran – es sind ja mittlerweile sechs Parteien –, und mit diesem Beschluss, der einstimmig fallen wird, geben wir dem Minister, geben wir somit auch der ganzen Bundesregierung wirklich eine politische Waffe in die Hand. Wir sind Vorreiter, und wir haben Vorbildfunktion.

Auf die große Frage – das hat Kollege Hörl eigentlich zu meiner Überraschung hier ge­sagt –, was denn die Alternativen sind, darf man natürlich nicht vergessen. Nun, die lie­gen ja auf der Hand: Überbegriff Windkraft, Solar, Biomasse. Und die Frage ist: Was kann der Einzelne tun?

Nun, da kann ich Ihnen ein Beispiel aus meiner Gemeinde nennen. Ich habe bei der Europäischen Union im Rahmen einer Städtepartnerschaft ein Projekt eingereicht. Der Titel war: Regional nachhaltiges Energiekonzept. Das wurde als einziges von neun ein­gereichten Projekten in Österreich als förderfähig erkannt. Unsere Gäste kamen aus Placanica, das ist in Italien, eine Gemeinde in Kalabrien. Das waren acht Tage, und ich war wirklich bass erstaunt, wie sehr dieses Thema gegriffen hat! Wissen Sie, diese persönliche Verantwortung, die man auch mit übernimmt, wenn Vorträge stattfinden; es waren acht intensive Tage.

Ich darf mich an dieser Stelle auch bei meinem Partner bedanken, dem Energiepark Bruck an der Leitha. Wenn es noch immer Zweifler gibt, sage ich denen: Schaut euch diesen Betrieb an! Mitte der neunziger Jahre haben Umweltpioniere das geschaffen, damals milde belächelt von allen, ein bisschen als Spinner hingestellt und tituliert. Ein Paradeunternehmen! Eine Wertschöpfung in der Region, wo alles Platz hat, wo man querdenkt, wo man vordenkt, wo ein Pioniergeist vorhanden ist. Es gilt dem wirklich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 165

mein ganz, ganz großer Dank, dass es solche Menschen gibt, die die Dinge in die Hand nehmen! (Beifall beim BZÖ.)

Ich glaube, wir haben dort auch in Richtung Italien ganz stark reüssiert. Es kam dann zu aller Überraschung auch ein Regierungsmitglied von der Regionalregierung in Kala­brien zu uns und hat diese Dinge mitgenommen. Wir haben vor Ort Besichtigungen ge­macht.

Ich darf das jetzt ergänzen, was der Einzelne tun kann. Wissen Sie, die eingesparte Energie kann man am leichtesten realisieren, jene Energie, die nicht benötigt wird. Da gibt es viele, viele Maßnahmen. In meiner Gemeinde habe ich einen Energiebeauftrag­ten eingesetzt. Es darf nicht mehr passieren, dass jemand ein Bauprojekt einreicht, oh­ne dass man sich dieser Frage widmet. Man muss sensibilisieren, man muss auch Un­terlagen zur Verfügung stellen, um hier kluge Entscheidungen zu treffen. Alles, was wir an Energie einsparen, ist schon zu hundert Prozent abgedeckt. Da müssen wir nicht lange nachdenken.

Inwieweit es klug ist, dass die Regierungsparteien einigen Anträgen jetzt doch nicht zustimmen – es gibt eine Fülle von Anträgen, die gestellt worden sind –, das ist wohl Sache der Regierungsparteien. Ob sie sich damit einen guten Dienst erweisen, weiß ich nicht.

Wesentlich ist – und das ist meine Kernaussage –: Dieser Parteienantrag, der jetzt von allen sechs Parteien mitgetragen wird, ist sozusagen eine Waffe. Die Aufforderung gilt an die Bundesregierung, insbesondere an Minister Berlakovich: Setzen Sie diese Waf­fe zum Wohle aller ein! Denn Atomkraft ist eine Gefahr, die keine Staatsgrenzen kennt, schon gar keine Landesgrenzen, Bezirksgrenzen oder Gemeindegrenzen. Es ist eine tödliche Gefahr, die lauert, und den Lobbyisten muss man endlich einmal das Hand­werk legen! Österreich ist hier Vorreiter. (Beifall beim BZÖ.)

18.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

 


18.04.03

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hochgeschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser heutige Fünf-Parteien-Antrag kann uns allen Freude bereiten, weil er ein markanter Meilenstein im Zuge der Anti-Atompolitik ist. Und diese wird – das freut mich besonders – einhellig von allen Parteien dieses Hauses getragen.

