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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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119. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 17. März 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

119. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode              Donnerstag, 17. März 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 17. März 2016: 9.05 – 20.00 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kul­turgüterrückgabegesetz – KGRG)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 823/A der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und das Verfassungs­gerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1007/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres zum EU-Arbeitsprogramm 2016 auf der Grundlage des Achtzehnmonatspro­gramms des niederländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitzes sowie des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für das Jahr 2016

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1580/A(E) der Abgeordneten Mag. Christine Mutto­nen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend die gewaltsamen Unru­hen in Burundi

7. Punkt: Bericht über den Antrag 786/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Sou­schill, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichischen Beitrag zur Unterstützung der Opfer von Kriegsverbrechen und der Verfolgung und eindeutigen Benennung von Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen am Beispiel der Demokratischen Repu­blik Kongo

8. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 7/BI: „Österreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler“

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1476/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine EZA-Leistungen für bei der Rücknahme ih­rer Staatsbürger unkooperative Entwicklungsländer

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1492/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung des Mandats für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran


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11. Punkt: Bericht über den Antrag 1208/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen nationalen Aktionsplan Asyl

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1435/A(E) der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Carmen Schimanek, Mag. Aygül Berivan Aslan, Claudia An­gela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen und Kinder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1530/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterent­wicklung der Dialogplattform zwischen der Sicherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1460/A der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kol­leginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über die Anwendung und Vollziehung der gesetzlichen Grenzschutz- und Asylbestimmungen entgegen der bisherigen Praxis in der Flüchtlingskrise durch die österreichische Bundes­regierung

15. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90

16. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Steyr um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1573/A der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bar­geld im Zahlungsverkehr gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 26. April 2016 zu setzen         ............................................................................................................................... 38

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 38

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ............................................................................................ 112

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 115

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 116

MMag. DDr. Hubert Fuchs ......................................................................................... 117

Mag. Bruno Rossmann .............................................................................................. 118

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 120

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 122

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 123

Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Ab­geordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref-


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fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 17. April 2016 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................................  38, 194

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 1060 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 39

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 39

Fragestunde (16.)

Kunst und Kultur, Verfassung und Medien .............................................................. 14

Dr. Josef Cap (185/M)

Ing. Mag. Werner Groiß (182/M)

Herbert Kickl (191/M); Elisabeth Hakel

Dieter Brosz, MSc (189/M); Dr. Josef Cap, Mag. Gernot Darmann

Mag. Nikolaus Alm (188/M)

Christoph Hagen (181/M); Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

Elisabeth Hakel (186/M)

Mag. Dr. Beatrix Karl (183/M)

Wendelin Mölzer (192/M); Mag. Wolfgang Gerstl

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (190/M); Ulrike Weigerstorfer

Harry Buchmayr (187/M); Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Albert Steinhau­ser, Dr. Nikolaus Scherak

Mag. Wolfgang Gerstl (184/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (880 d.B.): Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kultur­güterrückgabegesetz – KGRG) (1015 d.B.)     ............................................................................................................................... 39

Redner/Rednerinnen:

Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 40

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 40

Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................................................... 41

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 42

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 43

Rupert Doppler ............................................................................................................. 44

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 44

Mag. Ruth Becher ......................................................................................................... 45

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 46

Annahme des Gesetzentwurfes in 1015 d.B. ................................................................. 47


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2. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1011 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (1016 d.B.)                                                            47

Redner/Rednerinnen:

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 47

Elisabeth Hakel ............................................................................................................. 48

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 49

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................... 51

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 52

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 53

Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 54

Bundesminister Dr. Josef Ostermayer ...................................................................... 54

Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................................................... 56

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 57

Katharina Kucharowits ................................................................................................ 58

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 59

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 60

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................ 61

Annahme des Gesetzentwurfes in 1016 d.B. ................................................................. 63

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1016 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend weitere Infrastrukturprojekte am Standort Neue Burg/Hel­denplatz (E 128) ............................... 63

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 823/A der Ab­geordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, geändert werden (1023 d.B.) .............................................. 64

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 64

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 65

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 65

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 67

Christoph Hagen .......................................................................................................... 68

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................... 68

Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................................................... 69

Mag. Michaela Steinacker ............................................................................................ 70

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1023 d.B. hinsichtlich des Antrages 823/A                        71

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1023 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Erarbeitung von wissenschaftlichen Grundlagen zu dieser Thematik (E 129) .............. 71

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1007/A der Ab­geordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1024 d.B.) ............................................................... 71

Redner/Rednerinnen:

Mag. Judith Schwentner .............................................................................................. 71

Angela Lueger .............................................................................................................. 72

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 73

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 74

Christoph Hagen .......................................................................................................... 75

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .......................................................................... 76


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Dr. Marcus Franz .......................................................................................................... 77

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 78

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1024 d.B. ...................................................... 80

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht des Bun­desministers für Europa, Integration und Äußeres zum EU-Arbeitsprogramm 2016 auf der Grundlage des Achtzehnmonatsprogramms des niederländischen, slowa­kischen und maltesischen Ratsvorsitzes sowie des Arbeitsprogramms der Euro­päischen Kommission für das Jahr 2016 (III-241/1033 d.B.) ......................................... 80

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas F. Karlsböck ............................................................................................ 80

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 81

Tanja Windbüchler-Souschill ...................................................................................... 83

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 85

Christoph Hagen .......................................................................................................... 86

Mag. Christoph Vavrik ................................................................................................. 87

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 89

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 90

Mag. Alev Korun ........................................................................................................... 91

Hannes Weninger ......................................................................................................... 92

Dr. Jessi Lintl ................................................................................................................ 93

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der Mittel für das World Food Programme 2016 – Ablehnung ................................................................................................................  84, 95

Kenntnisnahme des Berichtes III-241 d.B. ..................................................................... 95

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1580/A(E) der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend die gewaltsamen Unruhen in Burundi (1034 d.B.) ...................................................................................... 95

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 786/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betref­fend österreichischen Beitrag zur Unterstützung der Opfer von Kriegsverbrechen und der Verfolgung und eindeutigen Benennung von Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo (1038 d.B.)                       96

Redner/Rednerinnen:

Tanja Windbüchler-Souschill ...............................................................................  96, 98

Claudia Durchschlag ................................................................................................... 97

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 100

Carmen Schimanek .................................................................................................... 101

Christoph Hagen ........................................................................................................ 101

Dr. Andreas F. Karlsböck .......................................................................................... 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend: Burundis Zivilbevölkerung braucht Unterstüt­zung – Ablehnung ........  99, 103

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1034 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die gewaltsamen Unruhen in Burundi (E 130) ................................................................... 103

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1038 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 786/A(E)                  104


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 6

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1038 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend österreichischen Beitrag zur Unterstützung der Opfer von Kriegsverbrechen und der Verfolgung und eindeutigen Benennung von Massen­vergewaltigungen als Kriegsverbrechen (E 131)                    104

8. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Bürgerinitiative Nr. 7/BI: „Österreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler“ (1035 d.B.) .......................................................... 104

Redner/Rednerinnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 104

Hermann Krist ............................................................................................................ 105

Werner Neubauer ....................................................................................................... 106

Georg Willi .................................................................................................................. 107

Christoph Hagen ........................................................................................................ 109

Rupert Doppler ........................................................................................................... 110

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 110

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 111

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1035 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Schutzfunktion Österreichs für Südtirol (E 132) .......................................................... 111

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1476/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine EZA-Leistungen für bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger unkooperative Entwicklungsländer (1036 d.B.) ............................. 112

Redner/Rednerinnen:

Dr. Andreas F. Karlsböck .......................................................................................... 123

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 125

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................... 126

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 127

Christoph Hagen ........................................................................................................ 127

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 128

Dr. Marcus Franz ........................................................................................................ 129

Anton Heinzl ............................................................................................................... 130

Petra Bayr, MA ............................................................................................................ 131

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1036 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1476/A(E)               131

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1036 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend finanzielle Sanktionen bei Nichtrückübernahme (E 133) ............................................. 131

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1492/A(E) der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Verlängerung des Mandats für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschen­rechtslage im Iran (1037 d.B.) .......................... 132

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernd Schönegger ............................................................................................ 132

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 133

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 133

Bundesminister Sebastian Kurz .............................................................................. 134

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1037 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Verlängerung des Mandats für den UN-Sonderberichter­statter zur Menschenrechtslage im Iran (E 134)             ............................................................................................................................. 135

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1208/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend einen nationalen Aktionsplan Asyl (1029 d.B.)        ............................................................................................................................. 135


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 135

Dr. Georg Vetter ......................................................................................................... 136

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 137

Nurten Yilmaz ............................................................................................................. 139

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 139

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 140

Johann Rädler ............................................................................................................ 141

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 142

Harry Buchmayr ......................................................................................................... 143

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1029 d.B. .................................................... 143

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1435/A(E) der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Car­men Schimanek, Mag. Aygül Berivan Aslan, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen und Kinder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung (1030 d.B.) .......................................................................... 144

Redner/Rednerinnen:

Dorothea Schittenhelm .............................................................................................. 144

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 145

Carmen Schimanek .................................................................................................... 146

Mag. Aygül Berivan Aslan ......................................................................................... 147

Claudia Angela Gamon, MSc (WU)........................................................................... 148

Martina Schenk ........................................................................................................... 149

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................... 150

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 151

Petra Bayr, MA ............................................................................................................ 152

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1030 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Frauen und Kinder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung (E 135) ...................................... 152

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1530/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Dialog­plattform zwischen der Sicherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft (1031 d.B.)                     152

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernd Schönegger ............................................................................................ 152

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 154

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 154

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 155

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner ........................................................ 156

Rupert Doppler ........................................................................................................... 157

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 158

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1031 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Weiterentwicklung der Dialogplattform zwischen der Si­cherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft (E 136)     ............................................................................................................................. 158

14. Punkt: Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 1460/A der Abgeord­neten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volks­befragung gem. Art. 49b B-VG über die Anwendung und Vollziehung der gesetz­lichen Grenzschutz- und Asylbestimmungen entgegen der bisherigen Praxis in der Flüchtlingskrise durch die österreichische Bundesregierung (1032 d.B.) .................... 158


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 8

Redner/Rednerinnen:

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 158

Hannes Weninger ....................................................................................................... 160

Ing. Robert Lugar ..............................................................................................  161, 165

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 162

Rupert Doppler ........................................................................................................... 163

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 163

Ing. Robert Lugar (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 164

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 164

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 165

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1032 d.B. .................................................... 166

15. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90 (1014 d.B.) ....................................................................................... 166

Redner/Rednerinnen:

Carmen Schimanek .................................................................................................... 166

Hermann Lipitsch ....................................................................................................... 169

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 170

Hermann Gahr ............................................................................................................ 171

Michael Pock ............................................................................................................... 172

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 173

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 174

Dr. Erwin Rasinger ..................................................................................................... 175

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 176

Petra Bayr, MA ............................................................................................................ 177

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 178

Mag. Friedrich Ofenauer ............................................................................................ 179

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 180

Hannes Weninger ....................................................................................................... 180

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 181

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 182

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 183

Erwin Preiner .............................................................................................................. 184

Rupert Doppler ........................................................................................................... 184

Norbert Sieber ............................................................................................................ 185

Dietmar Keck .............................................................................................................. 186

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 187

Entschließungsantrag der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung des Hochwasserschutzdammbaus im Tiroler Un­terland (Wörgl/Kundl) – Ablehnung            168, 188

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1014 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie der Bürgerinitiati­ven Nr. 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90    ............................................................................................................................. 187

16. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft Steyr, 498 2 St 13/16x, um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung des Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (1060 d.B.)                                                                                                                                 188

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 188

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 190

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 191


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 9

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 193

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 193

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 194

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entfall der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung aufgrund von Erwerbstätigkeit in der Pension unter Berücksichtigung der ASVG-Höchstpension (1603/A)(E)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung der Auszahlung des 13. und 14. Monatsgehalts inklusive einer quartalsmäßigen Anweisung (1604/A)(E)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsschutz bei Prü­fungen (1605/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verar­beiteten Eiern (1606/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Extrado­tation für den VKI in Sachen TTIP (1607/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Extradota­tion für den VKI in Sachen TTIP (1608/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Extradota­tion für den VKI in Sachen TTIP (1609/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der maxima­len wöchentlichen Betriebszeit von Apotheken (1610/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeich­nung für verarbeitete Eier (1611/A)(E)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeich­nung für verarbeitete Eier (1612/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. Nr. 112/1997, zu­letzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2015, geändert wird (1613/A)

Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Ge­richtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird (1614/A)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Dringlichkeit der Beseitigung der überbordenden, bürokratischen und kostentreibenden Bestimmungen der Recyc­ling-Baustoff Verordnung BGBl II Nr. 181/2015 (1615/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nach­schusspflicht in die PVA auf Grundlage des „alten“ § 311 Abs. 5 ASVG (1616/A)(E)

Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz über die Abwicklung des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds (1617/A)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 10

Mag. Gerald Hauser, Georg Willi, Josef Schellhorn, Leopold Steinbichler, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend klare gesetzliche Regelung für eine unbürokratische und belastungsfreie kurzfristige Mitarbeit von Familienangehörigen in Gastronomiebe­trieben (1618/A)(E)

Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Rückübernahmen forcie­ren – straffällige Asylwerber abschieben (1619/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Terrorismusprävention im Strafrecht 2015 (8625/J)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Finanzierung und Auswirkungen der Transparenzdatenbank (8626/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend finanzmarkt- und budgetpolitische Einschätzung der Bank-Austria Pensions­deals (8627/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verschleierung zukünftiger Pensionsausgaben aufgrund nicht vorhandener Rückstellungserfordernisse (8628/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Weiterentwicklung der Regelungen zu Ruhestandsversetzungen im Rahmen des „Pensionsgipfels“ (8629/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend unklare Bewertung der budgetären Situation im Pensionsbereich (8630/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Berücksichtigung des Beamtenpensionsrechts im Rahmen des „Pensionsgip­fels“ (8631/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ergebnisse des Pensionsgipfels aus budgetärer Sicht (8632/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Pensionspolitik Österreichs im Rahmen des Europäischen Semesters (8633/J)

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Schul- und Bildungswesen der Volksgruppen in Ös­terreich (8634/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderung der Zucht und Haltung von seltenen Schafrassen in Österreich (8635/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Missstände und einen Maulkorb (8636/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Stand der Erle­digung des Problems der Almflächenerfassung in den Jahren 2001–2013 und damit ver­bundener massiver Förderkürzung bei Betrieben (8637/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Asylberechtigte: Werte­kurse nun auch bei AMS (8638/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 11

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8639/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8640/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8641/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Nähe zur sogenannten Mus­limbruderschaft (8642/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8643/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8644/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8645/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8646/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8647/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8648/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8649/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend zur sogenannten Muslimbruderschaft (8650/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Nähe zur sogenannten Muslimbruderschaft (8651/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend neuerlich überhöhte Gagen für den Vor­stand der Sozialbau AG und mangelhafte Revision (8652/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „Auflösung der Abteilung Bundesgärten steht be­vor“ (8653/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend ORF-Spot „Gewalt gegen Frauen – Geht gar nicht!“ (8654/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Ös­terreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8655/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 12

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8656/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbru­derschaft (8657/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatori­sche, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8658/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8659/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organi­satorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8660/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatori­sche, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8661/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatori­sche, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8662/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Ös­terreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8663/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Österreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslim­bruderschaft (8664/J)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend die Organisation „Muslimische Jugend Ös­terreich“ – und deren organisatorische, ideologische und persönliche Verbindungen zur Muslimbruderschaft (8665/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend: Auflösung der Abteilung Bundes­gärten steht bevor (8666/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend die Zusammenarbeit der europäischen Inlandsgeheimdienste (8667/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend die Zusammenarbeit der europäischen Inlandsgeheimdiens­te (8668/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend die Zusammenarbeit der europäischen Inlandsgeheim­dienste (8669/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 13

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Förderungsbericht 2014 (8670/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend „Mehr Geld“ – Inserat des BMF in der „Zeit“ vom 4. Feb. 2016 (8671/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fami­lien und Jugend betreffend „Dank dir“ – Inserat des BMFJ in „Heute“ vom 14. März 2016 (8672/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Lehrlingscoaching (8673/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend: öffentliche Mittel für die Modernisie­rung ukrainischer Pipelines? (8674/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend Lehrlingscoaching (8675/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Waffenerwerb durch Asylberechtigte (8676/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für In­neres betreffend Polizeieinsätze im Umfeld von Asylheimen und Transitunterkünften in Österreich (8677/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend private Nutzung von Dienstwaffen (8678/J)

Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis-
ter für Landesverteidigung und Sport betreffend die praktischen Erfahrungen mit dem BSFG 2013 (8679/J)

Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend die langfristigen Konzepte der Sportpolitik (8680/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Dschihadistenliste (8681/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend fondsgebundene Lebensversicherungen (8682/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Kosten für Deutschkurse (8683/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Milch- und Schweinebauern in der Krise (8684/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Massenschlägerei unter Fremden (8685/J)

*****

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betreffend Erkrankung eines Parlament-Mitarbeiters an Tuberkulose (25/JPR)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 14

09.05.28Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsi­dent Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wünsche Ih­nen einen schönen guten Morgen und eröffne die 119. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Greiner, Hell, Katzian, Mag. Schie­der, Ertlschweiger, MSc, Dr. Nachbaur, Dipl.-Kffr. (FH) Pfurtscheller, Ing. Hackl, Dr. Hüb­ner, Mag. Schrangl, Peter Wurm, Zanger, Julian Schmid, BA, Dr. Winter und Hechtl.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek wird durch den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in ei­nem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Reinhold Mitter­lehner wird durch die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner vertre­ten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 10.15 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung live übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.46 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.06.50Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen. Die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer – den ich auch recht herzlich begrüße – wird vom Rednerpult der Nationalratsabgeordne­ten aus vorgenommen.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht übersteigen. Ich werde auf das Ablaufen der jeweiligen Redezeit durch das Läuten der Glocke aufmerksam machen.

Bundesministerium für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

 


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Dr. Cap. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Kickl: Jetzt wird’s kritisch!)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 15

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Minister! Wir wissen, es gibt innerhalb der österreichischen Medien, vor allem auch der Printmedien, intensive Diskussionen, ge­meinsam mit dem ORF – faktisch in einem nationalen Schulterschluss – über Folgen­des nachzudenken:

185/M

„Worin sehen Sie die Möglichkeiten, die Rechte der österreichischen Medien gegen­über den international agierenden Großkonzernen wie Google, Facebook & Co zu stär­ken?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben vor einiger Zeit schon eine Ar­beitsgruppe eingerichtet, wo der Verband Österreichischer Privatsender, der ORF, der Verband Österreichischer Zeitungen und sonstige Vertreter betroffener Gruppen ein­geladen wurden, darüber nachzudenken, welche nationalen Möglichkeiten – nämlich auch rechtlich – Österreich in diesem Zusammenhang hat und welche Bereiche schlicht und einfach nur auf europäischer Ebene – weil dortige Zuständigkeit – geregelt werden können.

Es geht zum Beispiel um die Frage eines modernen Urheberrechts, um ein Leistungs­schutzrecht, um ein Wettbewerbsrecht, darum, die zum Teil marktbeherrschende Stel­lung der bestimmten Unternehmen und Konzerne, die Sie aufgezählt haben, zu redu­zieren. Wir sind auch auf europäischer Ebene im Gespräch, es gibt mehrere Initiativen dort.

Was wir auch mit diesen Experten/Expertinnen überlegt haben, die uns diese verschie­denen Organisationen geschickt haben, war, ob wir eventuell auch in steuerrechtlicher Hinsicht Maßnahmen setzen können, die zu mehr Gleichstellung führen – Stichwort Werbeabgabe, die derzeit nicht auf digitale Werbung ausgeweitet ist, also ob das einen Sinn ergeben könnte, ob es technische Möglichkeiten gibt oder wie technische Mög­lichkeiten aussehen, um da mehr – unter Anführungszeichen – „Waffen“-Gleichheit her­zustellen. Wir sind in intensiven Gesprächen mit den verschiedenen Akteuren, um eine sinnvolle gemeinsame Lösung zu finden.

Ich habe hier schon – ich glaube, die Enquete war 2009 – gesagt, dass es im Wesent­lichen darum geht, dass wir uns, oder die verschiedenen Teilnehmer am österreichi­schen Medienmarkt, nicht wechselweise bekämpfen, weil die anderen dann schlicht und einfach stärker sind.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Cap.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Da Sie jetzt gerade die Europäische Union ange­sprochen haben: Gibt es da speziellere Projekte, und was ist aus Ihrer Sicht da die Be­deutung für den heimischen Medienmarkt beziehungsweise die zentralen Anliegen Ös­terreichs?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ja, es gibt auf europäischer Ebene mehrere Initiativen. Die Europäische Kom­mission arbeitet derzeit an einer Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Me­diendienste, also sozusagen der Basis für die Mediengesetzgebung in den einzelnen Mitgliedstaaten. Da sollte eigentlich im Sommer ein Entwurf vorliegen, es sind natürlich auch unsere Mitarbeiter im Bundeskanzleramt in regelmäßigen Gesprächen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 16

Wir erwarten auch Vorschläge zur Neuregelung eines europäischen Urheberrechts, weil man gesehen hat, dass viele Dinge mittlerweile extrem grenzüberschreitend sind, natürlich insbesondere durch das Internet, und da bestimmte Punkte sind, die gerade für Österreich relativ schwierig wären, wenn das nicht beibehalten wird. Das Stichwort ist zum Beispiel Geoblocking. Und es hat auch durch die Europäische Kommission im vergangenen Herbst eine Konsultation betreffend Internetplattformen stattgefunden, an der weiter gearbeitet wird.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 2. Anfrage, jener des Abgeordneten Mag. Groiß. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Herr Minister! Die Bundesregierung hat am 23. Juni 2015 im Zuge des Reformdialogs Verwaltungsvereinfachung eine Reihe von Maßnahmen zum Bürokratieabbau sowie zur Verbesserung der Effizienz und Bürger­nähe in der Verwaltung beschlossen, welche möglichst bald in ein Sammelgesetz um­gesetzt werden sollen. Ein Bereich ist auch die weitgehende Abschaffung des Kumula­tionsprinzips im Verwaltungsstrafrecht, da dieses oftmals zu nicht rechtfertigbaren Straf­höhen führt. Dazu liegen Entwürfe von Gutachten von namhaften Experten vor.

Meine Frage lautet:

182/M

„Wann werden Sie dem Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, mit dem unter anderem nicht rechtfertigbare Belastungen durch das Kumulationsprinzip im Verwaltungsstrafrecht in Anlehnung an das gerichtliche Strafrecht zukünftig verhindert werden sollen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also wann genau ich den Entwurf vorlege, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Wir haben in der Koalition vereinbart, dass wir zusätzlich zu diesem von Ihnen erwähn­ten Reformdialog Verwaltungsvereinfachung eine interministerielle Arbeitsgruppe ein­setzen, die sich speziell nur mit dem Thema Novellierung des Verwaltungsstrafrechts, auch Stichwort Kumulationsprinzip, befasst.

Wir haben Anfang dieses Monats die hauptbetroffenen Ressorts gebeten, jeweils Ex­perten/Expertinnen namhaft zu machen – da geht es um das Bundeskanzleramt, um das Wirtschaftsministerium, um das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz, um das BMVIT, um das BMF, weil es logischerweise auch um die Fra­ge der Einnahmen geht, um das BMI und das BMLFUW, also das Landwirtschaftsres­sort, und auch um das BMJ. Wir werden dann auch noch die Länder mit einbeziehen müssen, weil ja zum Teil Verwaltungsstrafen in die Länderkassen fließen, und wir wer­den dazu auch die Sozialpartner, also jedenfalls die Wirtschaftskammer und die Arbei­terkammer, einladen.

Es geht ja beim Thema Verwaltungsstrafen oder bei der Diskussion, über die wir jetzt reden, einerseits um die Frage der Kumulation, andererseits darum, welchen Zweck diese Strafen, über die wir reden, haben. Es ist ein Unterschied, ob es um das Verbot des Handytelefonierens geht oder ob es um Maßnahmen geht, die zum Beispiel Lohn- und Sozialdumping einschränken sollen.

Die Arbeitsgruppe wird also, sobald die Experten nominiert sind, ihre Arbeit beginnen, und sobald man hinsichtlich eines Gesetzentwurfs Konsens hat, werden wir diesen vor­legen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Groiß.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 17

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Also im Endeffekt: Zeithorizont noch nicht ganz absehbar.

Meine Zusatzfrage: Das Prinzip „Beraten statt strafen“ ist, glaube ich, auch ein allge­meines Grundprinzip, dem sich die Regierung verschrieben hat. Werden auch solche Aspekte, dass man zuerst die Verhältnismäßigkeit zwischen Verstößen und Strafen be­rücksichtigt, dass man der Behörde einen Ermessensspielraum gibt und zuerst die Be­ratung in den Vordergrund stellt und dann erst zum Strafen kommt, ein Schwerpunkt sein bei den Überlegungen in dieser Gruppe, die sich dementsprechend zusammen­setzt?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Die Frage bei strafrechtlichen Bestimmungen, egal ob das gerichtlich strafrecht­liche oder verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen sind, ist ja immer das Lenken in Richtung eines bestimmten, gesellschaftlich gewünschten Verhaltens.

Der zweite Grundsatz ist eigentlich, dass wir immer das gelindeste Mittel anzuwenden haben. Wir beginnen ja auch nicht mit Haftstrafen, sondern wir beginnen zum Teil mit Diversion, zum Teil mit Belehrung, mit Ermahnung und zum Teil in der Folge dann mit Geldstrafen. Ob wir da jetzt speziell das Prinzip „Beraten statt strafen“ zusätzlich ver­ankern müssen oder ob die jetzigen verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen ausrei­chen, auch das wird diese Arbeitsgruppe diskutieren. Also ich kann Ihnen jetzt ab­schließend kein Ergebnis sagen – und würde das auch den Teilnehmern der Arbeits­gruppe gegenüber nicht fair finden, wenn ich Ihnen jetzt schon ein abschließendes Er­gebnis sagen würde.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 3. Anfrage, der des Abgeordneten Kickl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Letzten Sonntag hat ja das sozialistische Bestellfernsehen, gemeinhin be­kannt als ORF, einen bisher unerreichten Höhepunkt an SPÖ-Hofberichterstattung ab­geliefert. (Zwischenruf des Abg. Weninger.) Die Herren Dittlbacher – vormals „Arbei­terzeitung“ – und Wrabetz, beide Ihrer Partei durchaus nahe stehend, haben dazu das Diskussionsformat „Im Zentrum“ in ein Nicht-Diskussionsformat umgedreht. Ziel war es offenbar, den Herrn Werner Faymann vor den kritischen Fragen der Opposition im Zu­sammenhang mit seiner Wendehalspolitik in der Flüchtlingsfrage zu schützen.

Das läuft darauf hinaus, dass der ORF seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag zur objek­tiven Information nicht nachkommt. Und das alles wird dann auch noch mit Zwangsge­bühren finanziert. Herr Bundesminister, daher frage ich Sie:

191/M

„Haben Sie, vor dem Hintergrund des Solo-Auftrittes des Bundeskanzlers in der ORF-Sendung ,Im Zentrum‘, eine Änderung des ORF-Gesetzes in Aussicht genommen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also abgesehen davon, dass es eben Ihr Stil ist oder Sie dieses Forum jetzt benutzen wollen, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des ORF zu beleidigen (Abg. Be­lakowitsch-Jenewein: Das war keine Beleidigung!) oder die redaktionelle Unabhän­gigkeit infrage zu stellen – das ist Ihre Sache (Beifall bei der SPÖ) –, haben wir eine Gesetzeslage, wo ich empfehlen würde, dass diese von allen, insbesondere von den gewählten Abgeordneten, respektiert wird. (Abg. Darmann: Ihre Einflussnahme ist eine Beleidigung!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 18

Die Gesetzeslage ist, dass es a) ein Verfassungsgesetz über die Unabhängigkeit des ORF gibt (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wozu gibt es dann einen Medienminister? – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller), dass es b) Verfassungsgesetze gibt – nicht um Ver­fassungsgesetze zu ändern, falls das Ihre Frage war, die würden nämlich hier im Haus geändert werden und nicht durch den Minister auf Basis unserer Verfassung, und ich glaube, es sind alle darauf angelobt worden. (Abg. Brosz: Gesetz ändern …!)

Das Zweite ist, dass die Betroffenen auch entsprechend Stellung genommen und sich gegen Unterstellungen gewehrt haben, sich auch öffentlich gegen die Unterstellungen gewehrt haben: Nicht sie hatten die Idee und haben die Maßnahme gesetzt, den Bun­deskanzler einzuladen, nämlich genau unter Berücksichtigung des Objektivitätsgebots. Wer sollte …? (Heiterkeit des Abg. Kickl.) – Sie lachen. (Abg. Kickl: Das ist ja lächer­lich!)

Würde der ORF eine Sendung über die Gestaltung politischer Plakate veranstalten, würde ich verstehen, wenn Sie eingeladen werden, falls die Zuschreibung stimmt, dass Sie da sozusagen dahinterstehen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das ist das Format Diskussion!) Wenn es um die Fragestellung geht, was im Europäischen Rat stattgefun­den hat, stattfinden wird, gibt es eine Person, die dort teilnimmt, eine Person, die authen­tisch Auskunft geben kann. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Wir waren in einer Situation letzten Sonntag, wo ein wichtiger Europäischer Rat vorbei war, ein wichtiger Europäischer Rat vor uns lag, der heute beginnt.

Der ORF-Fernsehchefredakteur hat in einem Interview gesagt, dass das die Entschei­dung war; und dass es davor noch ein Format gegeben hat, „Anne Will“, das offenbar eine gewisse Vorbildfunktion hatte, ist auch öffentlich gesagt worden.

Um Ihre Frage zu beantworten: Ich habe nicht vor, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einen Proporz, oder wie immer man das benennen will, im ORF für einzelne Sen­dungen verankert (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) und damit die redaktio­nelle Unabhängigkeit und die journalistische Unabhängigkeit der Mitarbeiter und Mitar­beiterinnen des ORF beendet. Nein, das habe ich nicht vor. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kickl.

 


Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Bundesminister, es ist eine allgemein be­kannte Tatsache, dass das rote Parteibuch durchaus hilfreich ist, wenn es darum geht, bestimmte Chefpositionen im ORF zu besetzen (Ruf: Das schwarze auch! – Zwischen­ruf des Abg. Rädler); von daher liegt es auf der Hand, dass diese Gefälligkeiten dann dort auch erledigt werden.

Das Privileg des ORF, eine Zwangsgebühr zu kassieren, eine Fernsehsteuer von je­dem Fernsehapparatbesitzer, unabhängig davon, ob er diese Programme konsumiert oder nicht, ist nach meinem Empfinden daran gekoppelt, dass es auch eine Verpflich­tung zur Objektivität in der Berichterstattung gibt. Diese Verpflichtung zur Objektivität wird in letzter Zeit vermehrt ignoriert und in manchen Fällen – wie auch im genannten – mit Füßen getreten; dafür gibt es viele Beispiele, Sie kennen sie genauso gut wie ich.

Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister, lautet daher: Wie viele Unterschriften müss­te denn aus Ihrer Sicht ein Volksbegehren zur Aufhebung der ORF-Zwangsgebühren erreichen, damit dieses Anliegen parlamentarisch auch von Ihnen unterstützt und um­gesetzt und nicht wie viele andere Bürgeranliegen schubladisiert wird?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wenn es um die Frage der Objektivität geht, haben wir – übrigens auch verfas­sungsrechtlich abgesichert – Instrumentarien, die auch hier in diesem Haus beschlos­sen wurden. Diese Instrumentarien sehen vor, dass man bei Behörden Beschwerde


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einlegen kann und dass diese dann in objektiver Form, verfassungsrechtlich unabhän­gig entscheiden, ob gegen das Objektivitätsgebot verstoßen wurde oder nicht.

Das ist rechtsstaatlich übrigens ein wunderbares Instrumentarium. Es entspricht genau dem, was den europäischen Rechtsstaat unter anderem ausmacht, und das beruhigt mich, weil ich es für schrecklich halten würde, wenn Sie oder andere Politiker (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein) über die Frage, ob objektiv berichtet wurde oder nicht, entscheiden. (Abg. Kickl: Es ist besser …!) – Nein. Es gibt die KommAustria, und Sie haben das mitbeschlossen, nehme ich an, denn die verfassungsrechtliche Un­abhängigkeit der KommAustria wurde hier in diesem Hause 2009, glaube ich, be­schlossen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen); davor war das nämlich nicht der Fall. – Das ist das eine.

Das Zweite ist (Präsidentin Bures gibt neuerlich das Glockenzeichen) – ich mache es ganz kurz –: Ich halte es für sehr klug, dass es ein duales Rundfunksystem gibt. Dazu gehört auch – wie in anderen Ländern Europas –, dass der öffentlich-rechtliche Teil über Gebühren finanziert wird, egal, ob das Haushaltsabgabe, Medienabgabe oder Rundfunk­gebühr heißt. (Abg. Kassegger: … Frage beantworten!) Daher gilt – zu Ihrer Frage – das Gleiche, was gesetzlich vorgesehen ist: eine bestimmte Anzahl, die in der Verfassung steht – Punkt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Hakel.

 


Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Wenn ich da höre, was Kollege Kickl so von sich gibt zu einem Gesetz, das unter Schwarz-Blau beschlossen wurde (Hallo-Ruf bei der ÖVP – Heiterkeit und Zwischen­rufe bei Abgeordneten der FPÖ) – ja, Schwarz-Blau, die Kollegen waren dabei –, dann kommt es mir schon ein bisschen so vor, als wäre da jetzt ein TV-Gesetz à la Polen geplant.

Das ORF-Gesetz hat sich in der Praxis ja bewährt. Der ORF feiert einen Erfolg nach dem anderen, er gewinnt den Song Contest, er richtet den Song Contest aus, es wer­den Filmpreise gewonnen. Der öffentlich-rechtliche Auftrag gerade in den Bereichen Kultur und Bildung wird erfüllt; ich nenne nur die freiwillige Verpflichtung zu einer Mu­sikquote und so weiter und so fort.

Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, dass die Frage des Herrn Kollegen Kickl eher polemisch zu verstehen ist (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, die war nicht polemisch …!), als dass eine politische Frage dahintersteht (Abg. Brosz: … Voll­ziehung! – Ruf bei der FPÖ: … Gegenstand der Vollziehung!): Haben Sie vor, einen Staatsfunk aus dem ORF zu machen? (Heiterkeit des Abg. Vetter. – Ruf: Ist er ja schon! – Ist das Ihre Frage zum ORF? – Weitere anhaltende Zwischenrufe.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischenrufe sind ein Instrument des lebendigen Parlamentarismus, es darf nur nicht dazu kommen, dass der Redner nicht mehr in der Lage ist, seine Ausführungen zu machen, daher er­suche ich, Zwischenrufe so zu machen, dass wir trotzdem in der Fragestunde fortset­zen können. (Ruf bei der ÖVP: Suggestivfrage …!)

Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also ich interpretiere das als den Versuch, politischen Druck auf die Redak­teure und Redakteurinnen betreffend eine Entscheidung aufzubauen. Alle miteinander, nicht nur die, die sich jetzt in Printmedien geäußert haben, sondern auch viele Jour­nalistinnen und Journalisten des ORF bis hin zum Redakteurssprecher haben sich ent­sprechend geäußert, nämlich dahin gehend, dass der Versuch unternommen wird, poli­tischen Druck auszuüben, wer wie Sendungen gestaltet.


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Ich bin ja im Bundesrat regelmäßig mit der Frage oder mit der Bitte konfrontiert, beim ORF zu intervenieren, dass die Bundesratssitzungen übertragen werden. Ich teile dann immer mit, dass es eine Entscheidung des ORF ist, welche Sendungen ausgestrahlt werden, eine Entscheidung der Geschäftsführung, der Redaktionen, die sich natürlich im Rahmen dessen bewegen muss (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), was als Sendeschema, als Programmschema in den Gremien beschlossen wurde.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 4. Anfrage, das ist jene des Herrn Abgeordneten Brosz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich begrüße auch den um die Unabhängigkeit des ORF besonders besorgten Klubobmann Lopatka, der gerade eingetroffen ist. (Abg. Lopatka: Ich war schon früher da …! – Abg. Fekter: Guten Morgen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Viele der Ereignisse der letzten Tage sind aus einer einzigen Sicht zu begründen: Es gibt im August die nächste Neuwahl im ORF, bei der der Generaldirektor und auch die anderen wesentlichen Führungsfunktionen gewählt werden. Es gibt eine Konstruktion des ORF, nach der de facto die beiden Regierungsparteien, auch durch die Länder­stiftungsräte, in hohem Ausmaß alleine darüber entscheiden, wie diese Führung aus­schaut.

Ich finde es interessant, dass Sie mehrfach auf die Redakteure und auf die unabhän­gigen Journalisten hingewiesen haben. Sie werden wahrscheinlich ziemlich genau in Er­innerung haben, dass der Redakteursrat unter anderem eine dringende Reform des Wahlmodus des Stiftungsrats vorgeschlagen hat, die genau das vorsieht, was auch wir in ähnlichen Anträgen vorgesehen haben, nämlich dass es zu einer Entpolitisierung die­ses Gremiums kommt, damit der politische Druck wegfällt.

Meine Frage an Sie lautet:

189/M

„Werden Sie dem Nationalrat angesichts der offensichtlichen Druckausübung durch die Regierungsparteien im Vorfeld der Neuwahl der ORF-Spitze im August 2016 endlich eine Gremienreform im ORF-Gesetz vorschlagen, damit zentrale Entscheidungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr aus einem parteipolitisch motivierten Machtkalkül erfolgen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter Brosz, Sie wissen ganz genau – weil Sie ja teilgenommen haben –, dass es in der vorigen Legislaturperiode eine Arbeitsgruppe gab, in der auch alle Mediensprecher der damaligen Parlamentsfraktionen waren. Wir haben da unter­schiedliche Personen eingeladen – von der Generaldirektorin der EBU, also der Euro­pean Broadcasting Union, der Dachorganisation der Öffentlich-Rechtlichen, Ingrid Del­tenre bis hin zu Roger de Weck vom schweizerischen Fernsehen, Ulrich Wilhelm vom Bayerischen Rundfunk et cetera –, und es ging um die Frage: Wie schaut eine opti­male Struktur im Hinblick auf die Gremien beim ORF aus?

Wir waren uns eigentlich relativ einig – oder zumindest die meisten –, dass der Stif­tungsrat verkleinert werden sollte, vielleicht der Publikumsrat vergrößert werden sollte. Wo wir uns nicht einig waren, war die Frage: Wie funktioniert die Auswahl? Wir wissen, dass das, was bei uns sozusagen als Entpolitisierung gelaufen ist – nämlich Cool-off-Phasen et cetera zwischen politischem Amt und Funktion beim ORF, dass bestimmte Personen keine Funktion im Stiftungsrat übernehmen dürfen, die früher im ORF-Kura-


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torium sein durften –, anders ist als in manch anderen Ländern, dass es in anderen Ländern, zum Beispiel auch in Deutschland, oft eine wesentlich stärkere Nähe zur ak­tuellen Politik gibt.

Wo wir uns nicht einigen konnten, war die Frage, wie man entsendet. Sie haben ein Mo­dell vorgeschlagen, bei dem ich gewisse Bedenken habe. Wenn man davon ausgeht, dass der Nukleus von Demokratie allgemeine, gleiche, geheime Wahlen sind und da­raus sozusagen die Vertretung des Volkes entsteht, dann muss ich sagen: Sie haben vorgeschlagen, dass genau das ausgeschaltet werden soll. Da haben wir eine unter­schiedliche Position (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – also ich halte die Demokratie und die Vertreter in der Demokratie für ein ganz wesentliches Element, un­sere Vorvorvorfahren haben intensiv darum gekämpft –, deshalb sind wir nicht zu einer Einigung gekommen. Bei vielen anderen Punkten waren wir aber d’accord. (Präsiden­tin Bures gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Solange es keine Einigung gibt – und ich denke, das sollte eine breite Einigung sein –, kann ich auch nichts vorlegen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Brosz.

 


Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Die Aufregung beim Herrn Kollegen Lopat­ka habe ich nicht ganz verstanden, denn neben der Sendung – Stichwort letzter Sonn­tag –, in der der Bundeskanzler alleine auftreten durfte, gab es ja auch andere Begleit­erscheinungen (Zwischenruf des Abg. Vetter), zum Beispiel die, dass es in den letzten zwei Wochen gezählte sechs Einladungen an ÖVP-Minister in Diskussionssendungen des ORF gegeben hat – „ZIB 2“ und „Report“ –, keine einzige Einladung an Opposi­tionspolitiker, egal, ob das die Grünen sind oder die FPÖ. Die Differenzen sind be­kannt, aber wahrscheinlich hätten beide Parteien zum Thema Flüchtlingsproblematik auch etwas zu sagen. Diese Konstruktion ist aus meiner Sicht, wie gesagt, daraus ab­leitbar, dass wir eine politische Einflussnahme haben, die sich dann einfach auswirkt. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen noch folgende Zusatzfrage stellen: Sind Sie wenigstens der Meinung, dass das antiquierte Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung von Landesdirektoren abgeschafft werden soll?

Damit sich die Zuseher und Zuseherinnen das vorstellen können: Es läuft so, dass der Generaldirektor in die Länder touren, zum Landeshauptmann gehen muss, sagt: Ich hätte einen Vorschlag! – der ist meistens eh schon akkordiert –, und dann den Landes­hauptmann fragen muss, ob dieser Vorschlag für die politisch unabhängige Führung der Landesstudios angenehm ist. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Sind Sie der Meinung, dass das gesetzlich verändert werden soll?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Darf ich noch zu Ihrem ersten Satz etwas sagen – ich komme gleich zur Frage zurück –: Sie fordern also ein Proporzfernsehen. (Abg. Brosz: Nein! Das gibt es ja jetzt!) Sie kritisieren, dass drei ÖVP-Minister eingeladen waren (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein), aber nicht die Opposition. – Das ist eine Entscheidung, die die zuständigen Menschen, die Redakteure, die Redaktionen im ORF treffen. (Abg. Brosz: … so unabhängig sind! – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Wenn der Maßstab ist: Was ist wichtig, um Interesse beim Publikum zu erzeugen, was ist wichtig, um Sachverhalte zu erklären?, dann kann es manchmal durchaus so sein, dass die, die unmittelbar damit befasst sind, die sind, die es am authentischsten, am besten erklären können.

Jetzt sage ich noch etwas: Wenn ich ein Gesetz vorlege oder Personen für Institu­tionen bestelle, dann halte ich es für relativ naheliegender, wenn ich dazu befragt wer-


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de, als wenn irgendjemand, der nichts damit zu tun hat, dazu befragt wird. Wenn das der Maßstab ist, dann ist es ein guter Maßstab.

Wenn der Maßstab ist, dass jeder – Sie zählen auch immer – 5 Minuten, 3 Minuten, 2 Mi­nuten lang vorkommen muss, dann halte ich das für einen ziemlich künstlichen Maß­stab, der eigentlich ein Proporzsystem abbildet, und ich meine, das ist nicht die Aufga­be des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. (Abg. Brosz: Die Opposition vorkommen zu lassen!) – Nein, das eine ist, wenn die Opposition etwas sagt, das sehr relevant ist oder den Journalisten relevant genug erscheint (Abg. Belakowitsch-Jenewein: … un­abhängige Journalisten!), dass es die Öffentlichkeit in einer Diskussionssendung er­fährt; meistens sind das ja ohnehin Runde Tische et cetera (Zwischenruf des Abg. Hö­bart), zu denen dann alle eingeladen sind.

Wenn es um die Frage geht, was im Europäischen Rat passiert ist, was im Europäi­schen Rat passieren wird, was auf Ebene der Regierungschefs passiert, dann werden Sie vermutlich relativ wenig beitragen können – im Vergleich zum Bundeskanzler, der unmittelbar in diesen Sitzungen dabei ist. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, aber das ist Aufgabe der „ZIB 2“!)

Jetzt zu Ihrer Frage (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen): Natürlich ist das ein Punkt, den man diskutieren kann, den wir auch diskutieren müssen, aber nur im Kon­nex mit einer Gesamtreform, ansonsten halte ich es nicht für sinnvoll.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Cap.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich glaube, wir können uns alle darauf verständi­gen, dass es keine Änderung des Rundfunkgesetzes geben kann, die zu einer Ein­schränkung der journalistischen Freiheit im ORF führt. (Ruf: Aber zur Durchsetzung der Objektivität!) Das ist das Allerwichtigste, damit wir uns gleich einmal richtig verstehen. (Beifall des Abg. Weninger.)

Das Zweite ist: Ich als Zuseher, als Konsument (Abg. Rädler: Zur Frage!) lege Wert darauf, dass die Objektivität und Unabhängigkeit gewahrt sind und dass alle vorkom­men, auch die Opposition. (Ruf bei der FPÖ: … Koreferat halten!) Das ist überhaupt keine Frage, und dazu möchte ich mich auch bekennen.

Das Dritte ist: Wir haben damals unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auch hier im Haus sehr lange das schwarz-blaue Rundfunkgesetz diskutiert. Es hat sich in der Pra­xis herausgestellt, dass das ein exzellentes Gesetz ist (Ruf: … Fragestunde!), und da­her gibt es keinen Grund, da Änderungen vorzunehmen, weil – und jetzt komme ich zur Frage (Abg. Neubauer: Was ist das für eine Wortmeldung? – Zwischenruf des Abg. Schönegger) – ich glaube, dass die Konstruktion … Man kann immer darüber diskutie­ren, ob das kleiner oder größer sein soll, auch über das Entsendungsrecht, aber in der Arbeitsgruppe war es so, dass man herausgehört hat, wer in welche Richtung Ände­rungen hinsichtlich Entsendungen will, damit seine Einflussmöglichkeiten steigen. (Abg. Neu­bauer: Was soll das? – Abg. Tamandl: Das ist ein Wahnsinn! – Weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe den Eindruck, es ist repräsentativ (Präsidentin Bures gibt das Glockenzei­chen) für Österreich im öffentlich-rechtlichen Kontext und auch im Vergleich mit den Öf­fentlich-Rechtlichen in Deutschland und anderen Ländern. Daher bin ich sehr zufrieden mit dieser Struktur, weil sich hier … (Abg. Fekter: Rotfunk! – Abg. Gerstl: Frau Präsi­dentin …! – Abg. Lopatka: … Provokation! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen … (Anhaltende Zwischen­rufe.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der Geschäftsordnung klar geregelt, dass es die Möglichkeit gibt, bei der Anfrage wie bei der Zusatzfrage, einlei­tend etwas zu sagen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) – Ja, Herr Abgeordneter Kickl, Sie


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haben mit der Fragestellung begonnen, als diese Zeit ausgeschöpft war. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Deshalb würde ich ersuchen, dass sich alle Abgeordneten an die Geschäftsordnung halten; ich gehe davon aus, dass Sie sie kennen, wir haben sie uns nämlich selbst ge­geben.

Herr Bundesminister, bitte. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er hat ja keine Frage ge­stellt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich würde meinen, das überlassen Sie dem Herrn Bundesminister, ob er eine Antwort hat. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen sowie Zwischenruf des Abg. Lugar.)

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also zu Ihrer Wortmeldung  (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Grünen sowie des Abg. Lugar. – Unruhe im Sitzungssaal.)

Sollen wir irgendwie weitertun, oder haben Sie vor … (Abg. Haider: Sie können nicht …, Sie haben keine Frage! – Abg. Kickl: Sie können nicht antworten …!) – Wenn Sie mich antworten lassen, Herr Kickl, dann kann ich auch antworten. (Beifall des Abg. Wenin­ger. – Ruf: Er hat nichts gefragt!) – Ich habe es verstanden. (Heiterkeit, Beifall und Zwi­schenrufe bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Sie ersu­chen, dass wir wieder in die Fragestunde einsteigen; am Wort ist der Herr Bundesmi­nister. (Abg. Kickl: … holen Sie sich das Protokoll!)

Es gilt folgende Vereinbarung: Anfragen: 2 Minuten; Antworten auf Fragen: 2 Minuten (Zwischenruf des Abg. Neubauer); Zusatzfragen: 1 Minute; Antworten auf die Zusatzfragen: 1 Minute. Ich würde darum ersuchen, das einzuhalten. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter Brosz und in der Folge Herr Abgeordneter Cap, das war sozusagen die Verknüpfung zwischen Gremienreform und Programmgestaltung und der Frage der Objektivität. Ich halte das für eine unzulässige Verknüpfung, weil die Objekti­vität im ORF-Gesetz geregelt ist (Zwischenruf des Abg. Rädler), weil wir gesetzliche Vor­kehrungen getroffen haben, wie das kontrolliert werden kann – mit Beschwerderecht und der Prüfung der Beschwerde.

Daraus abzuleiten, dass die Gremien verkleinert oder verändert werden oder sonst ir­gendetwas geschieht, ist aber eine Verknüpfung, die unzulässig ist. Das würde nämlich bedeuten, dass Sie wollen, dass die Gremien eine Proporzeinladungsliste – oder was auch immer – absegnen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Das ist weder die Aufgabe des Stiftungsrates, noch ist es die Aufgabe des Publikumsrates. Wenn es Beschwerden gibt, dann gibt es dafür die KommAustria, die entsprechende Einrichtung, die Sie hier verfassungsrechtlich beschlossen haben. (Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Zum anderen: Man kann logischerweise eine andere Meinung haben. Die Bundesre­gierung und die Mehrheit des Parlaments waren, als das ORF-Gesetz beschlossen wur­de, der Meinung, dass es 35 Stiftungsräte geben soll und auch die einzelnen Parteien, die Länder diese jeweils nominieren sollen; sie kennen die Zusammensetzung.

Es gibt die andere Auffassung, die besagt, ein kleineres Gremium – wir haben das dis­kutiert, zehn plus fünf Belegschaftsvertreter – ist effizienter. – Ja, diese Meinung teile ich, ohne dass das eine Kritik am jetzigen Stiftungsrat ist. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Die Frage ist aber, wie die ausgewählt werden, und solange wir dazu keine breite Mehrheit haben, wird es auch keine Änderung des ORF-Gesetzes geben können. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Darmann.

 



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Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Drei kurze Punkte zur Einleitung: Erstens hatte ich gedacht, dass der Höhepunkt der heu­tigen Fragestunde das Eingeständnis der SPÖ-Abgeordneten Hakel ist, dass der ORF ein Rotfunk sei. – Das war einmal eine interessante Feststellung!

Zweitens geht es nicht alleine um den Beschluss und darum, wer das ORF-Gesetz beschlossen hat, sondern es geht natürlich grundlegend um die Einhaltung von be­schlossenen Gesetzen. (Abg. Hakel: Die werden ja eingehalten!) Darum geht es, Frau Kollegin Hakel! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Drittens, Herr Bundesminister, zeigt doch das Schauspiel, das soeben durch Herrn Kol­legen Cap abgeführt wurde, dass es keinen Unterschied macht, ob es Anstrengungen seitens der SPÖ gibt, in den ORF parteipolitisch hineinzuregieren oder die Spielregeln hier im Haus zu beugen – die SPÖ macht, was sie will! (Abg. Hakel: Wo ist die Frage?)

Und nun meine Frage: Herr Bundesminister, Sie selbst haben das Objektivitätsgebot heute mehrfach strapaziert. Uns von der FPÖ würde sehr wohl interessieren – wir sind ja eine nicht unwesentliche politische Kraft in diesem Land, die durch den ORF bei ei­nigen Sendeformaten regelmäßig ausgebootet wird –, wie Sie Objektivität im ORF de­finieren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht können Sie uns und dem Steuerzahler, dem ORF-Zwangsgebührenzahler in drei, vier oder fünf Punkten erklären, was das Objektivitätsgebot ist und wie es durch Sie, Herr Bundesminister, definiert wird.

 


Präsidentin Doris Bures: Und das in einer Minute – bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Es geht kürzer: Es ist nicht meine Aufgabe, es ist nicht die Aufgabe der Politik, die Einhaltung der Objektivität zu überprüfen, sondern das ist, wie es in einem Rechts­staat vorgesehen ist, wie es auch bei uns in unserem Rechtsstaat geregelt ist, Aufgabe der zuständigen Behörde beziehungsweise der zuständigen Gerichte. (Abg. Deimek: Aber der Staat gehört noch nicht der SPÖ! Zwischenruf des Abg. Rädler.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 5. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Mag. Alm. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Frau Präsidentin! Ja, Medienpolitik steht in Österreich wenig im Zusammenhang mit den demokratischen Anforderungen an moder­ne Medienproduktion. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Erhaltung von histori­schen Vertriebsinfrastrukturen und trägt wenig dazu bei, die unterstellte Marktinsuffi­zienz in der Produktion öffentlich-rechtlicher Inhalte irgendwie zu adressieren. Über das Vorliegen einer Marktinsuffizienz könnte man natürlich streiten, aber nehmen wir das ein­mal als Dogma der österreichischen Medienpolitik an.

Die drei wichtigsten medienpolitischen Steuerungsinstrumente neben den Rundfunkge­bühren wären dann die Presseförderung in der Höhe von zirka 9 Millionen €, die direk­te Inseratenvergabe in der Höhe von, wie wir jetzt gehört haben, zirka 188 Millionen €, und dann hätten wir noch die Werbeabgabe für Medien, sozusagen als indirekte ne­gative Förderung, in der Höhe von etwa 100 Millionen €.

Meine Frage:

188/M

„In welcher finanziellen Größenordnung planen Sie eine Reform der wichtigsten me­dienpolitischen Instrumente?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr


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Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also abgesehen davon, dass Sie jetzt unterschiedliche Dinge miteinander ver­mischt haben, haben Sie jedenfalls eines noch vergessen – oder vielleicht war es mei­ne Unaufmerksamkeit, ich glaube aber nicht –, nämlich die Förderung des privaten kom­merziellen und nichtkommerziellen Rundfunks, die wir, ich glaube, im Jahr 2009, be­ginnend mit 2010 eingeführt haben, im Rahmen derer private kommerzielle Rundfunk­unternehmen, aber auch nichtkommerzielle, gemeinnützige Rundfunkunternehmen För­derungen bekommen können.

Jetzt könnte man, wenn man es so macht, wie Sie es machen, sagen, es gibt noch die Filmförderung und andere Förderungen, die auch jeweils indirekt eine Förderung von Medien oder Medienunternehmen sind, denn wenn wir Filme fördern und diese in Rund­funkmedien ausgestrahlt werden, dann haben wir auch einen Beitrag zur Programmge­staltung geleistet.

Das andere ist die Frage von Anzeigen: Ist das Medienförderung? – Nein, es ist Infor­mationsvermittlung, die indirekt natürlich auch dem gesamten Medienmarkt Österreichs zugutekommt. Außerdem haben Sie jetzt, glaube ich, die Bundesförderung und das Vo­lumen aller öffentlichen Einrichtungen – auch der Länder und so weiter –, miteinander gekoppelt.

Welche Größenordnung zum Beispiel jetzt die Frage einer Änderung der Presseförde­rung hat, hängt davon ab, was wir am Ende zustande bringen. Es gibt einen Vorschlag vom Verband Österreichischer Zeitungen, die gehen von 35 Millionen € aus. Es hat ein Gutachten von Hannes Haas gegeben, der leider viel zu früh verstorben ist, in dem es, glaube ich – ich habe die Zahl nicht genau im Kopf –, auch um diese Größenordnung gegangen ist, aber am Ende ist es ein Gesamtpaket. Daher ist die Frage jetzt, solange das Gesamtpaket nicht fertig ist, relativ schwer zu beantworten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Das merke ich. – Meine Aufzählung vor­hin war auch keine vollständige Liste, sondern ich habe mich auf die wichtigsten Ins­trumente beschränkt. Die von Ihnen genannte Förderung für den Privatbereich nimmt sich ja im Vergleich zu den GIS-Gebühren von zirka 600 Millionen € sehr gering aus.

Dass es sich bei diesen zirka 200 Millionen € direkte Presseförderung nicht um Infor­mation handelt, wird ja auch dadurch bestätigt, dass das im Diskurs über diese The­matiken durchaus als direkte Presseförderung bezeichnet wird und nicht als Budget für die Information.

Meine Frage daher präzisiert: Wäre es nicht sinnvoll, diese Werte zu vertauschen, also das, was jetzt als, wie Sie es bezeichnen, Informationsbudget zur Verfügung steht, die­se zirka 200 Millionen €, in eine Förderung öffentlich-rechtlicher Inhalte umzuwidmen, also in eine wirkliche Public-Value-Inhalte-Förderung, und sozusagen dieses Informa­tionsbudget auf die Höhe der derzeitigen Presseförderung von zirka 10 Millionen € zu deckeln?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Folgt man dem Vorschlag, würde das eine ziemlich radikale Änderung der ös­terreichischen Verfassung bedeuten. Das würde bedeuten, dass erstens die Minister­verantwortlichkeit beendet wird, und das ist eines der Grundprinzipien der österreichi­schen Bundesverfassung. Das hieße zweitens, dass der Bund darüber bestimmt, was in den Ländern, in ausgelagerten Unternehmen, in Tochterunternehmen und so weiter geschieht. Ich glaube, da müsste man wahrscheinlich nicht nur die Bundesverfassung, sondern auch das Aktienrecht und so weiter grundlegend verändern, und das würde ich, ehrlich gesagt, nicht empfehlen.

 



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Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 6. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Hagen. – Herr Abgeordneter Hagen, bitte.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter, Sie haben vorhin erklärt – ich habe Ihnen sehr genau zugehört –, dass ein Abge­ordneter, der einen Antrag einbringt, wenn das ein Fachgespräch ist, vom ORF inter­viewt wird und dass das dann auch dementsprechend gesendet wird. Das ist aber nicht der Fall. Ich kann Ihnen ein Beispiel dafür bringen: Das Team STRONACH, konkret meine Person, hat einen Antrag eingebracht, über den im Ausschuss debattiert worden ist, es wurden dann Interviews geführt und Aufnahmen gemacht, aber zu meiner Ver­wunderung war der Einzige, der zu diesem Thema in der ORF-Sendung nicht vorge­kommen ist, ich, obwohl ich der Antragsteller war. (Abg. Kickl: Aber dafür gibt es jetzt das Salzamt!) Also diese Begründung, die Sie hinsichtlich des Herrn Bundeskanzlers genannt haben, dass er in dieser sogenannten Belangsendung deswegen vorkommt, weil er vom Fach ist, hat sich in diesem Fall nicht als richtig erwiesen, und die Unab­hängigkeit scheint mir da doch gewünscht zu sein.

Auch ich komme an der ORF-Sendung „Im Zentrum“ nicht vorbei, daher lautet meine Frage:

181/M

„Die Belangsendungen für politische Parteien im ORF wurden 2001 abgeschafft. – Wie sehen Sie den Soloauftritt“ – ich sage jetzt einmal: die Belangsendung – „Ihres Partei­chefs, Bundeskanzler Faymann, in der ORF-Sendung ‚Im Zentrum‘ unter dem Ge­sichtspunkt der verbotenen Belangsendungen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich schließe mich, ehrlich gesagt, einer derart undifferenzierten Betrachtungs­weise und damit aber auch einer wirklichen Beschimpfung – so kann ich es nur mehr interpretieren – der Redaktion, aber auch der Interviewerin nicht an. Also nein, wenn Sie sagen, ein Diskussionsformat sei eine Belangsendung, dann wissen Sie nicht, was eine Belangsendung war (Beifall bei der SPÖ), nämlich eigengestaltet von den jewei­ligen Parteien und kein Diskussionsformat (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Welche Dis­kussion?! Abg. Kickl: Was wurde da diskutiert?), in dem Fragen gestellt werden. (Abg. Kickl: Eine Diskussion … mit der Frau Thurnher!)

Aber das reiht sich in das ein, was letzte Woche gesagt wurde. Herr Klubobmann Lu­gar hat ja letzte Woche schon angekündigt, dass Sie mir eine Frage stellen, wo er sagt, das gibt es normalerweise nur in Diktaturen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ja, in den Volksrepubliken!) Also entweder ist es absolute Unwissenheit oder es ist halt Polemik, Bösartigkeit oder als was auch immer man das qualifizieren will. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, das ist eine Tatsache! Abg. Lugar: … Unterschied zwischen Nord­korea und ORF!)

Deutschland ist also nach Ihrer Auffassung eine Diktatur? – Ich teile diese Auffassung nicht. Frankreich ist nach Ihrer Auffassung eine Diktatur? – Ich teile diese Auffassung nicht. Großbritannien ist … (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Es geht ja um den ORF! Abg. Lugar: Es geht um den ORF! Um den ORF, um Österreich! Abg. Belakowitsch-Jenewein: Es geht ums Format!) – Nein, genau dort, in all den Ländern – ich könnte jetzt noch sagen: Großbritannien, Schweden, Dänemark, Niederlande, Kanada, USA – gibt es privaten Rundfunk, gibt es öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und überall dort gibt es diese Formate.

Ich kann Ihnen sogar sagen, wie das heißt, damit Sie es nachschauen können: In Schweden heißt es „Agenda“, in Frankreich gibt es das – Sie wissen das –, in Deutsch-


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land war es Anne Will, zweimal übrigens in den letzten vier Monaten. (Abg. Lugar: Bei uns heißt das „Pressestunde“!) – Nein! Das sind andere Formate, die es dort auch gibt. Es gibt auch dort Diskussionssendungen und es gibt dort … (Abg. Belakowitsch-Je­newein: Aber mit wem hat er denn diskutiert? Das ist ja das Problem!) – Würden Sie mir zuhören, würden Sie vielleicht noch erfahren, dass es in Kanada ein Format gibt, das „One on One with the Prime Minister“ heißt. Das Gleiche gibt es in der Downing Street in Großbritannien und so weiter. (Abg. Kickl: Mir schwant Übles!) Es ist absurd, diese Länder als Diktaturen zu bezeichnen – und das Gleiche gilt, wenn man das mit Österreich macht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ich glaube, Sie kennen sich nicht aus! Sie tun zumindest so!)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Minister, das hat mir jetzt trotz­dem noch nicht erklärt, warum ich damals im ORF nicht über meinen Antrag sprechen durfte. (Bundesminister Ostermayer: Weil es nicht meine Aufgabe ist, Ihnen das zu erklären!) – Ja, ja. (Abg. Brosz in Richtung Bundesminister Ostermayer : Aber das andere, was Sie dauernd erzählen, ist auch nicht Ihre Aufgabe!)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, Herr Abgeordneter Hagen hat noch 1 Minute für eine Zusatzfrage, die er jetzt stellen wird. – Bitte.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (fortsetzend): Nun zu meiner Zusatzfrage: Der Vor­arlberger-Nachrichten-Journalist Johannes Huber hat nach einer Anfrage des Teams Stronach betreffend Presseförderungen durch die Ministerien einen Artikel mit dem Ti­tel „Hochgelobt und vielgefördert“ geschrieben, in dem es um den Herrn Bundeskanz­ler geht, der in seinem Ressort vom 4. Quartal 2014 bis zum 3. Quartal 2015 ein Inse­ratenvolumen von 2,72 Millionen € hatte. Die Inserate wurden in verschiedenen Zei­tungen geschaltet. Die „Kronen Zeitung“ bekommt am meisten vom Kuchen ab, dann folgen „Österreich“, „Heute“, die „Tiroler Tageszeitung“, die „Salzburger Nachrichten“ – und die „Vorarlberger Nachrichten“ haben auch ein wenig abbekommen.

Meine Frage: Sind Sie nicht auch der Meinung, dass Medieninserate durch Ministerien auf Steuerzahlerkosten unterlassen werden sollten?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Entschuldigung für die Unterbrechung vorhin, ich sage es jetzt auch bei einge­schaltetem Mikrofon: Ich habe Ihnen deshalb auf Ihre Frage, warum Sie nicht in der Sendung vorgekommen sind, keine Antwort gegeben, weil das nicht meine Aufgabe ist.

Wenn Sie sich hinsichtlich der Objektivität beeinträchtigt fühlen, dann können Sie ge­nauso wie jeder andere Bürger und jede andere Bürgerin in diesem Land Beschwerde einlegen. Dazu gibt es die entsprechenden Einrichtungen. (Abg. Deimek: Das ist ein Salzamt!)

Zum zweiten Punkt: Nein, ich bin nicht der Meinung, dass die öffentliche Hand im Un­terschied zur Wirtschaft ihre Adressaten, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, nicht in­formieren soll, sondern ich bin der Meinung, dass sie sie sehr wohl informieren soll.

Was wir in der Vergangenheit gemacht haben, ist, dass wir für Transparenz gesorgt ha­ben, indem wir das Medientransparenzgesetz gemacht haben, indem wir eine Richtlinie beschlossen haben, und was das Bundeskanzleramt anlangt, gibt es den Grundsatz, dass entsprechend der ÖAK und der Media-Analyse – das sind Merkmale, die durch­aus auch die Wirtschaft anwendet, die die breite Bevölkerung anspricht – Anzeigen ge­schaltet werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Belako­witsch-Jenewein.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 28

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben uns jetzt quasi zu verstehen gegeben, dass Sie ohnehin für nichts zuständig sind. Man sollte sich vielleicht überlegen, ORF eins und ORF 2 zu privatisieren und den Objektivitätsauftrag den Privaten – Servus TV – zu überlassen, die das jetzt schon weit besser zustande bringen als der ORF.

Sie haben aber jetzt als Antwort auf die Frage des Kollegen Hagen auch gesagt, dass „Im Zentrum“ das Format Diskussion hat, und genau darum geht es eben. Es hat eben das Format Diskussion, das ist genau definiert, aber das war ein Verkaufsgespräch des Herrn Bundeskanzler, und der hat dort eben nicht diskutiert – insoweit ist die Ob­jektivität verletzt worden.

In diesem Zusammenhang meine Zusatzfrage: Was gedenken Sie als oberstes Organ der Republik dagegen zu tun, dass im ORF permanent die Objektivität verletzt wird und auch die Äquidistanz und somit der Informationsauftrag nicht in einer dem Gesetz ent­sprechenden Weise erfüllt wird?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich habe es jetzt schon einige Male gesagt, ich kann es für Sie gerne wieder­holen: Ich gedenke, mich auch weiterhin an die Verfassung und an die Gesetze, die hier beschlossen wurden, zu halten. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 7. Anfrage, jener der Frau Abgeord­neten Hakel. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich komme jetzt zu einem anderen Thema, nämlich zum Thema Kunst und Kultur und den unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in Ihrem Ministerium. In Zei­ten wie diesen ist es ja schwer, die Budgets überhaupt zu halten, sodass sie nicht ver­ringert werden und stabil bleiben. Sie haben sehr gute Finanzverhandlungen geführt und Sie haben noch zusätzliches Budget herausgeholt.

Meine Frage lautet:

186/M

„Welche Schwerpunkte planen Sie im Kulturministerium zur Unterstützung zeitgenös­sischer Kunstschaffender und zur Unterstützung des österreichischen Films?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich bin in der glücklichen Situation, dass das Budget für den Kunst- und Kultur­bereich nicht gekürzt wurde, dass bestimmte gesetzliche Verpflichtungen ausgelaufen sind – Museumsquartier und so weiter; wir haben es damals bei der Budgetdiskussion hier schon besprochen – und dass Mittel frei geworden sind, die wir einerseits natürlich für die Bundestheater eingesetzt haben, um dort eine entsprechende Stabilisierung – Stichwort Burgtheater – herbeizuführen, aber andererseits auch für andere Bereiche, zum Beispiel um zeitgenössische Kunst, kleinere Institutionen, innovative Projekte zu stärken, und zwar durch Erhöhung der Budgets oder durch Schwerpunktsetzungen.

Ein Beispiel ist die Förderung des innovativen Films, die durch das Bundeskanzleramt durch die Sektion Kunst und Kultur – natürlich über Beiräte – vergeben wird. Da konn­ten wir das Budget um 10 Prozent erhöhen, von 2 Millionen auf 2,2 Millionen. Wir ha­ben für die freie Szene für die Nachwuchsförderung zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt, für neue Förderschienen, Kulturinitiativen. Wir haben für das Jahr 2016 vor, Stipendien für Alleinerziehende zu erhöhen beziehungsweise haben diese schon er-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 29

höht. Wir haben zur Stärkung der Literatur und des Literaturschaffens in Österreich ei­nen neuen Buchpreis, den Österreichischen Buchpreis, initiiert, den ich mit dem Haupt­verband des Österreichischen Buchhandels im Oktober letzten Jahres in Frankfurt bei der Buchmesse vorgestellt habe.

Wir haben sehr intensiv gearbeitet, und es startet genau heute die Einreichfrist für den Österreichischen Buchpreis, der aus zwei Elementen besteht: dem Österreichischen Buchpreis und einem Debütpreis.

Der Debütpreis wird von der Arbeiterkammer unterstützt. Da geht es darum, dass Auto­ren und Autorinnen, die erstmals ein Buch veröffentlichen, unterstützt werden.

Mehr kann ich jetzt dazu nicht sagen, weil die Zeit knapp ist. Wir haben Reisekosten­zuschüsse erhöht. Wir haben ein neues Stipendium, das Hans-Hollein-Stipendium , und einen Hans-Hollein-Kunstpreis ins Leben gerufen und einiges andere mehr. Danke.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie wissen, die Gleichstellung der Frau ist mir ein großes Anliegen. Wir haben uns schon öfter darüber unterhalten, dass das natürlich auch im Kunst- und Kulturbereich ein Thema ist, beson­ders bei den Filmschaffenden.

Daher meine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass weibliche Filmschaffende in gleichem Umfang Unterstützung erhalten und ihre Chance erhalten, sich zu etablieren, und könn­ten Sie auch über eine Geschlechterquote nachdenken?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich glaube, man muss da unterscheiden: Es gibt jene Bereiche, in denen Frau­en Förderungsmittel in einem relativ gleichen Ausmaß bekommen wie Männer, etwa bei größeren Filmen im Frühstadium des Filmes, also bei der Entwicklung, beim Dreh­buch und so weiter. Bei der Förderung des innovativen Films, die über das Bundes­kanzleramt vergeben wird, haben wir eine ziemlich ähnliche, also paritätische Vergabe.

Wir haben beim innovativen Film Arbeitsstipendien eingeführt, und 50 Prozent davon bekommen weibliche Filmschaffende. Wir haben ein Mentoringprogramm eingeführt, wir haben ein Programm eingeführt, das ProPro heißt, also Produzentinnen-Programm. Da hat es einen Workshop von FC Gloria, die dieses Thema sehr genau untersucht hat, und dem ÖFI gegeben, und das soll 2016 fortgeführt werden.

Wir haben bei den Auswahlgremien geschaut, dass wir eine möglichst gleiche, pari­tätische Besetzung haben. Das ÖFI, also das Österreichische Filminstitut, wohin der größere Teil der Förderung geht – ich hatte auch mit dessen Geschäftsführer ein Ge­spräch –, ist auch eine Selbstverpflichtung eingegangen, wo man will, dass in den nächsten drei Jahren, gemessen an der Anzahl der geförderten Projekte – Drehbuch, Produktion, Regie –, ein Verhältnis 60 : 40 angestrebt werden soll. Das soll laufend eva­luiert werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 8. Anfrage, jener der Frau Abgeord­neten Dr. Karl. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Heutzutage spielt die Digitalisierung in allen Bereichen und damit natürlich auch im Kunst- und Kulturbereich eine große Rolle. Kulturelles Erbe und Material kann digitalisiert der Öffentlichkeit online verfügbar gemacht werden. Damit wird auch der Zugang zu Informationen und Materialien im Kulturbereich verbessert und für die Zu­kunft besser nutzbar gemacht.

Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 30

183/M

„Wie schauen Ihre Pläne zur Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Forderung nach einer Forcierung von Digitalisierungsaktivitäten im Kulturbereich aus?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wir haben das nicht nur im Regierungsprogramm als Ziel vorgesehen, sondern es ist auch eines der Ziele der Kulturpolitik auf europäischer Ebene, nämlich um unter anderem den Zugang zu Informationen im Kultursektor generell, im Kulturerbe-Sektor und im musealen Sektor zu verbessern. Wir unterstützen, finanzieren und fördern die­se Aktivitäten.

Ich habe jetzt noch einmal nachgefragt, wie weit wir dabei sind. Ich kann Ihnen sagen, im Bereich der Digitalisierung sind wir beim Aufbau von Bilddatenbanken beim Kunst­historischen Museum, beim mumok, beim Belvedere, bei der Albertina, beim Techni­schen Museum und beim MAK, also beim Museum für angewandte Kunst. Bei der Na­tionalbibliothek ist das praktisch abgeschlossen. Wir haben im Naturhistorischen Mu­seum mit der Digitalisierung im Dezember 2015 auf drei Jahre wiederum einen wei­teren Schritt gesetzt.

Dann gibt es noch das zweite Thema, das wir schon im Kulturausschuss diskutiert ha­ben, das Stichwort „Europeana“, also die europäische Kulturobjektedatenbank, wo mitt­lerweile zwar 50 Millionen Objekte digitalisiert sind – übrigens 2 Millionen davon aus Österreich –, aber wo wir auch beim letzten Kulturministerrat darüber diskutiert haben, wie wir das erstens in Zukunft weiterfinanzieren und zweitens, wie man die Awareness, also die Aufmerksamkeit, und das Interesse daran stärken kann, weil der Zugriff nicht in dem Ausmaß stattfindet, wie es erwartet wurde.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sie haben ja bereits darauf hingewiesen, dass es auf EU-Ebene schon seit vielen Jahren Aktivitäten zur Digitalisierung des kul­turellen Erbes gibt, um dessen Bewahrung für künftige Generationen sicherzustellen. Sie haben bereits erwähnt, dass dabei die Europäische Digitale Bibliothek, Europeana, mit Sitz in den Niederlanden im Mittelpunkt steht.

Was ist da genau geplant, zumal ja nunmehr die Niederlande auch den EU-Ratsvorsitz haben? Erfolgt momentan dadurch auch eine Schwerpunktsetzung, beziehungsweise wie schauen die weiteren Schritte auf europäischer Ebene aus?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Die Diskussion ist eine zweifache: Wie kann man das Interesse an dieser Da­tenbank stärken, also dass sie tatsächlich intensiver genutzt wird? Die zweite Frage ist: Wie kann man in Zukunft die Finanzierung sicherstellen?

Der Umstand, dass das Interesse höher eingeschätzt wurde, hat natürlich auch die Fra­ge hinsichtlich der Finanzierung aufgeworfen. Ich weiß, dass sich meine niederländi­schen Kollegen intensiv mit dem Thema befassen. Ich gehe davon aus, dass wir die­ses Thema beim nächsten Europäischen Rat der Kulturminister im Mai noch einmal auf der Tagesordnung haben und weiterdiskutieren. Das ist momentan der Zwischenstand, den ich Ihnen berichten kann.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 9. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Mölzer. – Bitte.

 


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Minister, wir wissen, dass das histori­sche Stadtzentrum der Stadt Wien im Jahr 2001 zum Weltkulturerbe erhoben wurde, da-


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mals mit der Begründung – Zitat –, dass „die städtebaulichen und architektonischen Qua­litäten des historischen Zentrums von Wien überragende Zeugnisse eines fortwähren­den Wandels von Werten während des zweiten Jahrtausends sind“.

Ich glaube, nicht nur aus freiheitlicher Sicht sollte klar sein, dass wir diesen Status des Weltkulturerbes um jeden Preis erhalten und bewahren sollten. Wenn man weiß, dass es ein Großprojekt – ein Monsterprojekt könnte man auch sagen – auf dem Areal des Wiener Eislaufvereins mit einem über 70 Meter hohen Wohnturm oder Hotelturm ge­ben wird, dann muss man solche Projekte entsprechend kritisch bewerten und, wenn es notwendig ist, auch verhindern oder zumindest verändern.

Seit November letzten Jahres gibt es angeblich zum besagten Bau einen Bericht der UNESCO. Daher auch unsere Frage:

192/M

„Wann wird der 37-seitige ICOMOS Mission Report, der die verheerenden Auswirkun­gen auf das Weltkulturerbe ,Historisches Stadtzentrum von Wien‘ durch das geplante Intercontinental Hotel durchleuchtet, von Ihrem Ministerium der Öffentlichkeit zugäng­lich gemacht?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Nach derzeitigem Stand gehe ich davon aus, dass das im Frühjahr 2016 erfol­gen wird. ICOMOS veröffentlicht selber den Bericht, aber der übliche Vorgang ist, dass die Stellungnahme des Adressaten, also in dem Fall die Stadt Wien, abgewartet wird. Der Vorgang ist folgendermaßen: Der Bericht wird erstellt, dann wird zur Stellungnah­me aufgefordert. Wenn die Stellungnahme einlangt, wird sie berücksichtigt oder auch nicht. Mit der eingearbeiteten Stellungnahme wird das dann veröffentlicht.

Mein Informationsstand ist, dass der Bericht im Frühjahr 2016 auf der Website der UNESCO veröffentlicht wird. Wir machen dann, sobald die UNESCO ihn veröffentlicht hat, parallel auch die Veröffentlichung bei uns.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Dem Vernehmen nach verlangt dieser Bericht einerseits, dass das Volumen und auch die Höhe dieses Projekts zu überdenken und zu überarbeiten seien. Andererseits gibt es aber angeblich auch Empfehlungen, dass gesetzliche Bestimmungen, gesetzliche Regelungen im Bereich der Bauordnung, aber auch im Bereich des Denkmalschutzes zu treffen sind, damit solche Pläne quasi erst gar nicht mehr entstehen können.

Daher meine Zusatzfrage: Welche rechtlichen Maßnahmen, welche politischen Aktivi­täten und Initiativen werden Sie setzen, um diesen Empfehlungen nachzukommen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter, das hängt dann vom endgültigen Bericht ab. Wir hatten auch eine Diskussion, wie Sie sicher wissen, als es um Wien Mitte gegangen ist. Also auch damals hat es einen Diskussionsprozess über die Frage Weltkulturerbe, über die Frage Canaletto-Blick vom Belvedere et cetera gegeben. Das Projekt ist gebaut wor­den. Man hat nach den Diskussionen mit der UNESCO, mit ICOMOS entsprechende Änderungen vorgenommen und dann ist es realisiert worden. Auch damals ist im Raum gestanden, dass der Weltkulturerbe-Status der Stadt Wien gefährdet ist. Man hat eine Lösung gefunden.


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Das heißt, sinnvollerweise gibt es einen Ablauf, den man einhält: Report von ICOMOS, Stellungnahme, Endbericht, und dann werden wir entsprechende Schritte, je nachdem, was dann herauskommt, überlegen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Gerstl.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Zunächst möchte ich noch einmal auf die Frage der Kollegin Karl einge­hen und mich für Ihre Zusage bedanken, die europäische Initiative zur Sicherung des Kulturerbes ganz besonders zu unterstützen.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Hauptfrage jetzt einen weiteren ICOMOS-Be­richt anschneiden. ICOMOS hat knapp vor Weihnachten einen sogenannten Weltkul­turerbe-Alarm ausgelöst, was das Gesamtkunstwerk am Steinhof betrifft. Es erging ein Schreiben an den Wiener Bürgermeister und auch an einen Beamten Ihres Ressorts. Dieses historische Gesamtkunstwerk ist nach Ansicht von ICOMOS Österreich gefähr­det, das im Auftrag der UNESCO gehandelt hat. Auf diesem historischen Gesamt­kunstwerk befindet sich auch ein Mahnmal betreffend die Tötung von Hunderten von Kindern in der Nazi-Zeit und Tausenden von Kindern, die dort gequält worden sind. In diesem Zusammenhang gilt es, gerade dieses Mahnmal und das historische Gesamt­kunstwerk zu erhalten.

Meine Frage daher: Was können Sie als Kulturminister tun, um zur Sicherung dieses Kulturerbes tätig zu werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen jetzt nicht alle Details dazu beantworten. Ich kann das gerne zum ICOMOS-Bericht auch im Konnex jetzt mit dem Mahnmal, das Sie erwähnt haben, nachreichen.

Was wir im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen tun können, ist primär, natürlich das Denkmalschutzgesetz, die Möglichkeiten, die es dort gibt, auszuschöpfen. Ansons­ten liegen Flächenwidmung, Baubewilligungen et cetera einerseits in der Zuständigkeit des jeweiligen Gemeinderats oder Landtags – nein, Gemeinderat, glaube ich; Flächen­widmung ist Gemeinderat.

Die Frage der Baubewilligungen ist eine behördliche Entscheidung, die im Zuge eines rechtsstaatlichen Verfahrens abläuft. Unser Instrument ist das Denkmalschutzgesetz.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 10. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Dr. Zinggl. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Bundesminister! Bei den Ge­hältern der Direktoren und Direktorinnen in den österreichischen Bundesmuseen zeigt sich die Republik besonders spendabel und großzügig. Das sind Gelder, die dann im operativen Budget, also bei den Ausstellungen, fehlen. Gehälter von 250 000 € pro Jahr sind keine Ausnahme. Mir scheint es auch ungerecht gegenüber den Managementebe­nen direkt darunter zu sein, die ja für den Betrieb maßgebende und entscheidende Ar­beit leisten und verantwortlich sind.

Meine Frage lautet:

190/M

„Trotz enger Kulturbudgets verdienen in Österreich manche Museums-Direktoren und Di­rektorinnen so viel wie der Bundeskanzler. – Werden Sie bei Neubesetzungen von Lei-


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tungsfunktionen in den Bundesmuseen dafür Sorge tragen, dass sich die Gehälter künf­tig auf einem vertretbaren Niveau bewegen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich kann es ein bisschen ausführen. Ich bin einmal kurz kritisiert worden, weil die jetzige Burgtheaterdirektorin weniger verdient als der frühere Burgtheaterdirektor. Da kam die Kritik, das ist, weil sie eine Frau sei. Ich habe damals geantwortet, sie sel­ber hat das vorgeschlagen und ich habe es natürlich gerne angenommen.

Es ist bei den Großinstitutionen schon zu berücksichtigen, wir bewegen uns immer in einem internationalen, zumindest deutschsprachigen Bereich. Ich bemühe mich, bei Neu­besetzungen, wenn mir die Gehälter im internationalen Vergleich vorliegen, zu schau­en, dass wir uns auf diesem Niveau bewegen. Wenn ich den Eindruck habe, oder auch die ExpertInnen meinen, dass das Gehalt zu hoch ist, versuchen wir, zu geringeren Beträgen zu kommen. Das war zum Beispiel bei der Bestellung des neuen Bundes­theater-Holding-Chefs der Fall.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Sie haben es schon angespro­chen, es gibt international wesentlich größere Museen, wo die Direktoren und Direkto­rinnen wesentlich weniger verdienen. Beispielsweise verdient der Leiter des Pariser Louvre 150 000 € im Jahr, oder die Leiterin der Tate Modern in London 130 000 € im Jahr. Die Tate Modern hat fünfmal so viele Besucherinnen und Besucher wie das größ­te österreichische Bundesmuseum.

Ich habe explizit in Richtung Bundesmuseen gefragt, weil da jetzt einige Stellen aus­geschrieben werden und selbst bei Verlängerungen die Möglichkeit besteht, eine Kor­rektur vorzunehmen. Sie werden, wenn ich das richtig verstanden habe – und ich wür­de es gerne noch einmal hören –, diesbezüglich auch achtsam sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich werde achtsam sein, aber ich sage ganz ehrlich auch dazu, bei Verlänge­rungen ist es schwieriger als bei Neubestellungen. Aber ich glaube, da sind wir uns ei­nig.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Weigers­torfer.

 


Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Guten Morgen, Herr Minister! Wie Sie wissen, liegt der Presse seit gestern der Rohbericht des Rechnungshofes zum Burgtheater vor. Da sind natürlich einige ziemlich scharfe Vorwürfe gekommen. Es wird von einem desaströsen Bild gesprochen, es ist von haarsträubenden Unzulänglichkei­ten die Rede. Der Rechnungshof beanstandet vor allem die finanzielle Entwicklung am Burgtheater und beklagt, dass Jahresabschlüsse wesentliche Fehldarstellungen ent­hielten. Im Geschäftsjahr 2009/2010 zum Beispiel überschritt die Burgtheater GmbH das für Produktionen festgelegte Budget um rund 6 Millionen €. Der Aufsichtsrat hat bei dieser Überschreitung erst im Mai 2013 agiert. Und zu unterjährig aufgetretenen Plan­abweichungen gab es keinerlei Fragen vonseiten des Aufsichtsrats. Jetzt sind das na­türlich Vorwürfe gegen eines der Kultur-Flaggschiffe der Nation.

Meine Frage an Sie, Herr Minister: Haben Sie mit dem betroffenen Aufsichtsrat bereits gesprochen? Wenn ja, würden uns natürlich die Gründe dieses Agierens sehr interes­sieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr


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Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Ich habe mit den Aufsichtsräten des Burgtheaters regelmäßig gesprochen, mit den vergangenen und auch mit den jetzigen. Aber vielleicht kurz zur Einleitung: Ich bin am 1. März 2014 zuständig geworden, habe am 3. März 2014 den Rechnungshof ge­beten, dass bestimmte Dinge geprüft werden, etwa dass die Gebarung der Vergangen­heit im Burgtheater geprüft wird. Ich habe den Bericht am 7. März 2016 bekommen, al­so vorige Woche Montag.

Ich habe den Bericht natürlich studiert, habe auch mit den Institutionen geredet und ge­sagt, was mir sehr wesentlich erscheint. Eines, das wir ganz wesentlich erscheint, ist, wir reden immer von der Zeit vor Thomas Königstorfer und vor Karin Bergmann Das ist mir schon sehr wichtig, weil die beiden sehr viele Maßnahmen eingeleitet und gesetzt haben, damit das Burgtheater wieder in ruhiges Fahrwasser kommt und das Wesentli­che, also das, was auf der Bühne stattfindet, im Vordergrund steht.

Ich habe auch beauftragt, dass untersucht wird, ob jetzt bestimmte Maßnahmen auf­grund des Berichts gesetzt werden müssen. Wir haben ja den Großteil eingeleitet. Mir ging es nur um die Frage: Gibt es irgendetwas Neues, wo wir noch Schritte setzen müssen, egal, ob das jetzt gegen die früheren Geschäftsführer geht, um Schadener­satzansprüche? Es ist die Entlassung angefochten worden, da gibt es Zivilprozesse, es gibt strafrechtliche Untersuchungen und so weiter.

Ich werde diese Woche noch meine Stellungnahme abgeben. Ich hätte zwar drei Mo­nate Zeit, aber ich bin so weit fertig, dass ich sie abgeben kann; die Institutionen brau­chen noch ein bisschen und holen natürlich auch Stellungnahmen der Aufsichtsräte ein, die sie dann mitvorlegen.

Ich kann Ihnen das jetzt also noch nicht beantworten. Ich würde auch wahrscheinlich zu viel verraten, denn der Bericht ist vertraulich und nicht zur Veröffentlichung be­stimmt. Ich halte mich daran, daher muss ich das auch respektieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 11. Anfrage, jener des Herrn Ab­geordneten Buchmayr. – Bitte.

 


Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, zu einem ganz anderen Thema. Meine Frage lautet:

187/M

„Eine der aktuellsten Herausforderungen im Bereich der Grundrechte stellt die Neuge­staltung des Datenschutzes in Europa durch die EU-Datenschutzgrundverordnung dar. – Wie planen Sie aus heutiger Sicht deren Umsetzung in das nationalstaatliche Recht?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Das Datenschutzpaket der EU, bestehend aus der Datenschutzgrundverord­nung und der Datenschutzrichtlinie betreffend Justiz und Inneres, wird voraussichtlich am 21. April im Rat beschlossen und in der Folge natürlich im Plenum diskutiert und beschlossen werden. Ziel ist, dass das Paket mit Juni 2016 im Amtsblatt veröffentlicht wird.

Wir haben dann zwei Bereiche: Der eine ist die Grundverordnung. Diese ist unmittelbar anzuwenden, aber es besteht ein erheblicher Anpassungsbedarf im nationalen Daten­schutzrecht, insbesondere im DSG 2000. Der zweite Bereich ist die DSGVO, also die Grundverordnung, die auch einer innerstaatlichen Ausgestaltung bedarf, insbesondere weil ja einige Öffnungsklauseln und so weiter enthalten sind. Die Frist ist zwei Jahre, dies muss also spätestens im Juni 2018 innerstaatlich umgesetzt werden.


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Was wir tun, ist, dass wir, wenn das in Kraft tritt, einen Ministerialentwurf erarbeiten, die entsprechenden Akteure in Form einer Begutachtung, aber auch im Vorfeld mitein­beziehen und versuchen, die Spielräume, die uns die EU zubilligt, zu nutzen, um das zu tun, was wir immer gesagt haben und wo wir immer auch alle Konsens hatten, näm­lich das Datenschutzniveau in Österreich möglichst hoch zu halten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Ein weiteres sehr aktuelles heißes Daten­schutzthema ist die Frage des Datenschutzes zwischen der EU und den USA. Wie be­urteilen Sie die geplante Nachfolgeregelung Privacy Shield, die die vom EuGH aufge­hobene Safe Harbor-Regelung ersetzen soll?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Wir haben, und das ist ja nichts Neues, immer ein höheres Datenschutzniveau erkämpft und unterstützt. Es ist nach der Aufhebung quasi die pragmatische Form, die jetzt möglich ist, und es erleichtert natürlich auch den Umgang insgesamt mit den Ver­einigten Staaten und gleichzeitig den Schutz, den die Daten genießen sollen.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Himmel­bauer.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hinsichtlich der Umsetzung stellt sich für mich jetzt natürlich auch die Frage der Aus­wirkung beziehungsweise der Belastung auch für Unternehmen. Daher meine Zusatz­frage: Wie gedenken Sie die Regelungen betreffend empfindliche Strafhöhen umzuset­zen? Und wie ist geplant, neben den in der Datenschutzgrundverordnung auch vorge­sehenen Fällen weitere Verpflichtungen zur Bereitstellung von Datenschutzbeauftrag­ten für private Betriebe zu normieren?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Indem wir gemeinsam einen Entwurf erarbeiten, wo wir logischerweise auch die betroffenen Institutionen einbinden, immer mit dem Ziel, ein möglichst hohes Ni­veau an Datenschutz zu gewährleisten.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Herr Minister, ein Erfolg der Daten­schutzverordnung ist, dass ausländische Unternehmen jetzt auch in Österreich geklagt werden können. Der Punkt ist nur, dass Experten in Österreich schon seit Jahren Kritik an der Ausstattung der Datenschutzbehörde üben, nämlich dass sie personell nicht ent­sprechend ausgestattet ist, um ihren Aufgaben nachzukommen. Möglicherweise nimmt jetzt auch noch der Aufwand zu, was grundsätzlich gut ist, wenn Österreicher und Ös­terreicherinnen bei der Datenschutzbehörde Schutz bekommen. Das Problem wird nur immer kleingeredet und geleugnet. Ich sage immer, ich bin froh, dass die Baubehörde nicht so schlecht ausgestattet ist wie die Datenschutzbehörde, denn dann würde ich mir um die Gebäudesicherheit massive Sorgen machen. Allerdings ist der Datenschutz mindestens genauso relevant wie jener der Sicherheit unserer Bauten.

Meine Frage ist: Was werden Sie unternehmen, um die Ausstattung der Datenschutz­behörde zu erhöhen, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden kann?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter, wir haben die Diskussion ja schon öfter gehabt, auch im Ver-


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fassungsausschuss, ich glaube, das letzte Mal anlässlich des Berichtes der Datenschutz­behörde. Und wenn ich mich jetzt nicht ganz irre, ist in dem Bericht der Datenschutzbe­hörde nicht diese Klage drinnen, die Sie regelmäßig erheben, sondern es sind viele Maß­nahmen – organisatorisch, in der Einteilung der Behörde, die ja ab vorigem Jahr so­zusagen auch verfassungsrechtlich unabhängig gestellt wurde – gesetzt worden, die die Effizienz gesteigert und Rückstände abgebaut haben.

Ich habe immer gesagt, wenn erforderlich, dann müssen wir das tun, wenn Sie dann auch einen entsprechenden Beschluss hier mittragen. Momentan ist jedenfalls ein An­spruch in diese Richtung an mich noch nicht herangetragen worden.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Scherak.

 


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister, ich weiß nicht, ob ich die Antwort auf die Frage des Kollegen Buchmayr richtig ver­standen habe. Sie haben gesagt, den Umgang mit den USA erleichtert momentan die ganze Diskussion um Privacy Shield und das Ende von Safe Harbor. Ich sehe es nicht als erleichternd an, weil die Frage und das, was jetzt schon auf dem Tisch liegt oder was man zumindest hört über das vorgeschlagene Privacy Shield, zu einem gewissen Grad ja wieder die gleichen Probleme aufwirft wie Safe Harbor.

Jetzt ist es ja so, dass es diesen Vorschlag einmal gibt, den wir alle noch nicht wirklich ausreichend kennen. Die Datenschutzgruppe der Europäischen Union nach Artikel 29 wird sich im April zusammensetzen und wird danach auch sagen, wie sie dieses Ab­kommen, das jetzt einmal da auf dem Tisch liegt, sieht.

Meine Frage geht dahin: Was werden Sie und was wird Österreich insbesondere tun, dass wir eben nicht Gefahr laufen, dass sowohl das europäische Datenschutzniveau als auch das noch viel höhere österreichische Datenschutzniveau durch ein neues Ab­kommen hier wieder unterlaufen werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Indem wir die Position, die wir immer vertreten haben, nämlich dass wir eben ein möglichst hohes Datenschutzniveau beibehalten wollen, in allen Gremien, wo im­mer es möglich ist, einbringen und vertreten.

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 12. Anfrage, welche Herr Abgeord­neter Gerstl formuliert. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Bundesminister, wenn ich richtig informiert bin, gibt es in Ihrem Ressort eine Arbeitsgruppe zum Thema Presseförde­rung, die darüber diskutiert, wie diese Presseförderung Neu aussehen kann. Im Mo­ment vergibt der Bund über den Presseförderungstopf, glaube ich, rund 9 Millionen €, aber es kommt ein wesentlicher anderer Topf dazu, der lautet: Inserate, Beilagen, Pub­likationen, die darüber hinaus gemacht werden. Österreichweit spricht man von rund 200 Millionen €; ich glaube, auf Bundesebene von rund 120 Millionen €.

Jetzt gibt es mehrere Vorschläge zur Presseförderung, dazu, wie diese verändert wer­den kann. In Kritik stehen immer wieder die Vertriebsförderung und auch die Vielfalts­förderung. Die meisten Stimmen, die ich höre, gehen in die Richtung mehr Qualitäts­förderung. Zur Qualitätsförderung kommt vielleicht auch noch eine Lesekompetenzför­derung dazu, die angesprochen wird, und auch eine Bildungsförderung, sodass man die­se Medienförderung eigentlich noch gesamtheitlicher betrachten kann.

Meine Frage lautet: Können Sie uns sagen, in welche Richtung Ihre Intentionen bei der Stärkung, Veränderung der Presseförderung gehen, was da Ihre Absichten dabei sind?

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 37

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 184/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Schwerpunkte werden Sie bei der aktuell anstehenden Reform der Presseför­derung setzen?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Herr Abgeordneter, was ich gerne vermeide, ist, dass mitten in einem Diskus­sionsprozess die Positionen in Form eines Gegensatzes auf den Tisch gelegt werden, weil es normalerweise das Ergebnis erschwert.

Aber ich kann trotzdem relativ präzise antworten, nämlich: Wir haben in der letzten Le­gislaturperiode eben noch eine Studie zur Evaluierung der Presseförderung bei der Uni Wien beauftragt. Diese ist unter Federführung von Professor Hannes Haas erstellt wor­den, der leider verstorben ist. Aber die Studie gibt es ja, die ist auch veröffentlicht wor­den.

Da war einerseits das Ergebnis, dass die jetzige Form der Presseförderung das Ziel, nämlich die Medienvielfalt zu stärken, nicht ausreichend erfüllt, dass es nicht primär um eine Titelvielfalt, sondern um eine Inhaltsvielfalt geht und dass die Inhaltsvielfalt in ers­ter Linie über die Journalisten und Journalistinnen abgebildet ist. Ein wesentlicher Teil ist auch die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten. Wir haben zwei große Einrichtungen: eine, die größer wurde, eine, die schon immer groß da ist.

Wir haben aber auf der anderen Seite natürlich auch die Vertriebsthematik. Jetzt kann man sagen, das ist logischerweise primär eine Printthematik, insofern es halt Internet­verbreitung, Breitband et cetera gibt, aber es ist ein Teil der Diskussion.

Leseförderung ist ein anderes Element, wo Sie auch recht haben. Die Frage ist, wie man junge Menschen noch an Zeitungen heranbringen kann, damit sie ihre Informa­tionen nicht nur über irgendwelche Internetplattformen und was auch immer beziehen.

Was wir tun, ist, in einem längeren Diskussionsprozess schon, dass wir mit den ver­schiedenen Akteuren versuchen, zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen. Auf der anderen Seite überlegen wir natürlich immer, wie wir auch eine Finanzierung sicher­stellen können.

Zu dem Punkt, den Sie auch angeschnitten haben, nämlich das Thema Anzeigenvo­lumen: Das kann ich nicht steuern, wenn wir nicht radikal die Bundesverfassung än­dern, weil natürlich jedes Ministerium, jedes Land, jede Einrichtung, jedes Unterneh­men selber darüber entscheidet, wie die Information stattfindet.

Also das Thema, Vielfalt über Journalisten, Redakteure herzustellen, das ist das Grund­konzept, an dem wir arbeiten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sie haben jetzt davon gesprochen, dass die Vertriebsförderung gerade etwas für Printmedien ist, haben aber auch gleichzeitig betont, es gibt ja auch digitale Medien. In der derzeit aktuellen Presseförderungssitua­tion bekommen die digitalen Medien eigentlich absolut jedenfalls, aber auch relativ ge­sehen weniger als die Printmedien.

Jetzt möchte ich Sie fragen: Setzen Sie da einen Schwerpunkt auch in die Richtung, die digitalen Medien, die wahrscheinlich in Zukunft noch viel stärker werden, in diese Presseförderung mit einzubeziehen und da auch in einem neuen Sektor, muss ich sa­gen, der Informationsbeschaffung vielleicht eine Qualitätsoffensive zu starten, weil ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 38

rade in diesem Bereich, glaube ich, manche Scharlatane unterwegs sind, die vorgeben, professionell zu sein, aber die Information, die dahinter kommt, alles andere als eine objektive Information ist. Daher glaube ich, es würde sehr viel Sinn machen, in diesem Punkt die Presseförderung auch im Bereich der digitalen Medien zu verbessern oder zu stärken. Wie sehen Sie das?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Also wenn wir über die Förderung digitaler Medien reden, dann geht es dort natürlich um die gleichen Qualitätskriterien, derer es auch in den anderen Bereichen bedarf. Da allerdings jede Änderung diesbezüglich einer gesetzlichen Veränderung be­darf, ist es nicht einmal so primär die Frage, welche Initiative ich setze, sondern eher die Frage, welche wir setzen, weil wir Veränderungen nur gemeinsam herbeiführen kön­nen.

 


Präsidentin Doris Bures: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Ostermayer (Beifall bei der SPÖ), und erkläre die Fragestunde für beendet.

10.31.52Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 8625/J bis 8685/J

Schriftliche Anfrage an die Präsidentin des Nationalrates: 25/JPR

*****

Fristsetzungsanträge

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Abge­ordneter Strache beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1573/A der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr eine Frist bis 26. April 2016 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Diese kurze Debatte wird nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte er­folgen.

Weiters teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Scherak beantragt hat, dem Verfas­sungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird – dies


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 39

betrifft die nicht amtsführenden Stadträte in Wien –, eine Frist bis 17. April 2016 zu set­zen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Doris Bures: Um den Punkt 16 der Tagesordnung in Verhandlung neh­men zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschussberichtes abzusehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Steyr um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Gerhard Deimek.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für die­sen Ausschussbericht ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 6 und 7 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über die Dauer der Debatten erzielt.

Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 101, FPÖ 94, Grüne 79 sowie NEOS und Stronach je 41 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, im Rahmen dieses Beschlusses je 21 Minuten. Darüber hinaus wird die Redezeit von Abgeordneten, die keinem Klub angehören, auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über die dargestellten Redezeiten.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Auch das ist einstimmig so angenommen.

10.35.531. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (880 d.B.): Bundes­gesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrück­gabegesetz – KGRG) (1015 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Abgeordnete Weigerstorfer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 40

10.36.13

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ho­hes Haus! Es geht hier um das Kulturgüterrückgabegesetz, wodurch eine bessere Hand­habe gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern geschaffen werden soll, indem klare Abläufe für Rückgabeforderungen festgelegt werden. Das ist grundsätzlich auch sehr gut so, und natürlich sind auch wir dafür, dass Missbrauch vorgebeugt werden muss. Der illegale Kulturhandel muss natürlich vermieden werden. Aber was hier in diesem Gesetz wieder einmal mehr der Fall ist, ist, dass es unseres Erachtens einfach zulas­ten der Wirtschaft, in diesem Fall der fleißigen Händler geht.

Mit dem Pflichtkatalog, sprich den Sorgfaltspflichten werden den Kunsthändlern unse­res Erachtens übertrieben hohe bürokratische Hürden auferlegt. Ich darf hier ein paar Beispiele nennen und zum Beispiel auf den im Ausschuss eingebrachten Abände­rungsantrag eingehen, durch den die Dokumentationsfrist des Handels von ursprüng­lich sieben Jahren auf nunmehr 30 Jahre ausgedehnt werden soll. Allein die Pflicht, al­le Dokumente nun 30 Jahre lang aufzubewahren, grenzt unseres Erachtens schon ein bisschen an Schikane und ist für den heimischen Kunsthandel ein unnötiger Aufwand, wie so viele andere unnötigen Aufwände Wirtschaftstreibende betreffend.

Da muss man sich natürlich zu Recht die Frage stellen: Was geschieht eigentlich, wenn man innerhalb dieser 30 Jahre so ein Geschäft auflöst? Auch da ist die Antwort noch nicht ganz eindeutig festgelegt. Weiters erachten wir das Strafausmaß – übrigens nicht nur wir, sondern auch die Wirtschaftskammer – als deutlich überhöht. Strafen bis zu 25 000 € sollen die Folge sein.

Insgesamt kann man sagen, es ist erschreckend, dass wieder einmal ein Gesetz be­schlossen wird, das Österreichs Wirtschaft durch diese Gesetzgebung, durch die EU-Richtlinien wieder zusätzlich belastet. Da wird eigentlich die Wirtschaft auch ein biss­chen kriminalisiert. Das Gesetz reiht sich einmal mehr ein in die lange Liste der beste­henden Gesetzgebungen, beginnend bei der Registrierkassenpflicht, und zwar gerade in den Gastronomiebetrieben. Diese Liste könnte man, glaube ich, unendlich weit fort­setzen. Diese wird nun eben leider auch im Kulturbereich fortgesetzt.

Wie gesagt, selbstverständlich sind auch wir gegen den illegalen Kulturguthandel. Aber ich denke, dass man mit diesem Gesetz versucht, das Problem eigentlich primär zu­lasten der Wirtschaftstreibenden zu lösen. Also wenn das die Lösung des Problems sein soll, würde ich sagen: Betrachten wir das Problem lieber noch einmal und suchen wir nach einer anderen Lösung!

Also illegaler Kulturhandel: nein, natürlich nicht! Aber bitte nicht schon wieder auf Kos­ten der Händler, der Wirtschaft Österreichs. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

10.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


10.40.11

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Weigerstorfer, es ist nicht ein Kampf der Wirtschaft gegen die Kultur, sondern das, was mit dem Kulturraub passiert, ist, wenn Sie so wollen, der Ver­such, die Vergangenheit auszulöschen, der Versuch, die Zerstörung unseres kulturel­len Erbes durchzuführen. Und ich glaube, dass ein solches Kulturgüterrückgabegesetz sehr wichtig ist und daher auch sehr streng sein sollte.

Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich an die Bilder, wie Terroristen auf brutalste Art und Weise Kulturschätze gesprengt, zerschlagen, umgestoßen, demoliert haben oder Kulturstätten gnadenlos geplündert haben! Das ist nicht nur im arabischen Raum passiert, von wo wir die Bilder aus jüngster Zeit kennen, sondern auch in anderen Kon-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 41

fliktregionen der Welt. Immer dann, wenn eine Regierung, ein Staat nicht mehr die Kontrolle über ein Gebiet ausüben kann, kommt die Zerstörung ins Spiel, dann kommt die Plünderung ins Spiel.

Geraubt wird letztendlich alles, was sich transportieren lässt, selbst große Statuen und Objekte. Wenn sie zu groß sind, werden einfach die Köpfe, die Hände, die Beine ab­gesägt beziehungsweise mit einem Stahlseil, ähnlich wie bei der Produktion von Mar­morblöcken, abgeschnitten. In den antiken Ausgrabungsstätten, uralten Gräbern oder Kulturstätten wird unablässig nach Fundstücken gesucht. Das Museum in Mossul, das IS-Milizen in die Hände fiel, ist mittlerweile nahezu leergeräumt. Man will, wie gesagt, dieses kulturelle Erbe unsichtbar machen, vergessen machen lassen.

Gleichzeitig blüht aber der weltweite Handel auf dem Schwarzmarkt für Antiquitäten, vor allem mit geraubten antiken Kunstschätzen aus dem Nahen Osten. Es gibt Schät­zungen, dass der illegale Handel mit Kulturgütern Milliarden einbringt und dass dieser Handel mit Kulturgütern neben dem Menschenhandel, neben dem Drogenhandel und neben dem Waffenhandel zu den umsatzstärksten illegalen Märkten der Welt gehört. Und einen solchen Handel und eine solche Wirtschaft – eine illegale Wirtschaft – möchte ich nicht unterstützen.

Österreich bekennt sich mit mehr als 120 anderen Staaten zum Kampf gegen den il­legalen Handel mit Kulturgütern. Da gibt es verschiedene Bereiche, die abgedeckt wer­den, das sind die einheitlichen Standards, dass die Kulturgüter an die Herkunftsländer rückgeführt werden. Es geht darum, dass die Sorgfaltspflicht im gewerblichen Kunst­handel erhöht wird. Und ich finde es auch wichtig und richtig, dass diese Zeitspanne von sieben auf 30 Jahre verlängert wird.

Es ist wichtig und richtig – und ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen – und höchst an der Zeit, dass wir dieses Kulturgüterrückgabegesetz heute beschließen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


10.43.43

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die unrechtmäßige Ver­bringung und der illegale Handel mit Kulturgütern gefährden das Kulturerbe nicht nur in Europa, sondern in allen Teilen der Welt. Welche Dimensionen das annimmt, wurde von meiner Vorrednerin bereits ausgeführt.

Die Europäische Union und die UNESCO haben daher Rechtsinstrumente geschaffen, die dem wirkungsvoll entgegenwirken sollen. Auf EU-Ebene wurde die bisherige Richt­linie durch eine neue Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheits­gebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern ersetzt. Mit dieser Richtlinie wur­de innerhalb der EU ein System zum Schutz von Kulturgütern gegen ihre rechtswidrige Ausfuhr geschaffen. Es sind Kooperationsmechanismen zwischen den nationalen Be­hörden sowie ein gerichtliches Verfahren zur Rückgabe von unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern vorgesehen.

Die Richtlinie, die mit der vorliegenden Regierungsvorlage umgesetzt werden soll, fin­det aber nur auf Kulturgüter Anwendung, die zwischen Mitgliedstaaten der EU ausge­führt werden. Für die internationale Ebene ist daher das UNESCO-Übereinkommen von 1970 von Relevanz. Es schafft ähnliche Regelungen wie die EU-Richtlinie und hat mittlerweile mehr als 120 Vertragsstaaten. Unter diesen Vertragsstaaten sind auch für den Kunsthandel besonders bedeutende Länder wie die USA, das Vereinigte König­reich, Frankreich, die Schweiz, Deutschland und die Niederlande. Österreich befand


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 42

sich damit vor dem Beitritt zu diesem Übereinkommen in einer zunehmend isolierten Position und setzte sich auch dem Vorwurf aus, dem illegalen Kulturgüterhandel ein Fo­rum zu bieten.

Das UNESCO-Übereinkommen verpflichtet unter anderem zu vorkehrenden Maßnah­men wie der Einführung und Überwachung von Ausfuhrbewilligungen für Kulturgut, der Erstellung von Inventaren, fortlaufenden Bildungsmaßnahmen sowie verschiedenen straf­rechtlichen Sanktionen. Diesen Verpflichtungen kommt Österreich vor allem durch das Denkmalschutzgesetz und die Tätigkeit des Bundesdenkmalamtes bereits jetzt nach. Es ist zu begrüßen, dass mit der vorliegenden Regierungsvorlage auch darüber hinaus Maßnahmen zum Schutz von Kulturgut gegen seine illegale Ausfuhr und zur Bekämp­fung des illegalen Handels mit Kulturgut gesetzt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


10.46.26

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin. – Kollegin Mut­tonen hat es schon sehr vorbildlich ausgeführt, aber vielleicht als kleine Ergänzung: Es ist schon so, dass der IS in den Staaten Syrien und Irak Tempel sprengt und dann die Trümmer weltweit in den Handel bringt, um damit auch seine Waffen zu finanzieren. Nicht nur deswegen, sondern auch angesichts der weltweiten Raubgrabungen, die es überall gibt – auch in Österreich übrigens –, ist es höchst an der Zeit gewesen, dieses UNESCO-Übereinkommen und diese EU-Richtlinie in österreichisches Recht umzuset­zen. Wir stimmen dem Gesetz daher zu.

Im Vorfeld ist es uns gelungen, die Dokumentationspflicht, von der auch schon die Rede war, von sieben auf 30 Jahre auszudehnen. Das ist schon deswegen wichtig, weil, wie ich meine, die 30 Jahre noch zu wenig sind angesichts dessen, dass man durchaus 30 Jahre auf einem illegalen Kulturgut sitzen kann, um den Preis auch dem­entsprechend zu steigern.

Was uns aber besonders stört, ist nach wie vor die Ausnahme von Stiftungen bei der Dokumentationspflicht und Sorgfaltspflicht. Deswegen stelle ich jetzt noch einmal fol­genden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Kulturaus­schusses über die Regierungsvorlage (880 d.B.): Bundesgesetz über die Rückgabe un­rechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrückgabegesetz – KGRG) (1015 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrückgabegesetz – KGRG) wird wie folgt geändert:

Nach § 9 wird folgender § 9a eingefügt:

„§ 9a. Eine Stiftung, die Kulturgut entgeltlich oder unentgeltlich übereignet, hat

1. Vorsorge zu treffen, dass das Kulturgut nicht unrechtmäßig nach Österreich einge­führt wurde, sowie

2. Aufzeichnungen zu führen, die das Kulturgut und seinen Einbringer identifizierbar machen, den Ankaufs- und Verkaufspreis sowie alle Ausfuhrbewilligungen zu dokumen­tieren und diese Aufzeichnungen dreißig Jahre ab Übereignung des Kulturgutes aufzu­bewahren.“

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 43

Uns ist bis jetzt nicht erklärt worden – und ich kann es auch nicht verstehen –, warum Stiftungen, insbesondere Privatstiftungen, da eine Ausnahme erleben dürfen. Sie kön­nen nämlich weiterhin ohne Dokumentation an- und verkaufen, und damit ist dem Miss­brauch natürlich Tür und Tor geöffnet. Ich hoffe, Sie sehen das ein und stimmen dem Abänderungsantrag jetzt doch noch zu. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.48


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde zum Bericht des Kultur­ausschusses über die Regierungsvorlage (880 d.B.): Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrückgabegesetz – KGRG) (1015 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrückgabegesetz – KGRG) wird wie folgt geändert:

Nach § 9 wird folgender § 9a eingefügt:

„§ 9a. Eine Stiftung, die Kulturgut entgeltlich oder unentgeltlich übereignet, hat

1. Vorsorge zu treffen, dass das Kulturgut nicht unrechtmäßig nach Österreich einge­führt wurde, sowie

2. Aufzeichnungen zu führen, die das Kulturgut und seinen Einbringer identifizierbar machen, den Ankaufs- und Verkaufspreis sowie alle Ausfuhrbewilligungen zu dokumen­tieren und diese Aufzeichnungen dreißig Jahre ab Übereignung des Kulturgutes aufzu­bewahren.“

Begründung

Die Regierungsvorlage sieht Sorgfaltspflichten nur für gewerblich Handelnde, nicht aber für Stiftungen vor. Wiewohl deren Hauptzweck im Allgemeinen nicht der Handel mit Kulturgütern ist, kaufen und verkaufen sie diese gelegentlich. Analog zu den Bestim­mungen für Gewerbetreibende ist es daher angebracht, Entsprechendes auch für Stif­tungen einzuführen.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte.

 


10.49.13

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Minister! Hohes Haus! Es ist jetzt kei­ne allzu große Leistung, dieses UNESCO-Übereinkommen 2016 umzusetzen, die meis­ten EU-Staaten haben das schon vor gut 20 Jahren gemacht. Sich an dieser Stelle da­für selbst auszuzeichnen, ist ja nichts anderes als eine Profilierung auf Kosten derer, die jetzt lange auf Fairness beziehungsweise sogar Gerechtigkeit warten mussten. Vor allem im Hinblick auf Österreichs Geschichte und wiederholte Probleme mit der Fest­stellung der rechtmäßigen Herkunft von Kunst- und Kulturgütern ist das ein Punkt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 44

Auf Anregung der Grünen haben wir im Ausschuss mehrheitlich einem Abänderungs­antrag zugestimmt, der genauer definiert, was eigentlich mit der Aufbewahrung von Dokumenten über die Herkunft gemeint ist, und haben auch die Aufbewahrungsfrist, wie zuvor schon ausgeführt, verlängert. Der weitere Antrag, der noch zwei Vorschläge enthalten hat, ist leider nicht angenommen worden: erhöhte Sorgfaltspflichten auch für Stiftungen – dem stimmen wir auch zu, und wir stimmen natürlich auch dem jetzigen Antrag zu – und auch erhöhte Sorgfaltspflichten bei Kulturgütern, bei denen vermutet wird, dass sie durch die Verfolgung im Nationalsozialismus entzogen wurden; auch da hätten wir uns Zustimmung erwartet.

Einerseits ist es natürlich gut, dass auf Anregung der Opposition auch Änderungen zustande kommen, andererseits, wie in diesem Fall, wenn auch ein Experte im Aus­schuss sitzt, wäre es durchaus möglich, mit Silver Plating sozusagen noch eine Schicht drüberzuziehen und hier eine weiter gehende Verbesserung anzubringen. Nichtsdesto­trotz stimmen wir natürlich diesem Antrag gerne zu. (Beifall bei den NEOS.)

10.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dopp­ler. – Bitte.

 


10.51.07

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit)|: Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich setzt gesetzliche Schritte, um besser gegen illegalen Handel mit Kulturgütern vorzugehen. Der illegale Handel mit Kulturgütern könnte sogar so manches Kulturerbe gefährden. Mit diesem Gesetz soll eine gesicherte Rechtsgrundlage geschaffen werden.

Neu in diesem Gesetz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass diese Rege­lung auch für Länder und Staaten gilt, die nicht der Europäischen Union angehören. Dieses Gesetz soll auch eine bessere Kommunikation für die zuständigen Behörden bringen, was den Kulturgüterschutz betrifft. Es soll auch die Dokumentationspflicht für den gewerblichen Kunsthandel verbessert werden.

Meiner Meinung nach, meine sehr geehrten Damen und Herren – das hat auch der Kol­lege Zinggl angesprochen –, wäre es wichtig, dass auch die Stiftungen in dieses Ge­setz miteinbezogen werden, damit die Sorgfaltspflicht auch in diesem Bereich gewähr­leistet ist. – Herzlichen Dank.

10.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

 


10.52.00

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass es zu diesem Gesetz so eine breite Zustimmung gibt. Die hat es ja auch schon ge­geben, als wir die UNESCO-Konvention umgesetzt haben. Ich möchte nur kurz erklä­ren, wie das passiert ist.

Österreich hat immaterielles Weltkulturerbe zuerkannt bekommen, und der stellvertre­tende Chef der UNESCO hat mich darauf hingewiesen – vor eineinhalb Jahren war es, glaube ich, oder einem Jahr –, dass Österreich diese Konvention 45 Jahre lang nicht umgesetzt hat. Ich habe dann entsprechende Vorarbeiten geleistet, damit wir sie um­setzen. Und das, was heute stattfindet, ist sozusagen die legistische Umsetzung einer­seits des UNESCO-Übereinkommens zum Kulturgüterschutz und andererseits der ent­sprechenden EU-Rechtsbasis.

Dass wir nur beim Handel anknüpfen können, erscheint mir einerseits logisch und an­dererseits auch durch diese Materien oder Gesetzesbasis, die wir jetzt umsetzen, vor-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 45

gegeben. Mir würde auch ehrlicherweise kein anderes Konzept einfallen, außer dass wir sagen: Der Handel ist verboten! Natürlich, die Ausfuhr ist auch verboten. Und für die Museen gibt es entsprechende Regeln, dass sie rechtswidrig ausgeführte Kulturgü­ter, geraubte Kulturgüter nicht erwerben sollen oder dürfen. Dass man auch entspre­chende Sanktionen an Verbote knüpft, ist auch etwas Übliches in unserer Rechtsord­nung, egal, ob mit Drogen oder sonstigem Verbotenen gehandelt wird.

Insofern habe ich die Kritik der Frau Abgeordneten Weigerstorfer nicht verstanden, wenn man dafür ist, dass der Handel mit Raubgut, das Geschäftemachen mit zerstör­ten Kulturgütern verboten wird. Wir haben es auch beim Europäischen Kulturminis­terrat Ende letzten Jahres diskutiert. Dass das auch eine der Einnahmequellen des IS war, wissen wir schlicht und einfach, und daher ist es nur über den Handel, nur über das Verbot des Geldmachens damit zu vermeiden, dass Kulturgüter zerstört werden, um dann ausgeführt zu werden. Dass sie aus total irrationalen Gründen zerstört wer­den, ist in Kriegsgebieten ohnehin schwer zu verhindern, aber dass sie zerstört oder gestohlen werden, um dann damit Handel zu treiben, müssen wir unterbinden. Das ma­chen wir mit diesem Gesetz, und das geht nur über den Handel.

Im Übrigen haben wir es natürlich auch mit dem Kunsthandel diskutiert und haben das Gespräch nicht verweigert.

Vielen herzlichen Dank, dass Sie der Umsetzung einer Verpflichtung, die wir vor 46 Jah­ren, glaube ich, eingegangen sind, zustimmen und damit Kulturgüterschutz stärken. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


10.55.46

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch belegen, was der Herr Minister jetzt zu den Einnahmequellen des IS gesagt hat.

Es war in der Zeitung „Die Zeit“ vom Februar dieses Jahres zu lesen: „Jeder im Wes­ten, der antikes Raubgut aus Ländern wie Syrien oder dem Irak erwirbt, bezahlt unter Umständen das Messer mit, mit dem der IS seinen Opfern die Kehle durchschnei­det.“ – Das hat einer der größten Experten für Raubkunst, der deutsche Archäologe Mi­chael Müller-Karpe, in einem Artikel gesagt.

Wir wissen, diese Aussage kommt ja nicht von ungefähr. Wir können uns ja an die Vorfälle im Vorjahr erinnern, an die großen Zerstörungen im Irak, auch an die Ruinen in Nimrud, wo unzählige Kulturgüter nachhaltig zerstört wurden und der Barbarei zum Op­fer fielen.

Der Grundstein für das vorliegende Gesetz war – das wurde ja auch schon gesagt – die Ratifizierung im vorigen Jahr. Was bringt nun dieses Gesetz? – Ähnlich den bereits vorhandenen strengen Ausfuhrbestimmungen werden jetzt auch strenge Einfuhrbe­stimmungen erlassen. Und da möchte ich in Ergänzung zu Ihrem Abänderungsantrag noch einmal sagen: Das gilt auch für die Einfuhr von unrechtmäßig nach Österreich verbrachtem Kulturgut, diese ist verboten. Also es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, die Aufzeichnungspflicht über den Kunsthandel hinaus auszudehnen, denn das ist grundsätzlich verboten. Alle Privaten müssen auch Aufzeichnungen führen und das auch nachweisen können.

Im Zuge der Vorbereitung zu und der Auseinandersetzung mit diesem Gesetz habe ich beim Finanzministerium nachgefragt und war sehr überrascht, zu hören, dass in den letzten Jahren keine Beschlagnahmungen stattgefunden haben oder aktenkundig sind. Das stimmt meines Erachtens nicht ganz mit den internationalen Erfahrungen zusam-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 46

men, denn allein in Mexiko sind in fünf Jahren fast 1 600 Diebstähle aus Museen und archäologischen Grabstätten gemeldet worden.

Ich selbst habe ein sehr bemerkenswertes Erlebnis bei einem Urlaub auf den Oster­inseln gehabt. Bei der Rückreise hatte eine österreichische Familie sogenannte Erinne­rungsstücke dabei, die vom Zoll dort entdeckt und beanstandet wurden. Die haben das sicher nicht in krimineller Absicht gemacht, aber die Stücke wurden dann beschlag­nahmt, und es folgte ein großer Verwaltungsaufwand. Die wussten schon, dass das verboten ist, wir wurden ja alle darauf aufmerksam gemacht, aber manche lassen sich eben nicht davon abbringen. Insofern ist das eine sehr wichtige Sache, dass diese Ein­fuhr jetzt auch verboten ist und entsprechend kontrolliert wird.

Kulturgüter gehören zu jenen materiellen Kriegs- und Raubopfern, die sich mit viel Zeit, Geld und Arbeit nicht wiederherstellen lassen. Und daher stimmen wir dieser Geset­zesvorlage zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. )

10.59


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

 


10.59.16

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Kulturgüter haben eine gro­ße Geschichte in einem Land, und sie stellen auch einen sehr hohen finanziellen Wert dar, und daher blüht der Handel mit geraubten Kulturgütern. Nach Schätzungen der UNESCO – wir haben es schon gehört – ist es das drittgrößte Feld der organi­sierten Kri­minalität. Nur der Drogen- und Waffenhandel sind noch ertragreicher. (Präsi­dent Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Der Verlust dieser Kulturgüter ist ein unermesslicher. Durch Raubgrabungen und Dieb­stahl geht einfach ein Stück Menschheitsgeschichte verloren. So hat auch die interna­tionale Staatengemeinschaft darauf reagiert und eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz vor kultureller Ausbeutung gesetzt.

Das Kulturgüterrückgabegesetz regelt Rückgabeansprüche durch eine gesicherte Rechts­grundlage. Neu an diesem Gesetz ist auch, dass es auch für Staaten gilt, die nicht Mit­glieder der Europäischen Union sind. Auch die Sorgfaltspflichten im gewerblichen Kunst­handel werden dadurch erhöht. Es müssen künftig Aufzeichnungen gemacht werden, die 30 Jahre aufzubewahren sind.

Somit wird der im Jahr 2014 novellierten EU-Richtlinie und dem UNESCO-Überein­kommen, das weltweit verbindliche Normen festlegt, auch von uns Rechnung getragen. Wir haben es schon gehört, es geht um einheitliche Standards. Das Gesetz bringt Ver­besserungen in der Zusammenarbeit, aber es bringt auch Verbesserungen in der Kom­munikation der Behörden durch das zuständige Binnenmarkt-Informationssystem. Und es bringt auch die Möglichkeit, zwischenstaatliche Abkommen zum Schutz des Kultur­guts zu treffen.

Meine Vorredner haben es schon angesprochen, in den vergangenen Jahren ist es verstärkt dazu gekommen, dass Terrororganisationen mit illegalem Kulturhandel eini­ges an Geld zur Finanzierung ihrer Machenschaften gemacht haben. Es ist daher wich­tig, dass dem die Basis entzogen und das abgestellt wird, denn dort, wo es keinen Markt mehr gibt und die Absatzchancen gering sind, ist der Verdienst natürlich unat­traktiv, und dann ist die Sache nicht mehr interessant. Und das soll natürlich das Ziel sein: dass der illegale Handel eingedämmt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

11.01

11.01.20

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 47

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1015 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kolle­gen vor.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und dann über den Ge­setzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Zinggl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag ein­gebracht, mit dem ein § 9a eingefügt wird.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes 1015 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer sich auch in dritter Lesung dafür ausspricht, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

11.03.052. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1011 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird (1016 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Es erfolgt keine mündliche Berichterstattung.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.

 


11.03.23

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Seit nunmehr sieben Jahrzehnten gibt es Überlegungen und Pläne für ein Haus der Geschichte. Bis dato gab es einen ernst zu nehmenden Versuch seitens Wolfgang Schüssels und des ÖVP-affinen Historikers Stefan Karner, eines zu implementieren, Anfang der 2000er-Jahre, der bekanntlich gescheitert ist. Nun haben wir hier einen zweiten Versuch vorliegen, von Minister Ostermayer, der SPÖ und dem Historiker Professor Rathkolb, der wohl eher als SPÖ-affin gilt. Nach dem Kanzlerwechsel im Jahr 2006 hat man also auch beim Historiker die Farbe gewechselt, wenn man so will.

Wir haben hier einen Versuch, der heute zu einer fragwürdigen Vollendung kommen soll, der zwar noch nicht gescheitert ist, aber – glaubt man der in verschiedenen Punk­ten geäußerten Kritik aus einerseits handwerklicher Sicht, aber auch inhaltlicher Sicht – auf dem besten Wege dazu ist, zu scheitern.

Wir stimmen heute nämlich über die gesetzlichen Grundlagen für ein Haus der Ge­schichte Österreichs ab, machen aber dabei den Fehler, dass wir die tatsächlichen fi­nanziellen Grundlagen dafür nicht schaffen, und haben natürlich damit von vornherein ein Problem, was die Frage betrifft, wie man dieses Projekt tatsächlich umsetzen will.

Veranschlagt sind derzeit etwas über 50 Millionen € bis 2018. Dazu sagte der Rech­nungshof bereits im Jänner dieses Jahres, dass diese 50 Millionen € definitiv über­schritten werden, wahrscheinlich mit 40 Millionen € mehr zu rechnen sein wird. Das liegt daran, dass nämlich die Gesamtkosten nicht plausibel nachvollziehbar dargestellt sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 48

Zum anderen sagt das Finanzministerium, dass die Vorgangsweise des Kulturressorts bei der Entscheidungsfindung betreffend den Standort, den thematischen Umfang so­wie die Art und Weise der konkreten Präsentation der Inhalte – Zitat – „im Widerspruch zu den aktuellen internationalen museologischen Standards“ steht, also von vornherein unseres Erachtens ein Problem darstellt.

Dazu kommt dann noch, dass zahlreiche Experten eben in handwerklicher, aber auch in inhaltlicher Hinsicht Kritik üben; etwa die Akademie-Rektorin Eva Blimlinger. Sie schätzt nämlich, dass das Heldenplatz-Gesamtprojekt, inklusive eines eventuellen Hauses der Zukunft, welches die ÖVP ins Spiel gebracht hat, auf gar 250 Millionen € kommen könnte, inklusive Tiefspeicher und Garage. Wenn man diese Summen hört, dann ist das sehr, sehr viel Geld. Da sollte man sich wirklich überlegen, ob man so einer Vorla­ge zustimmt, wenn man weiß, dass es eben auch inhaltliche Schwächen gibt.

Zum anderen gibt es, wie schon erwähnt, die Kritik zahlreicher Experten abseits des als SPÖ-nahe geltenden Professors Rathkolb – dazu gibt es Zitate, die ich Ihnen gleich zum Besten bringen darf –, angesichts der man sich wirklich die Frage stellen muss, ob das nur ein Ideologieprojekt der SPÖ ist oder eben ein tatsächlicher, ernst zu nehmen­der Versuch, ein Haus der Geschichte zu implementieren.

Das ist zum Beispiel der Historiker Gerhard Botz, der da meint, der Titel „Haus der Ge­schichte“ ist „eine Art Lebenslüge“, es müsste eigentlich „Haus der Zeitgeschichte“ heißen. Es ist auch Herr Botz, der sagt, dass „ein Staat mit so einem Museum immer Identitätspolitik betreibt, das dürfen wir nicht vergessen.“

Es ist ein Historiker namens Hannes Leidinger, der sagt, dass es „eine Ungeheuerlich­keit [ist], dass die Republik auf diesen Raum“ – gemeint ist die Neue Burg – „zugreift“.

Oder der Historiker vom Staatsarchiv Michael Hochedlinger, der meint, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass dies „außerwissenschaftlichen Zwecken“ wie der „moralpäda­gogischen Zurichtung und Belehrung des (Staats-)Bürgers“ dienen könnte und das Gan­ze ein „Geschichtsminimundus in der Neuen Burg“ werden könnte.

Für uns Freiheitliche ergibt sich aus dieser Fundamentalkritik einerseits inhaltlicher Na­tur und eben auch der handwerklichen Fehler, die da begangen werden, was die Fi­nanzierung betrifft, dass man nach 70 Jahren der Überlegungen für so ein Haus der Geschichte das nicht in einer Husch-Pfusch-Aktion – Stichwort Begutachtungsverkür­zung – über die Bühne bringen muss. Wir sind der Meinung, dass man da zurück an den Start gehen sollte, und werden dieser Regierungsvorlage nicht zustimmen. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.07


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


11.07.36

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen in Ihrer Schulzeit war, aber in meiner Schulzeit habe ich im Geschichtsunterricht sehr viel über die Römer und ihre Eroberungen, über die Griechen und ihre Errungenschaften und natürlich auch über die Habsburger gelernt.

In meinem Geschichtsbuch der Unterstufe befanden sich genau zwei Seiten über den Zweiten Weltkrieg, darunter – ich kann mich noch ganz genau erinnern – ein Kasten mit den Jahreszahlen, aber keine inhaltliche Erklärung. Viel mehr fand ich auch nicht über den Ersten Weltkrieg, den Wiederaufbau Österreichs und die Frage, warum es in Berlin eine Mauer gab. Und die Rolle, die Österreich dabei spielte, habe ich erst ver­standen, als ich im November 1989 als Zwölfjährige die Fernsehberichte sah. Mein Wissen über die Geschichte Österreichs habe ich mir erst viel später aufgrund eigenen Interesses erlesen beziehungsweise nachgelesen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 49

Es wurde in der Vergangenheit viel und lange diskutiert, ausgehend von einem „Haus der Republik“ in den Achtzigern. Später dann wurde auf Vorschlag von Leon Zelman, dem Leiter des Wiener Jewish Welcome Service, über ein „Haus der Toleranz“ nach­gedacht. Später standen noch die Namen beziehungsweise Ideen zu einem „Österrei­chischen Nationalmuseum“ oder einem „Museum der Zweiten Republik“ im Gespräch.

Erst jetzt, 2016, konnten wir uns endlich auf das „Haus der Geschichte“ einigen, und das ist gut so. Das Haus der Geschichte ist ein kultur- und bildungspolitisch zentrales Projekt, das durch ein zukunftweisendes Konzept, einen stark partizipativen Ansatz und einen niederschwelligen Zugang für breite Bevölkerungsgruppen zur österreichi­schen Geschichte charakterisiert ist. Und es ist eine einmalige Chance, Demokratie umfassend darzustellen. Und ja, ich vertraue hier den Experten rund um die Feder­führung von Professor Oliver Rathkolb, der ganz sicher sorgsam und sorgfältig mit der historischen Geschichte und mit der Darstellung der jüngsten und jüngeren Geschichte im Haus der Geschichte umgehen wird. Da bin ich mir sicher, dass es dort in guten Händen ist.

Auch der Standort ist ideal. Gerade die geschichtsträchtige Neue Hofburg ist für das Haus der Geschichte besonders geeignet. Insgesamt werden bis 2018 sieben Museen und Kultureinrichtungen in der Neuen Burg beheimatet sein. Es entsteht damit auch ein neuer Kultur-Hotspot in der Bundeshauptstadt.

Mittel- und langfristig muss es natürlich das Ziel sein, ein Kulturareal, das in einer Ach­se Museumsquartier, das neu sanierte Parlament, den Maria-Theresien-Platz, die bei­den Museen und die Hofburg verbindet, und so eine Verbindung zwischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft zu schaffen. Denn ich bin auch davon überzeugt: Man muss aus der Vergangenheit lernen, um Gegenwart und Zukunft gestalten zu können. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Fekter.)

Im Ausschuss haben wir im Übrigen auch noch einen Entschließungsantrag einge­bracht. Bei diesem ging es darum, einige offene Details zu klären, wie zum Beispiel die Zusammensetzung und Organisation der Gremien, und auch darum, abzusichern, dass die übrigen Projekte am Heldenplatz, wie zum Beispiel der Tiefspeicher und die Tief­garage beziehungsweise natürlich auch die Umsiedlung des Parlaments zügig weiter­verfolgt werden können und dem Parlament auch noch dieses Jahr dazu ein Konzept vorgelegt wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fekter.)

11.11


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


11.11.05

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Gleich vorneweg, damit keine Missverständnisse entstehen: Kollegin Hakel hat schon recht, jede Demokratie ist daran interessiert, dass die Vergangenheit aufgearbeitet und auch verbreitet wird, damit wir die Gegenwart verstehen und eventuell auch für die Zukunft entsprechend etwas leisten können. Die Frage ist nur: Brauchen wir dafür zentrale Mu­seumstanker?

Wir haben ja zahlreiche Institutionen in Österreich, die sich den entsprechenden Auf­gaben jetzt schon widmen und die eigentlich dahindarben. Ich könnte sie jetzt aufzäh­len: Landesmuseen und Bezirksmuseen, Dokumentationsarchiv, Gedenkstätten, Jüdi­sche Museen, Volkskundemuseum und so weiter. Es wäre doch gescheiter, denen ef­fektiv unter die Arme zu greifen, damit sie das verwirklichen können, was sie tatsäch­lich vorhaben. Und dazu kommen natürlich auch noch die ganzen Institute, die univer­sitären Zeitgeschichte-Institute, die Akademie der Wissenschaften, das Boltzmann Ins­titut, das Wiesenthal Institut und so weiter.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 50

Und, Frau Kollegin Hakel – sie ist nicht mehr im Saal (Zwischenruf der hinter der letz­ten Bankreihe stehenden Abg. Hakel); ach ja –, da haben Sie auch recht: In den Schu­len wäre es auch sinnvoll, den Zeitgeschichteunterricht flächendeckend zu verbessern. Da könnte man durchaus an aktuelle Themen andocken und mit ausgeklügelten Unter­richtsmaterialien sehr geschickt die Geschichte vermitteln.

Stattdessen wird ein weiterer Museumssaurier in die ohnehin sehr dichte Wiener Mu­seumslandschaft gepresst und mit Subventionsschläuchen jetzt in den nächsten 10, 20 Jahren – keine Ahnung, wie lange – am Leben erhalten.

Die Zeithistoriker heute gehen eher davon aus, dass Geschichte dezentral und viel­stimmig sein muss, und ich erinnere nur an den erst voriges Jahr verstorbenen Zeithis­toriker Siegi Mattl, der immer davor gewarnt hat, Vergangenheit zu musealisieren. Er war der Ansicht – und nicht nur er –, dass dann konstruierte Geschichte, historische Erzählungen wie in einer Kühltruhe eingefroren werden. Und das ist das Schlechteste, was man der Geschichte antun kann.

Jetzt gehe ich davon aus, dass das gar nicht beabsichtigt ist, und ich erinnere daran, dass schon vor zehn Jahren Ministerin Gehrer an diesem Projekt „Haus der Geschich­te“ sehr weit voranschreitend gearbeitet hat. Und sie hat gesagt, dass es kein klassi­sches Museum im herkömmlichen Sinn sein wird. Nur hat ihr das damals niemand so richtig geglaubt, denn: Was aussieht wie ein Museum, was Räume hat wie ein Mu­seum, was die Strukturen eines Museums hat und was letztendlich im Museumsgesetz verankert ist, das ist ein Museum. Und es hat nicht lange gedauert, bis dann Wahlen gekommen sind, dann hat die SPÖ die Mehrheit gehabt und dieses Projekt wurde auf Eis gelegt.

Jetzt ist es wieder da, und jetzt lesen wir tatsächlich im Gesetzestext „Stätte der []kul­turellen Identität“. Das ist genau das, wovor ich warnen würde. Und die Drohung geht dann noch weiter mit der Festschreibung einer Verpflichtung zur Objektivität. Das sind wirklich Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert, die heute einfach nicht mehr einlösbar sind.

In zwei Punkten unterscheidet sich das neue Projekt vom alten: Vor zehn Jahren war der Spindoktor der ganzen Geschichte Stefan Karner, VP-nahe, und das Ganze hätte im Arsenal verwirklicht werden sollen. Jetzt haben wir den SP-nahen Spindoktor Oliver Rathkolb, und die Hofburg soll umgebaut werden. Warum das im Arsenal nicht stattfin­den kann, hat mir bis jetzt noch niemand erklären können. Die Defizite der Hofburg sind ganz offensichtlich. Allein die Umsiedlung der historischen Musikinstrumente-Samm­lung kostet 8,5 Millionen €.

Natürlich, finanzierbar ist alles, die Frage ist immer nur: Auf Kosten von wem? Und an­gesichts der in allen kulturellen Bereichen dringend benötigten Mittel ist das schon ein ordentlicher Betrag, 53 Millionen € bis zur Eröffnung des Hauses der Geschichte aus­zugeben. Dazu kommen dann nach der Eröffnung 3,6 Millionen jährliche Betriebskos­ten. Das bindet Ressourcen über sehr, sehr lange Zeit.

Und zur Erinnerung vielleicht: Vor nicht ganz zwei Jahren, vor eineinhalb Jahren, ha­ben Sie, Herr Minister, das Weltmuseum redimensioniert, weil es zu teuer war. Sie ha­ben damals gesagt, man kann sich keinen Ferrari leisten, wenn man sich seine Erhal­tung nicht leisten kann. Und die Betriebskosten von ein bissel mehr als 2 Millionen € waren Ihnen für die Erweiterung des Weltmuseums zu viel. – Jetzt haben wir keinen Fer­rari, sondern einen Bugatti mit 53 Millionen, wo wir uns die Betriebskosten von 3,6 Mil­lionen € offensichtlich leisten können.

Ich bin gespannt, wie das ausgeht. Ich glaube, das geht auf Kosten der Kulturschaf­fenden und aller Kultureinrichtungen, die dringend Geld benötigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Alm.)

11.16



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 51

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

 


11.16.41

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel haben in besonderer Weise Sensibilität und Geschichtsbe­wusstsein in die Politik gebracht. Nationalfonds und Entschädigungsfonds waren und sind international hoch anerkannte Institutionen, die zeigen, welche Verantwortung wir gegenüber unserer Vergangenheit wahrnehmen.

Unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wurde auch die Machbarkeitsstudie für ein „Haus der Geschichte“ – und von dort stammt auch der Name – erarbeitet, nämlich von Professor Stefan Karner und Professor Manfried Rauchensteiner. Und in Fortsetzung dieser Politik von Wolfgang Schüssel nehmen wir jetzt unsere Verantwortung wieder auf: Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir die Grundlage für ein HGÖ – Haus der Geschichte Österreich. Ein internationaler wissenschaftlicher Beirat unter der Führung von Professor Rathkolb, wie schon erwähnt, hat die Umsetzungsstrategie erarbeitet. Und zwar soll ab Mitte des 19. Jahrhunderts museal, aber auch wissenschaftlich be­gleitet die Geschichte Österreichs einem sehr breiten Publikum nahegebracht werden, und gleichzeitig sollen in einem Diskurs auch die Fragen der Geschichte dort, in dieser Institution, erarbeitet werden.

Die Finanzierung des neuen Museums, mit der dazugehörigen Sammlung, ist noch nicht geklärt, Herr Minister, sondern die Kosten für Errichtung und Betrieb müssen in einer genaueren Studie noch ermittelt werden. Dafür muss aber das Museumskonzept im Detail vorliegen. Denn man kann nicht Umbauarbeiten starten, ohne das Konzept zu haben, was man dort in der Neuen Burg dann tatsächlich ausstellen will und wie man es präsentieren wird.

Das heißt, das Ausstellungskonzept und die zu erwartenden Errichtungs- und Be­triebskosten sind derzeit in dieser Studie zu erarbeiten. Wir warten ganz gespannt darauf, damit abschätzbar ist, was es tatsächlich kostet, denn die von meinen Vorred­nern genannten Beträge waren ja nur in der Grobkonzipierung angegeben.

Sehr geehrter Herr Minister, ich hoffe sehr, dass diese Detailstudie nicht bloß in der Regierung debattiert wird, sondern dass auch wir hier im Hohen Haus das Ausstel­lungskonzept bekommen und dann darüber diskutieren.

Der geplante Standort Neue Burg mag umstritten sein, aber er ist machbar, wie die interministerielle Arbeitsgruppe festgestellt hat, und dass die nahe Anbindung an die Nationalbibliothek gewählt wurde, halte ich für sehr richtig. Dort finden sich nämlich auch die wesentlichen Dokumente und Exponate.

Die Sammlung alter Musikinstrumente muss dem neuen HGÖ weichen, bekommt je­doch im Obergeschoß neue Räume, mehr Ausstellungsfläche und die Möglichkeit einer State-of-the-Art-Präsentation.

Wir begleiten dieses Gesamtprojekt sehr aufmerksam, Herr Minister, und achten da­rauf, dass ein Museum der Geschichte Österreichs ein Museum der Geschichte Öster­reichs wird und nicht ein SPÖ-Museum. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinzl: Na, das hast du notwendig! Aber ein Hypo-Bank-Museum wäre auch …, Frau Finanz­minister! Was ist mit einem Hypo-Bank-Museum, Frau Finanzminister? – Abg. Loa­cker: … ein ÖBB-Museum!)

11.20


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Alm zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 52

11.21.02

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Hohes Haus! Beim Haus der Geschichte ist es nicht unwesentlich, einmal zu klären, worum es sich bei „Geschichte“ eigentlich handelt – wir haben ja schon einige Ausführungen zur Begrifflichkeit gehabt. Geschichte beginnt in diesem Zusammen­hang, wie ich gelernt habe, im Jahr 1918, das „Haus der Geschichte“ ist also eigentlich ein „Haus der Geschichte der Republik Österreich“. Das ist jetzt aber keine Kritik, ganz im Gegenteil, das ist eine notwendige Klarstellung, weil es ja auch noch im Ausschuss Diskussionen zwischen den Regierungsparteien über die inhaltliche Ausrichtung gege­ben hat – und auch jetzt noch.

Eigentlich bin ich bei dem neuen Kulturausschuss auch ein bisschen erstaunt, dass das zu einem so späten Zeitpunkt noch immer diskutiert wird, aber es liegt ja in der Tat auch noch kein ganz klares genaues Konzept vor, dementsprechend hat das Gesetz auch eher den Charakter einer Absichtserklärung.

Ein „Haus der Geschichte“ als einen Ort der kritischen und partizipativen Auseinander­setzung mit und Vermittlung von Geschichte unterstützen wir. Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, in vielen anderen Museen findet auch Auseinandersetzung mit der Ge­schichte statt, das ist jetzt nicht weiter überraschend. Es ist bei vielen Museen so, dass man sich der Vergangenheit widmet, und dementsprechend hat auch ein solches neu­es Haus durchaus seine Berechtigung, wenn man ihm die richtige Ausrichtung gibt. Das heißt, wenn es finanzierbar ist, ist es auch für uns unterstützbar.

Was heißt finanzierbar? – Es muss eine Institution geschaffen werden, die auch ge­nug Mittel hat, um Wege zu finden, Menschen zu erreichen, die nicht ohnehin immer nur in Museen gehen, und wir wollen auch kein unterfinanziertes Prestigeobjekt damit unterstützen.

Schauen wir uns also den abzustimmenden Vorschlag an! Das „Haus der Geschichte der Republik Österreich“ wird in Zukunft mit rund 3,6 Millionen € pro Jahr finanziert werden, das ist zirka ein Fünftel bis ein Drittel der Mittel, die andere Bundesmuseen zur Verfügung haben – MAK, mumok oder Technisches Museum –, gleichzeitig klagen die Bundesmuseen aber auch über Budgets, die nicht inflationsangepasst sind.

Das „Haus der Geschichte“ wird damit eine Minimallösung beziehungsweise eigentlich nur die Hälfte einer Minimallösung, denn in der sogenannten Haas-Studie aus dem Jahr 2009 wurden ja drei Konzepte präsentiert. Diese Studie hat sich mit den Errich­tungskosten im Bereich von 40 bis zirka 120 Millionen € beziehungsweise 110 Millio­nen € auseinandergesetzt, wobei die Konzepte auch eine wesentlich größere Fläche vorgesehen haben, die reichte nämlich von 6 000 bis zirka 15 000 Quadratmeter. Fai­rerweise muss man sagen, dass es sich dabei um Neubaukonzepte gehandelt hat, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Dennoch versucht man, auf weniger als der halben Fläche den gleichen Inhalt zu bieten, was natürlich auch eine gewisse Herausforderung dar­stellt, und wir sind gespannt, wie das gelöst werden kann.

Der Umbau des Heldenplatzes kostet übrigens auch eine Summe in der Größenord­nung von 110 Millionen €, was in etwa den Maximalkosten aus dieser sogenannten Haas-Studie entspräche. Jetzt sind natürlich Erdarbeiten oder Schotterarbeiten am Hel­denplatz eine fantastische Sache – auch mich faszinieren Bagger –, aber es ist doch Kulturpolitik in einer sehr oberflächlichen Art und Weise, und, Herr Minister, auch Sie werden mir vielleicht zustimmen, dass das nicht unbedingt die idealsten Voraussetzun­gen sind. Ich verstehe natürlich, dass Sie dieses Konzept verteidigen, aber auch lieber eine größere Variante bevorzugt hätten.

Angesichts dieser Voraussetzungen ist es natürlich, wenn man entsprechend schlaue Leute hat, schon auch möglich, dass man da zu einem Konzept kommt, das mit dem


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 53

Bruchteil des Budgets anderer Häuser in Zeiten der Digitalisierung vernetzte junge Men­schen in ihren Lebenswelten abholt und auf eine Reise einer wertvollen Auseinander­setzung mit der Geschichte mitnimmt.

Man könnte sich vorstellen, dass diese Menschen in einen partizipativen Diskurs verwi­ckelt werden, aber selbst wenn es diese Magier gibt, dann hat das HGÖ die Rechnung ohne den Gesetzgeber gemacht, denn dieses moderne Haus soll zwar einen Publi­kumsrat, ein Publikumsforum bekommen, aber Sie können sich vorstellen, wie dieser Publikumsrat zusammengesetzt wird, nämlich – wie in Österreich üblich – sozialpart­nerschaftlich: unter Einbindung von Kammern, Kirchen und Komitees, in dem Fall ei­nem olympischen. – Also man spürt förmlich den Wind der Innovation, den dieses Gre­mium dem Museum einhauchen wird, natürlich bleibt aber trotzdem ein bisschen der Zweifel, ob sich das tatsächlich so einstellt.

Kurz gesagt, ein weiteres unterfinanziertes Haus in dieser Form wollen wir nicht unbe­dingt unterstützen. Generell stehen wir der Idee positiv gegenüber, aber wenn es wie jetzt am falschen Standort platziert wird und innovative partizipative Formate mit Kir­chenvertretern, Landwirtschaftskammer und Olympischem Komitee entwickelt werden sollen, können wir dem unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den NEOS.)

11.26


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Dr. Troch gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


11.26.35

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der bekannte Historiker Eric Hobsbawm hat das vergangene 20. Jahrhundert als das Zeitalter der Extreme bezeichnet – sein Standardwerk ist ja bekannt –, und dieses Konzept des so stürmischen 20. Jahrhunderts voll von Krieg und Frieden, von Kaiserreichen und Revolutionen, von Diktaturen und Demokratien, von Rassismus und Massenvernichtung, voll vom Wettrüsten, der Angst vor dem Atomkrieg und dem Eiser­nen Vorhang, der Europa für 50 Jahre in zwei Teile zerrissen hat (Zwischenruf der Abg. Fekter), dieses Konzept des Zeitalters der Extreme also gilt natürlich in besonde­rem Maße auch für das vergangene Jahrhundert der österreichischen Geschichte.

Ich denke, aus diesem Grund ist es ganz klar unsere Aufgabe, diesbezüglich Wissen zu vermitteln, und dazu bedarf es eines Ortes der Auseinandersetzung, nämlich des aktiven und des permanenten Vermittelns von Wissen betreffend die Geschichte des 20. Jahrhunderts, und der magische Ort für die Vermittlung von Geschichtswissen ist natürlich der Ort von Geschichte und Politik in Wien und in Österreich, und das ist selbstverständlich der Heldenplatz.

Seit 20 Jahren wird geredet, aber jetzt wird gehandelt, und dafür bin ich Bundesmi­nister Josef Ostermayer sehr dankbar. Die SPÖ steht hinter diesem Projekt. Ich darf auch sagen, Bundesminister Ostermayer ist der Motor, und es geschieht bezüglich die­ser Geschichte wirklich etwas.

Ich denke auch, Paranoia, dass das ein parteipolitisches Museum wird, ist nicht ange­bracht. Es gibt einen wissenschaftlichen Beirat, und wenn man sich anschaut, wer die­sem angehört, kann man beruhigt sein. Das sind Universitätsprofessoren der Univer­sity of Chicago, der Duke University, der Harvard University, der Karls-Universität Prag, der Andrássy Universität Budapest und, und, und. Da gibt keiner seinen Namen für eine parteipolitische Einfärbung her, ich glaube also, da besteht kein Grund zur Angst. Der wissenschaftliche Beirat ist hochkarätig zusammengesetzt.

Was die Lösung vor Ort mit dem Museum alter Musikinstrumente betrifft, meine ich, dass sich da eine gute Lösung findet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 54

Im Haus der Geschichte wird Wissensvermittlung betreffend das 20. Jahrhundert fass­bar und permanent eingerichtet, und das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.28


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Weigerstorfer gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


11.29.02

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Herr Präsident! Herr Minister! Ja, das Haus der Geschichte wird seinem Namen doch schon gerecht, weil es bereits vie­le, viele Jahre im Gesprächsmittelpunkt steht. Es wurden zahllose Machbarkeitsstudien erstellt, viele, viele Experten wurden diesbezüglich zurate gezogen, wissenschaftliche Beiräte wurden installiert. Ja, und heute ist es nun so weit: Jetzt soll der erste Schritt gesetzt werden, um dieses Projekt, dessen Konzepte leider immer noch nicht voll aus­gearbeitet sind – es ist also ein eher konzeptloses Projekt –, umzusetzen mit einer ge­setzlichen Grundlage, mit der wir eben heute dieses Haus der Geschichte beschließen sollen.

Natürlich ist Vermittlung von Wissen grundsätzlich etwas ganz, ganz Wichtiges – die Kultur, die wir hier in Österreich haben, ist einzigartig, das kann ich sagen, ich durfte viel im Ausland unterwegs sein; diesbezüglich können wir wirklich stolz auf unser Land sein –, aber selbstverständlich gibt es auch einen finanziellen Aspekt, den man einfach immer wieder einfließen lassen muss.

Die Projektkosten bis 2018 werden vom Kulturministerium mit rund 32,2 Millionen € be­ziffert – es gibt natürlich sehr, sehr viele Schätzungen, die da weit darüber liegen –, und für den weiteren laufenden Bedarf nach der Eröffnung im Jahr 2018 sind in etwa 3,6 Millionen € berechnet worden. Woher genau aber dieses Geld kommen soll, das wird in diesem Gesetz nicht geregelt. Im Gegensatz dazu kann Finanzminister Schel­ling auch nicht ganz nachvollziehen, wie die Kosten aus dem Budget der Bundesmu­seen sichergestellt werden können, wenn nämlich aktuell alle veranschlagten Mittel verplant sind und im Gesetz derzeit auch keine Erhöhung der Basisabgeltung vorge­sehen ist.

Diese offensichtlich verantwortungslose Vorgehensweise im Zusammenhang mit die­sem Projekt können wir nicht unterstützen. Auch vonseiten des Rechnungshofes gibt es sehr, sehr viel Kritik, und ich möchte einfach Folgendes als Nachsatz zu bedenken geben: Hier in Österreich gibt es knapp 500 000 Arbeitslose, rund 1,2 Millionen Öster­reicher leben derzeit an der Armutsgrenze, sind armutsgefährdet. – Kultur ja, aber dieses Prestigeprojekt ist einfach zu teuer, und dafür haben wir kein Geld. Deshalb lehnen wir dieses Projekt derzeit vehement ab. (Beifall beim Team Stronach.)

11.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Ostermayer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.32.01

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Oster­mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke allen, die sich zum Haus der Geschichte bekennen. Es gab ja, wie der Herr Abgeord­nete Mölzer gesagt hat, eine Diskussion darüber seit 70 Jahren. Die hat es tatsächlich in dieser Länge gegeben! Sie war nicht immer sehr intensiv, aber sie ist dann wieder intensiver geworden, als Leon Zelman die Diskussion neu eröffnet hat. Wir hatten dann in mehreren Regierungsabkommen stehen, dass ein Haus der Geschichte – nämlich ein Haus der Zeitgeschichte der Republik Österreich – errichtet werden soll.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 55

Nun hat der Herr Abgeordnete Alm gesagt, auch ich hätte wahrscheinlich eine größere Variante bevorzugt, aber jetzt unterstütze und verteidige ich das Ergebnis. – Ich kann Ihnen sagen, ich habe ganz intensiv an diesem Ergebnis mitgearbeitet, nämlich ausge­hend davon, als wir im November 2014 die Diskussion über das Weltmuseum hatten, über die Frage der Errichtungskosten und über die Frage der Betriebskosten. Und die Frage, die sich daraus ergab, war: Können wir diese Chance – so habe ich es emp­funden – mit den Räumlichkeiten der Neuen Burg nutzen, um ein Projekt, das eben über viele Jahre und Jahrzehnte diskutiert wurde, tatsächlich zu realisieren? – Dass der Wunsch bestanden hat, es zu realisieren, steht ja außer Zweifel, sonst wäre es nicht in den Regierungsprogrammen gestanden.

Die Frage war dann folgende: Wie können wir es realisieren, also Großvariante, Mittel­variante, Neubau, kein Neubau? Mein Erlebnis war, dass die Diskussion – auch in der Vergangenheit – betreffend den Neubau immer wieder gescheitert ist, und ich habe dann die Möglichkeit gesehen und habe begonnen, mit verschiedenen Personen darü­ber zu reden, egal, ob das die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbiblio­thek oder die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums war plus Mitarbeiter et cetera, ob wir eine Chance sehen, dass wir in einer Neugruppierung in der Neuen Burg eine Realisierungsmöglichkeit finden.

Das ist dann untersucht worden. Es war klar, das Ephesos Museum würde sehr teuer sein, weil man dort statisch viele Maßnahmen setzen müsste, und so weiter. Es ist also vom Kunsthistorischen Museum und auch von der Nationalbibliothek analysiert wor­den.

Parallel dazu habe ich Herrn Professor Oliver Rathkolb, der auch hier auf der Galerie sitzt und zuhört und den ich sehr herzlich begrüße, gebeten, ein Konzept auszuarbei­ten. Professor Rathkolb hat dann – Herr Abgeordneter Troch hat es schon gesagt – ei­nen wissenschaftlichen Beirat zusammengesetzt mit sehr vielen beziehungsweise aus­schließlich kompetenten Menschen, auch sehr vielen international renommierten Men­schen, ob das Frau Professorin Dr. Dr. h.c. Aleida Assmann von der Uni Konstanz ist, John Boyer von der University of Chicago, Herr Hacohen von der Duke University et ce­tera, bis hin zum Präsidenten der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, Herrn Professor Dr. Hütter, den ich auch getroffen habe, und vielen an­deren, die entweder schon an der Errichtung von Häusern der Geschichte, etwa auch dem Haus der europäischen Geschichte, mitgewirkt haben oder die eben entsprechen­de zeitgeschichtliche Expertise einbringen können. Jeder, der, und jede, die diesen Men­schen unterstellt, sie würden irgendetwas parteipolitisch unternehmen, handelt meines Erachtens bewusst gegen besseres Wissen.

Das ist übrigens ein Punkt, der mehrfach angeklungen ist: Es sei so etwas wie ein par­teipolitisch geprägtes Projekt, das da realisiert wird, oder überhaupt konzeptlos, wie die Frau Abgeordnete Weigerstorfer gesagt hat. – Also wenn sie von konzeptlos spricht, dann hat sie das Konzept schlicht und einfach nicht gelesen, denn die Leistung dieses internationalen wissenschaftlichen Beirats war ja auch, ein Konzept zu erarbeiten, das wir auch öffentlich präsentiert haben, das auch auf der Homepage im Internet zugäng­lich ist.

Zur Frage betreffend das Publikumsforum, die der Herr Abgeordnete Alm noch ange­schnitten hat: Ein Vorschlag dieser Expertengruppe war, dass wir das Haus organi­satorisch – was wir jetzt tun wollen und, wenn Sie es beschließen, in der Folge dann auch umsetzen werden – „andocken“ an die Österreichische Nationalbibliothek, aber wissenschaftlich selbständig organisieren, und das hat natürlich auch den Hintergrund, dass wir möglichst kostengünstig, mit möglichst wenig Overheadkosten agieren wollen.

Herr Abgeordneter Zinggl, wenn wir das schaffen – da gibt es noch einige Schritte, die sind auch zu Recht erwähnt worden, unter anderem die Frage von Budget, Bundesfi-


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nanzrahmen et cetera –, dann haben wir in der Neuen Burg nicht nur ein Haus mit ak­tuellen, zeitgemäßen Brandschutzmaßnahmen – ein beträchtlicher Teil der Kosten ent­fällt nämlich darauf –, sondern wir haben dann ein neu saniertes und neu gestaltetes Weltmuseum, wir haben eine Sammlung alter Musikinstrumente Neu, nämlich nicht in der 25 Jahre alten Präsentation, die wir jetzt haben, sondern in einer zeitgemäßen Prä­sentation, und wir haben dann zusätzlich ein Haus der Geschichte. Dann haben wir qua­si neben dem bestehenden Museumsquartier, manche haben es schon gesagt, ein Mu­seumsquartier zwei in der Neuen Burg, weil natürlich das Ephesos Museum, die Hof­jagd- und Rüstkammer und natürlich auch die Nationalbibliothek weiter dort wären.

Die Idee war auch, dass man die Bevölkerung – klarerweise natürlich repräsentiert – mit einbezieht, indem man ein Publikumsforum macht, und die haben wir auch schon angeschrieben, ihnen mitgeteilt, dass wir das vorhaben, dass wir es so, wie es jetzt eben vorliegt, konzipiert haben, und es hat auch schon sehr viele Rückmeldungen ge­geben.

Damit übrigens etwaige parteipolitische Sorgen auch gleich wieder reduziert werden, lese ich jetzt eine davon vor:

Sehr geehrter Herr Universitätsprofessor DDr. Rathkolb, vielen herzlichen Dank für Ihre E-Mail! Ich gratuliere Ihnen dazu, dass die Novelle des Bundesmuseen-Gesetzes er­folgreich den Kulturausschuss passiert hat … Und so weiter. Und der Schluss lautet dann: Für die Errichtung des Hauses der Geschichte wünsche ich Ihnen alles Gute. Mit besten Grüßen, Ihr Christoph Leitl.

Um noch einmal die Sorge zu nehmen, da gäbe es eine parteipolitische Orientierung, die überhaupt nicht beabsichtigt war und ist: Es gibt mittlerweile viele Unterstützer – das kann man auch im Internet einsehen und nachlesen –, und darunter sind viele Men­schen, wo ich hoffe, dass allgemeiner Konsens darüber besteht, dass das nicht sozu­sagen sozialdemokratische Parteigänger oder was auch immer sind, egal, ob das Er­hard Busek, Franz Fischler oder Hugo Portisch ist, Vertreter von Religionsgesellschaf­ten und so weiter. Es sind auch viele Rektoren/Rektorinnen et cetera dabei. Also: Viel­leicht bestärkt Sie das darin, dass Ihre Angst reduziert wird.

Abschließend: Wenn Sie heute diesen Beschluss fassen, dann werden natürlich die nächsten Schritte gesetzt. Der erste nächste Schritt wäre dann die Beauftragung zur Erstellung der vereinbarten Vorstudie durch die Österreichische Nationalbibliothek, na­türlich gemeinsam mit der Burghauptmannschaft. All das, was wir tun, ist immer nur im Konnex mit vielen anderen Ministerien und Einrichtungen zu tun. Die Burghauptmann­schaft hat natürlich eine ganz wesentliche Rolle, weil alle Maßnahmen betreffend die Substanz des Hauses, den Brandschutz et cetera durch die Burghauptmannschaft durchgeführt werden. Wir werden dann den wissenschaftlichen Beirat besetzen. Dann ergeht noch einmal formal die Einladung an die Institutionen zur Besetzung des Publi­kumsforums. Dann erfolgt die Ausschreibung zur Besetzung des Postens des Direktors beziehungsweise der Direktorin. Und dann werden die entsprechenden Geschäftsord­nungen erlassen.

Dann kommt der große Teil, damit es tatsächlich ein Haus der Geschichte gibt, nämlich: Dann muss es gebaut, gestaltet, eingerichtet und betrieben werden. Ich hoffe, dass wir diese Schritte auch schaffen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Töchterle. – Bitte.

 


11.41.49

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Es gab und gibt eine vielstimmige Diskussion zu diesem Projekt, das ist vollkom-


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men erwartbar und auch gut so. Am dichtesten war sie vielleicht bei der Enquete des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Oktober des letzten Jahres, zu welcher bald der Sammelband erscheinen wird oder schon erschienen ist. Diese Diskussion wird noch weitergehen, aber jetzt ist einmal die Entscheidung gefallen, dass es ein „Haus der Geschichte Ös­terreich“ – mir wäre lieber „Österreichs“, das wäre einfach schlüssiger – geben soll, und das finde ich gut.

Auch die Standortentscheidung ist gefallen, und auch sie hat durchaus Perspektiven. Jetzt geht es in der Tat darum, wie der Herr Minister schon gesagt hat, das Ganze mit Konzepten, mit Inhalten, mit Erzählungen zu füllen. Das wird noch eine schwierige Auf­gabe werden, und auch diese wird nicht ohne Kontroversen ablaufen. Zeitgeschichte, die ja hier präsentiert werden soll, ist naturgemäß besonders kontrovers. Deswegen hat etwa auch Egon Friedell in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“ von der Unmöglichkeit und auch dem Unsinn von Zeitgeschichte gesprochen. Das kann man natürlich auch de­battieren.