Österreich verzichtet aufgrund eines Volksentscheides, der bereits vor Jahrzehnten stattgefunden hat, auf Atomenergie. Wir dürfen in diesem Zusammenhang allerdings nicht vergessen, dass Österreich von vielen Ländern umgeben ist, in denen Atomener­gie eingesetzt wird und wo die technologischen Standards nicht unseren Vorstellungen entsprechen. Damit ist Österreich der Kern der Anti-Atombewegung in Europa – eine Kernspaltung der Vernunft, indem wir unser Wissen an die anderen weitergeben, eine in hohem Maße sinnhafte Frage. Spätestens nach Tschernobyl und Fukushima haben die meisten verstanden, wo es langgeht.

Dieser von unserem Herrn Bundesminister geforderte Stresstest für Problemreaktoren ist mittlerweile ein Erfolg, weil er klar und deutlich die Problemfelder aufzeigt und diese entsprechend zu bearbeiten sind – ein Erfolg, auf den wir ebenfalls gemeinsam stolz sein können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie verwundern: Ich bin für Kern­fusion – sage aber klar und deutlich hinzu: nur auf der Sonne! Das ist nämlich die Basis für die erneuerbaren Energien, die wir in Österreich einsetzen und wo wir über Technologien verfügen, um die uns andere Länder beneiden, die diese bei uns auch kaufen wollen.


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Umso mehr freut es mich, dass meine Heimatregion, das Waldviertel, den Weg in Richtung Energieautarkie geht und diesen durch ein Unternehmen aus der Region mit der Beteiligung der Bürger auch entsprechend umsetzen will. Was für mich als Wald­viertler ganz besonders ist: Es arbeiten bereits 40 Personen bei diesem Unternehmen! Arbeitsplätze sind in meiner Heimatregion etwas ganz besonders Wichtiges.

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Fünf-Parteien-Antrag im Bereich Anti-Atompoli­tik könnte auch ein gutes Beispiel für viele andere Themen in diesem Hause sein. (Bei­fall bei der ÖVP.)

18.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


18.06.28

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Bei der Euphorie wegen dieses Fünf-Parteien-Antrages ist es vielleicht schon ein wenig notwendig, wahrere Worte über die österreichische Atompolitik zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch heute wird in Österreich mit den tatsächlich be­stehenden Gefahren rund um Atomkraft miese Geschäftemacherei betrieben. Isel wur­de heute angesprochen. Jetzt spreche ich weitere Projekte an: fünf Kraftwerksprojekte in Graz und rund um Graz, im Großraum Graz, Kraftwerksprojekte an der Mur, die aus­schließlich dazu dienen, in Österreich teuren Ökostrom, sauberen Strom durch Ver­bund und ESTAG zu produzieren, ihn teuer zu verkaufen, aber weiterhin billigen Atom­strom für das österreichische Netz einzukaufen.

Das ist das Heuchlerische an der Debatte: Fünf-Parteien-Einigung gegen Atomkraft, gegen Atomstrom – und Österreich wird aus beinharten wirtschaftlichen Gründen wei­terhin die österreichischen Flüsse zubetonieren und den teuren Ökostrom ins Ausland verkaufen, um den billigen Atomstrom weiterhin an die österreichischen Haushalte wei­terzugeben. Miese Geschäftemacherei auf dem Rücken jener Menschen, die sich in Österreich tatsächlich Sorgen um die Atomkraft machen!

Erste Heuchelei, und das erste Herunterholen Ihrer großkoalitionären Euphorie: Mit ei­nem Blattl Papier ist der Atomstrom dann weltweit erledigt. – So weit sind wir noch nicht! Höchstens, Sie glauben auch tatsächlich, was Sie schreiben, was ich ja bei dem einen oder anderen von Ihnen durchaus vermute.

Der zweite Punkt ist, hier euphorisch herauszugehen und zu sagen: Na gut, Österreich hat kein Atomkraftwerk; es hat zwar im Netz Atomstrom, hat aber kein Atomkraftwerk. Und vor unseren Türen – Kollege List hat es angesprochen –: Krško ist ein Schrottmei­ler, der den ganzen südösterreichischen Raum bedroht! Kärnten, das südliche Burgen­land, die Steiermark, Graz. Wenn – was schrecklich wäre – in Krško ein Zwischenfall, ein Reaktor-Zwischenfall passiert, dann sind wir in Graz innerhalb einer Stunde in der gefährlichen Zone mit drinnen! Dann ist Südösterreich Sperrgebiet geworden.