Wie auch immer, ich denke, es ist eine wichtige und richtige Einrichtung, die wir hier angehen, und wir sollten uns konstruktiv einbringen. Ich werde das auch ganz konkret tun. Die Österreichische Forschungsgemeinschaft, der ich seit Kurzem vorstehe, wird am 10. Juni dazu eine Tagung machen, wie denn dieses Haus nun auszugestalten wä­re. Es gibt eine Fülle von Experten, die da Beiträge leisten können, natürlich insbeson­dere Historiker, aber nicht nur diese, sondern auch Museumspädagogen, denn gerade die Museumspädagogik macht rasante Fortschritte. Aber vor allem müssen auch in­ternationale Erfahrungen einfließen.

Da bin ich bei einer Bitte: Die Internationalität darf keineswegs zu kurz kommen, denn die Perspektive von außen ist sehr wichtig. Und eine weitere Perspektive, die mir als Tiroler auch wichtig ist, ist die Perspektive der Länder. Denn: Die österreichische Ge­schichte wurde nicht nur in Wien gemacht, daher ist es wichtig, dass auch die Länder den gebührenden Stellenwert bekommen.

Gehen wir es also an! Ich lade dich, Herr Minister, und auch den Herrn Kollegen Rath­kolb ganz herzlich ein, uns bei der Tagung am 10. Juni Beiträge zu liefern. Das soll ein kleiner Beitrag meinerseits oder unsererseits sein. Aber es sollten viele weitere wer­den, sodass das Ganze eine Erfolgsgeschichte wird. (Beifall bei der ÖVP.)

11.44


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


11.45.00

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! „Geschichte ist die geistige Form, in der eine Kultur sich Rechenschaft über ihre Vergangenheit ablegt.“ – Man kann das Bedeutende an der Geschichte nicht bes­ser fassen, als es Johan Huizinga getan hat, und unter diesem Blickwinkel, Herr Bundes­minister, ist das, was Sie hier vorlegen, ein sehr reduzierter Prozess von Geschichte.

Sie, Herr Bundesminister, wollen eine Geschichte der beiden Republiken darstellen, aber – und darauf werde ich noch näher zurückkommen – nennen dennoch dieses Projekt „Haus der Geschichte“. Das ist interessant! Das ist genau der Punkt, an dem sich die Kritik sehr vieler Historiker entzündet hat, die sagen, es sei schlechterdings unmöglich, eine schlüssige Geschichte Österreichs darzustellen – wobei das mit dem Genetiv wirklich schrecklich ist, aber es passt zu diesem Konzept ganz gut und hat ein bisschen etwas von der Form, wie es heute im „Kurier“ stand, nämlich: Nach der Schu­le gehe ich AMS!; das passt irgendwie ganz gut dazu –, es sei also unmöglich, die Ge­schichte Österreichs darzustellen und die Habsburger Monarchie einfach auszulassen.


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Die Frage ist: Warum tun Sie das und warum beharren Sie auf diesem Namen? Wa­rum nehmen Sie die Anregung nicht auf, einfach zu sagen: Haus der Geschichte der Republiken Österreichs – oder der Ersten und der Zweiten Republik.

Zuerst einmal: Trauen Sie sich eine umfassende Geschichte nicht zu? – Das kann es nicht sein! Denn: Wenige Minuten von hier haben wir Historiker von wahrhaft internatio­nalem Standard. Ich will gar nicht erst reden vom Institut für Österreichische Ge­schichtsforschung, das genau, wie Sie natürlich wissen, zu dem Zweck der Herausbil­dung einer österreichischen Identität in den 1850er Jahren geschaffen worden ist und ein historisches Institut ist, das heute auch in vielen anderen Disziplinen – man kann sagen: weltweit – führend ist.

Warum reduzieren Sie so? – Das haben Sie ja nicht immer getan. 1996, als es übri­gens auch eine rot-schwarze Regierung gab, haben Sie das ganz anders gesehen. Da haben Sie mit der Ostarrichi-Urkunde – dass Sie das nicht leisten konnten, was Sie da­mals wollten, steht auf einem anderen Blatt, darauf gehe ich jetzt nicht ein – versucht, eine eigenständige Identität Österreichs bis ins frühe Mittelalter zurück zu erzählen. Warum also dieser Paradigmenwechsel? Warum jetzt 1918? Das ist interessant! Und warum weigern Sie sich, das auch klar und deutlich darzutun und den Namen zu än­dern?

Der Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung hat Ihnen in einer Stellungnahme, die ja dem Protokoll beiliegt, tatsächlich den Etikettenschwindel vorge­worfen. Ja, es ist auch so! (Beifall bei der FPÖ.)

Da kommen wir schön langsam ans Eingemachte: „Geschichte ist die geistige Form, in der eine Kultur sich Rechenschaft über ihre Vergangenheit ablegt“, sich Identität gibt und da natürlich auch gleichzeitig die Perspektive für die Zukunft zuschreibt. Und das passiert ja da auch.

Wenn man sich anschaut, was da im Museumskonzept steht – ich habe es gelesen, und ich zitiere jetzt daraus; eben die österreichische Geschichte ab 1918 –, dann sieht man, dass dann, wenn es notwendig ist, nur wenn es notwendig ist, ein Längsschnitt auch ein bisschen weiter zurück gemacht wird, wie zum Beispiel dieser Art, dass über Beziehungen und Kulturkontakte zum Osmanischen Reich – das war eine ganz starke Beziehung, militärisch einerseits, andererseits natürlich auch kulturell – ausschließlich dann die Rede ist, wenn diese für Österreich so wirkmächtige Begegnung – sei es so gewesen oder abwechselnd – als „Wurzel“ des „Gastarbeiterabkommens von 1964“ betrachtet wird.

Und jetzt sind wir dabei: Was Sie sich da geben, ist eine Identität als multikulturelles Einwanderungsland. Das braucht keine österreichische Geschichte, das stört sie nur! Dieses Projekt, Herr Minister, ist natürlich politisch intendiert, es ist tendenziös und es ist auch unredlich (Beifall bei der FPÖ), denn es usurpiert den Namen „österreichische Geschichte“, um in Wahrheit österreichische Geschichte wegzuretuschieren.

Darüber, dass Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der ÖVP, auch dem zustimmen, wundern sich viele, die Ihnen sehr nahe stehen. Wir jedenfalls werden hier nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

 


11.49.35

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich einmal vorweg für meinen Kollegen Ehmann die Schülerinnen und Schüler von „PROGRESS Steiermark“ herzlich bei uns im Parlament begrüßen. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)


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Einige Vorrednerinnen und Vorredner – ausgenommen, und zwar explizit, die Kollegin Rosenkranz, die gerade vor mir gesprochen hat – haben zum Haus der Geschichte be­reits einiges gesagt, das ich teilen kann. Das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist aber aus meiner Sicht, die Interaktivität mit und durch dieses Haus zu fördern, im Kon­kreten eben die Kunst- und Kulturvermittlung, die Attraktivität für Kinder, für Jugendli­che, aber auch für Erwachsene zu fördern und ganz klar auch am Haus der Geschichte zu partizipieren. Das erwarte ich mir, das steht aber auch im Fokus des Konzepts.

Ich möchte meine Rede aber gerne im Speziellen auf die Sammlung der alten Musik­instrumente fokussieren: Altflöten, Hammerflügel, Cembali, Viola d’amore und vieles, vieles mehr. Es gab da Kritikpunkte: Einige haben behauptet, es gebe nun weniger Platz – das mag sein –, andere haben überhaupt behauptet, dass es ein Abdrehen der Sammlung der alten Musikinstrumente geben werde. Das ist völlig unrichtig, weil es zum 100. Geburtstag der Sammlung der alten Musikinstrumente jetzt eine neue Loca­tion gibt. Und das halte ich für sehr, sehr wertschätzend.

Ich möchte gerne zum Brückenschlagen kommen, und zwar im Hinblick auf Kunst- und Kulturvermittlung. Ich sehe da nämlich sehr großes Potenzial, gerade im Zusammen­hang mit der alten Musik. Denn: Jährlich finden Anfang des Jahres die Ressonanzen im Wiener Konzerthaus statt, und dort können wir alle alte Musik und alte Musik­instrumente erleben und auch genießen. Etliche Ensembles – vor allem aber auch Jeu­nesse, ein Barock- und Renaissance-Ensemble – präsentieren sich dort. Ich möchte Ih­nen dieses Festival an dieser Stelle wirklich sehr ans Herz legen.

Aber, offen gesprochen, wer von den Konsumentinnen und Konsumenten dieses Festi­vals kennt auch die Sammlung der alten Musikinstrumente? Ich glaube, leider nur sehr wenige. Ich denke, genau dieses Publikum, wo auch sehr viele junge Leute darunter sind, könnte man nützen, und ich sehe da großes Potenzial, eben in der Kooperation mit dem Haus der Geschichte, mit dem Wiener Konzerthaus, aber auch mit dem Mu­sikverein.

Abschließend: Ich würde mir wirklich wünschen, das Haus der Geschichte als Chance zu betrachten, Kunst und Kultur für alle zur Verfügung zu stellen, und ich hoffe, dass einige Kolleginnen und Kollegen auch diese Chance sehen und vielleicht doch noch dem Haus der Geschichte zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.52


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wal­ser. – Bitte.

 


11.52.28

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich darf diese Gelegenheit auch dazu nützen, die Schülerinnen und Schüler des Bun­desoberstufenrealgymnasiums Lauterach zu begrüßen. Es freut mich sehr, dass ihr da seid (allgemeiner Beifall) und eine Diskussion mitverfolgen könnt, wo es um ein Ver­gangenheitsthema geht, das gleichzeitig natürlich auch ein Zukunftsthema ist, und dass ihr eine Diskussion mitverfolgen könnt, die zeigt, wie es denn um die einheitliche Betrachtung dieser Geschichte – um die sehr kontroversielle Betrachtung dieser Ge­schichte – steht.

Die Diskussion ist jetzt geprägt von gegenseitigen Vorwürfen. Kollegin Fekter hat pa­nische Angst, dass wir da ein „SPÖ-Museum“ beschließen – so ihre Wortwahl –, sie wird aber zustimmen. (Abg. Fekter: Nein, nein! – Dass es eines wird!) Die ÖVP ihrer­seits wiederum hat wahrscheinlich wenig Freude mit einem Haus der Geschichte, wie es in Oberösterreich konzipiert wird – dort dürfte nämlich ein sehr ÖVP-lastiges Mu­seum entstehen. Und, meine Damen und Herren, davon haben die Leute wirklich die Nase voll!


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Sie betrachten Geschichte ausschließlich oder jedenfalls größtenteils unter diesen par­teipolitischen Gesichtspunkten. Was wir aber brauchen, ist eine Betrachtung von Ge­schichte, die Kontroversen ermöglicht, wo wir strittige Themen auch als strittige The­men darstellen können und wo darüber diskutiert wird. Gehen wir doch endlich weg von dieser parteipolitischen Zuordnung! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Os­termayer.) Herr Minister, es freut mich, dass du zustimmst, nur, … (Bundesminister Ostermayer: Aber das hat der Zinggl übrigens auch gesagt, dein Kollege!) Ja, das glaube ich dir gerne, und ich glaube auch, dass diese … (Bundesminister Ostermayer: Bitte überzeuge ihn parteiintern!) Ja, die Diskussion führen wir parteiintern sehr inten­siv und sind auch durchaus einer Meinung darüber, was wir wollen, nämlich eine Dar­stellung von Geschichte in der Art und Weise, wie es den modernen Maßstäben ent­spricht.

Ich kann mich noch erinnern an die Diskussion über das Haus der Geschichte im Pa­lais drüben, wo es darum gegangen ist, wie wir es konzipieren sollen. Da haben auch deutsche Gäste entsetzt unserer Diskussion zugehört. Es hat dort beispielsweise Hans-Martin Hinz, der damalige Geschäftsführer des Deutschen Historischen Museums in Berlin, gemeint, Voraussetzung – das hat er uns mahnend gesagt – für das Gelingen ei­nes solchen Projekts seien in erster Linie ausreichende finanzielle Mittel.

Diese sind nicht vorhanden, wir haben kein Finanzierungskonzept! Wir haben Kosten­schätzungen im dreistelligen Millionenbereich, wissen aber nicht, wie wir das Projekt fi­nanzieren sollen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Ostermayer.)

Also: Diese finanziellen Mittel wären der eine Punkt, aber noch viel wichtiger ist der Ver­zicht auf jegliche Einflussnahme.

Meine Damen und Herren! Wenn wir über Standorte sprechen, dann sollten wir uns auch Gedanken darüber machen, welcher der richtige dafür wäre. Der ursprüngliche Plan war nämlich, ein Haus der Republik zu errichten, in dem wir unser republikani­sches Selbstbewusstsein und Selbstverständnis darstellen. Dieses Haus der Republik wurde aber großkoalitionär versenkt. Daraus wurde plötzlich ein Haus der Geschichte, plötzlich sprach man auch von 1848 als Ausgangspunkt. Kein Mensch, auch kein His­toriker – ich habe mit vielen darüber diskutiert –, kann erklären, warum gerade 1848. Seien wir doch so selbstbewusst, dass wir unseren Geburtstag, nämlich den 12. No­vember 1918, auch entsprechend hier dokumentieren und zur Geltung bringen! Und sei­en wir doch so selbstbewusst, dass wir die Geschichte unserer beiden Republiken, der Ersten und der Zweiten, darstellen! In welcher Form das geschieht, das ist eine andere Frage.

Ein Satz noch abschließend: Der imperiale Glanz drüben in der Hofburg eignet sich nun wirklich nicht für ein Haus der Republik. Darauf sind viele eingegangen. Schauen wir uns noch einmal das Konzept von Claudia Haas an, die zu Recht darauf hinge­wiesen hat, dass wir hier etwas völlig Neues brauchen. Ein Haus der Republik in die Hofburg zu setzen, das Symbol für die Monarchie, das Symbol für den imperialen Glanz, der schon längst verblasst war, das ist der falsche Weg, Herr Minister! Deshalb werden wir – unter anderem deshalb – hier nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.57


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte. (Abg. Eßl: Jetzt kommt die Frage!)

 


11.57.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es kommt zuerst der prüfende Blick (in Richtung Besuchergalerie), ob ich nicht auch jemanden begrüßen kann, aber „meine“ Schüler­gruppe kommt erst später.


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In Richtung der Abgeordneten Fekter möchte ich sagen: Ich wünsche Ihnen gar kein „ÖVP-Museum“, denn ich nehme an, Sie werden als Partei noch einiges vorhaben, Sie wollen doch nicht schon ins Museum kommen! Daher sollten wir alle das Ganze se­riöser angehen, und da ist die Frage mit der österreichischen Identität das Entschei­dende.

Ich glaube, wir machen so eine Einrichtung, weil wir aus der Geschichte lernen wollen und weil wir wollen, dass die Besucher – auch aus anderen Ländern –, die Österreich vielleicht in ihrem Unterricht oder durch Bücher kennengelernt haben, die österreichi­sche Sicht der Dinge dort studieren können. Ich freue mich, dass es einen Beirat mit prominenter internationaler Besetzung gibt. Letztlich aber werden wir aufgerufen sein – wir Österreicherinnen und Österreicher –, die Verantwortung für dieses Projekt zu über­nehmen. Letztlich haben wir dafür zu sorgen, dass wir da zu einer Entscheidung und zu einer Bewertung kommen. Und ich freue mich schon darüber, dass wir darüber sehr vie­le kontroversielle Debatten führen können.

Das ist auch insofern eine gute Einrichtung, als es bis jetzt so war, dass für viele das Kennenlernen der österreichischen Geschichte nur durch Schönbrunn, Habsburger, Mo­zartkugeln und Sissi-Filme, in welchen Variationen auch immer, erfolgte. Das ist nicht Österreich! (Ruf bei der FPÖ: Sissi ist nicht Österreich?) Im Gegenteil: Ich bin dafür, dass wir eine kritische Reflexion über die Rolle der Habsburger in Österreich machen. Da gibt es nämlich sehr viel, was man auch kritisch aufarbeiten kann. Man kann vieles aus der Ersten Republik lernen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn es nach Ihnen geht, sollte man das ab der Völkerwanderung machen. Aber ich sage Ihnen: Es ist das Jahr 1815 ein Thema, das wird wahrscheinlich kommen, genau­so wie 1848, 1866 und der Erste Weltkrieg. Bei mir in der Schule hat der Geschichts­unterricht mit der Zeit knapp vor oder nach dem Ersten Weltkrieg aufgehört. Der Lehrer muss vor der Bewertung der Ersten Republik Angst gehabt haben. Das können wir alles leisten, das sollen wir leisten, und das ist, wie ich glaube, auch eine wichtige Auf­gabe.

Und ich sage es hier noch einmal in diesem Rahmen: Was heißt „Heldenplatz“? – Ich freue mich, dass jetzt in das Haus dort neben den alten Musikinstrumenten, Ritterrüs­tungen und ägyptischen Mumien endlich etwas Belebendes hineinkommt. Aber man sollte auch die Frage stellen: Welche Helden sind am Heldenplatz eigentlich gemeint? – Auch vor dieser politisch-historischen Debatte sollte man sich nicht drücken! Und wir sollten, wenn wir schon über die Frage „Haus der Geschichte“, „Haus der Republik“ re­den, auch über den Heldenplatz sprechen und darüber, wie wir ihn benennen könnten. Das wäre, glaube ich, auch etwas Großes.

Sprechen wir also nicht nur über die notwendige Finanzierung, sondern führen wir auch eine inhaltliche Diskussion mit den Historikern, mit den Experten, aber auch mit­einander! Das halte ich für sehr, sehr wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

12.00


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte. (Abg. Wöginger: Das Renner-Institut wird das ausarbeiten!)

 


12.00.30

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ja, der Zwischenruf von der ÖVP, dass das Renner-Institut das ausarbeiten wird, zeigt ja schon ganz eindeutig, mit welchem Jubel und welcher Begeisterung der Koali­tionspartner ÖVP diesem „Jahrhundertprojekt“ des Herrn Bundesministers zustimmen wird. Das sind ja schon wehende Fahnen, die ich da sehe.

Ich möchte jetzt die Aussagen der Vorredner ein bisschen auf den Prüfstand nehmen. Jetzt zum Schluss Kollege Cap und auch Kollege Troch haben vom internationalen


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Beirat, der da kommen wird, gesprochen. Ja haben Sie das Gesetz gar nicht gelesen? Wissen Sie nicht, was Sie da beschließen? – Da steht zwingend von international gar nichts drinnen. Da steht nur drinnen, dass proporzmäßig die Parteisekretariate über Bundeskanzleramt und Ministerien das Ganze beschließen werden und halt der Di­rektor des Hof- und Staatsarchivs und ein Vertreter der Länder dabei sind. Das ist viel­leicht der Begriff der Internationalität, den Sie meinen. Da wir auch Staatsverträge mit den Bundesländern machen können, Artikel-15a-Vereinbarungen, sind vielleicht jetzt auch schon Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg internationale Völkerrechtssub­jekte, die Sie hier erkennen.

Kollege Walser hat uns eine Neuigkeit beschert, er hat von einem Haus der Ge­schichte, das in Oberösterreich entstehen soll, geredet. Das ist uns jetzt neu. Es dürfte sich um Niederösterreich handeln (Zwischenruf des Abg. Walser), wo der Historiker Karner, nachdem er das Haus der Geschichte Österreichs nicht mit Wolfgang Schüssel machen durfte, jetzt Gott sei Dank ein Haus der Geschichte Niederösterreichs umset­zen darf.

Über den Etikettenschwindel soll hinweggesehen werden, nämlich dass es in Wirklich­keit – Kollege Troch hat ja das dicke Büchlein hergezeigt und darauf hingewiesen – um das 20. Jahrhundert geht. Aber Österreich hat eine längere Geschichte als nur das 20. Jahrhundert, und daher ist dieser Name eindeutig verfehlt! (Beifall bei der FPÖ.)

Es muss „Haus der Geschichte der Republik“ oder „Haus der Republik“ heißen. Und das Ganze in der Hofburg?! Ja, vielleicht soll das jetzt die wahre Demütigung für das Haus Habsburg sein, die die Sozialdemokratie vorhat. Ein gescheiter Platz ist es trotz­dem nicht.

Frau Kollegin Kucharowits hat gemeint, in diesem Haus der Geschichte sollen Kunst und Kultur vermittelt werden – also Geschichte ja, Kunstgeschichte, Kulturgeschichte, das gibt es ja –, und auch Kreativität. Das, was dort gemacht werden wird, stelle ich mir schon wieder sehr putzig vor: Wird man Plastilin kneten? Wird man trommeln? Wird man dabei mittelalterliche Trommelnachbauten verwenden, damit endlich einmal Leben in die, wie es auch geheißen hat, Sammlung alter Musikinstrumente hinein­kommt?

Kollege Cap, ich habe jetzt nicht die Vision, dass eine Mumie, vielleicht umwickelt mit Klopapier, wie Boris Karloff auf Sie zusteuert, damit diese Mumien irgendwo zum Le­ben erweckt werden. Aber wenn Sie sich mit der Sammlung alter Musikinstrumente auseinandersetzen würden, damit, welch tolle, großartige Konzerte von lebenden Inter­preten dort stattfinden – dort findet Leben statt, Sie sollten halt nur hingehen und es sich anhören –, wüssten Sie, die wollen das Geburtstagsgeschenk nicht haben. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, ich glaube, Frau Kucharowits hat gesagt, dass die Sammlung alter Musikinstrumente zum 100. Geburtstag jetzt endlich ein neues Konzept bekommt. Die bedanken sich sehr schön, dass sie räumlich redimensioniert werden, weil dort an­geblich nichts passieren soll und nichts passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Den Kollegen Mölzer muss ich ein bisschen korrigieren, er hat Professor Rathkolb – willkommen, Herr Professor, auf der Galerie hier im Haus! – SPÖ-Nähe vorgeworfen. Ich muss das ein bisschen revidieren, der einzige Anhaltspunkt dafür ist nämlich, dass der Herr Rathkolb Sekretär in der Ära Kreisky, unter Bruno Kreisky war. Und da sich die SPÖ des Bruno Kreisky so diametral von der heutigen SPÖ unterscheidet, kann man Herrn Professor Rathkolb wahrlich heute aus dem heraus nicht vorwerfen, dass er SPÖ-nahe wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt fällt mir aber etwas anderes auf (Ruf bei der SPÖ: Sehr geschichtsträchtig!), wie alles in Österreich einfach gemacht wird. Ich glaube auch nicht mehr, das ist jetzt die Löwelstraße, die dahintersteht. Wissen Sie, es gibt da eine Geschichte – „Haus der


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Geschichte“ –, es gibt den Club 45 im Demel. Der ist dann einmal beendet worden. (Abg. Fekter: Proksch!) – Udo Proksch, ja, da perlt das Geschichtswissen. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Übrigens: Im Lehrplan steht natürlich drinnen, auch in jenem für die Handelsakademie, dass man auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts durchnehmen muss. Es sind sehr viele Schüler hier. Ich mache Sie (in Richtung Galerie) darauf aufmerksam, fordern Sie von Ihren Lehrern ein, den Lehrplan einzuhalten – nicht so wie bei Frau Kollegin Hakel, bei der der Geschichtsunterricht beim Ersten Weltkrieg geendet hat –, fordern Sie ein, dass Sie auch das 20. Jahrhundert im Unterricht lernen! Es ist wichtig, es zahlt sich aus. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie des Abg. Hagen.)

Wenn ich weiß, dass es in diesen Club-45-Lokalitäten einen Service-Club gibt; es gibt sehr viele in Österreich, die sehr verdienstvolle Leistungen erbringen … (Zwischenruf des Abg. Heinzl.– Kollege Heinzl, gehen Sie Eisenbahn spielen, und sonst geben Sie eine Ruhe bei diesem Thema! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt dort also einen Gesellschafts-Club, den Herr Faymann gegründet hat, wo auch Herr Bundesminister Ostermayer Mitglied ist (Abg. Heinzl: Ein Ahnungsloser!), wo Herr Rathkolb Mitglied ist. (Abg. Heinzl: Ein Ahnungsloser!) – Was haben Sie schon wieder für Anwandlungen? Der Arzt ist übrigens dort unten. Dort ist der Betriebsarzt, wenn es irgendwelche Probleme gibt. (Rufe bei der SPÖ: Geh! Geh! – Weitere Rufe und Ge­genrufe zwischen SPÖ und FPÖ.)

Ich entschuldige mich. Ich empfehle dem Kollegen Heinzl nicht den Arzt, es war nur so ein erster Anschein. Ich nehme das mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist Herr Rathkolb dort drinnen, es ist Frau Rachinger dort drinnen (Abg. Heinzl: Der ist ahnungslos!), die Direktorin der Nationalbibliothek, wo das jetzt angesiedelt wird. Und damit es mit dem Denkmalschutz keine Probleme gibt, ist die Präsidentin des Bundesdenkmalamtes Neubauer auch dort drinnen. Jeden Mittwoch um 13 Uhr ist dort Treffpunkt. Da hat man es wenigstens – das ist ein kleiner Verdauungsspaziergang – nicht weit zu diesem Museum, das in Wirklichkeit eine komplette ideologische Fehlein­schätzung, Fehlplanung ist. Und vor allem ist kein Geld dafür da! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

12.06

12.06.44

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort wird keines gewünscht.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen.

Tagesordnungspunkt 2: Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Ein­gang in 1016 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, der gebe bitte ein Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zei­chen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Le­sung angenommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1016 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend weitere Infrastrukturprojekte am Standort Neue Burg/Helden­platz.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum die Mehrheit und somit angenommen. (E 128.)


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12.07.473. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 823/A der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, geändert werden (1023 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


12.08.14

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was geschieht, wenn Österreich einen Staatsvertrag abschließt, der hier im Parlament genehmigt wird, und der Verfassungsgerichtshof dann feststellt, dass die daraus entstandenen Gesetze oder das Gesetz über diesen Staatsvertrag verfassungswidrig ist? Was geschieht dann? – Das ist ein völlig unklarer Zustand. Wir haben dann eine Verfassungskrise, und in Wirklichkeit weiß niemand, wie damit um­zugehen ist, denn entweder verhält sich die Regierung dann verfassungswidrig oder sie muss sich darum bemühen, diesen Staatsvertrag wieder aufzuheben.

Sie sehen schon, wenn das so eintritt, wäre das eine völlig unbefriedigende Situation, und das kann jederzeit der Fall sein: Wir erinnern uns an den ESM, an den Europäi­schen Stabilitätsmechanismus, wo sehr fraglich war, ob er verfassungskonform ist, aber es wurde ein Staatsvertrag abgeschlossen und im Nachhinein wurde er vom Verfas­sungsgerichtshof geprüft. Zum Glück – aus Sicht der geschilderten Situation – wurde festgestellt, dass er verfassungskonform ist.

Wie ist es mit TTIP? – TTIP wäre auch ein gesetzesändernder Staatsvertrag. Wir wer­den TTIP letztendlich auch hier herinnen beschließen müssen. Es gibt große Kritik da­ran, und es gibt auch viele Fragen dahingehend, ob TTIP nicht – zumindest in Teilen – verfassungswidrig ist.

Was wird geschehen? – Der Zug wird nachher in Richtung Verfassungsgerichtshof ge­hen. Vielleicht stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass Teile davon verfassungs­widrig sind. Was machen wir dann? Wird dann nachverhandelt, oder verhalten sich dann die Regierung oder die Behörden, die aufgrund dieses Vertrages agieren, verfas­sungswidrig?

Sie sehen, es ist wichtig – und das ist der Antrag, den die FPÖ gestellt hat –, dass Staatsverträge, bevor sie hier beschlossen werden, auf ihre Verfassungsmäßigkeit ge­prüft werden können.

Dafür gibt es viele Unterstützer. Bereits im Jahr 2012 gab es diese Diskussion, damals hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Holzinger das sehr begrüßt und ge­sagt, das wäre gut. Auch der hier anwesende Kollege Cap hat sich im Jahr 2012 dazu geäußert und hat das sehr begrüßt. Bundespräsident Fischer hat es sehr begrüßt. – Das sind durchaus Personen, die auch damit zu tun haben, die wissen, was es be­deutet, wenn solch eine Situation eintritt.

Wir haben daher schon vor Jahren, konkret im Jahr 2014, einen entsprechenden An­trag eingebracht, der immer vertagt wurde. Jetzt sind wir wieder in einer solchen Si­tuation – wie gesagt, TTIP steht ja vor der Tür –, aber was geschieht? Es wird nur ein­gewendet: Na ja, wir müssen das jetzt einmal eingehend prüfen! Daher haben die Re­gierungsparteien jetzt einen Entschließungsantrag eingebracht, der sagt: Wir müssen uns anschauen, wie das systematisch in die österreichische Rechtsordnung einzubrin­gen ist und ob wir da vergleichende Studien mit anderen Ländern machen können. Das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 65

ist also die Reaktion nach drei, vier Jahren Diskussion – vier Jahre, nachdem dieses Problem eindeutig erkannt wurde. Kurz bevor es vielleicht wieder einmal eintritt – näm­lich bei TTIP –, wird jetzt ein Gutachten eingeholt.

Ich weiß, ein Gegenargument ist, dass in unserem Antrag eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten steht, die eine solche Prüfung eines Staatsvertrages verlangen können. Das wäre systemwidrig, weil die Anzahl nicht passt. Ja, dann ändern wir diese Anzahl zum Beispiel auf ein Drittel, das wäre das gleiche Quorum, wie man es braucht, um ein Gesetz prüfen zu lassen! Wir sind sofort dafür, Hauptsache, es wird hier eine Regelung getroffen, die diese Prüfung ermöglicht.

Es kommt dann, das weiß ich, auch das Argument: Na ja, wir wollen ja nicht, dass vom Verfassungsgerichtshof Gesetzesprüfungen gemacht werden, bevor etwas hier be­schlossen wird. – Völlig richtig, aber das ist ja auch etwas anderes. Ein Gesetz bindet uns innerstaatlich, das können wir jederzeit wieder aufheben; ein Staatsvertrag aber bindet uns nach außen, und das ist der entscheidende Unterschied. Das Argument, wir wollen keine Gesetzesprüfungen durch den Verfassungsgerichtshof, bevor die Gesetze beschlossen sind – das ich vollkommen teile –, trifft daher hier nicht zu.

Die Prüfung der Staatsverträge ist aber wichtig, daher kann ich nur noch einmal appel­lieren, das jetzt nicht auf die lange Bank zu schieben und einen Entschließungsantrag zu machen, um nach vier Jahren Diskussion plötzlich ein Gutachten einzuholen und das eben wieder hinauszuzögern, im Übrigen ohne jede Frist, sondern unserem Argu­ment zu folgen, das schlicht und einfach vernünftig ist – ich weiß, dass es hier viele gibt, die das im Wesentlichen unterstützen –, und diese Änderung der Verfassung durch­zuführen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


12.13.18

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Gut, jetzt bin ich in der Situation und kann die vierte Klasse der Neuen Mittelschule aus Bürmoos namens der Conny Ecker und in meinem Namen herzlichst hier begrüßen. Wir freuen uns, dass junge Menschen den Weg ins Parlament finden! (Allgemeiner Beifall.)

Ich kann in aller Kürze dem Kollegen Stefan sagen: Wir wollen das wirklich. Das haben wir aber, glaube ich, auch in den Diskussionen vorher bestätigt. Das ist keine Verzöge­rungsstrategie, wir wollen dieses Gutachten. Wir finden, dass da eine wissenschaftli­che Untersuchung notwendig ist, dass man da mehr ins Detail gehen kann, und wollen dieses Vorabprüfungsmodell dann auch wirklich umsetzen. Das habe ich nicht nur 2012 gesagt, das sage ich auch jetzt, und wir hoffen, dass wir das in aller Kürze und Schnel­ligkeit machen können.

Wir glauben, dass das eine wichtige Vereinfachung wäre und dass das die Qualität der Gesetze und die Qualität unserer Rechtsordnung verbessern würde.

Sie können sich also getrost entspannen, es ist wirklich der Wille da, das auch umzu­setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


12.14.27

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich be­grüße alle Zuseherinnen und Zuseher und alle Anwesenden, damit einmal alle umfasst sind und nicht nur die entsprechenden Schulklassen, die man dann durch das Haus führt. Ich freue mich natürlich über jede und jeden, die/der sich für die Sitzungen inter­essiert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 66

„Wir wollen das wirklich.“ – Herr Abgeordneter Cap, diesen Satz könnte man ja jetzt ernst nehmen, wenn man nicht schon auf eine ganze Reihe an Erfahrungen zurückbli­cken würde, wo man von diversen VertreterInnen von SPÖ und ÖVP bei diversen Vor­haben im Rahmen des Verfassungsausschusses oder auch anderer Ausschüsse – ich nenne nur das Stichwort direkte Demokratie – auch bereits diesen Satz gehört hat: Wir wollen das wirklich.

Wenn man daran erinnert – Sie haben das vorher auch getan –, wie lange diese Frage oder andere Fragen schon in Diskussion stehen, dann sieht man, welche Bedeutung der Satz „Wir wollen das wirklich“ in der Umsetzung dann tatsächlich hat. Wir haben weder die direkte Demokratie, noch sind wir in der Frage der Staatsverträge einen Schritt weitergekommen. Ebenso wenig weitergekommen sind wir bei dem Punkt, den wir auch im Verfassungsausschuss diskutiert haben und den wir heute leider nicht dis­kutieren können, weil er wieder vertagt wurde – nämlich der Möglichkeit der Abschaf­fung der Proporzregierung in Wien, der Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträ­te –, obwohl die Wiener SPÖ durch einen Beschluss im Landtag gesagt hat: Wir wollen das wirklich. Also so eindeutig ist die Aussage „Wir wollen das wirklich“ leider nicht zu deuten.

Das Problem ist ja hinreichend dargelegt worden, nämlich nicht erst jetzt vom Kollegen Stefan, sondern schon damals rund um den Fiskalpakt. Das Problem ist – und da braucht man gar nicht viel juristisches Wissen zu haben, da reicht der gesunde Haus­verstand –, dass ich, wenn ich einen Vertrag so weit bringe, dass er mich nach außen bindet, der Vertrag aber nach innen unter Umständen verfassungsrechtlich problema­tisch ist, ein Problem habe. Dieses Problem gehört gelöst, und zwar besser schneller als langsamer.

Vor diesem Hintergrund ist Ihr Ausweichmanöver mit diesem Antrag betreffend den Rechtsvergleich, den Sie hier eingebracht haben, vielleicht nett, um dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen zu müssen, aber Sie sind ja nicht einmal in Verhandlungen eingetreten darüber, ob Ihnen das Drittel lieber wäre als die 20 oder ob Sie irgendeine andere Änderung haben wollen, sondern Sie haben den Antrag jetzt einfach einmal abgelehnt und sozusagen als Ersatz einen Antrag auf einen Rechtsvergleich einge­bracht.

Diese Diskussion geht uns ab, denn natürlich kann man auch den Antrag der FPÖ noch einmal anschauen auf die Frage hin, ob das Prozedere, das da drinnen vorge­schlagen ist, der Weisheit letzter Schluss ist – angefangen von der Anzahl der Abge­ordneten, die das unterstützen sollen, das haben Sie ja selbst gesagt, bis hin zur Fra­ge, wer überhaupt solch einen Antrag einbringen kann. Es ist auch die Frage, ob nicht zum Beispiel für den Bundespräsidenten da eine Möglichkeit geschaffen werden muss, denn der/die Bundespräsident/in ist dann die Person, die die Unterschrift setzt und mit dieser Unterschrift dann tatsächlich zur völkerrechtlichen Wirksamkeit nach außen hin beiträgt.

Wir haben ja damals rund um den Fiskalpakt die Diskussion gehabt, welche Möglich­keit man als Präsident oder Präsidentin hat, vorweg eine Prüfung, eine Expertise ein­zuholen, bevor man Wirksamkeiten schafft.

Da gibt es also viel zu diskutieren. Ein Rechtsvergleich wird Sie trotzdem nicht davor schützen, irgendwann einmal eine Entscheidung zu treffen, um dieses Problem zu lö­sen. So, wie Sie aktuell damit umgegangen sind, ist das Problem noch lange nicht ge­löst. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.18


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 67

12.18.28

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Wahrscheinlich ist es nicht so einfach zu fassen: Zustimmung bei einem Staats­vertrag, worum geht es da? Wie viele Staatsverträge haben wir eigentlich? – Hunderte, vielleicht sogar etwas über Tausend oder Tausende. Pro Jahr schließen wir, glaube ich, 20 bis 30 Staatsverträge ab. Was ist das? Worum geht es da?

Ich habe mir das ein bisschen angeschaut. Nehmen wir einfach irgendein Land her, zum Beispiel Argentinien. Allein mit Argentinien haben wir schon acht Staatsverträge: über die Entschädigung für Arbeitsunfälle, ein Filmabkommen, ein Sichtvermerksab­kommen, ein Abkommen über den Militärdienst von Doppelbürgern, über wirtschaftli­che und industrielle Zusammenarbeit, über wissenschaftliche Zusammenarbeit, über den Schutz von Investitionen, ein Luftverkehrsabkommen et cetera. All das sind, glau­be ich, verständliche Dinge, die zwischen den Beamten eines Staates und den Beam­ten eines anderen Staates abgeschlossen werden, und dann gilt es, das zusammen­zuführen.

Und was kann das Parlament nun machen? – Das Parlament sagt: Ja, wir wollen das auch. Und was kann der Verfassungsgerichtshof danach machen? – Er kann sagen, ob ein solcher Staatsvertrag nach den Grundsätzen der Verfassung zustande gekom­men ist, aber er kann nicht über den politischen Inhalt entscheiden.

Daher ist der Antrag der FPÖ schon nicht mehr in Ordnung, denn: Was macht das für einen Sinn, da ein Minderheitsrecht zu installieren, mit dem jeder Staatsvertrag, der von der Republik gemacht wird, dann sofort einmal auf die Seite geschoben wird, und der Staat Österreich keine Rechtssicherheit zu einem anderen Staat mehr entwickeln kann, wenn ich nicht mehr in einem entsprechenden Zeitraum einen Vertrag abschlie­ßen kann?, weil ich nicht weiß, ob nicht 20 Abgeordnete von 183 im Parlament sagen: Das wollen wir jetzt einmal überprüft haben, und dann gehen wir zum Verfassungs­gerichtshof und schauen, dass er Nein sagt, und wenn er nicht Nein sagt, dann warten wir halt ein paar Monate! Und die Republik Österreich ist wieder für das nächste halbe Jahr oder für ein Jahr lahmgelegt, bis der Verfassungsgerichtshof dann gesagt hat: Ja, passt oder passt nicht!

Meine Damen und Herren, stellen wir uns vor, wenn wir da etwas wirklich Dringendes und Wichtiges brauchen! Auch der Staatsvertrag Österreichs war 1955 etwas ganz Entscheidendes, Wichtiges. Das wollten wir innerhalb weniger Tage und Wochen ab­schließen. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Und dann hätte es so eine Überprüfung ge­geben, bei der wir ein halbes Jahr, ein Jahr hätten warten sollen, als es um die Un­abhängigkeit Österreichs gegangen ist, als es darum gegangen ist, dass Österreich frei wird? Dann wollen Sie sagen: Jetzt lassen wir einmal den Verfassungsgerichtshof prüfen! – Nein, meine Damen und Herren, dazu ist das Instrument nicht da. Wenn Sie politisch etwas verhindern wollen, dann gibt es ganz viele andere Instrumente, aber nicht das Instrument der Überprüfung beim Verfassungsgerichtshof.

Das ist mir zu wichtig, und in dem Sinne, meine Damen und Herren, möchte ich sagen: Das wollen wir uns wirklich in Ruhe anschauen. Deutschland hat insgesamt eine an­dere Regelung als Österreich. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan.) Vielleicht ist das eine Möglichkeit, auf die wir uns auch konzentrieren können, aber dann müssen wir unsere verfassungsgerichtliche Überprüfung komplett umstellen, und daher ist das nicht eine Frage, die nebenbei behandelt werden kann, sondern wirklich eine Grund­satzfrage, die wir in Ruhe prüfen müssen. Daher wollen wir diese Überprüfung auch in Ruhe durchführen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 68

12.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.22.16

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Gottes Mühlen mahlen manchmal langsam, aber sicher. Die der Re­gierung mahlen noch langsamer, aber nicht so sicher. (Abg. Cap: Noch sicherer!) – Nein, eben nicht, Herr Kollege Cap, eben nicht noch sicherer!

Wenn Sie doch ein wenig auf Ihre Spitzenrepräsentanten hören würden! Herr Bundes­präsident Dr. Fischer – der Noch-Bundespräsident – hat im Jahre 2009, als dieser Vor­schlag schon einmal – nicht das erste Mal, sondern ein weiteres Mal – auf dem Tisch gelegen ist, gemeint, dass eine solche Regelung durchaus Sinn ergebe und hat sich dafür ausgesprochen. Jetzt wundere ich mich schon, wenn ich die Regierungsparteien dazu höre. Kollege Gerstl hat ja wieder versucht, einen Spagat zu machen; mir hat bloß am Schluss noch – wie in den Ausschüssen üblich – der Vertagungsantrag ge­fehlt, so wie Sie jetzt herumgeeiert haben. Das ist nämlich das Prozedere, das wir in den Ausschüssen laufend bei Oppositionsanträgen erleben; da hat die Regierung Er­fahrung.

Ich glaube, wenn der Herr Bundespräsident meint, dass das notwendig ist – und das schon vor jetzt immerhin sieben Jahren –, dann könnten wir diesem Antrag heute ge­trost zustimmen, auch die Regierungsparteien. Wenn der Spitzenrepräsentant dieser Republik, der vom Volk legitimiert und vom Volk direkt gewählt ist, diese Meinung ver­tritt, dann kann ich das doch auch unterstützen.

Meine Damen und Herren, es ist angesprochen worden, dass der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts ohnehin diese ganzen Verfassungsgesetze prüft, aber da passieren halt immer wieder einmal Fehler, denn nicht umsonst werden immer wieder Gesetze vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Ich glaube, das wäre eine zusätzli­che Sicherung und, wie gesagt, auch im Interesse des Bundespräsidenten.

Deswegen könnten wir heute alle mit gutem Gewissen diesem Antrag zustimmen. Wir werden das gerne machen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


12.24.35

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die absurde Situation ist ja schon geschildert worden, die entstehen kann, wenn wir einen Staatsvertrag eingehen und dieser innerhalb von Österreich verfassungswidrig und deswegen nicht umsetzbar wäre. Das ist übrigens eine ähnlich absurde Situation, wie die, dass wir momentan oft völkerrechtliche Verträge eingehen und diese, nur weil wir es nicht wollen, dann in der österreichischen Gesetzeslage auch nicht umsetzen. Beide Situationen sind also sehr absurd, und deswegen hat Kollege Stefan vollkom­men recht.

Diese Idee trifft bei uns prinzipiell auf offene Türen. Sie ist vollkommen richtig, weil es absolut keinen Sinn macht, dass wir Verträge eingehen und nachher die Problematik haben, dass wir sie nicht umsetzen können.

Woran wir uns bei dem Gesetzesvorschlag stoßen – ich habe es im Ausschuss auch schon begründet –, ist die Frage, wie viele Abgeordnete das Recht haben, dies zu for­dern. Sie haben auch schon gesagt, dass man darüber ohne Weiteres diskutieren könn­te. Ich halte 20 Abgeordnete einfach für systemwidrig. Es sind an und für sich die Si­tuationen innerhalb des Parlaments – also wenn etwa eine geheime Abstimmung ver­langt wird und so weiter –, für die 20 Abgeordnete vorgesehen sind. Ich halte die Drit­telbeschwerde für sinnvoll und finde, dass das systemisch der richtige Ansatz wäre. Deswegen haben wir dem Antrag jetzt hier nicht zugestimmt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 69

Ich glaube auch, dass ein Gutachten vom Verfassungsdienst grundsätzlich helfen kann, wobei ich auch dazu sagen muss: Wenn ich die Reden von den Kollegen Cap und Gerstl hier höre, dann verliere ich auch ein wenig den Optimismus, denn ich glau­be schon, dass es wichtig ist, dass wir da endlich weitermachen. Das mit dem „neben­bei“ machen stimmt halt auch nicht, Herr Kollege Gerstl: Das Thema diskutieren wir wirklich schon länger, in mehreren Runden, der Kollege Stefan hat es öfters im Verfas­sungsausschuss angesprochen und eingebracht.

Das heißt: Wir müssen hier zu einer Lösung kommen, und vielleicht hilft ja dieses Gut­achten des Verfassungsdienstes. Der Rechtsvergleich ist so spannend, weil es wirklich viele Länder gibt, die das haben. Die Franzosen haben es genauso. Denn es ist eben richtig und wichtig, dass man hier auch eine präventive abstrakte Normenkontrolle ma­chen kann.

Ich bleibe einmal optimistisch. Ich hoffe, dass Sie uns nicht, wie so oft in vielen an­deren Bereichen auch, enttäuschen. Ich glaube, es ist eine wichtige Sache, und wir sollten das daher auch dementsprechend hinkriegen. (Beifall bei den NEOS.)

12.26


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


12.26.42

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Stefan hat einige gute Argumente angeführt, warum es durchaus sinnvoll ist, eine Vorabprüfung von Staatsverträgen durch den Verfassungsgerichtshof vorzusehen. (Abg. Stefan: So wie immer!)

Er hat aber auch angeführt, dass es durchaus auch Gegenargumente gibt, vor allem aus systematischen Erwägungen heraus. Auch ich halte diese Regelung aus systema­tischer Sicht für problematisch und sehe einige Fragen, die noch offen sind und die man daher durchaus auch noch weiter diskutieren muss. Dafür ist eine wissenschaft­liche Expertise natürlich eine gute Basis.

Wo sehe ich aus systematischer Sicht Probleme? Ich möchte dabei den bereits ange­sprochenen Aspekt, wie viele Abgeordnete einen Antrag stellen können, beiseitelassen und möchte einen anderen Aspekt ansprechen. Dem Verfassungsgerichtshof kommt ja unter anderem die Aufgabe zu, Staatsverträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Wie die Entscheidungen über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Gesetzwid­rigkeit von Verordnungen erfolgt auch die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen immer nur in Form einer nachprüfenden Normenkontrolle. Eine Vor­abprüfung von Staatsverträgen würde eben eine Abweichung von diesem Prinzip be­deuten und wäre vor dem Hintergrund der Gewaltentrennung problematisch.

Legislative ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, sondern des Parlaments und soll auch hier bleiben. Der Verfassungsgerichtshof soll nicht an die Stelle des de­mokratisch legitimierten Gesetzgebers treten und damit die gesetzgeberische Kompe­tenz des Parlaments aushöhlen.

Noch ein Aspekt kommt hinzu, meine sehr geehrten Damen und Herren, und unter­streicht die Systemwidrigkeit des vorliegenden Vorschlags: Die nachprüfende Normen­kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof erfolgt jeweils im konkreten Einzelfall. Ei­ne Kompetenz zu einer generellen Rechtsbegutachtung kommt dem Verfassungsge­richtshof eben nicht zu. Dazu gibt es den Verfassungsdienst und das Völkerrechts­büro. Dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Verfassungsdienst kommt eine umfas­sende Gutachtertätigkeit zu. Er begutachtet sämtliche Gesetzes- und Verordnungs­entwürfe aus den Bundesministerien auf ihre Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht. Natürlich kann auch auf die Kompetenz des Völkerrechtsbüros zurückgegriffen werden.


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Ernennt man nun den Verfassungsgerichtshof zum Rechtsgutachter im parlamentari­schen Prozess, stellt sich auch die Frage, welche Konsequenz eine vorab durch ihn erfolgte allgemeine Rechtsbegutachtung für später anhängige Verfahren zur Prüfung von Staatsverträgen auf ihre Rechtmäßigkeit hat.

Stellen Sie sich vor, einem Staatsvertrag wird vom Verfassungsgerichtshof vorab ein so­genannter Persilschein ausgestellt. Kann dieser Staatsvertrag in der Folge noch einer nachprüfenden Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen werden? Wenn ja, welche Chan­ce hat man in einem solchen Verfahren? Das heißt: Ist es wirklich realistisch, dass der Verfassungsgerichtshof von seiner vorab getroffenen Entscheidung noch abweicht?

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es stellen sich viele Fragen, viele Fragen sind offen. Daher ist es zu begrüßen, dass ein Gutachten zu diesem The­ma eingeholt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


12.30.15

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Nicht dem Menschen untertan, sondern dem Recht – unter diesem Leitmotiv hat Hans Kelsen die österreichische Bundesverfassung 1920 erarbeitet. Der Verfassungsgerichtshof ist der Hüter unserer Verfassung und seine wichtigste Aufgabe ist die Prüfung von Gesetzen, Verordnungen und natürlich auch jetzt schon von Staatsverträgen auf ihre Verfas­sungsmäßigkeit. Er kann dann natürlich auch entsprechende Feststellungen machen sowie Gesetze und Verordnungen im Falle von Rechtswidrigkeit aufheben.

Der große Unterschied ist aber – einige haben ja schon darauf hingewiesen –, dass er die Rechtmäßigkeit nicht in Bezug auf die gesamte Verfassung prüft, sondern es müs­sen substanziierte Vorbringen sein. Ich glaube, das ist auch richtig und das ist auch Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes.

Wie Beatrix Karl soeben gesagt hat, ist die nachprüfende Gesetzeskontrolle selbstver­ständlich das im System momentan für uns in der gesamten Betrachtung von Verfas­sung und Gesetzgebung sehr genau ziselierte Instrumentarium.

Beim Antrag der FPÖ – und Harald Stefan hat es ja selbst gesagt – gibt es natürlich einiges, was man diskutieren muss, würde man ihm grundsätzlich und so wie er vor­liegt nahetreten. Die 20 Abgeordneten, das sind 11 Prozent der Mitglieder des Natio­nalrates, wären viel zu wenig, um wirklich eine Prüfung der Staatsverträge zu rechtferti­gen. Denn das würde ja bedeuten, dass die Umsetzung für Monate, wenn nicht für Jahre, verhindert werden würde.

Also die Handlungsfähigkeit der Republik im Hinblick auf Staatsverträge, die ja schon vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und von den Verfassungsexperten des Völkerrechtsbüros entsprechend grundlegend und sauber geprüft worden sind, in Misskredit zu bringen und in Frage zu stellen, finde ich grundsätzlich falsch. Noch dazu ist kein einziger Staatsvertrag vom Verfassungsgerichtshof bei der nachprüfenden Nor­menkontrolle für verfassungswidrig erklärt worden.

Daher glaube ich – unser Entschließungsantrag ist ja auch ein wohl überlegter –: Wenn es um die Kompetenzverschiebung geht, dann muss man genau hinschauen, was da genau geändert werden soll. Man kann den Argumenten von Josef Cap und auch de­nen von der FPÖ natürlich schon zuhören und man kann darüber diskutieren, aber mir erscheint da ganz einfach eine Beleuchtung auf wissenschaftlicher Ebene notwendig,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 71

vor allem auch der Frage, in welchem Umfang und mit welchen Konsequenzen das überhaupt angedacht werden könnte.

Ich sehe im Moment keine Notwendigkeit für einen einschneidenden Systemwechsel, deswegen gibt es unseren Antrag. Dazu wird es entsprechende Gutachten geben. Daher schauen wir, was uns die Experten liefern, und wir werden das dann nach Vor­liegen in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses auch entsprechend disku­tieren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.33

12.33.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 3, zunächst über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1023 der Beilagen hinsicht­lich des Antrages 823/A zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1023 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Erarbeitung von wissenschaftlichen Grund­lagen zu dieser Thematik.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen. (E 129.)

12.34.324. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1007/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1024 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Damit kommen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwentner zu Wort. – Bitte.

 


12.34.59

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Wo­rum geht es? – Es geht eigentlich um ein altes Thema, und unser Antrag ist jetzt auch schon ein Jahr alt, aber es ist gerade jetzt sehr aktuell. Es geht um die Bedarfsorien­tierte Mindestsicherung und darum – und jetzt sind wir beim Verfassungsausschuss –, dass es noch immer keine bundeseinheitliche Regelung gibt. Darüber gibt es unter­schiedliche Auffassungen, vor allem in Bezug auf die Zuständigkeit. In der Verfassung ist zwar das Armenwesen geregelt, aber die Mindestsicherung, die ehemalige Sozial­hilfe, läuft über die Länder, wir kennen die Artikel-15a-Vereinbarung. Gerade jetzt vor dem Hintergrund, dass diese Artikel-15a-Vereinbarungen neu verhandelt werden, dass es darum geht, wie die Mindestsicherung für Menschen, die in Österreich darauf ange­wiesen sind, neu gestaltet wird, wäre es wichtig, über bundeseinheitliche Standards und über eine bundeseinheitliche Regelung nicht nur nachzudenken, sondern sie auch verstärkt anzugehen. Insofern trifft der Antrag gerade jetzt zeitlich den Punkt bezie­hungsweise den Rahmen, um den es geht.

Worum geht es inhaltlich? – Außer um eine bundeseinheitliche Regelung geht es da­rum, dass diese Mindestsicherung die letzte Masche im Sozialnetz ist, die ganz fest halten muss. Diese letzte feste Masche im Sozialnetz soll von Vorarlberg bis zum Bur­genland gleich geregelt sein, denn Menschen, die darauf angewiesen sind, sollen gleich behandelt werden und sollen zumindest auf gewisse Mindeststandards zurück­greifen können. Eine derartige Regelung in einem Verfassungsgesetz würde außerdem


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auch gewährleisten, dass Menschen einen Rechtsanspruch darauf haben. Das heißt, dass das Individuum, der Einzelne, die Einzelne auch einen entsprechenden Rechts­weg einschlagen kann, wenn gewissen Dingen nicht Folge geleistet wird. Das heißt, es wird auch eine Ermächtigung des Einzelnen und der Einzelnen garantiert.

Insgesamt bedauere ich sehr, wie die Debatte zur Artikel-15a-Vereinbarung um die Mindestsicherung derzeit verläuft. Sie geht nämlich nicht darum, zu schauen, woran es hakt, an welchen Themen man ganz konkret ansetzen müsste, um Menschen da he­rauszuhelfen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir nicht wollen, dass Menschen in die Mindestsicherung kommen und in der Mindestsicherung bleiben, dass sie von diesem wenigen Geld abhängig sind beziehungsweise auch wenig Möglichkeiten ha­ben, da herauszukommen. Wir müssen uns darum kümmern, dass es Wege gibt, aus der Mindestsicherung heraus wieder ins Arbeitsleben, ins Erwerbsleben zurückzukom­men.

Da gibt es keinen Unterschied zwischen sogenannten einheimischen Österreicherin­nen und Österreichern und anerkannten Asylwerberinnen und Asylwerbern. Derzeit ist die Debatte um die subsidiär Schutzberechtigten heiß. Wir können bei Menschen, die aus legalen Gründen hier aufhältig sind, hier leben, ihren Lebensmittelpunkt hier haben und auf die Mindestsicherung angewiesen sind, keinen Unterschied machen, sondern wir müssen schauen, dass alle aus der Mindestsicherung herauskommen. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu sind entsprechende Bildungsangebote, eine Ausbildungsgarantie und soziale Beratung nötig, und die brauchen alle, egal ob sie hier geboren sind oder nicht hier ge­boren sind, sondern quasi künftige Österreicherinnen und Österreicher sind. Also schauen wir doch mehr darauf, dass Menschen, die von Armut gefährdet sind, die auf dieses Geld angewiesen sind, es schaffen, mit Zuverdienstgrenzen, mit sozialer Be­ratung, mit mehr Schulung und Ausbildung herauszukommen. Diese Unterstützung brauchen sowohl diejenigen, an die das sozusagen weitervererbt wurde, die immer wieder in die Mindestsicherung kommen, als auch die, die neu ins Erwerbsleben eintre­ten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.38


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. – Bitte.

 


12.38.55

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte KollegInnen des Hohen Hauses! Es ist auch mir eine große Freude und Ehre im Namen meiner Kollegin Marianne Gusenbauer-Jäger die Berufsschule 7 aus Linz, die jetzt gerade wie­der gegangen ist, zu begrüßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nun zum Antrag: Der Antrag von Kollegin Schwentner intendiert auf eine Neufas­sung des Kompetenztatbestandes des Armenwesens im Artikel 12 der Bundesverfas­sung. Wir wissen, dass die BMS und deren Neugestaltung derzeit verhandelt werden. Diesen Montag waren die ersten Verhandlungen mit allen zuständigen Sozialräten im Sozialministerium, denn wir wissen, dass die Artikel-15a-Vereinbarung Ende des Jah­res ausläuft. Es wird diesbezüglich am 25. April die nächste Verhandlungsrunde sein, daher ist es, denke ich, ein wichtiger Aspekt, das auch mit den Soziallandesräten wei­terzuentwickeln.

Wir von der SPÖ streben genauso eine Bundesregelung an. Eine Beibehaltung des derzeitigen Kompetenzbestandes ist nicht zielführend, da eine Grundsatzgesetzge­bung des Bundes und eine Ausführungsgesetzgebung der Länder bestehen.

Nach der derzeitigen Lehre – und so wie es derzeit auch gelebt wird – wäre das Grund­satzgesetz im Bund so eng auszulegen, dass die Länder trotzdem Gestaltungsmöglich-


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keit haben. Das heißt: Der Ansatz, den Sie hier bringen, löst das Problem der Zer­splitterung nicht. Das war der Grund, warum wir den Vorschlag im Verfassungsaus­schuss abgelehnt haben.

Lassen Sie mich aber noch kurz zwei Gedanken zur Familienbeihilfe im Ausland und zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausführen:

Gestern hat Klubobmann Lopatka wieder einmal ein Vorpreschen gewagt und sprach von einer Notbremse bei Sozialleistungen. Ich möchte dazu eines sagen, speziell bei der Familienbeihilfe im Ausland: Man spricht regelmäßig von diesen 223 Millionen €, die für 24 500 Kinder im Ausland ausgegeben werden. Erstens haben wir nach wie vor keine Zahlen von Herrn Bundesminister Schelling und auch nicht jene von Frau Bun­desministerin Karmasin. Auf die Zahlen warten wir immer noch. Zweitens gibt es dazu auch eine Arbeitsgruppe, die derzeit verhandelt und mit ihren Beratungen noch nicht fertig ist.

Zu bedarfsorientierten Leistungen des Bundes: 0,7 Prozent der Sozialausgaben sind für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Das sind 780 Millionen € pro Jahr. – Das sind die Zahlen, damit man sich ein bisschen etwas vorstellen kann, wobei das Vor­stellen bei der letzteren für mich sogar schon schwierig ist. Demgegenüber geben wir jährlich 1,9 Milliarden € für die Landwirtschaft aus. Da, Herr Kollege Lopatka, von einer Finanzierungslüge auf Kosten der Ärmsten zu sprechen, finde ich fatal.

Mit uns wird es eine Deckelung der Bundessicherung nicht geben. Wir werden auch nicht zulassen, dass es zu einer willkürlichen Kürzung bei Familien kommt, speziell bei den AlleinverdienerInnen und den AlleinerzieherInnen – das können sowohl Männer als auch Frauen sein –, und vor allen Dingen im Namen der Kinder. Denn: Da ist Kin­derarmut angesagt, und wir werden uns nicht wieder ein Feld aufmachen, auf dem wir diese Kinderarmut mit einer anderen zusätzlichen Leistung abdecken.

Darum bin ich zuversichtlich, dass die Vereinheitlichung der Bedarfsorientierten Min­destsicherung langfristig, parallel zu dieser neuen Artikel-15a-Vereinbarung, die jetzt verhandelt wird, ein Ziel sein muss. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

12.42


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


12.42.49

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Gale­rie! Hohes Haus! Ich gebe Kollegin Lueger recht: Es ist ein falscher Zugang, solche So­zialthemen vor dem Hintergrund der Zuwanderer zu diskutieren. Wir müssen vielmehr sowohl die von Kollegin Lueger angesprochene Frage der Familienbeihilfe wie auch die gegenständliche der Mindestsicherung grundsätzlich diskutieren.

Wir haben bei der Mindestsicherung Strukturprobleme, die wir auch hätten, wenn wir im Moment nicht so viele Zuwanderer hätten. Eines dieser Strukturprobleme ist der fö­deralistische Wildwuchs.

Ich kaufe es Kollegin Lueger nicht ab, wenn sie sagt: Ja, wir wollen eh. – Wir wollen eh, hat in der vorigen Kulturdebatte Kollege Cap schon gesagt, und: Wir wollen eh, ist von den Regierenden, die alles entscheiden, das hier aufs Tapet kommt, nicht Ansage genug. Die Bürgerinnen und Bürger und wir von der Opposition würden gerne Taten se­hen.

Warum bundeseinheitlich? – In einzelnen Bundesländern sehen wir jetzt, dass an der Mindestsicherung herumgeschraubt wird. Das verschärft für sich genommen eine Si-


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tuation, die wir bereits haben, dass nämlich Anreize gesetzt werden, um aus dem Motiv der Mindestsicherung den Wohnsitz zu wechseln. Das heißt: Diese föderalistische Au­tonomie verschärft Probleme, die bereits bestehen.

Darüber hinaus machen die Länder, das, was sie jetzt tun, nicht aus dem Motiv heraus, zu sparen, sondern vermischen die Zuwanderungsfrage und die Mindestsicherungs­frage, um Zuwanderer aus dem eigenen Bundesland in andere Bundesländer wegzu­schubsen. Sie gehen das Problem also nicht von der Wurzel an, und Bundesländer, die bei leeren Kassen einfach beim Finanzminister anklopfen müssen, haben schon gar kein Interesse daran, die Mindestsicherung wirtschaftlich zu führen und daran zu arbeiten, die Menschen wieder in den Arbeitsprozess zu bekommen.

Daher gehört die Mindestsicherung bundeseinheitlich geregelt. Es soll gleichzeitig da­rüber gesprochen werden, wie eine Mindestsicherung aussehen muss, damit die Men­schen einen sinnvollen Erwerbsanreiz haben und allfällig verdiente Beträge nicht eins zu eins zur Kürzung der Mindestsicherung führen, sodass jedenfalls für eine Anfangs­phase ein Interesse daran besteht, eine Tätigkeit aufzunehmen.

Es gehört darüber diskutiert, wie viel und in welcher Form die Mindestsicherung in Form von Sachleistungen gewährt werden kann, damit die Leistung tatsächlich dort an­kommt, wo sie hingehört. (Zwischenrufe beim Team Stronach.)

Schlussendlich möchte ich noch auf eine Forderung des Rechnungshofes hinweisen: Wiederholt hat der Rechnungshof gefordert, dieses Nebeneinander von Notstandshilfe und Mindestsicherung aufzuheben. Wir haben im Bereich der Mindestsicherung sehr viele Behörden, die eingreifen und oft nicht voneinander wissen – da weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. Wir produzieren mit einem komplizierten System Ineffizi­enzen und brauchen das Geld in der Bürokratie, das nachher nicht bei den Menschen ankommt.

Daher wäre es absolut lohnenswert, sich der Mindestsicherungsfrage bundeseinheitlich zu nähern. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

12.46


Präsident Karlheinz Kopf|: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hammer zu Wort. – Bitte.

 


12.46.24

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Beim gegenständlichen Antrag der Grünen – es wurde auch schon erwähnt – geht es, wie bei vielen anderen Dingen, die von den Grünen kommen, um eine Zentralisierung. In dem Fall geht es um eine Zentralisierung des Ar­menwesens und ganz im Konkreten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung.

Ich kann seitens der ÖVP dazu sagen, dass wir diese Forderung entschieden ableh­nen, weil gerade die Sozialhilfe möglichst dezentral und bürgernah erbracht werden soll. Wer kann das besser als unsere Kommunen und die Länder?

Darüber hinaus – und das führt ja dieser Antrag aus – ist die gewählte Formulierung derartig weitläufig, dass man darunter die Leistungen sämtlicher Bereiche des Sozial- und Wirtschaftsbereiches subsummieren könnte, die alle zentral vom Bund zu erbrin­gen wären. Auch das wollen wir auf keinen Fall!

Grundsätzlich stehen wir bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu diesem Re­gelungsmechanismus, den es derzeit gibt, nämlich die Artikel-15a-Vereinbarung. Hier muss man ansetzen, und das möchte ich auch tun.

Der Sozialminister hat den klaren Auftrag, mit den Ländern eine neue 15a-Vereinba­rung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung auszuhandeln. Das Ziel in diesem Be-


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reich muss ganz klar sein, die Treffsicherheit der Mindestsicherung zu erhöhen und auch wieder mehr danach zu trachten, Arbeitsanreize zu setzen und nicht Anreize zum Ver­bleib in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Wir brauchen – auch in Richtung der SPÖ gesagt – ganz klar eine Deckelung der Be­darfsorientierten Mindestsicherung. Die ÖVP hat mit 1 500 € mit Kindern einen Vor­schlag gemacht. All das, was man von der letzten Verhandlungsrunde am Dienstag ge­hört hat, entspricht natürlich einer gewissen Realitätsverweigerung, wenn man sagt: Da ist nichts zu ändern.

Ich denke, wir müssen hier wirklich einen Schritt setzen oder einen anderen Ansatz wählen, damit nicht all jene, die tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen, das nicht verstehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Ich habe gestern meinen Newsletter ausgeschickt und darf zitieren, was eine Bürgerin mir zurückgeschrieben hat:

Ich kann dich in Sachen Mindestsicherung neu beziehungsweise begrenzen nur stär­ken, denn wir haben ein absolutes Beispiel bei uns im Haus: Familie mit vier Kindern, bereits eineinhalb Jahre Mindestsicherungseinkommen, zirka 3 000 €, es gibt keinen Anreiz, ein Arbeitsverhältnis einzugehen – Zitatende.

Das kann es nicht sein! Das versteht die arbeitende Bevölkerung nicht. Da müssen wir ansetzen. Auch da wird die SPÖ noch draufkommen, so wie es auch bei der Asyllinie war, als der Bundeskanzler auf die ÖVP-Linie eingeschwenkt ist. (Abg. Schwentner: Sie schüren die Neiddebatte! … nicht Menschen gegeneinander auszuspielen, die gan­ze Zeit!)

Es braucht Einschränkungen, das ist ganz klar, und ich fordere den Sozialminister auf, etwas zu tun. Wir brauchen auch mehr Sachleistungen, Boni und Anreize für den Wie­dereinstieg und konsequente Kürzungen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit. (Neu­erlicher Zwischenruf der Abg. Schwentner.)

Natürlich brauchen wir auch – und das gehört dazugesagt – Kürzungen für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Da gehen Bundesländer wie Oberöster­reich und Niederösterreich voran, und auch das rote Burgenland hat schon erkannt, dass es hier etwas braucht und Realitätssinn bewiesen. (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: … Rot-Blau!) Ich fordere den Sozialminister auf, dringend etwas zu tun. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.49


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hagen zu Wort. – Bitte.

 


12.49.35

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es freut mich schon, wenn hier eine Debatte über ein Thema geführt wird, für das ich noch vor eineinhalb Jahren gescholten wurde, weil ich gefordert habe, dass Sozialleistungen mit Gutscheinen von der Regierung geleistet werden, damit kein Missbrauch möglich ist. Ich habe damals ganz gut erklärt, warum und wieso. Heute geht die Regierung in diese Richtung, wir haben das auch schon von meinem Vorred­ner gehört. Also: Das Team Stronach hat gute Ansätze, die auch von der Regierung übernommen werden. Das freut mich ganz besonders. (Beifall beim Team Stronach.)

Nun zum Antrag, den wir hier besprechen: Meine Damen und Herren, Sie haben sicher auch vor einiger Zeit die Zeitungen gelesen: Es gibt Asylwerber, die von Salzburg nach Wien ziehen, weil sie in Wien 36 000 € im Jahr bekommen. Das ist natürlich ein Weg, der falsch ist. Es sollte überall gleich geregelt sein, damit Asylwerber beziehungsweise Mindestsicherungsempfänger überall dieselben Chancen haben.


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Ich weiß auch vom Bundesland Vorarlberg, dass das Land auf die Mindestsicherung noch etwas draufpackt, weil die Lebenshaltungskosten extrem hoch sind. Hier könnte man mit Gutscheinen auch viel Gutes bewirken, um das System nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Ich glaube, es ist ein Gebot der Stunde, dass wir ein nachvollziehbares, überschauba­res Förderungssystem schaffen, um – wie Kollegin Schwentner vor mir gesagt hat – keine Neiddebatte hervorzubringen. Wir müssen das System transparent und nachvoll­ziehbar machen. Ich denke, das wäre richtig.

Wenn ich heute die Zeitung aufschlage und im „Kurier“ lese, dass sich Lehrer be­schweren, dass Schüler als Berufswunsch AMS angeben, dann wissen wir, wo das hin­führt, meine Damen und Herren.

Ich habe hier vom Rednerpult aus bereits in früheren Debatten darüber gesprochen, dass es sich teilweise nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen, weil die Mindestsicherun­gen aus dem Ruder gehen, weil zu viel gefördert, zu viel unterstützt wird, sodass es keinen Anreiz mehr für eine wirkliche Arbeit gibt.

Es gibt natürlich Situationen, wo Menschen keine Arbeit finden oder Probleme haben, in diese zurückzukehren. Da muss man dafür sorgen, dass diese Menschen nicht unter die Räder kommen. Mit den Zuverdienstgrenzen, die du angesprochen hast, Kollegin Schwentner, kann ich leben. Das halte ich für einen positiven Schritt, weil der Arbeits­prozess wieder angeregt wird, sodass die Leute nicht nur zu Hause sitzen und Däum­chen drehen oder Computerspiele spielen, sondern auch etwas Sinnvolles tun und vielleicht so wieder in einen Arbeitsprozess zurückkommen.

Ich denke also, wir haben hier einen Antrag, mit dem wir ruhig mitgehen können, da er ein transparentes, gleiches System für alle anstrebt. Deswegen wird meine Fraktion zustimmen, auch wenn wir in anderen Bereichen andere Ansichten als die Grünen ha­ben, aber dieser Antrag geht in Ordnung. (Beifall beim Team Stronach.)

12.52


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


12.52.45

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hagen, ja, Sie haben viel Richtiges gesagt. Es ist wichtig, dass das System für alle gleich ist, dass es transpa­rent ist. Was wir derzeit erleben – auch das ist heute schon gesagt worden –, ist ja, dass es in unterschiedlichen Bundesländern zu unterschiedlichen Zusatzförderungen kommt, was immer diese Wanderbewegungen bewirkt. Vor allem Wien ist sehr beliebt, aber auch Oberösterreich. Andere Bundesländer, die weniger auszahlen, sind weniger beliebt. Soweit stimme ich mit Ihnen überein.

Nicht mehr stimme ich mit Ihnen überein, wenn Sie vom Gesetzesvorschlag der Kol­legin Schwentner sprechen. Der will nämlich das Ganze in Wahrheit viel intranspa­renter machen. In Artikel 12 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist beispielsweise die Jugendwohlfahrt geregelt. Wenn ich nur daran denke, wie intransparent die Sache teil­weise ist und wie wenige Möglichkeiten wir als Bund haben, überhaupt noch etwas zu erfahren, dann möchte ich das nicht dort drinnen haben. – Punkt eins.

Unser Hauptkritikpunkt, warum wir bei diesem Gesetz nicht mitgehen werden, ist ja – das hat Kollegin Schwentner in ihrem Redebeitrag eigentlich auch gesagt –, dass be­stimmte Regelungen, die es in den Ländern gibt – zum Beispiel in Oberösterreich der Beschluss, dass es für Asylberechtigte verminderte Mindestsicherung gibt –, damit über Bord geworfen werden. Entscheidungen der Länder sollen damit ausgeschaltet wer-


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den. Darum geht es – Sie haben es de facto auch gesagt –, und das ist etwas, das wir nicht wollen, weil ich denke, dass es einfach der falsche Weg ist.

Wir sind in einer Situation, wo wir an unsere Grenzen kommen werden. (Zwischenruf der Abg. Schwentner.– Hören Sie einfach nur zu, Frau Kollegin! Sie wissen genau wie wir alle: Österreich ist jenes Land, das nicht nur eines der beliebtesten Länder ist, sondern im letzten Jahr neben Deutschland und Schweden die allermeisten dieser Migranten aufgenommen hat.

Wir kommen jetzt in eine Situation, wo diese Migranten schön langsam den Asylstatus erhalten und alle in der Mindestsicherung landen werden. Das werden wir auf Dauer nicht leisten können. Bei allen Diskussionen, die wir gestern hier auch geführt haben, ist mir eine Frage permanent abgegangen: Warum ist denn Österreich so beliebt? – Mit ein Grund ist diese Mindestsicherung und dass bei uns das soziale Netz sehr eng ge­bunden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau da müssen wir ansetzen, denn wir werden es uns nicht leisten können, jedes Jahr hunderttausend Menschen aufzunehmen. Das wissen Sie ganz genau, das wis­sen alle hier, die ehrlich sind. Daher müssen wir auch ein bisschen an unserer Attrak­tivität arbeiten, um für diese Zuwanderer eben weniger attraktiv zu werden. Das macht Sinn.

Wenn man glaubt, man könne jetzt mit einem Bundesgesetz außer Kraft setzen, was Länder beschließen, dann sage ich Ihnen ganz ehrlich: Das ist ein Weg, den wir nicht mitgehen werden.

Ein Wort möchte ich Ihnen schon noch sagen, weil Sie auch zu Recht kritisiert haben, dass es eben keine einheitliche Regelungen gibt: Sie von den Grünen sind in Wien in einer Landesregierung, und die Wiener Grünen brüsten sich damit, dass es in Wien die höchste Mindestsicherung für Kinder gibt. Das ist ja auch ein Anziehungspunkt und ein Magnet und führt zu Zuständen, dass Wiener Familien, die mit drei Kindern in der Min­destsicherung hängen, über 2 000 € im Monat bekommen. Sie stellen sich dann he­raus und sagen: Das wenige Geld! – Ich möchte einmal ganz ehrlich fragen: Wie viele Familien mit drei Kindern, glauben Sie, können über so viel Geld verfügen? (Beifall bei der FPÖ.)

12.55


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Franz zu Wort. – Bitte.

 


12.56.02

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn es bundeseinheitliche Stan­dards für die Mindestsicherung, für soziale Versorgung gibt. Das ist, denke ich, keine Frage, das muss man unterstützen und auch gesetzmäßig sichern.

Allerdings kann ich dem Antrag nicht zustimmen, da mir generell im Armutswesen und in der Armutsverwaltung das Essenzielle fehlt. Es ist alles zu administrativ, und es geht alles von einem a priori, von einer Grundvoraussetzung aus, die sich heute gesell­schaftlich etabliert hat, nämlich dass Armut eine Schuld der Gesellschaft wäre, und dass daher die Gesellschaft und die Politik dem ununterbrochen in Form des Sozial­staates hinterher sein und alle Armen unterstützen muss.

Das ist ein grundsätzlicher Denkfehler, denn das Soziale beginnt beim Einzelnen und nicht beim Staat. Es endet beim Staat, aber das Soziale beginnt bei der Person, beim Individuum, beim Einzelnen. Das ist etwas, das in der Debatte völlig untergeht, weil ten­denziell in den letzten Jahrzehnten das Linksideologische – aus meiner Sicht leider – et-


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was die Überhand gewonnen hat und daher immer auf das Kollektiv, auf den Staat als Verantwortungsträger abgestellt wird.

Ich glaube, wir müssen wieder zurück, hin zur Einzelperson, zum Individuum. Das Indi­viduum muss im Zentrum jeder Politik stehen und nicht der Staat als Kollektiv, der a priori die Verantwortung übernehmen muss und soll. Denn was leben wir hier? – Wir leben hier eine Opfermentalität. Der Einzelne wird als primäres Opfer seines Lebens, des Staates, der Gesellschaft gesehen. Im Gegenzug muss ihm der Staat daher alles bieten, denn er ist ja ein armes Opfer.

Das ist ein unsinniger und in Wirklichkeit menschenverachtender Zugang, der hier ge­wählt wird. Wir müssen wieder zurück zum Individuum. Der Einzelne hat eine Verant­wortung, der Einzelne ist der einzelne Mensch und als solcher als Person und über seine Personalität im Leben stehend.

Wenn der Staat dann daherkommt und sich als großer Retter des Einzelnen gebärdet, der nur im Kollektiv überleben kann, dann ist das die falsche Zugangsweise. Es ist ein ständiges „More of the same“ und ein immer weiter Abgleiten in ausufernde sozial­staatliche Auswüchse, die wir alle zuletzt bezahlen müssen und die mit ein Grund dafür sind, warum so viele Leute jetzt zu uns kommen wollen.

Das heißt, wir müssen auch grundsätzlich über die Definition der Armut nachdenken. Wir haben jetzt diese Armutsdefinition, die besagt: Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdient, ist arm. Darin steckt überhaupt nicht, was Armut sonst noch bedeuten könnte, denn auch ein sehr reicher Mensch kann arm sein, wenn er unglücklich ist, wenn er nicht gesund ist, et cetera. Das nur über das Materielle, nur über das Geld, nur über die Mindestsicherung und nur über die Zuwendung per Geld zu definieren, ist aus meiner Sicht völliger Unsinn, weil darin letztendlich eine Men­schenverachtung steckt. Darüber sollten wir bitte nachdenken und einmal wirklich ins Fundament hineingehen: Was bedeutet uns der Mensch in der Politik? (Präsident Ho­fer übernimmt den Vorsitz.)

Daher denke ich, dass es die Aufgabe der Politik sein muss, die Leistung als Wert in den Vordergrund zu stellen und die Verantwortung des Einzelnen als Ziel wieder als et­was wirklich Erstrebenswertes und Wichtiges darzustellen und erst danach nachzu­denken, was der Staat für den Einzelnen und fürs Kollektiv tun kann. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


12.59.25

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Franz, ich glaube, Sie haben das Prinzip der Mindestsicherung nicht verstanden, denn da geht es immer um die Verantwortung des Einzelnen, des Betroffenen. Da geht es nicht um die Ar­beits- und Leistungsbereitschaft, und ohne Arbeitsbereitschaft, sofern jemand arbeits­fähig ist, gibt es genau null Euro Mindestsicherung.

Das ist ja kein Faulbett (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Belakowitsch-Jenewein) – da können Sie noch so viel schreien –, sondern ein Sprungbrett, und wenn Sie sich die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ideologiefrei und vorurteilsfrei ansehen – was sie ist, wie sie ausgestaltet ist, und was das heute bedeutet –, dann müssen Sie zugestehen, dass diese Bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Erfolgs­geschichte ist (Abg. Rädler: Na geh! Hör auf!), dass das ein sozialpolitischer Meilen­stein ist und dass wir stolz darauf sein können, dass wir dieses System in Österreich etabliert haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Auf die Umver­teilung sind wir stolz?! – Genau!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 79

Es ist ja nicht so, dass es, bevor die Bedarfsorientierte Mindestsicherung gekommen ist, keine Systeme gab. Nein, es gab neun unterschiedliche – sogar noch mehr, wenn man Notstandshilfe und so weiter dazurechnet. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Die sind jetzt auch unterschiedlich!) Es gab viele unterschiedliche Systeme, die ganz un­terschiedlich konstruiert waren, und es gab keine Verbindung von der Sozialhilfe zum Arbeitsmarkt. Damals war es wirklich eine Falle, in die Sozialhilfe zu kommen, und es gab kaum einen Weg aus der Sozialhilfe heraus und wieder zurück auf den Arbeits­markt.

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat genau das geschafft: die Mindestsiche­rung nicht als Armutsfalle, als Sozialhilfefalle zu sehen, sondern als Sprungbrett, damit jemand wieder aus dieser Situation heraus und auf den Arbeitsmarkt kommt. Wenn Sie sich diese Zahlen wirklich anschauen, dann ist das auch genau das, was die Bedarfs­orientierte Mindestsicherung heute leistet. Darauf sollten wir stolz sein und sie nicht aus parteitaktischen Neidreflexgründen madigmachen, wie das hier leider geschieht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schwentner.)

Wenn wir uns anschauen, wie die Bedarfsorientierte Mindestsicherung funktioniert, dann stellt sich erst einmal die Frage: Wieso gibt es keine bundesweit einheitliche Re­gelung? – Aus einem ganz einfachen Grund: Acht Bundesländer waren dafür, eines war dagegen, das war Vorarlberg, und deswegen gibt es keine bundeseinheitliche Re­gelung, sondern einen Artikel-15a-Vertrag mit Mindestsätzen, die die Bundesländer er­höhen können. Aber der Grund, wieso es kein bundesweites Gesetz gibt, ist jener, dass Vorarlberg das nicht wollte und die Bundesländer gemäß der Verfassung auch zuständig sind. Wenn Vorarlberger hier sprechen und das bekritteln, dann sollen sie das bitte im Landtag in Bregenz tun und nicht hier in Wien. (Abg. Rädler: … Niederös­terreich! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

Das, was wir sehen, ist, dass in jedem Bundesland zirka die Hälfte der Mindestsiche­rungsbezieher in der jeweiligen Landeshauptstadt oder im Ballungszentrum des jewei­ligen Landes lebt. Das heißt, in Oberösterreich lebt zirka die Hälfte der Mindestsiche­rungsbezieher in Linz, in Salzburg lebt zirka die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher in Salzburg, und in der Steiermark lebt zirka die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher in Graz. Was wir bundesweit sehen, ist – weil Wien eben eine außergewöhnlich große Stadt für Österreich ist –, dass zirka die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher öster­reichweit auch im Ballungszentrum in Wien lebt. Genauso, wie es in den Bundeslän­dern ist, ist es im Bundesgebiet. Das heißt, darin irgendwelche Fehlkonstruktionen der Mindestsicherung zu sehen, ist falsch.

Im Gegenteil: Wien zeigt, wie man das besonders gut machen kann. Nur 9 Prozent – nicht einmal jeder Zehnte, der Mindestsicherung bekommt – bekommen die höchste Mindestsicherung. 91 Prozent bekommen nur eine Zuzahlung, weil sie selbst arbeiten gehen, aber zu wenig verdienen, um davon leben zu können, oder weil ihr Arbeitslo­sengeld nicht ausreicht, um dieses Mindestmaß, von dem wir gesagt haben, dass da­runter menschenwürdiges Leben weder in Bregenz noch in Wien möglich ist, zu errei­chen.

91 Prozent haben ein eigenes Einkommen, aber es ist zu gering, um damit auszu­kommen, und die durchschnittliche Zeit, die jemand überhaupt Mindestsicherung be­kommt, liegt zwischen sieben und acht Monaten. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Geh, das ist ja ein Blödsinn! Das ist ja öffentlich einsehbar! Bitte! – Abg. Schwentner: Nein, das stimmt! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Allein daraus erkennt man, dass es of­fensichtlich sehr gut gelingt, die Menschen aus der Mindestsicherung in den Arbeits­prozess zu bekommen. Das ist genau das, worum es geht, und insofern geht der Groß­teil der Redebeiträge hier leider vollkommen an der Realität vorbei und beschäftigt sich nicht ernsthaft mit dem, was geschieht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler.)


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Zum Missbrauch bei Sozialleistungen im Allgemeinen und bei der Mindestsicherung im Speziellen: Missbrauch ist immer abzustellen, und jenes Bundesland, das die stärks­ten Sicherungssysteme hat, das am öftesten die Mindestsicherung streicht, weil es auch Missbrauch gibt, das das beste Kontrollsystem hat, ist Wien. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Rädler.)

Da haben Sie recht: Wien hat das beste Kontrollsystem, und das, was wir jedenfalls brauchen, ist ein effektives Kotrollsystem, denn Missbrauch von Sozialleistungen ist Diebstahl an der Gesellschaft, genauso wie Steuern zu hinterziehen Missbrauch an der Gesellschaft ist. So wie jeder Missbrauch, jeder Betrug aufgedeckt gehört, so brauchen wir es auch bei der Mindestsicherung.

Aber: Aus niederen parteitaktischen Motiven bei Kindern sparen zu wollen oder die Vorschläge, bei der Mindestsicherung einen Deckel einzuführen oder diese zu halbie­ren, wie es manche sagen – das sagt ja schon der Name: eine Mindestsicherung hal­bieren heißt, ich habe halb so viel, wie zum Leben notwendig ist –, das wird mit der SPÖ nicht gehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Die SPÖ kann es sich leisten! – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

13.05

13.05.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Schlusswort seitens der Berichterstatterin wird keines gewünscht.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1024 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.06.175. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht des Bundesminis­ters für Europa, Integration und Äußeres zum EU-Arbeitsprogramm 2016 auf der Grundlage des Achtzehnmonatsprogramms des niederländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitzes sowie des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für das Jahr 2016 (III-241/1033 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


13.06.58

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Kurz! Es gäbe sehr viel zu sagen, man muss sich nur etwas heraussuchen, und ich möchte vorweg, weil es auch um die Rolle Österreichs in der Außenpolitik geht, sagen, dass mir in der Diskussion der österreichischen Außenpolitik jeglicher Hinweis auf ein strate­gisches Ziel, auf ein strategisches Leitkonzept fehlt.

Wenn wir zum Beispiel Norwegen anschauen – nur um ein Beispiel zu nennen –: Das Land hat ein außenpolitisches Konzept, das die Entwicklungshilfe besonders hervor­streicht. Wenn wir uns China – das ist weiter weg – anschauen, so sehen wir, dass Chi­na sehr viel über Kredite macht. Wenn wir die Türkei anschauen, so sehen wir, dass eine Form des außenpolitischen Konzeptes – so absurd sie wirken möge – die Flugli­nien und die Auswahl der Länder, die sie mit ihren staatlichen Fliegern anfliegt, sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 81

Sie steuert sämtliche Länder Afrikas an und hat dort natürlich als strategisches außen­politisches Konzept einen gewissen Zugang. Wir in Österreich haben, wie gesagt, kein wirkliches Ziel und kein Leitkonzept, und wenn wir uns den Bericht durchlesen, erken­nen wir, dass das auch innerhalb der europäischen Gemeinschaft gilt.

Ich als Wissenschaftssprecher meiner Partei schaue mir besonders die Dinge an, die mit der Finanzierung der dritten Säule zu tun haben, mit der Finanzierung und dem Ausgleich im Bereich der Studentenströme. Mir ist gesagt worden – ich war selbst nicht dabei –, dass in den neunziger Jahren, als die Beitrittsverhandlungen stattgefunden haben, die Verhandlungen hinsichtlich der Inländerbevorzugung – ich sage das ab­sichtlich so –, in Bezug auf das Herkunftslandprinzip äußerst schwach geführt worden sind.

Unvorbereitete Verhandlungsteams haben sich einfach alles in diesen Vertrag hinein­schreiben lassen. Heute sehen wir das Ergebnis. Wir haben das Beispiel der Medizin­studenten und der damit verbundenen Immigration und Emigration ins eigene Land im Bereich dieses Studiums. Wir wissen, dass dieses Jahr ein Vertrag auslaufen wird, der uns eine Ausnahme bescheinigt, durch die wir gewisse Kontingente für inländische Studenten reservieren können. Ende des Jahres läuft dieser Vertrag aus, und es gibt, so wie es aussieht, keine Chance, diesen zu verlängern.

Das heißt, wir haben ein Herkunftslandprinzip, das Österreich auf der einen Seite im Bereich der Sozialleistungen und im Bereich des Hochschulzugangs benachteiligt, und wir haben ein Herkunftslandprinzip, das auf der anderen Seite dort, wo es Österreich bevorzugen würde, wo es dann diese Ausnahme gäbe, nicht angewandt wird, nämlich bei der sogenannten Gewerbeordnung und beim Gewerberecht innerhalb der Europäi­schen Union.

Herr Minister Kurz, ich höre immer von Ihrem Herrn Vizekanzler, aber auch von Ihnen: Es gibt Verträge, die einzuhalten sind. Ja, es gibt diesen Vertrag, in dem steht, dass in­nerhalb der europäischen Gemeinschaft keiner benachteiligt werden darf. Nur: Wenn man im Laufe der Zeit draufkommt, dass bestimmte Dinge nicht so funktionieren, wie sie funktionieren sollten, dann muss man hergehen und das ändern – und das geht. Natürlich sind es festgeschriebene Verträge, aber sie sind nicht in Stein gemeißelt. Die Briten machen uns das jetzt vor.

Ich würde nicht sagen, dass wir eine exklusive österreichische Universitätslandschaft forcieren wollen, aber für jene Studenten, die nach Österreich kommen, wollen wir zu­mindest Ausgleichszahlungen haben, und diese Ausgleichszahlungen machen nach sämtlichen Berechnungen 600 Millionen € aus. Diese 600 Millionen € könnten Sie als Druckmittel bei der Zustimmung zu anderen Agenden einsetzen, wie zum Beispiel jetzt gerade, da man auch Österreichs Zustimmung braucht.

Ich würde mir da ein viel stärkeres Engagement wünschen, und ich würde mir auch wünschen, dass sich die österreichische Europa-Außenpolitik, wenn man so sagen möchte, viel stärker an Ländern wie zum Beispiel – wie ganz aktuell zu sehen – Groß­britannien anlehnt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


13.11.28

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union und Europa im Ge­samten stehen momentan natürlich vor Herausforderungen, wie sie uns nicht bekannt waren. Wir hatten das auch schon bei der Wirtschaftskrise geglaubt, aber in Wirklich-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 82

keit war die Wirtschaftskrise im Vergleich zur jetzigen Migrationskrise eine Krise, die überschaubar war, bei der man anhand von konkreten Zahlen wusste, was zu leisten ist, bei der man auch ein Ende der Bewältigung der Krise durchaus vorhersehen konnte.

Ganz anders stellt sich die Situation jetzt dar, und umso mehr ist diese Europäische Union gefordert. Dabei vergessen wir oft, dass diese Europäische Union als politische Union noch nicht einmal 25 Jahre besteht – erst seit 1992 – und dass wir da natürlich sehr dramatisch merken, dass manches, was wünschenswert wäre, politisch einfach nicht durchsetzbar ist.

Bis heute ist das entscheidende Gremium natürlich der Rat, und wenn die Regierungs­chefs diese Woche zusammenkommen, dann befinden wir uns schon an einer Weg­kreuzung. Wenn jetzt nämlich wieder einmal keine Ergebnisse kommen, dann ist es si­cherlich wichtig, sich mit dem Arbeitsprogramm 2016 – das betrifft ja dieser Tagesord­nungspunkt – zu beschäftigen.

Aber was hilft das beste Arbeitsprogramm, wenn die Schlüsselaufgabe, vor der Europa steht, nicht europäisch gelöst werden kann? – Da muss sich Europa in erster Linie ein­mal auf die eigene Kraft verlassen und darf sich keinesfalls in die Hand unserer Nach­barn begeben. Es muss alles tun, um die bestmögliche Kooperation mit der Türkei zu erreichen, aber es darf nichts machen, um das, was wir benötigen, um die Flüchtlings­krise zu lösen, aus der Hand zu geben und vielleicht jemandem anderen zu überlas­sen.

Das ist leicht gesagt, aber sehr schwierig in der Umsetzung, und ich habe es schon gestern hier gesagt: Es ist notwendig, dass wir zu einer europäischen Lösung kom­men. – Da hat der Bundeskanzler unsere volle Unterstützung, aber er muss sehr vor­sichtig sein, was diese Vereinbarung mit der Türkei betrifft. Es darf keinen Blanko­scheck für Visaerleichterungen geben. Es darf keinen Blankoscheck geben, was einen EU-Beitritt betrifft. Wir dürfen die Menschenrechtslage in der Türkei einfach nicht außer Acht lassen. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, wie die Türkei diese große Minderheit in der Türkei, die Kurden, behandelt. Das sei hier noch einmal sehr deutlich einen Tag vor dem Treffen des Europäischen Rates gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweiter Punkt – ich kann nur wiederholen, was ich gestern schon gesagt habe –: Ich bin froh, dass es jetzt eine gemeinsame Regierungslinie gibt. Schade, dass das, was unsere Innenministerin Hanni Mikl-Leitner schon vor eineinhalb Jahren hier vorgestellt hat, dieses Modell des „Save Lives“-Konzepts, bei dem man gemeinsam mit UNHCR versucht, Hotspots zu errichten und zum Leben zu erwecken, bis heute eigentlich noch nicht funktioniert, wenn es um eine wirkliche Sicherung der EU-Außengrenzen geht.

Wenn ich mir die Regierungsbildung gestern in der Slowakei ansehe, mit wem Fico kürzlich eine Regierung gebildet hat: Wie wollen wir da zu gerechten … (Abg. Wenin­ger: Das erinnert an etwas, nicht?!) – Bitte? (Abg. Weninger: Das erinnert an etwas!)

Ja, wie wollen wir da zu einer gerechten Aufteilung kommen? – Es hilft uns nicht, wenn wir uns das gegenseitig vorhalten. (Abg. Gisela Wurm: Ja, eben!) Irgendwann müssen wir einmal sagen, was in dieser Europäischen Union möglich ist und wann wir mit einer Rhetorik der gerechten Verteilung aufhören, wenn wir sehenden Auges zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in einzelnen Staaten nicht möglich ist.

Irgendwann einmal erwarten sich die Österreicherinnen und Österreicher, dass man sagt: Das ist möglich, und das geht nicht. – Es wird nicht gehen, immer nur herunter­zubeten, was wünschenswert wäre! Irgendwann einmal müssen wir an dem Punkt an­gekommen sein, an dem wir sagen: Das ist möglich, EU-Außengrenzen sichern wird möglich sein, das, mit den Hotspots, wird möglich sein. – Aber wenn nur einige wenige diese Koalition der Willigen bilden, dann wird es zu wenig sein (Zwischenruf des Abg. Steinbichler), um zu sagen, dass es europaweit eine gerechte Verteilung gibt. Ich glau­be, da müssen wir ehrlich genug sein.


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Daher hoffe ich, dass morgen einiges Konkretes beim Rat gelingt. Es wäre wirklich dringend notwendig, weit über die Frage hinausgehend – und damit möchte ich schlie­ßen –, wie wir die Migrationsströme lösen sollen, nämlich hinsichtlich der Frage, wie es mit dieser Europäischen Union weitergeht. Das ist die Schlüsselfrage. Ich hoffe sehr, dass es morgen konkrete Ergebnisse gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


13.17.13

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Ja, die Entwicklungen in der Europäischen Union sind be­sorgniserregend, und es ist mehr Europa gefordert als weniger.

Das ist nicht die Frage – nur: Österreich, Herr Klubobmann Lopatka, handelt nicht dem­entsprechend. Österreich agiert, und das wissen Sie ganz genau, äußert unilateral und antieuropäisch, und das alles ist durchaus nach innenpolitischem Kalkül ausgerichtet.

Die österreichische Außenpolitik existiert in erster Linie gerade nur mehr als Innen­politik, und somit wird auch die Innenpolitik über die Außenpolitik gestülpt. Nur ein paar Beispiele: die Schließung der Grenzen Österreichs und die Festlegung von absoluten Obergrenzen von Spielfeld bis zum Brenner – nicht sehr europäisch –, die Balkankon­ferenz, deren Ausrichtung und der Ausschluss Griechenlands und Deutschlands. Be­wusst hervorgerufen waren die diplomatischen Verwerfungen mit Griechenland. Es kann mir niemand erzählen, dass die Diplomatinnen und Diplomaten des Außenmi­nisteriums zu so einem Schritt geraten hätten. Das kann ich mir nicht vorstellen. Es war vollkommen klar, dass es zu Verwerfungen kommen würde, wenn Griechenland und Deutschland als Hauptakteure in der Flüchtlingspolitik Europas nicht eingeladen sind.

Weitere Beispiele sind die abrupte Schließung der Grenzen von Mazedonien gegen­über Griechenland und somit auch das Forcieren, dass Griechenland tatsächlich zum größten Flüchtlingslager Europas wird, die bilaterale Aktion in Bulgarien – Österreich drängt ja auch Bulgarien zur Schließung der Grenzen gegenüber Griechenland –, die Übertragung der Hauptverantwortung der Erstaufnahme der Flüchtlinge an Griechen­land, die Abwendung von einer Politik der Zusammenarbeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das alles hat nichts mehr mit der Tradition der österreichischen Europa- und Außenpolitik zu tun. Das ist meiner Ansicht nach nicht nur zynisch und menschenverachtend, das ist in erster Linie innenpolitisch moti­viert. (Beifall bei den Grünen.)

Österreichs Außen- und Europapolitik war doch immer vom Versuch geprägt, den Dia­log zu forcieren, Brücken zu bauen, zu schauen, dass die Schwerpunkte der Rechts­staatlichkeit, Friede und Sicherheit sowie Entwicklung tatsächlich vorangetrieben wer­den, nämlich für alle, unabhängig von der politischen Ausrichtung eines anderen Lan­des, unabhängig von der Situation vor Ort, denn Friede und Sicherheit sind doch das, was das neutrale Österreich tatsächlich anbieten kann. Das, was jetzt passiert, hat nichts mehr mit der Tradition, mit einer sehr balancierenden Tradition, der österreichi­schen Außenpolitik zu tun.

Die Auswirkungen dieser Zaun-Politik, die jetzt forciert wird, werden wir noch lange zu spüren haben: Derzeit sitzen zigtausend Menschen in Griechenland vor der Grenze fest, und es gibt keine Lösung für diese Menschen. Eine humanitäre Katastrophe wird auch von der Caritas attestiert, die vor Ort gemeinsam mit der Volkshilfe und anderen Organisationen tatsächlich humanitäre Hilfe leistet, aber eine Lösung für die Menschen gibt es noch nicht. Die notwendige Verteilung jener, die jetzt festsitzen – im Schlamm, im Zelt, mit Babys, mit Kleinkindern –, sehe ich überhaupt nicht, und auch Österreich for-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 84

ciert diese Verteilung gar nicht. Die Frage ist eigentlich, warum Österreich tatsächlich keine Flüchtlinge aus Idomeni und aus Griechenland auf diesem legalen Weg auf­nimmt. Diese Frage stellt sich; und die Antwort darauf habe ich bis heute nicht bekom­men, da es vonseiten der Bundesregierung auch nicht gewollt ist, Flüchtlinge aus Grie­chenland tatsächlich nach Österreich zu bringen.

Die Situation in und um Syrien ist weiterhin katastrophal, der humanitäre Notstand ist vorhanden: keine Nahrungsmittel, kein sauberes Wasser, die Menschen leben dort in großer Armut und in Zeltstädten, so wie wir es uns gar nicht vorstellen wollen. Die UNO hat den Appell in Richtung Europa und Österreich schon ausgesprochen und wird im Mai auch einen Humanitarian Summit in Istanbul stattfinden lassen. Diese humanitäre Hilfe neu zu ordnen, ist wahrscheinlich auch notwendig.

Die Frage ist, mit welchem Angebot Österreich dann tatsächlich zu diesem Humani­tarian Summit nach Istanbul fahren wird, denn wenn wir uns die Zahlen anschauen, gibt es da wenige Angebote, was die UNO-Hilfsorganisationen anbelangt. 2015 be­kommt UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk, insgesamt 3,77 Millionen €; wir rangieren auf Platz 39, weit hinter Deutschland, der Schweiz, Schweden und Belgien. UNICEF be­kommt 2015 insgesamt 2,2 Millionen €. 2016 hat UNICEF zwar schon 600 000 € bekom­men, die Beiträge erhöhen sich aber nicht; jedoch braucht das Kinderhilfswerk drin­gend finanzielle Unterstützung für die Kinder vor Ort. Beim World Food Programme be­liefen sich die Kontributionen 2015 auf 5,7 Millionen €; das war aber nur möglich, da es im Jahr 2015 hier diesen gemeinsamen Beschluss gegeben hat.

Und wie viel ist 2016 ausbezahlt worden? – 250 000 € für das World Food Programme für die Hilfe vor Ort in Syrien!

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der Mittel für das World Food Programme 2016

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Beiträge für das World Food Programme der Vereinten Nationen für das Jahr 2016 sofort um mindestens fünf Millionen Euro zu erhöhen.“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht darum, dass wir auch tatsächlich zumindest den gleichen Beitrag an Kontributionen wie 2015 leisten können. 250 000 €, das ist vollkommen inakzeptabel. Herr Minister, Sie forcieren die Grenzen zu schlie­ßen, Sie forcieren tatsächlich, dass sich Europa abschottet, und gleichzeitig lassen Sie auch noch die Menschen in Syrien hungern. Das ist inakzeptabel! (Beifall bei den Grü­nen.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend un­terstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Mag. Christoph Vavrik, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 85

betreffend Aufstockung der Mittel für das World Food Programme 2016

eingebracht im Zuge der Debatte zum „Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Bericht des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres zum EU-Ar­beitsprogramm 2016 auf der Grundlage des Achtzehnmonatsprogramms des nieder­ländischen, slowakischen und maltesischen Ratsvorsitzes sowie des Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für das Jahr 2016 (III-241/1033 d.B.)“

Begründung

Wir erleben in Syrien und den Nachbarstaaten die größte humanitäre Katastrophe seit Ende des zweiten Weltkrieges. Die Flüchtlingslager rund um Syrien sind weiterhin heil­los überfüllt und chronisch unterfinanziert. Die Nahrungsrationen für Millionen von Menschen in den Flüchtlingslagern mussten bereits gekürzt werden. Konkret heißt das, dass Bürgerkriegsflüchtlinge, die es in eines der Flüchtlingscamps der Nachbarländer Syriens geschafft haben, dort nicht ausreichend versorgt werden können, weil die in­ternationale Gemeinschaft nicht genügend finanzielle Mittel für die Hilfsprogramme zur Verfügung stellt.

2015 beliefen sich die Kontributionen Österreichs insgesamt auf EUR 5,7 Millionen. Österreich steht somit per 31.12.2015 an 34. Stelle zwischen Brasilien (33. Stelle) und Sierra Leone (35. Stelle). Deutschland hingegen steht an 3. Stelle mit mehr als 296 Mil­lionen Euro. Schweden ist mit mehr als 82 Millionen Euro an 12. Stelle, die Schweiz mit mehr als 76 Millionen Euro an 13. Stelle. Sogar Honduras (26.), Malawi (27.)und der Chad (32.) liegen noch vor Österreich mit ihren WFP-Beiträgen.

Für 2016 wurden bisher nur 250.000 Euro an die WFP-Ernährungshilfe in Syrien aus­gezahlt. Es ist umgehend eine Erhöhung der österreichischen Beiträge 2016 an das WFP nötig.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Beiträge für das World Food Programme der Vereinten Nationen für das Jahr 2016 sofort um mindestens fünf Millionen Euro zu erhöhen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen. – Bitte.

 


13.23.38

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Es geht um das EU-Arbeitsprogramm, und es geht darum, was die EU gemeinsam schaffen kann oder was sie nicht schaffen kann. Der Gipfel in Brüssel zeigt jetzt, dass hart daran gearbeitet wird. Ich möchte aber noch einen ande­ren Bereich ansprechen, und zwar den Bereich der Forschung und den Bereich der Wirtschaft.

Im Forschungsbereich scheint es ja recht gut möglich zu sein. Am Montag ist mit ExoMars das gemeinsame Raumfahrtprojekt Russlands und der EU in Baikonur zum Mars gestartet, und die Europäische Weltraumbehörde sagt dazu wörtlich: „Wenn es


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jemals eine Mission gegeben hat, die eine echte Chance hatte, Hinweise auf Leben auf dem Mars zu finden, dann ist das ExoMars“.

Ich denke, es ist doch ein eindrucksvolles Zeichen, wozu Europa auch technisch in der Lage ist, wenn wir nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten, und ich hoffe, dass uns diese gemeinsame Mission auch dazu motiviert, auf anderen Gebieten wie­der erfolgreich zu sein und friedlich zusammenzuarbeiten.

Stabile kooperative Beziehungen zwischen der EU und Russland sind elementar für den Frieden, für die Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung in Europa, insbeson­dere auch in Osteuropa. Ich begrüße es daher sehr, wenn im EU-Arbeitsprogramm da­von gesprochen wird, dass man an einer besseren Zusammenarbeit zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion arbeiten möchte. Wenn es uns gelingt, mit Russ­land einen neuen Rahmen für die wirtschaftlichen Beziehungen zu finden, dann hat das auch entspannende Wirkung auf den Osten, auf die Ukraine und andere Länder, da diese dann nicht mehr vor zerreißenden Richtungsentscheidungen stehen, mit wem sie in Zukunft Handel betreiben wollen.

Ich hoffe nur, dass die EU mehr Engagement und Eifer bei der Arbeit zeigt, als die noch etwas dürftige Prosa in dem Text erahnen lässt. Auch mit dem Blick auf den Sü­den, nach Nordafrika, auf den Nahen Osten und die Levante ist es sicher richtig, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. Der Hauptmotor für die starke Migration ist die schlechte wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder. Es gibt dort eine sehr junge Bevölkerung, und ich glaube, wir müssen da helfen, damit sie eine eigene stabile Wirt­schaft aufbauen können, damit Projekte für die klein- und mittelständischen Betriebe in der Region wachsen können.

Welche Konsequenzen die Arbeit der EU für mögliches Leben auf dem Mars haben wird, bleibt noch abzuwarten; aber ich hoffe sehr, dass die EU in diesem Jahr eine Nachbarschaftspolitik betreiben wird, die hilft, dass für die Menschen sowohl im Osten als auch im Süden das Leben besser und friedlicher werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


13.27.05

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde jetzt mehr von Erdmenschen und weniger von Marsmenschen sprechen.

Herr Bundesminister, ich habe es Ihnen im Ausschuss schon gesagt: Ich bin erfreut, dass Sie viele Anregungen des Teams Stronach mittlerweile aufgenommen und sich auch bemüht haben, in der EU diese Standpunkte zu vertreten. Sie sehen, Sie fahren gut damit, es tut sich jetzt etwas. Leider eben ein wenig spät, und da muss ich sagen, da hätte man schon früher handeln können, dann hätten wir uns viele, viele Probleme erspart.

Meine Damen und Herren, es ist für mich schon ein großes Problem, wenn man sich die Flüchtlingspolitik anschaut beziehungsweise die Tatsache, dass diejenigen, die keine Flüchtlinge sind, einen negativen Asylbescheid bekommen und dann eigentlich wieder zurückgeschoben werden sollten. Das hat die EU gar nicht im Griff. Mit Ländern wie Pakistan oder der Türkei sind die Rücknahmeabkommen sehr mangelhaft bezie­hungsweise gibt es kaum Rücknahmen in diesem Bereich. Probleme, die man hier an­sprechen muss, betreffen ebenso Marokko, Tunesien, Jordanien oder den Libanon – auch da gibt es kaum Rückführungen.

Deshalb wundert es mich auch nicht – ich habe das gestern schon in einer anderen De­batte angesprochen –, dass 19 500 Asylanträge im Jahr 2015 abgelehnt worden sind und


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lediglich 8 150 Personen ausgewiesen wurden beziehungsweise freiwillig zurückgekehrt sind. Meine Damen und Herren, das sind 11 350 Personen, die jetzt in der EU oder in Österreich herumlungern. Wir wissen nicht, wo sie sind, sie sind untergetaucht, sind so­genannte U-Boote.

Herr Minister, da ist es notwendig, dass man andere Maßnahmen setzt. Sie kennen meinen Antrag – und diesen möchte ich Ihnen jetzt für die nächsten Verhandlungen in der EU mitgeben –, ein EU-Wartecamp in Afrika aufzubauen, in das diese Leute – je­ne, die hier straffällig geworden sind oder was auch immer, die keinen aufrechten Asyl­bescheid haben und hätten ausgewiesen werden müssen, die jetzt auf freien Fuß ge­setzt und aufgefordert werden, das Land zu verlassen, was sie natürlich nicht tun und dann kreuz und quer durch Österreich und Europa reisen, Straftaten sind teilweise die Folge – gewiesen und in dem sie von der EU betreut werden, bis man herausfindet, aus welchem Land sie stammen, und diese Länder sie dann vielleicht doch wieder zu­rücknehmen. Das wäre ein erster Schritt, das könnte man auch ein bisschen an die Entwicklungshilfe anbinden. (Beifall beim Team Stronach.)

Der Fall Türkei liegt mir auch sehr am Herzen, ich habe das gestern schon angespro­chen: Worin besteht der Mehrwert für die EU, wenn man Leute von Griechenland in die Türkei zurückschiebt und dann dieselbe Anzahl wieder zurückbekommt? – Ich weiß nicht, wo da der Mehrwert für die EU liegt.

Ich finde es positiv, dass Sie unseren Antrag aufgenommen haben, Griechenland fi­nanzielle Mittel der EU zur Verfügung zu stellen, damit die Erstverfahren dort durchge­führt werden.

Ich habe vor Kurzem gehört, dass die Deutschen schon darüber diskutieren, Schnell­verfahren analog zur Schweiz – und das haben wir auch schon x-mal mit Anträgen eingebracht – durchzuführen, damit das schneller funktioniert. Das könnten wir auch auf EU-Ebene machen. Das wäre ein Supertipp an Sie, Herr Minister. Deutschland ist in diesem Bereich schon dran, man erkundigt sich schon in der Schweiz. Vielleicht ma­chen Sie einen Schweiz-Ausflug, ich begleite Sie gern – ich wohne ja nicht weit weg von der Schweiz –, dann können wir das vielleicht gemeinsam machen. Das wäre eine Supergeschichte, denn dann würde sich in dieser Frage etwas bewegen. Und wenn sich schon die Deutschen – und diese sind ja in der Flüchtlingsfrage ein bisschen libe­raler, würde ich jetzt einmal sagen – trauen, zu solchen Mitteln zu greifen, dann dürfen wir das als Österreicher auch.

Abschließend noch zu den Sanktionen gegenüber Russland: Meine Damen und Her­ren, wir wissen alle, wie wirtschaftlich belastend diese Sanktionen für Österreich sind. Wir hatten sehr viel Handel mit Russland. Jetzt mussten wir unsere Bauern stützen und einen Haufen Steuergeld hineinbuttern, denn die USA haben beim Export zugelegt und Österreich und die EU haben ein negatives Ergebnis in diesem Bereich – nur, um die­se Befriedigung der USA unterstützen zu können. Das ist der falsche Weg. Schauen Sie auf Europa, schauen Sie auf Österreich, dann wären Sie der richtige Außenminis­ter für Österreich! (Beifall beim Team Stronach.)

13.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


13.31.20

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen! Ich möchte aus aktuellem Anlass heute das Thema des britischen EU-Referendums in die Debatte einbringen – zu fin­den auf Seite 6 des gegenständlichen Berichts des Außenministeriums. Ich fürchte nämlich, dass das bei der letzten Ratssitzung geschlossene Abkommen zur Neuge-


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staltung der Beziehung Großbritanniens zur EU für die Union tiefgreifende und nach­haltig negative Folgen haben wird.

Als Erstes sei festgestellt, dass das Abkommen praktisch sämtliche britische Forde­rungen erfüllt, wogegen die übrigen 27 Länder sich nicht getraut haben, auch nur eine einzige Gegenforderung zu stellen. Man hätte ja die Gelegenheit ergreifen können, die lange Liste an Sonderregeln und Ausnahmen, die Großbritannien akkumuliert hat, et­was zu durchforsten, vielleicht beginnend mit dem britischen Rabatt, den Premierminis­terin Thatcher 1984 ausverhandelt hatte, als Großbritannien noch das zweitärmste Land der EWG war, und den Großbritannien heute, 30 Jahre später, weiter einfordert, ob­wohl es ein Pro-Kopf-Einkommen hat, das höher als in Italien und Frankreich ist.

Nein, stattdessen hat der Rat in fast panischer Art die Verhandlungen innerhalb von drei Monaten abgeschlossen und ohne Gegenwehr jede Forderung Camerons erfüllt, um ihn innenpolitisch zu stärken und in der Hoffnung, damit den Brexit quasi um jeden Preis abzuwenden. Der ursprüngliche Ansatz, eine Reform der Union anzustoßen, ist dabei gänzlich auf der Strecke geblieben. Das ist schade, denn vieles, was die Briten an der EU kritisieren, läuft tatsächlich nicht richtig.

Die Gelegenheit, die Institutionen im Sinne stärkerer Subsidiarität, stärkerer demokrati­scher Legitimation zu reformieren, die EU näher an die Bürger zu bringen, den Ent­scheidungsprozess zu verbessern, wurde vertan. Vor allem aber hat die Vereinbarung einige rote Linien überschritten. Zum einen wird durch die Kürzung gewisser Sozial­leistungen für EU-Staatsbürger das Prinzip der Freizügigkeit der Person ausge­höhlt, und es wird damit an einem Grundpfeiler der Union gerüttelt. Zum anderen sollen jetzt die nationalen Parlamente mittels der sogenannten Roten Karte die Möglichkeit haben, EU-Gesetzgebung zu blockieren. Anstatt also die Kompetenzen des EU-Parlaments zu erweitern, gehen wir einen Schritt zurück.

Großbritannien hat natürlich noch nie einen wesentlichen Beitrag zur Vertiefung der Uni­on geleistet, aber diesmal legt Großbritannien kaltblütig den Rückwärtsgang ein. Zum ersten Mal verlangt ein Mitglied der Union, dass bereits Erreichtes abgeschafft wird, und der Rat, in seiner Kurzsichtigkeit und Panik, stimmt dem zu. (Abg. Haider: Gott sei Dank!) – Ja, Gott sei Dank, von Ihrer Ecke: Welcome at UKIP!

Am schwerwiegendsten aber wirkt, dass sich der Rat unter dem Druck Großbritanniens vom ursprünglichen Ziel der Union verabschiedet hat, und zwar, indem er die Klausel von Artikel 1 des EU-Vertrages, der „immer engeren Union der Völker Europas“, für Großbritannien – und nur für Großbritannien – explizit aussetzen möchte.

Natürlich hat das Vereinigte Königreich die Zielsetzung eines politischen Projekts nie geteilt, und 43 Jahre nach dem Beitritt sieht das Königreich in der EU bestenfalls eine Art turbogeladene Freihandelszone. Sogar ein angeblicher Befürworter der EU, näm­lich Premierminister Cameron, gibt in Bezug auf die immer engere Union unumwunden zu: „Das Bekenntnis (…) darf für Großbritannien nicht länger gelten. Wir glauben nicht daran. Wir stehen nicht dahinter. Wir haben eine andere Vision von Europa.“

Dabei ist doch Europa selbstverständlich primär ein politisches Projekt. Das war es schon immer, von Anfang an. Bereits bei der Gründung der EGKS 1951 war die Ziel­setzung die Aufrechterhaltung des Friedens innerhalb Europas. Und auch heute ist die Europäische Union noch ein politisches Einigungsprojekt. Sie war es bei der Aufnahme der Satellitenländer der ehemaligen Sowjetunion, sie ist es heute bei der Integration der Balkanländer, sie könnte es morgen für die Ukraine sein. Und die Menschen in diesen Staaten sehen in der Europäischen Union nicht nur ein Symbol von Wohlstand, sondern auch den Inbegriff von Freiheit, Demokratie, Stabilität und Rechtsstaatlichkeit. Auch die Briten seien daran erinnert, dass jede Generation den Frieden neu sichern muss. Das haben uns die Kriege im ehemaligen Jugoslawien vor Augen geführt, und


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das zeigen uns auch heute die russische Aggression in der Ukraine und auch der Sy­rien-Konflikt.

Daher irrt Cameron, wenn er behauptet, dass heute der Hauptzweck der EU ein ande­rer ist, nämlich „nicht mehr, den Frieden herbeizuführen, sondern den Wohlstand zu sichern“.

Das, liebe Kollegen, Herr Bundesminister, ist eine kleinkrämerische, zukunftslose Sicht der Europäischen Union. Es sei dem britischen Volk unbenommen, diese Sicht zu ha­ben. Wir aber teilen sie nicht, wir hegen für Europa und für seine Völker höhere Ambi­tionen. Deshalb wäre es ein kapitaler Fehler, Artikel 1 des EU-Vertrages für Großbri­tannien auszusetzen und damit festzulegen, dass einzelne Mitgliedstaaten nicht nur mit verschiedenen Geschwindigkeiten voranschreiten dürfen – was durchaus Sinn macht –, sondern auch diametral entgegengesetzte Ziele verfolgen können – was unsinnig und potenziell zerstörerisch ist.

Was immer das Ergebnis des Referendums am 23. Juni sein wird, es birgt nichts Gu­tes, denn auch im Falle eines Verbleibs Großbritanniens in der EU hat der Beschluss des Rates die Union bleibend geschädigt. Die Briten werden nicht lernen, die Union zu lieben, sie werden auch in Zukunft weitere Einigungsschritte ablehnen, eine gemeinsa­me Außen- und Verteidigungspolitik torpedieren und nationalstaatliche Tendenzen stär­ken.

So gesehen frage ich mich, ob ein Schrecken ohne Ende mit Großbritannien einem Ende mit Schrecken ohne dem Königreich vorzuziehen ist – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

13.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

 


13.39.33

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Mei­ne Damen und Herren! Herr Kollege Vavrik, ich glaube im Gegensatz zu Ihnen, dass viele Politiker in Großbritannien die Lage der Europäischen Union durchaus realistisch beurteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ich hoffe auch, dass manche Elemente, die jetzt vonseiten Englands bei dieser Volksabstimmung für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union oder seinen Austritt ins Treffen geführt werden, auch zum Zuge kommen.

Aber all diese Themen, Herr Kollege Vavrik, stehen im Schatten der Causa prima, und das ist die Flüchtlingssituation, mit der Europa konfrontiert ist. Auch im Bericht für die Arbeit des Rates nimmt das breiten Raum ein.

Meine Damen und Herren, wie wichtig es auch ist, diese Causa prima in den Parla­menten der einzelnen Mitgliedsländer zu behandeln und zu debattieren, hat uns ja der Herr Bundeskanzler am vergangenen Sonntag bei seinem Soloauftritt im Fernsehen vor­geführt. Wir hatten dort die Inkarnation eines Wendehalses vor Augen (Abg. Wenin­ger: He!), und wir können diese Unglaubwürdigkeit nur als Unglaubwürdigkeit bezeich­nen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat einen Schwenk vollzogen, der bei­nahe unglaubwürdig wird, wenn wir uns überlegen, was das Unglücksduo Merkel und Faymann das vergangene Jahr über angerichtet hat. Das Unglücksduo Merkel und Faymann war jenes, das diese Willkommenskultur eröffnet und dazu beigetragen hat, dass die Europäische Union nunmehr am Rande des Abgrunds steht.

Es ist die Aufgabe der Kommission, es ist die Aufgabe aller Räte und auch der natio­nalen Parlamente der Mitgliedsländer, Möglichkeiten zu suchen, damit Europa gerettet


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wird. Solange aber die wichtigste Aufgabe der Europäischen Union, nämlich das Sper­ren der EU-Außengrenze, Herr Bundesminister – es geht schon lange nicht mehr um Hotspots, und es geht schon lange nicht mehr um das Sichern, sondern es geht um das Sperren der EU-Außengrenze –, solange diese Hauptaufgabe vonseiten der Euro­päischen Union nicht sichergestellt wird, müssen die Nationalstaaten eigene Maßnah­men setzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich Sperrung der EU-Außengrenze sage, dann heißt das nicht, dass dort auf un­bewaffnete Menschen geschossen werden soll. Man kann eine EU-Außengrenze, man kann die Grenze eines Landes auch mit verhältnismäßigen und angepassten Mitteln si­chern und auch sperren. Das hat man ja jahrelang in vielen Bereichen gesehen.

Meine Damen und Herren, die Nationalstaaten sind gezwungen, nunmehr eigene Maß­nahmen zu setzen, weil diese europäische Verpflichtung nicht wahrgenommen wird. Die illegale Einwanderung wird verstärkt, und wir müssen mit einer Erhöhung der ille­galen Einwanderung rechnen. Solange die Europäische Union als eine europäische Lösung nur vorsieht, dass die Flüchtlinge in den europäischen Mitgliedsländern verteilt werden, solange die europäische Außengrenze nicht gesperrt wird, ist das nur ein Schlepperförderungsprogramm. (Beifall bei der FPÖ.)

Solange die Bundesregierung, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, nur von Flüchtlingshöchstzahlen spricht und davon, dass die Flüchtlinge dann in der Europäi­schen Union weiterverteilt werden, solange ist auch das nur ein Schlepperförderungs­programm.

Es kommt darauf an, dass wir den Menschen grundsätzlich klarmachen, dass eine il­legale Einwanderung in die Europäische Union nicht möglich ist, und diese Maßnah­men sind auf europäischer Ebene sicherzustellen, und wenn das nicht möglich ist, dann eben auf nationaler. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Ber­lakovich. – Bitte.

 


13.43.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Pro­gramm zeigt, wie breit die Außenpolitik in Österreich angelegt ist. Es reicht vom zitier­ten Referendum in Großbritannien, das heißt der Stabilisierung der gemeinsamen Eu­ropäischen Union und der Ausrichtung der zukünftigen Positionierung Europas, über Wirtschaftsfragen wie jene der Kapitalmarktunion bis letztlich zur Frage der Partner­schaften, sei es im strategischen Sinne mit Überseeregionen, aber auch mit östlichen und südöstlichen Nachbarstaaten – ein sehr breites Themenspektrum.

Selbstverständlich wird in der tagespolitischen Debatte alles von der Flüchtlingskrise dominiert. Da war die gesamte österreichische Bundesregierung gefordert, aber insbe­sondere die österreichische Außenpolitik. Man muss Außenminister Sebastian Kurz danken, der im Sinne einer aktiven Außenpolitik gemeinsam mit Innenministerin Mikl-Leitner die Linie vorgegeben und eine klare Positionierung Österreichs vorgenommen hat.

Frau Kollegin Windbüchler-Souschill, ich sehe das nicht so wie Sie. Sie behaupten, dass die europäische Außenpolitik bisher immer in Europa angesiedelt war, irgendwo gab es doch den Vorwurf, dass man relativ angepasst war. Tatsache ist, dass Sie und ich und viele hier in diesem Raum die gemeinsame Europäische Union für sinnvoll er­achten. Ich tue das auch, aber gerade in dieser Frage muss man schon schmerzhaft erkennen, dass Europa nur sehr mühsam in die Gänge kommt.


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Das gemeinsame Europa wird oft mit einem sehr großen Schiff verglichen, das nur sehr mühselig den Kurs ändert. In der Frage der Flüchtlinge hat man jedoch den Ein­druck, dass das gemeinsame Europa noch gar nicht Fahrt aufgenommen hat. Daher halte ich es für sinnvoll, dass ein paar Staaten wie Österreich mit seinen befreundeten Nachbarländern auf dem Balkan gemeinsam versuchen, Außenpolitik zu machen und eine Richtung vorzugeben, die Sinn ergibt, die auch der österreichischen Bevölkerung Sicherheit geben soll. Ich halte das für notwendig und auch für sinnvoll, damit das ge­meinsame Schiff Europa in die Gänge kommt und Antworten findet.

Ich teile nicht die Meinung meines Vorredners Bösch vom martialischen Absperren der EU-Außengrenze, denn Humanität kann nicht ausgeschlossen werden und Menschen­rechte gelten. Dazu muss man sich bekennen und Menschen Schutz geben. (Beifall des Abg. Heinzl.)

Was aber nicht sein kann, ist ein Durchwinken, wie Sebastian Kurz immer sagt, und ein unkontrolliertes Zuwandern und eine rechtliche Unordnung. Das geht nicht, und das findet keine Akzeptanz. Daher ist es richtig, dass Vorgaben gemacht werden, und wir können nur hoffen, dass es zu gemeinsamen europäischen Lösungen kommt.

Es zeigt sich, dass es richtig ist, dass Österreich unsere östlichen und südöstlichen Nach­barstaaten, die Länder auf dem Balkan, als einen der außenpolitischen Schwerpunkte hat und sich jahrzehntelang um Partnerschaften und um gemeinsame Linien bemüht, weil letztlich auch ein Stück weit die Zukunft Österreichs auf dem Balkan entschieden wird. Das war in der Vergangenheit so, ist es jetzt und wird es auch in Zukunft noch mehr sein. Daher ist es wichtig, dass wir uns diesem Gebiet widmen, und das wird mit vielen Programmen getan. Ich darf an die europäische Nachbarschaftspolitik erinnern, in der es um die Stabilisierung dieser Länder und auch um Perspektiven geht, siehe Bosnien-Herzegowina – ein beabsichtigter Beitritt zur Europäischen Union – oder auch Serbien und Ähnliche.

Abschließend will ich sagen, dass im Bericht nach der Einigung von Paris auch die in­ternationalen Klimaschutzvereinbarungen stehen. Jetzt kommen viele Menschen auf­grund von Kriegen und Konflikten zu uns. Wenn der Klimawandel aber voranschreitet, dann werden es wahrscheinlich, so sagen Experten, noch Abermillionen mehr sein, und daher muss im Sinne des Klimaschutzes etwas getan werden, und auch im Sinne einer Vorsorge gegen weitere extreme Migrationsströme.

Abschließend: Österreich leistet international viel. Der Vorwurf, dass Österreich zu we­nige internationale Gelder zahlt, ist nicht berechtigt. Insgesamt 40 Millionen € allein für humanitäre Hilfsmaßnahmen in Syrien hat Österreich bereits gegeben, und es tut noch mehr. (Abg. Windbüchler-Souschill: In welchem Zeitraum?) – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


13.47.42

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Ich warte kurz, bis die Herren auch so weit sind. (Abg. Berlakovich steht an der Regierungsbank und spricht mit Bundesminister Kurz.) – Ich warte. – Danke.

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Außenminis­ter! Es ist immer wieder notwendig, uns zu besinnen und uns zu erinnern, worüber wir eigentlich reden. Wenn wir über das EU-Arbeitsprogramm 2016 reden, dann reden wir auch über uns selbst, denn Europa, das sind wir alle. Europa, oder spezifischer die EU, das sind 28 Mitgliedsstaaten, über 500 Millionen Bürger und Bürgerinnen, die in 28 Län­dern leben. Es ist meiner Meinung nach wichtig, das immer im Kopf zu behalten. Wenn


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 92

Vorwürfe kommen wie zum Beispiel, Europa habe versagt oder die EU habe versagt, dann ist das, ob man es will oder nicht, immer auch eine Feststellung darüber, dass man selbst ein Stück weit versagt hat.

In diesem Sinne: Wenn ich mir den Bericht anschaue, den das Außenministerium be­ziehungsweise das Ministerium für Europa, Integration und Äußeres zum EU-Arbeits­programm 2016 vorgelegt hat, dann vermisse ich sehr viele Standpunkte, sehr viele Linien, aus denen im Normalfall hervorgehen sollte, welche Linie die Bundesregierung vertreten will. Das ist zum Beispiel beim Brexit unklar, das ist bei vielen anderen Punk­ten unklar.

Heute haben wir alle aus einer Tageszeitung erfahren, dass einer der Verfassungs­rechtler, die die Bundesregierung mit der Erstellung von Rechtsgutachten zur Asylober­grenze beauftragt hat, nämlich Professor Funk, sagt, dass diese Asylobergrenze klar verfassungswidrig sei. Da stellt sich schon die Frage, was die Regierung mit diesem Ergebnis macht. Das Grenzen-zu-Domino, das die Bundesregierung ganz bewusst be­trieben hat, mit dem sie sich auch schmückt und das sie als Erfolg preisen möchte, hat ganz massiv mit dieser Asyl-Obergrenze zu tun.

Wie tun Sie jetzt weiter und wie gehen Sie in der EU vor, wenn einer der renommier­testen Verfassungsrechtler des Landes sagt, das geht gar nicht, das ist klar menschen­rechtswidrig, das ist klar verfassungswidrig? Uns wird in dieser Situation ein Bericht vor­gelegt, in dem die Bestrebungen der österreichischen Bundesregierung dargelegt wer­den.

Ich möchte da einen klaren Unterschied zum Land machen, denn wir haben im Land sehr viele Menschen, die diese Linie, diese Scharfmacherlinie der Bundesregierung eben nicht mittragen, die sagen, wir sollten unseren Anteil an Solidarität leben. Ja, 90 000 Men­schen wurden letztes Jahr aufgenommen, und das ist sehr, sehr stark der Zivilgesell­schaft, den vielen Aktivisten und Aktivistinnen und den vielen Hilfsorganisationen zu verdanken. Die staatlichen Strukturen, die Strukturen, die die Bundesregierung hätte aufbauen sollen, haben leider sehr stark versagt. Das muss man an dieser Stelle auch ganz klar und deutlich aussprechen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn die Bundesregierung sich damit schmückt, dass 90 000 Menschen letztes Jahr in Österreich um Asyl ansuchen konnten, dann ist das sehr stark ein Verdienst der ös­terreichischen Zivilgesellschaft, leider viel weniger der österreichischen Bundesregie­rung – Stichwort Zelte, die aufgestellt wurden, weil nicht genug Vorsorge getroffen wurde.

In diesem Sinne möchte ich diesen Bericht zum EU-Arbeitsprogramm 2016 zum An­lass nehmen, um noch einmal die Stimme gegen die verfehlte Grenzen-zu-Politik zu erheben, die die österreichische Bundesregierung seit einigen Wochen betreibt. Deren Ergebnis sind konkret im Schlamm liegende Menschen und Familien in Idomeni und auch anderswo. Es geht nur gemeinsam!

Man muss aber, um dieses Gemeinsame zu ermöglichen, von der sturen, national­staatlichen, letztendlich nicht effektiven und nicht funktionierenden Linie des Grenzen-zu-Dominos abgehen. Und da erhoffe ich mir, dass die Bundesregierung ihre Linie überdenkt und endlich zu einer gemeinsamen europäischen Politik zurückfindet. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

13.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


13.52.45

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende EU-Arbeitsprogramm 2016 ist für europa­politisch und international politisch interessierte Menschen ein Konvolut, das zu lesen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 93

ich empfehlen kann als eine gute Ergänzung zum Außenpolitischen Bericht. Natürlich hat es nicht so viel Substanz wie der Außenpolitische Bericht. Wie wir am Beispiel der Türkei schon besprochen haben, fehlt zum Beispiel die Kurdenfrage oder aktuell die Frage des Umgangs mit Journalisten, Medienfreiheit und Bürgerrechten. Trotzdem wür­de ich dieses Papier empfehlen.

Jetzt vielleicht noch ein paar Worte, weil Kollege Lopatka wieder angesprochen hat, was wir gestern schon bezüglich der Türkei diskutiert haben. Ich möchte unterstrei­chen, was der Herr Bundeskanzler in aller Deutlichkeit gesagt hat, dass die brutale Ver­folgung der kurdischen Minderheit, die ungelösten bilateralen Fragen mit Zypern und Griechenland, aber auch die politische und rechtliche Willkür der letzten Tage und Wo­chen die Erdoğan-AKP-Türkei zu einem sehr schwierigen Partner machen.

Trotzdem haben wir uns darauf verständigt, dass wir in der Frage der Bewältigung der Flüchtlingskrise besonders dort ansetzen wollen, wo die Menschen das erste Mal in Sicherheit sind. Das heißt, dass wir mit Jordanien, mit dem Libanon und mit der Türkei verhandeln müssen, um vor Ort Hilfe leisten zu können. Ich möchte nicht, dass da eine politische Doppelmühle aufgebaut wird, wissend, dass unter der Führung von Bun­deskanzlerin Angela Merkel beim morgigen EU-Gipfel ganz massiv auf ein Türkei-Ab­kommen hingearbeitet wird. Natürlich wird in der medialen Berichterstattung dann auch darüber gesprochen werden, inwieweit davon die türkischen Wünsche nach finanzieller Unterstützung, nach Forcierung der Visa-Liberalisierung, eventuell nach weiterer Öff­nung von Verhandlungskapiteln für den Beitritt betroffen sind.

Das wiederum könnte dazu führen, dass man dem Bundeskanzler unterstellt, er würde inhaltliche Werte opfern, um ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu erreichen. Auf diese Doppelmühle werden wir uns in Österreich nicht einlassen.

Die Türkei ist ein schwieriger Partner, der in einem Dialogprozess in Richtung einer pri­vilegierten Partnerschaft mit der EU steht. Sie ist aber auch ein Land, mit dem ver­handelt werden muss, wenn wir die europäischen Außengrenzen sichern und die Flücht­linge dort betreuen wollen, wo sie über die syrische Grenze kommen. Mich erinnert die Diskussion ein bisschen an die über die Ostpolitik von Willy Brandt in den achtziger Jahren, in der auch viele kritisiert haben, dass sich da jemand einsetzt und mit Re­gimen verhandelt, die nicht unseren Werten entsprechen. Trotzdem hat er geschafft, dazu beizutragen, dass es zu einer politischen Aufweichung gekommen ist und dass Menschen konkret geholfen wurde. (Ruf bei der ÖVP: Das war Strauß!) Genau das ist auch unser Ziel in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der SPÖ.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


13.56.36

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf den Teil des Berichts ein­gehen, der sich mit Integration beschäftigt. Es ist auffallend, dass sich in einem 58-Sei­ten-Bericht nur vier Seiten mit Integration beschäftigen. Das ist im Hinblick auf die hohe Zahl der Asyl-Antragsteller, Migranten und der stetig wachsenden Gruppe unserer mus­limischen Landsleute nämlich nicht nachvollziehbar.

Im Bericht liest man über den Nationalen Aktionsplan für Integration, wobei nur pau­schal deutsche Sprache, Rechtsstaat und Werte erwähnt werden. Daneben wird auch noch angeführt, dass 70 Prozent der EU-Fördermittel in Deutsch-Kurse geflossen sind. Kein Wort jedoch über die Ergebnisse dieser Deutsch-Kurse, kein Wort über Erfolg oder Misserfolg von Integrationsmaßnahmen und kein Wort über den Islam. Allein aus diesen Gründen ist dieser Bericht abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 94

Integration in unserem Land betrifft vor allem Muslime. Viele muslimische Mitbürger ha­ben nichts mit radikalen Strömungen zu tun. Das möchte ich ganz explizit betonen. Es geht um jene, die sich nicht integrieren wollen, etwa Schüler, die sich auf die Reli­gion berufen und Lehrerinnen und Mitschülerinnen nicht die Hand geben wollen. Das hat letzte Woche die Direktorin der Neuen Mittelschule in der Gassergasse drastisch aufgezeigt.

Ganz besonders zeigt das das Beispiel der muslimischen Kindergärten in Wien. Der aktuelle Projektbericht stellt wie auch schon die erste Studie von Professor Aslan fest: In den meisten der untersuchten Kindergärten wird nicht in deutscher Sprache unter­richtet. Die Mehrheit der Pädagogen beherrscht nicht einmal Deutsch. Man schottet sich ab und lehrt schon kleine Kinder Werte und eine Ideologie, die nicht mit unserer Verfassung übereinstimmen. Dahinter stecken vor allem salafistische Trägervereine und die Muslimbruderschaft. Die rasante Weiterentwicklung der islamischen Parallelge­sellschaft wird dadurch noch beschleunigt.

Erschreckend ist, was in diesen Kindereinrichtungen unter anderem gelehrt wird. Die westliche Lebensweise wird als minderwertige Weltanschauung abgelehnt. Der Islam sei allen anderen Glaubensbekenntnissen überlegen. Sie bezeichnen uns als die Un­gläubigen. Vermittelt wird die Missachtung der Gleichstellung zwischen Mann und Frau, Judenhass, und in einzelnen islamischen Kindergärten wird sogar zum Dschihad auf­gerufen, besagt diese Studie.

Und all das soll Teil Europas und Österreichs sein, meine Damen und Herren? – Nein, danke, das wollen wir nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Faktum ist: Das Integrationsministerium hat als Kontrollorgan total versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Nur so konnte der Missbrauch der Förderungen durch islamische Kindergartenbetrei­ber in Wien stattfinden, unkontrolliert hingenommen durch die SPÖ. Das, Herr Minister, ist keine gelungene Integration. Das ist aus Steuergeldern finanzierte Segregation. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.00.12

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich stimme all jenen zu, die meinen, dass das durchaus zu einer Debatte in der Europäischen Union über die weitere Form der Eu­ropäischen Union, die Struktur und darüber, wie sie sich künftig organisieren wird, füh­ren kann.

Im Zuge der niederländischen Ratspräsidentschaft gibt es diese Überlegungen darü­ber, ob der Schengen-Raum neu definiert werden sollte oder müsste. Man muss sich heute noch die Frage stellen, aufgrund welcher politisch-geografischen Überlegungen Griechenland überhaupt Zugang in den Schengen-Raum gefunden hat, weil es mit über 2 000 Inseln wirklich schwierig ist, sozusagen eine sichere Außengrenze organi­sieren zu können. – Das ist also die eine Initiative.

Die andere Initiative – und das wird im Rahmen des Arbeitsprogrammes im weitesten Sinn auch eine Rolle spielen müssen – betrifft die Frage, ob es nicht irgendwann ein­mal eine Kerneuropa-Debatte geben wird, da die sogenannten unterschiedlichen Ge­schwindigkeiten so gravierend sind, dass es immer schwieriger ist, die sozialen, regio­nalen sowie all diese anderen Unterschiede – die unterschiedlichen Staatsorganisa­tionen, die Haushalte et cetera – wirklich überbrücken zu können.

Das, was eine Rolle spielen wird, ist die Frage, ob es für Griechenland einen Schul­denschnitt geben soll. Es wird eine ganz große Rolle spielen, wie man mit dem Er-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 95

gebnis der Abstimmung in Großbritannien umgeht, falls das verloren geht. Machen die dann noch einmal eine Abstimmung, falls Schottland der Europäischen Union beitreten will oder falls es eine knappe Abstimmung ist, bei der es zwar in England ein Ergebnis gibt, aber in Wales und in Schottland ein komplett anderes? Das würde natürlich de­stabilisierend auf die Strukturen von Großbritannien wirken.

Großbritannien ist auch eines der großen Länder in der Europäischen Union. Hat es eine beispielhafte Wirkung, dass es da einen Vertrag und Verhandlungen mit Groß­britannien gibt, wo es danach eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU gibt? Was ist, wenn andere Länder auch auf diese Idee kommen, dass sie sagen, dass man das, was für Großbritannien gilt, auch ausprobieren kann? Da wirken also sehr viele politisch-zentrifugale Kräfte. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung. Wie lange will man – die deutsche Industrie protestiert massiv dagegen – die Sanktionen gegenüber Russland noch aufrechterhal­ten? Wie geht es mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union wei­ter? Das alles steht vor dem Hintergrund, dass man beim Europäischen Rat eine Lösung finden muss, was dieses Handling der Migrationsströme und der Flüchtlings­ströme betrifft.

Es ist eine Situation, in der die Europäische Union vor existenziellen Herausforderun­gen steht und sich damit auch Organisations- und Strukturfragen auf die Tagesordnung drängen. Das werden natürlich sämtliche Regierungschefs, die Europäische Kommis­sion, das Parlament, aber auch die nationalen Parlamente zu lösen haben.

Da gibt es eine Grundtendenz, und zu dieser Grundtendenz hat interessanterweise sogar Sahra Wagenknecht in ihrem Buch „Reichtum ohne Gier“ angesprochen, ob in Zukunft – wie soll ich sagen – vielleicht auch das nationale Element – nicht das natio­nalistische – als Schutzfaktor eine stärkere Bedeutung bekommen wird, ohne dass man deswegen das Gemeinsame der Europäischen Union als Organisationsprinzip verlassen muss.

Ich glaube, das sind große Herausforderungen, und wir sollten als nationales Parla­ment auch selbstbewusst an diesem Diskussionsprozess teilnehmen und gestaltend mitwirken. (Beifall bei der SPÖ.)

14.03

14.03.49

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, den vorliegenden Bericht III-241 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Mag. Vavrik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufstockung der Mittel für das World Food Programme 2016.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

14.04.426. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1580/A(E) der Abge­ordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die gewaltsamen Unruhen in Burundi (1034 d.B.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 96

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 786/A(E) der Abge­ordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend ös­terreichischen Beitrag zur Unterstützung der Opfer von Kriegsverbrechen und der Verfolgung und eindeutigen Benennung von Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo (1038 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


14.05.39

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne)|: Herr Präsident! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Unter diesem Tagesordnungspunkt werden zwei Anträge be­handelt.

Ich komme zuerst zur Demokratischen Republik Kongo. Im Jahr 2003 wurden zu­mindest offiziell die Konflikte und der Krieg beendet. Gewalt, bewaffnete Unruhen und Konflikte gibt es in diesem riesigen, rohstoffreichen Land, das so groß ist wie ganz Westeuropa, natürlich noch immer. In erster Linie sind Frauen und Kinder von sexuel­ler, physischer und psychischer Gewalt betroffen. Der Antrag – und das war auch die Intention – zielt darauf ab, dass es eine klare Verurteilung der sexuellen Gewalt als Be­standteil des Krieges und als Kriegswaffe geben soll. Es wird ausdrücklich festgehal­ten, dass eben Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt ein Kriegs­verbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine die Tatbestandsmerk­male des Völkermords erfüllende Handlung darstellen können und dass die straf­rechtliche Verfolgung von Tätern dann in den einzelnen Ländern, die unterzeichnet ha­ben, zu erfolgen hat.

Der zweite Antrag betreffend Burundi ist ein bisschen differenzierter zu betrachten. Dieser wurde von den Regierungsparteien eingebracht. In Burundi selbst herrscht eine sehr instabile Situation – das ist keine Frage –, und die prinzipiellen Antragspunkte, nämlich zu schauen, dass es zu einem Ende der Gewalt kommt und dass es zur Ver­hinderung der schweren Menschenrechtsverletzungen kommen soll, sind zu begrüßen. Doch innerhalb dieses Konvoluts der Forderungen befindet sich auch ein Punkt, der besagt, dass sich der Außenminister auf europäischer Ebene dafür einsetzen soll, dass die europäischen Entwicklungshilfegelder für Burundi vonseiten Europas ausgesetzt beziehungsweise auf humanitäre Projekte konzentriert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem Punkt können wir nicht zustimmen, denn Entwicklungszusammenarbeit hat immer etwas damit zu tun, Rechtsstaatlichkeit, Demokratieförderung, Frieden, Sicherheit und Entwicklung tatsächlich zu forcieren; und wenn gegenüber Burundi mit dieser Fahne aufgetreten und gesagt wird, dass, wenn man sich nicht daran hält, auch zivilgesellschaftliche Projekte, gesundheitsfördernde Projekte und auch Projekte für Kinderrechte, Menschenrechte sowie Frauenrechte nicht mehr gefördert werden, ist das vonseiten der Grünen klar abzulehnen. (Beifall bei den Grünen.)

Laut Informationen der Europäischen Kommission sollen in einem Soforthilfeprogramm nun tatsächlich Projekte zum Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie zu Ernährung und Entwicklung des ländlichen Raumes in der Höhe von insgesamt 45 Millionen € zur Genehmigung vorgelegt werden. Diese Projekte würden Sie mit diesem Antrag auch streichen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 97

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Burundis Zivilbevölkerung braucht Unterstützung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres wird aufgefordert, sich in­nerhalb der EU dafür einzusetzen, dass“ aufgrund der Nichteinhaltung des Artikels 9 des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens, eben mit Burundi, seitens der Regierung Bu­rundis „nur die Gelder ausgesetzt werden, die direkt an die Behörden oder Institutionen Burundis fließen“ und dass „anstatt einer Umschichtung von EZA Geldern eine zusätz­liche Stärkung der humanitären Hilfe vor Ort“ erfolgt. „Weiters sollen bilaterale Projekte zur Armutsbekämpfung, Rechtsstaatlichkeit und Stärkung der Rechte von Frauen in Burundi wieder aktiv gefördert werden.“

*****

(Beifall bei den Grünen.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, offensichtlich liegt uns nicht genau der gleiche Antrag vor. Der Beschlusstext des Antrages hier am Präsidium lautet ein wenig anders.

Vielleicht kann man ihn daher dann noch einmal einbringen. (Abg. Windbüchler-Sou­schill: Dann bringe ich ihn noch einmal ein!) – Besten Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


14.09.43

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Dinge im Leben, die man eigentlich gar nicht wirklich wissen und mit denen man sich auch gar nicht wirklich auseinandersetzen möchte. Wahrscheinlich sind es aber genau die Sachverhalte, die unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen und um die man sich besonders kümmern sollte. Das trifft auch auf das Thema zu, das wir in einem Fünf-Parteien-Antrag behandeln, in dem es eben um Massenvergewaltigungen in Kriegs- und Krisengebieten geht.

Massenvergewaltigung als Kriegsinstrument ist seit Jahrhunderten erprobt und „ge­deiht“ besonders gut in patriarchalen Strukturen.

Der Platz, den Frauen in der Gesellschaft zugewiesen bekommen, die Wertschätzung beziehungsweise mangelnde Wertschätzung, genauer die Wertschätzung, die an Vor­gaben gebunden ist – nach dem Motto: wenn du das so machst, wie ich es mir vor­stelle, dann habe ich dich auch lieb –, die Rollen, die die Frauen zu erfüllen haben, all das bereitet den Boden für Massenvergewaltigungen.

Nicht zufällig sagt die UN-Sondergesandte für sexuelle Gewalt in Konflikten, Zainab Hawa Bangura, im Zusammenhang mit den Massenvergewaltigungen im Kongo, dass ein grundsätzliches Umdenken notwendig sei, denn – ich zitiere –, „wenn man Frauen nicht in Friedenszeiten respektiert, kann man sie auch nicht im Krieg beschützen.“

Massenvergewaltigungen als Kriegsinstrument ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte: vom Dreißigjährigen Krieg über den Zweiten Weltkrieg, die Konflikte in Bosnien, dem Irak, Kongo, Syrien bis jetzt ganz aktuell in Südsudan. Eine amerikani­sche Studie aus dem Jahr 2011 zeichnet auch ein ganz besonders grausames Bild aus


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 98

dem Kongo. Bis zu 1,8 Millionen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren wurden mindes­tens einmal im Leben vergewaltigt; ein Viertel dieser Vergewaltigungen betrifft Kinder, und ein Zehntel dieser vergewaltigten, misshandelten Frauen werden schwanger. Wenn man sich auch den Umgang der dortigen Gesellschaften mit diesen schwer traumati­sierten Frauen vorstellt – das heißt, Frauen werden dann zum Teil verstoßen, von der Gesellschaft geächtet –, dann ist ganz klar, dass das Thema ein besonderes Augenmerk verdient.

Die UN-Resolutionen 1325 aus dem Jahr 2000 und 1820 aus dem Jahr 2008 haben das erste Mal sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Kinder als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als Kriegsverbrechen und als neuen Strafrechtstatbestand dargestellt und helfen somit mit, diese Delikte zu ahnden, denn diese Resolutionen fordern von allen Mitgliedstaaten, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, um Gewalt und besonders sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Frauen zu verfolgen, mit aller mög­lichen Härte zu verfolgen.

Ich bin mir auch ganz sicher, dass unser Bundesminister Sebastian Kurz – wie es auch im Antrag gefordert ist – das Thema in bewährt sachlicher Art in den entsprechenden Gremien gegenüber den entsprechenden Ansprechpartnern ansprechen und im Rah­men seiner Möglichkeiten auch Konsequenzen einfordern wird. Das betrifft selbstver­ständlich auch den Tagesordnungspunkt 6, bei dem es eben um diese Unruhen in Bu­rundi und mögliche Konsequenzen geht.

Die schweren Menschenrechtsverletzungen, die in beiden Anträgen im Mittelpunkt ste­hen, verdienen, sehr geehrte Damen und Herren, erhöhte Aufmerksamkeit, konsequen­tes Benennen und Bekämpfen, und ich ersuche daher um Unterstützung für beide An­träge. (Beifall bei der ÖVP.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


14.13.09

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Ich bringe jetzt den Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Burundis Zivilbevölkerung braucht Unterstützung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres wird aufgefordert, sich inner­halb der EU dafür einzusetzen, dass nur die Gelder ausgesetzt werden, die direkt an die Behörden oder Institutionen Burundis fließen. Zudem soll anstatt einer Umschich­tung von EZA Geldern eine zusätzliche Stärkung der humanitären Hilfe vor Ort erfol­gen. Weiters sollen bilaterale Projekte zu Armutsbekämpfung, Rechtstaatlichkeit und Stärkung der Rechte von Frauen in Burundi wieder aktiv gefördert werden.“

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 99

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde

betreffend Burundis Zivilbevölkerung braucht Unterstützung

eingebracht im Zuge der Debatte „Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1580/A(E) der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend die gewaltsamen Unruhen in Burundi (1034 d.B.)“

Begründung

Die ostafrikanische Republik Burundi Burundi rangiert als eines der ärmsten Länder der Welt ganz oben am Global Hunger Index: drei von fünf Kinder leiden an Unter­ernährung und gebremsten Wachstum. Laut UNDP’s Human Development Index leben vier von fünf Personen von 1,25 Dollar pro Tag. 66,9 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Auf Basis des AKP-EU-Partnerschaftsabkommen sollten über die Periode 2014-2020 432 Millionen Euro Hilfsgelder an Burundi gezahlt werden. Nach einem Beschluss des Rates der EU-AußenministerInnen vom 14.3.2016 sollen nun vorläufig alle Gelder gestoppt werden, die direkt an die burundische Regierung fließen. Grund für diese Vorgehensweise ist die Nichteinhaltung der wesentlichen Ele­mente des AKP-EU-Partnerschaftsabkommens seitens der Regierung Burundis nach Artikel 9: Menschenrechte, demokratische Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit werden laufend massiv verletzt. Nichts desto trotz darf die unmittelbare Unterstützung der bu­rundischen Bevölkerung vor allem im Bereich der Armutsbekämpfung nicht ausgesetzt werden. Auch die humanitären Maßnahmen sowie die Flüchtlingshilfe müssen nach wie vor gewährleistet sein.

Laut Informationen der Europäischen Kommission sollen deshalb zwei Soforthilfepro­gramme zur Genehmigung vorgelegt werden:

Zugang zur Gesundheitsversorgung

40 Millionen Euro

Ernährung/Entwicklung des ländlichen Raums

15 Millionen Euro

Im vorliegenden Antrag 1580/A(E) der Abgeordneten der Regierungsfraktionen,
Maga Christine Muttonen und Dr. Reinhold Lopatka, betreffend die gewaltsamen Unru­hen in Burundi, wird der Minister für Europa, Integration und Äußeres unter anderem aufgefordert, sich innerhalb der EU dafür einzusetzen, dass die europäischen Ent­wicklungsgelder für Burundi ausgesetzt, bzw. auf humanitäre Projekte konzentriert wer­den, falls die besorgniserregende, instabile Situation nicht verbessert werden kann, und die Konflikte nicht beendet werden können.

Dieses undifferenzierte Vorgehen lässt die dringend benötigte Unterstützung der bu­rundischen Bevölkerung über die EU Entwicklungshilfegelder völlig außen vor. Außer­dem scheint es in der derzeitigen Lage in Burundi notwendig, Entwicklungshilfegelder nicht einfach umzuschichten, sondern sich aktiv für die Stärkung des Amtes der Euro­päischen Gemeinschaft für humanitäre Hilfe (GD ECHO) einzusetzen und seine Bemü­hungen zu unterstützen, die EU Mittel für die humanitäre Hilfe insgesamt aufzustocken und auf stabile Beine zu stellen.

Auf bilateraler Ebene ist zudem dringend nötig, dass erneut direkt von NGOs und/oder internationalen Organisationen umgesetzte Projekte der Entwicklungszusammenarbeit vonseiten Österreichs unterstützt werden, um Stabilität, Sicherheit und Demokratieent­wicklung zu fördern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 100

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres wird aufgefordert, sich inner­halb der EU dafür einzusetzen, dass nur die Gelder ausgesetzt werden, die direkt an die Behörden oder Institutionen Burundis fließen. Zudem soll anstatt einer Umschich­tung von EZA Geldern eine zusätzliche Stärkung der humanitären Hilfe vor Ort erfol­gen. Weiters sollen bilaterale Projekte zu Armutsbekämpfung, Rechtstaatlichkeit und Stärkung der Rechte von Frauen in Burundi wieder aktiv gefördert werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


14.13.50

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Ja, es sind zwei Anträge, die uns vorliegen. Sie haben schon etliches dazu gehört. Sie kennen sicherlich alle den Ausspruch des ehemaligen Militärberaters von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Patrick Cammaert, der gesagt hat, dass es in den gegenwärtigen Kriegen gefährlicher ist, eine Frau zu sein als ein Soldat. Ob im Kongo, im Südsudan, in Nigeria oder in Syrien, sexuelle Ausbeutung und sexuelle Gewalt werden heute in fast allen bewaffneten Konflikten als Kriegswaffe ein­gesetzt, um zu erniedrigen, um Terror zu verbreiten und um die sozialen Bindungen ei­ner Gesellschaft zu zerstören; vor allem Frauen und Kinder sind diesen Gewalttaten aus­gesetzt.

Allein in den Konfliktgebieten im Kongo – und man kann das nicht oft genug sagen, denn man glaubt es eigentlich nicht – sind in den vergangenen zehn Jahren weit über eine halbe Million Frauen vergewaltigt worden. Das findet aber auch in anderen Län­dern wie zum Beispiel im Südsudan statt.

Der UNO-Sicherheitsrat hat in der Resolution 1820 festgelegt, dass diese verbreche­rischen Akte Kriegsverbrechen sind und sogar den Tatbestand des Völkermordes er­füllen können. Das ist sehr wichtig, wobei acht Jahre später diese Verbrechen nach wie vor selten verfolgt werden oder auch ungestraft bleiben. Österreich sollte die UNO so gut wie möglich dabei unterstützen, dass die Resolution 1820, aber auch die Reso­lution 1325, die auch eine größere Beteiligung von Frauen an Friedens- und Sicher­heitspolitik vorsieht, umgesetzt werden.

Ich komme zum zweiten Antrag. Darin geht es um Burundi, wo es massive Proteste gegeben hat, nachdem sich der Präsident wider die Verfassung ein drittes Mal wählen ließ. Die Proteste wurden gewaltsam bekämpft; über 400 Menschen wurden bisher ge­tötet und über 250 000 Menschen sind geflohen. Die Presse- und Medienfreiheit ist zer­stört. Obwohl es da jetzt Versuche von der EU, der Afrikanischen Union, der Ostafrika­nischen Gemeinschaft und der UNO gibt, um zu deeskalieren, sollte Österreich drin­gend darauf drängen, dass wir versuchen, diese Maßnahmen und vor allem den Dialog wieder in Schwung zu bringen, aber auch bei der lokalen Flüchtlingsbetreuung, beim Auf­bau der Medien und so weiter helfen und gleichzeitig Druck auf die Regierung ausüben, sodass diese von diesen Gewalttaten ablässt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schimanek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 101

14.16.44

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! – (Bun­desminister Kurz spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Lopatka.) Falls er mir ein Ohr schenkt. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Berichte über die Massenvergewaltigungen im Kongo sind so alarmierend wie schrecklich, und wie auch schon im Entschließungsantrag erwähnt wurde, ist sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder ein Bestandteil der Kriegsführung in vielen aktuellen Krisengebieten.

Auch gegen die Regierung im Südsudan erhebt die UNO schwere und massive Vor­würfe. Die Auflistung einzelner Vorwürfe ist kaum zu ertragen: Kinder und Menschen mit Behinderung werden lebendig verbrannt, Soldaten vergewaltigen systematisch Frauen und töten gezielt Zivilisten.

Zu Syrien werden wir heute in der Debatte über die Menschenrechte noch einen ge­meinsamen Antrag der Frauensprecherinnen einbringen, weil es auch da wichtig ist, Frauen und Kinder auf der Flucht zu schützen. Da besteht wirklich großer Handlungs­bedarf.

Deshalb, Herr Minister, unterstützen wir die Forderung, dass Sie sich auch weiterhin aktiv für den Schutz von Frauen und Kindern in Krisenregionen einsetzen und auch auf allen Ebenen dafür eintreten, dass die Resolution der Vereinten Nationen nachprüfbar umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Resolution fordert die Mitgliedsstaaten der UN auf, ihrer Verpflichtung zur straf­rechtlichen Verfolgung von Tätern nachzukommen, und stellt auch in Aussicht, im Rah­men länderspezifischer Sanktionen auch Sanktionen gegen Konfliktparteien zu prüfen. Der Sicherheitsrat der UN – Frau Kollegin Muttonen hat es schon angesprochen – hat jetzt auch strengere Maßnahmen zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt durch Mit­glieder von UN-Friedensmissionen beschlossen, nachdem kürzlich Vorfälle bekannt ge­worden sind, dass auch UN-Soldaten Missbrauch begangen haben.

Ich muss es an dieser Stelle sagen: Ich halte es wirklich für schändlich, wenn Soldaten, die zum Schutz von Frauen und Kindern in die Krisenregionen geschickt werden, dann selbst zu Tätern werden. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren, und deshalb unter­stützen wir auch diesen Antrag. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.19.33

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Außenminister! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Hoher Nationalrat! Tagesordnungspunkt 6 betrifft einen Antrag der Regierungsparteien, um dem Herrn Außenminister etwas mit auf den Weg zu geben, nämlich dass er sich in der EU dafür einsetzen möge – vielleicht hört mir der Herr Außenminister auch zu (Abg. Rädler: Was will er sagen, der Hagen?!) –, die Ent­wicklungsgelder entsprechend einzusetzen, und zwar nicht für irgendeine Regierung, son­dern nur für humanitäre Zwecke.

Das ist meiner Ansicht nach so in Ordnung. Wir vom Team Stronach sind ja ohnehin der Meinung, dass die Konflikte vor Ort gelöst werden müssen, dass wir dort die Maß­nahmen setzen müssen, damit dann nicht die Völkerwanderung, wie wir sie jetzt teil­weise erleben, einsetzt. Es ist also wichtig, vor Ort zu helfen, aber richtig zu helfen, nicht nur die Gelder hinzuschicken, damit diese in korrupten System verschwinden, son­dern wir müssen direkt der Bevölkerung vor Ort helfen, damit diese dort eine Chance hat zu überleben und nicht flüchten muss.

Auch dem Tagesordnungspunkt 7, dem Antrag der Grünen, werden wir zustimmen, er hat seine Berechtigung. Die sexuelle Gewalt ist in Kriegsgebieten mittlerweile ein Mittel


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 102

der Kriegsführung – und dies ist eines der schlimmsten Mittel der Kriegsführung. Aus diesem Grund muss dagegen vorgegangen werden; auch dieser Antrag hat also seine Berechtigung.

Ich weiß natürlich, dass es auf diplomatischer Ebene nicht gerade leicht ist, solche Verbrechen zu verhindern, aber man muss alle Mittel ergreifen, die man ergreifen kann, um diese furchtbaren Zustände und schweren Verbrechen zu bekämpfen, und wenn nur ein Fall dadurch verhindert wird, dann ist es schon positiv.

Wir stimmen auch für den Entschließungsantrag, über den ebenfalls unter diesem Tages­ordnungspunkt abgestimmt wird, weil er in eine ähnliche oder die gleiche Richtung geht; auch dieser wird von uns natürlich befürwortet.

Ebenso werden wir dem Entschließungsantrag der Kollegin Windbüchler-Souschill zu­stimmen, in dem vorgeschlagen wird, die Entwicklungsgelder nicht einzufrieren, son­dern für humanitäre Zwecke zu verwenden; auch dieser hat seine Berechtigung. Also: viermal Zustimmung vom Team Stronach für vernünftige Lösungen. (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Pendl.)

14.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


14.22.08

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Es be­steht kein Zweifel, dass man in einer zivilisierten Gesetzgebung diesem Antrag, in dem es um Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen an Kindern oder an Frauen geht – egal, wo auf der Welt dies stattfindet –, zustimmen würde.

Auf der anderen Seite muss man allerdings aufpassen, wem man das Mäntelchen um­hängt, und ich habe mich diesbezüglich doch über den Inhalt des Antrags geärgert, weil dabei ein Land herausgegriffen wird, nämlich die Demokratische Republik Kongo, und mit tatsächlichen Vorfällen, die aber bereits 2010 und früher geschehen sind, ar­gumentiert wird. (Zwischenruf der Abg. Windbüchler-Souschill.)

Da machen wir uns als Parlament unglaubwürdig und lächerlich, denn diese Staaten und deren Vertreter sind natürlich auch sehr sensibel. Auch wir würden es uns nicht gefallen lassen, dass man uns in der heutigen Zeit aufgrund falscher Recherchen be­schuldigt. (Abg. Windbüchler-Souschill: Sexuelle Gewalt gibt es also nicht dort?)

Ich möchte sagen: Die im Antrag beschriebene Entwicklung mit der M23 war tatsäch­lich so, dass es im Jahr 2012/2013 dort schwere Kämpfe gegeben hat (Abg. Wind­büchler-Souschill: Sie widersprechen Ihren Frauen…!), aber unter der Leitung des Deutschen Kobler, der von der UNO eingesetzt worden war, wurden zusammen mit Truppen aus der Demokratischen Republik Kongo – geleitet von François Olenga, der in Köln sozialisiert worden ist, er hat dort, nach unserer Sprechart, ein Beisl geführt – diese Rebellen zurückgedrängt und auch vernichtet. Die M23 gibt es zum Glück heute nicht mehr.

Der Osten Kongos ist natürlich immer noch ein Unruhegebiet, aber die Aussage, die im Antrag steht, dass dort täglich oder sogar stündlich 50, 60 Menschen vergewaltigt wer­den, kann man so nicht unterschreiben. Ich sage das deswegen, weil es verantwor­tungslos ist, so zu agieren. Schließlich hat Österreich dort massive Wirtschaftsinteres­sen, was aber offensichtlich das Außenministerium in keiner Weise interessiert.

Wir sprechen von aktiver Außenpolitik und vernachlässigen dann, dass ein Konzern aus Österreich, die Firma ANDRITZ, dort das größte Kraftwerk Afrikas bauen will. Da­bei stehen hunderte Arbeitsplätze in der Steiermark auf dem Spiel, womit dermaßen fahrlässig umgangen wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 103

Damit ich da nicht falsch verstanden werde: Das ist in keiner Weise eine Beschönigung der Situation oder der Zustände, aber dann müssen wir weiter zurück in das Jahr 1994, als am 6. April 1994 in Ruanda der Völkermord begonnen hat – diese Dinge sind tat­sächlich geschehen, und sie geschahen in einer Art und Weise, die wir uns nicht vor­stellen können –: eine planmäßig durchgeführte Aktion, um systematisch eine Million Men­schen zu ermorden.

Ich spreche das deswegen an, weil wir immer so lapidar von Entwicklungshilfe spre­chen und davon, dass sich Österreich engagieren sollte, auch das Ministerium wird auf­gefordert, eine Protestnote anzubringen, doch man muss auch heute noch die dama­lige Rolle der UNO hinterfragen. Damals hätte General Roméo Dallaire – der Holländer war General der UNO-Truppen – diesen Völkermord mit leichtem Einsatz verhindern können. Das hat er auch nach New York geschrieben, und bis heute ist nicht klar, wa­rum die Truppen dort reduziert beziehungsweise behindert worden sind. Frankreich, Belgien, Großbritannien, aber auch die USA haben dort eine Rolle gespielt, die bis heute nicht ganz aufgeklärt ist.

Tatsache ist, dass in diesen Regionen eine durchaus sensible Lage mit vor allem eth­nischen Spannungen herrscht, und wenn wir uns dort wirklich einmischen wollen und ihnen von Wien aus lapidar Wünsche und irgendwelche Vorschläge ausrichten, dann darf ich doch darauf hinweisen, dass dies auch mit geringen Mitteln tatsächlich funktio­nieren könnte.