Die österreichische Bundesregierung tut nichts dagegen, außer – das, was sie am bes­ten kann – Fünf-Parteien-Anträge herbeizuführen, um Menschen zu beruhigen, und Brieferln nach Zagreb oder nach Laibach zu schreiben. Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister für Umwelt, das ist uns zu wenig! Daher ist zwar diese Fünf-Parteien-Einigung gut und schön und soll Sie einmal munter machen – und nicht bestärken, denn so viel ist in der österreichischen Atompolitik ohnehin nicht passiert, sondern endlich einmal munter machen –, dass Österreich auch weiterhin oder überhaupt einmal eine starke Stimme gegen die Atomkraft in Europa wird. (Beifall beim BZÖ.)

18.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll179. Sitzung / Seite 167

18.09.42

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen, liebe Kollegen! Es ist ja schon sehr viel gesagt worden. Unser Fraktionssprecher beziehungsweise der für den Umweltbereich Verantwortliche, Kollege Weninger, hat den Umweltsprechern aller Fraktionen für das Engagement gedankt. Ich möchte mich bei dir, lieber Kollege Weninger, bedanken! Du warst der Initiator, dass wir heute über diesen Antrag diskutieren, und ich hoffe, dass es diesbezüglich auch einen einstimmi­gen Beschluss gibt.

Ich denke, dass die Anti-Atompolitik der österreichischen Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist und mit diesem Antrag noch einmal ein notwendiger Schub nach vor­ne getätigt wird. (Beifall des Abg. Mag. Gaßner.)

Geschätzte Damen und Herren! Das Ziel des Antrages ist klar: ein möglichst rascher Ausstieg aus der Kernenergie, und zwar in ganz Europa. Liebe Kolleginnen, liebe Kol­legen, dieser Antrag ist aktueller denn je – und das sage ich vor allem als Mühlviertler Abgeordneter, der an der Grenze zu Südböhmen lebt –, wenn man vor allem die Si­tuation in Tschechien genau beobachtet, gerade am letzten Wochenende. Wenn man da eine große Tageszeitung liest, so kann man leider lesen: Atomknall in Tschechien. Und wenn man weiterliest:

Jetzt ist es fix, Tschechien plant eine strahlende Zukunft. Bis zum Jahr 2040 soll der Atomstromanteil von derzeit 30 Prozent auf 55 Prozent gesteigert werden, gab Minis­terpräsident Necas bekannt. Dadurch soll im Gegenzug der Anteil der Kohle an der Stromgewinnung erheblich gesenkt werden. Wir sehen einen Gewinn für die gesamte Umwelt.

Hier wird mit Umweltfragen argumentiert! Ich denke, sehr geehrte Damen und Herren, das ist natürlich ein sehr, sehr großes Problem. Wir müssen daher die Ergebnisse, die wir aus den Stresstests kennen, insbesondere auch die Ergebnisse des Stresstests des Atomkraftwerkes Temelín, nicht nur analysieren, sondern die politischen Konse­quenzen daraus ziehen, gemeinsam mit Tschechien, aber vor allem auch auf europäi­scher Ebene. Ich denke darüber hinaus, es ist wichtig, dass die Stresstests nicht nur jetzt durchgeführt worden sind, sondern dass wir alles daransetzen, dass es diese Stresstests in bestimmten Abständen gibt. Wir müssen außerdem versuchen, dass dies­bezüglich in Zukunft auch österreichische Expertinnen und Experten eingebunden sind.

Wenn es Schwierigkeiten gibt – und es gibt Schwierigkeiten in einer Reihe von Atom­kraftwerken –, dann ist es unsere Aufgabe, politischen Druck auf diese Länder auszu­üben: auf jene Länder, in denen es, wie gesagt, Schwierigkeiten gibt und die überle­gen, Atomkraftwerke neu zu errichten, auszubauen, zu renovieren, zu erneuern. Das ist unsere Aufgabe.

Wir fordern daher mit diesem Antrag – das ist für mich ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt – auch die sofortige Abschaltung aller Reaktoren – da spreche ich die Opposition an, da man sieht, dass hier eine Reihe von Themen auch von der Opposi­tion übernommen worden ist, denn das ist auch unsere Meinung –, unter Ausschöp­fung aller zur Verfügung stehenden Rechtsmittel. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12

18.12.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Es ist niemand mehr dazu zu Wort gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen über jeden Ausschussantrag getrennt ab.

Zunächst: Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9: Antrag, die dem Ausschuss­bericht 1966 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend die konsequente


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Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit ra­schest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie anzunehmen.

Wer dafür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 272.)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1967 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein unterstützendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1968 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein unterstützendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1969 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1970 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1971 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1972 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1973 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1974 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1975 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

18.15.3819. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2100/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 sowie das Volks-


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befragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsanpassungsgesetz 2012) (1994 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher. – Bitte, Frau Kollegin.

 


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