Deutschland macht uns das vor: Das deutsche Außenamt beauftragt Elder Statesmen, wenn Sie so wollen – altgediente Diplomaten, Politiker, aber auch Wirtschaftstreiben­de, die über Jahrzehnte dort Einfluss haben, teilweise auch schon die Väter der heuti­gen Präsidenten kennen –, die sie in die Region schicken. Diese versuchen jetzt, ge­nau dort in Burundi – weil wir ja auch über Burundi sprechen – das Schlimmste zu ver­hindern, und es scheint zu gelingen.

Ähnliches könnte natürlich auch Österreich in einer kreativen Art und Weise aus dem Außenministerium heraus bewerkstelligen. Ich persönlich habe das schon oft angeregt, stoße aber auf taube Ohren. Wenn es bessere Ideen gäbe, dann könnten wir darüber diskutieren, aber es kommt gar nichts, bis auf Anträge, wonach man vielleicht Burundi einen guten Ratschlag geben sollte, doch mit diesen Unruhen aufzuhören.

Das wird zu wenig sein, und mit schlecht recherchierten Geschichten machen wir uns – als Parlament, aber auch als Republik Österreich – lächerlich und schaden natürlich mas­siv Interessen, wie bei dem geschilderten Fall. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.27

14.27.20

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: die dem Ausschussbe­richt 1034 der Beilagen beigedruckte Entschließung betreffend die gewaltsamen Un­ruhen in Burundi.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 130.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Burundis Zivil­bevölkerung braucht Unterstützung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 104

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 7.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, seinen Bericht 1038 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 786/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1038 der Bei­lagen beigedruckte Entschließung betreffend österreichischen Beitrag zur Unterstüt­zung der Opfer von Kriegsverbrechen und der Verfolgung und eindeutigen Benennung von Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 131.)

14.29.008. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Bürgerinitiative Nr. 7/BI: „Ös­terreichische Staatsbürgerschaft für Süd-Tiroler“ (1035 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


14.29.20

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinitiative zur Doppelstaatsbür­gerschaft für Südtiroler wurde von über 22 000 Menschen unterstützt, direkt hier im Parlament eingebracht und übergeben.

Seit 2011 – und das ist doch schon ein langer Zeitraum – wurde intensiv diskutiert. Es gab einen intensiven politischen Austausch im Ausschuss für Petitionen und Bürgerini­tiativen, im Unterausschuss Südtirol, aber auch im Außenpolitischen Ausschuss. Dazu gab es ein Hearing, bei dem die unterschiedlichen Positionen eingehend geprüft und beraten wurden.

Natürlich gab es auch politische Gespräche mit Südtirol auf allen politischen Ebenen – auf Landtagsebene und auch auf bilateraler Ebene.

Insgesamt hat diese Bürgerinitiative meiner Meinung nach viele Emotionen mit sich ge­bracht, wurde aber durchaus, so glaube ich, umfassend diskutiert. Somit haben wir mei­ner Ansicht nach hier alles, was wir machen konnten, getan.

Die aktuelle Faktenlage und Situation zeigt, dass derzeit dem Wunsch der Bürgerini­tiative nach der doppelten Staatsbürgerschaft nicht entsprochen werden kann: Es gibt einfach keinen politischen Konsens und auch keine politischen Mehrheiten, diese Re­alität müssen wir zur Kenntnis nehmen. Es gibt in Südtirol Befürworter, aber auch Geg­ner, welche diese doppelte Staatsbürgerschaft kritisch sehen und auch ablehnen. Auch in Österreich gibt es Menschen, die dieser Doppelstaatsbürgerschaft positiv gegen­überstehen, weil sich dadurch auch eine Bindung an das Vaterland Österreich ergibt, aber es gibt ebenso Kritiker, die vor den Folgewirkungen warnen. Insgesamt ist meiner Meinung nach ganz klar: Dieser Wunsch aus Südtiroler Sicht bleibt bestehen, und es wird weiter Diskussionen geben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 105

Unser ehrliches Bemühen und unsere Verpflichtung ist es, dass wir uns trotz dieser Situation klar zu Südtirol bekennen und die Anliegen der Südtiroler ernst nehmen. Pri­orität hat, wie bereits in der Vergangenheit, die Schutzfunktion aus dem Jahre 1946: Der Pariser Vertrag war bisher eine unverrückbare Grundlage und muss dies auch in Zukunft sein.

Die derzeit laufenden Verhandlungen zur Verfassungsreform in Italien bringen es mit sich, dass es durchaus zu Kompetenzverschiebungen kommen kann. Trotz ausgehan­delter Schutzklausel soll es im Zuge der Verfassungsreform zu keinen Verschlechte­rungen für die autonomen Provinzen und Regionen in Südtirol kommen, vielmehr soll eine Dynamisierungsklausel neue Kompetenzen vom Staat in die Regionen bringen.

Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag betreffend die Schutzfunktion wollen wir uns im österreichischen Parlament einen klaren Auftrag für die Zukunft geben. Es geht um eine eigenständige und positive Weiterentwicklung von Südtirol und um eine starke, ak­tive Europaregion Tirol. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krist. – Bitte.

 


14.32.50

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Bürgerinitiative für die österreichische Staatsbürgerschaft und somit die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler beschäftigt uns – Hermann Gahr hat es gesagt – seit dem Jahr 2011. Es ist eine Initiative einer Landtagspartei und nicht des gesamten Landtages oder der Landesregierung von Süd­tirol, daran hat sich bis heute aus meiner Sicht auch nichts geändert.

Somit beschäftigt uns das Thema seit über vier Jahren, in vielen offiziellen Gesprä­chen, in vielen bilateralen Gesprächen, in vielen privaten Gesprächen – viele von uns im Unterausschuss Südtirol haben freundschaftliche Beziehungen nach Südtirol, pfle­gen die regelmäßig und führen natürlich auch entsprechende Gespräche. Wir haben Ex­perten angehört, wir wissen, dass es grundsätzlich die Möglichkeit zur Erlangung die­ser Doppelstaatsbürgerschaft gäbe, allerdings müssten neben internationalen Verein­barungen auch einige unserer Gesetze geändert werden. Natürlich würde das dann Fol­gen für andere Minderheiten nach sich ziehen.

Die SVP Schweiz fordert zum Beispiel aktuell die Abschaffung der Doppelstaatsbür­gerschaft. Die SVP Südtirol ist sich seit Jahren nicht wirklich einig in der Behandlung dieses Themas. Der Südtiroler Landeshauptmann außer Dienst, Durnwalder, hat ein­mal gesagt, wenn die Möglichkeit bestünde, dann wäre er der Erste, der darum ansu­chen würde, allerdings weiß er um die schwierige Thematik bezüglich Anspruchsbe­rechtigung und Ausgestaltung. Der aktuelle Landeshauptmann Kompatscher sagt: Das ist kein prioritäres Thema für Südtirol, wichtiger ist die weitere dynamische Entwicklung und größtmögliche Sicherung der Autonomie von Südtirol. Einzelne Landtagsabge­ordnete sprechen von einer Light-Version der österreichischen Staatsbürgerschaft, weil es sich ja in erster Linie um ein Herzensanliegen handelt und man sich weniger an Rechten und Pflichten orientieren sollte.

Andere Abgeordnete wollen aber sehr wohl ein Mandat mit Sitz und Stimme hier im ös­terreichischen Nationalrat für die Südtiroler – um nur um einige wenige Beispiele für Positionen zu nennen.

Es gibt also höchst unterschiedliche Wünsche, viele verschiedene Positionen – man­che in Südtirol lehnen dieses Ansinnen als nicht zeitgemäß überhaupt ab –, jedenfalls gibt es bis heute keine präzise formulierten und schon gar nicht offiziell manifestierten Vorschläge oder Ansuchen von der Südtiroler Landesregierung bezüglich der An­spruchsberechtigungen oder der genaueren Ausgestaltung dieser Doppelstaatsbür-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 106

gerschaft. Mit Sicherheit – davon bin ich überzeugt – birgt dieses Thema erhebliches Spaltungspotenzial innerhalb Südtirols und auch Italiens. Rückblickend kann ich mich auch erinnern, dass mich 2012 der damalige italienische Botschafter zu einem Ge­spräch eingeladen und seine Sorgen sowie Bedenken bezüglich dieses Ansinnens ge­äußert hat.

Dass uns Südtirol sowie die Südtirolerinnen und Südtiroler wichtig sind, betonen wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass wir die Weiterentwicklung der Autonomie inter­essiert und aufmerksam mitverfolgen und begleiten, ist ein Faktum, und dass sich das Land Südtirol im Bedarfsfall hundertprozentig auf Österreich verlassen kann, ist eine Tatsache.

Für den Wunsch nach einer Doppelstaatsbürgerschaft für die Südtiroler sehen wir aber aus den zuvor von mir genannten Gründen weder kurz- noch langfristig eine Chance auf Verwirklichung. Ich denke, dass es nach vier Jahren ehrlich geführter Diskussion Zeit ist, das auch einmal klar auf den Tisch zu legen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Willi.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


14.36.20

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Südtiroler Landsleute! Das Thema Südtirol hat wieder ein­mal Eingang in das österreichische Parlament gefunden. Vor fünf Jahren hat eine en­gagierte Gruppe Unterschriften gesammelt – 2 500 davon in Südtirol und 20 000 Unter­schriften in Österreich –, um dem Wunsch nach einer österreichischen Staatsbürger­schaft zusätzlich zur italienischen Ausdruck zu verleihen. Dies hat überraschend viele Emotionen ausgelöst, weil damit das Argument, Österreich würde Südtirol gar nicht mehr wollen, eindrucksvoll widerlegt wurde, schließlich kam die Mehrheit der Unter­schriften aus Tirol, wo ein Herr Dr. Khol gesagt hat, die Tiroler mögen die Südtiroler nicht mehr. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist der Grund dafür, warum wir heute eigentlich nicht gegen diesen Trend im Parlament eine Entscheidung herbeiführen wol­len.

Es war die Südtiroler Volkspartei, die in den Jahren 2005 und 2006 die Idee einer dop­pelten Staatsbürgerschaft aus wahltaktischen Gründen in Südtirol lanciert und darauf­hin Herrn Dr. Khol angeschrieben hat, er möge sich doch dafür einsetzen, die gesetz­lichen Grundlagen dafür hier im Parlament zu schaffen. Herr Dr. Khol hat Herrn Dr. Zel­ler zurückgeschrieben, er werde alles Erdenkliche dazu tun, das tatsächlich auf Schie­ne zu bringen (Abg. Rädler: Na, schau!), und heute ist er der Erste, der sagt – und das als Bundespräsidentschaftskandidat –: Diese doppelte Staatsbürgerschaft ist ein Blöd­sinn! (He-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Tut er nicht!) Das ist Herr Dr. Khol, wie er leibt und lebt, und da haben wir Freiheitliche gesagt, da stimmen wir nicht mit. (Abg. Prinz: Man merkt, dass eine Wahl ansteht! – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Wir sind auch bei der Beschlussfassung, auch im Südtirol-Unterausschuss, gegen die vom Ausschuss gefasste Entscheidung gewesen, die doppelte Staatsbürgerschaft ab­zulehnen. Wir sind auch im Ausschuss dagegen gewesen, und ich halte für das Proto­koll eindringlich fest, dass die Freiheitliche Partei dieser doppelten Staatsbürgerschaft nach wie vor ein Gutes abgewinnen kann (Beifall bei der FPÖ – Zwischenrufe der Ab­geordneten Rädler und Lausch), nämlich die Vertiefung der Verbindung der Südtiroler zum Vaterland Österreich.

Das ist eine wichtige Entscheidung für sehr viele Menschen in Südtirol. Wir wollen kei­ne Verpflichtung, wir wollen nicht unterscheiden zwischen guten und schlechten Südti­rolern, sondern diejenigen, die das haben wollen, sollen es auch – nach italienischer Ver­fassung derzeit möglich – haben können. Das ist es, was wir wollen! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 107

Zurzeit gibt es viele Fragen in Südtirol zu lösen, auch aufgrund der Verfassungsreform, die derzeit ansteht, und dadurch, dass eine Gefährdung der Autonomien im Raum steht.

Das ist der Grund dafür, warum wir heute den Antrag vorliegen haben, den wir natür­lich mittragen werden; aber es wird nicht so sein, dass einige Punkte der Südtirolpolitik mit dem heutigen Beschluss von der Tagesordnung kommen sollen. Das Recht auf Selbstbestimmung in Südtirol, das auch in der Streitbeilegungserklärung hier im Parla­ment beschlossen wurde, muss nämlich auch in Zukunft gelten.

Es muss auch in Zukunft gelten, dass dezidiert das Autonomiestatut durch die Schutz­machtfunktion Österreichs abgesichert ist. Das wird nicht so sein, wenn bei den der­zeitigen Gesprächen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein drittes Autonomie­statut herauskommt, denn dann würde laut Rechtsgutachten vieler Völkerrechtsexper­ten die Schutzmachtfunktion Österreichs wegfallen – und mancher der hier anwesen­den Politiker will, dass das eine inneritalienische Angelegenheit wird. Wir Freiheitliche sagen hier heute klipp und klar: Wir wollen das nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß auch, dass der österreichische Außenminister Kurz betreffend diese Situation eindeutig im Ausschuss gesagt hat, dass er hier die Schutzmacht vertreten will – da­rum weiß ich eigentlich nicht, warum wir heute diesen Antrag zu beschließen haben, da ja ohnehin ex lege gilt, dass sich Österreich als Schutzmacht für die Südtiroler einzu­setzen hat. Sollte es heute eines zusätzlichen Antrags bedürfen, werden wir natürlich gerne zustimmen, notwendig wäre er dezidiert nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines noch: Wenn es so ist, dass die Menschen ob dieser heutigen Beschlussfassung glauben, dass Österreich Südtirol nicht mehr mag, wie ich das letzte Woche bei einer Podiumsdiskussion in Bozen gehört habe – an dieser Diskussion haben viele der ein­geladenen Klubobleute nicht teilgenommen, offenbar, weil sie vor der Öffentlichkeit, die dort vertreten war, Angst hatten –, dann muss man schon eines sagen: Österreich mag Südtirol nach wie vor; einige Parteienvertreter haben offenbar den Kontakt nach Süd­tirol verloren.

Wir Freiheitlichen werden auf jeden Fall eines versprechen: Sollte es die freiheitliche Fraktion hier im Parlament schaffen, nach der nächsten Wahl in Regierungsgespräche zu kommen, dann wird das Thema Südtirol ein Verhandlungsgegenstand sein, ob Sie das wollen oder nicht, und dann wird die doppelte Staatsbürgerschaft hier beschlossen werden, ob Sie das wollen oder nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Willi. – Bitte.

 


14.42.48

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Doppelte Staatsbürgerschaft für SüdtirolerInnen: Südtirol hat 520 000 Ein­wohner, davon fühlen sich ungefähr 320 000 der deutschsprachigen Volksgruppe zuge­hörig, gut 21 000 der ladinischsprachigen und der Rest der italienischsprachigen.

Es gab nun diesen Wunsch nach der doppelten Staatsbürgerschaft, und ich bin froh darüber, dass wir dem heute nicht nähertreten. Das ist ein Ausdruck besonnener Au­ßenpolitik, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens, es ist schwer abzuklären, wer Anspruch auf diese doppelte Staatsbürger­schaft hat, und letztlich würde das einen Keil in die Südtiroler Gesellschaft treiben: die einen, die sie bekommen, und die anderen, die sie nicht bekommen.

Zweitens, wir alle wollen zusammen mit Südtirol die Autonomie weiterentwickeln. Man stelle sich vor, wir bieten die doppelte Staatsbürgerschaft an und nur ein Teil der Süd­tiroler fragt diese Staatsbürgerschat nach – dann würde Italien sagen: Wozu sollen wir


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 108

denn die Autonomie weiterentwickeln? Die Südtiroler sind so zufrieden damit, wie es jetzt ist, da fragt ja nur ein Teil diese Staatsbürgerschaft nach! Lassen wir bei der Auto­nomie alles, wie es ist! (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Es würde also jeglicher Druck, die Autonomie an moderne Verhältnisse des 21. Jahr­hunderts anzupassen, wegfallen.

Drittens, wir leben in einem geeinten Europa, und das Sammeln von nationalen Staats­bürgerschaften innerhalb Europas macht ja keinen Sinn. Wir sollten in Richtung Beto­nung der europäischen Staatsbürgerschaft gehen; daher sagen wir: Gut, dass wir in dieser Frage eine besonnene Außenpolitik machen.

Herr Außenminister, jetzt komme ich aber zu einem anderen Thema, zu einem Thema, bei dem keine besonnene Außenpolitik gemacht wird (Ruf bei der ÖVP: Oje!): Rund um die Flüchtlingsfrage (Zwischenrufe der Abgeordneten Schönegger und Rädler) ist in Österreich etwas passiert, da dreht es mir den Magen um. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Unter anderem!

Ich möchte jetzt einige Zitate bringen, die diesen gewaltigen 180-Grad-Schwenk doku­mentieren: Ich zitiere den Herrn Bundeskanzler, der noch vergangenen Herbst gesagt hat: „Balken auf für die Menschlichkeit“, „Zäune haben keinen Platz in Europa“, „Auf­einanderzugehen ist in der europäischen Politik unverzichtbar“ – drei Zitate von Bun­deskanzler Faymann. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Schönegger: Zur Sache!)

Vizekanzler Mitterlehner hat gesagt – ich zitiere –: „Es ist christlich-sozial, sich nicht weg­zuducken, sondern anzupacken“. (Abg. Schönegger: Zur Sache!)

Nächstes Zitat: „Wir reden nicht über Ware“ (Zwischenruf bei der ÖVP) – ja, es ist Ih­nen unangenehm, ich weiß (Zwischenruf des Abg. Mölzer) –, wir reden nicht über Ma­terial, wir reden nicht über Menschen erster, zweiter oder dritter Klasse, sondern wir re­den über den ersten Punkt der Deklaration für Menschenrechte: Jeder Mensch ist an Rechten und Würde gleich.“ (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – So Vizekanzler Mitterleh­ner!

Jetzt, im Frühjahr, hört sich das aus dem Munde von Bundeskanzler Faymann so an: Die „Zeit des Durchwinkens ist vorbei“, sagt einer der Oberdurchwinker. „Wir sind nicht das Wartezimmer Deutschlands“. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Und der Herr Vizekanzler sagt: „Wir müssen von dieser Willkommenskultur (…) weg­kommen“, und: „Es müssen weniger Flüchtlinge werden – bis zum Nullpunkt.“ (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Da sieht man, wie Sie von einer christlich-sozialen Partei und von der Sozialdemokra­tischen – angeblich solidarischen – Partei einen 180-Grad-Schwenk gemacht haben (Bei­fall bei den Grünen), und zwar wegen dieser Partei, wegen der Blauen. (Zwischen­ruf des Abg. Rädler.) Herr Jochen Andreas Weichert – das ist der Chef der Piefke Con­nection; das sind 5 000 Deutsche, die zum Teil in führenden Positionen in Österreich arbeiten – wird heute in den „Salzburger Nachrichten“ zitiert (Abg. Schönegger: Zur Sache!), er sagt, dass ÖVP und SPÖ „Phrasen (…) in den Mund nehmen, die zu­vor nur von Strache zu hören waren“. – Genau!

Sie sind vor den Blauen eingeknickt und haben Ihren Weg einer europäischen, einer weltoffenen Außenpolitik verlassen. (Abg. Hafenecker: Um Südtirol geht’s! – Zwi­schenruf des Abg. Rädler.) Herr Außenminister, ich finde das wirklich erbärmlich! (Abg. Hafenecker: … wenn man nicht weiß, wozu verhandelt wird!)

Ich schließe: Wir haben heute den Saint Patrick’s Day. Weltweit gibt es 80 Millionen Iren beziehungsweise Menschen irischer Abstammung. Wenn Ihre Haltung für diese Iren gegolten hätte, zum Zeitpunkt, zu dem sie – vielfach als Wirtschaftsflüchtlinge – ihr


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Land verlassen haben, weil sie nichts mehr zum Leben gehabt haben (Abg. Haider: 
… Einwanderungsland! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ),
dann wären diese Iren wahrscheinlich in den Ozeanen versunken, vor den Küsten jener Staaten, in denen sie heute leben: in den USA, in Kanada und so weiter.

Denken Sie am Saint Patrick’s Day an die Iren und daran, wie andere Länder mit den Iren verfahren sind! (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Wir sollten Menschlichkeit walten lassen und eine besonnene Außenpolitik machen, so wie in der Südtirolfrage! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: … Themenverfehlung!)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ha­gen. – Bitte.

 


14.48.31

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich wieder zu Südtirol kommen, nachdem hier ein Schwenk in die weite Welt gemacht wurde. Ich möchte damit beginnen, dass die Schutzmachtfunktion Österreichs hier in den Vordergrund gestellt werden sollte.

Wir haben – und das ist, glaube ich, unbestritten –, quer über alle Parteien, eine Schutz­machtfunktion für Südtirol, für die Südtiroler; diese haben wir übernommen, und diese steht für uns fest. Wenn es da eine Bürgerinitiative gibt – und wir haben es ja gehört: vor fünf Jahren wurden diese Anregungen betreffend doppelte Staatsbürgerschaft ein­gebracht –, dann ist es schon etwas verwerflich, wenn wir als Schutzmacht erst fünf Jahre später darüber diskutieren, obwohl die Bürger klar ihre Meinung und ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass es nicht so einfach ist, 22 000 Unterschriften für ein Anliegen zusammenzubekommen und das im Parlament einzubringen.

Meine Damen und Herren! Das hat eine Riesenorganisation gefordert, da stehen sehr viele Leute dahinter, und das ist Herzblut, das da drinsteckt. Deswegen hat das öster­reichische Parlament die verdammte Pflicht, das hier auch früher zu behandeln und richtig zu behandeln, meine Damen und Herren! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Neubauer.)

Lassen Sie mich kurz auf die doppelte Staatsbürgerschaft eingehen! Ich habe es im Ausschuss schon erklärt: Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn wir das jetzt vergleichen: Die Steirer und die Kärntner hatten nach dem Zweiten Weltkrieg die Wahl­möglichkeit, ob sie lieber zu Slowenien oder zu Österreich gehören wollen, sie wurden gefragt, deswegen hat die Grenze da unten so eine Zickzackform.

Die Südtiroler wurden nicht gefragt, da ist man drübergefahren; sie wurden gezwun­gen, italienische Staatsbürger zu werden, und ihnen wurde die österreichische Staats­bürgerschaft entzogen, meine Damen und Herren. Das macht einen deutlichen Unter­schied. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Doppler.)

Betreffend diesen Unterschied möchte ich noch ein Beispiel bringen und erklären, wa­rum es mir so ein großes Anliegen ist, dass die Südtiroler die doppelte Staatsbürger­schaft bekommen, und zwar die deutschstämmigen, die österreichstämmigen Südti­roler. Heute ist es ja so, dass es Leute gibt, die beide Staatsbürgerschaften haben, die italienische und die deutsche beziehungsweise die österreichische, und da bringe ich ein Beispiel aus meiner Familie: Meine Tochter hat vor eineinhalb Jahren ein Kind ge­boren, eine Tochter – ich bin also Großvater in jungen Jahren (Ruf bei der SPÖ: Gra­tuliere! – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen) –, und der Papa dieses Kindes ist Italie­ner, die Tochter ist Österreicherin. Es ist ganz einfach, dass meine Enkeltochter beide Staatsbürgerschaften bekommt; die Eltern müssen nur in Italien darum ansuchen, und dann bekommt meine Enkeltochter auch die italienische Staatsbürgerschaft.


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Wieso ist das aber ein so großes Problem, wenn es um die Südtiroler geht, die die ös­terreichische Staatsbürgerschaft ja nicht freiwillig abgegeben haben? Das frage ich mich immer wieder, und ich bekomme nie eine befriedigende Antwort. Also, meine Da­men und Herren, diesen Beschluss könnten wir ganz einfach fassen. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Wir würden uns nicht eine Zacke aus der Krone schlagen, sondern es wäre eine logische Sache: Wenn meine Enkeltochter heute die italienische Staatsbür­gerschaft bekommt, dann wäre es überhaupt kein Problem, wenn diejenigen, die von Geburt an das Recht haben, nämlich ehemalige Österreicher, denen die Staatsbürger­schaft durch einen politischen Schlag – das muss ich sagen: einen weltpolitischen Schlag – entzogen worden ist, die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen. Des­wegen sollten wir diese doppelte Staatsbürgerschaft unterstützen und nicht lächerlich machen wie Herr Walser von den Grünen! (Beifall beim Team Stronach sowie der Ab­geordneten Hafenecker und Neubauer.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


14.52.32

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreichische Staatsbür­gerschaft für Südtiroler, Doppelstaatsbürgerschaft: Es gibt viele Menschen in Südtirol, die gerne die österreichische Staatsbürgerschaft hätten. Warum? – Weil ihnen gegen ihren Willen die österreichische Staatsbürgerschaft entzogen wurde; weil viele Südtiro­lerinnen und Südtiroler ihre Wurzeln in Österreich haben; weil Österreich eine Schutz­funktion gegenüber Südtirol hat; weil für viele Südtirolerinnen und Südtiroler Österreich die Heimat ist, ihr Vaterland.

Die Republik Österreich gewährt ja auch anderen Menschen, wie zum Beispiel jenen im brasilianischen Dreizehnlinden, die österreichische Staatsbürgerschaft – der ehe­maligen österreichischen Bevölkerung und ihren Nachkommen (Zwischenruf bei der ÖVP) –, und in diesem Sinne müssten auch die Menschen in Südtirol behandelt werden.

Ich glaube, dieser Antrag des Kollegen Neubauer ist vollkommen richtig, und wir unter­stützen diesen Antrag selbstverständlich. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Wer ist „wir“? – Abg. Doppler – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Gerhard und ich! – Abg. Schönegger: Die Frage ist: Wer ist wir?)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


14.53.50

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde schon gesagt, seit 2011 diskutieren wir über diese Bürgerinitiative. Kollege Hagen hat hier gesagt, es wurde zu diesem Thema we­nig diskutiert. Ich möchte schon darauf hinweisen, dass wir sehr viel und eingehend diskutiert haben, dass wir mit den Kollegen und Kolleginnen aus dem Südtiroler Land­tag, die bei uns im Parlament zu Gast waren, diskutiert haben, dass wir nach Südtirol gefahren sind, dass es Rechtsgutachten gegeben hat – zu diesem Thema, zu der Fra­ge der Staatsbürgerschaft, dazu, was die Rechtsfolgen in Bezug auf sozialrechtliche Fra­gen, in Bezug auf wahlrechtliche Fragen sind. All dies wurde erörtert, wurde auch durch Expertisen untermauert.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn es zu keinem Konsens gekommen ist und die­se Bürgerinitiative jetzt nach fünf Jahren mehr oder weniger abgeschlossen wird, dann heißt das nicht – und es wurde schon einige Male hier betont –, dass wir die Südtirol-


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frage abschließend behandeln. Wir haben hier im Parlament einen Unterausschuss, der Südtirol zum Thema hat, eingerichtet. Wir werden selbstverständlich immer wieder über Südtirol diskutieren, über die Weiterentwicklung der Autonomie der Südtiroler Lands­leute.

Dazu ist zu sagen – und ich bin Mitglied des Europarats –: Immer wieder wurde die Au­tonomie Südtirols als großes, als gutes Beispiel herangezogen, dass diese autonome Region in Europa mehr als beispielgebend ist, dass die Leute, die in dieser Region woh­nen, sehr davon profitiert haben – das kann man sagen –, dass heute Südtirol zu ei­nem der prosperierendsten Länder Europas gehört, dass mit diesem Autonomiestatut auch für die Menschen in Südtirol viel erreicht wurde – und darum muss es uns ja ge­hen.

Es muss uns darum gehen, dass es den Menschen nördlich und südlich des Brenners gut geht, dass man gut über die Grenzen fahren kann und dass es die Schutzmacht­funktion, die wir als Österreicher garantieren, weiterhin gibt und dass diese auch aus­gebaut wird. In diesem Sinne sollen wir weiterarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Schmid zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, werden Sie Ihre Redezeit von 3 Minuten einhalten? (Abg. Gerhard Schmid – auf dem Weg zum Rednerpult – nickt bestätigend.) – Gut, bitte. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

 


14.56.26

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Zur Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler: Als Ergebnis der Kriegswirren ging Südtirol als Teil Österreichs verloren. Für die Bevölkerung Süd­tirols ging auf diesem Wege auch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. So wie die Südtiroler zu Österreich standen und stehen, so hat auch Österreich zu den Südtirolern zu stehen (Beifall des Abg. Doppler), entsprechende Abkommen hierfür sind der Beweis. Brauchtum und die gemeinsame Muttersprache stellen weitere Ge­meinsamkeiten dar.

Wenngleich die EU den Wegfall von Grenzbalken ermöglicht hat, gilt Südtirol leider als Ausland. Südtirol hat unter italienischer Hoheitsverwaltung sukzessive an Selbständig­keit verloren, die deutschsprachige Bevölkerung wurde mit einer gezielten Umsiede­lung hin zum Italienischen unterwandert. Österreich steht gegenüber Südtirol in der Pflicht. Die Zwangsbeglückung der Südtiroler mit der italienischen Staatsbürgerschaft ist Realität.

Die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft stellt ein Bekenntnis zu Südtirol und dessen Stammbevölkerung dar. Diese gesetzliche Grundlage gilt es zu schaffen, und somit ist dem gegenständlichen Antrag zuzustimmen. – Danke. (Beifall beim Team Stro­nach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.58

14.58.07

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1035 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Schutzfunktion Österreichs für Südtirol.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 132.)


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14.58.449. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1476/A(E) der Abge­ordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine EZA-Leistungen für bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger unkooperative Entwick­lungsländer (1036 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Ich unterbreche aber die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 9 gleich wieder.

14.59.22Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Die kurze Debatte betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Strache, dem Verfas­sungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1573/A der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr eine Frist bis 26. April 2016 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesre­gierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


15.00.03

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit einiger Zeit gibt es ja den einen oder anderen Vorstoß vonseiten der Europäischen Union, der Europäischen Kommission sowie di­verser Kreise, das Bargeld abzuschaffen und Zwischenschritte auf diesem Weg zu set­zen. Ich sage, das ist eine durchschaubare Finte, wenn heute behauptet wird, die Ein­schränkung von Bargeldzahlungen diene der Verhinderung von Geldwäsche; das wur­de auch immer wieder als Argument verwendet.

In Wirklichkeit ist das, was man da vorhat, eine weitere Entmündigung der Menschen, der Bürger, und es geht offensichtlich auch um einen weiteren Schritt, den man plant, um den gläsernen Bürger zu schaffen. Wir haben daher diese Entwicklung, die da droht, ernst zu nehmen und alles zu unternehmen, um eine Bargeldabschaffung zu verhin­dern. Ich appelliere daher auch an alle hier im Hohen Haus, entsprechende verfas­sungsrechtliche Schritte zu setzen, damit es nicht zu diesem Anschlag kommen kann. (Präsidentin Bures übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Europäische Union versucht ja immer unverschämter, jeden Lebensbereich ihrer Einwohner zu regulieren und zu kontrollieren. Das haben wir ja leider Gottes schon in vielen Bereichen erleben müssen, nach dem Motto, der „Große Bruder“ will alle Bür­gerrechte so weit wie möglich einschränken, mehr Kontrolle übernehmen und den glä­sernen EU-Bürger schaffen. Ich sage: Nein! Da geht es um Grundrechte, um Bürger­rechte, um die Freiheit des Einzelnen, und gerade wir haben auch Sorge dafür zu tra­gen, dass es nicht dazu kommt, dass die österreichische Bevölkerung Entscheidungen


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zu ihrem Nachteil erleiden muss, weil wir untätig bleiben. (Beifall bei FPÖ und Team Stro­nach.)

Zudem geht es auch darum, dass man offenbar die Kontrolle über private Vermögen und Ersparnisse sicherstellen und dann letztlich auch ungehindert auf diese Erspar­nisse zugreifen will, da man, sollte das Bargeld abgeschafft werden, direkt auf das Konto zugreifen kann. Das wollen wir verhindern! Es kann nicht sein, dass vielleicht dann in Form von Negativzinsen direkt auf das Konto zugegriffen wird und die Bürger überhaupt keine Möglichkeit mehr haben, das von ihnen erarbeitete, erwirtschaftete Geld, von dem sie auch Steuern gezahlt haben, abzuziehen. Genau darum geht es of­fenbar manchen Kreisen in der Europäischen Union, und genau dagegen wollen wir Frei­heitliche sehr entschlossen auftreten.

Erinnern wir uns: Der erste große Schritt zum finanziellen Überwachungsstaat war der Bereich der teilweisen Abschaffung des Bankgeheimnisses. Wir haben damals hier im Hohen Haus gerade auch davor gewarnt, weil wir natürlich damals schon erkennen mussten, dass das nur ein erster Schritt ist und weitere Schritte folgen sollen.

Leider hat auch diese Regierung mit Unterstützung der Grünen damals begonnen, un­ser österreichisches Bankgeheimnis auf dem Altar der Interessen Brüssels zu opfern und es einen Schritt weit abzuschaffen. Jetzt soll offenbar der nächste Schritt in Richtung gläserner Mensch erfolgen. Die Abschaffung des 500-Euro-Scheines wurde ja bereits vorgeschlagen, und in der Folge geht es dann auch um die Begrenzung von Bargeld­ausgaben bis hin zu einer endgültigen Bargeldabschaffung. Was man in der Vergan­genheit vielleicht noch als Science Fiction bewertet oder als Verschwörung abgetan hat, wird offensichtlich von manchen Kreisen als bittere Praxis und Realität angestrebt, und manche Kreise reden sogar schon davon, dass es nach Abschaffung des Bargel­des vielleicht auch zielführend wäre, dass jeder Bürger einen Chip implantiert bekommt. Na gute Nacht! Genau so ein System wollen wir nicht! Wir wollen keine totalitäre Sys­temüberwachung der Bürger und der Menschen erleben. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau deshalb ist es so wichtig, für die Freiheit der Bürger einzutreten und solche Ent­wicklungen im Keim zu ersticken, aufzuhalten und zu verhindern.

EZB-Präsident Mario Draghi hat gesagt, der 500-Euro-Schein sei ein Instrument für il­legale Aktivitäten, und das Vorhaben, in einem ersten Schritt den 500-Euro-Schein ab­zuschaffen, sei gegen die organisierte Kriminalität gerichtet. – Das ist ja absurd – als gäbe es in der digitalen Welt keine Kriminellen und keine Terroristen! So gesehen ist das natürlich alles ein durchschaubarer Vorwand dafür, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken.

Das Problem ist nicht das Bargeld, das Problem sind die Feinde der Freiheit und of­fenbar auch des Privatvermögens – anders kann man das nicht bezeichnen – in der Europäischen Union. Da sitzen offenbar ein paar Herrschaften in Brüssel, aber auch in der EZB, die diese Bürgerrechte unter dem Deckmantel der Bekämpfung der organi­sierten Kriminalität untergraben wollen und die in Wirklichkeit ganz andere Interessen verfolgen.

Die Freiheitseinschränkung der Bürger dürfen wir nicht zulassen, daher haben wir auch alle Schritte zu setzen, dass das Bargeld eben nicht abgeschafft wird. Auch im Zuge von anderen Entscheidungen halten es manche Politiker offensichtlich mit EU-Kommis­sionspräsident Jean-Claude Juncker, der einmal gesagt hat, wenn es ernst wird, muss man lügen. – Na gute Nacht! Das ist ein Originalzitat. Da muss man befürchten, dass auch in dieser Frage der Abschaffung der 500-Euro-Scheine und des Bargeldes noch einiges an Unwahrheiten auf uns zukommen wird, von denen wir uns aber nicht täu­schen lassen dürfen. Wenn das Geschwätz, das manche oftmals zum Besten geben, offensichtlich unter dem Motto steht: Was kümmert mich mein Geschwätz von ges-


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tern – man darf ja immer gescheiter werden!, dann muss man da schon eine gewisse Vorahnung haben, dass da auch mit Methode vorgegangen wird.

Ich warne daher eindringlich vor dieser schrittweisen Entwicklung, die da im Raum steht, nämlich in einem ersten Schritt die 500-Euro-Scheine abschaffen zu wollen, dann eine Bargeldbeschränkung von 5 000 € auf 1 000 € festzulegen – in Italien gibt es das be­reits, in anderen Ländern der Europäischen Union auch – und in der Folge dann auch ganz konkrete Vorschläge zu realisieren, die generell in Richtung Bargeldabschaffung laufen. Da ist Gefahr im Verzug!

Die Bevormundung des Bürgers darf nicht stattfinden. Das Ende des Bargeld-Zah­lungsverkehrs würde der jeweiligen Regierung – nationalen Regierungen genauso wie jener auf Ebene der Europäischen Union – die Möglichkeit bieten, jede Kontobewe­gung, jeden Spargroschen, jedes Verhaltensmuster der Bürger genau zu durchforsten: Was hat er gekauft? Wann hat er wo was gezahlt? Wohin ist er auf Urlaub geflogen? – Das sind alles Mechanismen, angesichts derer man doch in Wirklichkeit als freiheits­liebender Mensch sofort jede Sicherheitsvorkehrung treffen müsste, etwa mit einem Verfassungsgesetz im Hohen Haus, damit eben so ein Zugriff auf die österreichische Bevölkerung überhaupt nie passieren kann! (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Die Negativzinsen stehen ja sowieso im Raum. Wir wissen alle von der Eurokrise, wir wissen alle davon, dass diese Krise noch lange nicht bewältigt ist, und wir wissen alle, was in Zypern schon einmal der Plan war, der zum Teil auch umgesetzt wurde. Diese Pläne könnten darüber hinaus auch ausgeweitet werden, indem man sagt, na ja, wenn die Bürger kein Bargeld mehr haben, haben sie quasi ihre Wertigkeiten in Form von Zahlen am Konto, dann kann man mit Negativzinsen darauf zugreifen oder kann sa­gen, Ersparnisse über 50 000 € werden extra besteuert, und die zieht man automatisch ab, und vieles, vieles mehr. Und die Bürger hätten keine Chance, das von ihnen er­arbeitete Geld vielleicht zu einem gewissen Teil als Bargeld zu Hause in Sicherheit zu bringen.

Das ist schon etwas, was man sehr ernst nehmen sollte. Auch renommierte Ökonomen halten die Abschaffung des Bargeldes für eine ernsthafte Bedrohung des Privatvermö­gens und damit auch der verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger. In einer Welt ohne Bargeld, in der alles, was man kauft und konsumiert, nachverfolgbar und kon­trollierbar wird, gibt es keine Freiheit mehr. Da gibt es keine Privatheit mehr, da ist der gläserne Mensch geschaffen und somit auch der „Große Bruder“, der auf jeden kontrol­lierend einwirken kann.

So gesehen bin ich schon gespannt und kann wirklich nur an Sie appellieren, endlich diesen Schritt zu setzen und sicherzustellen, dass es eine Verfassungsmehrheit in die­sem Hohen Haus für ein entsprechendes Gesetz gibt, damit die Bürger nicht entmün­digt werden, damit das Recht auf Bargeld in der österreichischen Verfassung für un­sere österreichischen Staatsbürger verankert wird, sodass die EU dann nicht die Mög­lichkeit hat, auf Österreich eingreifend und übergreifend einzuwirken. Das sind wir ös­terreichischen Abgeordneten im Hohen Haus den Staatsbürgern schuldig. Bei et­waigen Abstimmungen im Europäischen Rat wird Einstimmigkeit verlangt, aber darauf wollen wir uns nicht verlassen. Das sage ich auch aus gutem Grund; da haben wir auch schon vieles erlebt, da sind wir schon in vielen Bereichen im Stich gelassen worden.

So gesehen, denke ich, ist das jetzt eine Chance, diese verfassungsrechtliche Veran­kerung des Rechts auf Bargeld entsprechend sicherzustellen. Ich bitte daher auch die Regierungsparteien, nicht mehr zu blockieren und alle möglichen Ausreden zu finden, warum das nicht notwendig ist. Diesen Sicherungsmechanismus sollten wir im Inter­esse der Staatsbürger Österreichs einziehen. Ich denke, das wäre wirklich ein gutes Signal, dass in diesem Hohen Haus einmal abseits von parteipolitischer Agitation wirk­lich über die Parteigrenzen hinweg ein sehr deutliches Signal gesetzt wird, dass wir


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eben nicht zulassen wollen, dass Entscheidungsfindungen ausschließlich in der Euro­päischen Union stattfinden, zum Nachteil unserer Bürger. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

15.09


Präsidentin Doris Bures: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeord­neten beträgt jeweils 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Dr. Feichtinger, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


15.10.11

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Nur Bares ist Wahres – wer kennt ihn nicht, den Spruch, der die Be­deutung von Bargeld so einleuchtend und unmittelbar unterstreicht? Bargeld hat eine wichtige psychologische Funktion. Es spielt im gesellschaftlichen Leben immer noch ei­ne sehr bedeutende Rolle, und es ist ein unerlässlicher Bestandteil des Geldsystems.

Das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in das Bargeld war schon in Schilling-Zeiten groß und ist es nach wie vor. Dies wird auch durch den Umstand be­legt, dass rund 90 Prozent aller Geschäfte nach wie vor in bar abgewickelt werden.

Dieses Vertrauen in das Bargeld und in den baren Zahlungsverkehr ist auch aus un­serer Sicht durchaus schützenswert. (Demonstrativer Beifall des Abg. Strache.) Darum denkt auch niemand, so meine ich, Herr Klubobmann Strache, im Hohen Haus daran, einer Abschaffung des Bargelds seine oder ihre Zustimmung zu geben. (Abg. Strache: Auf der Europäischen-Unions-Ebene!)

Wir werden uns gegen jede Initiative, die auf die Abschaffung von Bargeld abzielt, aus­sprechen. Die legale Verwendung von Bargeld darf auch nicht durch den sinnvollen und notwendigen Kampf gegen illegale Geschäfte eingeschränkt werden.

Es ist wohl unbestritten, dass die Bekämpfung von Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Finanzierung des Terrorismus – das heißt, die Verwendung und das Einschleusen von Bargeld aus illegalen Geschäften in den legalen Geldkreislauf – legitim, notwendig und sinnvoll ist.

Eine Verankerung des Bargeldes in der Verfassung ist allerdings aus unserer Sicht sinnlos, da es sich hier um eine europäische Angelegenheit handelt und Europarecht über dem österreichischen Verfassungsrecht steht. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na eben deshalb! Da wissen wir eh schon, was es geschlagen hat! Abg. Kassegger be­wegt einen Arm schlangenförmig in verschiedene Richtungen.)

Wir vertrauen auf den Finanzminister, der sich in den Verhandlungen in Brüssel für den Erhalt des Bargeldes einsetzen muss und dies auch zugesagt hat. (Abg. Strache: Es geht um eine Absichtserklärung Österreichs!) Das Entscheidende in der Frage ist näm­lich, dass man in den jeweiligen europäischen Gremien das Bargeld verteidigt. Das ist geschehen, und es ist auch erfolgreich geschehen. Das sieht auch der ÖVP-Delega­tionsleiter im Europäischen Parlament, Othmar Karas, so, der meint, dass nicht jeder Brief an das Christkind in die Verfassung gehört. (Abg. Strache: Das heißt, wir werden die Sozialpartner aus der Verfassung herausnehmen! Also den Bargeldwunsch sehen Sie als Wunsch ans Christkind …!)

Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass wir vor nicht einmal einem Monat einen Ent­schließungsantrag beschlossen haben, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird – ich zitiere – „sich auf allen Ebenen der europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft dafür einzusetzen, dass weiterhin der uneingeschränkte Zah­lungsverkehr mit Euro-Banknoten und -Münzen durch keinen Maßnahmen einge­schränkt und das Bargeld als Zahlungsmittel beibehalten wird.“ (Abg. Walter Rosen­kranz: Aber welche Scheingröße?)


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Der gegenständliche Fristsetzungsantrag der FPÖ stellt aus meiner Sicht eine Fortset­zung des populistischen Aktionismus dar (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das ist ja we­der populistisch noch Aktionismus!), dessen Beendigung wir mit dem zitierten Ent­schließungsantrag, dem im Übrigen neben der SPÖ, der ÖVP, den NEOS und dem Team Stronach auch die FPÖ zugestimmt hat, zu erleben geglaubt haben. (Abg. Stra­che: Verfassungsrechtliche Absicherung ist für Sie Populismus? Aha! Abg. Belako­witsch-Jenewein: Wer hat den denn geschrieben?)

Da von einer Blockade zu sprechen, Herr Klubobmann, ist vollkommen verfehlt. Ge­schuldet ist der Antrag – und Sie haben ja auch in Ihrer eigenen Rede von einer durch­schaubaren Finte gesprochen – wohl der kommenden Bundespräsidentenwahl am 24. April; einen anderen einleuchtenden Grund dafür gibt es nämlich offensichtlich nicht. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir wollen, dass der Hundstorfer einen Fünfhunderter im Börserl hat!)

Entscheidend aber ist, dass die Menschen überhaupt genug Bargeld in der Tasche oder auf ihren Konten zur Verfügung haben. Dazu ist uns mit der im Jänner in Kraft ge­tretenen Steuerreform ein wichtiger Schritt gelungen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.14


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hanger zu Wort. – Bitte. (Abg. Loacker: Wo ist der Lopatka? Der war immer der Bargeldbeschüt­zer!)

 


15.14.20

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte in meinem Debattenbeitrag mit dem Thema Digitalisierung beginnen und werde ganz kurz erklären, welchen Zusammenhang ich zwischen der Digitalisierung und dem Bargeld sehe.

Auf uns kommen große Veränderungen zu. Studien sprechen davon, dass es in 20, 30, 40 Jahren 40 Prozent der Arbeitsplätze, die wir heute kennen, nicht mehr gibt. Be­stimmte Berufsgruppen werden der Digitalisierung – unter Anführungszeichen – „zum Opfer fallen“, aber gleichzeitig werden Chancen entstehen.

Für mich war es wichtig, dass wir gerade diese Herausforderungen, die auf uns zu­kommen, auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene viel intensiver diskutieren, weil das aus meiner Sicht die wirklich wichtigen Zukunftsthemen sind.

Eines ist auch ganz klar: Die Digitalisierung – wir stehen meiner Meinung nach erst an deren Beginn – wird auch dazu führen, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr zuneh­men wird. Derzeit werden in Österreich noch 90 Prozent der Geschäfte in bar abgewi­ckelt; im amerikanischen Raum ist der Prozentsatz schon wesentlich geringer. Da wer­den sich die Relationen noch sehr deutlich verschieben.

Aber damit komme ich schon zum wichtigsten Punkt: Das Allerwichtigste dabei ist, dass es immer individuelle Freiheit bleiben muss, ob jemand bargeldlos oder mit Bar­geld zahlt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich mit Freunden unterwegs bin und eine Runde ausgebe, dann will ich für mich persönlich entscheiden, ob ich das zukünftig mit meinem Handy mit einer App machen will – das kann sehr bequem und sehr einfach sein – oder mit Bargeld. Es erscheint mir das Allerwichtigste, diese individuelle Freiheit wirklich ganz in den Vordergrund zu stel­len.

Mein Vorredner hat es schon erwähnt: Werfen wir einen kurzen Blick auf die aktuelle politische Diskussion! Herr Kollege Strache, ich möchte Sie auch daran erinnern, dass im österreichischen Parlament ein Entschließungsantrag beschlossen wurde, in dem man sich mit großer Mehrheit für die Beibehaltung des Bargeldes ausgesprochen hat –


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aber vielleicht waren Sie ja bei dieser Debatte wie so oft nicht da, das kann natürlich auch sein. (Abg. Strache: Lieb, sehr liebenswürdig, aber nicht schützend! Das ist ein liebenswürdiger Antrag, aber nicht schützend!)

Es gibt eine sehr klare politische Willensbildung des österreichischen Parlaments, dass man das Bargeld weiterhin haben will. Auch die Diskussion auf europäischer Ebene wird verdreht. (Abg. Strache: Man wollte sich das Hintertürl zum Bargeld-Abschaffen offen lassen! Wie so oft!) Es gibt eine ganz klare Kernaussage des Europäischen Parlaments, dass die Abschaffung des Bargeldes nicht zur Diskussion stand. Sie wäre auch mit dem geltenden Unionsrecht nicht vereinbar. Euro-Banknoten und Euro-Mün­zen sind unionsrechtlich als gesetzliches Zahlungsmittel abgesichert. Es besteht eine unionsrechtliche Verpflichtung zur fortlaufenden Ausgabe von Euro-Münzen und -Bank­noten. Die Frage nach der politischen Willensbildung ist somit klar beantwortet.

Die einzige Frage, die noch bleibt: Braucht es eine verfassungsrechtliche Bestimmung dafür, macht das Sinn? – Da kann man grundsätzlich verfassungsrechtliche Fragestel­lungen diskutieren: Was ist denn Aufgabe der Verfassung? – Die Kernaufgabe der Ver­fassung in Österreich ist schon jene, die Ordnungsprinzipien zu definieren, die Zustän­digkeiten – Bund, Länder, Gemeinden – und die Freiheitsrechte zu definieren. (Abg. Strache: Die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger zu definieren!) – Genau die sind ja definiert, gar keine Frage!

Deshalb ist es aus unserer Sicht eine zulässige Diskussion, und der Vertagungsantrag im Verfassungsausschuss war somit auch richtig. Wir sehen keine Notwendigkeit einer Fristsetzung, weil dieses Thema ruhig und sachlich und auf juristisch hohem Niveau zu diskutieren ist.

Als ich mich jetzt auf die Debatte vorbereitet habe, ist mir noch folgender Gedanke gekommen: Unser Bundespräsidentschaftskandidat Dr. Andreas Khol ist tatsächlich der beste Kandidat für dieses Amt, weil er gelernter Verfassungsjurist ist. (Ironische Hei­terkeit der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Und gerade in dieser Debatte sieht man, wie wichtig verfassungsrechtliche Fragestellungen sind. (Abg. Strache: Das nützt nur nichts, wenn das Bargeld in der Verfassung nicht geschützt wird!)

In diesem Sinne sehen wir keine Notwendigkeit für diese Fristsetzung und werden die­sen Fristsetzungsantrag ablehnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fuchs. – Bitte.

 


15.17.20

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zu den Ausführungen des Kollegen Feichtinger von der SPÖ möchte ich vorweg ein paar Anmerkungen machen: Wehret den Anfängen! (Abg. Feichtinger: Das sagen ausgerechnet Sie!) Beim EU-Beitritt hat man uns auch versprochen, dass das Bankgeheimnis unantastbar ist. Und was haben Sie gemacht, Herr Kollege Feichtinger von der SPÖ? – Letztes Jahr haben die Regie­rungsparteien das Bankgeheimnis abgeschafft. So schauen Versprechen Ihrer Partei aus, Herr Kollege! (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Zu Ihren verfassungsrechtlichen Ausführungen, Herr Kollege Feichtinger: Sie waren sich nicht zu schade, die Taxikonzessionen für einen gewissen Zeitraum in den Verfas­sungsrang zu erheben. (Abg. Feichtinger: Reden wir übers Bargeld!) Die Taxikonzes­sionen sind für Sie offenbar wichtiger als das Bargeld. (Beifall bei FPÖ und Team Stro­nach.)

Für den Kollegen Feichtinger ist Populismus offenbar das, was die Bevölkerung möch­te, und dagegen verwahren wir uns auf das Schärfste. Im Übrigen haben wir bereits im


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Mai 2015 eine Anfrage an den Herrn Finanzminister bezüglich des Bargeldes gemacht. Das heißt, mit der aktuellen Kandidatur von Norbert Hofer für die Präsidentschaftswahl hat das überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Strache: Das ist der bes­te Kandidat! Der schaut aufs Bargeld!)

Herr Kollege Feichtinger, würden Sie die Meldungen der Parlamentskorrespondenz aufmerksamer lesen, dann wüssten Sie das auch.

Das Bargeld hat – wie wir heute schon gehört haben – eine extrem hohe Bedeutung für die österreichische Bevölkerung. Im Sinne einer Vertrauensbildung sollten weder auf österreichischer Ebene noch auf Ebene der Europäischen Union Maßnahmen gesetzt werden, die das Vertrauen der Bürger in die Bargeldbereitstellung und in das Recht auf Barzahlung erschüttern könnten. Daher hat unser Bundespräsidentschaftskandidat Nor­bert Hofer am 24. Februar 2016 einen Antrag betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr ein­gebracht. (Abg. Strache: Um … zu überprüfen! Das ist doch gut!) Das Recht auf Bar­zahlung soll damit als Staatszielbestimmung verfassungsrechtlich verankert werden. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach. – Abg. Strache: Da sieht man jetzt, wie die Par­teien sich verhalten!)

Abgesehen von den derzeit schon bestehenden Beschränkungen – zum Beispiel im Steuerrecht –, die wir auch für richtig befinden, soll zum Schutz der Freiheit des Ein­zelnen das Bargeld keinerlei weiteren Einschränkungen unterworfen werden. Die von der EU geplante Abschaffung des 500-Euro-Scheins und die Einführung von Bargeldli­mits sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen. Auch OeNB-Gouverneur Nowotny hat sich im EZB-Rat gegen die Abschaffung der 500-Euro-Scheine ausgesprochen.

Die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Barzahlung wäre ein wichtiges Signal an die österreichische Bevölkerung und würde die Bargelddebatte sofort been­den. So wie wir alle gemeinsam am 26. November letzten Jahres im Plenum einen All­parteienantrag zur Evaluierung des Bundesheer-Sparkurses angesichts der sicherheits­politischen Herausforderungen zustande gebracht haben, müsste das wohl auch beim Bargeld möglich sein.

Unter dem Deckmantel der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzie­rung wird immer wieder versucht, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Beim Bargeld wird so getan, als gäbe es in der digitalen Welt überhaupt keine Kriminellen und keine Terroristen. Wenn wir schon bei der Geldwäsche sind, darf ich darauf hin­weisen, dass in Österreich auch über Steuererklärungen Gelder weißgewaschen wer­den, indem fingierte Gewinne versteuert werden. Da würde ich mir auch mehr Sensi­bilität aufseiten der Finanzverwaltung wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ohne Bargeld könnte per Knopfdruck eine Zwangssteuer auf Sparguthaben eingeführt werden, wie das damals im Jahr 2013 in Zypern geschehen ist. Ohne Bargeld wären die Sparer den Negativzinsen der Banken schutzlos ausgeliefert, weil die Sparer das Geld nicht mehr beheben könnten.

Ich darf mit einem Zitat von Benjamin Franklin enden: „Wer die Freiheit aufgibt, um Si­cherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

Unterschreiben Sie die Petition unseres Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer zur Rettung des Bargelds! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ross­mann. – Bitte.

 


15.23.28

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Wenn wir hier schon mitten im Wahlkampf sind, dann möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn einer der Prä-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 119

sidentschaftskandidaten etwas von Geld und der Bedeutung von Geld versteht, dann ist es der Ökonom Alexander Van der Bellen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt komme ich aber einmal zu Ihnen, Herr Klubobmann Strache, denn was Sie da zum Besten gegeben haben, das ist ja haarsträubend. (Abg. Krainer: Aber nur in der Theorie!) Begonnen hat es damit, dass Sie gesagt und behauptet haben, es gebe von der Europäischen Kommission – später hat es dann vom Kollegen Fuchs geheißen: von der EU – einen Vorstoß zur Abschaffung des Bargelds.

Das ist schlicht und einfach falsch! Es gibt überhaupt keinen Vorstoß seitens der Euro­päischen Kommission zur Abschaffung des Bargelds. Es gibt einige Ökonomen, drei an der Zahl, die das gefordert haben, die diese Debatte ausgelöst haben. Der eine war der Wirtschaftsweise Peter Bofinger aus Deutschland, der andere war der Starökonom Kenneth Rogoff aus den USA, Internationaler Währungsfonds, und der Dritte war ein Banker, der Chef der Deutschen Bank, mir fällt sein Name jetzt nicht ein.

Aber was dann in der Debatte gekommen ist, war nie ein Vorstoß der Europäischen Kommission, sondern was es von der Europäischen Zentralbank gegeben hat – und das ist nicht die Europäische Kommission, Herr Kollege Strache –, waren Überlegungen zur Abschaffung des 500-Euro-Scheins.

Was es vom deutschen Finanzminister Schäuble gegeben hat, war etwas ganz ande­res – kein Vorschlag der Europäischen Kommission, kein Vorschlag des ECOFIN-Rats –: Das war eine Überlegung zur Einführung von Obergrenzen von Bargeld. Er hat eine Obergrenze von 5 000 € genannt, nicht mehr und nicht weniger. Ich finde, darüber kann man sehr wohl diskutieren und darüber sollte man sehr wohl Überlegungen an­stellen (Abg. Walter Rosenkranz: Überwachungsstaat!), aus dem schlichten und einfa­chen Grund, dass das ein Beitrag zur Bekämpfung der Korruption, der Geldwäsche und des Schwarzgelds ist.

Aber wenn Sie, Herr Kollege Strache, sich hier herstellen und allen Ernstes behaupten, die Europäische Kommission würde den gläsernen Menschen fordern (Abg. Strache: Der Regulierungswahn der Grünen bricht durch!) und seitens der Europäischen Kom­mission wäre eine Einschränkung der Grundrechte und der Bürgerrechte geplant, so ist das schlicht und einfach falsch. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Herr Kollege Strache, was Sie in diesem Präsidentschaftswahlkampf machen, ist ei­nes: Sie schüren billigen Populismus. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie schüren Ängste in der Bevölkerung – das ist das, was Sie am besten können –, und Sie führen – und auch das ist das, was Sie am besten können – eine Anti-EU-Kampagne, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei den Grünen.)

Es denkt doch in diesem Lande nicht ernsthaft irgendjemand daran, auch die Grünen nicht, das Bargeld als Zahlungsmittel abzuschaffen. Das ist eine Erfindung der ÖVP. Das ist eine Erfindung der FPÖ. Das ist eine Erfindung von Ihnen, Herr Strache, aber das ist kein Vorstoß der Europäischen Kommission. (Abg. Darmann: Welche Scheu­klappen haben Sie oben?) Alles, was in diesem Zusammenhang von Ihnen gesagt wird, dient ausschließlich dem Zweck der Verunsicherung der Bevölkerung, dient aus­schließlich dem Zweck einer Anti-EU-Kampagne.

Zu dem Vorstoß von der ÖVP und von Ihnen, das Bargeld in der Verfassung zu veran­kern – darauf hat mein Vorredner von der SPÖ schon hingewiesen –: Das ist völlig sinnlos, weil es nichts bringt, weil EU-Recht vor nationalem Recht geht. (Abg. Strache: Das ist ja ein Blödsinn!) – Das ist kein Blödsinn! (Abg. Strache: Unsere Neutralität ist vom EU-Rat auch nicht aufgehoben worden!) Alle Verfassungsrechtler dieses Landes haben uns das bestätigt. Wir haben doch alle Verfassungsrechtler auf unserer Seite und nicht auf Ihrer Seite. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Aber geh! Aber geh!)


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Hören Sie wirklich einmal auf mit der Verunsicherung der Bevölkerung, mit dem Schü­ren von Ängsten über die Abschaffung des Bargelds, woran in diesem Lande und in der Europäischen Kommission wirklich niemand ernsthaft denkt, niemand darüber nach­denkt! (Abg. Walter Rosenkranz: Es gibt mehr Bürger als Verfassungsrechtler! – Abg. Darmann: In welcher Welt leben Sie überhaupt? – Abg. Strache: Überwachungsstaat à la Grüne!)

Wenden wir uns in diesem Lande wirklich – und das ist ein Appell an alle Parteien hier in diesem Hohen Haus – wichtigeren Themen zu, von Kriegsflüchtlingen über Steuer­flüchtlinge – und da war die Einschränkung des Bankgeheimnisses ein wichtiger Bei­trag – bis hin zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit!

Aber noch einmal: Hören Sie auf mit dem Schüren von Ängsten in der Bevölkerung! Hören Sie auf, vom gläsernen Menschen zu sprechen! Hören Sie auf, Ihre Anti-EU-Kampagnen zu fahren! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

15.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


15.28.42

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Eines hat die Debatte jedenfalls gebracht: Kollege Hanger hat uns erklärt, wieso die ÖVP glaubt, dass An­dreas Khol der beste Präsidentschaftskandidat ist, nämlich weil er ein namhafter Ver­fassungsjurist ist. Ich habe ja nach der „ZiB 2“ geglaubt, dass es daran liegt, weil er Bernie Sanders so toll findet, dass Sie deswegen der Meinung sind, dass er ein so großartiger Kandidat ist. (Abg. Hanger: Es gibt mehrere Gründe! Es gibt viele Gründe!)

Ich glaube, dass das, was Kollege Feichtinger gesagt hat, man solle nicht jeden Brief ans Christkind in die Verfassung schreiben, schon seine Berechtigung hat. Das hat auch der ÖVP-Delegationsleiter Karas schon gesagt, und auch Klubobmann Lopatka ist zum Glück draufgekommen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Frage ist eben, wie wir mit unserer Verfassung umgehen. Wenn man sich dieses geflügelte Wort vor Augen führt, das man unter Verfassungsjuristen kennt, nämlich die „Ruinenhaftigkeit“ des österreichischen Verfassungsrechts, dann weiß man, wie oft die Verfassung in der Zweiten Republik novelliert wurde, nämlich schon 113 Mal. Wir ha­ben knapp tausend Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen oder andere Ver­fassungsgesetze. (Abg. Walter Rosenkranz: Artikel 1: Das Recht geht von … aus!)

Sie brauchen sich nur anzuschauen: Im Jahr 1994 wurden allein vier Verfassungsno­vellen gemacht, in den drei folgenden Jahren jeweils drei. Das heißt, wir gehen mit un­serer Verfassung so um, wie es uns gerade passt. Jeder wirft irgendetwas ein und sagt, das hätte er gern in der Verfassung.

Ein Punkt, in dem Kollege Fuchs recht hat, ist, dass SPÖ und ÖVP das auch immer gemacht haben, solange sie eine Verfassungsmehrheit hatten – das ist vollkommen richtig –, von den Taxikonzessionen angefangen. Da gibt es noch ganz viele Schman­kerln, die da auch drinnen sind. (Abg. Kassegger: Zwangsmitgliedschaft in den Kam­mern!) Solange das funktioniert hat, haben sie das auch immer gemacht. Es gibt das Zollrechts-Durchführungsgesetz, Abfallwirtschaft, alles Mögliche in der Verfassung. Al­so insofern würde es wahrscheinlich gar nicht schaden, wenn man noch etwas, was nicht notwendigerweise hineingehört, auch noch dazuschreibt.

Ich glaube, dass es nicht notwendig ist, dass man … (Abg. Rädler: Die Verfassung in die Verfassung!) – Die Verfassung in die Verfassung? – Ja, das ist ein guter Vorschlag, Herr Kollege Rädler. Das diskutieren wir dann vielleicht einmal im Verfassungsaus­schuss. Das wäre ähnlich unsinnig.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 121

Die ganze Debatte ist ziemlich absurd. Ich verstehe Ihr Anliegen. Wir sind auch große Freunde des Bargelds, und wir sind auch davon überzeugt, dass es ein wesentlicher Ausdruck der Freiheit ist.

Herr Klubobmann Strache, was ich noch nicht verstanden habe: Sie haben gesagt – und da haben Sie sich ein bisschen entwaffnet –, dass es namhafte Experten gibt, die meinen, dass die Abschaffung des Bargelds in die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte eingreift. Also wenn die Abschaffung des Bargelds ein Eingriff in die verfas­sungsmäßig gewährleisteten Rechte ist, dann weiß ich nicht, wieso Sie es noch zu­sätzlich hineinschreiben wollen. (Abg. Strache: Sicher ist sicher!) – Aha, sicher ist si­cher! Also Sie gehen genauso mit der Verfassung um wie SPÖ und ÖVP über Jahr­zehnte. Mein Ansatz ist das nicht, ich halte es nicht für sonderlich sinnvoll, dass wir einfach das hineinschreiben, was uns gerade so passt. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Kollege Gerstl hat im Verfassungsausschuss vorgeschlagen, wir könnten eine Staats­zielbestimmung machen. Das ist ähnlich unnötig. Wir haben ja auch Staatszielbestim­mungen, dass sich Österreich zu einer umfassenden Landesverteidigung bekennt. Wir wissen alle, wie es dem Bundesheer geht, das wird zu Tode gespart. Also auch das macht nicht sonderlich viel Sinn, dass wir einfach immer wieder Dinge in die Verfas­sung hineinschreiben, die nicht notwendig sind. (Abg. Strache: Aber die Neutralität ist schon verfassungsrechtlich geschützt, oder?)  Da gebe ich Ihnen recht. (Abg. Stra­che: Das kann der EU-Rat nicht aushebeln, oder?) – Schauen Sie, Herr Klubobmann! Herr Klubobmann, aber Sie wissen schon, dass EU-Recht auch nationales Verfas­sungsrecht aushebeln kann? Das wissen Sie schon, oder? (Abg. Strache: Aber nicht grundsätzlich!) – Aber Verfassungsrecht … (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stra­che.) Sie wollen es ganz normal in ein Verfassungsgesetz schreiben, das kann das EU-Recht genauso machen. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Also insofern, ich ver­stehe das nicht. (Abg. Lopatka: … das Bargeld!)

Ach so, das Bargeld! Herr Klubobmann Lopatka will das jetzt auch wieder in die Ver­fassung schreiben – oder doch nicht? (Abg. Lopatka: Absolut!) – Absolut! Ah, das ist interessant. Gut, Sie müssen sich eigentlich nur zusammentun, dann sind Sie zumin­dest bald einmal eine Mehrheit, die Verfassungsmehrheit wird sich knapp nicht ausge­hen.

Ich halte die Diskussion für ziemlich sinnlos. Ich war eigentlich ganz froh, dass sie schon vorbei war, als der Hüter der Freiheitsrechte, Lopatka, kam – ich erinnere noch einmal: Vorratsdatenspeicherung und all diese Spompanadeln, die die ÖVP da immer macht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Lopatka: Die Freiheit von Bargeld!)

Da haben Sie (in Richtung des Abg. Strache) auch recht, die ÖVP ist der Totengräber der Freiheitsrechte, ich habe das schon einmal gesagt. Ich nehme Ihnen sogar ab, dass Sie mehr für Freiheitsrechte einstehen als die ÖVP, denn die sind immer die Ers­ten, die schreien, wenn es darum geht, Freiheitsrechte einzuschränken. (Abg. Lopat­ka: Freiheit für Bargeld!) Ich glaube aber trotzdem, dass die Debatte hier jetzt doch etwas mit dem Präsidentschaftswahlkampf des Kandidaten Hofer, des Präsidenten Ho­fer zu tun hat.

Deswegen bin ich persönlich auch der Meinung, dass wir uns die Debatte eigentlich ersparen könnten. Ich bin aber auch der Meinung, dass es besser ist, wir beenden sie zügig. Deshalb werden wir dem Fristsetzungsantrag zustimmen. Machen wir das! Wir würden den Antrag sowieso ablehnen, weil ich es einfach nicht für sinnvoll halte, immer das in die österreichische Verfassung hineinzuschreiben, was einem gerade einfällt, und dann noch etwas und noch etwas.

Genau das ist der Grund dafür, wieso die österreichische Verfassung leider von vielen Politikern, aber auch sonst nicht sonderlich ernst genommen wird: weil wir einfach alles


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 122

hineinschreiben. (Abg. Walter Rosenkranz: Man könnte auch hineinschreiben, dass die NEOS immer im Parlament sein dürfen!) – Kollege Rosenkranz will schon wieder etwas Neues hineinschreiben. Das finde ich auch nicht schlecht. Machen wir das! Sie können alles hineinschreiben. Sie können jeden Brief ans Christkind hineinschreiben.

Es ist einfach sinnlos. Das bringt nichts, das tut der Verfassung nicht gut, das tut un­serer Demokratie nicht gut, wenn wir alles, was immer irgendjemandem einfällt, in die Verfassung hineinschreiben. (Beifall bei den NEOS.)

15.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


15.33.51

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ich würde gern einen Aspekt be­leuchten, der aus meiner Sicht zu kurz gekommen ist. Dazu müssen wir uns gewisse Zusammenhänge ein bisschen in Erinnerung rufen. Wir hatten ja eine Finanzkrise, wie wir alle wissen – viele sagen, wir haben sie immer noch, ich sehe das auch so –, die aber in Wirklichkeit eine Schuldenkrise war und ist. Wenn man sich die Entwicklung an­sieht, dann sieht man, dass die Schulden immer weiter wachsen. Das heißt, alle Staa­ten verschulden sich immer weiter, die Schulden explodieren, und jeder hat Schulden.

Jetzt fragen viele zu Recht: Um Gottes Willen, bei wem haben denn alle Schulden? Wenn alle Schulden haben, wie kann denn das gehen? Wer steht denn da auf der an­deren Seite? – Das Geheimnis ist leicht zu lüften: Für jeden, der eine Schuld hat, gibt es einen Gläubiger, gibt es jemanden, der Vermögen hat. (Ruf bei der ÖVP: Das ist der Frank!) – Das ist nicht der Frank, wie Sie sagen, sondern das sind ganz einfache Spa­rer. (Abg. Lopatka: Der Frank hat ein Vermögen!)

Es könnte also sein, dass auf der einen Seite Griechenland mit gewaltigen Schulden steht und auf der anderen Seite Sparer in verschiedenen Ländern mit ihren Spareinla­gen. Das sind keine Großsparer, das können auch kleine Sparer sein, mit 1 000, 2 000, 3 000 € auf der Bank. Nur, der Clou ist folgender: Die wissen das gar nicht. Die wissen nicht, dass sie auf der gegenüberliegenden Seite stehen, die wissen nicht, dass für je­den Staat, der Schulden hat, auf der anderen Seite ein Bürger oder eine Institution steht und glaubt, Vermögen zu haben.

Und jetzt sind wir genau beim Problem. Das Problem ist: Wenn Sie entschulden wollen, das heißt, wenn sich die Weltgemeinschaft entschulden will, dann müssen Sie beim Vermögen schneiden. Anders geht das nicht, anders ist das nicht möglich. Wenn sich also Griechenland, Spanien und wie sie alle heißen bis hin zu den USA entschulden wol­len, dann muss man jemandem Geld wegnehmen.

Jetzt kommt die große Denkaufgabe für einige hier im Hohen Haus: Wie schaffen Sie es, einem Sparer Geld von seinem Ersparten wegzunehmen, wenn Sie ihm die Mög­lichkeit belassen, es abzuheben? – Das schaffen Sie eben nicht. Genau das ist der Punkt. Das ist genau der Punkt. Das heißt: Solange der Sparer die Möglichkeit hat, sein Geld abzuheben, funktioniert das in dem Moment, in dem die Staaten weiter Schulden machen und das Ganze auf Kosten der Sparer ausbuchen wollen, nicht. Ge­nau das ist der Hintergrund der Debatte. Das ist der Hintergrund.

Das ist der Grund dafür, warum der IWF schon 2003 genau das wollte, nämlich eine Zwangsabgabe für Sparer. Und der IWF ist damals nur deshalb zurückgerudert, weil ihm Experten gesagt haben: Das funktioniert nicht, denn dann gehen die Leute zur Bank und heben ihr Geld ab. Und dann geht es nicht. (Beifall beim Team Stronach, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abgeordneten Gerhard Schmid und Doppler.)

Deshalb wollte der IWF immer das Bargeld abschaffen, denn dann kann man verhin­dern, dass die Menschen ihr Geld abheben. Wie wollen Sie sich denn schützen? – Wenn Sie jetzt Geld auf der Bank haben und die Regierung beschließt, 5 Prozent von


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oben runter, und Sie können es nicht abheben, was machen Sie dann? – Genau das ist der Hintergrund. (Abg. Strache: Durch Enteignung der Bürger!)

Deshalb: Bargeld hat eine Schutzfunktion – eine Schutzfunktion gegen den gefräßigen Staat. Bargeld hat eine Schutzfunktion gegen all jene, die nicht wirtschaften können, nämlich die Staaten, und das Ganze auf Kosten der Bürger abrechnen wollen. Genau das ist geplant. Da machen wir sicherlich nicht mit, und deshalb wollen wir das auch in der Verfassung.

Es mag sein, dass das nicht viel bringt, weil die Mächtigen sowieso drüberfahren, auch über unsere Verfassung. Wir sind da leider nicht mehr souverän, das ist leider so. Mit der EU haben wir dieses Problem leider mitgeschluckt, dass wir nicht mehr souverän sind. Aber alles, was wir als Abgeordnete tun können, um genau solche Entwicklungen zu verhindern, all das sollten wir auch tun. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ sowie der Abgeordneten Gerhard Schmid und Doppler.)

Deshalb verstehe ich Ihren Einwand nicht. Glauben Sie allen Ernstes, dass es wehtut, wenn in der Verfassung noch etwas drinsteht, noch etwas Zusätzliches, nachdem wir die Wirtschaftskammern und allen möglichen Blödsinn dort hineingeschrieben haben? – Schreiben wir einmal etwas Vernünftiges hinein! Schreiben wir einmal etwas hinein, was die Staatengemeinschaft möglicherweise – ich kann es ja auch nicht verspre­chen – davon abhält, den Bürgern wieder, wieder und immer wieder in die Tasche zu greifen, ohne dass sich die Bürger dagegen wehren können! (Beifall bei Team Stro­nach und FPÖ sowie der Abgeordneten Gerhard Schmid und Doppler.)

15.38

15.38.10

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1573/A der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bar­geld im Zahlungsverkehr eine Frist bis 26. April 2016 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abge­lehnt.

15.39.02Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über Punkt 9 der Tagesord­nung wieder auf.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


15.39.34

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Frau Präsident! Der Herr Außenmi­nister ist noch nicht hier, aber ich werde trotzdem beginnen. Wir haben im Ausschuss einen Antrag betreffend keine EZA-Leistungen für bei Rücknahme ihrer Staatsbürger unkooperative Entwicklungsländer eingebracht.

Es gibt hier als Grundlage eine Anfragebeantwortung, in der für das Jahr 2012 die An­zahl abgeschobener ehemaliger Asylwerber mit 481 angegeben wurde, für das Jahr 2013 mit 375. Beispielsweise sind im Jahr 2013 überhaupt nur 188 Abschiebungen aufgrund asylrechtlich rechtswidriger Ausweistitel vorgenommen worden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 124

Angesichts des Umstandes, dass bei durchschnittlich 25 000 bis 30 000 Asylanträgen jährlich vor 2015 – vor 2015! – rund zwei Drittel der Asylwerber keinerlei Asyl- oder sonstige Bleibegründe geltend machen konnten, ist unserer Meinung nach dringender Handlungsbedarf gegeben.

In die Hauptherkunftsländer des Asylwerberstroms konnten so gut wie keine Abschie­bungen durchgeführt werden. 2013 betrug die Zahl der Abschiebungen nach Afghanis­tan – in aller Munde –: 4, Irak: 1, Liberia: 0, Sierra Leone: 1, Syrien: 2, Uganda: 0, Äthio­pien: 0, Burkina Faso: 0, Somalia: 0, Eritrea: 0 und so weiter und so fort. Eine nen­nenswerte Zahl von Abschiebungen insgesamt hat es nur innerhalb Europas gegeben, wie zum Beispiel nach Polen, Rumänien, Ungarn und in die Slowakei.

In den meisten Fällen scheitern Abschiebungen in außereuropäische Länder auch an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer, die größtenteils Emp­fänger oder sogar Schwerpunktlandempfänger der internationalen und auch der öster­reichischen Entwicklungshilfe sind. Auch Österreich trägt bilateral und multilateral zu den Entwicklungsbemühungen in diesen Ländern bei.

Da muss man überhaupt einmal bei den Entwicklungsbemühungen darüber reden, ob es sinnvoll ist, in die Entwicklungshilfekonten von internationalen Organisationen ano­nym einzuzahlen, oder ob es nicht sinnvoller wäre, die Entwicklungshilfe bilateral zu forcieren. Aber das ist nur eine Randbemerkung.

Entwicklungshilfe sollte angesichts dieser Zahlen dringend an die Bereitschaft der Ent­wicklungsländer, insbesondere der afrikanischen Staaten, zu koppeln sein (Beifall bei der FPÖ), dass sie ihre Staatsbürger, die illegal nach Europa einzuwandern ver­suchen, die in Europa strafrechtlich verurteilt wurden oder denen kein Asylstatus oder subsidi­ärer Schutz zugestanden wurde, unverzüglich und bedingungslos zurücknehmen.

Unser Antrag hat dann auch dementsprechend dahin gehend ausgesehen, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, keine EZA-Leistungen mehr für solche Länder zur Verfügung zu stellen, die entweder kein Abkommen zur Rücknahme ihrer Staatsbürger nach den Wünschen Österreichs abschließen oder bei der Rücknahme nicht koopera­tiv sind.

Jetzt wissen wir, dass das im Handlungspaket des Jahres 2016 ganz exakt eine Kern­forderung ist: Abschiebungen in Zehntausendergrößen in die entsprechenden Länder, in die Herkunftsländer von Personen, von Personengruppen und auch in die Länder, die hier aufgezählt wurden. Vor allem nach Marokko und Pakistan, um nur zwei zu nen­nen, erfolgen momentan praktisch de facto keine Abschiebungen.

Umso mehr wundert es mich, dass so ein Antrag, der eigentlich nur das fordert, was ja die Bundesregierung hier beantragt, abgelehnt wird. Dagegen hat die Bundesregie­rung, also die Koalition, so einen knieweichen Entwurf eingebracht. Man wird schauen, so auf die Art lautet er, dieser wird dann ohnehin noch vorgelesen, dass mit diesen Ländern möglicherweise gute Gespräche geführt werden, dass allgemein ein gutes Klima geschaffen wird, dass die Bereitschaft der Länder erhöht wird, möglicherweise doch zurückzunehmen.

So kann das nicht funktionieren, meine Damen und Herren, weil – und das ist mir auch bewusst – ein bilaterales Verhandlungsmandat dann nicht vorhanden ist, wenn die Eu­ropäische Union auf europäischer Ebene verhandelt. Wir wissen, und wir sind ja auch in einer gewissen Konfliktsituation mit der EU, Deutschland hat hingegen – sie sagen dies zumindest – immer ein Interesse daran, sie sagen das und tun auch etwas dazu. Sie schicken ihre Unterhändler, auch die Minister, in die entsprechenden Länder und setzen diese unter Druck.

Herr Minister! Anträge, die vernünftig sind, in dieser Art und Weise abzulehnen, auf der einen Seite knieweiche Anträge einzubringen, die Nona-Anträge sind und nichts brin-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 125

gen, und uns auf der anderen Seite Regierungsabkommen zu präsentieren, die klipp und klar ausdrücken, dass sie als wesentliche Säule die Abschiebung vorsehen, die aber nicht möglich ist, ist eine Chuzpe in sich.

Wir lehnen natürlich Ihren Antrag dahin gehend ab und bitten Sie, doch noch unseren Antrag anzunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dr. Huai­nigg. – Bitte.

 


15.45.49

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ho­hes Haus! Kardinal Schönborn hat vor Kurzem gesagt: Das Asylrecht ist heilig. Und ich gebe ihm recht, Asylrecht ist ein heiliges Recht, ist ein Menschenrecht. All jenen, die wirklich Schutz vor politischer Verfolgung, vor persönlicher politischer Verfolgung brau­chen, muss auch Schutz gewährt werden.

Aber natürlich muss es, wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, auch möglich sein, den Menschen in sein Herkunftsland zurückzuführen. Wer das nicht macht, höhlt auch das Asylrecht aus, denn dann wird es keine Möglichkeit für jene Menschen geben, die wirk­lich Schutz brauchen.

Wie schwierig das ist, wurde bereits am Bespiel Afghanistan gezeigt. Es gibt Teile Af­ghanistans, die als sicher gelten, wo es aber nicht möglich ist, Menschen zurückzu­führen, weil es auf österreichischer Ebene keine Verträge gibt, auch nicht auf EU-Ebe­ne. Und da ist es wichtig, dass es Verträge gibt.

Und da ersuche ich Sie, Herr Bundesminister, sich dafür einzusetzen, dass diesbezüg­lich Verträge mit anderen Staaten zustande kommen. Es müssen Anreize in Form von Entwicklungszusammenarbeit gesetzt werden. Bei Staaten, die nicht bereit sind zu kooperieren, Partnerschaften einzugehen, ist das durch die Entwicklungszusammenar­beit zu sanktionieren. Das ist ein Hebel, den man nutzen muss, auch im Sinne der Menschen, die auf der Flucht sind. Denn wenn sie keine Perspektive im Zielland haben und auch nicht zurück können, dann sind sie mehr oder weniger staatenlos. Nach Schätzungen der UNO gibt es 10 Millionen Menschen weltweit, die staatenlos sind. Und das Ziel der UNO ist auch, bis 2024 die Staatenlosigkeit aufzuheben.

Wie wichtig Entwicklungszusammenarbeit ist, zeigt sich am Beispiel Äthiopien. Ich war im Herbst dort. Äthiopien ist aufstrebend, aber 40 Prozent der Bevölkerung leben unter der absoluten Armutsgrenze. Und da gibt es wichtige Förderprojekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, die Impulse setzen, vor allem im Bereich der wirtschaft­lichen Zusammenarbeit. Und das ist wichtig.

Und auch jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen, zum Beispiel, wie wir heute im Parlament gesehen haben, durch Fair-Trade-Kaffee, durch Fair-Trade-Produkte. Wenn man bewusst einkauft, fördert man auch die Hilfe in diesen Ländern.

Wir brauchen faire Gesetze, aber auch eine faire Verfassung. Und wenn im Bereich der Flüchtlinge immer wieder mit Menschenwürde argumentiert wird, dann sollten wir die Menschwürde auch endlich in der österreichischen Verfassung verankern.

In diesem Sinne wünsche ich faire Ostern mit einer Menschenwürde in der Verfas­sung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 126

15.50.33

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Wir NEOS betrachten Entwicklungszusammenarbeit nicht als einseiti­ge Hilfe, sondern als Kooperation zwischen gleichwertigen Partnern. Die Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ist es, nachhaltige, wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung zu fördern. Und daher sehen wir es als nicht nur legitim, sondern auch als durchaus notwendig an, Entwicklungshilfe auch an politische Vorgaben zu koppeln. Aus diesem Grund werden wir diesem Antrag zustimmen. Wobei ich schon erwähnen muss, Kollege Karlsböck, ich hoffe, ich habe es im Antrag richtig verstanden, dass Menschen, die Asyl und Schutz bekommen und nachher straffällig werden, auch nicht abgeschoben werden können, die müssen dann halt bei uns ins Gefängnis.

Aber mit diesem Proviso sind wir einverstanden, denn ich glaube, die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, nur dort, wo Regierungen von Entwicklungsländern be­reit waren, demokratische, transparente und vor allem rechtsstaatliche Strukturen auf­zubauen, hat Hilfe manchmal auch zu tatsächlichen Ergebnissen geführt. Im Gegen­satz dazu wurden dort, wo dies nicht der Fall war, bestenfalls Symptome der Armut be­kämpft, aber die eigentlichen Ursachen nicht beseitigt.

Wenn wir also Milliardenbeträge, zusammen mit der EU natürlich, an korrupte Regime überweisen, helfen wir weder den Menschen vor Ort noch handeln wir im Sinne der ös­terreichischen Steuerzahler.

Daher: Neben der Wahrung von Demokratie und Menschenrechten können wir selbst­verständlich auch die Einhaltung des Völkerrechts einfordern, und dazu gehört nun ein­mal auch die rechtmäßige Rückführung von Migranten. Es wäre doch völlig unver­ständlich für die Steuerzahler, aber auch für die Spender bei Entwicklungszusammen­arbeit, wenn wir den betroffenen Ländern Hunderte Millionen überwiesen und diese nicht einmal bereit wären, ihre eigenen Staatsbürger zurückzunehmen. Zahlungen an Länder, die sich nicht an Rückführungsabkommen halten oder nicht kooperieren, müs­sen daher überdacht werden. Natürlich geht es da nur um Länder, wo kein Krieg herrscht, zum Beispiel Marokko, Tunesien oder Pakistan.

Was diese Länder betrifft, muss ich sagen, ganz konkret fließen derzeit nach Marokko EU-Hilfsgelder in der Höhe von etwa 480 Millionen € pro Jahr, nach Tunesien knapp über 400 Millionen €, und diese Länder weigern sich eben, ihre Staatsangehörigen zu­rückzunehmen. Ich halte das für unzumutbar. Und anstatt diesen Staaten diese Gelder zu überweisen, wäre vielleicht das Geld in den überfüllten Lagern rund um Syrien bes­ser aufgehoben.

Es ist für mich also eine logische Konsequenz, dass wir neben den anderen politischen und sozialen Aspekten auch auf die Einhaltung von internationalen Abkommen und so­mit auch auf die Kooperationsbereitschaft in der Einwanderungspolitik achten dürfen und achten müssen.

Folgendes möchte ich abschließend betonen, damit keine Missverständnisse entste­hen: Natürlich ist hier Entwicklungszusammenarbeit von humanitärer Hilfe streng zu trennen. Die humanitäre Hilfe, die auch im Budget anders abgebildet ist, wird davon nicht betroffen sein. Das haben wir jetzt auch im Beschluss der EU-Kommission, den Kollegin Tanja Windbüchler-Souschill vor ein paar Stunden erwähnt hat, gesehen. Dort wurde auch die EZA ausgesetzt, eben mit Ausnahme der humanitären Hilfe. Dem soll­ten wir auch folgen.

Langfristige Unterstützung im Sinne der Entwicklungszusammenarbeit sollten wir nur im Geiste des gegenseitigen Respekts gewähren. – Danke vielmals. (Beifall bei den NEOS.)

15.54



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 127

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


15.54.46

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht um die Rückführung ausländischer Staatsbürger, die keinen Aufenthaltstitel in Österreich haben, also auch jener, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben.

Grundsätzlich möchte ich dazu einmal sagen, Österreich ist ein Rechtsstaat. Das heißt, das Vollziehen von Recht ist an und für sich eine Selbstverständlichkeit. Das heißt, hat jemand kein Aufenthaltsrecht in Österreich, dann gehört das entsprechend vollzogen. Das ist auch insofern wichtig, als man dann jenen umso besser helfen kann, die tat­sächlich ein Aufenthaltsrecht erworben haben, jenen, die geflüchtet sind, jenen, die in ihrer Heimat verfolgt wurden.

Zum FPÖ-Antrag, der hier vorliegt, kann ich feststellen, Sie fordern die Bundesregie­rung auf, die Entwicklungshilfemittel jenen Entwicklungsländern zu kürzen, die ihre ei­genen Staatsbürger nicht von uns zurücknehmen, und erwähnen hier insbesondere die afrikanischen Staaten.

Da möchte ich sagen: Wer bekommt überhaupt Entwicklungshilfe von Österreich? – Das sind im Wesentlichen elf Staaten. Dazu zählen Butan, Moldau, Georgien, Arme­nien, Albanien, Kosovo, Palästina, Äthiopien, Mosambik, Uganda, Burkina Faso. Das sind allerdings nicht jene Länder, wohin es die große Mehrzahl an Rückführungen gäbe oder die wir bräuchten. Das heißt, die FPÖ würde wieder einmal bei den Ärmsten der Armen kürzen. Das haben wir ja während Ihrer Regierungszeit erlebt. Das würden Sie nun ins Ausland überführen. Dort zu kürzen ist absolut sinnlos, weil es keinen Ef­fekt hat. Von diesen Ländern kommen kaum Flüchtlinge.

Um die Länder beim Namen zu nennen, natürlich geht es um Nordafrika, es geht auch um Marokko, Algerien und Tunesien, da fließen keine relevanten Entwicklungshilfegel­der hin. Das heißt, dieser FPÖ-Antrag ist purer Populismus und führt ins Leere.

Grundsätzlich möchte ich aber sagen, die Leistung von Entwicklungshilfe erfolgt aus humanitären, aus sozialen Motiven. Entwicklungshilfe ist eine Hilfe zur Selbsthilfe. Das heißt, es geht um sauberes Wasser, es geht um Wasser für die Landwirtschaft, es geht um Bildung und Ausbildung, darum, dass die Menschen Arbeit haben.

Und jeder Mensch, der zufrieden in seiner Heimat lebt, seine Familie ernähren kann, ist ein Flüchtling weniger, ist eine Flüchtlingsfamilie weniger in Europa oder bei uns. Da­her natürlich Nein zu diesem populistischen Antrag der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sinn macht, ist, dass die Europäische Union und unsere zuständigen Minister verhandeln, und zwar mit jenen Ländern, wo es tatsächlich in relevanter Zahl um Rück­führungen geht. Dort gehört der Druck erhöht. Daher liegt sinnvollerweise ein Antrag von SPÖ und ÖVP vor. In diesem Antrag geht es um ein Anreizsystem, um Rückfüh­rungen durchführen zu können, und um Sanktionsmechanismen. Mit beiden zusam­men wird es uns gelingen, in der Frage der Rückführungen einen Schritt vorwärtszu­kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


15.58.20

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Herr Kollege Troch! Ich weiß nicht, wie Sie das definieren: relevante und nicht relevante Entwicklungsgelder. Fakt ist, dass Marokko sehr wohl auch Ent-


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wicklungsgelder bekommt, und das muss man auch einmal festhalten, und gewisse an­dere Staaten, die hier angeführt worden sind.

Aber mir ist es ehrlich gesagt wurscht, ob ich aus Burkina Faso oder was weiß ich wo­her einen Straftäter habe, der sich unrechtmäßig in Österreich aufhält und hier Strafta­ten verübt und der dann zu Recht abgeschoben werden soll, wobei ihn die dann nicht zurücknehmen. Das ist mir wurscht, ob das jetzt ein Entwicklungsland ist, das Ihrer Ansicht nach im Hinblick auf Entwicklungsgelder relevant ist oder nicht. Wichtig ist, dass diese Straftäter abgeschoben und von den Heimatstaaten zurückgenommen wer­den. Und um das geht es hier in diesem Antrag.

Ich habe dies auch früher schon bei einer Diskussion hier, wir diskutieren jetzt schon länger über Außenpolitik, angesprochen, dass es notwendig ist, dass man mit diesen ganzen Staaten, die hier betroffen sind, Gespräche führt. Es geht ja auch nicht nur um österreichische Entwicklungsgelder, sondern auch um Entwicklungsgelder der EU. Und da haben wir in einem vorigen Tagesordnungspunkt dem Herrn Außenminister etwas mit auf den Weg nach Brüssel gegeben, wo er dafür eintritt, dass die EU mit Marokko verhandelt, dass die EU mit Tunesien verhandelt und so weiter, und so weiter. Das ist auch der richtige Weg, und deswegen hat dieser Antrag auch seine Berechtigung.

Natürlich, auch der Antrag von der Regierung, der ein bisschen weniger, sage ich jetzt einmal, scharf zugeschnitten ist, geht in die richtige Richtung und bekommt auch von uns die Zustimmung.

Es ist doch wichtig, dass wir alles tun, um unsere Bevölkerung vor Straftätern, vor Ille­galen hier im Land, die nichts Gutes im Sinn haben, zu schützen. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Doppler.) Darum geht es in den Anträgen, und deswegen werden wir beiden zustimmen. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

16.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


16.00.22

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man einen Antrag über Entwicklungszusammenarbeit behandelt, sollte man sich vielleicht die grundlegende Frage stellen: Was ist Entwicklungszusam­menarbeit eigentlich?, beziehungsweise: Was ist das Ziel von Entwicklungszusammen­arbeit?

Wir gehen davon aus – und ich glaube, da herrscht Einigkeit, hoffe ich –, dass das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit Bekämpfung von Armut ist, die Bekämpfung von Ar­mut in bestimmten Ländern (Abg. Rädler: Auch in Europa!) – auch in Europa; danke für die Ergänzung –, dass Menschen, vor allem Kindern und jungen Menschen aus Fa­milien, die sozial benachteiligt sind, Bildung und Bildungszugänge ermöglicht werden.

Sowohl der ursprüngliche Antrag der FPÖ als auch der Antrag der Regierungsfrak­tionen wollen aber diese finanziellen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit einset­zen, um Rückübernahmeabkommen sozusagen zu erpressen. Und das ist nicht nur zweckwidrig und zweckfremd, denn das eine hat eigentlich mit dem anderen nichts zu tun. Auf der einen Seite geht es um Bekämpfung von Armut, auf der anderen Seite geht es um Rückschiebung von abgelehnten Asylwerbern und Asylwerberinnen.

Unsere Befürchtung ist, dass, wenn man das so macht, es nicht nur nichts bringen würde, sondern auch kontraproduktiv wäre. Wenn Sie nämlich die Mittel, die zur Be­kämpfung von Armut einzusetzen sind, kürzen wollen im Abtausch für die Unterzeich­nung von Rückübernahmeabkommen, dann führt das dazu, dass Armut größer wird und dass Armut manifester wird. Und das kann in vielen Fällen dazu führen, dass Men-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 129

schen dann abwandern müssen, weil sie dort, wo sie leben, wo sie geboren sind, keine Überlebenschancen haben.

Also so gut das vielleicht im populistischen Sinn klingen mag, so kurz gedacht sind bei­de Anträge, weil sie nicht einmal Symptombekämpfung betreiben, weil sie dazu führen können, dass Sie genau den gegenteiligen Effekt erreichen von dem, was Sie behaup­ten erreichen zu wollen.

Wir sind der Meinung, dass die Entwicklungszusammenarbeit nicht zweckentfremdet werden sollte, dass die finanziellen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit weiterhin sinnvoller- und konsequenterweise zur Armutsbekämpfung, zur Schaffung des Zu­gangs zu Bildung eingesetzt werden sollten und nicht zweckentfremdet zur Erpressung für die Unterzeichnung von Rückübernahmeabkommen eingesetzt werden sollten.

Wie gesagt, es gibt auch die Möglichkeit, dass das Ganze als Bumerang zurückkommt. Deshalb bitte ich, beide Anträge zu überdenken. Das ist vor allem ein Appell an die Kollegen und Kolleginnen von den Regierungsfraktionen, denn wenn das so durchgeht, wird das nicht nur Schaden anrichten, sondern Sie werden damit auch Ihr eigenes Ziel untergraben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


16.04.02

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Zunächst einmal darf ich dazu einladen, dass man nicht ununter­brochen Begriffsvermischung betreibt. Das geschieht zum Teil möglicherweise noch immer aus Unwissenheit, aber, ich glaube, zum Teil auch aus populistischen Gründen. Es werden ständig die Begriffe „Flüchtling“, „illegaler Migrant“, „Auswanderer“, „legaler Migrant“ miteinander vermischt und vermengt. Das halte ich für unseriös und eines Ho­hen Hauses nicht würdig.

Wir müssen hier ganz klar unterscheiden, was ein illegaler Migrant ist, was ein Aus­wanderer und ein Einwanderer ist und was ein Flüchtling ist, ein echter Flüchtling und ein GFK-Flüchtling, et cetera. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Teams Stro­nach.) – Danke.

Das ist, glaube ich, das Geringste, was wir unserem Souverän, nämlich dem österrei­chischen Volk, schuldig sind, aber auch denen, die zu Recht hierherkommen, aus Not heraus. Hier muss man klar differenzieren, und das sollten wir uns wirklich alle zu Her­zen nehmen.

Zu den beiden Anträgen: Ich unterstütze beide Anträge natürlich, weil ich der Meinung bin, dass wir ganz klare Sanktionen für Länder brauchen, die ihre illegalen Migranten, die zu uns kommen, nicht zurücknehmen, und das geht nur über die Androhung von Strafen oder die Verhängung von Strafen. Und das kann eben nur eine finanzielle Stra­fe sein, weil wir hier nicht mit Verhandlungen die geeigneten Ziele erreichen können.

Wir wissen, dass die illegale Migration ein echtes und bereits riesenhaftes Problem in Europa geworden ist, vor allem in Österreich und in Deutschland. Und ich halte es für ein No-Go, wenn man hier ein Auge oder vielleicht gar beide Augen zudrückt und sagt, das geht schon irgendwie, die Leute können bei uns bleiben, wir werden sie halt so lange versorgen, bis sie freiwillig gehen oder vielleicht zurückgenommen werden, et cetera. Das ist unseriös und der eigenen Bevölkerung gegenüber wirklich nicht in Ord­nung.

Daher ist es notwendig, dass wir uns Australien als Vorbild nehmen. Die haben mit ih­rer „No Way“-Politik, die alles andere als unmenschlich ist, sondern einfach ernsthaft,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 130

das Flüchtlingsproblem beziehungsweise das Problem der illegalen Einwanderung nach Australien gut in den Griff bekommen. Es ist aus unserer Sicht, aus österreichischer Sicht notwendig, dass wir die Ideen der ÖVP, die es bereits gibt und die zum Teil in Um­setzung sind, hier noch weiter ausrollen und weiter forcieren.

Das Ziel, dass man bis zum Jahr 2019 50 000 Leute abschieben will, halte ich für gut. Nur: 50 000 sind zu wenig! Ich glaube, man darf den Begriff „Zero Tolerance“ hier ein­führen und sagen: Wir möchten ausnahmslos alle zurückführen, die ohne Aufenthalts­titel in Österreich sind. Es kann nicht sein, dass ich nur 50 000 zurückführen will, und andere 50 000, die illegal hier sind, dürfen bleiben, weil wir doch ein Auge zudrücken. Ich glaube, hier muss man konsequent durchgreifen und diese Ziele verfolgen.

Am Ende kann natürlich nur eine europäische Lösung stehen, in der wir alle miteinan­der, alle EU-Länder anstreben, dass wir zuerst einmal die Außengrenzen sichern und dass wir zweitens endlich die Hotspots kriegen, wo die Leute ihre Asylanträge stellen können, sodass diese gar nicht bis zu uns herauf kommen, wo alles abgewickelt wird: der Asylantrag, inklusive Rückführung oder auch Aufnahme, wenn der Asylantrag be­rechtigt ist. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Teams Stro­nach.)

16.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


16.07.17

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Außenminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache, dass es mit manchen Ländern extreme Probleme mit der Rückführung von abgewiesenen Flücht­lingen gibt, ist uns bekannt. Der Grund dafür ist, dass sich Länder, wie zum Beispiel Marokko, schlichtweg weigern, ihren eigenen Staatsbürgern die Einreise zu gewähren. Diese Vorgangsweise stößt, wie ich meine, zu Recht auf Kritik.

In diesem Zusammenhang zu fordern, dass die Mittel für die Entwicklungszusammen­arbeit zu kürzen sind, halte ich aber nicht nur für falsch, sondern auch für kontrapro­duktiv. Eine Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit trägt nur dazu bei – das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schön öfter richtigerweise ausgeführt –, den wirtschaftlichen Unterschied zwischen Europa und den ärmeren Län­dern noch mehr zu vergrößern. Gleichzeitig wird dadurch den Menschen in den Län­dern, wie zum Beispiel Marokko, wieder genau jene Unterstützung genommen, die sie benötigen, um sich ein selbstbestimmtes Leben in ihrer Heimat aufzubauen.

Dazu kommt, sehr geehrte Damen und Herren, dass es kaum Überschneidungen zwi­schen den Schwerpunktländern der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und den Staaten gibt, die unwillig sind, ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zurückzu­nehmen.

Deshalb tritt Österreich auf EU-Ebene dafür ein, dass die EU-Gelder gezielter dafür eingesetzt werden, Menschen in ihren Heimatländern bessere Perspektiven zu geben. Es soll auch besser über die Risiken illegaler Einwanderung aufgeklärt werden, und dass der Weg über die Balkanroute oder sich Schleppern anzuvertrauen auch den Tod bedeuten kann, muss auch klar gesagt werden. Außerdem fordert Österreich, dass die EU Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr von Migranten finanziell unterstützt.

Kurz gesagt: Die Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit ist sicher nicht der richtige Weg. Vielmehr braucht es eine Kooperation mit den betroffenen Län­dern, und zwar auf Augenhöhe. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 131

16.10.01

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Da­men und Herren! Entwicklungszusammenarbeit hat einen ganz eindeutigen und klaren Zweck, nämlich die Bekämpfung von Armut und die Schaffung von menschenwürdigen Lebensbedingungen, indem zum Beispiel Zugang zu Wasser, zu Bildung, zur Gesund­heitsversorgung, zur Rechtsstaatlichkeit geschaffen wird. Für Menschen, die das nicht haben, die arm sind, die keine Zugänge zu den Ressourcen haben, ist das eher ein Push-Faktor. Armut ist ein Push-Faktor für Migration und bewirkt genau das Gegenteil vom Beabsichtigten: Wenn ich keine Zukunft für mich und meine Kinder, für meine Fa­milie habe, dann werde ich wahrscheinlich eher flüchten.

Die österreichische EZA im Speziellen wendet sich vor allem an marginalisierte Men­schen, an marginalisierte Gruppen selbst, während hingegen Rücknahmeübereinkom­men mit den Regierungen, mit den Staaten abzuschließen sind; und es ist nicht ver­ständlich, wie man da eine Kausalität herstellen kann, dass man arme Menschen dafür bestrafen soll, dass ihre Regierungen nicht willig sind, Abkommen abzuschließen. Das hieße, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Rücknahmeübereinkommen sind notwendig, sind wichtig, das ist keine Frage, sie ha­ben Sinn, aber es gibt viele Möglichkeiten, da Druck auszuüben – und darauf geht die­ser Antrag der Regierungsparteien ein –, nämlich Druck auszuüben, der in anderen, politischen, diplomatischen, der in völkerrechtlichen Möglichkeiten besteht. Wir haben das Cotonou-Abkommen, das rechtsstaatlich basierte Rückführungen vorsieht, zwar nicht mit den Maghreb-Staaten, aber mit den AKP-Staaten. Wir haben die Möglichkeit, auf die Maghreb-Staaten über die Frage von Verträgen wie bilateralen Investitionsschutz­abkommen, über die Frage von Direktinvestitionen und vieles mehr Druck auszuüben. Das sollte man durchaus ausspielen und nutzen, aber in dem Antrag der Regierungs­parteien geht es eben genau nicht um EZA als Druckmittel.

Die Herkunftsländer der Flüchtlinge sind nicht deckungsgleich mit den Schwerpunkt­ländern. Aus Bhutan, aus Mosambik, aus Burkina Faso – das sind zum Beispiel Schwer­punktländer – kommen nicht die großen Flüchtlingsströme. Noch dazu ist Entwick­lungszusammenarbeit eine mittel- bis langfristige Maßnahme, während hingegen Fluchtbewegungen sehr oft aufgrund von kurzfristigen Ereignissen, seien es Konflikte, Naturkatastrophen, was auch immer, zustande kommen. Wenn ich mehr Minuten an Re­dezeit hätte, könnte ich Ihnen noch wesentlich mehr Argumente darlegen.

Jedenfalls, es ist gesagt worden, werden wir diesen populistischen Antrag der FPÖ ab­lehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12

16.12.10

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, seinen Bericht 1036 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 1476/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür stimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1036 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend finanzielle Sanktionen bei Nichtrückübernahme.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 133.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 132

16.13.2810. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 1492/A(E) der Abge­ordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­längerung des Mandats für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechts­lage im Iran (1037 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Mag. Schönegger, Sie sind als Erster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.13.59

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! In den letzten Monaten war der Iran sehr oft, öfter als sonst medial prä­sent, und ja, es gab durchaus positive Signale aus dem Iran zu vermelden – zarte Pflänz­chen, möchte ich sagen. Das Atomabkommen, die Wiederaufnahme von direkten Ge­sprächen mit den Vereinigten Staaten von Amerika sowie Wahlerfolge von Reformbe­mühten gaben und geben Grund zur Hoffnung im Iran. Aber Achtung, Hoffnung hatten wir alle auch schon durch durchaus journalistisch bemerkenswerte Expertenleistungen zu Beginn des Arabischen Frühlings, und bezüglich dieser Hoffnungen hat uns die Re­alität mittlerweile wieder sehr hart eingeholt.

Besonders prekär, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Menschenrechts­situation im Iran. Im Iran droht laut Amnesty International – da ist ein durchaus loh­nendes Betätigungsfeld für Amnesty International zu finden – Dutzenden Jugendlichen die Todesstrafe. Derzeit sollen im Iran mindestens 49 Straftäter unter 18 Jahren im To­destrakt auf ihre Hinrichtung warten. Viele von ihnen warten dort schon seit vielen, vie­len Jahren.

Trotz der jüngsten Justizreform im Lande erlaubt das iranische Recht nach wie vor, Mädchen ab dem Alter von neun Jahren und Buben ab dem Alter von 15 Jahren zum Tode zu verurteilen. Besonders hervorzuheben ist dabei die signifikante Ungleichheit, wie gerade beschrieben, von Männern und Frauen. Allein zwischen 2005 und 2015, also in zehn Jahren, sind 73 jugendliche Straftäter hingerichtet worden, darunter min­destens vier im vergangenen Jahr. Die Todesurteile werden beispielsweise für Delikte wie Mord, Vergewaltigung, Drogenhandel oder Gefährdung der nationalen Sicherheit verhängt. Besonders pikant ist auch der Tatbestand „Feindschaft gegen Gott“.

Für uns als aufgeklärte Mitteleuropäer ist das mehr als befremdlich, eigentlich unvor­stellbar. Wir fühlen uns eher an das Mittelalter erinnert.

Erst seit 2015 werden solche Fälle vor Jugendgerichten verhandelt. Dennoch kritisiert Amnesty International völlig zu Recht das Rechtssystem im Iran, welches nach wie vor weit hinter den internationalen Standards zurückliegt.

Die Todesstrafe – und das sage ich klar und deutlich – ist natürlich prinzipiell abzuleh­nen und muss ohne jeden Zweifel weltweit schnellstens abgeschafft werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits seit mehr als 30 Jahren verabschie­det die Generalversammlung der Vereinten Nationen beinahe jährlich eine Resolution zur Situation der Menschenrechte im Iran, und im März 2011 beschloss man ein Man­dat für einen Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran.

Ein Ende der katastrophalen Lage in der Islamischen Republik Iran ist aber nach wie vor nicht in Sicht. Daher ist es aus unserer Sicht weiter zwingend notwendig, Druck auf die Regierung in Teheran auszuüben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 133

Auch wir in Europa – daran möchte ich erinnern – haben viele Jahrhunderte gebraucht, um Demokratie und Menschenrechte zu lernen. Also senden wir das Signal auch an die vielen – zwei Drittel der Iraner sind unter 35 Jahre alt – jungen Iraner, die mögli­cherweise den Wunsch haben, irgendwann einmal in einer aufgeklärten Welt zu leben: Wir stehen an ihrer Seite!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte aber auch die Gelegenheit nut­zen, mich bei unserem Außenminister – und ich denke, namens der ganz überwiegen­den Zahl der Österreicherinnen und Österreicher – zu bedanken. Er hat in den letzten Monaten, eigentlich von Beginn der gesamten Flüchtlingssituation, der gesamten Flücht­lingsmisere an, eine ganz klare Haltung eingenommen, er hat Österreich exzellent ver­treten. Nicht zuletzt hat seine klare Haltung dazu geführt, dass jetzt auch der Bundes­kanzler einen Umkehrschwung hingelegt hat, der Österreich und den Menschen in Ös­terreich guttut.

Herr Außenminister, danke für Ihre Haltung und für Ihr Rückgrat in dieser Frage! (Bei­fall bei der ÖVP.)

16.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


16.18.17

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Jüngst gab es Wahlen im Iran, und es ist dort zu einer Verschiebung gekommen, zu einer noch grö­ßeren Unterstützung für den Präsidenten Rohani. Das ist ein Signal, das besonders durch das Atomabkommen begünstigt wurde, das hier in Wien verhandelt wurde und mit dem es wirklich gelungen ist, eine Entspannung herbeizuführen und den Iran als Partner im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat zu gewinnen. Das kann auch eine Balance in geostrategischer, geopolitischer Hinsicht in dieser Region herbei­führen und durchaus auch einen großen Beitrag leisten, wenn es darum geht, den Frie­den in Syrien wiederherzustellen, weil das unter anderem auch eine Konfliktlage zwi­schen Schiiten, Sunniten, Iran, Saudi-Arabien und natürlich auch den großen Mächten ist. Das spielt im Hintergrund eine große Rolle.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass man sich um die Menschenrechtslage im Iran küm­mert und auch eine Unterstützung für die moderaten Kräfte dort leistet. Daher wird man versuchen, die Initiativen der UNO und die Berichtskultur betreffend Menschenrechts­lage zu unterstützen. Ich glaube überhaupt, dass die wirtschaftliche Prosperität und der Aufbau von wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran durchaus auch eine Unterstüt­zung für die Öffnung sind, die auch eine weitere Demokratisierung begünstigen kann.

Ich glaube, dass es dort auch eine Parallelgesellschaft gibt. Es gibt zwar die Tugend­wächter und die vielen Regeln, die in diesem Bereich immer wieder kreiert wurden, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass das im Kern eine andere Erwartungshal­tung, eine andere Gesellschaft ist – und mit Sicherheit eine, die in einem Unterschied zu jener in Saudi-Arabien steht, das eine ganz andere Struktur hat.

Daher glaube ich, wenn man diesen Prozess unterstützt, dass das à la longue für uns alle mehr Sicherheit bringt und dass das daher auch für uns eine ganz wichtige Sache ist. Und daher begrüße ich es, dass wir auch auf diesem Gebiet gemeinsam vorgehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fekter. – Bravoruf des Abg. Pendl.)

16.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. – Bitte.

 


16.20.40

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Dame und sehr geehrter Herr auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 134

erfreulich, dass es möglich war, sich mit Stimmenmehrheit – leider nicht einheitlich, aber mit Stimmenmehrheit – im Ausschuss über die verheerende Menschenrechtslage im Iran zu einigen beziehungsweise sich auch auf Maßnahmen zu einigen, und dass der Antrag der Grünen von meiner Kollegin Windbüchler-Souschill betreffend Verlängerung des Mandats für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran, wie ge­sagt, mehrheitlich angenommen wurde.

Dass die Menschenrechtslage im Iran katastrophal ist, trotz mancherorts behaupteter Verbesserungen, liegt auf der Hand. Die UNO wirft dem Iran die Hinrichtung Dutzender Minderjähriger vor, und es ist sehr bezeichnend, dass der Bericht der Vereinten Na­tionen vom Außenamtssprecher des Iran als – ich zitiere – „parteilich, diskriminierend und politisch motiviert“ abgekanzelt wurde. Das kennen wir von vielen Diktaturen, von Nichtdemokratien, dass versucht wird, Menschenrechtsberichte, Berichte, mit denen auf Fehlentwicklungen oder katastrophale Zustände hingewiesen wird, als „parteilich“, als „diskriminierend“ – unter Anführungszeichen – wegzureden.

Das ändert die Lage von vielen Minderjährigen in Haft, auch von leider hingerichteten Minderjährigen – es waren zig Minderjährigen in den letzten Jahren –, von verfolgten Regimegegnerinnen und -gegnern, von verfolgten Minderheiten, von verfolgten und hin­gerichteten Homosexuellen leider nicht.

Umso erfreulicher ist es, dass wir uns mehrheitlich darauf einigen konnten, dass der UN-Sonderberichterstatter die Menschenrechtslage im Iran weiter im Auge behalten und beobachten soll. – Danke für die Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.)

16.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kurz. – Bitte.

 


16.22.47

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­te Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, dass uns alle das Anliegen eint, die menschenrechtliche Situation nicht nur im Iran, sondern überall auf der Welt zu verbessern.

Gerade wenn man in den Iran blickt, erlebt man jetzt sehr viel Licht und Schatten auf einmal. Wir erleben nach wie vor eine schlechte menschenrechtliche Situation. Wir er­leben aber andererseits, auch aufgrund des Atomabkommens, das in Wien abge­schlossen worden ist, wieder ein Zurückkehren des Iran in den weltweiten Dialog, ins Gespräch, und auch eine Annäherung an andere Staaten. Und ich glaube, das ist et­was sehr Positives, das gerade auch bei den jungen Menschen im Iran Hoffnung aus­gelöst hat, nämlich Hoffnung, wieder in Kontakt mit der Welt treten zu können, aber natürlich auch Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Fortschritt, von dem vor allem die Menschen selbst im Iran profitieren würden.

Wir sind froh über das Abkommen, weil ich glaube, dass gerade der Dialog, der Kon­takt mit dem Iran der richtige Weg sein kann, um auch eine Verbesserung der Situation zustande zu bringen. Die Isolation eines Landes allein führt meistens nicht zur Verbes­serung der Situation in dem jeweiligen Land. Insofern haben wir auch die große Hoff­nung, dass sich die menschenrechtliche Situation im Iran verbessert, und wir haben nicht nur die Hoffnung, sondern wir treten auch ganz massiv dafür ein.

Wir tun das natürlich multilateral. Wir unterstützen daher auch die Bemühungen der Europäischen Union in der 31. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats für eine Verlänge­rung des Mandates des UN-Sonderberichterstatters zur Menschenrechtslage im Iran.

Wir arbeiten aber natürlich vor allem auch bilateral an einer Verbesserung der Situa­tion. Und so war es bei all meinen Kontakten mit dem Iran, bei all meinen Reisen in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 135

den Iran stets das oberste Thema auf der Agenda, nicht nur die Menschenrechtssi­tuation im Allgemeinen anzusprechen, sondern vor allem über die Abschaffung der To­desstrafe zu diskutieren, ein Mehr an Religionsfreiheit einzufordern und uns natürlich auch für Minderheitenrechte starkzumachen.

Da schon seit einigen Jahren kein EU-Menschenrechtsdialog mehr mit dem Iran statt­findet, treten wir vor allem auch dafür ein, dass dieser Dialog zwischen der Europäi­schen Union und dem Iran wieder aufgenommen wird, und ich bin sehr froh, dass wir beim letzten Besuch des Vizeaußenministers vor Kurzem in Wien auch erstmals posi­tive Signale in diese Richtung erhalten haben. Insbesondere die hohe Zahl an Todes­urteilen ist etwas, was wir nicht hinnehmen dürfen. Es ist unsere Pflicht, uns für eine Verbesserung der Situation im Iran einzusetzen, und ich bin froh, dass das, glaube ich, auch hier breiten Konsens findet. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abge­ordneten Jarolim und Korun.)

16.25

16.25.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1037 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Verlängerung des Mandats für den UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür stimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 134.)

16.26.3111. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1208/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen nationalen Aktionsplan Asyl (1029 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


16.27.02

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Manchmal nen­nen wir es Masterplan Asyl und Integration. In dem Fall haben es die Kollegen von den NEOS „nationalen Aktionsplan Asyl“ genannt. Ich denke, es geht um etwas sehr Ähn­liches, nämlich darum, dass es, um die aktuellen Herausforderungen gemeinsam meis­tern zu können, einen großen gemeinsamen Plan zwischen Bund, Ländern und Ge­meinden braucht, dass es gemeinsame Beschlüsse und Mittel für konkrete Integra­tionsmaßnahmen, für konkrete Unterbringungsmaßnahmen, für Maßnahmen für die Schaffung von Wohnraum für Schutzsuchende braucht; und es geht auch darum, dass das bis jetzt leider gefehlt hat.

In dem Sinn kann man den Antrag der NEOS nur unterstützen, glaube ich und glauben wir. Wir haben selbst auch ähnliche Anträge eingebracht, die leider, zumindest bis jetzt, nicht die Mehrheit im Menschenrechtsausschuss oder im Plenum des National­rates gefunden haben. Insofern ist meine Hoffnung, dass es heute anders ist und dass der Antrag die Mehrheit findet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 136

Kurz ein paar Worte zur aktuellen Situation: Wir haben noch immer die Situation, dass Schutzsuchende in großer Zahl in Übergangsquartieren untergebracht sind. Viele Ge­meinden sind aktiv geworden, das muss man hier anerkennend und lobend erwähnen. Ich spreche von dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, an alle Bürgerinnen und Bürger aus, die in ihren Gemeinden teil­weise schier Unmögliches geleistet haben, nämlich zum Beispiel täglich freiwillig Deutschkurse zu organisieren, Spenden zu sammeln oder mit den Schulkindern, mit Flüchtlingskindern gemeinsam zu lernen. Also da passiert sehr, sehr viel, und da kann man nur Danke sagen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

Danke noch einmal an alle, die wirklich anpacken, um diese Herausforderung zu meis­tern!

Trotzdem gibt es noch ein bisschen Luft nach oben. Wir haben noch immer relativ viele Gemeinden, die noch keinen einzigen Schutzsuchenden unterbringen konnten oder un­tergebracht haben. Das heißt, da gibt es noch Verbesserungspotenzial. Deshalb möch­te ich auch von dieser Stelle aus an alle appellieren und bitten: Bemühen wir uns ge­meinsam mehr, denn diese Herausforderung ist nur gemeinsam zu meistern!

Und in diesem Sinn ist der vorliegende Antrag zu unterstützen, weil wir wirklich einen gemeinsamen Plan zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zwischen allen politi­schen Ebenen brauchen, damit wir es schaffen. Wenn Einzelne einfach nur Nein sa­gen, sich querstellen oder sich einfach unwillig zeigen und nicht mit anpacken, dann ist das nicht lösbar. Es ist nur gemeinsam bewältigbar.

In diesem Sinn gibt es ein klares Ja vonseiten der Grünen zu diesem Antrag und
zu gemeinsamen Bemühungen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Rädler.)

16.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Vet­ter. – Bitte.

 


16.30.22

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Dieser Antrag, der aus dem Juni 2015 stammt, wurde in der Zwischenzeit von der Re­alität in vielen Punkten überholt. Was man, glaube ich, dieser Regierung heute wirklich nicht mehr vorwerfen kann, ist, dass sie keinen Plan hat. Sie hat in den letzten Mona­ten einiges getan. Sie hat sehr viel getan.

Ich erinnere: Letzten Herbst haben wir das Durchgriffsrecht beschlossen. Im Jänner sind die Obergrenze und das Grenzmanagement beschlossen worden, es sind 75 Mil­lionen € für Integrationsmaßnahmen beschlossen worden, es sind zusätzliche 1 500 Poli­zisten beschlossen worden et cetera.

Ich konzediere, dass es nicht leicht war, diesen Weg zusammen zu finden, wobei ich die Häme der Grünen gegenüber der SPÖ nicht teile und nicht der Meinung bin, dass die Blauen an der nunmehrigen – meiner Ansicht nach eben realistischen – Linie der SPÖ schuld wären. Da kann man uns viel mehr Schuld daran geben als den Blauen. (Rufe bei der FPÖ: Wer ist „uns“? – Abg. Hafenecker: Ist das jetzt Stronach oder ÖVP? – Abg. Korun: Sprechen Sie jetzt für Stronach oder für die ÖVP?) Aber ich glau­be eher, dass das einfach die Meinung der Bevölkerung ist, die da vollzogen worden ist.

Da braucht man gar nicht mit Häme zu reagieren. Das ist einfach realistisch, was die SPÖ jetzt macht. Und ich wünsche Ihnen von der SPÖ auch dort, wo es Spannungen mit idealistischen Jugendorganisationen gibt, dass ihr das bewältigt – im Sinne von Ös-


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terreich. Da brauche ich überhaupt nicht irgendwie hämisch zu sein oder irgendetwas anderes. Es ist einfach realistisch, und das ist gut für Österreich, wenn die beiden Re­gierungsparteien eine realistische Linie gefunden haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Meiner Ansicht nach hat Grenzenlosigkeit auch nichts mit Menschlichkeit zu tun. Wir brauchen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung! Daher ist es in Wirklichkeit so, dass das, was die Regierung gemacht hat, dass die Grenzen halt wieder notdürftig geschützt werden, weil wir es tun müssen, in Wirklichkeit menschlich ist. Wir können es nur so schaffen, weil die Aufrechterhaltung der Ordnung, der öffentlichen Sicherheit Vo­raussetzung dafür ist, dass wir auch anderen Menschen helfen können.

Da dürfen wir einfach nicht unrealistisch sein. Das hat auch unser Klubobmann heute gesagt: Der Fehler ist einfach, dass man sich viel zu hohe Ziele setzt, idealistisch ist und dann scheitert. – Das war beim Marxismus so, das war bei allen konstruktivisti­schen Ideologien so, und das wäre auch da so.

Natürlich befürworte ich zum Beispiel Sprachkurse für Leute. Ist es aber sinnvoll, vor­zuschreiben, dass jemand, der aus einem arabischen Land kommt, in drei Jahren plötz­lich Deutsch können soll?! – Wir müssen uns selbst einmal vorstellen: Wie lange wür­den wir brauchen, um eine arabische Sprache zu lernen? – Gestern sind hier ein paar Leute gestanden, die über TTIP geredet haben und die es nicht lesen konnten, weil es auf Englisch war.

Also so leicht ist es nicht. Wir müssen, noch einmal, einfach realistisch bleiben. – Dan­ke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak. – Bitte.

 


16.33.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Lieber Georg Vetter, ich schätze dich ja sonst sehr, aber du lebst da offensicht­lich in einer Parallelwelt. Du hast schon recht, es sind Maßnahmen getätigt worden, die Frage ist aber, ob das ein lang anhaltender, ein nachhaltiger und sinnvoller Plan ist. Und das ist genau das, was wir vorschlagen: dass so ein Plan erstellt wird, weil wir ihn brauchen.

Ich möchte nur kurz Revue passieren lassen, was in den letzten Jahren in diesem Zu­sammenhang so passiert ist:

Angefangen hat es damit, dass die Innenministerin als Erste gewarnt hat – und das muss man ihr zugestehen –, dass so eine Flüchtlingswelle auf uns zukommen wird. Es haben halt sehr wenige auf sie gehört; das muss man auch dazusagen. Es hat sich die Regierung nicht sonderlich groß vorbereitet (Abg. Rädler: Na, na, na!), die Bundeslän­der haben sich nicht groß vorbereitet, und wir haben immer wieder die Situation ge­habt, dass die Bundesländer die Quoten nicht erfüllt haben. (Abg. Rädler: Ein paar!) Ich kann mich erinnern, die Innenministerin hat gefühlte 17 Mal ein Ultimatum gestellt. Das Problem ist nur: Immer wenn das Ultimatum abgelaufen ist, ist dann wieder nichts passiert, und die Bundesländer haben weiter die Quoten nicht erfüllt.

Dann sind immer mehr Flüchtlinge gekommen, und dann haben wir begonnen, einmal Zelte aufzustellen. Ich fand das damals ziemlich irritierend, wieso wir jetzt in Österreich Zelte aufstellen müssen. Aber das war bekanntlich erst der Anfang.

Wir haben dann weitergemacht und haben im Sommer aufgehört, Zelte aufzustellen. Was dann herausgekommen ist, ist die Schande von Traiskirchen, wo über Wochen klei-


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ne Kinder auf der Wiese schlafen mussten. Das heißt, das war die nächste Steige­rungsstufe, die wir hatten.

Dann haben wir eine Diskussion gehabt, ob wir einen Zaun bauen, ein „Türl mit Seiten­teilen“, irgendetwas dergleichen – eine ewige Diskussion.

Plötzlich kam dann der Einfall mit der Obergrenze: 37 500 Leute dürfen nur mehr nach Österreich kommen. Eine interessante Diskussion damals! Ich fand die Pressekonfe­renz damals total spannend, denn man hat gesagt, man hat sich politisch einmal ge­einigt, aber wie das rechtlich gehen soll, hat keiner gewusst. Die Frau Ministerin wollte das Rechtliche dann beiseitelassen.

Es ist insofern gut, dass wir heute darüber debattieren, weil nicht nur Präsident Holzin­ger vom Verfassungsgerichtshof gestern klar gesagt hat, dass so eine Obergrenze nicht rechtskonform ist (Abg. Rädler: Das ist einer!), sondern heute auch beide Gut­achter – Herr Kollege Rädler, beide Gutachter, bei denen Sie das Gutachten in Auftrag gegeben haben – gesagt haben, dass so etwas nicht rechtskonform sein kann. Ich meine, das haben alle, die sich damit auseinandersetzen, vorher auch schon gewusst. Aber es ist gut, dass die beiden Gutachter, die die Bundesregierung beauftragt hat, hier genau das Gleiche sagen.

Wir haben im Integrationsbereich ein paar Maßnahmen gesetzt; da stimme ich Ihnen auch zu. Wir haben Gelder in die Hand genommen, versuchen, Deutschkurse zur Ver­fügung zu stellen. Zum Glück gibt es viele Leute, die Kurse freiwillig machen. Aber es ist trotzdem noch kein langfristiger und nachhaltiger Plan da.

Wir schlagen genau deshalb vor, dass wir so einen langfristigen Plan erarbeiten und insbesondere auch die Länder einbeziehen, weil es immer noch so ist, dass die Länder ihre Quoten nicht erfüllen.

Ich finde es ein bisschen pikant, aber ich finde, es zeigt auch, wie absurd die Situation ist, wenn unter den vier Ländern, die die geringste Quotenerfüllung aufweisen, drei Län­der sind, in denen es grüne Landes-Flüchtlingsreferenten gibt. Ich glaube ja, dass die Grünen grundsätzlich ein Interesse haben, die Leute unterzubringen, aber es zeigt, wie absurd die Situation ist, wenn es offensichtlich nicht einmal grüne Landes-Flücht­lingsreferenten schaffen, die Quote zu erfüllen.

Es gab dann absurde Situationen, wie in Salzburg, wo die Landesrätin Berthold dem ÖVP-Bürgermeister von Bad Gastein geholfen hat, zu erreichen, dass das Flüchtlings­heim von Sepp Schellhorn nicht mehr weiter bestehen kann.

Es gibt die absurde Situation in Niederösterreich – Herr Kollege Rädler, Sie kennen das sicher –, dass der Landeshauptmann Pröll halt die Zahlen von Traiskirchen einrechnet und glaubt, dass er so seine Quote erfüllt.

Der Einzige, der – und das muss man ehrlich sagen – vorbildlich ist, ist Bürgermeister Häupl, der wirklich sehr, sehr viele Flüchtlinge aufgenommen hat.

Fakt ist: Wir brauchen da einen sinnvollen Plan für die Zukunft. Wir brauchen einen sinnvollen, nachhaltigen Plan, damit wir eben genau so eine Situation, die ja unter Um­ständen noch sehr lange anhalten wird, sinnvoll lösen können. Und dazu braucht es sinnvolle Pläne, wie man die Leute unterbringt. Dazu braucht es sinnvolle Pläne, wie man die Leute integriert, das heißt, Deutschkurse macht, wie man die Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren kann.

Das Interessante ist: Es gibt in so vielen Bereichen nationale Aktionspläne! Und wir ha­ben uns in so vielen Bereichen zu Recht auch darauf verständigt, dass wir solche Ak­tionspläne haben. Aber in dem momentan wichtigsten innenpolitischen und europa­politischen Bereich, nämlich in der Frage der Flüchtlingssituation, kriegen wir es offen-


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sichtlich nicht hin. Jede Ebene macht halt das, was sie gerne hätte, macht weiter, an­statt dass wir uns gemeinsam zusammensetzen und überlegen, wie wir diese Heraus­forderung sinnvoll in den Griff bekommen können. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Korun.)

16.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yil­maz. – Bitte.

 


16.38.03

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion wird den Antrag des Kollegen Scherak ablehnen, und zwar nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern – und mit so einem guten Gewissen habe ich schon lange nicht mehr einen Antrag abge­lehnt – weil das, was in diesem Antrag drinnen steht, Herr Kollege Scherak, bereits auf Schiene ist. Ob es jetzt die finanziellen Mittel sind, Wohnraumbeschaffung oder perso­nelle Aufstockung, das ist seit 20. Jänner auch mit Gemeinden und Ländern bereits aus­gemacht und auf Schiene. (Abg. Scherak: Die Länder erfüllen die Quoten immer noch nicht, oder?) – Leider!

Schauen Sie, das ist eine partnerschaftliche Abmachung. Man kann nur immer wieder gut zureden. Wir haben auch ein Gesetz beschlossen, nämlich betreffend das Durch­griffsrecht. Das funktioniert auch gut. Aber wir haben nach wie vor – ja, das gebe ich zu – Gemeinden, die noch keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben.

Apropos finanzielle Mittel: Die 75 Millionen €, die im September beschlossen wurden, wurden vor Kurzem auf die zuständigen Ministerien zweckgebunden, nämlich für Pro­jekte, aufgeteilt. Da würde ich bitten, Frau Bundesministerin, dass die Gelder auch dort ankommen, wo schon eingereicht worden ist und Projekte beschlossen worden sind. Wien hat bis jetzt – mein Wissensstand ist von Donnerstag voriger Woche – keinen ein­zigen Cent gesehen!

Vor einem halben Jahr haben wir dieses Geld beschlossen, und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich dafür einsetzen würden, dass diese Gelder auch dort ankom­men, wo sie sehr dringend gebraucht werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scherak: Da braucht es vielleicht einen nationalen Aktionsplan!)

16.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Schmid. – Bitte.

 


16.40.14

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Zum nationalen Aktionsplan: Unsere Innenpolitik wird der­zeit vordergründig von der Flüchtlingsproblematik beherrscht. Ein von den NEOS ein­gebrachter Antrag fordert einen Aktionsplan Asyl, hierbei ist allerdings zu berücksich­tigen, dass Asyl kein Recht auf Dauer ist.

Asylwerber sind bei deren Einreise in die EU auf ein allfälliges Asylrecht zu prüfen, wo­bei ein Asylrecht lediglich bei nachweislichen Kriegsflüchtlingen besteht. Wirtschafts­flüchtlingen – und das ist die Mehrzahl der Flüchtlinge – ist eine Einreise zu verwehren. Es gilt, an der EU-Außengrenze die persönlichen Daten der Flüchtlinge zu erfassen und zu überprüfen, wobei Personen mit gefälschten Dokumenten – und das kommt nicht so selten vor – unverzüglich in deren Heimatland abzuschieben sind. Schlepper und soge­nannte Fluchthelfer sind gerichtlich zu verfolgen und hart zu bestrafen.

Wenngleich die Zeit einer ungehinderten Einreise nach Österreich derzeit beendet scheint, ist Österreich mit den im Bundesgebiet aufhältigen Fremden, Asylwerbern in ei-


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ner schwierigen Lage. Die Zahl der Arbeitslosen steigt stetig, und die anhaltend schlechte Wirtschaftslage trägt den Rest dazu bei.

Die Integrationsmaßnahmen verschlingen auch angesichts des Bildungsniveaus der meisten Fremden Millionen, und ein Erfolg dieser Maßnahmen scheitert höchstwahr­scheinlich am mangelnden Integrationswillen der mehrheitlich muslimischen Personen, denn auch die Mehrheit der seit Generationen bei uns lebenden Moslems lehnen un­sere Kultur und Werte ab.

Österreich allein wird es nicht möglich sein, dieses Problem zu lösen, doch leider scheint die EU auch da vollends zu versagen. Ein Pakt mit der Türkei, wie er im Bereich der Möglichkeiten steht, ist schärfstens abzulehnen, und deren Liste an Forderungen kommt einer Erpressung gleich.

Die Schließung der Balkanroute ist ein wichtiger erster Schritt, jedoch muss auch unse­re Staatsgrenze aufgrund des fortschreitenden Versagens der EU gesichert werden. – Danke.

16.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.42.56

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir Freiheitliche lehnen den Entschließungsantrag der NEOS betreffend einen nationalen Aktionsplan Asyl eben­falls ab, weil er sich inzwischen tatsächlich überholt hat. Nichtsdestotrotz brauchen wir einen nationalen Aktionsplan Asyl, und zwar, um das herrschende Asyl-Chaos zu beenden und auch abzuarbeiten. (Beifall bei der FPÖ.)

Bundeskanzlerin Merkel hat mir ihrer Willkommenspolitik einen beispiellosen Migra­tionsstrom nach Europa ausgelöst, und Bundeskanzler Faymann hat ihr dabei tatkräftig geholfen. Mit Ausnahme von noch einigen unverbesserlichen Befürwortern eines unge­regelten und unkontrollierten Zustroms an Flüchtlingen haben alle erkannt, dass die Politik der offenen Grenzen kläglichst gescheitert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke, auch Sie, Frau Minister Mikl-Leitner, haben erkannt, dass die Politik der of­fenen Türen und Grenzen kläglich gescheitert ist. (Abg. Rädler: „Türl mit Seitenteilen“!) Dafür, dass Sie nun endlich – zwar zögerlich und viel zu spät und vermutlich aufgrund des Meinungsumschwunges der öffentlichen Meinung – nicht mehr aktiv die Einreise und den Zustrom in unser Land und den Durchzug durch unser Land unterstützen, muss man Ihnen beinahe dankbar sein.

Wer jetzt glaubt, die Regierung wäre zur Besinnung gekommen, der irrt, denn wenn Bundeskanzler Faymann in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ am Sonntag sagte, es brauche eine „Riesenkraftanstrengung“, um die im letzten Jahr aufgenommenen 90 000 und die für dieses Jahr vorgesehenen 37 500 Flüchtlinge zu integrieren, dann bedeutet das kurz gesagt nichts anderes, als dass man beabsichtigt, alle Asylwerber ungeachtet des Ausgangs ihres Verfahrens im Land zu lassen – und das, obwohl man ganz genau weiß, dass die überwiegende Mehrheit der Asylwerber keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, sondern vielmehr Wirtschaftsflüchtlinge sind, die sich ihren Weg über sichere Staaten zu uns geebnet haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Einem derartigen drohenden Gesetzesbruch werden wir Freiheitlichen uns mit aller Kraft entgegenstellen (Beifall bei der FPÖ), denn eines ist klar: Auch eine Bundesre­gierung hat sich an bestehende Gesetze zu halten, und das ohne Ausnahme – also auch an jene Gesetze, die den Zuzug und den Aufenthalt von Fremden in das Bun­desgebiet regeln – und auch dann, wenn es ihr unbequem ist und nicht ins Konzept


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passt. Denn wenn wir alle Asylwerber integrieren, dann frage ich mich, wozu wir dann überhaupt Asylverfahren durchführen: Um den Schein zu wahren oder um der Bevöl­kerung Sand in die Augen zu streuen? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich fordere Sie daher auf: Sichern Sie unsere Grenzen, schützen Sie unser Land! Ge­währen Sie nur denjenigen Schutz, die es brauchen, und schieben Sie alle diejenigen ab, die es missbrauchen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Rädler zu Wort. – Bitte. (Abg. Loacker: Bürgermeister …! – Abg. Rädler – auf dem Weg zum Redner­pult –: Ja, darum geht es!)

 


16.47.12

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Bundesminister! Frau Präsident! Hohes Haus! Liebe Frau Abgeordnete Korun, ich habe applaudiert bei Ihrer Rede – Sie wer­den es nicht bemerkt haben (Abg. Korun: Lauter!) –, und zwar deshalb, weil Sie ange­sprochen haben, dass bei den Flüchtlingsunterkünften auf Gemeindeebene noch im­mer zu wenig getan wird. (Abg. Korun: Es wurde viel getan, aber es ist Luft nach oben!)

Ja, es ist Luft nach oben und deshalb habe ich auch applaudiert, denn ich vertraue da auf die Zivilgesellschaft – jetzt unabhängig von parteipolitischen Anschauungen –, dass in den Gemeinden mehr Druck gemacht wird, dass jene Bürgermeister, die keine Flücht­linge unterbringen, diesbezüglich aktiv tätig werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Ab­geordneten von Grünen und NEOS.)

Aber, Herr Abgeordneter Scherak, schlagen Sie nach bei Gorbatschow: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ (Ironische Heiterkeit bei den NEOS sowie der Abg. Korun.) – Ihr seid mit eurem Antrag einfach zu spät gekommen! Was soll das, jetzt ei­nen nationalen Aktionsplan zu fordern? Das ist schon sehr ambitioniert, geht aber weit am Wollen und am Weg vorbei. Es geht halt darum, dass man in der Diskussion dabei sein will. Ich verstehe, dass Sie als kleine Gruppe das tun. (Abg. Korun: Das kennen Sie, oder?)

Sie sollten doch bemerkt haben, welche Maßnahmen gesetzt wurden! Es wurde heute bereits der 20. Jänner 2016 mit dem Aktionsplan der Regierung im Bereich Asyl ange­sprochen: Von den Obergrenzen, davon, dass das Durchwinken vorbei ist, bis hin zu jener von Ihnen geforderten Erhöhung der Mittel für die Unterbringung von Flüchtlingen ist alles getan, ist alles gemacht. (Abg. Scherak: Alles erledigt! – Abg. Korun: Alles ist super, alles erledigt!)

Einerseits weiß man eh, dass das ein sehr schwerer Weg war, aber auf der anderen Seite wird immer wieder betont – gerade Sie, Frau Kollegin Korun, tun das –, wie schwie­rig es zu verstehen ist, was die Regierung gemacht hat, wie menschenverachtend das ist, was sie tut. Ich meine, diese Kettenreaktion, die Österreich ausgelöst hat, war wohl wichtig! (Abg. Korun: Dass Tausende Kinder im Schlamm spielen – das war wichtig für die ÖVP?!)

Wir sehen jetzt beim EU-Gipfel, dass andere Maßnahmen gesetzt werden, ob das die Rücknahme-Vereinbarungen sind, die mit der Türkei vorgesehen sind, oder ob es die Maßnahmen für die Hotspots sind und jene Maßnahmen, mit denen wir, so hoffe ich, in der Europäischen Union endlich einmal die 6 Milliarden für die 2,7 Millionen Flüchtlinge aufbringen, die die Türkei versorgt. – Das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen.

Der Weg war schwierig! Wir haben heute gehört vom „Türl mit Seitenteilen“, von Richt­werten – man hat sich nicht dazu bekannt. (Zwischenruf des Abg. Riemer.) Wir sind in einer Koalition, das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen und diese Regierung da­nach beurteilen. Es gibt halt noch (in Richtung SPÖ) auf dieser Seite Menschen, die


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der Kreisky-Doktrin anhängen und an die Insel der Seligen denken, die Österreich dar­stellt, so wie wir es gelernt haben, die dem nachhängen und nicht in der Gegenwart angekommen sind. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Das haben wir gesehen bei der Wien-Wahl: Nach der Wien-Wahl hat es ein Umdenken gegeben, als die parteipolitischen Blockwarte und die Hausbesorger in Massen zu den Freiheitlichen übergelaufen sind. (Abg. Korun: Das ist Ihr Koalitionspartner!) Auf ein­mal hat es ein Umdenken bei der SPÖ gegeben. Und jetzt traut man sich auch das Wort von Herrn Landeshauptmann Niessl in den Mund zu nehmen, indem man sagt, man muss auch über die Mindestsicherung nachdenken. Ich würde mich darüber freuen!

Schade, dass der Herr Minister heute nicht mehr da ist, damit er vielleicht auf den ORF Einfluss nehmen könnte (Zwischenruf der Abg. Lueger), dass es auch einmal eine Auseinandersetzung zwischen Niessl und Krainer gibt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das wäre spannend! Da würde man dann sehen, wie der Riss eigentlich bereits durch die SPÖ durchgeht. Ich hoffe, dieser Regierungspartner hält, trotz (in Richtung SPÖ) dieser aufkommenden Linken in Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.50


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kö­nigsberger-Ludwig. – Bitte.

 


16.50.59

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Rädler, ich bin froh darüber, dass es auf der linken Seite noch Menschen gibt – ich denke, das ist eigentlich ein guter Hinweis. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Neuwahlen!)

Wir werden diesen Antrag aus den Gründen ablehnen, die schon meine Kollegin Yil­maz dargelegt hat, weil es nämlich den Plan gibt, der am 16. Jänner in der Regierung vereinbart worden ist. Wir werden zwar diesen Antrag heute ablehnen, Kollege Sche­rak, ich bin aber trotzdem der Meinung, dass es über diesen Plan hinaus innerstaatli­che Anstrengungen braucht – das haben wir ja schon gehört –, weil manche Gemein­den noch immer keine AsylwerberInnen aufgenommen haben.

Ich bin auch überzeugt davon, dass wir da keinen Plan brauchen – ein Plan macht kei­ne Asylquartiere (Abg. Scherak: … planlos!) –, sondern wir brauchen einfach eine posi­tive Meinungsbildung, damit in den Gemeinden und Städten vor Ort auch tatsächlich die Bereitschaft entsteht, dass AsylwerberInnen aufgenommen werden. Ich meine, da­ran sollten wir alle gemeinsam arbeiten: dass wir die Stimmung in die Richtung brin­gen, dass man AsylwerberInnen nicht als Bedrohung empfindet, sondern dass man sie einfach in den Gemeinden auch tatsächlich aufnimmt. (Abg. Korun: Aber mit Ober­grenzen signalisieren Sie genau das Gegenteil!) – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Ich denke, wir brauchen eine europäische Lösung. (Abg. Höbart: Das hören wir schon seit acht Monaten, aber es kommt nicht! – Abg. Korun: Aber Sie sig­nalisieren genau das Gegenteil!) Frau Kollegin Korun, das ist, glaube ich, auch Ihr The­ma immer wieder: dass es eine gemeinsame europäische Lösung geben muss!

Ich bin überzeugt davon, dass Europa keine Flüchtlingskrise hat, sondern ich meine, dass Europa eine Verantwortungskrise und eine Solidaritätskrise hat (Abg. Korun: Ja, da stimme ich Ihnen zu!), und wenn wir nichts tun, dann kommen wir in der Europäi­schen Union auch in eine Legitimationskrise, und ich denke mir, das sollten wir alle ge­meinsam wirklich vermeiden! (Abg. Korun: Aber Sie tragen die Obergrenzen mit!)

Wir müssen deswegen, Frau Kollegin Korun, von allen Staaten in der europäischen Union Solidarität einfordern, sodass wir die AsylwerberInnen auf alle Staaten aufteilen


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können. Deswegen noch einmal – und, Frau Ministerin, wirklich an Sie gerichtet –: Wir brauchen diese gemeinsame Asylpolitik! Wir brauchen eine Nachfolgeregelung von Dublin III, weil wir wissen, dass Dublin III einfach gescheitert ist.

Ich bin auch davon überzeugt, dass es nicht die einzige europäische Antwort sein kann, dass man Obergrenzen einführt (Zwischenrufe bei der ÖVP – Abg. Höbart: … Kritik am Bundeskanzler!) – dieser Meinung bin ich wirklich nicht! –, und ich bin auch nicht der Meinung, dass es militärische Aufrüstung gegen schutzsuchende und gegen schutz­lose Menschen – so empfinde ich sie – braucht.

Wir brauchen – davon bin ich gleichfalls überzeugt – rasche humanitäre Hilfe jetzt vor Ort – auch in Idomeni –, weil die Menschen jetzt dort sind. Da kann man nicht warten, da braucht man auch keine Pläne: Wir müssen jetzt – und zwar rasch – helfen, weil die Menschen einfach dort sind.

Was nationalstaatliche Lösungen anlangt, und davon bin ich ebenfalls überzeugt – das ist auch an die Kollegen von der ÖVP gerichtet: Ich bin wirklich überzeugt davon! –: Man mag die Menschen vielleicht kurzfristig von Österreich fernhalten können, aber die Men­schen sind ja trotzdem da! Sie sind da und lösen sich nicht in Luft auf, und deswegen – noch einmal – mein wirklich dringender Appell an die Frau Innenministerin und auch an den Herrn Außenminister: Schaffen wir gemeinsame europäische Lösungen, damit wir diese große Herausforderung betreffend die schutzsuchenden Menschen gemeinsam europäisch, auf Basis der Menschenrechte, solidarisch lösen können! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Der ORF …!)

16.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Buchmayr zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.54.20

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wie bereits erwähnt, wird der Antrag der NEOS betreffend einen nationalen Aktionsplan Asyl vom 17. Juni 2015 nicht inhaltlich abge­lehnt, sondern deshalb, weil bereits sehr viele Punkte davon in Umsetzung sind.

Inhaltlich möchte ich sogar den humanistischen Grundgedanken des Antrags positiv hervorheben (Beifall bei der SPÖ), denn wir alle wissen, wie schwierig und komplex gerade das Thema Flüchtlinge in Wahrheit ist. Doch wie weit der Range beim Thema Flüchtlinge hinsichtlich der Wortwahl und offensichtlich auch im Charakterlichen diffe­riert, war nach der gestrigen unglaublichen Entgleisung des Abgeordneten Lugar vom Team Stronach auch für mich überraschend.

Ich möchte nun Abgeordneten Lugar, der leider nicht anwesend ist – aber ich nehme an, es wird ihm ausgerichtet –, nicht als einen Neandertaler der Politik bezeichnen, son­dern mich bei allen Zuseherinnen und Zusehern für dieses tiefste Niveau von gestern entschuldigen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

Sie, Herr Lugar, da Sie ja bis heute kein Wort der Entschuldigung fanden, sollten schleu­nigst zurücktreten, und das, wenn da noch ein Funken von Anstand vorhanden ist, auch sehr bald ausführen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Korun.)

16.55

16.55.10

 


Präsidentin Doris Bures: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Pendl begibt sich zum Präsidium. – Abg. Rädler: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Menschen­rechte, seinen Bericht 1029 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

16.56.2212. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1435/A(E) der Ab­geordneten Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Carmen Schimanek, Mag. Aygül Berivan Aslan, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen und Kinder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung (1030 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schittenhelm. – Bitte.

 


16.57.03

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau­en und Kinder sind auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Ich habe Angst davor, ver­rückt zu werden! – so eine junge Frau, die sich auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa gemacht hat. Sie hat aber nicht Angst vor Kälte, vor Schmutz oder vor Hunger, sondern sie hat, wie auch viele, viele andere Frauen, junge Mädchen und Kinder, Angst vor der Gewalt, vor den Übergriffen, die stattfinden. Sie hat Angst davor, schlafen zu gehen, die Augen zuzumachen.

Daher kommt es auch nicht von ungefähr, meine geschätzten Damen und Herren, dass das UN-Flüchtlingshochkommissariat, der UN-Bevölkerungsfonds und auch die UN-Kommission für weibliche Flüchtlinge im November letzten Jahres eine gemeinsa­me Feldstudie durchgeführt haben, wo die Risken für Frauen und Mädchen auf der Flucht in Griechenland und Mazedonien untersucht wurden. Dieser Bericht dokumen­tiert ganz eindeutig – und er bringt das ganz klar zum Ausdruck –, dass allein reisende Frauen mit und ohne Kinder, schwanger oder stillend, junge Frauen, unbegleitete Kin­der, frühzeitig verheiratete und schon wieder Babys im Arm haltende Frauen beson­ders gefährdet sind, und sie benötigen daher verstärkten koordinierten und effizienten Schutz von uns allen.

Diese Frauen und Kinder, meine Damen und Herren, haben sich alleine auf den Weg gemacht, um den Kriegszuständen, dem Terror im eigenen Heimatland zu entkommen. Und obwohl wir die Bilder im Fernsehen sehen und obwohl wir die Berichte in den Zei­tungen lesen, können wir uns oft gar nicht vorstellen, was das für diese Frauen bedeu­ten muss, denn sie haben nicht mehr den Schutz ihrer Männer und ihrer Familien. Sie haben sich auf den Weg gemacht in der Hoffnung auf ein besseres Leben, und was weibliche minderjährige Flüchtlinge auf dem Weg und auch schon vor der Flucht in den Kriegsgebieten zu Hause erlebt haben und erleben mussten, ist unbeschreiblich.

Hohes Haus! Wir sehen an der aktuellen Datenlage, dass es in der Flüchtlingskrise gro­ße Veränderungen gegeben hat. Es sind mittlerweile mehr Frauen und Kinder als Män­ner, die aus ihren Heimatländern flüchten, und laut dem UN-Flüchtlingshochkommis­sariat UNHCR liegt der Anteil an Frauen und Kindern unter den neu Ankommenden an der östlichen Mittelmeerküste mittlerweile bei 55 Prozent – im Juni des letzten Jahres waren es noch 27 Prozent. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Wir sehen das auch an den Asylanträgen bei uns in Österreich, wie uns das Innenmi­nisterium mitteilt: Wir haben bei den Asylanträgen eine Steigerung von 12 Prozent, und die weiter steigenden Zahlen machen auch deutlich, dass die nötigen Maßnahmen zu


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setzen und zu verstärken sind, um Frauen und Kindern auf ihrem Weg auf der Flucht den nötigen Schutz bieten zu können.

Auf diesem Gebiet – und das muss man schon auch erwähnen – wird bereits sehr, sehr gute Arbeit geleistet, und zwar sowohl seitens des UNHCR als auch bei uns in Öster­reich durch das Innenministerium und durch das Außenministerium im Integrationsbe­reich. So werden vom UNHCR in Kooperation mit UNICEF zwanzig sogenannte Blue-Dot-Zentren entlang der Westbalkanroute errichtet. Diese Zentren sind speziell darauf ausgelegt, weiblichen und minderjährigen Flüchtlingen zu helfen und diese zu unter­stützen.

Aber auch bei uns in Österreich hat die Frau Innenministerin, unsere Mag. Hanni Mikl-Leitner, entsprechende Schritte gesetzt. Sie hat dafür Sorge getragen – und tut es nach wie vor –, dass es zugeschnittene Betreuungsstandards für Frauen und unbegleitete Minderjährige gibt, dass vor allem bei den Erstaufnahmegesprächen auf besondere Umstände hingewiesen wird und dass gerade im Bereich der Gesundheit und der Vor­sorge besonders akribisch gearbeitet wird. Es gibt auch separate Deutschkurse für Frauen, wo man sich mit frauenspezifischen Themen beschäftigt und wo man eine ent­sprechende psychologische Betreuung erfährt, die diese Frauen und Mädchen brau­chen.

Wir haben in Österreich mit dem Gewaltschutzgesetz einen Handlungsspielraum, Ge­walttäter wegzuweisen. Dieses Gesetz gilt auch für Flüchtlinge, auch für diese Frauen. Die Anwendung erfolgt seitens des Innenministeriums, und dafür bin ich der Frau Bun­desministerin sehr, sehr dankbar.

Geschätzte Damen und Herren, ich freue mich ganz besonders, dass es uns – allen Frauensprecherinnen, über die Parteigrenzen hinweg – gelungen ist, diesen Antrag ein­zubringen und ihn heute zur Beschlussfassung vorzulegen. Mit diesem Konsens be­kennen wir uns dazu, dass auch diese Frauen und Mädchen, die sich in sehr schwie­rigen Umständen befinden, ein Recht auf Leben in Schutz und Respekt haben. Wir in Österreich tragen wesentlich dazu bei. Aber es gilt auch, ihnen auf dem langen Weg zu einem sicheren Ort, den die Frauen vor sich haben, beizustehen. Und das hat uns auch in unserer Meinung geeint. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

17.01


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Gisela Wurm– Bitte.

 


17.01.56

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist die zweite Aktion, die wir als Frauensprecherinnen in diesem Zusammenhang starten. Wir haben im März anlässlich des Internationalen Frauentages letztes Jahr eine Veranstaltung unter dem Titel „Frauen im bewaffneten Konflikt“ hier im Parlament unter der Patronanz der Präsidentin Bures durchgeführt. Das war eine sehr wichtige, fast voraussehende Veranstaltung, wenn man sich an­schaut, wie sich die ganze Situation, auch hier in unserem Land, entwickelt hat.

Sehr, sehr viele Frauen haben sich auf den Weg gemacht, fliehen aus Kriegsgebieten und sind während der Flucht beziehungsweise auf der Flucht schon mit Mehrfachdis­kriminierungen und mit Mehrfachgewalt konfrontiert, ob das nun sexuelle Gewalt ist oder ob das andere Gewalttaten sind, immer und überall sind Frauen davon massiv betroffen. Das trifft auch auf Camps zu. Daher muss überall auf die Bedürfnisse der Frauen entsprechend eingegangen werden.

Österreich hat da einiges getan, im Unterschied zum letzten Jahr – das muss man auch dazusagen –, wobei wir sehr wohl auch damals schon tätig waren, sehr massiv tätig


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waren, und zwar im Bereich der Gesetzgebung. So hat Österreich als eines der ersten Länder die Istanbul-Konvention ratifiziert, in der es im Kapitel 7 um Migration und Asyl geht, wo auf die Bedürfnisse der Frauen Rücksicht genommen wird. Es wurde auch die UN-Resolution 1325 heute einige Male schon erwähnt. Auch darin wird auf die Bedürf­nisse der Frauen eingegangen und Rücksicht genommen.

Zu erwähnen ist auch, dass erstmals bei Friedensverhandlungen, also bei den Ver­handlungen, wo es um den Waffenstillstand geht, wo es um den Frieden in Syrien geht, drei Frauen von der Oppositionspartei am Verhandlungstisch sitzen. Auch das ist eine sehr, sehr wichtige Maßnahme: dass nicht nur Männer über Krieg und Frieden ent­scheiden, sondern auch Frauen entsprechend in die Verhandlungen, wenn es um Frie­den geht, eingebunden werden.

Das ist ein ganz zentraler Punkt: Wo Frauen dabei sind, werden – und das ist in vielen Studien nachzulesen – länger haltende Friedensabkommen erzielt, kommen länger an­haltende Friedens- und Konfliktlösungen heraus.

In diesem Sinne hoffe ich, dass da weitergemacht wird: dass auch Frauen in die un­terschiedlichen Maßnahmen einbezogen werden. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Schittenhelm.)

17.05


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte.

 


17.05.14

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine Vorrednerinnen, Frauensprecherinnen, Kolleginnen haben schon darauf hinge­wiesen, wie wichtig es war, einen gemeinsamen Antrag zu diesem Thema einzubrin­gen. Für mich war auch ganz klar: Frauen und Kinder benötigen mehr Schutz, beson­ders dann, wenn sie auf der Flucht sind. Es steht in diesem Antrag auch drinnen: „(…) so­wohl in den Lagern für Flüchtlinge und Binnenvertriebene in der Konfliktregion und den Nachbarstaaten als auch auf den aktuellen Fluchtrouten (…)“. – Das ist ganz, ganz wichtig, weil überall dort Frauen bedroht sind.

Man liest jetzt in den Berichten, dass in der Türkei syrische Mädchen verkauft werden. Das ist für mich sehr bedenklich, weil das bereits im Kindesalter passiert. Es macht die wirtschaftliche Notlage der Flüchtlinge oft notwendig, Mädchen zu verkaufen, und das ist sehr traurig, weil da Männer versuchen, billig eine Zweitfrau zu heiraten, in einer Imam-Zeremonie, die eigentlich rechtlich nicht gedeckt ist, wo die Frauen dann auch nichts davon haben, wenn sie mit 14 Jahren oder jünger verheiratet werden. Das ist ein großes Problem.

Auch die türkische Ärztevereinigung TTB schlägt Alarm. Die syrischen Mädchen wer­den gezwungen, eben als Zweit- und Drittfrau zu heiraten, müssen als Prostituierte ar­beiten, um ihren Familien das Überleben zu sichern. Außerdem gibt es auch schon Hin­weise, dass syrische Frauen von Menschenhändlern als Sexsklavinnen verkauft wer­den. Das ist wirklich ein großes Problem, und darauf müssen wir achten.

Es kommen auch sehr viele junge Frauen auf der Fluchtroute mit ihren Ehemännern zu uns, um um Asyl anzusuchen, und viele dieser Frauen sind minderjährig, weil sie als Minderjährige verheiratet worden sind. Im Dezember letzten Jahres hat der Europäi­sche Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass in der Schweiz die Ehe zwi­schen einem Afghanen und seiner 14-jährigen Ehefrau nicht anerkannt werden muss, denn Ehen mit Minderjährigen sind bei uns nicht erlaubt. Wir haben uns mit diesem Problem noch nicht beschäftigt, aber ich glaube, wir werden auch darüber sehr bald in­tensiv reden müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 147

Vergewaltigungen von Frauen und Kindern sind auch in den Flüchtlingsheimen in Ös­terreich und in Deutschland vermehrt passiert. Auch da muss man ganz klar sagen: Das geht nicht! Man muss an die Täter – und die Täter sind die Männer in den Flücht­lingsheimen – ganz klare Signale senden, dass das bei uns verboten ist und dass das mit Strafe geahndet wird, bis hin zur Abschiebung. Da darf es keine falsche Toleranz geben, indem man versucht, das mit kulturellen Hintergründen zu erklären. Nein, das geht nicht! Vergewaltigungen von Frauen und Kindern werden bei uns nicht geduldet. Das ist das Signal! (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie der Abg. Schittenhelm.)

17.08


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


17.08.41

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Ja, Kriege und despotische Kriegstreiber haben leider die Zukunft den Kindern und Frauen gestohlen. Und wenn wir uns die PolitikerInnenlandschaft ansehen, dann merken wir, dass manche sich für den Krieg überhaupt nicht interessieren. Aber ob wir das wollen oder nicht, der Krieg interessiert sich schon für uns.

Es wird auch gerne behauptet, immer wieder gesagt, wir zahlen im Moment einen ho­hen Preis bei der – unter Anführungszeichen – „Flüchtlingskrise“. Nein, wir zahlen heu­te einen hohen Preis dafür, dass manche Politikerinnen und Politiker eine Wegschau­politik betrieben haben, eine Abschottungspolitik betrieben haben. Sie tun im Moment so, als stünden die Flüchtlinge sozusagen erst heute vor der Tür und sei der Krieg erst gestern ausgebrochen. Durch diese erbarmungslose Wegschau- und Abschottungs­politik hat man es so weit gebracht, dass man heute bewusst Frauen und Kinder zu den größten Verliererinnen und Verlierer der Kriege gemacht hat.

Ich brauche nicht einmal so weit in der Menschheitsgeschichte zurückzugehen, son­dern wir brauchen uns nur die letzten zwei aktuellen Fälle bezüglich Frauen und Kinder in den Kriegsgebieten anzuschauen: Einer von diesen betrifft die Boko-Haram-Fälle, wo Tausende Mädchen entführt und verkauft worden sind und von der internationalen Gemeinschaft einfach im Stich gelassen worden sind. Da hat man dann nach einem Jahr gesagt: Sorry, wir können die Mädchen nicht mehr finden, die sind schon verkauft worden, die haben schon Kinder! Es ist alles zu spät! Wir können für diese Mädchen nichts mehr machen!

Den gleichen Fehler haben wir auch bei den jesidischen und bei den christlichen Frau­en gemacht, die vom IS entführt worden sind. Auch diese Frauen und Mädchen hat die internationale Gemeinschaft einfach im Stich gelassen. Man hat wirklich null Bemühun­gen diesbezüglich unternommen. Man hat dann irgendwann einmal später, als alles schon zu spät war, ein Massengrab dieser Frauen gefunden. Und heute versucht man die Verantwortung dieses ganzen Elends auf die sogenannte Willkommenskultur zu schieben.

Nein, ihr seid die Verantwortlichen! Vor allem diejenigen, die weggeschaut haben, sind verantwortlich für dieses Elend, wo Zigtausende Frauen und Mädchen verschleppt, versklavt und vergewaltigt worden sind, denn hätte die internationale Gemeinschaft viel früher reagiert, dann wären heute noch Tausende Mädchen und Frauen am Leben und wären wahrscheinlich bei ihren Familien.

Weil die Kollegin Wurm vorhin das Thema mit den Frauen, die in den Friedensprozess eingebunden sind, angesprochen hat: Ich halte das wirklich für sehr wichtig, denn ohne Frauen bricht der Frieden zusammen – das müssen wir so akzeptieren –, und ohne Frauen werden wir auch keine effektiven Friedensperspektiven schaffen können und keine effektive Friedenspolitik machen können. Die Frauen sind die Architektinnen der Demokratie und der Gerechtigkeit. Und gerade aus diesem Grund ist es wichtig, in die-


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sem Bereich gemeinsam zu handeln, überparteilich zu handeln – so wie wir es heute ge­macht haben, alle Frauensprecherinnen miteinander!

Nur eine starke Frauensolidarität, nur ein gemeinsames Handeln kann wirklich ein Ga­rant für Menschenrechte und Frauenrechte sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

17.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


17.13.09

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr stolz darauf, dass wir es als Frauensprecherinnen-Runde geschafft haben, diesen Antrag hier einzubringen, weil es ein wichtiges Zeichen für ein emanzipiertes Parlament ist, im­mer wieder Anträge aus dem Parlament heraus einzubringen, um ein Zeichen dahin gehend zu setzen, dass wir sehr wohl etwas beizutragen haben.

Im Sinne der Konstruktivität soll hier auch der Bundesregierung ein entsprechender Ver­trauensvorschuss gewährt werden, dass das auch umgesetzt wird. Aber da ist das Problem, denn die Frage ist: Was passiert mit unserem Antrag? Und was passiert mit den Vorstellungen, die wir haben? Was passiert mit diesen Maßnahmen, die extrem wichtig sind, um die Probleme, die Frauen und Kinder auf der Flucht haben, auch wirk­lich zu beseitigen?

Fangen wir mit ein paar Zahlen zur Sache an! – Es sind immer mehr Frauen auf der Flucht. Der Prozentsatz von Frauen, die in Österreich um Asyl ansuchen, ist letzten De­zember auf 34 Prozent angestiegen, und es kamen erstmals mehr Frauen und Kinder in Griechenland über den Seeweg an als Männer. Aufgrund dieser steigenden Zahlen hat auch UNHCR geplant, 20 „Blue Dots“ – das sind spezielle Schutzeinrichtungen für Frauen und Kinder – auf der Balkanroute zu errichten. Dort bekommt man psychologi­sche Betreuung, geschützte Schlafräume, hat Zugang zu Sozialarbeiterinnen. Das ist extrem wichtig. Aber wenn wir wollen, dass das UNHCR diese Arbeit auch weiterhin machen kann, weiter intensivieren kann, dann ist es notwendig, dafür auch die entspre­chenden Mittel bereitzustellen. – Da müssen Taten folgen! Da reicht auch dieser An­trag nicht, auch wenn es wichtig ist, das niederzuschreiben und auch einzubringen.

Amnesty International hat in einem Bericht festgestellt, dass Frauen, die auf der Flucht sind, auf ihren Routen sexuelle Belästigung, körperliche Gewalt und auch Ausbeutung droht. – Da müssen auch Taten folgen!

Der Antrag besagt auch, dass die österreichische Unterstützung für humanitäre Hilfe die besondere Situation und die besonderen Bedürfnisse von Frauen berücksichtigen soll. – Ja, das ist wichtig, aber da müssen auch Taten folgen! Es reicht nicht, wenn es auf dem Papier steht.

Wir dürfen die Augen auch nicht davor verschließen, dass wir in Europa ein Problem mit dem Thema „Menschenhandel und Ausbeutung“ generell haben und dass die Frau­en und Kinder, die auf der Flucht sind, leider oft Opfer von Menschenhandel und Aus­beutung werden können. Die International Labour Organization hat berechnet, dass in Industrienationen inklusive der Europäischen Union 50 Milliarden € Umsatz mit dieser Verbrechenswirtschaft gemacht wird, zwei Drittel davon aus sexueller Ausbeutung.

Und was haben wir bis jetzt dagegen gemacht? – Es gab viele Lippenbekenntnisse. Es gibt einen Nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel, das ist schön und gut, aber was ist wirklich dagegen passiert? Es kann niemand die Frage beantworten, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Österreich vermisst sind, wie viele im letzten Jahr sozusagen verlorengegangen sind. Es gibt keine Daten dazu. Man kann nicht sa­gen, warum diese so einfach verschwunden sind. Das ist ein großes Problem. In Deutsch-


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land sind es sogar noch mehr Kinder, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die plötz­lich verschwunden sind. Man sagt, dass sie wahrscheinlich weitergereist sind. Aber es gibt keine näheren Daten dazu.

Unser Bundeskanzler betont immer wieder, dass er sich gegen Schlepperei und Men­schenhandel einsetzen will. Aber wie kann das sein, wenn es weiterhin keine legalen Einreisemöglichkeiten gibt, wenn wir weiterhin die Resettlement-Programme nicht in­tensivieren? Das ist ein Zielkonflikt, denn das genau sind die Ursachen von Menschen­handel und Ausbeutung von Frauen und Kindern auf der Flucht.

Und ich muss schon auch sagen, dass es grundsätzlich bei Allparteienbeschlüssen hier im Haus oft so ist, dass es bei dem Papier bleibt und dem nichts Weiteres folgt. Ich erinnere da an den Beschluss gegen die Sklaverei am Garnelenmarkt, an die Ent­schließung zur internationalen Erklärung zu den Rechten von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern oder den Antrag zur Bewahrung der Vorreiterrolle Österreichs zur Ab­schaffung der Todesstrafe.

Das alles sind wichtige Beschlüsse, und es ist schön, dass wir uns hier darauf einigen können, aber ich verlange von der Bundesregierung und von der zuständigen Minis­terin dann auch, dass dem Taten folgen, dass wir das dann auch wirklich umsetzen können, was wir uns hier vorgenommen haben. Das ist extrem wichtig, auch für uns als Parlament.

Solange wir nicht bereit sind, mehr zu tun, als nur Lippenbekenntnisse abzugeben, wird es Frauen und Kindern auf der Flucht nicht besser gehen. Und das ist so ein wichtiges Thema! Ich bin froh, dass wir diese Diskussion angestoßen haben und dass wir jetzt auch wirklich starten können, Maßnahmen einzuleiten. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Schittenhelm.)

17.17


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


17.17.39

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen haben zu diesem An­trag ja schon viel gesagt und auch betont, dass dieser Antrag richtig und wichtig ist. Dem schließe ich mich natürlich an, und ich freue mich auch, dass wir hier diesen Sechs-Parteien-Antrag eingebracht haben, der heute hier dem Hohen Haus zur Be­schlussfassung vorliegt.

Die Probleme, die die Flucht vor Krieg und Verfolgung mit sich gebracht hat, sind groß, sind enorm. Aber es gibt nicht nur die Probleme, die evident sind, sondern es gibt viele weitere sehr schlimme Probleme wie Zwangsheirat, Kinderehen, Zweitfrauen und Mehr­fachehen. Die Frauen werden als eine Art Ware wahrgenommen. Menschenhandel und sexueller Missbrauch sind zu beklagen, vor allem im Zusammenhang mit den ver­schwundenen Flüchtlingskindern. Europol hat Anfang dieses Jahres kundgetan, dass zirka 10 000 Flüchtlingskinder verschwunden sind. Sie wurden zwar registriert, tauch­ten aber dann nicht mehr auf. Also da gibt es starke Indizien dafür, dass Menschen­handel und sexueller Missbrauch passieren.

Die Zahl der Kinderehen steigt vor allem unter syrischen Flüchtlingen rapide an. Da ist die Tendenz stark steigend. Im ersten Quartal 2014 heiratete nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF bereits jedes dritte Mädchen im Kindesalter, also unter 18 Jah­ren. Und da ist, wie ich schon erwähnt habe, die Tendenz stark steigend. Auch das ist ein Problem, dem wir uns widmen müssen.

Wir haben ja auch die Istanbul-Konvention ratifiziert. Kollegin Wurm hat sie schon an­gesprochen. Ein zentraler Punkt dieser Konvention ist es, gegen Zwangsehen vorzuge-


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hen. Das ist ein weiterer Bereich, dem wir uns verstärkt widmen müssen. Vor allem ist das kein Problem mehr, das weit weg von uns ist, denn mit der ganzen Fluchtproble­matik beziehungsweise mit den Flüchtlingen kommen diese Probleme auch zu uns nach Österreich, und wir werden uns auch mit diesen zukünftig sehr wohl befassen müssen.

Die Probleme der Mehrfachehen führen ja in Deutschland auch schon zu massiven Auswüchsen. Ich möchte hier aus einem Artikel der „Welt“ zitieren, wo geschrieben steht:

„Vielehen durch Sozialstaat finanziert. Während es in arabischen Ländern selbstver­ständlich ist, dass Männer für den Unterhalt einer Zweit- oder Drittfrau aufkommen (…), übernehmen das in Deutschland die Jobcenter.“ Nach Auffassung der Berliner Job­center bleibe ihnen rechtlich jedoch keine andere Wahl, denn Muslimen offizielle Biga­mie nachzuweisen sei sehr schwierig. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen, was da in Deutschland schon längst offen geschieht, welche Auswüchse es da gibt. Es wird daher nicht mehr allzu lange dauern, bis das auch in Österreich der Fall sein wird, und dem muss natürlich rechtzeitig entgegengewirkt werden.

Ich möchte hier aus einem Artikel der „Kronen Zeitung“ vom 2. Februar dieses Jahres zitieren: „Muslime mit Zweitfrau: Bis zu 3 000 € Sozialhilfe“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann es wirklich nicht sein! Darauf müs­sen wir unser Augenmerk legen. Ich hoffe, dass es in diesem Zusammenhang Einigkeit zwischen allen Frauensprecherinnen, zwischen allen Parteien in diesem Haus gibt, denn es kann nicht sein, dass der Sozialstaat hier auf diese Weise ausgenützt wird, wo es dann eben bis zu 3 000 € Sozialhilfe für Muslime mit Zweitfrauen oder mehr Frauen gibt. – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.21


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


17.21.55

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Aufgabe des Staates ist es, für Sicherheit zu sorgen. Und wenn wir über Frauen auf der Flucht diskutieren, dann kommen wir natür­lich auch in Themenbereiche, wo wir schreckliche Beispiele hören, etwa aus diversen Kriegsgebieten oder auch aus Gebieten in Afrika. Es geht dabei, das ist vorhin schon erwähnt worden, von Zwangsheirat bis hin zum Menschenhandel – Kind und Frau als Ware. Da müssen wir natürlich international wirkungsvoll gegensteuern, und daher auch dieser Antrag, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, international tätig zu werden.

Aber auch das Flüchtlingsthema ist unmittelbar mit diesem Punkt verbunden. Ich sage: Wirksame Hilfe kann man nur dann leisten, wenn sie im Bereich des Möglichen ist, wenn der einzelne Staat nicht überfordert ist. Und darum ist es wichtig, dass wir ent­sprechende Maßnahmen setzen und unterscheiden, ob jene, die zu uns kommen, an Leib und Leben bedroht sind oder nur Menschen sind, die sich irgendwo in einem fer­nen Land ein besseres Leben versprechen. Wenn wir alle aufnehmen, werden wir kei­nem wirklich helfen können. Darum muss man da unterscheiden und notfalls auch den einen oder anderen, der die Bedrohung nicht nachweisen kann, zurückschicken, damit die Sicherheit im Lande selbst aufrecht bleibt.

Wenn wir von Sicherheit und von Hilfe sprechen, muss man auch sagen, dass es be­sonders wichtig ist, auf Frauen und Kinder Rücksicht zu nehmen. Die Zahl der asyl­suchenden Frauen ist vom Jahr 2006 auf das Jahr 2014 gesunken, waren es 2006


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 151

34,2 Prozent, so waren es 2014 24,2 Prozent, also um 10 Prozent weniger. Aber 2015 ist dieser Prozentsatz wieder gestiegen, und es sind jetzt 27,7 Prozent.

Daher wurde dieser Antrag eingebracht, den wir gerne unterstützen. UNHCR soll sich dafür einsetzen, dass die Gefahrenquellen für Frauen in den Flüchtlingslagern, insbe­sondere nahe den Krisenregionen, reduziert werden. Die österreichische Bundesregie­rung wird ersucht, bei der humanitären Hilfe besondere Situationen zu berücksichtigen. Und Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel oder anderen Formen von ge­schlechtsspezifischer Gewalt und Missbrauch geworden sind, sollen Zugang zu Schutz- und Hilfsmaßnahmen im Einklang mit dem Übereinkommen des Europarats zur Ver­hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das ist die sogenannte Istanbul-Konvention, erhalten.

Österreich tut auch schon einiges, mir fehlt jedoch leider die Zeit, dies aufzuzählen.

Ich darf mich im Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge bei der Frau Innenminis­terin dafür bedanken, dass sie rechtzeitig erkannt hat, wo notwendige Maßnahmen zu setzen sind und dass dieses Problem nicht allein in Österreich gelöst werden kann. Auch aus meiner Sicht ist das nicht nur ein europäisches, sondern wirklich ein globales Problem. Die Frage ist berechtigt: Was macht Amerika? Was macht der arabische Raum? Und wie setzt sich die internationale Staatengemeinschaft dafür ein, dass glo­bale Lösungen gefunden werden? (Beifall bei der ÖVP.)

17.25


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


17.25.50

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Frauen und Kinder sind die sensibelste Gruppe unter den Flücht­lingen. Es ist sicherlich unumstritten, dass gerade sie besonderen Schutz brauchen.

Die Mehrheit der Asylsuchenden, die seit Beginn des Jahres in Griechenland anka­men, sind Frauen und Kinder. Die Kinder wurden oft in Krieg und Elend hineingeboren und kennen nur Leid und Verzweiflung. Frauen und Mädchen, die nach Europa fliehen, sind ständig der Gefahr von Zwangsprostitution, Vergewaltigungen, geschlechtsspezifi­scher Gewalt bis hin zu Körperverletzungen und Erpressung ausgeliefert.

Amnesty International hat nach seinen Angaben 40 Frauen und Mädchen befragt. Sie berichteten, dass ihnen von Männern für sexuelle Handlungen Kleidung oder ein Platz auf einem Flüchtlingsboot angeboten wurde. In Europa angekommen, wären sie von Männern in Sanitäranlagen beobachtet worden. Häufig schliefen sie sogar im Freien, weil sie sich dort sicherer fühlten. Nur in den wenigsten Flüchtlingsunterbringungen in Europa werden die speziellen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen berücksichtigt. Teilweise herrschen sogar fatale Zustände trotz Bemühungen, das muss man schon hervorheben, des UNHCR und vieler weiterer Partner: abgelegene sanitäre Anlagen, die nicht von den Männern getrennt sind, schlecht beleuchtete Lager, keine getrennten Schlafplätze, keine Rückzugsorte für Frauen, aber auch keine weiblichen Ansprechper­sonen.

Um all das zu verhindern, bedarf es Verbesserungen in allen Bereichen, in den Berei­chen Gesundheit, Unterbringung, Sanitäranlagen sowie auch Bereitstellung von psy­chosozialer Betreuung, aber auch Rechtsberatung. Im Asylverfahren ist es unabding­bar, dass den traumatisierten Frauen Sacharbeiterinnen zur Verfügung gestellt werden und frauenspezifische Fragen auch berücksichtigt werden. Frauen gehören unterstützt, dass sie die Sprache lernen und dass auf ihre Qualifikationen eingegangen wird. Und darauf kann nur eine gemeinsame, solidarische europäische Asylpolitik eine Antwort geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

17.28



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 152

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


17.28.47

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Seit Beginn dieses Jahres sind 57 Prozent der in Europa ankommen­den Flüchtlinge Frauen und Kinder. Speziell für Frauen ist die Flucht oft einhergegan­gen mit Gewalt, mit sexueller Gewalt, mit Vergewaltigungen und sexueller Ausbeutung. Wir haben in den letzten Redebeiträgen viele Beispiele dazu gehört.

Frauen werden auf der Flucht und auch noch nach ihrer Ankunft nach einer Flucht in ihren sexuellen und reproduktiven Menschenrechten beschnitten. Das heißt, sie haben keinen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Sie haben, wenn sie das brauchen, nicht die Chance, medizinisch betreute Geburten zu haben. Ihnen fehlt der Zugang zu Verhütungsmitteln. Es gibt keinen Schutz vor sexueller Gewalt. Und es gibt nicht, wenn sie das brauchen, den Zugang zu sicheren Abtreibungen.

Der Anteil der Schwangeren unter den flüchtenden, ankommenden Frauen ist doppelt so hoch wie in regulären Gesellschaften. Das heißt, dass es unbedingt notwendig ist, dass auch die Aufnahmeeinrichtungen darauf reagieren und diesen Frauen entspre­chende Betreuung und medizinische Versorgung zukommen lassen, inklusive Schutz vor möglicher weiterer Gewalt. Und da gehören sichere Sanitäranlagen genauso dazu wie die Berücksichtigung der speziellen sexuellen und reproduktiven Bedürfnisse und Rechte von Frauen sowie das Bedenken dieser bei all unseren Maßnahmen.

Ich würde mir wünschen, dass bei unserer humanitären Hilfe, die wir zum Beispiel für Flüchtlingslager in der Region der Syrer und der Syrerinnen zur Verfügung stellen, die­se Frage von sexuellen und reproduktiven Rechten und Gesundheit ein eindeutiger Schwerpunkt werden sollte. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.30

17.30.38

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1030 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend Frauen und Kinder auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, um ein Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 135.)

17.31.0513. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1530/A(E) der Ab­geordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Dialogplattform zwischen der Sicherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner dazu: Herr Abgeordneter Mag. Schönegger. – Bitte.

 


17.31.31

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem traditionellen Ver­ständnis von der Beziehung zwischen Polizei und Menschenrechten tritt ja sehr oft ein reduziertes Bild zutage: Menschenrechte werden im Sinne ihrer historischen Entste­hung sehr oft als bürgerlich-politische Rechte und als Abwehrrechte gegen die Handlun-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 153

gen des Staates und gegen staatliches Eingreifen wahrgenommen. Demgegenüber wird die Polizeiarbeit in der öffentlichen Diskussion sehr oft unter dem Aspekt der Kriminali­tätsbekämpfung im Sinne von Ausforschen und Überführen krimineller Personen ver­standen. Konsequenterweise müssten also Abwehrrechte gegen staatliches Eingreifen als hinderlich für effiziente und effektive Polizeiarbeit verstanden werden.

Es entsteht dadurch eine bipolare Stellung: Auf der einen Seite steht die Polizei mit dem Anspruch auf Durchsetzung gesetzlicher Befugnisse im Interesse der Sicherheit; Beschränkungen bei dieser Durchsetzung werden oft als hinderlich wahrgenommen. Daraus leitete sich sehr lange eine negative Konnotation in der Beziehung zwischen Polizei und Menschenrechten ab. Auf der anderen Seite findet sich eine Zivilgesell­schaft, die das Agieren der Polizei aus der Perspektive der Abwehrrechte gegen das Handeln des Staates verstanden hat.

Die moderne Entwicklung der Polizeiarbeit, die auch Österreich verfolgt, legt eine Über­windung dieser bipolaren Stellung nahe. Menschenrechte werden also nicht mehr als Einschränkung der Polizeiarbeit definiert, sondern als deren wesentliche Grundlage so­wie als Zielsetzung der Polizeiarbeit. Menschenrechte als leitende Prinzipien des Ver­fassungsrechts definieren umfassende Garantien und Absichten für das Funktionieren des Rechtsstaates.

Die Polizei darf sich daher, was die Verwirklichung der Menschenrechte angeht, nicht passiv zurückhalten, sondern muss zum Schutz von Menschenrechten bisweilen auch aktiv eingreifen.

Das Projekt „Polizei.Macht.Menschen.Rechte“ hat diesbezüglich den Boden für die Poli­zeiarbeit in Österreich sehr gut aufbereitet. Durch das aktive Heranziehen von Vertre­terinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft wurden Dialogplattformen implementiert, in denen man verschiedene Themenstellungen in Ruhe und in einem deeskalierenden Rahmen besprechen und diskutieren konnte – und das Ganze auf Augenhöhe. Das sind die Voraussetzungen für neue Entwicklungsperspektiven und Sichtweisen, um die es heute geht.

Ziel ist es, eine offene und wertschätzende Gesprächskultur zwischen Polizei und Ge­sellschaft zu schaffen sowie den Erwerb des größtmöglichen Vertrauens in die Sicher­heit und in die Arbeit der Polizei für die Bevölkerung zu gewährleisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle gilt mein allergrößter Dank und Respekt allen Männer und Frauen in Uniform, die im Rahmen der Polizeiarbeit für die Sicherheit dieses Landes ganz, ganz großartige Arbeit leisten. Herzlichen Dank da­für. Sie leisten wirklich großartige Arbeit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Apropos großartige Arbeit: Ich habe mich in einer meiner vorigen Reden beim Außen­minister für seine klare Haltung in der für uns alle sehr fordernden Situation der Flücht­lingsthematik bedankt.

Sehr geehrte Frau Innenminister, dieser Dank, den ich dem Außenminister mitgegeben habe, gebührt Ihnen mindestens ebenso, wenn nicht noch viel mehr. Sie haben in den letzten Monaten mit Ihrer Haltung bewiesen, dass Sie auch bereit sind, für die Inter­essen Österreichs, der Österreicherinnen und Österreicher sehr viel einzustecken, und das haben Sie auch gemacht. Dafür herzlichen Dank und allergrößten Respekt! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, Sie haben zum Teil auch wirklich gelitten, daher darf ich Ihnen ein etwas ab­gewandeltes Zitat mit auf den Weg geben: Die Geschichte wird Johanna Mikl-Leitner recht geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.35


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 154

17.35.48

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne Damen und Herren! Es geht um eine positive Weiterentwicklung der Polizei, um ei­ne weitere Professionalisierung der österreichischen Polizei und um das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in ihre Exekutive. Jede Generation von Polizistin­nen und Polizisten war und ist gefordert, sich Respekt und Vertrauen in der Bevölke­rung zu erarbeiten.

Menschenrechte und Menschenwürde sind auch der Schutz für die Polizistinnen und Polizisten.

Die Polizei ist mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet. Sie trägt daher sehr große Verantwortung, auf sehr hohem Niveau den Grundsätzen der Verhältnismäßig­keit und der Rechtmäßigkeit zu entsprechen.

Es geht nicht um eine Hochglanzbroschüre, sondern um die wirkliche und breitestmög­liche Umsetzung in allen Dienststellen, auf allen Ebenen und darum, dass diese Hal­tung in den Gemeinden, in den Städten, in den Bezirken auch wirklich ankommt.

In der Ausbildung der regulären Neuen in diesem Beruf sind die Weichen richtig ge­stellt, ebenso im Weiterbildungsbereich. Das ist sehr wichtig, das ist auch nicht praxis­fern.

Meine Damen und Herren, der soziale Frieden fußt auf der sozialen Absicherung, auf dem sozialen Ausgleich, auf der Sozialpartnerschaft, die in Österreich vorbildlich ist und in diesem Bereich auch einen hohen Wert hat.

Es ist mir, meine Damen und Herren, ein persönliches Anliegen, den Personalvertre­tern in der Exekutive, aber auch allen Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit gerade in den letzten arbeitsintensiven Monaten zu danken. Ich denke dabei auch an die alles andere als leichten Nachtdienste; diese erfordern Kraft und viel Stärke, daher mein Dank an die Exekutivbeamten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch zwei Punkte erwähnen: erstens, dass es nicht nur auf die Zahlen in den einzelnen Unterlagen ankommt, sondern auf den tatsächlichen Personalstand vor Ort, in der Praxis. Da gibt es Unterschiede, die zum Nachteil der Bediensteten sind. Ich ersuche in diesem Zusammenhang um rasche und umfassende Verbesserung.

Zum Schluss möchte ich mich bei allen Mitgliedern des Ausschusses bedanken. Dieser Punkt wurde einstimmig beschlossen, ohne Kontrastimme, ohne Stimmenthaltungen. Das sehe ich als sehr gutes Zeichen.

Meine Damen und Herren, etwas blumig ausgedrückt: Ich hoffe, dass sich aufgrund des Geistes des heutigen Beschlusses der alte Metternich, der österreichische Meister des Spitzelwesens, des Überwachungsstaates, der Unfreiheit, heute im Grab umdreht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


17.39.33

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ja, oberste Maxime polizeilichen Han­delns sollen der Schutz und die Gewährleistung von Menschenrechten sein.

Schon aus dem Namen des Projekts Polizei.Macht.Menschen.Rechte kann man er­sehen, in welchem Spannungsverhältnis sich die polizeiliche Arbeit befindet.

Um das zu verstehen, muss man sich für die Polizei folgende Fragen stellen: Was sind die Aufgaben der Polizei? Wie geht es den einzelnen Polizisten auf den Dienststellen, auf der Straße?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 155

Die Polizei soll Verbrechen bekämpfen. Sie soll Verbrechen aufklären. Sie soll für Si­cherheit sorgen. Sie soll Streit schlichten. Sie soll Verkehrsdienst leisten. Sie soll Ver­kehrssünder bestrafen. Sie soll an der Grenze ihren Dienst machen. Sie soll helfen, das Asylchaos zu beheben. Sie soll, sie soll, sie soll! Seit Jahren wird unsere Polizei mit immer mehr Aufgaben und mit immer mehr Zuständigkeiten beladen, und niemand macht sich Gedanken, ob sie das auch wirklich bewältigen kann. (Beifall und Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

So traurig es ist, wir können es diesen Migrationsströmen verdanken, dass wir tatsäch­lich 1 500 Polizisten bekommen werden, aber, ganz ehrlich gesagt, sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn sie werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich nur die in Pension gehenden Kollegen der geburtenstarken Jahrgänge ersetzen.

Ein weiterer Punkt im Spannungsfeld Polizei.Macht.Menschen.Rechte ist ein, wie ich meine, immer mehr überbordender Täterschutz. Ich erinnere nur an das letzte Straf­rechtsänderungsgesetz, das dazu geführt hat, dass jetzt Drogendealer öffentlich dea­len und ihrem schändlichen Handwerk nachgehen können. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt ist, dass sich ein Polizist gar nicht so schnell umschauen kann, schon wird er entlassen und muss mit Schande aus dem Polizeidienst gehen, obwohl er jahrelang oder vielleicht sogar jahrzehntelang seinen Dienst ordentlich gemacht hat, nur weil er – nicht, dass ich das gutheiße – einmal eine Verfehlung gemacht hat und sich vielleicht einmal vergriffen hat. Das soll keine Entschuldigung sein, zeigt aber auch das Spannungsfeld und das Problemfeld, in dem sich unsere Polizisten befinden, auf.

Ich meine, dass unsere Polizei trotz aller Belastungen wirklich hervorragende Arbeit leistet, und auch ich möchte mich bei ihr dafür sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir Freiheitlichen haben letztendlich für die Weiterentwicklung der Dialogplattform zwi­schen der Sicherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft gestimmt, weil wir meinen, dass Dialog wichtig und unumgänglich ist, aber er soll nicht nur in eine Richtung verlau­fen, sondern in beide. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

17.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. – Bitte.

 


17.43.26

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und alle Damen und Herren, die uns hier auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Bildschirmen zuschauen.

Es gibt ja diesen spannenden Spruch: Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt. Ich finde, das gilt für alle unsere Institutionen, das gilt für uns al­le – Stichwort lebensbegleitendes Lernen –, und das gilt für alle Systeme, in denen wir tätig sind und für die und mit denen wir arbeiten. Und da ist die Polizei auch keine Aus­nahme.

Es wurde mehrfach angesprochen: Ja, der Beruf der Polizistin und des Polizisten ist ein anstrengender Beruf, ein oft gefährlicher Beruf, ein Beruf, der einem viel abver­langt. Ich stimme selten mit FPÖ-Abgeordneten überein, mit der Aussage meines Vor­redners, der gemeint hat, Polizisten und Polizistinnen müssen heute Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen sein, sie müssen trösten, sie müssen Verbrechen bekämpfen so­wieso und vieles mehr, jedoch schon. Ja, das Aufgabenprofil ist sicher ein vielfältiges geworden, und der Job ist sicher schwieriger geworden.

Das gilt übrigens beispielsweise auch für Lehrer und Lehrerinnen. Diese müssen auch sehr oft SozialarbeiterInnen, PsychologInnen und so weiter sein, weil unsere Gesell­schaften eben komplexer geworden sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 156

In dieser Situation sollten wir die Polizei nach bestem Wissen und Gewissen und nach Kräften unterstützen, damit sie die schwieriger gewordene Aufgabe, die wahrscheinlich in den nächsten Jahren auch nicht einfacher, sondern eher schwieriger wird, gut meis­tert und bewältigt.

Dieses Projekt Polizei.Macht.Menschen.Rechte im Innenministerium ist ja 2015 abge­laufen, insofern ist es nachvollziehbar und auch gut, dass Kollege Kirchgatterer und Kollegin Pfurtscheller diesen Antrag gestellt haben. Wir werden dem Antrag auch zu­stimmen, weil man ihm nur zustimmen kann, weil wir die Polizei eben in der Bewälti­gung ihrer Aufgabe unterstützen müssen.

Gleichzeitig ist es wie bei vielem so: The proof of the pudding is in the eating. Das heißt, wir werden uns alle gemeinsam auch die Praxis anschauen müssen, ob in der praktischen Alltagsarbeit der Polizei Menschenrechte auch wirklich bei jeder Amts­handlung – und das ist nicht immer einfach, das wissen wir – jenen Platz bekommen, den sie verdienen, nämlich dass sie ohne Wenn und Aber gelten.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei allen Polizistinnen und Polizisten des Landes sehr herzlich bedanken, die in dem Bewusstsein, dass Menschenrechte ohne Wenn und Aber gelten, ihren Dienst versehen. Für jene kleine Minderheit in der Polizei, die das leider nicht so sieht – oder noch nicht so sieht –, braucht es unser klares Stan­ding und unsere Unterstützung, damit wir diesen Spruch, die Polizei sei die größte Men­schenrechtsorganisation des Landes, gemeinsam verwirklichen. – Danke vielmals. (Bei­fall bei den Grünen.)

17.46


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

 


17.47.04

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen und auf der Besuchergalerie! Mir persönlich ist der Dialog zwi­schen der Zivilgesellschaft und der Polizei sehr wichtig. Deswegen ist mir auch das Projekt Polizei.Macht.Menschen.Rechte sehr wichtig.

Dieses Projekt ist das Organisations- und Personalentwicklungskonzeptprojekt im In­nenministerium. Mit diesem Projekt wurde damals im Jahr 2008 in dem Bewusstsein begonnen, dass gerade die Polizistinnen und Polizisten durch die tägliche Arbeit diese Menschenrechte zu schützen haben, dass es vor allem unterschiedlichste Tätigkeiten gibt und dass gerade aufgrund des Machtmonopols natürlich auch das Bewusstsein geschaffen werden muss, welch große Verantwortung die Polizistinnen und Polizisten haben, um diese Menschenrechte auch zu schützen.

Das heißt, wir haben in den letzten Jahren intensiv sensibilisiert, haben vor allem auch Bewusstsein geschaffen. Stolz sind wir darauf, dass es im Rahmen dieses Projektes auch gelungen ist, 24 Menschenrechtsorientierungsgrundsätze zu definieren. Diese Grundsätze umfassen vor allem die gesamte Organisation, den gesamten Bereich der Personalauswahl, vor allem auch die tagtägliche operative Arbeit, das Verhalten und das Auftreten gegenüber den Bürgerinnen und Bürger und auch den gesamten Bereich der Mitarbeiterführung.

Ich sehe diese Orientierungssätze als ganz große Meilensteine, weil sie sowohl von der Zentrale des BMI als auch von den Polizistinnen und Polizisten und vor allem auch in enger Zusammenarbeit mit den NGOs, mit der Zivilgesellschaft entwickelt worden sind. Dieser Dialog mit der Zivilgesellschaft ist uns wichtig und wird durch dieses Pro­jekt auch voll und ganz unterstützt, weil damit auch die gegenseitige Wertschätzung unterstrichen wird und man dadurch auch gegenseitiges Verständnis aufbauen kann.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 157

Dieses Projekt Polizei.Macht.Menschen.Rechte hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Aus- und Fortbildung und hat diese auch in Zukunft. Warum sage ich das? – Wir haben in den Jahren 2011 bis 2013 rund 20 000 Polizistinnen und Polizisten im Be­reich der Menschenrechte geschult und der Bereich Menschenrechte ist mittlerweile auch in die Grundausbildung eingeflossen und ist ein fixer Bestandteil der Grundaus­bildung.

Aus diesem Projekt wurde seitens der Sicherheitsakademie auch eine neues Kompe­tenzprofil für die Polizistinnen und Polizisten entwickelt. Das heißt, wir sind wirklich auf dem aktuellsten und modernsten Stand und können uns international messen.

Besonders freut es mich, dass aufgrund dieses Projektes und aufgrund dieses Kompe­tenzprofils die Sicherheitsakademie mehrmals ausgezeichnet worden ist, erst jetzt vor einigen Wochen mit dem Verwaltungspreis. Ich glaube, das ist eine tolle Sache und un­terstreicht die Wichtigkeit dieses Projektes. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann sagen: Ja, dieses Projekt Poli­zei.Macht.Menschen.Rechte war ein Erfolg. Warum sage ich „war ein Erfolg“? – Ich sa­ge das deswegen, weil wir dieses Erfolgsprojekt in die Linie überleiten. Das heißt, wir hatten eine jahrelange Vorbereitung, eine jahrelange Umsetzung und haben eine ent­sprechende Qualität erreicht, sodass wir in der Lage sind, dieses Projekt jetzt auch in die Linie umzusetzen.

Ich möchte sowohl Herrn Generaldirektor Konrad Kogler und Herrn General Klaus als auch allen Landespolizeidirektionen, denen dieses Projekt ans Herz gewachsen ist, danke sagen, wobei es ihnen als Führungskräften vor allem wichtig war, dass Men­schenrechte im Handeln und Tun unserer Polizistinnen und Polizisten ganz oben ste­hen. Dafür ein herzliches Danke der Generaldirektion, den Landespolizeidirektionen und vor allem allen Polizistinnen und Polizisten, die diese Menschenrechte hochhalten und tagtäglich danach handeln. (Beifall bei der ÖVP.)

17.52


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dopp­ler. – Bitte.

 


17.52.06

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Minister, ich darf mich Ihnen anschließen. Ich glaube, dass wir alle von dieser Stelle aus der Polizei und den Einsatzkräften unseren Dank übermitteln möchten. Ich glaube, das hat sich die Polizei dringend verdient. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Weiterentwicklung der 2008 vom In­nenministerium ins Leben gerufenen Dialogplattform Polizei.Macht.Menschen.Rechte und um Menschenhandel mit unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden geht es hier in diesem Antrag. 2008 hat man diese Plattform gegründet, 2015 ist das Projekt aus­gelaufen. Es geht um den Schutz von unbegleiteten Minderjährigen. Dieses Projekt war von Beginn an durch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Polizei und Zivilge­sellschaft geprägt. Eben diese interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Zivilgesell­schaft soll auch nach dem Projektende 2015, wie von der Frau Minister gerade ange­sprochen, in den verschiedenen Organisationen weitergeführt und ausgebaut werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung soll gestärkt werden. Wollen wir es hoffen! – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

17.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 158

17.53.39

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Meine Damen und Herren! Das Thema Polizei und Menschenrechte ist selbst in einer demokratischen Gesellschaft immer von hoher Aktualität. Der Aspekt des Gewaltmonopols des Staates in der Ausübung durch die Polizei ist natürlich eine spannende gesellschaftspolitische Frage. In der Praxis gibt es jede Menge Konfliktzo­nen bei Amtshandlungen wie zum Beispiel Festnahmen, Anhaltungen, Hausdurchsu­chungen, verbale Auseinandersetzungen und Ähnliches.

Der Bürger erwartet sich, mit Respekt und korrekt behandelt zu werden, und da hat der Dialog zwischen Zivilgesellschaft und Polizei in den letzten Jahren wirklich einiges be­wegt. Er wurde vom Bundesministerium für Inneres begonnen und auf regionalen Dia­logforen weiter behandelt.

Unsere Polizei sieht sich ja als große – um nicht zu sagen, als größte – Menschen­rechtsorganisation, es geht ja auch darum, viele Werte, viele Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, und die Frage ist, wie zum Beispiel die Praxis in der Ausbil­dung aussieht. In der Grundausbildung stehen schon 56 Unterrichtseinheiten zum The­ma Menschenrechte zur Verfügung, und auch in der berufsbegleitenden Fortbildung ist das Thema Menschenrechte bei der Polizei wichtig. Diese Maßnahmen im Rahmen des Projekts Polizei.Macht.Menschen.Rechte sind ja sehr gut umgesetzt worden.

Ich glaube, allen, die seitens der Polizei mitgemacht haben, und allen Polizistinnen und Polizisten in Österreich gebührt ein großer Dank für ihre tägliche korrekte und nicht im­mer leichte Arbeit, aber der Dank alleine wird es nicht machen. Wie gut die Polizistin­nen und Polizisten ihre Arbeit ausüben können, wird auch entscheidend davon ab­hängen, wie unser Staat die Personalressourcen entsprechend gestaltet; er sollte in der nächsten Zeit wahrscheinlich auch aufstocken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

17.55.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1031 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Dialogplattform zwi­schen der Sicherheitsexekutive und der Zivilgesellschaft.

Wer dieser dem Ausschussbericht angeschlossenen Entschließung zustimmen will, ge­be bitte ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 136.)

17.56.3014. Punkt

Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 1460/A der Abgeordneten Ing. Ro­bert Lugar, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksbefragung gem. Art. 49b B-VG über die Anwendung und Vollziehung der gesetzlichen Grenz­schutz- und Asylbestimmungen entgegen der bisherigen Praxis in der Flücht­lingskrise durch die österreichische Bundesregierung (1032 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Brückl zu Wort. – Bitte.

 


17.57.04

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Da­men und Herren Kollegen! Bereits seit Jahren ist Österreich einem enormen Zustrom von Menschen ausgesetzt, die vor Krieg und Verfolgung fliehen oder die aus wirt­schaftlichen oder sozialen Gründen aus ihrer Heimat fortziehen und zu uns kommen wollen.


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Diese Entwicklung hat sich im vergangenen Jahr massiv verschärft. Alleine im Zeit­raum von September bis Dezember hat es nahezu 680 000 Aufgriffe gegeben, das heißt, 680 000 Personen haben Österreich durchquert. Einreisekontrollen wurden nicht beziehungsweise nur stichprobenartig durchgeführt, Ausreisekontrollen hat es eben­falls nicht gegeben. Aus dem Innenministerium wissen wir, dass etwa 20 Prozent der Asylwerber in Österreich während des laufenden Verfahrens untertauchen – keiner weiß, wo sie sind, keiner weiß, wo sie hingehen, niemand weiß, wo sie sich aufhalten.

In dieser gesamten Zeit hat die Bundesregierung trotz der ihr zukommenden Verant­wortlichkeit immer wieder bestehende gesetzliche und vertragliche Regelungen nicht beachtet oder, wie es im Antrag heißt, gebrochen, beispielsweise die Dublin-III-Verord­nung, die nicht umgesetzt wurde.

Die Außengrenzen waren offen wie Scheunentore, die Zurückweisungen an den Gren­zen gab es nicht. Ganz im Gegenteil: Die Regierung hat die Menschen an der Grenze sozusagen abgefangen und hat diese Personen so schnell wie möglich durch Öster­reich durchgeschleppt, sie an der Grenze zu Deutschland abgeliefert und gehofft, dass Deutschland sie aufnimmt. Und es war der Eindruck – und es ist auch tatsächlich so gewesen –, dass die Bundesregierung in dieser Situation völlig überfordert war. Und anstatt zu handeln, hat man immer von der europäischen Lösung gesprochen. Das tut man heute noch! Diese europäische Lösung gibt es nicht! (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Alleine deshalb schon muss sich Österreich selbst schützen. Als wir Freiheitliche im Sommer 2014 Grenzkontrollen gefordert haben, hat man uns gesagt: Das geht nicht, das ist gar nicht möglich, Österreich ist schließlich Teil der EU, es gibt das Schengener Abkommen, das können wir nicht machen. Als wir Grenzsicherungsmaßnahmen gefor­dert haben, hat man uns der Lächerlichkeit preisgegeben (Abg. Korun: Nein, das tun Sie schon selber!) und hat uns gesagt, dass die Freiheitlichen eine Mauer rund um Ös­terreich bauen wollen.

Tage darauf wurde innerhalb der Bundesregierung gestritten, ob wir jetzt einen Zaun kriegen oder nicht, ob wir einen brauchen, ob er ein Seitentürl hat oder nicht.

Als wir von Obergrenzen gesprochen haben, hat man uns der Hetzerei bezichtigt. Heu­te spricht die Regierung selbst von Obergrenzen, nur um sie im nächsten Moment wie­der zu relativieren, weil vielleicht Kritik aus dem Bundeskanzleramt in Berlin gekommen ist. Die Obergrenze gilt also dann nur für Spielfeld. Rechnet man aber alleine schon jene Personen, die aus der Bundesrepublik nach Österreich zurückgeführt werden, er­reichen Sie diese Obergrenze längst – bei Weitem.

Ein Großteil der Menschen, die hier aus der Bundesrepublik zurückgebracht werden, kommt über meine Heimatstadt Schärding zurück. Dort wurde im Herbst 2015 ein Transit­zelt errichtet, in dem zeitweise bis zu 1 000 Personen untergebracht waren – in einer Kleinstadt mit 5 000 Einwohnern.

Es sind in der Vergangenheit täglich Busse angekommen, haben Hunderte von Men­schen hergebracht, haben Hunderte von Menschen wieder nach Bayern gebracht.

Viele dieser Flüchtlinge sind wieder retour gekommen, Menschen, die Deutschland nicht aufnehmen wollte. Noch immer werden täglich Personen zurückgeführt. Sie werden durch die Polizei abgearbeitet und dann freigesetzt, ohne dass es Strategien über deren Zu­kunft gibt. (Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Dies hat, Herr Kollege, zu einer schweren Verunsicherung der örtlichen Bevölkerung geführt. Das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen bei uns in Schärding ist mas­siv beschädigt, kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Unser Land befindet sich in der schwierigsten Situation seit Bestehen der Zweiten Re­publik, weil man bedingungslos an der selbst ausgerufenen Willkommenskultur festge-


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halten hat und gesetzliche Regelungen und Bestimmungen einfach außer Acht gelas­sen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn diese Regierung jetzt Stück für Stück unsere Forderungen, freiheitliche For­derungen, übernimmt, tragen Sie doch die Verantwortung dafür. Die Probleme schön­zureden, so wie das gestern hier in diesem Haus passiert ist, ist keine Lösung, denn wenn alles in Ordnung ist, dann frage ich Sie: Warum steht denn dieses Zelt in Schär­ding überhaupt noch? Warum brauchen wir es denn überhaupt noch? (Beifall bei der FPÖ.)

Der Abbau dieses Transitzeltes würde das Sicherheitsgefühl der Menschen massiv steigern und die Verunsicherung beenden. In diesem Lichte betrachtet ist der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung über die Anwendung und Vollziehung der ge­setzlichen Grenzschutz- und Asylbestimmungen lediglich ein Akt der Notwehr, den es zu setzen gilt.

Geschätzte Damen und Herren, in einer Demokratie kann die Einbindung der Bevölke­rung bei der Entscheidungsfindung wohl nie ein schlechter Punkt sein, kann doch wohl nie ein Fehler sein. (Beifall bei der FPÖ.)

18.02


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Weninger zu Wort. – Bitte.

 


18.02.34

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Zu meinem Vorredner: Sie müssen schon unterscheiden lernen, was eine Ver­waltungsübertretung und was Strafrecht ist – immerhin sind Sie auf die Verfassung und die Gesetze der Republik angelobt. Aber darüber können wir bei Gelegenheit einmal diskutieren.

Worum es beim vorliegenden Antrag tatsächlich geht, ist der Wunsch des Team Stro­nach nach einer Volksbefragung zur Verabschiedung eines Gesetzes über die Einhal­tung von Gesetzen. Das mag ein bisschen skurril klingen. Frau Abgeordnete Dietrich hat das im Hauptausschuss als eine Idee ihres Klubobmanns bezeichnet. (Abg. Lugar: Ich bin gleich dran, nur ein bisschen Geduld!) – Ja, ja, ich zitiere ja nur aus der „Parla­mentskorrespondenz“. – Klubobmann Lugar hat im November das Gefühl der Gesetz­losigkeit empfunden und ist deshalb auf die Idee gekommen, eine Volksbefragung zur Einhaltung von Gesetzen zu initiieren.

Frau Abgeordnete Dietrich hat in der Diskussion gesagt – ich zitiere, Herr Klubobmann Lugar –: Das hat sich in der Zwischenzeit jedoch geändert, aber zurückziehen wollen wir den Antrag doch nicht. – Zitatende. Deshalb müssen wir heute darüber diskutieren.

Da wir die Thematik der Grenzsicherung inhaltlich seit Wochen und Monaten auf dem Tapet haben, auch gestern und heute, möchte ich nur auf die Bestimmungen der Bun­desverfassung eingehen. Im Artikel 49b B-VG ist eindeutig geregelt, unter welchen Vo­raussetzungen und zu welchen Themen eine Volksabstimmung stattzufinden hat. Ein zentraler Punkt ist die Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung.

Also: Sie können nicht die Menschen fragen, ob sie Gesetze einhalten wollen oder nicht (Abg. Lugar: Da geht es um eine Volksbefragung! Kennen Sie den Unterschied nicht?!), sondern Sie können die Bundesgesetzgebung in Anspruch nehmen. Das geht nur, wenn Sie ein Gesetz einbringen, in dem Sie formulieren, dass Sie für die Einhal­tung von Gesetzen eintreten.

Wie auch immer, wir haben hier die politische Diskussion. Es ist ein etwas skurriler An­trag. Sie haben als Team Stronach, als gewählte Mandatare, alle Mittel des Parlamen-


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tarismus zur Verfügung, um Gesetzesanträge einzubringen, um hier zu diskutieren. Aber ich würde wirklich bitten, Herr Klubobmann Lugar: Missbrauchen Sie nicht die Instru­mente der direkten Demokratie für Ihre parteipolitischen Zwecke! (Beifall bei der SPÖ.)

18.05


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar zu Wort. – Bitte.

 


18.05.17

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Ja, das ist sehr günstig, dass ich jetzt gleich nach Ihnen drankomme. Also, um einmal die Kirche im Dorf zu lassen: Wir hatten eine Situation, in der die Regierung permanent das Recht gebrochen hat. Die Regierung ist ja verpflichtet, die Gesetze, die vom Parlament gemacht werden, umzu­setzen – Sie kennen das: Gewaltenteilung; schon einmal etwas davon gehört? –, und das Parlament muss darauf schauen, dass die Regierung das tut, was hier beschlos­sen wird. – Ich glaube, da sind wir uns ja einig.

So, jetzt war das aber nicht so. Die Regierung hat permanent das Recht gebrochen, und die Regierung hat das auch zugegeben. Auch die Frau Innenministerin hat es zu­gegeben, dass seit dem Sommer das Recht permanent gebrochen wurde, und das Argument war – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –: Wir konnten die Gesetze nicht einhalten, es waren ja so viele. (Abg. Amon: Aber wirklich nicht! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt schauen Sie einmal, wenn ein Unternehmer zum Steuerprüfer sagt: Also Herr Steu­erprüfer, es tut mir wirklich leid, aber ich konnte die Gesetze nicht einhalten, ich konnte meine Buchhaltung nicht ordentlich machen, denn ich hatte plötzlich so viele Kunden, das ging sich hinten und vorne nicht aus. – Na, wissen Sie, was dann passiert? – Dann wird der sagen: Sie haben gefälligst Ihre Buchhaltung zu machen, denn das ist Gesetz!

Und das Gleiche wollen wir von der Bundesregierung. Deshalb haben wir diesen An­trag gemacht – und nicht, weil wir sozusagen ein Gesetz wollen, dass die Gesetze ein­gehalten werden, sondern ganz im Gegenteil, wir wollen der Bundesregierung sagen: Liebe Bundesregierung, wenn ihr dem Parlament nicht glaubt, dass ihr gefälligst die Gesetze einzuhalten habt – und das haben Sie uns nicht geglaubt –, dann fragen wir einmal die Bürger! Vielleicht schaffen es die Bürger, die Bundesregierung zu überzeu­gen, dass Gesetze einzuhalten sind. Vielleicht gelingt es den Bürgern! – Und das ist der Hintergrund. (Rufe: Er kennt die Gewaltentrennung nicht!)

Der Hintergrund war: Als wir gesehen haben, die Regierung hält die Gesetze monate­lang nicht ein, wollten wir einmal die Bürger fragen, ob sie denn nicht vielleicht ein biss­chen Druck auf die Regierung ausüben könnten, dass die Gesetze endlich eingehalten werden. Das ist der Hintergrund.

Wenn Sie jetzt sagen, aber die Regierung hat es begriffen – d’accord, ich bin ganz auf Ihrer Seite –, wenn Sie sagen, Sie haben die Gesetze permanent gebrochen, aber jetzt machen Sie es besser – das haben Sie ja gesagt: jetzt machen Sie es besser. (Abg. Weninger: Ich habe kein Gesetz gebrochen!) –: Okay, wir haben aber noch nichts ge­sehen in dieser Richtung.

Sie haben hier viel gemacht, aber gesehen haben wir noch nichts. Wir wollen einmal Taten sehen! Das heißt, wenn Sie konsequent die Gesetze umsetzen, dann … (Abg. Weninger: Fahren wir nach Spielberg!) – Spielfeld, bitte. Spielberg ist woanders. Aber der Unterschied ist für Sie wahrscheinlich nicht so leicht zu erkennen.

Aber ich sage Ihnen nur eines: Allein wenn man sich das Problem mit den Ungarn an­sieht, so hatten wir da ja eine Frist von sechs Monaten, um die Ankommenden wieder nach Ungarn zurückzuschicken. Die hat man verstreichen lassen! Also das lässt mei-


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ner Ansicht nach nicht das Gefühl aufkommen, dass Sie jetzt endlich einmal begriffen haben, dass Gesetze einzuhalten sind.

Also bitte: Halten Sie die Gesetze ein, nicht nur hier, sondern auch sichtbar! Dann sind wir die Ersten, die sagen: Okay, dann brauchen wir das Volk nicht zu motivieren, Ihnen zu sagen, dass die Gesetze einzuhalten sind. Aber ich sehe es noch nicht. Ich sehe es noch nicht. Deshalb lassen Sie uns heute sicherheitshalber zustimmen, denn dann kön­nen wir einmal wissen, wie die Bevölkerung darüber denkt.

Ist das jetzt schlecht? Sie Sozialisten haben ja immer so einen guten Kontakt zur Be­völkerung, behaupten Sie zumindest. Na, dann fragen Sie einmal! Sie haben ja Ihre ei­genen Mitglieder, glaube ich, gefragt. – War das nicht so? (Abg. Weninger: Wir befra­gen oft unsere Mitglieder! Wir haben ja welche – im Gegensatz zu Ihnen! Hat der Frank Sie schon lange nicht angerufen?!)

Haben Sie nicht Ihre Mitglieder gefragt? Haben die nicht zu 90 Prozent gesagt, dass dieser Weg, den Sie gehen, ein Irrweg ist? Und haben Sie diesen Weg nicht deshalb verlassen, weil jetzt eine Bundespräsidentenwahl ansteht und Sie wissen, dass Ihr Kandidat keine Meter haben wird, wenn Sie nicht den Weg des Rechtsbruchs verlas­sen? So schaut es nämlich aus! (Beifall beim Team Stronach.)

Also: Werden Sie vernünftig! Zeigen Sie, dass Sie die Gesetze einhalten wollen! Und dann sind wir auch bereit, darüber zu reden, ob wir das Volk mit einer Selbstverständ­lichkeit belästigen, nämlich mit der Frage, ob die Regierung Gesetze einzuhalten hat oder nicht. – Das ist eine Selbstverständlichkeit. (Abg. Weninger: Ziehen Sie den An­trag jetzt zurück?!) – Ich habe es Ihnen gerade erklärt. (Beifall beim Team Stronach.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


18.09.24

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Kollege Lugar, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Sie sollten sich Ihren Antrag anschauen und auf welcher Rechtsgrundlage dieser basiert. Sie urteilen über andere, über die Einhaltung von Gesetzen, und Sie selbst sind nicht in der Lage, einen verfassungskonformen An­trag hier einzubringen! Das alleine ist der Grund der Ablehnung, Herr Kollege Lugar, das müssen Sie leider zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Lugar: Geht das jetzt auf dieser Ebene? … Versuchen Sie nicht, abzulenken!)

Entschuldigung, welche Achtung sollen die Staatsbürgerin und der Staatsbürger ha­ben, wenn einer ihrer Vertreter im Parlament, nämlich Sie, nicht in der Lage ist, einen verfassungskonformen Antrag einzubringen? Sie verlangen eine Volksbefragung für einen Akt der Vollziehung, der nach der Verfassung nicht möglich ist, denn nach der Verfassung ist eine Volksbefragung nur in Angelegenheiten der Gesetzgebung mög­lich.

Herr Kollege Lugar, Sie sollten der Erste sein (Abg. Lugar macht die sogenannte Schei­benwischerbewegung), der für Gewaltentrennung ist und der seiner Aufgabe in der Ge­setzgebung und nicht in der Vollziehung nachkommt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Kollege Lugar, auch von den Abgeordnetenbänken sind solche Handbewegungen, wie Sie sie jetzt gerade gemacht haben, nicht zulässig! (Abg. Lugar zeigt auf Schriftstücke.) – Nein, nein, ich habe schon gesehen, was Sie gemacht haben, ich will es hier nicht wiederholen. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Bitte fortzusetzen, Herr Abgeordneter Gerstl!

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 163

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (fortsetzend): Ich glaube, es ist alles gesagt, nur mehr eines: Nicht umsonst ist das Team Stronach bei den Umfragen bei null Pro­zent. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.11


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


18.11.20

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Hohes Haus! Frau Minister! Verschwundene Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist nicht mehr ganz neu – ja, das stimmt –, er trägt das Datum 26. November 2015. In der Zwischenzeit – das haben wir gehört – hat sich einiges getan, lieber Herr Kollege. Aber das, was sich getan hat, das hat sich nicht von selbst getan.

Die Herrschaften von der ÖVP und von der SPÖ haben diese Weisheit nicht selbst er­funden, sondern es wurde hier Druck erzeugt, vor allem auch von der Bevölkerung. Des­halb hat sich etwas getan, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber dem Inhalt dieses Antrages kann man voll und ganz zustimmen, Herr Kollege Gerstl und Herr Kollege Weninger. Die Tatsachen sind so. Die Begründung in diesem Antrag ist vollkommen richtig.

Auf der einen Seite, meine sehr geehrten Damen und Herren, würde dieser Antrag der direkten Demokratie sicher nicht schaden, und auf der anderen Seite wäre eine Volks­befragung nichts Schlechtes. Man muss ja schon auch festhalten, dass uns das Flücht­lingsproblem, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Weninger, sicher noch lange beschäftigen wird.

Es stimmt schon: Es sind sehr viele hilfsbedürftige Menschen dabei, denen geholfen werden muss, die einen Schutz brauchen. Das steht außer Frage.

Aber es steht auch außer Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass sehr viele Menschen nicht vor Gefahr flüchten, sondern aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen. (Abg. Weninger – den Kopf schüttelnd –: Das ist net wahr!)

Herr Kollege, Sie können den Kopf schütteln, soviel Sie wollen, das wird es nicht än­dern, und Sie, Herr Kollege, werden diese Flüchtlingsproblematik alleine nicht lösen kön­nen. – Herzlichen Dank. (Beifall beim Team Stronach.)

18.13


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. (Unruhe im Sitzungssaal.)

Geht es ein bisschen leiser?! Frau Korun ist am Wort und hätte gerne auch Ihre Auf­merksamkeit, Herr Kollege Doppler.

Bitte, Frau Kollegin.

 


18.13.36

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Eine Volksbefragung darüber, ob bestehende Gesetze anzu­wenden sind oder nicht, ist in der Tat sehr originell – wenn man nicht so diplomatisch ist, müsste man sagen, geradezu skurril. Andere Probleme hat Kollege Gerstl ange­sprochen.

Es ist aber interessant, dass der Antrag nicht einmal sagt, welche konkreten Bestim­mungen angeblich nicht eingehalten wurden. Mir kommt vor, der Antragsteller weiß das selber nicht. Die konkrete Bezeichnung, worüber man eigentlich befragen will, ist doch das Minimum bei einer Volksbefragung, die man beantragt.


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Zudem ist die Frage eine einzige Suggestivfrage. Sie kennen offensichtlich nicht die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, der schon im Jahr 2000 gesagt hat, dass die Frage, die bei einer Volksbefragung gefragt wird, eine eindeutige sein sollte und Spe­kulationen keinen Raum lassen sollte.

Das sind alles eigentlich genug Gründe, diesen skurrilen und absurden Antrag abzu­lehnen. Seit gestern ist ein zusätzlicher, ganz massiver für mich und für uns dazuge­kommen.

Herr Klubobmann Lugar, Sie haben gestern in Ihrer Rede nach Österreich Flüchtende, nach Europa Flüchtende als sogenannte Neandertaler beschimpft (Abg. Lugar: Das stimmt ja nicht!), die wir – Zitat – Gott sei Dank hier bei uns ausgerottet haben. – Zitat­ende.

Herr Klubobmann Lugar, ich fordere Sie auf: Treten Sie zurück, damit Sie die Würde des Parlaments nicht mehr verletzten! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist schlicht und ergreifend unerträglich, dass von diesem Rednerpult aus derart Men­schenverachtendes, derart Rassistisches ausgerechnet pauschal über Menschen, die in der EU um Schutz vor Verfolgung ansuchen, gesagt wird.

Treten Sie zurück, Herr Lugar! (Beifall bei den Grünen.)

18.16


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klub­obmann Lugar zu Wort gemeldet. Herr Klubobmann, bitte zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt und dann die Korrektur. – Bitte.

 


18.16.17

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Abgeordnete Alev Korun hat hier behauptet, ich hätte Flüchtlinge mit Neandertalern verglichen.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt – und das kann man nachlesen, man kann es nachhören, man kann es sogar in Deutschland, in deutschen Zeitungen, nachlesen, denn dort wurde es auch abgedruckt –, dass Menschen hierher kommen, die ein Welt­bild haben wie ein Neandertaler.

Das habe ich gesagt, dazu stehe ich. Da geht es um ein Weltbild – und nicht, dass ich sie als Neandertaler bezeichnet habe. – Vielen Dank. (Unruhe im Sitzungssaal.)

18.16


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


18.17.00

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Ich glaube es haben jetzt schon viele gesagt, wieso diese Volksbefragung nicht funktionieren kann. Herr Kollege Lugar, ein wesentlicher Punkt: Sie haben einfach vergessen, was Sie eigentlich machen wollten.

Wenn Sie der Meinung sind, dass die Regierung rechtswidrig gehandelt hat, dann gibt es die Option der Ministeranklage. Das hat die FPÖ probiert. Dass das Instrument im Parlament momentan nicht sonderlich gut ist, ist eine andere Sache. – Das ist die erste Option.

Die zweite Option ist: Sie zeigen die Bundesregierung an. Das hat die FPÖ gemacht. Die kennen die richtigen Instrumente, wenn sie der Meinung sind, dass ein Rechts­bruch vorliegt. Das könnten Sie machen.

Aber eine Volksbefragung, bei der Sie fragen, ob sich die Bundesregierung an die Ge­setze halten soll, halte ich für sehr absurd. Mir ist vorher beim kurzen Überlegen noch


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 165

etwas eingefallen. Was wäre denn, wenn herauskommt: Nein, die Bundesregierung soll sich nicht an die Gesetze halten!? (Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS, SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Also eine Volksbefragung, mit der Sie die Bundesregierung zum Rechtsbruch auffor­dern, ist einigermaßen neu hier im Hohen Haus. (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

18.18


Präsident Karlheinz Kopf: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Klub­obmann Ing. Lugar. – Bitte. (Unruhe im Sitzungssaal.)

 


18.18.00

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Also, es wird ja wirklich skurril. (Hei­terkeit. – Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) – Danke schön für den Applaus!

Der Kollege von den NEOS hat ja behauptet, dass es möglich wäre, dass das Volk Nein sagt, wenn wir es befragen, ob die Regierung die Gesetze, die im Parlament ge­macht wurden, einhalten soll. (Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.) Noch dazu bei einer Frage, die das Volk ja unglaublich bewegt, denn wir haben im Mo­ment – das ist das Problem – 70 Prozent der Bevölkerung, die nicht einverstanden sind mit dem, was die Regierung macht. Und jetzt glauben Sie allen Ernstes, dass die Be­völkerung Nein sagen könnte, wenn wir sie fragen, ob die Regierung die Gesetze ein­halten soll – deren Einhaltung ja dazu führt, dass weniger Flüchtlinge oder sogar gar keine Flüchtlinge mehr nach Österreich kommen, denn die meisten, die zu uns kom­men, haben ja gar keinen Grund, zu uns zu kommen, außer dass sie gerne bei uns sein wollen.

Das ist der einzige Grund, denn sie sind nicht verfolgt. Wenn sie über die Türkei, über Griechenland, über x Länder 2 000 Kilometer zu uns kommen, dann werden sie ja dort nicht verfolgt. (Abg. Korun: Syrer sind nicht verfolgt, Iraker sind nicht verfolgt, Afgha­nen sind nicht verfolgt?!) Sie wollen nur zu uns kommen, weil es bei uns anscheinend viel angenehmer ist als in Griechenland oder in sonstigen Ländern. Das ist der Grund, und die Frage ist, ob wir das akzeptieren sollen oder müssen. Ich sage: Nein. – Die Re­gierung sieht das aber anders.

Jetzt ist eben die Frage: Wie sieht die Bevölkerung das? – Sie glauben, dass die Be­völkerung sagt: Was die Regierung macht, ist egal; ob sie sich an Gesetze hält, ist auch egal. – Wenn das die Bevölkerung tatsächlich so sieht, dann soll es so sein. (Un­ruhe im Sitzungssaal.) – Na schauen Sie: Sind Sie ein Demokrat oder sind Sie kein De­mokrat?

Wenn die Bevölkerung als Souverän eine Entscheidung trifft, dann ist diese zu ak­zeptieren. – Ich sehe das so. Wenn Sie das anders sehen, dann ist das Ihr Problem. Ich sehe das so. – Und deshalb hat das Volk immer recht und Sie garantiert nicht, das kann ich Ihnen versprechen. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Weninger: Das war jetzt ein Rohrkrepierer!)

18.20


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


18.20.18

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! (Unruhe im Sitzungssaal. – Abg. Höbart: Ruhe!)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Bitte, meine Damen und Herren, Kollege Schmid hätte ger­ne Ihre Aufmerksamkeit! (Beifall des Abg. Höbart.)

 



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Abgeordneter Gerhard Schmid (fortsetzend): Zum Thema gesetzlicher Grenzschutz (Abg. Höbart: Der schwarze Block macht so einen Lärm!): Die Flüchtlingssituation stellt Österreich zunehmend vor Herausforderungen. Die Lage an der Südgrenze war kei­nesfalls befriedigend. Weiters sind von der Regierung bereits beschlossene Außerkraft­setzungen zahlreicher gesetzlicher Grundlagen als nicht nachvollziehbar zu be­zeichnen.

Wenn sich ein Land zur Aufnahme von Flüchtlingen entschließt, ist es unbestritten, dass entsprechende Versorgung und Unterkunft sicherzustellen sind. Zur Bereitstel­lung der Unterkünfte wurden zahlreiche Grundlagen wie Brandschutz und weitere Bau­richtlinien außer Kraft gesetzt. Dem steht gegenüber, dass heimische Bauwerber an gesetzliche Vorgaben gebunden sind. Dieser Umstand führt zu Verunsicherung, denn auch beim Grenzschutz wurden zahlreiche Gesetze und EU-Vorgaben weitgehend ig­noriert.

Im laufenden Jahr ist mit einer weiteren Zunahme von Asylwerbern zu rechnen, sodass die beschlossene Höchstzahl von 37 500 Personen erheblich überschritten werden wird. Die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung ist sowohl durch die heimische Exekutive als auch durch unser Heer auf friedlichem Wege gerade jetzt auch an unse­rer Bundesgrenze zu gewährleisten. Die derzeit herrschende Ruhe an der Südgrenze ist trügerisch und wird sich wieder ändern, doch Grenzschutz ist unerlässlich. – Danke. (Beifall der Abgeordneten Schittenhelm und Steinbichler.)

18.22

18.22.20

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Hauptausschusses, seinen Bericht 1032 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist mehrheit­lich angenommen.

18.22.4915. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90 (1014 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte.

 


18.23.31

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich möchte in meinem Redebeitrag zur Petition 47 sprechen, der „Initiative hochwassersicheres Wörgl“. Die Bürgerinitiative war hier im Parlament und hat der Präsidentin 4 000 Un­terschriften übergeben.

Ich habe gestern noch mit den dafür Verantwortlichen telefoniert. Sie haben sich sehr enttäuscht darüber gezeigt, dass ihre 4 000 Unterschriften einfach schubladisiert wer­den und dass gar nicht viel passiert. Das, glaube ich, ist kein gutes Signal, das wir vom Parlament nach außen senden. Die Bürger kommen zu uns, übergeben uns die Un­terschriften, und wir legen das in Schubladen ab.

Bei dieser Initiative geht es darum, dass Wörgl im Jahr 2005 von einem wirklich ver­heerenden Hochwasser überschwemmt worden ist. Seitdem ist in Wörgl nichts passiert außer leeren Versprechungen. Kollege Gahr schaut mich schon sehr … (Abg. Gahr: Wenn ich etwas dazu sagen darf?) – Ja, ja, bitte! Ich freue mich auf deine Ausführun­gen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 167

In den anderen Gemeinden – zum Beispiel in Ebbs, Kufstein, Langkampfen, Kirchbichl, Radfeld und Strass – hat es seit 2005 längst schon solche Dämme gegeben, nur bei uns in Wörgl nicht. Der damalige Bürgermeister, der dann im Jahr 2010 auch abge­wählt worden ist, hat gar nichts dazu beigetragen, dass es zu einem hochwassersi­cheren Wörgl kommt. Ich muss wirklich sagen: Wir haben diesbezüglich auch sehr vie­le Initiativen in meiner Heimatstadt gemacht, und daraufhin hat Herr Landeshauptmann Platter den Wörglerinnen und Wörglern versprochen, dass er bis 2018 den Damm in Wörgl baut.

Was ist passiert? – Mittlerweile wird uns erzählt: Nein, das geht jetzt alles nicht, wir ha­ben Regionalstudien gemacht, und das kann man jetzt alles nicht mehr so einfach ma­chen, wir brauchen jetzt in Tirol für den Damm in Wörgl einen Wasserverband. – Na bravo! Wir brauchen nicht nur einen, denn wir brauchen von Innsbruck bis Wörgl drei Wasserverbände. Sie können sich vorstellen, wie lange es dann dauert, bis das über-haupt passiert, und mir drängt sich wirklich der Verdacht auf, dass der Landeshaupt­mann die Schuldigen dafür, dass er bis 2018 den Damm in Wörgl nicht bauen kann, suchen und finden wird.

Das ist schon bedenklich, denn man darf auch nicht vergessen: Ich war bei diesen Ver­bandssitzungen dabei, und auffällig ist, dass gerade die Nachbargemeinden Kundl und Radfeld, die zufälligerweise von SPÖ-Bürgermeistern in Tirol geführt werden und am meisten mit Retentionsflächen belastet werden würden, sich jetzt wehren und sagen, das können wir unserer Bevölkerung nicht zumuten, und dass eigentlich jetzt schon der Stand der Dinge ist, dass das bis 2018 gar nichts wird.

Ich habe auch beim Bundesminister für Umwelt einen Antrag eingebracht, weil mir das wirklich ein Herzensanliegen ist. Man darf nicht vergessen: Da sind 3 000 Menschen, die in einem von Hochwasser gefährdeten Gebiet sind, die in der roten Zone sind, er­höhte Versicherungsbeiträge bezahlen müssen und bei jedem stärkeren Regen einfach Angst haben, dass der Inn wieder übergeht und ihre Häuser wieder überflutet werden. Da wird einfach nichts getan, und es war damals wirklich eine sehr bedrohliche Situa­tion.

Ich habe auch versucht, mit dem Umweltminister eine Lösung zu finden. Das war letz­tes Jahr beim Empfang beim Bundespräsidenten, wo er mich in Anwesenheit von Kol­legen abgekanzelt hat: Ich soll mich doch nicht so aufpudeln wegen eines bisschen Wassers. Das war wirklich schlimm, und es war eine Verhöhnung von all jenen, die hochwassergeschädigt waren. Er hat aber jetzt in seiner Stellungnahme gesagt: Selbst­verständlich, wenn es so weit ist, wird er die Mittel dafür freigeben.

Mir ist es aber auch wichtig, dass das Parlament laufend über die Fortschritte des Dammbaues und über das Projekt überhaupt informiert wird. Deshalb bringe ich jetzt wieder einen Entschließungsantrag ein und bitte die Damen und Herren mitzustimmen.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Carmen Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzie­rung des Hochwasserschutzdammbaus im Tiroler Unterland (Wörgl/Kundl)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, die zugesagten Bundesmittel zur Fi­nanzierung des Hochwasserschutzdammes im Tiroler Unterland (Wörgl/Kundl) freizu­geben. Weiters wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 168

serwirtschaft aufgefordert, dem Umweltausschuss regelmäßig über die Umsetzung des Projekts Bericht zu erstatten.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.28


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Schimanek eingebrachte Ent­schließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schimanek und weiterer Abgeordneter

betreffend Finanzierung des Hochwasserschutzdammbaus im Tiroler Unterland (Wörgl/Kundl)

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 15, Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90), in der 119. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 17. März 2016.

Im Jahr 2005 wurde die Stadt Wörgl schwer von der damaligen Hochwasserkata­strophe getroffen. Seitdem wurden einige Maßnahmen im Bereich des Hochwasser­schutzes durchgeführt, wohingegen eine wichtige Maßnahme - nämlich der Dammbau am Inn auf Höhe des Wörgler Gewerbegebietes - bis heute nicht realisiert wurde. Seit über 10 Jahren warten hier die Betroffenen auf den Damm und die damit verbundene Sicherheit.

Seitens des Landes gibt es mittlerweile eine Zusage für die Umsetzung eines Damm­projektes, welches auch dem Schutz des betroffenen Gebiets dienen soll.

In der Tiroler Tageszeitung vom 26. August 2014 war zu lesen, dass es auch seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bereits eine Zusage bezüglich der erforderlichen Bundesmittel zur Finanzierung dieses Hochwasserschutzdammes gibt.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

 Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert, die zugesagten Bundesmittel zur Fi­nanzierung des Hochwasserschutzdammes im Tiroler Unterland (Wörgl/Kundl) freizu­geben. Weiters wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Was­serwirtschaft aufgefordert, dem Umweltausschuss regelmäßig über die Umsetzung des Projekts Bericht zu erstatten.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lipitsch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 169

18.28.54

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Zuhörer auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorweg einmal bemerken, dass es ein sehr hohes Interesse an Bürgerinitiativen und Petitionen gibt, das haben wir gerade gemerkt, denn wir haben im letzten Ausschuss 44 unterschiedliche Themen behandelt. Deshalb ist es auch diesmal wieder zu einem Sammelbericht gekommen, in dem elf Petitionen und zehn Bürgerinitiativen enthalten sind.

Wir haben die unterschiedlichsten Themen: Hochwasserschutz ist angesprochen wor­den, aber wir haben zum Beispiel auch den Tierschutz, die Ziesel-Population im March­felder Bereich, behandelt. Wir haben die Beteiligung von Pensionistenvertreterinnen und -vertretern in der Selbstverwaltung in den Krankenkassen behandelt. Weiters ha­ben wir die Aufhebung des Eheverbotes für gleichgeschlechtliche Paare, Schulthemen und Asylthemen in dieser Sitzung behandelt und darüber entschieden, was wir mit die­sen eingebrachten Petitionen und Bürgerinitiativen machen.

Es ist natürlich so: Aufgrund der unterschiedlichen Themen gibt es unterschiedliche Zu­gänge. Kollegin Schimanek! Natürlich ist Hochwasserschutz eine Landessache. Wenn der Bund ohnehin sagt, er stellt das Geld zur Verfügung, dann müssen Sie sich bitte an den Herrn Landeshauptmann wenden, damit er das auch in dieser Form macht. Wir können nur unsere Tätigkeit machen. Sie haben gesagt, der Herr Bundesminister hat das Geld zugesagt – der Ball liegt also beim Land Tirol.

Wir haben uns aber auch auf etwas geeinigt im Zusammenhang mit einem Punkt, der letztes Mal kritisiert worden ist: Wir haben am 30. Juni ein Hearing, bei dem es die Mög­lichkeit gibt, sechs verschiedene Themen zu bearbeiten. Jede Fraktion hat die Möglich­keit, ein Thema einzubringen. Ich glaube, das ist ein guter Schritt, diese Themen hier direkt vom Bürger zu erfahren. Der Erstunterzeichner wird anwesend sein und wird di­rekt mit Ihnen darüber diskutieren können.

Wir sollten hier – das haben wir heute in einer Runde einmal kurz erläutert – auch Mög­lichkeiten schaffen, wie wir in Zukunft mit Hearings umgehen können, etwa mit be­stimmten Gegenständen, die eine hohe Beteiligung haben. Ich nehme jetzt als Beispiel die Initiative betreffend die gleichgeschlechtliche Ehe, die 32 700 Unterschriften hat. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, zu sagen: Das ist ein großes Thema.

Wogegen ich mich ein bisschen verwahre – aber wir werden das hier ausdiskutieren –, ist die Sache von Petitionen, denn Petitionen werden ja mit der Unterschrift von Abge­ordneten eingebracht, und ich möchte verhindern, dass der Petitionsausschuss dazu dient, dass man populistisch Sachen einbringt, dass versucht wird, dementsprechend Werbung zu machen, und dass man dann jedes Mal ein Hearing gestaltet. Darüber müssen wir diskutieren, aber ich glaube, wir werden bis Juni schon einen Weg finden. Kollege Pock hat gesagt, er übernimmt die Koordination. – Danke dafür, dass du diese Vorschläge machen wirst, die wir dann in den Fraktionen dementsprechend behandeln werden.

Ich möchte aber ganz kurz auf eine Bürgerinitiative eingehen, und zwar die Bürger­initiative Nummer 88. Diese betrifft das Best- statt Billigstbieterprinzip und die Einfüh­rung von verpflichtenden Qualitäts- und Sozialstandards im Bereich des Linienbusver­kehrs. Die Initiatoren wollen das Bestbieterprinzip auch im öffentlichen Nah- und Re­gionalverkehr im Bundesgesetz verankert wissen, so wie wir es bereits im Bereich der Bauwirtschaft, aber auch im Bereich der ländlichen Produkte im Dezember beschlos­sen haben.

Es soll sichergestellt werden, dass nicht Lohndumping und Qualitätsverschlechterung großräumig Einzug halten und es nur unter dem Motto „billig“ schlechte Ausgangsposi­tionen für die MitarbeiterInnen und im Endeffekt für alle Kundinnen und Kunden im Per­sonennahverkehr und Regionalverkehr gibt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 170

Es muss eine klare Vorgabe an alle Beteiligten geben. Da spreche ich besonders die Länder an, die meistens die Ausschreibenden in diesem Bereich sind, und weise auf die Notwendigkeit hin, diese Problembereiche, die bereits bestehen, baldigst zu sanie­ren, aber auch, nicht neue Problemfelder zusätzlich aufzumachen.

Ich möchte abschließend feststellen: Ich glaube, dass wir die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehmen, und sie wissen auch, dass ihre Anliegen in Form einer Bürgerinitiative oder einer Petition in guten Händen sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Pock.)

18.33


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


18.33.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Kollege Lipitsch! Natürlich: Die Herausforderung ist, die Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, und zwar nicht immer fallweise, wie es uns als Abgeordneten gefällt, sondern in der gesamten Breite der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.

Meine Damen und Herren, das geht eben nur dann, wenn wir auch dort weiterarbeiten, wo wir stehen geblieben sind, nämlich bei der Verbesserung der Geschäftsordnung. Die BürgerInnenanliegen werden nur dann ernst genommen, wenn es auch ein Ver­fahren, einen entsprechenden Prozess gibt, der sicherstellt, dass Experten gehört wer­den, dass Erstunterzeichner eingeladen werden, dass Hearings verpflichtend durchge­führt werden und dass auch eine Zuweisung an Ausschüsse erfolgt.

Meine Damen und Herren! Ich habe diesbezüglich bereits am 29. Jänner 2014 einen umfassenden Initiativantrag eingebracht, also eine Änderung der Geschäftsordnung vorgeschlagen. Weiters habe ich mit Kollegin Musiol einen weiter gehenden Vorschlag im September 2014 eingebracht. Bis heute sind diese Vorschläge nicht behandelt wor­den.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist dringend erforderlich, diese Vorgangsweise zu har­monisieren und zu verbessern. Meine Kollegin Brunner und mein Kollege Steinhauser werden das nachher anhand ganz konkreter Beispiele detailliert erläutern, zum Beispiel anhand der „Unfallopfer“-Bürgerinitiative, die eine Novelle des Schadenersatzrechtes gefordert hat, wobei hochkarätige Proponenten – Juristen aus dem Universitätsbereich bis hin zum Obersten Gerichtshof – diese Bürgerinitiative unterstützt haben. Was ha­ben Sie von der Regierungsseite gemacht? – Sie haben sie hier durchgewinkt und nicht dem Justizausschuss zugewiesen. Kollege Steinhauser wird ausführen, was für ein Fehl­griff das ist. Das zeigt nur an einem Beispiel, dass man so nicht weiter vorgehen kann.

Sie haben die Bürgerinitiative „Ehe Gleich! Aufhebung des Eheverbots für gleichge­schlechtliche Paare“ mit derzeit 32 997 Online-Unterstützungen auf der Homepage des Parlaments schon erwähnt. Wir haben uns für diese Bürgerinitiative eingesetzt, damit es auch ein Hearing geben wird, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es wäre fatal, wenn man da ähnlich vorgehen würde wie bei anderen wichtigen Anliegen. Daher brauchen wir eine Novelle der Geschäftsordnung.

Da danke ich auch dem Vorsitzenden, Kollegen Pock, dass er diesbezüglich die Initia­tive ergreift und, so hoffe ich, gemeinsam mit uns einen Vorschlag entwickelt – auf Ba­sis von Vorschlägen von Abgeordneten, die schon lange in diesem Ausschuss sind und die wissen, wie notwendig eine Reform ist. Und ich hoffe, dass wir diese dann auch in diesem Haus durchsetzen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.36



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 171

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


18.36.14

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Ich darf aus dem heute vorliegenden Sammelbericht des Ausschusses für Peti­tionen und Bürgerinitiativen einige Berichte vorstellen. Vorerst möchte ich aber die Schü­lerunion Weinviertel recht herzlich bei uns hier im Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Dieser Bericht zeigt – das haben meine Vorredner schon gesagt: wir haben im letzten Ausschuss 44 Petitionen und Bürgerinitiativen behandelt – einen Querschnitt über die von Menschen, Gemeinden und Umweltbewegungen eingebrachten Sorgen und Anlie­gen – und wir bemühen uns.

Kollege Pirklhuber, ich glaube, es hat in letzter Zeit einiges bewegt werden können, was die Abstimmung, die Koordination und die Verbesserung und Effizienz dieses Aus­schusses betrifft. Was Kollege Pock in Zukunft vorhat, wird von uns auch absolut ernst genommen. Wir werden uns bemühen, die Geschäftsordnung zu verbessern.

Kollegin Gartelgruber (Abg. Schimanek: Schimanek!) hat die „Initiative hochwassersi­cheres Wörgl“ angesprochen. Ja, dieses Anliegen ist absolut berechtigt. Es geht um Hochwasserschutz für besorgte Menschen. Es gibt in diesem Bereich intensive Ver­handlungen. Es braucht aber, Kollegin – ich werde nicht auf alles eingehen –, Gesamt­lösungen, wir brauchen Retentionsräume, und so einfach, wie Sie das hier darstellen, und so einfach, wie Sie hier andere beschuldigen, stellt sich das Ganze einfach nicht dar. (Abg. Schimanek: Na! Na! Na! Du weißt es ganz genau! Hermann, du weißt es ganz genau!)

Es gibt eine EU-weite Ausschreibung für Planungsleistungen im Abschnitt Wörgl, es ist ein Vergabeverfahren im Laufen, und das Anliegen wird realisiert. Es braucht eben jetzt auch das Einvernehmen der umliegenden Gemeinden. Wir können nicht eine Ge­meinde eingrenzen und andere Gemeinden ausgrenzen. (Abg. Schimanek: Das sind drei Gemeinden!) Frau Kollegin Gartelgruber, bleiben Sie fair! Bleiben Sie sachlich und sehen Sie die Tatsachen im richtigen Licht!

Ich darf auf die Petition „Für die Errichtung einer (Filial-)Apotheke in Oberperfuss“ ein­gehen. Hier konnte nach jahrelangem Rechtsstreit eine Regelung gefunden werden, und derzeit ist diese Filialapotheke in Umsetzung.

Eine weitere Petition aus Tirol behandelt das Wasserschongebiet in Telfs und Umge­bung. Da geht es um einen Tiefbrunnen, der eine Gemeinde massiv betrifft. Auf 800 Hek­tar sollen Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Dank dieser Petition gibt es nun­mehr einen neuen Anlauf, gemeinsam mit dem Land und den Behörden des Bundes eine vernünftige und tragbare Lösung zu erreichen.

Eine weitere Petition aus Tirol betrifft die „Abschaffung der Sondermaut auf der A13-Brenner Autobahn für den Ziel- und Quellverkehr“. Da ist es so, dass die heimische Wirtschaft durch eine dreifache Bemautung massiv benachteiligt ist. Die gesetzliche Lage gibt leider keine oder wenig Spielräume für eine Abschaffung. Es ist so, dass das Land Tirol jetzt ein Paket geschnürt hat und dass ab heuer die Unternehmen, die mas­siv betroffen sind, einen Ausgleich erhalten können.

Insgesamt, glaube ich, haben wir derzeit viele Petitionen, die wir nachhaltig und den Bürgern entsprechend behandeln. Wir wollen auch in Zukunft, glaube ich, verstärkt auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen. Ich möchte mich heute einmal bei jenen bedan­ken, die sich bemühen, uns hier direkt diese Petitionen und Bürgerinitiativen zu über­mitteln, damit wir sie dann bearbeiten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 172

18.40.01

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen! Zum Thema Sammel­bericht des Petitionsausschusses: Wir haben, wie Kollege Lipitsch auch schon ausge­führt hat, 44 teils sehr unterschiedliche Bürger- und Bürgerinnenanliegen behandelt. Wir haben jetzt auch eine große Anzahl dem Plenum zugeleitet, und es ist auch – wie Kollege Lipitsch und Kollege Gahr gesagt haben – seit dem letzten Plenum etwas pas­siert.

Ich bin das letzte Mal hier gestanden, habe kritisiert, dass seit Monaten nichts weiter­geht, dass wir keine Hearings mehr machen, dass wir keine Sonderinstrumente mehr einsetzen, und das hat sich bereits mit dem nächsten Ausschusstermin geändert. Es wurde für Ende Juni ein Hearing für sechs Bürgerinitiativen vereinbart und wir sind in konkreten Gesprächen, wie wir aus dem Ausschuss mehr machen können, als er jetzt bereits ist. Er ist Mittelfeld. Er ist nicht europaweit Spitzenklasse, aber er ist auch nicht Schlusslicht.

Was mich immer und immer wieder beschäftigt, ist die Frage, welche Funktion der Aus­schuss hat. Sie kennen die Bürgerinitiative, die wir auch hier schon teilweise vorgestellt haben. Der Ausschuss ist das Tor, auch das Sprachrohr zu den Bürgerinnen und Bür­gern, die tatsächlich aktiv Politik gestalten wollen, ohne eine Partei oder einen Abge­ordneten dafür zu nutzen. Und wir gehen mit diesem Interesse noch nicht ausreichend gut um. Ich habe in der letzten Plenarsitzung kritisiert, dass wir auf der einen Seite, wenn wir etwas tatsächlich sogar im Sinne der Initiatorinnen und Initiatoren erledigen, diese nicht entsprechend informieren.

Ich darf jetzt auch ein Beispiel für die Regierungsfraktionen nennen: Ungefähr ein ge­fühltes Drittel der Anliegen, die durch den Petitionsausschuss an das Parlament heran­getragen werden, werden durch Sie erledigt. Es entstehen Gesetzesinitiativen oder Sie hatten sie ohnehin vor. Sie informieren die Bürger und Bürgerinnen aber nachher nicht. Alle bekommen einen Brief, in dem steht: Vielen Dank für Ihre Initiative, das Ganze wird zur Kenntnis genommen, und noch einen schönen Tag. – Das heißt, selbst Ihren eigenen Erfolg zu verkaufen, schaffen Sie nicht.

Jetzt wäre mein Anliegen allerdings nicht, Ihren Erfolg zu verkaufen, sondern den Er­folg des Parlaments als Institution. Und da ist die Frage, ob wir mehr aus dem Ort Parlament machen können. Das können wir durch ganz einfache Handgriffe. Das kön­nen wir durch die Art und Weise, wie wir in unserem Verhalten gegenüber den Bür­gerinnen und Bürgern als Petitionsausschuss auftreten. Das können wir in der Admi­nistration, durch die Form, wie wir dann tatsächlich auch kommunizieren. Und das kön­nen wir auch, indem wir tatsächlich eine Leistung nachweisen. All das wäre möglich, passiert jetzt aber noch nicht.

Ich möchte hier ein Fallbeispiel heranziehen, das ebenfalls zuletzt im Petitionsaus­schuss war, nämlich „Freie Schulwahl 2.0“. Womit beschäftigt sich die Bürgerinitiative „Freie Schulwahl 2.0“? – Mit der Idee, dass nichtkonfessionelle Privatschulen gleich be­handelt werden wie öffentliche Schulen und konfessionelle Schulen. Und dabei geht es wiederum um die Idee, dass tatsächlich auch Mittel nicht für einzelne Objekte, sprich Schulen, sondern für Schülerinnen und Schüler aufgewendet werden. Das bedeutet, dass eine Privatschule, die keine Schulgebühren einfordert, vom Staat die gleichen Auf­wände refundiert bekommt wie eine öffentliche Schule. Das ist das zentrale Anliegen der Bürgerinitiative.

Wann hat sie das das erste Mal vorgetragen? – Im Jahre 2011 gab es eine Bürgerini­tiative, damals noch übergeben an die mittlerweile leider verstorbene Frau Präsidentin Prammer, mit über 20 000 Unterschriften. Das kam in den Petitionsausschuss, dort wur-


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den Stellungnahmen eingeholt. Dann ging es in den Unterrichtsausschuss, von dort ging es an den Unterrichts-Unterausschuss, und dort ist es dann irgendwo umgekommen.

Diese Initiative hat allerdings – was man leider nicht von allen verlangen darf – so viel Sitzfleisch und so viel Kraft, dass sie nicht aufgibt. Es sind dann weitere Initiativen ent­standen und das Ganze ist wieder an das Parlament herangetragen worden. Und was nun passiert, ist total treffend dafür, wie wir dann auch in unseren Ausschüssen ar­beiten. Wir haben jetzt die Stellungnahmen des Unterrichtsressorts bekommen.

Das Privatschulgesetz wurde 1962 beschlossen, da gab es in einem sehr geringen Aus­maß Privatschulen, und die Problemstellungen, mit denen die Privatschulen heute kämp­fen, waren damals noch unbekannt. Wenn man jetzt dieses Privatschulgesetz ändern möchte – und die Initiative fordert das –, antwortet das entsprechende Ressort, eine Änderung ist nicht notwendig, denn das Gesetz ist ohnehin in Funktion, läuft für kon­fessionelle Privatschulen und so weiter; das Ressort geht dabei aber gar nicht auf die eigentliche Forderung der Bürgerinitiative ein und verweist dann – und das ist jetzt na­türlich der Ober-Gag – auf den Föderalismus, also auf die fehlende Teilkompetenz bei den Pflichtschulen. Nur weil diese fehlende Teilkompetenz bei den Pflichtschulen nicht gegeben ist, hat dieses Thema offensichtlich auch im Jahre 2011 keine ernsthaftere Behandlung erfahren.

Was passiert jetzt im Unterrichtsausschuss? – Ich möchte jetzt einmal kurz vom Opti­misten zum Pessimisten werden. Da im Bildungsbereich sehr wenig passiert, wird es mutmaßlich wieder im Unterausschuss des Unterrichtsausschusses landen – wir ha­ben jetzt regulär noch bis 2018 eine Legislaturperiode –, dort wird es regelmäßig ver­tagt werden. Am Ende oder währenddessen wird es irgendwann zur Kenntnis genom­men, und die Initiatorin und Initiatoren erhalten wieder ein halbseitiges Schreiben: Sehr geehrter Initiator, sehr geehrte Initiatorin, wir haben Ihr Anliegen zur Kenntnis genom­men.

Dann werden es bald zehn Jahre sein. Und daran müssen wir arbeiten, dass das in Zukunft nicht mehr passiert. (Beifall bei den NEOS.)

18.45


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


18.45.23

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich möchte mich mit der Bürgerinitiative 60, „Gleiche Rechte für chronisch kranke Kinder“, befassen. Diese Bürgerinitiative fordert den Nationalrat auf, gesetzliche Maßnahmen zu beschließen, um österreichweit gleiche Rechte für chro­nisch kranke Kinder zu gewährleisten.

Es sind im Moment zirka 190 000 Kinder und Jugendliche von chronischen Krankhei­ten betroffen und es soll mit einer Gesetzesinitiative sichergestellt werden, dass diese Kinder und Jugendlichen keine wie immer geartete Diskriminierung in der Schule oder bei Veranstaltungen erleiden müssen. Das ist die Initiative.

Damit hat sich der Petitionsausschuss befasst und es wurden insgesamt vier Stel­lungnahmen eingeholt: vom Bundesministerium für Gesundheit, vom Bundesministe­rium für Bildung und Frauen, vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz und auch von der Volksanwaltschaft. Es gibt von all diesen Ministerien und von der Volksanwaltschaft eigentlich sehr gute, ausführliche Stellungnahmen.

Das Bundesministerium für Gesundheit geht in seiner Stellungnahme vor allem auf die gültige Gesetzeslage ein, nämlich dass im Ärztegesetz geregelt ist, dass es in den Schu­len durch die – wenn sie vorhanden sind – Schulärztinnen und Schulärzte eine Versor-


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gung von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen geben kann. Wenn das nicht der Fall ist, dann besteht – auch darauf geht das BMG ein – das mit der Ärztenovelle vom Jahr 2003 geschaffene Delegationsrecht, wonach LehrerInnen als Laien gesehen werden und auch chronisch kranke Kinder in den Schulen versorgen können.

Somit wäre aus Sicht des BMG die Bürgerinitiative eigentlich umgesetzt. Auf der einen Seite soll es für Lehrerinnen und Lehrer eine Informationskampagne geben, damit sie sich dieser Aufgabe auch bewusst sind, auf der anderen Seite möchte das BMG aber auch sicherstellen, dass die Freiwilligkeit, die im Ärztegesetz festgeschrieben ist, auch eine Freiwilligkeit bleibt. Es soll nicht so sein, dass diese Freiwilligkeit – sage ich jetzt einmal – eine automatische Pflicht wird, denn Pädagoginnen und Pädagogen sind ja in erster Linie LehrerInnen und nicht ÄrztInnen oder Pflegepersonal. Deswegen ist das BMG der Meinung, dass das Ärztegesetz diese Forderung eigentlich abbildet.

Wir sollten das der Bürgerinitiative – wie Kollege Pock gesagt hat – auch mitteilen und natürlich auch darauf schauen, dass mit einer Sensibilisierungsmaßnahme tatsächlich gewährleistet wird, dass chronisch kranke Kinder und Jugendliche in den Schulen kei­ne Diskriminierung erfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.47


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.

 


18.47.56

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Ich möchte eingangs eine Abordnung der FPÖ Vösendorf hier auf der Ga­lerie bei uns begrüßen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf die Bürgerinitiative zum Erhalt des Hubschrauberstützpunktes in Vomp. Konkret geht es hier um Folgendes: Letztes Jahr ist die Frundsberg-Kaserne geschlossen wor­den, die letzten Soldaten wurden abgezogen, und damit ist leider auch passiert, dass man ganz Westösterreich – militärisch gesehen – hubschrauberfrei gemacht hat. Das hat heftige Kritik nach sich gezogen. Es gab zum Beispiel eine Kritik vom Landesmili­tärkommandanten, der auf das Bilderberger-Treffen verwiesen hat und darauf, dass pa­rallel dazu auch Katastropheneinsätze in Sellrain und in Paznaun notwendig waren. Er sagte, dass diese Einsätze so nicht möglich gewesen wären, wenn man diese Basis nicht gehabt hätte.

Es ist jetzt so, dass alle 66 Hubschrauber des österreichischen Bundesheeres in Ost­österreich stationiert sind. Das heißt also, ein schnelles Eingreifen im Fall von Katastro­phen oder sonstigen Einsätzen ist hier definitiv nicht mehr gegeben. Ich möchte in Er­innerung rufen, welche Diskussion vor über zehn Jahren geführt worden ist. Wir erin­nern uns alle an die Katastrophe von Galtür, bei der man gesagt hat, unsere Hub­schrauber waren nicht ausreichend für die Notwendigkeiten, die sich ergeben haben, und deswegen hat man auch den Black Hawk angeschafft.

Jetzt haben wir den Black Hawk, dieser ist Gott sei Dank – als Niederösterreicher sage ich das so – in Tulln stationiert. Aber trotzdem gibt es in Westösterreich keine Basis, wo er serviciert werden kann. Und ich glaube, das ist genau das Gegenteil von der Si­tuation, die man damals nach Galtür eigentlich erreichen wollte.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass diese Bürgerinitiative aus dem Umfeld der ÖVP angestoßen und am Anfang auch unterstützt worden ist. Es gab dazu sogar eine Resolution im Tiroler Landtag, und plötzlich beerdigt die ÖVP ihre eigene Reso­lution und fällt hier um.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kenne das aus Niederösterreich. Das ist die klassische ÖVP-Showpolitik: Man geht in die Medien, man fordert irgendetwas – und


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dann gibt es irgendeine tolle Lösung, wie zum Beispiel in Tirol, wo man einen zweiten Polizeihubschrauber angeschafft hat. Ich hoffe, dass der flugaffine Landeshauptmann das nicht unbedingt dazu nützt, spazieren zu fliegen, sondern dass dieser Hubschrau­ber auch tatsächlich eingesetzt wird. Aber nur dieser eine Hubschrauber mehr ist nicht die Lösung für das Problem, dass wir in Westösterreich keine einsetzbaren Hubschrau­ber haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nur ein Grund dafür, dass wir Frei­heitliche den Sammelbericht des Petitionsausschusses ablehnen werden: weil wir ein­fach der Meinung sind, hier wird Showpolitik betrieben, hier kommt man am Ende des Tages zu keiner vernünftigen Lösung. Warum sind Sie dem Vorschlag der FPÖ nicht gefolgt und warum haben wir das nicht an den Landesverteidigungsausschuss verwie­sen? Das nämlich auch noch vor dem Hintergrund, dass Minister Doskozil selbst ange­kündigt hat, einige Reformen, die sein unglückseliger Vorgänger gemacht hat, zurück­zuziehen. Hier hätten wir, glaube ich, ein ganz gutes Fundament für eine weitere Dis­kussion gehabt. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einen kleinen Aufruf machen und ersuchen, nicht nur unseren Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl zu unterstützen, sondern auch seine Petition zum Erhalt des Bargeldes auf der Homepage des Parlaments zu unterstützen und zu unterschreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

18.51


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


18.51.36

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich spreche zur Petition „Für die Erhaltung historischer Bauten und Ensembles in Wien“. Wien ist meine Heimatstadt, eine tolle Stadt. Millionen von Besuchern kommen zumeist nicht wegen diverser neuer Bauten, sondern wegen historischer Bauten wie Schönbrunn, Hofburg et cetera.

Da gibt es Probleme, da es natürlich immer wieder Bestrebungen gibt, in historischen Zonen zu bauen, zu ändern. Es besteht immer wieder der Widerspruch zwischen not­wendiger Veränderung und Bewahrung von Schönem, oder was immer man als schön bezeichnet. Diese Stadtbildzerstörung ist natürlich für viele Bürger bedrohlich, für viele Bürger auch nicht nachvollziehbar. Und für viele Bürger ist es auch wichtig, dass sie das Gefühl haben, dass sie mit ihren Sorgen gehört werden, dass ihre Sorgen auch ernst­haft geprüft und nicht irgendwie schubladisiert werden.

Es gibt jetzt den Fall eines Hochhauses auf dem Gelände des Wiener Eislaufvereins. Da stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, mitten in einer Weltkulturerbe-Zone ein Hochhaus mit 73 Meter Höhe zu bauen. Die UNESCO-Unterkommission hat eine Fact-Finding-Commission nach Wien geschickt und diese sagt eindeutig, das passt dort nicht hin. Das wäre eigentlich Common Sense, es wäre vielleicht gescheiter gewesen, man hätte das auf der Donauplatte geplant oder im Bereich des Hauptbahnhofes. Wa­rum das unbedingt dort sein muss, im 3. Bezirk am Eislaufverein, ist vielleicht aus Sicht des Investors verständlich, der natürlich investieren will, der verdienen will. – Alles kor­rekt, aber ich glaube, es geht auch um Abwägung zwischen öffentlichem Interesse, zwischen dem Interesse des Stadtbildes und dem Interesse des Investors. Es kann nicht sein, dass sich der durchsetzt, der mehr Beziehungen oder stärkere Ellbogen hat.

In diesem Sinn sind diese Petitionen und Bürgerinitiativen sehr, sehr wichtig, weil sie uns zeigen, wie wichtig es ist, etwas zu bewahren. Wer das nicht glaubt, braucht nur einmal nach New York zu fahren, wo praktisch ein Wolkenkratzer neben dem anderen


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steht und schönste Kirchen wie verloren irgendwo einsam herumstehen. – Ich glaube, wir haben eine Verantwortung gegenüber der Nachwelt. (Beifall bei der ÖVP.)

18.54


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. – Bitte.

 


18.54.20

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Ich möchte zu einer Bürgerinitiative Stellung nehmen, die mir beson­ders am Herzen liegt, das ist die Bürgerinitiative zur Stärkung der Rechte von Unfall­geschädigten.

Wenn wir über Unfallgeschädigte reden, dann reden wir über Menschen, die vom Schick­sal hart getroffen worden sind – in der Regel sind es Autounfälle, es müssen aber nicht immer Autounfälle sein –, Menschen, die meistens schwer verletzt werden und dann ei­nen endlosen Kampf um Schadenersatz und Unfallrente führen müssen. Und das Pro­blem ist, es ist ein Kampf David gegen Goliath: nämlich auf der einen Seite ein Unfall­geschädigter, der einen harten Schicksalsschlag hinnehmen muss, in der Regel nicht fi­nanzstark ist, und auf der anderen Seite eine Versicherung, die finanzstark ist und die besten Anwältinnen und Anwälte beschäftigt, um den Schadenersatzanspruch abzuweh­ren.

Da tritt dann folgendes Problem auf: Es gibt eigentlich für die Betroffenen nur zwei Mög­lichkeiten, entweder sich schnell zu vergleichen – das ist natürlich das Ziel der Versiche­rung, da dieser Vergleich für die Versicherung meist relativ billig ist – oder in einen end­losen zähen Kampf vor Gericht zu treten, der kaum zu gewinnen ist und in der Regel damit endet, dass die Betroffenen irgendwann finanziell kollabieren.

Dieses Ungleichgewicht ist eigentlich untragbar und wird durch einen besonderen Miss­stand im österreichischen Recht verstärkt, den auch die Petition hier ins Visier genom­men hat, nämlich das Problem – und das erleben wir vor Gericht immer stärker –, dass Gutachten, medizinische Gutachten in diesem Fall, über den Ausgang des Verfahrens entscheiden. In der Regel spielen Beweisfragen eine untergeordnete Rolle in solchen Verfahren, Rechtsfragen spielen eine untergeordnete Rolle. In der Regel geht es da­rum, dass es mehrere medizinische Gutachter gibt, die schreiben ein Gutachten, und am Ende entscheidet der Richter/die Richterin auf Basis dieses Gutachtens. Und das spezifische Problem in Österreich ist, dass es keine funktionierende Qualitätskontrolle dieser Gutachten gibt und ein Großteil dieser Gutachten nicht Stand der Wissenschaft ist. Das ist deswegen ein Missstand, weil es dazu führt, dass die Betroffenen dann auf­grund dieses Missstandes keine Chance haben, zu ihrem Recht zu kommen.

Die Petition hat genau das ins Visier genommen, und das Justizministerium hat hier in einer Art und Weise reagiert, die völlig unverständlich ist, da dem Justizministerium klar sein müsste, dass diese Qualitätskontrolle nicht funktioniert. Das Justizministerium hat in seiner Stellungnahme an den Petitionsausschuss gemeint, für die Qualitätskontrolle seien in erster Linie die Parteien selbst und die Gerichte zuständig und in Folge dann der Präsident des Landesgerichtes. – So kann das nicht funktionieren! Richter können in der Regel nur sehr, sehr schwer einschätzen, ob diese Gutachten nach dem Stand der Wissenschaft erfolgt sind, denn dafür bräuchte es medizinisches Wissen. Die kön­nen vielleicht einmal prüfen, ob das schlüssig ist, ob alles begutachtet wurde, aber ob es dem wissenschaftlichen Stand entspricht, das kann ein Gericht ganz, ganz schwer beurteilen.

Die Parteien haben es noch einmal schwerer, denn was machen die Parteien, wenn man sagt: Moment, ich habe einen schweren Unfall gehabt, sitze seither im Rollstuhl!, aber angeblich ist das nicht unfallkausal? – Dann beauftragen sie einen Privatgutach-


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ter. Der Privatgutachter zeigt die Differenz auf. Und was macht das Gericht? – Das Ge­richt sagt: Na ja, Privatgutachter, das sind ja bestellte Gefälligkeitsgutachten! – Das heißt, die Partei hat keine Chance, diese Qualitätskontrolle, die das Justizministerium zuschreibt, in der Realität zu erfüllen. Die Leute bleiben alle auf der Strecke.

Daher wäre es die zentrale Aufgabe, um diesen Missstand in unserem Rechtsstaat zu beseitigen, dass es eine unabhängige Qualitätskontrolle dieser Gutachten gibt, denn sonst stehen wir vor der Situation, dass wir zwar genau Verfahrensregeln festlegen, dass wir genau festlegen, was in einem Urteil zu stehen hat, aber dass nicht festgelegt wird, wie ein Gerichtsgutachten auszusehen hat. Und das ist eine Situation, die gerade Betroffene in dieser schwierigen Lage vor Probleme stellt, die nicht zu bewältigen sind. Und das Ergebnis ist eindeutig: Irgendwann geben alle einmal auf, sind zu Recht vom Leben frustriert und enttäuscht und fühlen sich vom Rechtsstaat und von dieser Repu­blik im Stich gelassen.

Die Antwort des Justizministeriums ist eine Problemleugnung, die ich für unvertretbar halte, da sie einfach negiert, dass wir in einem ganz bestimmten Segment des Rechts­staates ein ernsthaftes Problem haben. Und daher hätte ich es gut gefunden, wenn man diese Petition auch dem Justizausschuss zugewiesen hätte, damit wir das mit dem Herrn Justizminister diskutieren können. Ich bin überzeugt, wenn man mit Justizminis­ter Brandstetter redet, dass er relativ schnell – auch aufgrund seines wissenschaftli­chen Know-hows als Strafrechtsprofessor – erkennt, wo die Probleme liegen, und mög­licherweise sogar dann bereit wäre, darüber nachzudenken. Indem man das wegge­wischt hat, versucht man, sich die Debatte zu ersparen. Wir werden das ohnedies in den Justizausschuss bringen, aber es wäre ein wichtiges Signal auch an die Betroffe­nen gewesen, dass man sie ernst nimmt und dieses Problem zu Ende diskutiert, zu En­de denkt und diese Missstände beseitigt.

Diese Chance hat man vergeben, und dann darf man sich nicht wundern, wenn Bür­gerinnen und Bürger vom Parlament auch enttäuscht sind, weil sie sich in ihren Kern­anliegen nicht ernstgenommen fühlen. Und das Kernanliegen ist einfach die Chance, ein faires Verfahren zu haben und nach einem schweren Unfall auch zu seinem Recht zu kommen.

Wir werden da dranbleiben, aber eigentlich wäre es angemessen gewesen, wenn das Parlament diese Materie auch dem Justizausschuss zugewiesen hätte, damit wir das dort diskutieren können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.59


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


19.00.01

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Herr Präsident! Ich möchte gleich bei den Aus­führungen meines Vorredners anschließen und zur selben Bürgerinitiative sprechen, zu den Rechten von Unfallopfern. Da kommt es natürlich sehr auf die Qualität der Gut­achter und, damit einhergehend, der Gutachten an. Für viele Opfer ist es ausgespro­chen essenziell, welche Qualität so ein Gutachten hat, ob es inhaltlich korrekt ist, ob unter Umständen Gutachten zu Unrecht nachteilig für die jeweiligen Opfer ausfallen. Das kann absolut existenzielle oder wirklich ausschlaggebende Auswirkungen haben auf die soziale und wirtschaftliche Situation von Unfallopfern. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Diese Bürgerinitiative fordert unter anderem die Verbesserung der Ausbildung, der Zer­tifizierung und der Überprüfung von Gutachtern. Es ist richtig, dass der Justizminister in seiner Anfragebeantwortung sehr umfänglich geantwortet hat, wie der Status quo aus­sieht. Ich meine trotzdem, dass, abgesehen vom Status quo, auch wirklich einiges zu tun ist und einiges weiterzubewegen und zu entwickeln wäre. Die sachliche Überprü-


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fung auf Schlüssigkeit, auf Nachvollziehbarkeit, auf Vollständigkeit von Gutachten macht Sinn. Das gilt auch für Sanktionen, wenn Gutachten parteilich sind.

So wie die Weiterbildung der Gutachter selbst notwendig wäre, wäre auch in sehr vie­len Fällen eine Weiterbildung von Richtern und Richterinnen mehr als nötig. Man sollte danach trachten, auf den Stand der modernen Wissenschaft zu kommen und Richter und Richterinnen so weit möglich zu befähigen, wenigstens in ihren Spezialgebieten, sofern sie solche überhaupt entwickeln können, auf der Höhe der Wissenschaft zu sein, um so beurteilen zu können, ob Gutachten aussagekräftig und qualitativ okay sind oder eben nicht. Entsprechende Weiterbildungsangebote müsste es also geben.

Vor mir hat Kollege Steinhauser schon gesagt, dass Unfallopfer meist auf der schwä­cheren Seite sind. Und ich denke mir, wir sollten auch aufseiten der Schwächeren sein und uns im Justizausschuss, wo das die Grünen ja offenbar noch einbringen werden, wirklich eingehend mit dieser Frage beschäftigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


19.02.15

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Ich möchte auch noch einmal kurz auf die Bürgerinitiative betreffend Unfallopfer eingehen, weil wir uns schon klarmachen müssen, was – und der wesentliche Punkt sind Gutachten, was Kollege Steinhauser schon angesprochen hat, aber auch Kollegin Bayr – Gutachten bewirken. Gutachten beeinflussen sowohl im Zivilprozess, was Unfallopfer betrifft, als auch im Strafprozess, wenn es um den Maßnahmenvollzug geht, maßgeblich die Entscheidung des Richters.

Das Problem ist, dass Richter oft die entsprechende Sachkenntnis nicht haben und sich genau deswegen einen Gutachter holen, weil sie eben diese Sachkenntnis nicht haben. Der Richter/die Richterin kann also nur schwer überprüfen, ob ein Gutachten dem Stand der Wissenschaft entspricht. Genau deswegen fordert die Bürgerinitiative eine entspre­chende Evaluierung und eine Qualitätskontrolle und eine verbesserte Ausbildung, ins­besondere was Richterinnen und Richter betrifft, damit sie erkennen können, wenn Gut­achten grobe Mängel aufweisen.

Dass es Mängel gibt, weiß man. Offensichtlich gibt es vonseiten des Justizministeri­ums, aber auch von den Regierungsparteien kein großes Interesse daran, diese Män­gel zu beheben. Was sind die Mängel? – Es gibt Studien, zum Beispiel eine Studie der Universität Ulm, die besagt, dass in knapp 40 Prozent der Gutachten sogenannte Zir­kelschlüsse enthalten sind, dass sich Gutachter auf den „gesunden Menschenver­stand“ berufen, dass Gutachter rechtliche Wertungen abgeben, was absolut nicht so sein sollte, weil das nicht die Aufgabe des Gutachters oder der Gutachterin ist, sondern die des Richters/der Richterin.

Wir wissen, dass es Gutachter in Österreich gibt, die 365 Gutachten im Jahr produ­zieren. Mir kann niemand weismachen, dass so etwas qualitativ hochwertig sein kann, wenn man jeden Tag ein Gutachten macht. Wir wissen, dass die Vergütung für Gut­achten viel zu gering ist und dass das auch ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Gut­achten am Fließbank produziert werden. Wir wissen, dass die Qualität ganz massiv da­runter leidet. Wie vorhin schon gesagt: Das Gutachten an sich entscheidet, weil der Richterin/dem Richter die entsprechende Sachkenntnis fehlt, am Schluss auch über das Urteil.

Wenn wir wissen, dass es so gravierende Mängel bei den Gutachten gibt, dann müs­sen wir diesen Missstand unbedingt beheben, weil die Konsequenzen für die Betrof-


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fenen ganz massiv sind, einerseits für Unfallopfer, andererseits auch im Strafprozess. Das heißt, wir müssen da etwas tun. Wir wissen auch, was wir tun müssten: Wir müss­ten insbesondere die Vergütung für Gutachten anheben und die Richter entsprechend ausbilden plus eine externe Evaluierung durchführen. Wieso das nicht geschieht, ist auch mir schleierhaft.

Wir müssen – Kollege Steinhauser hat es angekündigt, und von unserer Seite wird das auch so sein – weiter Druck machen, damit sich da endlich etwas tut, denn die Schick­sale, die damit verbunden sind, sind – auch einigen hier im Saal – wohl kaum ausrei­chend klar. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ofen­auer. – Bitte.

 


19.05.12

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident des Nationalrates! Ho­hes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten im letzten Ausschuss wie­der eine Vielzahl von Petitionen und Bürgerinitiativen zu behandeln, und ich möchte hier zu wiederholtem Male feststellen, dass im Ausschuss durchaus inhaltlich und sachlich korrekte Diskussionen anhand der zu den einzelnen Petitionen und Bürgerinitiativen ein­geholten Stellungnahmen geführt werden.

Wie so oft geschieht es aber dann doch, dass im Plenum den Regierungsfraktionen vor­geworfen wird, sie würden Petitionen und Bürgerinitiativen nicht ernst nehmen, wenn sie vertagt, zur Kenntnis genommen oder einem Fachausschuss zugewiesen werden. Es ist da allerdings bei der Opposition eine gewisse Zwiespältigkeit wahrzunehmen, und ich halte es doch für problematisch, wenn Petitionen und Bürgerinitiativen instru­mentalisiert werden. Wenn es gut passt, dass einer Petition im Internet weiter zuge­stimmt werden kann, dann ist eine Vertagung doch sehr recht. Wenn es aber der Op­position entgegenkommt, dass eine Petition oder eine Bürgerinitiative im Plenum be­handelt wird, dann ist eine Kenntnisnahme recht, die ansonsten als Begräbnis erster Klasse kritisiert wird. (Abg. Brunner: Wovon hängt es bei Ihnen ab?)

Will die Opposition über eine Gesetzesänderung debattieren, dann soll es eine Zuwei­sung an den Fachausschuss geben. So war es auch bei der Petition 54 betreffend die Errichtung einer Deponie Marchfeldkogel, die letztlich aufgrund der eingeholten Stel­lungnahmen zur Kenntnis genommen wurde. Diese Petition ist bis zur Ersteinbringung von 1 131 Personen unterstützt worden und auf der Website nochmals von 169. Und es ist schon richtig, dass es im UVP-Verfahren über diese Deponie Marchfeldkogel vie­le Einwendungen gegeben hat und einige davon auch in der Petition vorgebracht wur­den. Diese sind aber alle im Behördenverfahren zu prüfen.

Aufgrund von Einwendungen in laufende Verfahren einzugreifen oder über Gesetzes­änderungen zu diskutieren, halte ich doch für fragwürdig, weil das ein Eingriff in ein laufendes Verfahren sein könnte, der die Behörden unter Druck setzt. Ich bin dafür, dass die zuständigen Behörden unbeeinflusst ihre Entscheidung treffen; alles andere wäre gerade jetzt kein gutes Signal.

Auch zur Petition 56 betreffend Schutz der Zieselpopulation wurden Stellungnahmen eingeholt. Auch dazu wurde festgehalten, dass diese Angelegenheit eigentlich eine Sa­che des Landes und damit der Nationalrat nicht dafür zuständig ist.

Vielleicht noch ein Wort, weil ich selbst vom Hochwasser betroffen bin beziehungswei­se in einer Gemeinde lebe, die vom Hochwasser betroffen ist. Kollegin Schimanek, es wäre besser, auf eine Einigung der Gemeinden und darauf hinzuwirken, dass es ein genehmigungsfähiges Projekt gibt, als hier Anträge zu stellen. Letzten Endes kommt


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es nämlich auch immer wieder darauf an, ob die Grundeigentümer einem Projekt zu­stimmen. Das stellt eine Hürde dar.

Das heißt, es gibt viel zu tun, viel zu arbeiten, damit wir alle zu einem angemessenen Hochwasserschutz kommen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

19.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mühlberghu­ber. – Bitte.

 


19.08.16

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich beziehe mich so wie meine Kollegin von der SPÖ auf die Bürgerinitiative Nummer 60 betreffend gleiche Rechte für chronisch kranke Kinder. Es ist richtig: Rund 190 000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind chronisch krank. Sie leiden zum Beispiel an Diabetes, Epilepsie, Asth­ma oder Allergien – damit ist jetzt einmal nur ein kleiner Teil benannt.

Eine gesetzliche Regelung, wie in der Schule mit diesen Kindern umgegangen werden soll, fehlt aber. Oft sind es die Mütter, die ihre Kinder in der Schule unterstützen. Die meisten Kinder leiden darunter, sie fühlen sich oft isoliert. Das hat Auswirkungen auf ihre Psyche und ihre Lernerfolge.

Betroffene und Experten haben deshalb diese Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Darin wird gefordert, dass Kinder wegen ihrer chronischen Erkrankung weder ausgegrenzt noch benachteiligt werden dürfen, noch eine Schädigung erleiden sollen. Sie wollen ver­hindern, dass betreuende Elternteile als Konsequenz einer Diskriminierung in ihrer Er­werbstätigkeit eingeschränkt werden oder sogar ihren Arbeitsplatz verlieren.

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen brauchen in der Schule erhöhte Unterstüt­zung durch Lehrkräfte und durch die Schulbehörden. Denn: Nur Lehrkräfte, die sich rechtlich abgesichert fühlen, werden bereit sein, Kinder mit chronischen Erkrankungen voll zu unterstützen. Dafür müssen auch der Gesetzgeber und die Behörde die rechtli­chen Rahmenbedingungen schaffen.

Auch die Volksanwaltschaft hat sich voriges Jahr für diese Bürgerinitiative eingesetzt. Ende Mai letzten Jahres hat es zu diesem Anliegen und zu diesem Thema eine Ta­gung gegeben. Es war auch unser Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer anwe­send, und auch Peter Fichtenbauer. (Abg. Weninger: Der das noch lange bleiben soll!) Die beiden haben es geschafft, dass diese Tagung zustande gekommen ist. Es haben Experten, Ärzte darüber diskutiert, und es sind auch Lösungsansätze für die Betroffe­nen erarbeitet worden.

Diese Bürgerinitiative ist in der letzten Ausschusssitzung einstimmig dem Unterrichts­ausschuss zugewiesen worden, damit das dort noch einmal diskutiert wird. Ich hoffe, dass es dort zu einer Lösung für die chronisch kranken Kinder und deren Angehörigen kommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


19.11.07

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Dritter Nationalratspräsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! In der Petition 28 sorgt man sich darum, dass nicht nur im roten Wien, sondern auch in den konservativen Bundesländern christlich-abendländische, lieb­gewonnene Bräuche und Riten durch die Veränderungen in unserer Gesellschaft gefähr­det sind. Jetzt kann man es natürlich mit Bräuchen und Riten halten, wie man will, aber


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ich möchte doch aus einer Stellungnahme des Bundeskanzleramts den Abschnitt, der die Religionen betrifft, herausgreifen, weil man in diesem Bereich sehr präzise sein muss.

Ich zitiere also aus der Stellungnahme: „Religiöse Riten, z.B. der Gottesdienst … ge­nießen den besonderen Schutz der Gesetze … Bei „religiösen Bräuchen“ üben Perso­nen ihre Religion aus und diese Ausübung ist durch die Religionsfreiheit … geschützt."

Meiner Auffassung nach ist das deshalb von besonderer Bedeutung, weil wir in der ak­tuellen Debatte immer wieder die Diskussion haben, welche Religionen, welche Reli­gionsformen in Österreich akzeptiert werden und welche nicht. Das soll man von der Diskussion über liebgewonnene Bräuche, Feste und Traditionen entkoppeln, die auch innerhalb unseres Landes sehr unterschiedlich sind, die also in Niederösterreich ganz anders sind als in Tirol oder anderswo. Es ist also egal, ob man die Hoch- und Deutsch­meister mag, ob man das Osterfeuer als christliches Fest sieht oder seine heidnische Herkunft betont oder ob man Halloween mag oder nicht. Ich denke, dass man in einer freien und toleranten Gesellschaft Bräuche feiern und begehen kann, wie es jeder für sich mag.

Was wir sicherlich nicht brauchen, sind staatlich verordnete Brauchtumsgesetze, Brauch­tumsvorgaben. In diesem Sinne nehmen wir die Petition zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Brun­ner. – Bitte.

 


19.13.24

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte auf zwei Petitionen eingehen.

Die erste bezieht sich auf die schon angesprochene Deponie Marchfeldkogel. Da geht es um eine Deponie, zu der es ein Umweltverträglichkeitsverfahren gibt, aber eben auch sehr viele Einwände und Bedenken von Betroffenen, was Feinstaubbelastung, Verkehrs­belastung und dergleichen angeht. Ich hätte diese Petition sehr gerne dem Umweltaus­schuss zugewiesen, weil wir im Umweltausschuss das Umweltverträglichkeitsprüfungs­gesetz beraten und das österreichische Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz sehr, sehr viel Anpassungsbedarf hat, gerade auch was die Einbindung von BürgerInnen angeht.

Das hat nichts mit einem Eingriff in ein laufendes Verfahren zu tun. Selbstverständlich wollen wir nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen, aber wir müssen uns bewusst machen, dass wir hier die Regeln für Verfahren festlegen, und genau um diese Regeln geht es. Es würde nicht schaden, wenn wir gerade anhand dieses Beispiels bei der Gesetzesgestaltung Beispiele aus der Praxis mitdiskutieren würden.

Die zweite Petition bezieht sich auf den Uhudler. Die findet sich heute nicht im Bericht, weil die Behandlung dieser Petition vertagt worden ist. Das finde ich demokratiepoli­tisch besonders bedenklich, weil im nächsten Landwirtschaftsausschuss Regelungen, die den Uhudler betreffen, die akut notwendig sind, behandelt werden, und da wäre es nur angemessen, wenn es schon Bürgerinitiativen und Petitionen zu diesem Thema gibt, diese dort auch mitzuberaten. Besonders schräg habe ich gefunden, dass diese Vertagung gerade von einem burgenländischen Abgeordneten beantragt wurde.

Nichtsdestotrotz höre ich auf, darüber zu jammern, denn es gibt heute eine gute Nach­richt aus dem Burgenland, gerade was den Uhudler angeht. Das Gericht hat nämlich entschieden. Das Landesverwaltungsgericht hat die Rodungsbescheide für den Uhud­ler aufgehoben, das heißt, die Akutlösung ist jetzt vollbracht und der Uhudler ist akut nicht gefährdet.


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Nichtsdestotrotz sollten wir uns weiter damit beschäftigen und schauen, ob unsere ge­setzlichen Regelungen ausreichend sind, was die dauerhafte Absicherung des Uhud­lers anbelangt, eine dauerhafte Absicherung über das Jahr 2030 hinaus. Das wird wei­terhin unsere Aufgabe sein; wir werden uns weiterhin dafür einsetzen.

Heute ist aber ein guter Tag für das Südburgenland. Ich möchte deswegen hier auch einen schönen Abend nach Hause ins Südburgenland wünschen. (Die Rednerin hält ein bedrucktes T-Shirt in die Höhe.) Es gibt mehr „Uhudlerei“! Und wer mehr davon möchte: Das Shirt kann man bei uns bekommen, Uhudler im Südburgenland. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.

 


19.16.13

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da-men und Herren im Plenum! Ich möchte zu drei Initiativen sprechen, zu Nummer 82, in der es um die Abhaltung einer parlamentarischen Enquete über die weitere Mitglied­schaft in der EURATOM-Gemeinschaft geht.

Diesbezüglich wurden drei Stellungnahmen eingeholt, und alle drei sagen aus, dass das Völkerrechtsbüro des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres so­wie der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Ausstiegsmöglichkeit aus der europäischen Atomgemeinschaft auch mit In­krafttreten des Lissabon-Vertrages nicht besteht.

Unabhängig davon wäre es nicht besonders gut, wenn wir aussteigen würden, denn so können wir wenigstens mitreden und mitgestalten. Gerade unser Umweltminister hat ja schon einen großen Beitrag mit positiven Vorschlägen geleistet, wenn es darum geht, aus der Atomenergie auszusteigen.

Ich möchte nun Bezug nehmen auf die parlamentarische Bürgerinitiative Nummer 85, in der es um das Asyl-Erstaufnahmezentrum Ossiach geht. Da ist aufgrund der stei­genden Zahl von Asylansuchen bereits in den letzten Jahren von Bund und Bundeslän­dern ein Gesamtkonzept erarbeitet worden. Dieses Konzept wurde dann im Fremden­rechtsänderungsgesetz 2015, welches mit 20. Juli 2015 in Kraft getreten ist, umge­setzt. Ein wesentlicher Bestandteil sind da die Verteilerquartiere in den Bundesländern, welche der Bund betreiben wird.

Die Auswahl des Verteilerquartiers ist gemeinsam mit Kärnten, mit Herrn Landeshaupt­mann Peter Kaiser erfolgt. Dafür sind mehrere Liegenschaften in Betracht gekommen. Jene, die das Bundesministerium gewollt hätte, war nicht möglich, denn die hat der Ei­gentümer nicht vermietet. Jetzt ist eine aufgrund der Größe und Lage in Betracht ge­kommen, und das gegenständliche Objekt liegt eben in der Gemeinde Ossiach.

Zur Bürgerinitiative Nummer 87 – „Flucht beginnt mit Krieg. Für humanitäre Hilfe und menschliches Vorgehen der EU und ihrer Mitgliedstaaten“ – hat es auch drei Stellung­nahmen gegeben. Diesen entnehmen wir, dass sich die zuständigen Ministerien seit geraumer Zeit wirklich mit der komplexen humanitären Herausforderung befassen und sich auch entsprechend einbringen. Langfristig kann die Lösung nur darin liegen, dass wir die Herkunftsländer selbst unterstützen und dort Kapazitäten und qualitätsvolle Auf­nahmeeinrichtungen für die Schutzsuchenden suchen, damit sich sozusagen auch in ihrer Region wieder neue Lebensperspektiven für sie eröffnen.

In diesem Sinne möchte ich mich bei allen bedanken, die eine Bürgerinitiative oder eine Petition eingebracht haben, die uns diese vorlegen und so ihre Probleme darbie­ten. (Beifall bei der ÖVP.)

19.19



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 183

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


19.20.01

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu meinem eigentlichen Thema komme, mache ich noch eine Bemerkung zur Rede des Herrn Kollegen Weninger, der sich über die Petition zum Schutz der Traditionsfeste und Bräuche lustig gemacht hat: Ja, Herr Kollege, es ist leider Realität, dass in den Wiener Kindergräten zum Beispiel der Nikolo nicht mehr kommen darf, dass es keine Laternenumzüge mehr gibt. (Ruf bei der SPÖ: Das ist falsch! – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das ist richtig!) – Das ist eben nicht falsch, das ist definitiv richtig. Wir haben alle Kinder, und wir wissen, was in den Kindergärten los ist. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.) Es ist defi­nitiv so, und das ist eine Tendenz, die abzulehnen ist. Das brauchen Sie nicht „herun­terzudodeln“. Das funktioniert nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich komme jetzt aber zu dem Thema, zu dem ich sprechen wollte, nämlich die parla­mentarische Bürgerinitiative betreffend „Unfallopfer (Qualitätskontrolle bei Gerichtsgut­achtern/Novellierung des Schadenersatzrechts)“. Diese Bürgerinitiative hat einige sehr interessante und richtige Punkte aufgezeigt, und es gibt in dem Bereich wirklich große Missstände; das zeigt sich dann an schweren Schicksalen von Unfallopfern.

Die wesentlichen Probleme dabei sind zum Teil auch schon von meinen Kollegen, die dazu gesprochen haben, angesprochen worden. Eines davon ist die Chancengleichheit zwischen dem Unfallopfer auf der einen Seite, das sehr oft in einer sehr schwierigen Situation ist – nicht nur persönlich, auch finanziell –, und der Unfallversicherung oder ei­ner Versicherung auf der anderen Seite, die ganz andere Möglichkeiten hat.

Herr Kollege Steinhauser hat David gegen Goliath gesagt. – Ich glaube, das ist ein schlechter Vergleich, denn David hat gewonnen. Genau da liegt das Problem, dass die Unfallopfer üblicherweise eben nicht gewinnen und in der schwächeren Position sind.

Da müssen wir uns als Gesetzgeber schlicht und einfach Verbesserungen überlegen. Wir werden nicht alles im Gesetz regeln können, aber man kann da über Gebühren, die Deckelung von Kosten und so weiter sehr wohl den Opfern helfen, und das ist un­sere Aufgabe. Wir werden dazu auch Initiative ergreifen. Es geht unter Umständen auch darum, nicht abgedeckte Schäden auszugleichen. Es gibt einfach Schäden, die darüber hinausgehen, was letztendlich bezahlt werden kann. Dazu gibt es auch schon einen Antrag aus dem Jahr 2008 von Präsident und jetzt Präsidentschaftskandidat Ho­fer, der hier gefordert hat, dass man einen Fonds bildet, der diese Schäden abdeckt, weil das Opfer letztendlich auf der Strecke bleibt, wenn da eine gewisse Grenze über­schritten wird. Auch da ist bis jetzt nichts passiert, weshalb wir das neuerlich aufgreifen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Ausbildungsbildungsrichtlinien für Sachverständige sind auch ein wichtiger Punkt, weil es da schlicht und einfach Mängel gibt. Es gibt gute und schlechte Sachverstän­dige – das wird auch immer so bleiben –, aber es ist eben unsere Aufgabe, da die Qualitätskontrolle durchzuführen; und die gilt dann eben auch für Gerichtsgutachten als solche.

Da gibt es also ein weites Betätigungsfeld. Ich wollte das hier nur noch einmal bewusst aufzeigen, weil diese Bürgerinitiative da sehr gute Ansätze geboten hat; und wir wer­den uns hier bemühen, entsprechende Vorschläge zu machen. Ich hoffe, dass das dann auch umgesetzt werden kann. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 184

19.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Preiner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.23.10

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kol­legen! Werte Besucher! Geschätzte Zuseher vor den Fernsehapparaten! Ich sage auch meinerseits ein herzliches Willkommen! Bürgerinitiativen und Petitionen, die an den Na­tionalrat gerichtet werden, werden ernst genommen. Das sieht man heute auch schon in der laufenden Debatte, da über 20 KollegInnen zum Sammelbericht das Wort ergrei­fen.

Geschätzte Damen und Herren, nicht alle Petitionen finden sofort den Weg ins Plenum; das hat gute Gründe, zum Beispiel wenn es noch laufende Verfahren gibt. So möchte ich Sie kurz darüber informieren, dass es gegenwärtig eine Begutachtung zur Novelle der burgenländischen Weinbauverordnung betreffend Uhudler gibt (Zwischenruf bei den Grünen) und der Uhudler auch integrierender Bestandteil in der Begutachtung zur No­velle des nationalen Weingesetzes war.

Da befinden wir uns im Rahmen der Koalition in guten Verhandlungen. Ich denke, dass wir da auch eine zufriedenstellende, nachhaltige Lösung für den Uhudler finden wer­den. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Ich möchte eines nur am Rande bemerken und festhalten: Es gibt Menschen, die arbeiten, die handeln, andererseits gibt es Men­schen, die heiße Luft verblasen und auf den fahrenden Zug aufspringen. Ich glaube, wir wollen uns alle in der ersten Kategorie wiederfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, ich möchte auch noch kurz die Bürgerinitiative Num­mer 81 ansprechen. Sie betrifft die längerfristige Absicherung der Pflegefinanzierung. Auch da zeigt Österreich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und auch diese Petition wurde im letzten Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen zur Kenntnis genom­men. Das ist vollkommen richtig, meiner Meinung nach, denn bereits im Regierungs­programm 2013 wurde festgehalten, dass die Pflegefinanzierung und der Pflegefonds zukünftig finanziell weiter abgesichert werden sollen.

Der Pflegefonds ist von 2011 bis 2016 mit 1,33 Milliarden € dotiert, 2017 und 2018 ste­hen für den Pflegefonds je 350 Millionen € zur Verfügung, und auch in der laufenden Verhandlung zur Novellierung und Neuausrichtung des Finanzausgleichs – den Ver­handlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – spielt der Pflegefonds und die entsprechende finanzielle Dotierung eine wesentliche und wichtige Rolle.

Ich denke daher, dass Österreich auch zukünftig in puncto Pflegegeld und Pflegefonds in Europa vorbildhaft agieren wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pendl: Sehr gut, Erwin! – Ruf bei der ÖVP: Der Uhudler ist doch giftig!)

19.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


19.25.58

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um den Sammelbericht des Aus­schusses für Petitionen und Bürgerinitiativen. Da finden wichtige Anliegen von Bürge­rinnen und Bürgern den Weg ins Parlament und werden heute zu einer angemessenen Uhrzeit behandelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme Stellung zur Petition 28: „Rettet unsere Traditionen und Bräuche“. – Ja, das ist richtig, wichtig und notwendig, Herr Kol­lege Weninger, denn durch die Globalisierung sind Brauchtum und Traditionen in Ge­fahr. Es wird immer wieder versucht, unsere Strukturen zu zerschlagen, das, was unser Brauchtum, was unsere Traditionen betrifft, abzuschaffen und zu zerschlagen. (Zwi­schenruf des Abg. Weninger.) – Herr Kollege, es ist so. Diese Entwicklung lehne ich ganz entschieden ab; du vielleicht nicht, ich schon. (Beifall beim Team Stronach.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 185

Gerade in der jetzigen Zeit ist es umso wichtiger, dass unser Vereinsleben, unser Brauchtum betrieben, gelebt und auch praktiziert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Unser Brauchtum und unsere Traditionen sind enorm wichtig für die Ge­sellschaft. Sie gehören dementsprechend gefördert und nicht ständig beschnitten. – Herzlichen Dank. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


19.27.00

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Vorweg möchte ich kurz auf die Kritik eingehen, dass die Re­gierungsfraktionen offensichtlich mit den Instrumenten der Bürgerbeteiligung oberfläch­lich umgehen. Es wird Sie wenig verwundern, wenn ich Ihnen sage: Diese Kritik geht natürlich klar ins Leere. Wir alle behandeln im Petitionsausschuss jede Bürgerinitiative, aber auch jede Petition mit dem entsprechenden Respekt.

Kollege Pock, wir sind gerne auch zu Gesprächen bereit, um allfällige Weiterentwick­lungen des Ausschusses voranzutreiben. Ich stehe auch nicht an, an dieser Stelle ein­mal zu sagen: Danke für die umsichtige und sehr ambitionierte Vorsitzführung. – Dan­ke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch festhalten, dass bei Weitem nicht jede Petition von einer großen Unterstützung der Bevölkerung getragen ist. Für eine Bürgerinitiative muss man zumindest 500 Unterschriften sammeln, um sie einbringen zu können. Für eine Petition hingegen reicht die Unterschrift eines Abgeordneten – ja, eigentlich muss ein Abgeordneter sie nur entgegennehmen, um sie zur Behandlung in den Ausschuss zu bringen. Manche Petitionen werden aber trotzdem von vielen Menschen mit einer Unterschrift unterstützt, um ihre Bedeutung auch entsprechend zu steigern. Viele wer­den jedoch ohne wirkliche Unterstützung an einen Abgeordneten übergeben und ein­gebracht.

Damit die Mitglieder des Petitionsausschusses ein Gefühl dafür entwickeln können, wie wichtig der Bevölkerung die einzelnen Themen sind, wurde vor einigen Jahren eine Onlineplattform auf der Homepage des Parlaments installiert, auf der man nun die je­weiligen Petitionen unterstützen kann. Und da, meine Damen und Herren, ergibt sich oft ein sehr großer Unterschied in der jeweiligen Unterstützung.

Die vorliegende Petition Nummer 50 wurde zum Beispiel von der Abgeordneten Wal­traud Dietrich ohne weitere Unterschriften eingebracht. Sie wurde allerdings online von 548 Personen unterstützt. Es geht bei dieser Petition um den Erhalt des Bankgeheim­nisses. Vieles in dieser Petition ist durchaus richtig und findet auch unser Verständnis; aber es ist klar, dass es im Gleichklang der europäischen Staaten mit dem Ziel, Steu­erbetrug zu verhindern, nötig war, einige Maßnahmen in diesem Bereich zu setzen. Aus diesem Grund wurde die Petition mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Petition Nummer 53 wurden vor Ort 212 Unterschriften gesammelt, und 127 Per­sonen haben diese online unterstützt. Es geht um die Besoldungsreform 2015. Diese Petition wurde einstimmig zur Kenntnis genommen, da die kritisierten Punkte der Be­soldungsreform, die am 11. Februar 2015 beschlossen wurde, durch zahlreiche Klar­stellungen in der Dienstrechts-Novelle 2015 beseitigt wurden und es darüber hinaus eine zusätzliche Wahrungszulage gibt. Es ist die Wahrungszulage 2, die dazu führt, dass die betreffenden Bediensteten keinerlei Schmälerungen ihrer Erwerbsaussicht er­fahren.

Für die Bürgerinitiative Nummer 90 wurden nun aber beachtliche 12 430 Unterschriften gesammelt, und online wurde diese von 1 991 Personen unterstützt. Die Initiative tritt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 186

mit dem Anliegen an den Nationalrat heran, das Privatschulgesetz von 1962 so zu no­vellieren, dass „Schulen in Freier Trägerschaft mit Öffentlichkeitsrecht einen Rechts­anspruch auf Abdeckung ihrer Kosten in Höhe der durchschnittlichen Kosten anderer Schulen haben“ und dass „Schulen in Freier Trägerschaft volle Autonomie für die Um­setzung ihrer jeweiligen pädagogischen Inhalte im Rahmen ihrer genehmigten Lehr­pläne und Statuten genießen können.“

Die Initiatoren beklagen hierbei die extrem niedrige Förderung von Schulen in freier Trägerschaft und auch, dass dies es Eltern mit niedrigem Einkommen verunmöglicht, ihre Kinder an solche Schulen zu schicken. Sie berufen sich dabei auf Artikel 14 der europäischen Charta der Grundrechte.

Klar ist aber, dass gemäß den Erläuterungen zu Artikel 14 der Charta lediglich das Recht auf Bildung umfasst ist und die Möglichkeit gegeben sein muss, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen. Nicht abgeleitet werden kann eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, private Schulen entsprechend zu subventionieren. Es gibt zu die­ser Bürgerinitiative also durchaus Diskussionsbedarf; deshalb wurde sie einstimmig dem Unterrichtsausschuss zugewiesen, und dort wird sie sicherlich auch entsprechend diskutiert werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.32.10

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt seit 14 Jahren im Petitionsausschuss, und wir haben im Petitions­ausschuss viel erreicht. Es hat Zeiten gegeben, da wurde die Behandlung von Peti­tionen über das Ende der Legislaturperiode hinausgezögert; damit waren sie hinfällig und mussten neu eingereicht werden. – Das wurde abgeschafft, Petitionen gelten auch über das Ende der Legislaturperiode hinaus.

Es wurden Hearings eingeführt – wir haben heute schon darüber gesprochen –, was vor einigen Jahren undenkbar war; und es herrscht eine relativ gute Stimmung im Peti­tionsausschuss. Es gibt aber eine Forderung, die ich bei jedem Sammelbericht hier, an diesem Ort stelle, nämlich den Tagesordnungspunkt, im Rahmen dessen die Bürgerini­tiativen und Petitionen hier behandelt werden, weiter vorne anzusetzen. Es ist heute wieder der vorletzte Tagesordnungspunkt. Wir haben jedoch nur mehr einen Tagesord­nungspunkt ohne Wortmeldungen, und somit, sage ich, ist es der letzte Tagesord­nungspunkt, in dem wir den Petitionsausschuss behandeln.

Ich denke, gerade die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hätten ein Recht darauf, in der Tagesordnung weiter vorne behandelt zu werden. Es ist der zweite Plenartag, der letzte Tagesordnungspunkt, und ich richte wieder meine Bitte an die Klubobmänner, Klubobfrauen und die Präsidiale, darauf zu schauen, dass der Bericht des Petitions­ausschusses auf der Tagesordnung weiter vorne ist und im oberen Drittel behandelt wird. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Haben wir eh geschaut!)

Meine Damen und Herren, ich möchte auf eine Petition eingehen – es wurden eine Pe­tition und drei Bürgerinitiativen dem jeweiligen Ausschuss zugewiesen –, und zwar möchte ich zur Petition Nummer 40 einige Worte sagen. Dabei geht es um das Thema „Stimm­recht für Pensionisten in den Organen der Selbstverwaltung im Bereich der Krankenver­sicherung“. Ich bin Vorsitzender eines Pensionistenverbandes in Linz mit vielen Tausend Mitgliedern, und es ist auch mir ein Anliegen, dass die Interessen der Pensionistinnen und Pensionisten in diesen Gremien gewahrt bleiben. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Dazu gehören aber auch die Selbstverwaltungskörper wie die Krankenkassen, bei de­nen lediglich Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Verhandlungstisch sitzen. Die Pensionis-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 187

tinnen und Pensionisten sind ein Gutteil der Mitglieder, die auch einen Beitrag in der Krankenversicherung ausmachen, und ich denke, sie sollen über eine Beteiligung an den Entscheidungsorganen teilhaben. Das sollte ausgiebig diskutiert werden; des­halb wurde diese Petition dem Gesundheitsausschuss zugewiesen, und sie wird dort auch meine volle Unterstützung finden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aubauer.)

19.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte. (Abg. Rädler: Der Gabriel redet nicht lang!)

 


19.34.54

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Mein Debattenbeitrag bezieht sich auf die Bürgerinitiative Num­mer 55, und zwar geht es um die Bürgerinitiative aus meinem Heimatbezirk Hermagor.

Der Bezirk Hermagor ist der einzige Bezirk in Kärnten, der kein Unterstufengymnasium hat. Es hat dort die Platzerhebungen schon gegeben; die Errichtung würde keine zu­sätzlichen Investitionen bedeuten, sondern der Platz wäre vorhanden, um diese Unter­stufe dort einzurichten. Auch die Kinderanzahl ist erhoben worden, und das hat erge­ben, dass mit einer Einrichtung eines Unterstufengymnasiums im Bezirk Hermagor kein bestehender Schulstandort der Neuen Mittelschule in Gefahr wäre.

In der Praxis ist es aber so, dass auch unsere Kinder die Wahlfreiheit haben wollen, welche Schule sie besuchen. Alle Nachbarbezirke haben eine Unterstufe. Auch im Be­zirk Hermagor ist es so, dass die Kinder, die ein Unterstufengymnasium besuchen wollen, es trotzdem machen, aber in die Nachbarbezirke fahren – bis zu 150 Kilometer weit. Es sind heuer 28 Kinder aus dem Bezirk Hermagor, die in die Nachbarbezirke fahren, um dort das Unterstufengymnasium zu besuchen.

Das wurde bereits dreimal im Petitionsausschuss behandelt. Ich bedanke mich dafür, dass wir jetzt wenigstens so weit gekommen sind, dass wir es im Unterrichtsausschuss behandeln können. Es geht da nämlich nicht um irgendeinen politischen Willen, son­dern um die Kinder im Bezirk Hermagor und darum, dass sie die gleichen Bedingungen haben wie alle anderen Kindern in den anderen Bezirke auch. Unsere Kinder müssen, wenn sie diese Wahlfreiheit haben wollen, 150 Kilometer weggondeln oder sogar aus­wärts, bei der Verwandtschaft schlafen.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen: Ich weiß aus eigener Erfahrung, was das heißt. Ich bin mit zehn Jahren vom Lesachtal nach Klagenfurt ins Gymnasium gegangen. Ich bin im Jahr viermal nach Hause gekommen, und was das für ein Kind heißt, wenn es im Alter von zehn Jahren von zu Hause wegkommt, davon kann ich Ihnen etwas er­zählen – aber nicht hier am Rednerpult.

Ich wünsche mir, dass unseren Kindern im Bezirk Hermagor diese Möglichkeit genauso gegeben wird, ohne dass sie vom Bezirk auspendeln müssen. Dafür bitte ich um Ihre Un­terstützung. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

19.37

19.37.34

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1014 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nummer 28, 40, 45, 47 und 48, 50, 53 und 54, 56, 58 und 59 sowie über die Bürgerini­tiativen Nummer 55, 60, 77, 79, 81 und 82, 84, 87, 89 und 90 zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 188

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Schimanek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung des Hochwas­serschutzdammbaus im Tiroler Unterland (Wörgl/Kundl).

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

19.38.4816. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Steyr, 498 2 St 13/16x, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (1060 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte. (Oje-Rufe bei der SPÖ.)

 


19.39.10

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsi­dent! Es gab bei der Worterteilung leichte Unmutsäußerungen vonseiten der Sozialde­mokratie darüber, dass man da noch ans Rednerpult tritt. Für Fragen der Immunität sollte man sich aber doch ein bisschen Zeit nehmen. Oder ist das bei der Sozialdemo­kratie mittlerweile schon wurscht, sodass man darüber überhaupt nicht mehr debat­tieren muss? (Abg. Königsberger-Ludwig: Zur Sache! – He-Rufe bei der SPÖ.) – Jetzt wird der Unmut gleich noch größer. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, heute einen echten Tiefpunkt des Parlamenta­rismus zu erläutern (Zwischenrufe bei der SPÖ) – Frau Kollegin Bayr stimmt mir gar schon zu –, weil Sie verlernt haben, eines zu unterscheiden, nämlich in der Frage: Ist dieses Parlament Gericht oder gesetzgebende Körperschaft? (Abg. Krist: … FPÖler!) Das verwechseln und vermischen Sie andauernd. Sie werten bereits bei den Delik­ten … (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, meldet euch dann bitte alle, kommt heraus und bringt eure halbherzigen Argumente vor!

Es geht darum, dass Kollege Deimek von meiner Fraktion etwas gemacht hat, das mo­mentan eigentlich für viele Abgeordnete selbstverständlich ist, um mit der Öffentlich­keit, mit dem Bürger, mit dem Wähler in Kontakt zu treten: Er benützt die sozialen Me­dien – Facebook, Twitter, was auch immer; ich benütze es nicht, aber das bleibt jedem selbst überlassen –; und was hat er gemacht? – Er hat auf einen Artikel eines sehr pro­vokanten deutschen Autors, der aus dem islamischen Bereich kommt und dessen Aus­sagen manche sogar für strafrechtlich relevant halten, verwiesen. Ich bin kein Richter dafür, mich geht auch der Inhalt überhaupt nichts an, da kann ich mir meine Meinung dazu bilden, kann das ablehnen, was auch immer. Tatsache ist nur, dass zum Beispiel dieser Autor in Deutschland nicht gerichtlich dafür belangt wird, was er schreibt; da dürf­te offensichtlich auch Meinungsfreiheit ein bisschen anders gestrickt sein als in unse­rem Land.

Wie auch immer: Die Staatsanwaltschaft hat einen Verdacht und möchte ermitteln, und jetzt liegt es an uns, zu entscheiden, ob die strafbare Handlung, welcher der Abgeord­nete Deimek verdächtigt wird, offensichtlich – offensichtlich – in keinem Zusammen­hang mit seiner politischen Tätigkeit steht. Dieses „offensichtlich“ besteht darin, dass er einen Facebook-Account hat, in dem steht: Mein Facebook-Account, Abgeordneter zum Nationalrat Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Verkehrssprecher der FPÖ.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 189

Das ist offensichtlich kein politischer Zusammenhang. – Entschuldige, „Abgeordneter“ kann doch jeder schreiben! Da gehen wir hinaus auf die Straße, da wird jeder hin­schreiben: Ich bin Abgeordneter!, dann sagen wir: Da gibt es ja keinen politischen Zu­sammenhang!

Jetzt geht es aber um das Delikt der Verhetzung, das da intendiert wird, dessen er ver­dächtigt wird, und da sagt man: So etwas hat mit der Tätigkeit des Abgeordneten nichts zu tun, es besteht daher kein politischer Zusammenhang.

Ich habe sogar die Argumentation gehört: Na ja, bei dem Facebook weiß man es ja nicht so genau, ob das jetzt tatsächlich politisch oder doch privat ist! – Also wenn wir mit solchen Eiertänzen anfangen, dann muss man fragen, wo denn der Unterschied dazu ist, ob ich bei der Parteiveranstaltung – in einer Halle, in einem Festsaal, in einem Bierzelt, auf einem Platz –, die von der Partei ausgerichtet ist, mit dem Logo der FPÖ im Hintergrund, sage, dass es da einen Autor in Deutschland gibt, der einen Artikel ge­schrieben hat, dass man sich den durchlesen soll, wenn er einen interessiert, und dass er von dem Herrn Sowieso und dort und dort zu lesen ist. (Abg. Schopf: Ja, aber so ist es nicht geschehen …!) – Genau so ist es geschehen! Allein der Zwischenruf zeigt, dass Sie sich mit der Materie überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Das ist das Problem bei Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen, wo das Problem bei Ihnen noch liegt: Sie wollen Facebook offensicht­lich wirklich aus der politischen Meinungsbildung draußen haben – gut, können Sie ma­chen –, aber dann wird es ab jetzt bei jedem so sein. Sie brechen nämlich ein Tabu. In Wirklichkeit liefern Sie sich alle – die Regierungsparteien, SPÖ und ÖVP – dem grünen Wächterrat aus. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Wir können den Immunitätsausschuss einstampfen, wir machen jetzt einen kombinierten Wächterrat – Kollege Pilz wird dafür zu gewinnen sein, Kollege Steinhauser, Kollege Brosz werden da alle drinnen sitzen, Kollege Walser als Berater. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) – Das tut mir furcht­bar leid, wir machen natürlich auch einen Senat mit den Damen: Die Kollegin Maurer darf dabei sein (Zwischenruf des Abg. Steinbichler), alle dürfen mitmachen, damit Sie dann erklären können, warum bei diesem Verweis – bei dieser Aufforderung eines Poli­tikers: „Sollten alle lesen“, die in Österreich und so weiter Bestimmtes wollen; Sie kön­nen dann auch den genauen Wortlaut zitieren – offensichtlich kein politischer Zusam­menhang gegeben ist.

Bei Ihnen muss man sich so kratzen (der Redner greift sich mit der linken Hand über den Kopf und kratzt sich am rechten Ohr), damit Sie sagen können: Na, das hat viel­leicht nichts damit zu tun, denn da könnte man auch etwas anderes vermuten.

Nein! Ich sage Ihnen, was nämlich sonst bei der Immunität geschieht. Ich nenne Ihnen ein paar Fälle: Ein Beispiel betrifft den Herrn Kollegen Dr. Peter Pilz, er sitzt gerade nicht da (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Der sitzt nie da!), aber Sie kennen ihn. Was macht der? – Er hat vertrauliche Informationen veröffentlicht. Das hat natürlich mit der politischen Tätigkeit zu 100 Prozent etwas zu tun, so etwas darf man logischerweise.

Frau Kollegin Schatz ist bei einer Demonstration dabei, die untersagt und aufgelöst wird, die verboten ist, und sie nimmt weiterhin daran teil. – Na, selbstverständlich ist das Politik.

Kollege Öllinger zum Beispiel war bei dieser Demonstration dabei, obwohl hier eine Nationalratssitzung stattgefunden hat. Ich sage Ihnen, was die Tätigkeit eines Natio­nalrats während einer Nationalratssitzung ist: Hier herinnen zu sitzen! Das wäre die Hauptsache, und nicht, bei einer verbotenen Demonstration dabei zu sein (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Steinbichler – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), aber da gibt es selbstverständlich einen politischen Zusammenhang! (Zwischenrufe der Abgeordneten Feichtinger, Schopf und Weninger. – Ruf bei der


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SPÖ: … Strache!) – Ja, ich nehme nicht an, dass Kollege Strache jetzt gerade bei ei­ner Straftat unterwegs ist. Schreiben Sie sich das einmal ins Stammbuch! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Ein anderes Beispiel: Was sagt Herr Peter Pilz? – Er bezeichnet einen Staatsanwalt, den Mag. Kronawetter, in einer Pressekonferenz als: „Komplizen der organisierten Kor­ruption“. Das ist logischerweise das Handwerkszeug jedes Abgeordneten, dass man so etwas macht, daher besteht politischer Zusammenhang und wird nicht ausgeliefert.

Ich habe noch ein weiteres kleines Beispiel dazu, das ebenfalls Herrn Pilz betrifft. Was macht der? – Er macht auch eine verbotene Veröffentlichung von einer Disziplinarer­kenntnis aus einem Akt heraus. Das ist alles Politik, was Herr Kollege Pilz macht; das darf er alles!

Herr Kollege Deimek darf eines nicht, nämlich einen Kommentar, der im Titel der Mei­nungsfreiheit gemacht worden ist, weiterzusenden, vielleicht sogar zu empfehlen, den zu lesen – ohne zu sagen, dass er gut ist, dass er schlecht oder sonst etwas ist. Die Frage, was in dem Artikel steht, stellt sich aber gar nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mit dem heutigen Tag geben wir die Immunität als Prinzip auf und machen die Immu­nität zum Spielball von Mehrheitsbildungen. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und Team Stronach sowie der Abgeordneten Franz und Rädler.)

Schaffen wir die Immunität ab! Wir haben keinen absolutistischen Kaiser mehr, dem wir nachlaufen müssen. Ersparen wir uns dieses unwürdige Theater, das Sie nur aufgrund der Moralinsäure, die unsere Grünen hereinbringen, spielen! (Beifall bei FPÖ und Team Stronach sowie der Abgeordneten Franz und Rädler.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Dr. Feich­tinger. – Bitte.

 


19.47.12

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, ich verstehe die Aufregung aufseiten der FPÖ. Es ist doch wieder ein­mal einer der Mandatare der FPÖ, über die wir uns hier unterhalten müssen, wenn es um Immunitätsfragen geht. (Abg. Fekter: Na, Grüne haben wir auch schon oft gehabt!) Herr Dr. Rosenkranz, wenn Sie zitieren, was der Herr Kollege Deimek geschrieben hat, dann würde ich schon darum bitten, dass Sie das korrekt zitieren. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er hat es nicht geschrieben!)

Er hat zu diesem Text, auf den da verwiesen worden ist, geschrieben: „Sollten alle le­sen, die auch in 50 Jahren noch Österreicher sein wollen. Und nicht Wegbereiter der Araber.“ (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na und? – Abg. Walter Rosenkranz: Und, ist das nicht Politik? Das ist ja wohl Politik, oder? – Abg. Hafenecker: Verhetzt man, wenn man Österreicher ist?)

Wir haben gestern (Abg. Walter Rosenkranz: Ist das Politik?) im Immunitätsausschuss eine durchaus kontroversielle Diskussion gehabt, Sie waren ohnehin selber dabei. (Abg. Walter Rosenkranz: Ja, darum habe ich auch …!) Ich habe mir zum Thema Immunität von jemanden, der meiner Meinung nach nicht in dem Ruf steht, ein SPÖ-Mitglied zu sein, nämlich Prof. Dr. Werner Zögernitz, einen Text herausgesucht. (Abg. Stefan: Na ja, klar!) Ja, das ist bitte was? Der Dr. Zögernitz ist wohl ein profunder Kenner des Parlamentarismus in Österreich, wollen Sie das abstreiten, Herr Kollege? (Abg. Ste­fan: … Wegbereiter der Abschaffung der Immunität! Da brauchen wir ja nicht mehr zu reden! Und den zitieren Sie?! – Abg. Lausch: Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich nicht gemeldet!)


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Der Dr. Zögernitz schreibt Folgendes: „Ferner stellt die ,außerberufliche Immunität‘ ein – allenfalls vom Mandatar geltend zu machendes – Recht des Vertretungskörpers gegen Eingriffe der Verwaltung dar. Sie hat historische Wurzeln und soll die Arbeits- und Funk­tionsfähigkeit der parlamentarischen Institutionen sicherstellen.“ (Abg. Stefan: Nichts Neues!) „Die Immunität ist also kein Recht des Abgeordneten, sondern ein solches des gesamten Parlaments.“ (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

„Die oft als Privileg betrachtete ,Immunität‘ von Abgeordneten stellt einen Balanceakt zwischen der Funktionsfähigkeit des Parlaments und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz dar.“ (Abg. Lausch: Was hat das jetzt mit dem Kollegen Deimek zu tun? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Gar nichts!) „Es liegt nicht zuletzt an den Abgeordne­ten selbst, diese Problematik zu erkennen und möglichst Aktionen und Aussagen zu vermeiden, die im Alltag strafrechtlich verfolgt würden.“

Wenn der Kollege Deimek diese Aussage getätigt oder diesen Link gesetzt hätte (Abg. Walter Rosenkranz: Was ist beim Pilz? Was ist beim Pilz?), ohne Abgeordneter zu sein, dann würden wir über das Thema gar nicht reden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich nicht zu Wort ge­meldet! Das ist ja ein Blödsinn …! – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

19.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


19.50.10

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Also die Geschichte der FPÖ ist relativ leicht erklärbar, die geht so: Es gibt einen Immunitätsausschuss, der willkürlich entscheidet und der offenbar nach Gutdünken FPÖ-Leute ausliefert, aber die anderen nicht ausliefert. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Stimmt ja!) – Ich sage ja, das ist die Geschichte der FPÖ. (Abg. Hafenecker: Gut analysiert!) – Genau, gut analy­siert, bravo, aufpassen wäre vielleicht einfacher.

Was war denn die letzte Nichtauslieferung in diesem Haus? Können wir das noch ein­mal nennen? – Die letzte Nichtauslieferung in diesem Haus war der Kollege Strache, den wir im Zusammenhang mit übler Nachrede nicht ausgeliefert haben. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Es ging dabei darum, dass er von einem Journalisten geklagt worden ist, dem der Herr Strache unterstellt hat, er hätte ein Foto im Zusammenhang mit einer Aktion mit Flüchtlingen gestellt.

Das ist für einen Journalisten ein ziemlich heftiger Vorwurf, weil natürlich die Reputa­tion eines Journalisten, insbesondere eines Fotografen, deutlich geschädigt wird. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein. – Abg. Walter Rosenkranz: Wo ist der Unterschied …? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Vielleicht können Sie einmal zuhören, dann kann man es nennen. Ich weiß, dass das Zuhören jetzt schwierig wird, aber wir werden das noch ausleben.

In dem Fall ist der Punkt relativ klar, nämlich dass die Auseinandersetzung in politi­schen Debatten, auch wenn es uns manchmal nicht passt, eine Form bekommen soll­te, in der die Immunität noch waltet. Da kann man auch darüber diskutieren, dass das unschön ist, das einem Journalisten zu unterstellen. Man könnte aber auch weiter ge­hen und sagen: Soll ein Abgeordneter ausgeliefert werden, der in einem Interview sagt, ein Journalist hat nicht ordentlich recherchiert? Denn auch da könnte ein Journalist her­gehen und sagen: Das war eine Rufschädigung, das ist üble Nachrede, es schadet mir! Wenn wir das öffnen wollen und sagen, da liefern wir überall aus, sind wir in einer ganz anderen Debatte. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man könnte ein anders Beispiel nehmen und fragen: Was tut man beim Untersuchungs­ausschuss, wenn der Kollege Hable, der Kollege Lugar, der Kollege Darmann, der Kol-


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lege Kogler eine Auseinandersetzung führen wegen Vorgängen, die heftig waren, dort auch – nicht im Parlament, aber bei Pressekonferenzen – entsprechende Kritik üben und daraufhin sofort auf üble Nachrede geklagt werden?

Sollen wir all die Kollegen aus dem Untersuchungsausschuss in solchen Auseinander­setzungen ausliefern, wenn Sie das wollen? (Abg. Walter Rosenkranz: Das ist ein …! Beim Nationalrat gelten ganz andere Gesetze …! Na, Sie sind ja wirklich …!) – Haben Sie zugehört? Ich habe gesagt, wenn er das bei einer Pressekonferenz sagt, und wenn er das bei einer Pressekonferenz sagt, ist es nicht durch die Immunität geschützt. Die Immunität gilt hier im Haus und nicht außerhalb des Hauses, das wissen Sie genauso gut wie ich!

Jetzt kommen wir zum Kollegen Deimek. Reden wir einmal über den Kollegen Deimek und darüber, was Sie alles schützen wollen. Sie, Herr Kollege Rosenkranz, haben ges­tern im Ausschuss mehrfach gesagt, es handle sich um einen politischen Text, den der Kollege Deimek geteilt hat.

Herr Präsident, ich weiß nicht, was Sie jetzt mit mir machen; ich kann es Ihnen nicht er­sparen, ein paar Passagen aus diesem sogenannten politischen Text vorzulesen. (Ruf bei der FPÖ: Um den geht es nicht!) – Na sicher geht es um den, um diesen politi­schen Text! (Ruf bei der FPÖ: Nein!)

Dieser sogenannte politische Text, Herr Kollege Rosenkranz, enthält ein paar Passa­gen – fangen wir einmal bei denen an, die vielleicht noch halbwegs in diesem Haus vor­zulesen sind:

„(…) die Fremden und ihre arteigenen Verbrechen, sei es die inflationären Vergewalti­gungen, Mord und Totschlag oder nur Raub“ – übrigens, so viel zu der Frage; klar. (Abg. Stefan: Unpolitisch?) – Politischer Text, aha, okay! (Abg. Stefan: Völlig unpolitisch?) – Nein, aus Ihrer Sicht noch immer politisch. (Abg. Stefan: Es geht ja nicht darum, ob …!) – Machen wir einmal weiter:

„Man vermutet sogar, dass es in Afrika keine einzige Frau gibt, die nicht vergewaltigt wurde, wobei nach dem Loch-ist-Loch-Verständnis dieser Primitiven die ,Frau‘ selbst acht Jahre sein kann.“

Ist das noch immer ein politischer Text aus Ihrer Sicht? Soll ich noch weiter lesen? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Soll ich Ihnen noch die anderen Zitate vorlesen? Sie kön­nen auch weitermachen. Wir hatten gestern die Debatte, ob Gewaltaufrufe in diesem Text drinnen sind, und Sie haben gesagt, es sind keine Gewaltaufrufe drinnen. (Abg. Walter Rosenkranz: Das stimmt ja nicht!) Darf ich Ihnen einmal die Frage stellen, ob die Aussage „anstatt rauszugehen und ein paar der durchgedrehten Arabern ins Bein zu schießen“ ein Aufruf zur Gewalt ist oder nicht?

Das haben Sie gestern alles verteidigt im Ausschuss, und zwar flächendeckend. Davon reden wir! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Sche­rak.) Und Sie sind der Meinung, dass diese Aussagen von der parlamentarischen Im­munität gedeckt werden sollen (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Kollege Deimek hat das nicht geschrieben!), nämlich deshalb, weil der Kollege Deimek – übrigens nicht auf Facebook, sondern dort, wo es die 140 Zeichen gibt, das nennt man Twitter, aber ist nicht so weit daneben – noch Folgendes festgestellt und zu diesem Text geschrieben hat: „Sollten alle lesen, die auch in 50 Jahren noch Österreicher sein wollen. Und nicht Wegbereiter der Araber.“ (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na, und? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Soll ich noch weiter zitieren? Wollen Sie das auch noch haben? (Abg. Walter Rosen­kranz: Ist das politisch?) Soll ich noch weiter zitieren? Das heißt, Sie rechtfertigen je­des Hassposting, jeden Aufruf zur Gewalt! Ich möchte ja gar nicht weiter gehen! Wenn


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der Kollege Deimek oder irgendein anderer Kollege irgendwelche rechtswidrigen Ma­chenschaften tätigen würde – ich sage „würde“ – und darunter schreibt: Abgeordneter zum Nationalrat, dann soll er deshalb immun sein und nicht verfolgt werden können? – Ich möchte keinem Nationalrat angehören, der diese Form der Immunitätsauslegung be­wältigt, die Sie vorlegen. Ich halte das für absurd! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.) In diesem Fall gehört ausgeliefert!

Herr Kollege Deimek ist hoffentlich bei Sinnen, er weiß, was er postet. Er weiß, wel­chen Artikel er da unterstützt (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er hat ja nichts geschrie­ben!), indem er sagt, das sollte gelesen werden, und die Staatsanwaltschaft war offen­sichtlich der Meinung, dass dieser Artikel von ihm gutgeheißen wurde, sonst würde es das Auslieferungsbegehren nicht geben. Das hat aber die Staatsanwaltschaft zu über­prüfen und nicht wir.

Ich finde es völlig gerechtfertigt und die einzig richtige Maßnahme, den Kollegen Dei­mek für dieses Posting auszuliefern. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Redner, der nach wenigen Schritten umkehrt und sich erneut zum Rednerpult begibt. – Zwi­schenrufe bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Tamandl: Was soll denn das?) 

Ich bin noch nicht fertig, Entschuldigung! Ich bin nicht weggegangen und nicht fertig.

Eine letzte Bemerkung: Dass Kollege Rädler gestern im Immunitätsausschuss vor der Abstimmung als Ausdruck des Protests noch türenschmeißend den Saal verlassen hat, war auch bezeichnend. Es haben vorher auch einige ÖVP-Abgeordnete noch geklatscht.

Ich bin schon sehr gespannt, und ich hoffe, dass die ÖVP diese Linie, die von der Frak­tionsvorsitzenden und der Ausschussvorsitzenden mitgetragen worden ist, auch einhält und sagt: Das ist wirklich nichts, was durch die Immunität gerechtfertigt ist. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Rädler sowie weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

19.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Lo­patka. – Bitte.

 


19.56.22

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Trotz der Ungeheuerlichkeit Ihrer Rede: Wir brauchen keine Aufforderung, von niemandem hier, und kein Abgeordneter, auch Sie nicht, braucht eine Aufforderung von mir, wie er abstimmen soll! (Beifall bei ÖVP und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Walser.)

Sie bestätigen jetzt das, was Abgeordneter Rosenkranz gesagt hat: Sittenwächter, die brauchen wir hier nicht! Wir haben das freie Mandat, Mandatare, die frei entscheiden, das möchte ich Ihnen sagen! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Team Stronach.)

Manche von uns stimmen dem jetzt – das sage ich auch – nur mit Bauchweh zu. Für uns ist die Sache nicht so eindeutig wie für Sie, aber letztendlich haben wir uns für die Vorgangsweise entschieden, die unsere Fraktionsführerin im Ausschuss ohnehin zum Ausdruck gebracht hat. Spielen Sie aber bitte nicht ständig den Sittenrichter! (Beifall bei ÖVP und Team Stronach sowie der Abg. Gamon. – Abg. Kogler: Ha, ha!)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ing. Diet­rich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.57.11

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Mei­ne Damen und Herren! Kollege Lopatka hat gesagt: Stimmen wir zu, mit Bauchweh!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll119. Sitzung / Seite 194

Woher kommt dieses Bauchweh? – Weil wir alle eine gewisse Rechtsunsicherheit spü­ren, weil wir alle nicht wissen, wie wir mit diesen neuen Medien und deren Beurteilung umgehen sollen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Deshalb schlage ich vor – so wie es im Immunitätsausschuss bereits vorgeschlagen wurde –, dass eine Vertagung stattfindet, dass ein Gutachten eingeholt wird (Zwi­schenruf des Abg. Feichtinger), damit wir Rechtssicherheit haben, denn, meine ge­schätzten Damen und Herren, die neuen Medien haben sehr wohl Einzug in unser poli­tisches Leben gehalten. (Abg. Hakel: … was man postet!)

Es gibt viele Kollegen, die bei Facebook oder bei Twitter einen privaten Account ha­ben, einen politischen Account haben, und wenn jemand als Nationalratsabgeordneter dort etwas postet – oder wie auch immer – unter der Bezeichnung Politiker, dann be­steht aus meiner Sicht sehr wohl ein Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit, der nicht wegzudiskutieren ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Offensichtlich! … Zögernitz!)

Ein Gutachten wäre der richtige Weg – Zeit nehmen, vertagen und dann neu darüber diskutieren! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.58

19.58.38

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1060 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Steyr, 498 2 St 13/16x, um Zu­stimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat DI Gerhard Deimek wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung nach § 283 Abs. 1 und 4 StGB wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwi­schen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat DI Gerhard Deimek besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.00.01Abstimmung über Fristsetzungsantrag

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Ab­geordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI. Nr. 1/1930, geändert wird, Abschaffung der nicht amtsfüh­renden Stadträte in Wien, eine Frist bis 17. April 2016 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. (Rufe bei der ÖVP in Richtung der Abgeordneten Pendl und Cap, die im Stehen miteinander sprechen: Hallo! Abstimmung!) – Das ist abgelehnt.

20.00.32Einlauf

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1603/A(E) bis 1619/A(E) eingebracht wurden.

*****


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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20 Uhr ein, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.00.52Schluss der Sitzung: 20 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien