Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 5. Juli 2018

 


Stenographisches Protokoll

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode                  Donnerstag, 5. Juli 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. Juli 2018: 9.04 – 22.00 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeits­ruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Bericht über den Antrag 42/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend keine Verschlechterungen bei der Arbeitszeit für Ar­beitnehmerInnen

3. Punkt: Bericht über den Antrag 236/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz ge­ändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbür­gerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das Sicherheitspoli­zeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 238/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeige­setz 2005 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Flug­gastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und be­stimmten anderen Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlassen wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

8. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusam­menarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

9. Punkt: Bericht über den Antrag 216/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogten­huber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heim­opferrentengesetz geändert wird


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10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten­Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische As­sistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sani­tätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern­Sozial­versicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das No­tarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medi­zinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Mu­siktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentechnikgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Ur­laubs- und Abfertigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehinderten­gesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefange­nenentschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Erwach­senenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK)

12. Punkt: Bericht über den Antrag 275/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Personalstandes im AMS

13. Punkt: Bericht über den Antrag 183/A der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vog­tenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den um­fassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 290/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Drei Plus Zwei für Asylwerbende

15. Punkt: Bericht über den Antrag 68/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme schulärztlicher Daten in ELGA

16. Punkt: Bericht über den Antrag 40/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Kolba, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Liberalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke

17. Punkt: Bericht über den Antrag 296/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Dr. Bri­gitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Uni­versitätsgesetz 2002 – UG geändert wird

18. Punkt: Bericht über den Antrag 194/A der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird

19. Punkt: Bericht über den Antrag 109/A der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird

20. Punkt: Bericht über den Antrag 278/A(E) der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Akkreditierung und Audit von Studiengängen an Fachhochschulen

21. Punkt: Sammelbericht über die Petition Nr. 1 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 30, 40 und 41


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22. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversi­cherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz geändert werden (211/A)

23. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. Ap­ril 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden (Abzeichengesetz 1960), ge­ändert wird (246/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 19

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen betreffend rechtzeitige Übermittlung eines Abänderungsan­trages:

Mag. Andreas Schieder ........................................................................................  19, 22

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 20

Dr. Walter Rosenkranz .........................................................................................  20, 22

August Wöginger ......................................................................................................... 21

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 21

Unterbrechung der Sitzung .................................................................................  22, 134

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    46

Antrag der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß Artikel 43 B-VG in Verbindung mit § 84 GOG zum Antrag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Ar­beitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert werden“ – Ablehnung ..............................................................................................................  50, 136

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 134

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka im Zusammenhang mit ei­nem Zwischenruf in Richtung des Präsidenten der Europäischen Kommission .......................................... 137

Fragestunde (4.)

Öffentlicher Dienst und Sport .................................................................................... 23

Tanja Graf (40/M); Douglas Hoyos-Trauttmansdorff

Angela Lueger (46/M); Peter Haubner, Maximilian Linder

Werner Herbert (43/M)

Mag. Gerald Loacker (49/M); Mag. Friedrich Ofenauer

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (51/M); Melanie Erasim, MSc


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Mag. Friedrich Ofenauer (41/M); Mag. Gerald Loacker, Stephanie Cox, BA

Dr. Peter Wittmann (47/M); David Lasar

Christian Lausch (44/M); Ing. Maurice Androsch

Claudia Gamon, MSc (WU) (50/M)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (52/M); Dr. Dagmar Belakowitsch

Ing. Klaus Lindinger, BSc (42/M)

Hermann Krist (48/M); Kira Grünberg, Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann

Petra Steger (45/M); Renate Gruber

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 19

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  45, 204, 252, 254

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitge­setz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden (303/A) .................................................... 46

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 42/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Verschlechterungen bei der Arbeitszeit für ArbeitnehmerInnen (232 d.B.) ........................................................................................ 47

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 236/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (233 d.B.) ................................................................................................. 47

RednerInnen:

Mag. Christian Kern ..................................................................................................... 47

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................ 51

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 54

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) ................................................. ..... 58

August Wöginger ................................................................................................  58, 118

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 65

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 67

Alois Stöger, diplômé (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 71

Ing. Wolfgang Klinger .................................................................................................. 71

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 72

Peter Haubner ............................................................................................................... 74

Mag. Christian Kern (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 76

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 77

Josef A. Riemer ............................................................................................................ 79

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 80

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ......................................................... 83

Claudia Plakolm ............................................................................................................ 85

Josef Muchitsch ........................................................................................................... 87


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Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 90

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigungen) ..........................................  91, 110, 113

Birgit Silvia Sandler ..................................................................................................... 91

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................ 92

Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 93

Peter Wurm ................................................................................................................... 98

Wolfgang Knes ............................................................................................................. 99

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 100

Irene Hochstetter-Lackner ........................................................................................ 102

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 103

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 105

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ......................................................................  106, 120

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 108

Franz Hörl ................................................................................................................... 108

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 111

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................... 113

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 115

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (tatsächliche Berichtigung) ................................ ... 117

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 117

Dietmar Keck .............................................................................................................. 119

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 121

Melanie Erasim, MSc (tatsächliche Berichtigung) .................................................. ... 122

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 123

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................ 124

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 125

Robert Laimer ............................................................................................................. 126

Konrad Antoni ............................................................................................................ 126

Philip Kucher .............................................................................................................. 127

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 129

Wolfgang Katzian ....................................................................................................... 130

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer Arbeitszeitverkürzung“ – Ablehnung ...........................................................  82, 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Fest­legung des Verbrauches von Zeitguthaben“ – Ablehnung ..............................................................................................................  95, 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“ – Ableh-
nung .......................................................................................................................  97, 136

Annahme des in Antrag 303/A enthaltenen Gesetzentwurfes (namentliche Ab­stimmung)                            132

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 135

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 232 und 233 d.B. ............................... 137

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (189 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenk­stättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zi-


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vildienstgesetz 1986 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Frem­denrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018) (207 d.B.) ............................... 137

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 238/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (211 d.B.) .................................................. 137

RednerInnen:

Angela Lueger ............................................................................................................ 138

Hans-Jörg Jenewein, MA .......................................................................................... 139

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 142

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 143

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 145

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 146

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 147

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 150

Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 151

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 152

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 153

Angela Lueger (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 154

Nikolaus Prinz ............................................................................................................ 154

Annahme des Gesetzentwurfes in 207 d.B. ................................................................. 155

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 211 d.B. ...................................................... 156

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (186 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ver­arbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten anderen Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlas­sen wird (208 d.B.) ................................................................................................ 156

RednerInnen:

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ............................................................................. 156

Mag. Günther Kumpitsch .......................................................................................... 157

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 158

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 159

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 160

David Lasar ................................................................................................................. 161

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 162

Annahme des Gesetzentwurfes in 208 d.B. ................................................................. 163

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (194 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz ge­ändert wird (209 d.B.) .......... 163

RednerInnen:

Ing. Maurice Androsch .............................................................................................. 163

Werner Herbert ........................................................................................................... 165

Karl Mahrer, BA .......................................................................................................... 169

David Lasar ................................................................................................................. 170

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 171

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 172

Christian Ries ............................................................................................................. 173

Annahme des Gesetzentwurfes in 209 d.B. ................................................................. 174


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8. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (150 d.B.): Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Änderung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität (210 d.B.) ............................................................. 175

RednerInnen:

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 175

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 175

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................. 176

Genehmigung des Staatsvertrages in 210 d.B. ........................................................... 176

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geän­dert wird (229 d.B.) ........................................................ 177

RednerInnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 177

Mag. Muna Duzdar ..................................................................................................... 179

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 180

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 180

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 181

Kira Grünberg ............................................................................................................. 184

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 185

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................... 186

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „der Schaffung einer vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft“ – Ablehnung ............................................................................................................  183, 187

Annahme des Gesetzentwurfes in 229 d.B. ................................................................. 186

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 229 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Heimopferrentengesetz“ (E 25) .................................................................................. 187

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (164 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Beamten­Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Ar­beitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Betriebspensionsgesetz geän­dert werden (230 d.B.) .......................................................................................... 187

RednerInnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 187

Tanja Graf .................................................................................................................... 188

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 189

Annahme des Gesetzentwurfes in 230 d.B. ................................................................. 189

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regie­rungsvorlage (191 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Ge­setz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärzte­kammergesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern­Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-


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Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patientenverfügungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psychologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychothera­piegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durch­führung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentechnikgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbe­hindertengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geän­dert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bun­desministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (231 d.B.) ...................................................................................................................... 189

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 190

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 191

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 194

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 195

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 198

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 198

Annahme des Gesetzentwurfes in 231 d.B. ................................................................. 222

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 275/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Erhöhung des Personalstandes im AMS (234 d.B.)        ............................................................................................................................. 199

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 199

Peter Wurm ................................................................................................................. 200

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 201

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 201

Josef Muchitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 202

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 234 d.B. ...................................................... 202

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 183/A der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsge­setz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (235 d.B.)   ............................................................................................................................. 202

RednerInnen:

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 202

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 203

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 235 d.B. ...................................................... 204

Zuweisung des Antrages 183/A an den Verfassungsausschuss ................................. 204

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 290/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Drei Plus Zwei für Asylwerbende (236 d.B.)           ............................................................................................................................. 204

RednerInnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 205

Peter Wurm ................................................................................................................. 205


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 9

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 206

Hannes Amesbauer, BA ............................................................................................ 207

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 236 d.B. ...................................................... 209

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 68/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auf­nahme schulärztlicher Daten in ELGA (204 d.B.)      ............................................................................................................................. 209

RednerInnen:

Dr. Brigitte Povysil ..................................................................................................... 209

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 210

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 210

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 211

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 212

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 213

Johann Höfinger ......................................................................................................... 213

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 204 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Aufnahme schulärztlicher Daten in ELGA“ (E 26) ...................................................... 213

16. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 40/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Kolba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberalisie­rung von Cannabis für medizinische Zwecke (205 d.B.)              ............................................................................................................................. 213

RednerInnen:

Dr. Brigitte Povysil ..................................................................................................... 214

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 215

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 216

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 216

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 218

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 220

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 220

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 221

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 222

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 205 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Liberalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken“ (E 27) ............................. 222

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 296/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geän­dert wird (248 d.B.) .............................................. 223

18. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 194/A der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird (249 d.B.)      ............................................................................................................................. 223

19. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 109/A der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (250 d.B.) .............................................................................................................. 223

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 224

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 225

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 227

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 227


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 10

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 228

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 229

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 231

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ................................................................................... 232

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 232

Annahme des Gesetzentwurfes in 248 d.B. ................................................................. 234

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 249 und 250 d.B. ............................... 235

20. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 278/A(E) der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Akkreditierung und Audit von Studiengängen an Fachhochschulen (251 d.B.) ........................................................................................ 235

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger .................................................................................... 235

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 236

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 237

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 238

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 239

Philip Kucher .............................................................................................................. 239

Berichterstatterin: Claudia Gamon, MSc (WU) (Schlusswort) .................................. 241

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage eines Fachhochschulentwicklungs- und Finan­zierungsplanes für die Studienjahre 2019/2020“ – Ablehnung ............................................................................................................  240, 241

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 251 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Akkreditierung und Audit von Studiengängen an Fach­hochschulen“ (E 28) .............. 241

21. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petition Nr. 1 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 30, 40 und 41 (224 d.B.) .......................................... 241

RednerInnen:

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 241

Petra Wagner .............................................................................................................. 242

Michael Bernhard ....................................................................................................... 243

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 245

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 246

Peter Wurm ................................................................................................................. 247

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 248

Melanie Erasim, MSc .................................................................................................. 249

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 249

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 224 d.B. hinsichtlich der Petition Nr. 1 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 22, 30, 40 und 41 .................................................................................................... 250

22. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (211/A)           ............................................................................................................................. 250

RednerInnen:

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 251

Johann Höfinger ......................................................................................................... 251

Angela Baumgartner .................................................................................................. 251

Zuweisung des Antrages 211/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ................ 252


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 11

23. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. April 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden (Abzeichen­gesetz 1960), geändert wird (246/A) .............................. 252

RednerInnen:

Sabine Schatz ............................................................................................................. 252

Nikolaus Prinz ............................................................................................................ 253

Zuweisung des Antrages 246/A an den Ausschuss für innere Angelegenheiten             254

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (323/A)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz zur Einhaltung unternehmerischer Sozialverantwortung (Sozialverant­wortungsgesetz – SZVG) erlassen wird (324/A)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (325/A)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 5 B-VG (326/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifikation der Euro­päischen Landschaftskonvention (327/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifikation der Gra­nada-Konvention (328/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handlungspflicht der Bundesregierung gemäß Art 16 Abs 4 B-VG (329/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung und Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe statt „Verländerung“ (330/A)(E)

Birgit Silvia Sandler, Michael Bernhard, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend rasche Durchführung einer Kinderkosten-Erhebung (331/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird (332/A)

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) geändert wird (333/A)

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „besseren Schutz von Betroffenen vor sexistischen Onlineübergriffen (Cyberbelästigung) (334/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Verhütungsmit­tel (335/A)(E)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Schulen der Sekundarstufe I, um Angebote der Ferienbe­treuung auszubauen und weiterzuentwickeln (336/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 12

Anfragen der Abgeordneten

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend MARAC-Fallkonferenzen zur Verhinderung von schwerer und wiederhol­ter Gewalt, Morden und Mordversuchen im Bereich Gewalt gegen Frauen (1183/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend MARAC-Fallkonferenzen zur Verhinderung von schwerer und wiederholter Gewalt, Morden und Mordversuchen im Bereich Gewalt gegen Frauen (1184/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kinderbetreuungsbeihilfe des AMS (1185/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beitritt des Kosovo zu Interpol und Europol (1186/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Brandschutz in Justizvollzugsanstalten (1187/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, In­tegration und Äußeres betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den im Namen der Europäischen Union im AKP-EU-Ministerrat zur Überarbeitung des Anhangs IC des AKP-EU-Partnerschaftsabkommens zu vertretenden Standpunkt (1188/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Ra­tes über eine weitere Makrofinanzhilfe für die Ukraine (1189/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung des im Namen der Europäischen Union anlässlich der 55. Tagung des von der Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) eingerichteten Fach­ausschusses für die Beförderung gefährlicher Güter hinsichtlich bestimmter Änderun­gen des Anhangs C des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr für eine Inkraftsetzung zum 1. Januar 2019 zu vertretenden Standpunkts (1190/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hin­blick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds (1191/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Ra­tes zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Investmentfonds und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 345/2013 und (EU) Nr. 346/2013 (1192/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Emission gedeckter Schuldverschreibungen und die öffentliche Aufsicht über gedeckte Schuldverschreibungen und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2014/59/EU (1193/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Standpunkt, der im Namen der Union anlässlich der 99. Sitzung des IMO-Schiffs-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 13

sicherheitsausschusses hinsichtlich der Annahme von Änderungen der SOLAS-Regeln II-1/1 und II-1/8-1, der Genehmigung der einschlägigen Richtlinien betreffend dem Ka­pitän bei Überflutung zur Verfügung zu stellende computerisierte Stabilitätsunterlagen für vorhandene Fahrgastschiffe sowie der Annahme von Änderungen des Internatio­nalen Kodex für die Anwendung von Brandprüfverfahren in der Fassung von 2010 (FTP-Code 2010) zu vertreten ist (1194/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Ra­tes zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 hinsichtlich Risikopositionen in Form gedeckter Schuldverschreibungen (1195/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend den Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Ermächtigung Ungarns, eine von Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemein­same Mehrwertsteuersystem abweichende Regelung einzuführen (1196/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittlän­der, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (1197/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „SERVUS EUROPA“: das Auftaktevent zu Österreichs EU-Ratsvorsitz (1198/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentli­chen Dienst und Sport betreffend „SERVUS EUROPA“: Teilnahme am Auftaktevent zu Österreichs EU-Ratsvorsitz (1199/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „SERVUS EUROPA“: Teilnahme am Auftaktevent zu Österreichs EU-Rats­vorsitz (1200/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „SERVUS EUROPA“: Teil­nahme am Auftaktevent zu Österreichs EU-Ratsvorsitz (1201/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „SERVUS EUROPA“: Teilnahme am Auftakt­event zu Österreichs EU-Ratsvorsitz (1202/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend „SERVUS EUROPA“: Teilnahme am Auftaktevent zu Öster­reichs EU-Ratsvorsitz (1203/J)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Förderungen der Sektion für Frauen und Gleichbehandlung (1204/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Vom BMLV geplante Sicherheitsinseln (1205/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Lobautunnel (1206/J)

Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Nein zur rot-grünen Citymaut (1207/J)


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Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend rechtsextreme, rassistische/fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten im ers­ten Halbjahr 2018 (1208/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend rechtsextreme, rassistische/fremdenfeind­liche, antisemitische Straftaten im ersten Halbjahr 2018 (1209/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 über die endgültige einheitli­che Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (1210/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1553/89 über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel (1211/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (1212/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration im Namen der Europäischen Union zu genehmigen sowie Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Bereich der Einwanderungspolitik den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration im Namen der Europäischen Union zu genehmigen (1213/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration im Namen der Europäischen Union zu ge­nehmigen sowie Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kom­mission, im Bereich der Einwanderungspolitik den Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration im Namen der Europäischen Union zu genehmigen (1214/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend den Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates über Kontrollmaßnahmen für die neuen psycho­aktiven Substanzen: N-Phenyl-N- [1- (2-phenylethyl) piperidin-4-yl] cyclopropancarbo­xamid (Cyclopropylfentanyl) und 2-methoxy-N-phenyl-N- [1- (2-phenylethyl) piperidin-4-yl] acetamid (Methoxyacetylfentanyl) (1215/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1388/2013 zur Eröffnung und Verwaltung autonomer Zollkontin­gente der Union für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und gewerbliche Waren (1216/J)


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Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1388/2013 zur Eröffnung und Verwaltung auto­nomer Zollkontingente der Union für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und gewerbliche Waren (1217/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, im Namen der Europäischen Union Verhandlungen über den Abschluss eines partnerschaftlichen Abkommens über nachhaltige Fischerei und eines dazugehörigen Protokolls mit der Republik Madagaskar aufzunehmen (1218/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Vorschlag für eine Verordnung des Europäi­schen Parlaments und des Rates über einen mehrjährigen Wiederauffüllungsplan für Schwertfisch im Mittelmeer und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1967/2006 und (EU) 2017/2107 (1219/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung infolge des Antrags Frankreichs EGF/2017/009 FR/Air France (1220/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Euro­päischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 [allgemeines Lebensmittelrecht], der Richtlinie 2001/18/EG [absicht­liche Freisetzung von GVO in die Umwelt], der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 [gene­tisch veränderte Lebens- und Futtermittel], der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 [Futter­mittelzusatzstoffe], der Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 [Raucharomen], der Verord­nung (EG) Nr. 1935/2004 [Lebensmittelkontaktmaterialien], der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 [einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe, -enzy­me und -aromen], der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [Pflanzenschutzmittel] und der Verordnung (EU) 2015/2283 [neuartige Lebensmittel] (1221/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette und zur Än­derung der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 [allgemeines Lebensmittelrecht], der Richt­linie 2001/18/EG [absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt], der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 [genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel], der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 [Futtermittelzusatzstoffe], der Verordnung (EG) Nr. 2065/2003 [Raucharomen], der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 [Lebensmittelkontaktmaterialien], der Verordnung (EG) Nr. 1331/2008 [einheitliches Zulassungsverfahren für Lebensmit­telzusatzstoffe, -enzyme und -aromen], der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 [Pflanzen­schutzmittel] und der Verordnung (EU) 2015/2283 [neuartige Lebensmittel] (1222/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend den Vorschlag für eine Richt­linie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Ver­stöße gegen das Unionsrecht melden (1223/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend den Vorschlag für eine Richt­linie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Ge­sellschaftsrecht (1224/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Methoden und Verfahren für die Bereitstellung der Eigenmittel, die auf


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der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, dem Emis­sionshandelssystem der Europäischen Union und nicht wiederverwerteten Verpa­ckungsabfällen aus Kunststoff basieren, sowie der Maßnahmen zur Bereitstellung der erforderlichen Kassenmittel (1225/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Methoden und Verfahren für die Bereitstellung der Eigenmittel, die auf der gemeinsa­men konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, dem Emissionshan­delssystem der Europäischen Union und nicht wiederverwerteten Verpackungsabfällen aus Kunststoff basieren, sowie der Maßnahmen zur Bereitstellung der erforderlichen Kassenmittel (1226/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvor­schriften (1227/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur bes­seren Durchsetzung und Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften (1228/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend den Vorschlag für eine Richt­linie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (1229/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend den Vorschlag für ei-
ne Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen
zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtli-
nie 2009/22/EG (1230/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richt­linien 2006/112/EG und 2008/118/EG hinsichtlich der Aufnahme der italienischen Ge­meinde Campione d´Italia und des zum italienischen Gebiet gehörenden Teils des Lu­ganer Sees in das Zollgebiet der Union und in den räumlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/118/EG (1231/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsmaßnahmen für das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (1232/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsmaßnahmen für das Eigenmittelsystem der Europäi­schen Union (1233/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 17

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittel­system der Europäischen Union (1234/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (1235/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäi­schen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten (1236/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäi­schen Parlaments und des Rates über die Durchführung und Funktionsweise der Do­mäne oberster Stufe „.eu“ sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 733/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission (1237/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Di­gitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung und Funktionsweise der Domäne oberster Stufe „.eu“ sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 733/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission (1238/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, im Interesse der Europäischen Union Ver­tragspartei des Übereinkommens des Europarats über einen integrierten Schutz, Si­cherheit und Service-Ansatz bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen zu werden (1239/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, im Interesse der Europäischen Union Vertrags­partei des Übereinkommens des Europarats über einen integrierten Schutz, Sicherheit und Service-Ansatz bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen zu werden (1240/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 (1241/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 (1242/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäi­schen Parlaments und des Rates zur Förderung von Fairness und Transparenz für ge­werbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (1243/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung von Fairness und Trans­parenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (1244/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 18

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Hubschrauberstützpunkt Klagenfurt (1245/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Umsetzung der Agenda 2030 (1246/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Budgetsichten 2018/2019 (1247/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend steuerliche Auswirkungen des Abgasskandals (1248/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Sommerparty mit dem Finanzminister – Gastgeber die SteuerzahlerInnen? (1249/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Einkünfte SMP aus Griechenlandhilfe (1250/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Ministerbüros im 2. Quartal 2018 (1251/J)


 


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09.04.46Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Dritte Präsidentin Anneliese Kitz­müller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete! Ich darf Sie herzlich willkommen heißen. Die 36. Sitzung des Nationalrates ist eröffnet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Doris Bures, Mag. Thomas Drozda, Mario Lindner, Ing. Markus Vogl, Werner Neubauer, BA, Josef Schellhorn und Dr. Peter Pilz.

09.05.21Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Inneres Herbert Kickl wird durch die Staatssekretärin im Bun­desministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.15 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.05.44*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.


9.05.54

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Es ist medial angekündigt worden – uns ist auch vor einigen Tagen informell ei­ne Version eines Abänderungsantrages übermittelt worden, der heute im Zuge des Ta­gesordnungspunktes 1 behandelt werden soll – und den Medien entnehme ich inzwi­schen, dass dieser noch geändert werden soll. Es ist uns aber dieser Abänderungsan­trag nicht formell zugegangen – meiner Information nach auch sonst niemandem im Haus.

Jetzt ist das aber durchaus eine Sache, bei der es wichtig wäre zu wissen, was heute in einer Stunde debattiert und beschlossen werden soll. Für einen geregelten Ablauf, gerade bei einem Gesetzesvorhaben, das keiner Begutachtung unterzogen worden ist, das keiner Ausschussbehandlung unterzogen worden ist, wäre es doch durchaus ziel­führend, diesen Abänderungsantrag, den man plant, heute einzubringen, allen Fraktio­nen zu übermitteln, vor allem in der Version, die stimmt, denn ich lese heute in den Zei­tungen, dass auch ein vorzeitiges Inkrafttreten des Gesetzes mit 1. September bean­tragt werden soll.

All das kennen wir nur aus den Medien. Aus dem Postlauf hier im Haus ist uns gar nichts zugegangen. Ich würde Sie bitten, Herr Präsident, dass Sie eine ordnungsgemä-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 20

ße Behandlung der Geschäftsstücke insofern sicherstellen, als dass Sie vielleicht auf die Regierungsfraktionen einwirken, dass die Abänderungsanträge so wie im Haus üb­lich übermittelt werden, weil andernfalls eben eine geordnete Behandlung einer solch zentralen Materie nicht möglich ist und das eigentlich auch nicht im Sinne des Parla­mentarismus und des Hohen Hauses sein kann. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

9.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich auch Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte.


9.07.41

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte dem beipflichten: Das ist keine Art des Zusammenarbeitens. Ich bitte Sie, Herr Präsident, hier auch mit all Ihrer Autorität kraft Funktion auf die Mehr­heitsfraktionen einzuwirken, dass diese Art der Ignoranz – aus meiner Sicht – ein Ende hat.

Es hat ja damit begonnen, dass keine Begutachtung für diese so wichtige Materie er­wünscht war. Sie wissen, dass wir das inhaltliche Ziel teilen, aber Sie gehen hier be­wusst einen Weg der Ignoranz. In weiterer Folge wurde die Materie bewusst einem fal­schen Ausschuss zugewiesen, nur damit der Ausschuss, der das behandeln sollte, nicht unter der Vorsitzführung einer Oppositionsfraktion ist. Und dann erfahren wir we­nige Stunden vor dieser Sitzung, in der Nacht, dass noch ein Abänderungsantrag mit einer anderen Fristigkeit kommen wird.

Das ist nicht in Ordnung! So kann man nicht zusammenarbeiten. Wir alle sind gewählt, hier als Volksvertreterinnen und -vertreter zu agieren. Ich erwarte von Ihnen, Herr Prä­sident, dass Sie hier auch im Sinne einer parlamentarischen Kultur entschlossener und klarer und überparteilich Partei ergreifen. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Liste Pilz.)

9.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Ro­senkranz. – Bitte.


9.08.59

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung)|: Herr Präsi­dent! Ich konnte den beiden vorhergegangenen Wortmeldungen nicht entnehmen – das waren Wortmeldungen zur Geschäftsordnung –, dass irgendein Vorgang, der hier im Haus stattgefunden hat, geschäftsordnungswidrig gewesen wäre. Das ist auf Punkt und Beistrich wie in der Geschäftsordnung.

Was die Frage der Kultur des Umgangs miteinander betrifft - - (Ruf bei der SPÖ: Buh!) – Ja, Sie sind dagegen, wenn die Geschäftsordnung eingehalten wird, das merkt man schon an Ihrem Zwischenruf. – Ich achte diesen Stil des Zusammenarbeitens und ich habe Sie, Herr Präsident, im Zusammenhang mit einer Bemerkung zur Geschäftsbe­handlung letztes Mal darum gebeten zu klären, was es damit auf sich hat, dass die Ge­werkschaft vida entsprechende Drohungen gegen Parlamentarier nach dem Motto: Geht zu ihren Häusern!, et cetera ausgesprochen hat.

Dem wurde mittlerweile nachgekommen. Wir haben tatsächlich Bildmaterialien, auf de­nen zu sehen ist, wie diejenigen, die gegen diesen Gesetzentwurf – gekennzeichnet mit diesen Stickern mit der durchgestrichenen Zahl 12 – sind, vor den Büros, vor den Fir­men von Abgeordneten Transparente aufstellen und dort – offensichtliches Zeichen der Zusammenarbeit und des Friedens – Pflastersteine hinlegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Das sind die unerhörten Vorgänge! Sie reden von Zusammenarbeit – reißen Sie sich einmal am Riemen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wögin­ger. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ sowie ÖVP und FPÖ.)


9.10.19

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte das, was Kollege Rosenkranz jetzt gesagt hat, unterstreichen: Was wollen Sie uns mit Pflastersteinen mitteilen? (Abg. Nehammer: Das ist eine Frech­heit! Ein Skandal! Das freie Mandat!) Das möchte ich jetzt wirklich wissen! Was wollen Sie uns mit Pflastersteinen, die Sie vor die Firmen und vor die Häuser unserer Abge­ordneten legen, mitteilen? Fliegen diese nächstes Mal durch die Fensterscheibe? (Abg. Nehammer: Das ist ein Skandal!) Was wollen Sie uns mit Pflastersteinen mitteilen? – Ich weise diese Vorgangsweise entschieden zurück! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Abänderungsantrag: Wir haben den Abänderungsantrag letzten Freitag bei der Sondersitzung allen Fraktionen übermittelt. Was sich jetzt ändert, ist die Frist des In­krafttretens, und es gibt eine geringfügige technische Abänderung. Ansonsten bleibt es bei der Freiwilligkeitsgarantie (Abg. Schieder: Bitte! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), beim Recht auf Geld oder Freizeit und dabei, dass wir die Viertagewoche weiterentwi­ckeln. Das steht nach wie vor im Abänderungsantrag, und wir werden ihn den Fraktio­nen jetzt übermitteln. (Abg. Schieder: Schickt einmal eine einzig richtige Version! Das ist eine Verhöhnung!)

Eines sage ich euch schon: Wir machen unsere Arbeit auf dem Fuße der Geschäfts­ordnung, und wenn euch das nicht passt, ist das eure Sache. Wir entwickeln dieses Land gemeinsam weiter! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

9.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Zinggl. – Bitte. (Abg. Nehammer: Pflastersteinpolitik! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.)


9.11.46

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ) (zur Geschäftsbehandlung): Erstens: Die Vorgänge außerhalb des Hauses haben nichts mit der Geschäftsordnung zu tun, und daher brauchen wir das auch nicht zu verhandeln! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Ruf: Seit wann denn? Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Zweitens: Ja, es stimmt, dieses Vorgehen entspricht der Geschäftsordnung, aber es ent­spricht nicht den Usancen des Hauses. (Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ich denke, wir haben ein Recht darauf, dass wir Abänderungsanträge – auch wenn sie sich nur geringfügig gegenüber den vorhergegangenen geändert haben – rechtzeitig innerhalb der Fraktionen diskutie­ren dürfen und nicht erst, wenn sie vorliegen und gleich danach abgestimmt werden.

Ich habe eine Frage an Sie, Herr Präsident: Wie sehen Sie die Wertschätzung des Par­laments, wenn diese Abänderungsanträge in den Medien diskutiert werden, das Hohe Haus aber nicht in der Lage ist, darüber zu sprechen, weil sie schriftlich nicht vorlie­gen? – Danke. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

9.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Schie­der. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 22

9.13.02

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung)|: Ich denke, dass Kollege Wöginger einem Irrtum aufsitzt, denn die Frist zu verändern – nämlich das Inkrafttreten vom 1.1.2019 auf 1.9.2018 vorzuverlegen –, das ist keine kleine Än­derung! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Es wäre eigentlich angebracht, dass wir, bevor wir in die Tagesordnung eingehen, zumindest erfahren – und zwar schriftlich, in einem ernsthaften Dokument, nämlich in Form eines Abänderungsantrages, der uns von den Regierungsfraktionen übermittelt wird –, was denn da geplant ist. Es ist, ehr­lich gesagt, nicht okay, dass man einfach sagt: Lest die Zeitung, denn dort haben wir es eh schon verlautbart!

Wir sind das Hohe Haus und wir haben auch ein Recht darauf, dass die Abänderungs­anträge vor Eingang in die Tagesordnung zumindest allen vorgelegt werden, damit man darüber nachdenken kann, ob man dafür oder dagegen ist. Durch Ihre Art des Vorge­hens wird der ganze parlamentarische Prozess schlechtgemacht. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: Als ob ihr über irgendwas nachdenkt!)

9.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosen­kranz. – Bitte.


9.14.01

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung)|: Zum Ersten kann ich Herrn Schieder insoweit beruhigen, als er selbstverständlich vor Eingang in die Tagesordnung den gültigen und dann auch zur Abstimmung kommenden Antrag be­kommen wird.

Zum Zweiten: Mich wundert, dass sich jetzt – noch vor einem halben Jahr, als wir Frei­heitlichen noch auf der Oppositionsbank saßen und Sie in der Regierung, haben Sie genau dieselben Vorgangsweisen praktiziert –, weil Sie woanders sitzen, Ihr Stand­punkt wieder ändert. Wir machen nur das, was Sie lange Jahre praktiziert haben (an­haltende Zwischenrufe bei der SPÖ), und jetzt auf einmal passt es nicht.

Kollege Hauser hat es Ihnen schon anhand der Rechnungshofberichte gesagt: Jetzt, da der Rechnungshof Ihr Versagen aufzeigt, wollen Sie es sogar dieser Regierung in die Schuhe schieben! – Hören Sie auf mit Ihrem lächerlichen Verhalten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da das alles keine Meldungen zur Geschäftsord­nung sind (Zwischenrufe bei der SPÖ) – Moment! –, unterbreche ich die Sitzung und rufe eine Stehpräsidiale ein.

09.15.03*****

(Die Sitzung wird um 9.15 Uhr unterbrochen und um 9.19 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

09.19.25Fragestun


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 23

de


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch den Bun­desminister für öffentlichen Dienst und Sport vom Rednerpult der Abgeordneten in der Mitte aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Ich werde leise darauf aufmerksam machen, wenn die Redezeit überschritten werden wür­de – ich habe hier eine Stoppuhr. Für die Beantwortung der Anfragen gibt es 2 Minuten Redezeit, für jene der Zusatzfragen nur 1 Minute.

Öffentlicher Dienst und Sport


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 1. Anfrage. Ich ersuche Frau Abgeordnete Graf darum, diese zu stellen. – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Mehr als eine Mil­lion Schülerinnen und Schüler besuchen unsere Schulen, und über 200 000 Kinder sind in unseren Kindergärten. Wir alle sind uns einig, dass sich unsere Kinder und Jugendli­chen täglich bewegen sollen. Es ist unser gemeinsames Ziel, dass die tägliche Bewe­gungseinheit für alle Kinder in öffentlich finanzierten Betreuungseinrichtungen – vom Kleinkind bis zum Ende der Schulpflicht – bundesweit umgesetzt wird. Gleichzeitig wol­len wir, dass unsere Kinder das vielfältige Angebot unserer zahlreichen Sportvereine wahrnehmen können, in welchen viele Ehrenamtliche große Leistungen erbringen. Da­für möchten wir uns vorweg einmal bedanken.

Ich darf Sie, Herr Vizekanzler, fragen:

40/M

„Was unternehmen Sie, um ausreichende Sport- und Bewegungs-Angebote für unsere Kinder und Jugendlichen in deren Lebensräumen wie etwa durch Vereinskooperatio­nen an Schulen sicherzustellen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es gibt unterschiedliche Projekte, wie etwa Kinder gesund bewegen und die Tägliche Bewegungs- und Sporteinheit. Wir haben da ein Programm, das wir an den Kindergärten und Volksschulen auch fortgesetzt haben. Mit diesem Projekt wollen wir erreichen, dass in den Kindergärten und in den Volks­schulen die tägliche Bewegungseinheit sichergestellt wird.

Wir arbeiten jetzt daran, diese beiden Projekte zusammenzulegen, damit eine Optimie­rung entstehen kann. Natürlich haben wir auch den Anspruch und das Ziel, das weiter auszubauen. Entscheidend ist, dass in diesem Bereich, nämlich Kindergärten und Volks­schulen, die tägliche Bewegung der Kinder für eine Stunde sichergestellt ist; das ist im Zuge dieser Legislaturperiode zu garantieren. Die Kosten belaufen sich in etwa auf 6,4 Mil­lionen Euro.

Unser Ziel ist es aber – auch im Zuge dieser Legislaturperiode –, gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und dem Bildungsministerium Wege zu suchen und zu finden, einen Ausbau in Richtung Pflichtschulen im Allgemeinen und höhere Schulsegmente zu ermöglichen. Das ist nur eine Kostenfrage, wir rechnen da mit weiteren Zusatzkos­ten von 54 Millionen Euro.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Das Miteinander von Bildungseinrichtungen und un­seren regionalen Vereinen wird für den Erfolg dieses Projekts ausschlaggebend sein.


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Um das zu unterstützen, sind zahlreiche Programme, wie etwa Kinder gesund bewe­gen, ins Leben gerufen worden.

Daher darf ich Sie auch fragen: Wie sind die laufenden Bewegungsprogramme bis dato angenommen worden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Wir haben im Schuljahr 2016/2017 im Rahmen von Kinder gesund bewegen rund 2,5 Millionen Bewegungsstunden umgesetzt, knapp 3 000 Kindergärten und Volks­schulen sind in diesem Programm involviert und machen auch mit. Das ist eines der größten Programme, das es in dieser Art in Europa gibt. Stellt man dazu Vergleiche an, dann sieht man, dass die Reichweite von Kinder gesund bewegen im Schuljahr 2017/2018 bei den Kindergärten bei 25 Prozent und bei den Volksschulen bei 39,2 Prozent liegt, kumuliert sind seit 2015 circa 55 Prozent der Kindergärten und Volksschulen mit Kinder gesund bewegen erreicht worden, und bei der Täglichen Bewegungs- und Sporteinheit waren es österreichweit 5 Prozent.

Deshalb ist sozusagen der Hintergedanke, dass wir das auch in ein Projekt zusam­menlegen, zusammenführen und effektiver gestalten und so eine noch größere Streu­ung erreichen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hoyos.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Guten Mor­gen, Herr Vizekanzler! Sie haben schon die Zusammenarbeit zwischen lokalen Ver­einen auf der einen Seite und Schulen und Bildungseinrichtungen auf der anderen Sei­te angesprochen. Da ist natürlich auch die Infrastruktur ein wichtiges Thema, weil die Bildungseinrichtungen oft die entsprechende Infrastruktur haben, die aber nicht zu 100 Prozent ausgelastet ist, und man da natürlich auch lokale Vereine besser einbin­den könnte.

Deswegen meine Frage: Welche Maßnahmen sind geplant, um die Auslastung der Sportinfrastruktur an Bildungseinrichtungen zu steigern, um diese sinnvoll zu nutzen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Es gibt dieses Ziel, und das ist ein gemeinsames Ziel, die Schulsportstätten zu öffnen, vor allen Dingen auch an den Wochenenden oder in den Ferien, und das ist ja ein vernünftiges Ziel, das, glaube ich, fast alle hier mittragen. Das Problem ist immer nur die Umsetzung. Wir erleben das seit Jahren.

Sie wissen, der Sportbereich ist in der Verfassung als Landeskompetenz definiert, das heißt, die Länder müssen das auch wollen, unterstützen und mittragen. Dort erleben wir aber, dass der Wunsch, diese Bereiche in den Schulen zu öffnen und für Fremde zugänglich zu machen, halt leider Gottes auf Ablehnung stößt. Die Frage wird sein, wie man da eine Bewusstseinsänderung in die Richtung, dass das ein vernünftiger Schritt wäre, herbeiführen kann. Natürlich müsste man dann auch für die Betreuung vor Ort sorgen, damit es nicht zu Zerstörungen oder Devastierungen kommt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 2. Anfrage, jener der Frau Na­tionalrätin Lueger. – Bitte.


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Gemäß Bun­desministeriengesetz sind Sie für alle Agenden des Sports in Österreich zuständig.


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Befürchten Sie mögliche negative Auswirkungen auf das gesamte Vereinsleben des Sports, das ja vor allen Dingen mit Ehrenamt funktioniert, wenn viele Ehrenamtliche jetzt dann den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche haben werden? Wird das dann aufrechtzuerhalten sein? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 46/M, hat folgenden Wortlaut:

„Gemäß dem Bundesministeriengesetz sind Sie für alle Angelegenheiten des Sports zuständig; befürchten Sie so wie viele Funktionäre im Bereich des öffentlichen Sports auch, dass die 60-Stunden-Woche negative Auswirkungen auf die Bereitschaft hat, den österreichischen Sport als Ehrenamtlicher zu unterstützen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Nein, ich habe keine diesbezüglichen Befürchtungen, denn es bleiben ja der gesetzliche 8-Stunden-Tag und die gesetzliche 40-Stunden-Woche die Normalität. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

So gesehen ist es auch wichtig, noch einmal festzuhalten, dass uns der Begriff der Frei­willigkeit ein wesentliches Anliegen war, denn wenn es um Arbeitnehmerschutz und um Arbeitnehmerrechte geht, dann ist es wichtig, diese Freiwilligkeit im Gesetz widerzu­spiegeln und den Arbeitnehmerschutz auch dahin gehend zu verbessern, dass es end­lich auch das individuelle Recht des Arbeitnehmers gibt, auch ohne Angabe von Grün­den abzulehnen.

Daher: Es muss niemand länger arbeiten, aber die, die wollen und die mehr verdienen wollen, können und dürfen, das wird entkriminalisiert. Sie können es sich im Sinne von mehreren Tagesfreizeitblöcken dann vielleicht erst recht besser einteilen und am Wo­chenende als Schiedsrichter oder im Rahmen anderer ehrenamtlicher Tätigkeiten im Sportbereich noch besser mitwirken. Ich sehe das also durchaus sehr, sehr positiv.

So gesehen bin ich froh – es gab ja dazu in den letzten Wochen sehr viele Fehlbe­hauptungen und Verunsicherungen, die da aufgebaut worden sind –, dass das jetzt of­fensichtlich rascher in Kraft gesetzt wird, denn dann sehen die Menschen bald, dass in der Realität viele der Dinge, die behauptet worden sind, einfach nicht stimmen, und dann wird auch der Vorteil spürbar. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Zu Ihrer Antwort noch: Allein mir fehlt der Glau­be. (Abg. Höbart: ... Fakten! – Abg. Rosenkranz: Man sieht, dass Demonstrationen Glaubensfragen sind! – Ruf bei der FPÖ: Wo ist die Sportfrage?)

Würden Sie sich in Anbetracht aller negativen Reaktionen, die es seitens der Bevölke­rung und auch seitens der kritischen Fachmeinung betreffend den Initiativantrag, der ja heute abgestimmt werden soll, betreffend den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche, gibt, auch selbst politisch dafür einsetzen, dass die Österreicherinnen und Ös­terreicher in Form einer Volksabstimmung eingebunden werden? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ich stelle noch einmal fest: Ich finde es gut, dass jetzt die Inkraftsetzung ra­scher stattfinden wird, damit man auch sehen wird, dass die Behauptungen unwahr


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sind, dass das Panikmache ist und dass das in der Realität nicht eintreten wird. Ich teile durchaus die Einstellung der SPÖ Steiermark – da ist Herr Lercher, glaube ich, Mitglied –, die dazu im Landtag eine sehr deutliche Stellungnahme abgegeben hat, näm­lich dass sie die Freiwilligkeit im Zusammenhang mit dem 12-Stunden-Tag nicht ab­lehnt.

So gesehen ist alles, was an Volksbegehren und Initiativen im rechtlich möglichen Rah­men stattfindet, selbstverständlich legitim und auch richtig. Sie wissen, wir werden im Zusammenhang mit der direkten Demokratie bei nationalstaatlichen Fragen hier im Parlament 2021 eine Gesamtänderung der Verfassung beantragen. Ich hoffe, dass Sie das dann im Sinne der Verfassungsmehrheit auch sicherstellen, denn dann gibt es in Zukunft das Initiativrecht der Bevölkerung, Volksabstimmungen zu erzwingen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Haubner.


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Wer den An­trag genau gelesen hat, weiß, der 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche bleiben die Regel. 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich ja mehr Flexibilität, und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit heißt auch mehr Flexibilität beim Ehrenamt.

Deshalb meine Frage, Herr Vizekanzler: Welche positiven Auswirkungen sehen Sie durch die Freiwilligkeitsgarantie betreffend Arbeitszeitflexibilisierung für das Ehrenamt, insbesondere für den österreichischen Sport?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Gerade durch das Prinzip der Freiwilligkeit wird jetzt eine Möglichkeit ge­schaffen, die Bedürfnisse des Arbeitnehmers entsprechend einzubringen, dies auch langfristig im Rahmen einer Planung gemeinsam mit dem Unternehmen beziehungs­weise dem Unternehmer zu besprechen, die Wünsche dort zu deponieren und entspre­chende flexible Einteilungen zu treffen, wie es der Einzelne für sich persönlich auch als Bedarf sieht. Es ist natürlich eine Möglichkeit, sich – auch zum Vorteil des Ehrenamts – mehrere Tagesfreizeitblöcke einzuteilen; wir haben ja heute schon gehört, dass wir in­sofern die Vier-Tage-Woche weiter ausbauen.

So gesehen sehe ich die Flexibilität als Vorteil, denn heutzutage haben viele oftmals ein Problem, da oder dort am Vormittag oder am Nachmittag ehrenamtlich tätig zu sein, zum Beispiel wenn es eine wichtige Veranstaltung gibt; und so kann man es sich sicher besser einteilen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage des Abgeordneten Linder. – Bitte.


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich bin Bür­germeister einer Gemeinde mit 1 500 Einwohnern und 14 Vereinen. Ich weiß aus Er­fahrung, dass jene Vereinsobmänner, die eine flexible Arbeitszeit haben, wesentlich mehr Zeit für die Vereinsarbeit haben. (Ruf bei der FPÖ: So ist es!) Schwierigkeiten be­reiten den Vereinen aber all die Hürden und Auflagen, die in den letzten Jahren aufge­baut wurden.

Werden Sie hier den erfolgreichen Weg der Bundesregierung weitergehen und auch im Sportbereich den Vereinsobmännern Erleichterungen schaffen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ja, wir haben jetzt die Sportstrategie Austria in Arbeit, wir versuchen, damit


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alle Problemstellungen und Fehlentwicklungen der letzten Jahre aufzufangen und eine klare Strategie aufzusetzen, die wir dann im Zuge der Legislaturperiode abarbeiten wol­len.

Und ja, es ist gerade im ehrenamtlichen Bereich vieles notwendig, da wird Großartiges geleistet. Wir müssen auch dahin gehend tätig werden, wenn es um Versicherungen für Personen geht, die in einem Ehrenamt, auch sportlich, tätig sind. Wir müssen Über­legungen anstellen, die Menschen zu versichern. Es geht auch um die Berufssportler; auch da gibt es Entwicklungen, abseits des Ehrenamts, da müssen wir überlegen, was ist, wenn jemand arbeitslos wird. Beispielsweise braucht ein Fußballer nicht eine AMS-Schulung, um zurückzufinden oder vielleicht bei einer Mannschaft unterzukommen, son­dern auch eine Versicherungsleistung, zumindest ein paar Jahre lang, um sich beruf­lich neu zu orientieren.

Alle diese Dinge bewerten wir jetzt; und wir werden diese Strategie dann im Herbst auch präsentieren und zeigen, welche konkreten Maßnahmen wir vorhaben. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Hofinger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 3. Anfrage, jener des Abgeord­neten Herbert. – Bitte.


Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Öffentlich Be­dienstete sind oft Opfer schwerer tätlicher Angriffe; nicht nur der Exekutivbereich war davon betroffen, sondern zuletzt auch Heeresangehörige und sogar Gerichtsvollzieher.

Daher lautet meine Frage:

43/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um die Folgen tätlicher Angriffe gegen Öffentlich-Be­dienstete zu lindern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sie wissen, es wurde in einer Plenarsitzung die neue Dienstrechts-Novel­le 2018 mit einigen wesentlichen Verbesserungen beschlossen, beispielsweise die Fort­führung des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes, das jetzt sozusagen im Rah­men des allgemeinen Dienstrechts verankert ist. Wir haben aus einer Kannbestimmung eine Mussbestimmung gemacht, es gibt einen gesetzlichen Anspruch für alle Bundes­bediensteten. Das heißt, das gilt nicht mehr nur für Polizisten und nicht mehr nur für gewisse Soldatinnen und Soldaten, sondern für alle Bundesbediensteten, die attackiert werden, die im Dienst verletzt werden. Sie haben in Zukunft einen gesetzlichen An­spruch auf Hilfeleistung in der Höhe von 70 000 Euro.

Auch bei dramatischeren Ereignissen, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, als Beamte zu Tode gekommen sind – wir hoffen, dass das nicht passiert –, erhalten die Angehörigen eine gesicherte Entschädigungssumme von zumindest 115 000 Euro; und auch die Begräbniskosten – bis zu 5 000 Euro – werden in Zukunft abgedeckt. (Zwi­schenruf des Abg. Lausch.)

Wir sind es den Beamten schuldig, dass wir hier in unserer Verantwortung und Ver­pflichtung auch für sie da sind. Es dürfen nicht wieder Dinge passieren wie in der Ver­gangenheit, als verletzte Beamte auf der Strecke geblieben sind oder sogar Angehöri­ge auf der Strecke geblieben sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Vizekanzler, ich darf mich an dieser Stelle noch einmal für diese guten dienstrechtlichen Maßnahmen bedanken, insbesondere für


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die Einbettung des WHG in das Gehaltsgesetz, aber auch die weiterführenden finan­ziellen Absicherungen, die da geschaffen wurden, weil ich glaube, dass das einen gro­ßen Schritt für den öffentlichen Dienst und eine große Wertschätzung für die öffentlich Bediensteten darstellt.

Zu meiner Zusatzfrage: Öffentlich Bedienstete sind aber auch immer wieder Opfer von ungerechtfertigten medialen Angriffen, was mitunter nicht nur emotional sehr belas­tend, sondern im Klagsfall auch mit hohen Kosten verbunden ist. Daher lautet meine Zusatzfrage: Welche Maßnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte sind diesbe­züglich zukünftig geplant?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Wichtig ist, glaube ich, einmal grundsätzlich festzustellen und festzuhalten, dass wir den Beamten volle Unterstützung zu geben haben und dass es nicht sein kann, dass im öffentlichen Raum immer wieder Anschuldigungen gegenüber Beamten vorgenommen werden und dass diese dann eben schutzlos zurückgelassen werden.

Von meiner Seite als Minister für den öffentlichen Dienst wird es die volle Unterstüt­zung für alle Beamten geben. Wir werden nicht zulassen, dass da Diffamierungen im Raum stehen bleiben, wenn es zu solchen kommen sollte. Das kann ich auch für an­dere freiheitliche Minister, für den Innenminister und auch für den Verteidigungsminis­ter, so festhalten.

Natürlich ist es auch vernünftig, über konkrete Versicherungsleistungen nachzudenken, wobei ich weiß, dass auch die Personalvertretungen diesbezüglich gute Angebote ha­ben und auch Rechtssicherheit anbieten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Herbert: Danke schön!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, jener des Abgeord­neten zum Nationalrat Loacker. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Vizekanzler! In der offenen Frage der Vordienstzeitenanrechnungen für Beamte vor dem 18. Lebensjahr gibt es ja aktuell Verfahren beim Europäischen Gerichtshof. Und die Parlamentskorrespondenz schreibt dazu:

„Ein mögliches Ergebnis des Verfahrens könnte eine Anrechnung von Vordienstzeiten von bis zu drei Jahren sein, gab“ Vizekanzler Strache „zu bedenken und bezifferte die zusätzlichen Kosten für das Budget in diesem Fall mit einem Rahmen von 600 Mio. € bis 3 Mrd. €.“

Die Deutschen hatten diese Thematik auch, daher lautet meine Frage:

49/M

„Welche Aspekte der deutschen Regelung bzgl. Anrechnung von Vordienstzeiten kön­nen Ihrer Ansicht nach auch in Österreich angewandt werden, um – so wie in Deutsch­land – zu einer europarechtlich haltbaren Lösung zu kommen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Loacker, zur zukünftigen Gestaltung der Vordienstzeiten: Eine Klage ist gerade beim Europäischen Gerichtshof anhängig, wir warten daher jetzt das Urteil ab. Wir wissen alle nicht, wann das kommen wird. Es gibt am 12. September eine mündliche Verhandlung, wir werden dort auch unsere Stellung­nahme abgeben; dann erst wird es zu weiteren Beratungen des EuGHs kommen. Man-


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che meinen, erst mit Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres wird es dann ein EuGH-Urteil geben. Das müssen wir einmal abwarten.

Was die Anlehnung an die deutsche gesetzliche Situation betrifft, haben wir bezie­hungsweise Vorgängerregierungen das in der Vergangenheit versucht, und zwar auf einer Basis, von der man sagen kann: ohne kostentechnische Reparaturen vorzuneh­men, sondern sich diese zu sparen. Die Deutschen haben das teilweise mit kosten­technischen Reparaturen vorgenommen. Das hat der EuGH auch positiv bewertet.

Ich stelle nur grundsätzlich fest: Es kann alles der Fall sein. Wir sind durchaus guter Dinge, wir könnten dieses Verfahren vor dem EuGH auch gewinnen; auch das ist mög­lich. Ich zeige aber auch das Worst-Case-Szenario auf: Es kann passieren, wenn der EuGH diesbezüglich ein Urteil spricht, dass wir am Ende zusätzliche Kosten von min­destens 500 bis 650 Millionen Euro haben werden; die könnten dann eben auch höher sein. Ich gehe aber davon aus, dass wir da gemeinsam mit dem EuGH und auch mit den Vertretern der Beamtenschaft eine streckende Lösung finden werden – aber mit Kostenreparatur.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Es hat bereits einmal eine Beinahever­handlungslösung mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gegeben, die dann geschei­tert ist, weil einzelne Beamte bei dieser Lösung bis zu 0,6 Promille ihrer Lebensver­dienstsumme verloren hätten.

Wären Sie bereit, im Sinne der Rechtssicherheit auch dann eine Lösung durchzuset­zen, wenn die Gewerkschaft wegen eines Verlusts von 0,6 Promille für einzelne Mitar­beiter nicht mitgeht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Also ich kann es eher umdrehen und Ihnen sagen: Mein Anspruch als Mi­nister für den öffentlichen Dienst ist zum einen, dass eine Reparatur, wenn wir eine solche durchführen, so nachhaltig ist, dass sie nicht mehr vor den EuGH kommt, und zum anderen, dass kein Beamter irgendeinen Schaden nehmen muss, dass wir im Zu­ge der Reparatur also danach trachten, dass keiner weniger haben wird. Ich glaube, damit wird die Gewerkschaft kein Problem haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage des Herrn Abge­ordneten Ofenauer. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Vizekanzler! Es wurde schon in der Fragestellung und auch in Ihrer Beantwortung an­gesprochen, aber könnten Sie vielleicht noch näher darauf eingehen, welche finanziel­len Auswirkungen tatsächlich im Raum stünden, wenn der Europäische Gerichtshof dieser Klage betreffend die Anrechnung der Vordienstzeiten stattgibt? Ich denke, das ist doch ein sehr großer finanzieller Brocken und wir müssen uns diesbezüglich bemü­hen, dass wir eine gute und tragfähige Lösung finden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Der Ausgang der zwei konkreten anhängigen Verfahren kann natürlich nicht abgeschätzt werden – und auch nicht, was als Endergebnis eines möglichen Urteils oder Freispruchs auf uns zukommt.

Für den Fall, dass sich aus dem EuGH-Urteil eine zwingende zusätzliche Anrechnung von bis zu drei Jahren an Vordienstzeiten ergeben sollte – das habe ich schon einmal dargelegt –, drohen dem Bundesbudget jährliche Mehrkosten in Höhe von 5 Prozent


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des Personalaufwands; das wären umgerechnet 650 Millionen Euro, mit denen wir dann kalkulieren müssten.

Wenn der Bund zusätzlich noch nicht verjährte Nachforderungen für die vergangenen Jahre begleichen muss, drohen insgesamt sogar Mehrkosten von bis zu 2,6 Milliarden Euro. Nicht näher bezifferbare Mehrkosten würden sich auch für die Länder und Ge­meinden ergeben, sofern diese vergleichbare Regelungen in ihren Besoldungsrechten haben. So gesehen kann man es nicht genau definieren, und wir können nur spekulie­ren.

Schlusssatz: Wir werden den Schaden so gering wie möglich halten und erstmals si­cherstellen, dass beim Gesetz nicht wieder eine Flickschusterei stattfindet, sondern ei­ne gesicherte, nachhaltige Reparatur, damit kein weiterer Schaden entsteht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 5. Anfrage, jener der Abge­ordneten Bißmann. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Guten Morgen, Herr Vizekanz­ler und Bundesminister! Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Antwort auf eine Frage zu einem schwierigen Thema.

Analog zu anderen Lebensbereichen ist davon auszugehen, dass eine, einer von fünf SportlerInnen Opfer sexualisierter Übergriffe im Sport wird. In der Sitzung des Sport­ausschusses am 6.4. haben Sie gesagt, dass Sie die Sache sehr ernst nehmen und die Vorfälle systematisch aufarbeiten wollen. Als erster Schritt wurde der Auftrag, eine Studie zu erstellen, an den Verein 100% Sport vergeben, aus dieser sollen Schlussfol­gerungen für die Präventionsarbeit gezogen werden.

Meine Frage dazu lautet:

51/M

„Welche Maßnahmen – abseits der Verbreitung und Umsetzung der Studienergebnis­se – plant das Sportministerium, um sexualisierte Gewalt im Sport einzudämmen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass jeder sexuelle Übergriff eine Ka­tastrophe darstellt und wir grundsätzlich alle Schritte zu setzen haben, um dagegen auch konsequent vorzugehen. Es ist aber nicht meine Aufgabe als Sportminister, ir­gendwelche Bewertungen im Hinblick auf in den Raum gestellte Behauptungen zu tref­fen; dafür gibt es Gerichte, die haben das aufzuklären und auch entsprechende Urteile zu fällen.

Meine Aufgabe ist es – das habe ich auch im Ausschuss gesagt –, dass ich Verantwor­tung im Bereich der Prävention und dahin gehend Schritte zu unternehmen habe. Ana­log zur Kölner Studie gibt es jene des Vereins 100% Sport, und Frau Dr. Diketmüller hat diesbezüglich schon Arbeitssitzungen abgehalten und wird ihre Ergebnisse im Herbst präsentieren. Wir haben auch ein Notfalltelefon, da können sich Betroffene mel­den.

Und, ja, ich kann mir durchaus auch vorstellen – und das kann dann sozusagen eine aus dieser Studie abgeleitete Konsequenz sein –, dass wir in Zukunft die Sportförder­mittelvergabe damit verbinden, dass präventive Maßnahmen zur Verhinderung von se­xuellem Missbrauch bei den Förderwerbern irgendwo implementiert sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.



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Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Sie haben meine Zusatzfrage schon zum Teil beantwortet. Die wäre nämlich gewesen, ob Sie sich vorstellen können, dass Sie die Einhaltung der Empfehlungen zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport zukünftig zur Bedingung machen, wenn Sie Förderungen an Sportvereine verge­ben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Es kann im Rahmen eines Fördergrundsatzes ein wesentlicher Bestandteil sein, Präventionsmaßnahmen zu setzen, auch aufzuklären, also dass es Meldestellen, Telefonhotlines et cetera gibt, sodass sich Betroffene eben auch melden und Hilfe be­anspruchen können.

Oftmals, wenn sexuelle Übergriffe stattfinden, sind ja die Opfer einerseits so beschämt und befinden andererseits in einer derartigen Sondersituation, dass sie sich gar nicht trauen, das irgendwo zu melden oder irgendjemanden darüber zu informieren. Ich sa­ge: Diese Angst und Sorge muss man ihnen nehmen und weitere Aufklärung sicher­stellen. (Abg. Bißmann: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage der Frau Abgeord­neten Erasim. – Bitte.


Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Kindern und Jugendlichen Spaß an Bewegung zu vermitteln sehe ich als eine der Hauptaufga­ben der Sportpolitik. Es muss aber auch sichergestellt sein, dass sich junge Menschen die Freude am Sport durch eine respektvolle Atmosphäre bewahren.

Deshalb meine Frage: Was unternimmt Ihr Ressort, um Trainerinnen und Trainer, Funktionärinnen und Funktionäre auf die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geforderte Sensibilität speziell vorzubereiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ich als Sportminister habe gewisse Zuständigkeiten, wie Sie wissen; es geht um internationale Bewerbe, um den Erhalt der Sportstätten, den wir auch sicherstellen. Darüber hinaus gibt es Landeskompetenzen, eine Bundes-Sportorganisation, eine Bun­des-Sport GmbH und auch großartige Dach- und Fachverbände. Mit ihnen stehen wir in engstem Kontakt, und gemeinsam haben wir selbstverständlich eine entsprechende Ausbildung sicherzustellen, denn gerade die Dachverbände bis hinunter zu den Fach­verbänden haben die größte Erfahrung, wenn es etwa um Trainer geht. Diesbezüglich sind wir mit den Dachverbänden permanent in Kontakt. Es gibt bereits eine exzellente Arbeit dieser Verbände – das muss man auch festhalten –, sie verfügen in diesem Be­reich über Sensibilität, die sie auch leben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 6. Anfrage, jener des Abgeord­neten Ofenauer. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ja das höchste Gut von Unternehmen. Das ist auch im öffentlichen Dienst so, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit ihrem Fachwissen, mit ihrer Expertise ein Garant für das Funktionieren des Rechtsstaates sind und das Rückgrat der Verwaltung darstellen.

Jetzt macht aber die demografische Entwicklung im Allgemeinen auch vor dem Perso­nal im öffentlichen Dienst nicht halt. Meine Frage lautet deshalb: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um einem Verlust von Know-how, der durch Pensionierungen zu entstehen droht, entgegenzuwirken?

*****


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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 41/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen sind geplant, um im Öffentlichen Dienst das Know How, das durch Pensionierungen verloren geht, zu erhalten?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sie haben völlig recht, da besteht Handlungsbedarf. Wir haben ja schon im Regierungsprogramm festgehalten, dass wir Prioritäten setzen, dass es in gewissen Bereichen auf gar keinen Fall einen Abbau von Planstellen geben darf und wir für die Schaffung von mehr Planstellen Sorge zu tragen haben. Das ist generell der Bereich der Sicherheit, wo wir 2 100 neue Planstellen für Exekutivbeamte plus 2 000 Ausbil­dungsplanstellen schaffen werden und sichergestellt haben. Auch bei der Justizwache, die ein wesentliches Segment darstellt, gibt es keinen Abbau von Planstellen, wie er durch die Vorgängerregierung bereits vorgesehen war. Darüber hinaus haben wir dort hundert Ausbildungsplanstellen sichergestellt und wissen, dass es im Jahr 2020 mehr brauchen wird. Auch im Bereich Bundesheer handhaben wir das ähnlich.

Ein wesentlicher Punkt ist vielleicht die Überalterung. Das Durchschnittsalter im Bun­desdienst ist wesentlich höher als in der Privatwirtschaft. Im Bundesdienst beträgt es 46,1 Jahre, in der Privatwirtschaft 38,3 Jahre. Wir haben da Handlungsbedarf. Ich habe der Sektion den Auftrag gegeben, das zu evaluieren, zu überprüfen, überalterte Struk­turen in den Abteilungen zu eruieren und mit konkreten Modellen gegenzusteuern, da­mit man eine Stelle nicht erst dann, wenn ein Beamter in Pension geht, nachbesetzen kann, sondern sich Junge schon zwei Jahre vor der Pensionierung auf dieser Planstel­le einarbeiten können, indem man – das sage ich ganz bewusst – zentrale Planstellen­pools schafft. Damit kann man flexibler auf solche Entwicklungen reagieren, damit das Know-how nicht verloren geht und so auch die Jungen von den erfahreneren Älteren, bevor diese in den Ruhestand gehen, lernen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Diese überlappende Personalbewirt­schaftung und Stellenbesetzung ist sehr interessant. Mich würde aber auch interessie­ren: Welche Rolle kann die Digitalisierung und Technisierung bei diesem Know-how-Transfer spielen? Gibt es da spezielle Maßnahmen, Mittel, Wege und Möglichkeiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Natürlich ist durch die Digitalisierung auch die Notwendigkeit gegeben, Dinge zu optimieren und zu verbessern, wenn es um Wissenserwerb, Wissensverarbeitung und Wissensweitergabe geht. Da gibt es auch bereits bestehende Tools, etwa den Elektronischen Akt oder ein elektronisches Dokumentationsservice, die wir im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Bundes auch vereinheitlicht und standardisiert sicher­stellen wollen.

Das Ministerium für öffentlichen Dienst hat im Rahmen seiner Zuständigkeiten ganz kon­kret folgende zusätzliche Maßnahmen definiert: die Erstellung eines elektronischen Leitfadens zu den Instrumenten der Wissenssicherung für Personalverantwortliche, die Intensivierung nicht nur des analogen interministeriellen Austausches zum Thema Wis­sensmanagement, sondern auch die Entwicklung einer webbasierten ressortübergrei­fenden bundesweiten Plattform und darüber hinaus den Ausbau des Seminarangebots


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der Verwaltungsakademie zum Thema integriertes Wissensmanagement und Wissens­sicherung und zu den einzelnen Werkzeugen des Wissensmanagements.

Auf diesen Ebenen haben wir das in unserem Ministerium jetzt aufgesetzt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Zusatzfrage des Herrn Abge­ordneten Loacker. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Es gibt viele Mitarbeiter, die dem Beamtendienstrecht unterliegen, die bei der Post, bei den Bundesbahnen und in vielen anderen Betrieben arbeiten. In den letzten Jahren hat die Zahl derer zugenommen, die dort wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand ver­setzt worden sind. Damit laden solche Unternehmen ihre Personalkosten beim Steuer­zahler ab und können billig neue Mitarbeiter einstellen.

Welche Maßnahmen sehen Sie, die man treffen könnte, um das zu unterbinden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Auch das ist eine berechtigte Frage, die uns beschäftigt, nämlich wie wir grundsätzlich dafür Sorge tragen können, ältere, erfahrene Mitarbeiter im Bereich des öffentlichen Dienstes zu behalten.

Es ist nicht nur der Grund, den Sie genannt haben, ausschlaggebend, sondern oftmals auch, dass – ich nenne jetzt ein Beispiel – Exekutivbeamte, wie wir sehen, im Durch­schnitt ab dem 60. oder 61. Lebensjahr in Pension gehen, weil sie ihre Zulagen ver­lieren. Wir wollen im Rahmen eines neuen Dienstrechtsgesetzes 2019 über Modelle nachdenken, wie wir für ältere Dienstnehmer im öffentlichen Dienst dann, wenn sie im Innendienst, im Verwaltungsbereich landen, also nicht mehr Außendienst machen, ihren Dienst so attraktiv gestalten können, dass sie nicht die Zulagen verlieren, son­dern ein Mehr haben und daher auch der Anreiz da ist, länger im Dienst zu bleiben und nicht früher in Pension zu gehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Nationalrätin Cox.


Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Herr Präsident! Herr Minister Strache, Sie haben schon über den Know-how-Transfer gesprochen. Es ist ja so, dass wir da von 48 Prozent des Personals in den nächsten elf Jahren sprechen. Das heißt, es geht da um eine sehr große Zahl von Menschen, es ist ein großer Wechsel, der da stattfinden wird. Vor allem geht es auch um einen Generationenwechsel, man spricht von diesem Know-how-Transfer zu jungen Leuten, und es geht auch darum, neue Führungskräfte auszubilden.

Wir haben diesbezüglich eine Anfrage an Sie gestellt, und auf die Frage, welche kon­kreten Maßnahmen Sie für Traineeships und die Förderung von Talenten zum Beispiel vorhaben, haben Sie geantwortet: „Auf die Weiterentwicklung der in dieser Frage ange­sprochenen HR-Instrumente wird angesichts der auf die öffentliche Verwaltung zukom­menden Herausforderungen zu fokussieren sein“.

Jetzt stelle ich mir die Frage – die Frage ist sehr allgemein gehalten –: Was haben Sie konkret vor? Da geht es ja wirklich um viele, viele Menschen, um Talente und um aku­ten Wissenstransfer.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ich versuche, das sozusagen herunterzubrechen. Ich bin jetzt das erste Halb­jahr in der Verantwortung des Ministers für öffentlichen Dienst und habe meine Sektion angewiesen und auch beauftragt, einmal alle Bereiche zu evaluieren im Hinblick auf


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demografische Strukturen, Überalterungsstrukturen, im Hinblick darauf, in welchen Ab­teilungen es Überalterung gibt, wo wir das rechtzeitig mit jungen Nachwuchskräften kompensieren und Talente suchen und fördern müssen.

Wir haben im öffentlichen Dienst großartige Beamte, die ein unglaubliches Know-how haben und gerne im öffentlichen Dienst sind, und darauf können wir auch stolz sein. Die würden in der Privatwirtschaft vielleicht da oder dort mehr verdienen, trotzdem blei­ben sie gerne im öffentlichen Dienst, weil sie für sich persönlich vielleicht andere Priori­täten setzen.

Wir müssen uns überlegen – und diesen Auftrag habe ich erteilt –, wie wir auf diese Gegebenheiten eingehen und auch gegensteuern können und wie wir auch ältere Ar­beitnehmer, wenn sie über Know-how verfügen, für den öffentlichen Dienst gewinnen. Im Bereich Cyberkriminalität, Cyberdefence haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass man nicht nur bis zum 40. Lebensjahr Soldat werden kann, sondern auch danach, weil wir auch auf ältere Fachkräfte zurückgreifen wollen und da völlig neue Herausforderun­gen auf uns zukommen. (Zwischenruf der Abg. Cox.) – Leider nicht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 7. Anfrage, jener von National­rat Wittmann. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Vizekanzler! Das Bundesamt für Ver­fassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist in aller Munde, nicht gerade positiv, aufgrund des unglücklichen Agierens des Innenministers.

Jetzt ist die Frage: Sie haben ja durch das Bundesministeriengesetz ein Auskunftsrecht eingeräumt bekommen. Wie und wie oft haben Sie von diesem Auskunftsrecht in die­ser schwierigen Situation des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbe­kämpfung Gebrauch gemacht?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 47/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie haben Sie Ihr Auskunftsrecht gegenüber u.a. dem Bundesamt für Verfassungs­schutz und Terrorismusbekämpfung genützt, welches mit der letzten Novelle zum Bun­desministeriengesetz eingeführt wurde?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Es gibt ein Auskunftsrecht und auch die Möglichkeit, dass der Bundeskanzler und der Vizekanzler gemeinsam mit dem Bundespräsidenten entsprechende Fragen an die zuständigen Beamten richten, um einen aktuellen Informationsstand zu erhalten. Ich habe das bis dato nicht in Anspruch genommen, weil ich überhaupt keinen Anlass gesehen habe, darauf zurückzugreifen. Würde ich in Zukunft einen Anlass dazu sehen, dann würde ich darauf zurückgreifen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Aufgrund des unglücklichen Interviews des Innenministers im „Report“ geht in vielen Redaktion von kritischen Medien das Gerücht um, dass es bei kritischen Medien zu Hausdurchsuchungen kommen wird.

Was werden Sie persönlich tun, um das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit in Österreich vor derartigen Vorgangsweisen zu schützen?



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Gerade die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit sind ein hohes Gut, und dafür treten wir alle ein. Da gibt es auch keinerlei Gefährdung.

Sie haben in Ihre Frage eine Interpretation hineingelegt und rechnen mit Hausdurchsu­chungen, was ich nicht so sehe; im Gegenteil, die sind nicht zu befürchten. Ich gehe davon aus, dass diese Fehlinterpretationen, die da oder dort vielleicht bewusst oder unbewusst gemacht werden, eher der Parteipolitik dienen; aber ich meine, sie sollten da nicht Platz greifen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Kuntzl.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Lasar.


Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Meine Frage: Können Sie uns Ihre Einschätzungen dazu mitteilen, welche sicherheits­politischen Maßnahmen auch durch das BVT in Zukunft notwendig sein werden, damit bei sportlichen Großereignissen die Sicherheit der Teilnehmer und der Zuseher ge­währleistet ist? Ich denke da im Besonderen an die Gefährdung durch islamistisch mo­tivierten Terror.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Die Sicherheit ist in Österreich gewährleistet. Wir haben sehr gute und funk­tionierende Sicherheitsstrukturen.

Im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gibt es konkrete Vorwürfe gegenüber Beamten, und da ist die Staatsanwaltschaft tätig geworden. Bei so konkreten Verdachtsmomenten eines möglichen Amtsmissbrauchs ist es notwendig, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, denn so etwas hat ja in einer so wesentlichen und wichtigen Struktur wie dem BVT nichts verloren. Diese Aufklärung stellt die Staats­anwaltschaft sicher, das haben wir abzuwarten, und da gilt die Unschuldsvermutung; aber das muss aufgeklärt werden.

Die Arbeit des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung funk­tioniert aber bestens, die Mitarbeiter dort haben, so wie ich auch öffentlich vernommen habe, den Auftrag, bis Ende des Jahres Reformvorschläge, Evaluierungsvorschläge zu erarbeiten. Es gibt seit Jahren die Situation und auch schon vorhergehende Innenmi­nister haben gesagt, dass es eine Optimierung des BVT in Richtung einer besseren geheimdienstlichen Struktur geben muss, damit man, wenn es um Recherche geht, um die Definition krimineller Organisationen, extremistischer Strukturen, entsprechend nach­haltig beobachten kann, um dann polizeilich dagegen vorgehen zu können. Dazu wer­den andere gesetzliche Mechanismen benötigt, als es sie bisher gab, und daran wird gearbeitet.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 8. Anfrage, jener des National­rates Lausch. – Bitte.


Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Die Exeku­tive sorgt täglich für die Sicherheit von uns allen und der österreichischen Bevölkerung. In den letzten Jahren spitzte sich die Personalknappheit bei Polizei und Justizwache dramatisch zu.

Daher meine Frage:

44/M

„Welche Maßnahmen werden Sie insbesondere in den Personalbereichen Polizei, Bun­desheer und Justizwache setzen, um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten?“



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sie wissen, dass wir das im Regierungsprogramm für die Sicherheitsministe­rien sehr klar definiert haben. Im Exekutivbereich – ich wiederhole – hat es in den letz­ten Jahren dramatische Fehlentwicklungen gegeben. Seit der Osterweiterung wurde Exekutivpersonal abgebaut, es gibt über 5 000 Planstellen weniger, obwohl wir mehr gebraucht hätten. Wir kompensieren das jetzt mit über 2 100 zusätzlichen Exekutiv­planstellen und 2 000 Ausbildungsplanstellen bei der Polizei.

Wir wissen, dass wir, wenn die Aufnahmen in den nächsten zwei Jahren Bedeckung finden, auch in der Justizwache nachjustieren und nicht nur hundert neue Ausbildungs­planstellen sicherstellen müssen, wie wir es jetzt tun, sondern auch neue Planstellen bei der Justizwache schaffen, gesetzliche Verbesserungen vornehmen und auch ent­sprechende Rahmenbedingungen für die Justizwache schaffen müssen. Die Bediens­teten leisten dort Enormes, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, haben jeden Tag mit Verbrechern, die teilweise schwere Gewalttaten begangen haben, zu tun, sind auch ei­ner persönlichen Gefährdung ausgesetzt und verdienen, was Zulagen und Gehalts­strukturen betrifft, Verbesserungen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Im Namen der Exekutive herzlichen Dank für die wichtigen Maßnahmen und Schritte, die bis jetzt eingeleitet wurden!

Meine Zusatzfrage lautet: In welchen Bereichen der öffentlichen Sicherheit sehen Sie weiteren dringenden Handlungsbedarf?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Es gibt einige. Wir haben jetzt im Dienstrechtsgesetz schon einmal bei den Soldatinnen und Soldaten angesetzt, nämlich dort, wo es um Auslandszulagen und hil­feleistungsgesetzliche Bestimmungen geht, wie wir heute schon gehört haben. Wenn es darum geht, dass Soldatinnen und Soldaten in Krisengebieten zum Einsatz kom­men, dann haben wir auch die Wertschätzung für das, was sie dort leisten, auszudrü­cken, und zwar auch mit einer Erhöhung und einer Anpassung der Auslandszulagen. Das wurde mit einem Betrag in Höhe von plus 1,3 Millionen Euro für ein paar hundert Soldatinnen und Soldaten, die im Ausland tätig sind, sichergestellt. Das ist ein wesent­licher Schritt; das zeigt die Wertschätzung, den Respekt gegenüber den Beamten und Beamtinnen und dem, was sie leisten.

Das muss aber auch im Bereich der Ausrüstung fortgesetzt werden, zum Beispiel mit Schutzwesten, wie aktuell bei der Polizei. Es muss flächendeckend schusssichere und stichfeste Westen, und zwar für jeden Beamten eine, geben. Das muss sichergestellt werden, damit es nicht so ist wie derzeit, nämlich dass diese permanent weitergegeben und getauscht werden und dann nicht passen. Das sind ja keine optimalen Zustände. Da braucht es einfach professionelle, optimale Zustände mit den besten Ausrüstungs­gegenständen und auch den besten gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Beam­ten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter An­drosch.


Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vi­zekanzler! Sie haben im Rahmen des gestrigen Sitzungstages davon gesprochen, dass die Exekutivbeamtinnen und -beamten sehr viele Überstunden zu leisten haben; ich möchte mich an dieser Stelle bei den Beamtinnen und Beamten dafür bedanken.


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Meine Frage an Sie lautet: Was werden Sie unternehmen, um die horrende Zahl an Überstunden, die unsere Exekutivbeamtinnen und -beamten leisten müssen, in Zukunft zu vermeiden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ja, das Müssen ist immer ein Problem, deshalb bin ich ja froh, dass wir im Rahmen der Arbeitszeitflexibilisierung endlich sicherstellen, dass es Freiwilligkeit gibt und nicht das Müssen im Vordergrund steht (Beifall bei FPÖ und ÖVP), so wie das in den letzten Jahren im Bereich des öffentlichen Dienstes durch Vorgängerregierungen festgelegt und beschlossen wurde oder auch bei der Kärntner Straßenmeisterei durch das Landesdienstrecht, bei den ÖBB oder sonst wo.

Das Müssen ist nie gut, aber viele wollen auch. Ich weiß, dass gerade im Exekutiv­dienst viele gerne Überstunden machen, weil sich die Zuschläge und Überstunden, die die dort Beschäftigten machen, im Gehalt entsprechend widerspiegeln und das für sie vorteilhaft ist. Ich weiß, dass es bei der Exekutive auch Debatten darüber gibt, zu ei­nem 8-Stunden-Tag zurückzukehren; das lehnen fast 100 Prozent der Exekutivbeam­ten aber vehement ab und sagen: Das ist eine Pseudodebatte, das wollen wir nicht! Die Regelung, wie wir sie jetzt haben, ist gut und richtig, das wollen wir so!

Ja, wir wollen durch die Schaffung von mehr Exekutivplanstellen dagegenwirken. Das heißt, indem wir jetzt die Ausbildung für 2 000 neue, zukünftige Polizisten in der Poli­zeischule sicherstellen, tragen wir dafür Sorge, dass Polizeibeamte durch die Schaf­fung von Planstellen verstärkt dort zum Einsatz kommen, wo es eine Ausdünnung im Bereich der Bezirksinspektionen gibt, und damit eine Entlastung stattfinden kann. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 9. Anfrage, jener der Frau Na­tionalrätin Gamon. – Bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie waren ja vor Kurzem in Rom und haben Ihren Amtskollegen Salvini getroffen. Es hat so gewirkt, als würden Sie sich mit ihm sehr gut verstehen. Mich würde ganz be­sonders interessieren, wie Sie in konkreten Projekten zusammenarbeiten, auch auf in­haltlicher Ebene.

Meine Frage lautet deshalb:

50/M

„Welche gemeinsamen Aktionen und weitere Auftritte haben Sie mit Ihrem italienischen Amtskollegen Matteo Salvini geplant?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Ja, es ist grundsätzlich gut und richtig, dass sowohl der Herr Bundeskanzler als auch der Herr Vizekanzler, aber auch andere Minister mit den Regierungsverant­wortlichen in der Europäischen Union und auch aus Nachbarländern engen Kontakt pflegen, so natürlich auch mit dem italienischen Vizepremier und Innenminister Salvini. Das haben wir vor kurzer Zeit im Rahmen eines Besuchs auch gemacht, bei dem wir versucht haben, uns in Fragen des EU-Außengrenzschutzes inhaltlich abzustimmen. Diesbezüglich gibt es ja zum Glück auch auf Ebene der Europäischen Union ein Um­denken.

Solch ein Treffen findet heute auch mit dem deutschen Innenminister statt, der nach Wien kommt, mit dem wir uns heute am Nachmittag austauschen werden. Diese Gesprächs-


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ebenen werden wir laufend aufrechterhalten, die Gespräche auch vertiefen, es wird weitere Treffen geben, weil es uns ein Anliegen ist, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass endlich eine effiziente EU-Außengrenzschutzpolitik sichergestellt und die illegale Migration gestoppt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Es hat aber in der jüngsten Ver­gangenheit auch Aussagen von Herrn Salvini gegeben, die von den Medien kritisiert worden sind.

Wie stehen Sie denn zu seinen Plänen, die Zahl der Roma und Sinti in Italien zu erhe­ben und auch zu schauen, welche denn „echte“ – unter Anführungszeichen – Italiener sind oder nicht? Wäre das etwas, was Sie auch in Österreich machen würden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Wir haben in Österreich eine Volkszählung, mit der bin ich absolut zufrieden. Es findet regelmäßig eine Volkszählung statt, alle zehn oder – ich weiß nicht – 15 Jah­re, und da füllen die Bürger einen Fragebogen aus, machen dort Angaben. Das ist das bei uns gelebte Modell, hinter dem stehe ich. Andere Modelle unterstütze ich nicht. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 10. Anfrage, jener des National­rates Zinggl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Herr Vizekanzler! In einer Presse­konferenz im Februar haben Sie zum Heumarkt-Projekt in Wien Stellung bezogen und haben gemeint, wenn da nicht die Stopptaste gedrückt werde, dann werde die Unesco der Stadt Wien den Status Welterbestadt entziehen. Sie haben wörtlich gesagt: „Als Staatsvertrag liegt es primär an der Bundesregierung diese Verpflichtung“ gegenüber der Unesco „einzuhalten“.

Jetzt, fünf Monate danach, frage ich Sie: Wie stehen Sie heute zu dem Projekt am Heu­markt?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 52/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was werden Sie tun, um das Bauprojekt am Heumarkt zu verhindern?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sie wissen, dass ich dieses Projekt in der Form, wie es vorgelegt wurde, seit Anbeginn abgelehnt habe. Wir haben auch Bürgerinitiativen dahin gehend unterstützt und waren ziemlich empört und entsetzt, dass die Wiener Stadtregierung dann in der bekannten Art und Weise einen Beschluss gefasst hat. Damals hat sich sogar die grü­ne Regierungspartei in Wien nicht an die eigene Basisabstimmung gehalten, und das war ja offenbar auch einer der Gründe für die Zerreißprobe, aus der dann die Liste Pilz entstanden ist.

Das hat uns ziemlich entsetzt, das war ein Vorgang, wo man nur sagen kann: Unge­heuerlich!, weil damit der Status Weltkulturerbe gefährdet ist.


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Ja, ich habe sehr wohl festgehalten: Wir müssen alle Wege suchen, um zu verhindern, dass der Weltkulturerbestatus aberkannt wird. Es gibt diesbezüglich einige Initiativen vonseiten des Kulturministers, die die Gesprächsebene mit der Unesco jetzt auch si­cherstellen. Es gibt aber auch andere Wege, bis hin zu rechtlichen Möglichkeiten, etwa als Ultima Ratio den Verfassungsgerichtshof anzurufen, um da ein Prüfverfahren ein­zuleiten. Ich würde so etwas unterstützen.

Jetzt ist es wichtig, alle Bereiche einmal auch vonseiten des Kulturministers zu prüfen. Ich wäre auch dafür, dass der Kulturminister dafür Sorge trägt, notfalls als Ultima Ratio den Verfassungsgerichtshof anzurufen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Wissen Sie, dass nach Artikel 16 der Bundesverfassung nicht nur die Möglichkeit besteht, sondern die Verpflichtung der Bundesregierung, rechtliche Schritte zu unternehmen, damit dieser Vertrag eingehalten wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Eine rechtliche Verpflichtung habe ich in der Art, wie Sie es sagen, nicht wahr­genommen. Es ist meine Intention, mein Wollen; ob das eine rechtliche Verpflichtung ist, habe ich bis dato als rechtliche Beurteilung nicht wahrgenommen.

Ich kann Ihnen aber darlegen, was genau bis dato erfolgt ist: Wir haben dank der Initia­tive der Bundesregierung jetzt einmal vorerst das historische Zentrum von Wien als Weltkulturerbe gesichert. Es gibt einen Drei-Stufen-Plan zur Erhaltung des Welterbe­status, den der Minister vorgelegt hat, und zwar mit dem klaren Ziel vor Augen, dass wir von der Roten Liste gestrichen werden.

Sie wissen, die Volksanwaltschaft hat das Thema auch behandelt, sich damit befasst und das Projekt am Heumarkt als rechtswidrig kritisiert. Es hat ja beim Flächenwid­mungsverfahren insgesamt über 600 Einwendungen gegeben. Die Volksanwaltschaft, die die Möglichkeit gehabt hätte, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen, hat aber leider davon Abstand genommen. Ich halte es für wichtig, dass wir, wenn alle Stricke reißen sollten, über die Regierung, über den zuständigen Minister, auch mittels eines Minister­ratsbeschlusses, den Verfassungsgerichtshof anrufen, um da eine Prüfung sicherzu­stellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Nationalrätin Belako­witsch.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sie haben uns jetzt dargelegt, dass es nicht in Ihren Vollzugsbereich fällt, das Projekt am Heumarkt stoppen zu können. Es ist so, dass große Teile nicht nur, aber vor allem der Wiener Bevölkerung gegen dieses Projekt sind. Es ist die Wiener Stadtregierung ge­wesen, die das gegen die Widerstände der Bevölkerung durchgedrückt hat.

Sehen Sie die Handlung, die die Wiener Stadtregierung da gesetzt hat, in Anbetracht der großen Widerstände, die es dagegen gegeben hat, als gerechtfertigt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Nein, grundsätzlich sehe ich es nicht als gerechtfertigt, sondern eigentlich als eine skandalöse Methode, die ich ja in der Zeit meines politischen Lebens mitverfolgt habe, auch schon als kleiner Bezirksrat in Wien-Mitte, in meinem Heimatbezirk. Schon damals wollte man mit fünf Hochhaustürmen am Bahnhof Wien-Mitte gegen das Welt-


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kulturerbe Akzente setzen, wogegen ich massiv aufgetreten bin und wo ich gemeinsam mit Bürgerinitiativen und mit rechtlichen Maßnahmen verhindern konnte, dass diese Verunstaltung im Stadtzentrum passiert.

Einen Turm, nämlich den Justiztower, konnten wir leider nicht verhindern, aber wir ha­ben zumindest durch Kompromisse möglich gemacht, das Weltkulturerbe zu retten. Es gab ja laufend von der Wiener Stadtregierung, von Rot und Grün, Pläne, rund um den innerstädtischen Bereich, den Ring, Hochhaustürme errichten zu wollen – und das wä­re ein Schaden für die Stadt. Das ist im Bereich der äußeren Bezirke, im Bereich über den Gürtel hinaus, ein interessanter Aspekt, aber nicht im innerstädtischen Bereich.

Wir wollten ja grundsätzlich auch ein Hochhausbauverbot im innerstädtischen Bereich, ähnlich wie in Paris, wo nach dem Bau des Tour Montparnasse ja auch so ein Be­schluss gefasst wurde, um den historischen Stadtkern und das Weltkulturerbe zu ret­ten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 11. Anfrage, jener des Abgeord­neten Lindinger. – Bitte.


Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Wir haben uns ja gemeinsam eine bessere strategische Steuerung der Sportförderung durch eine übergeordnete nationale Sportstrategie sowie eine schlanke Abwicklungsstrategie vorgenommen. Bei der Erarbeitung der Sportstrategie Austria soll vor allem mit den Ländern, den Gemeinden, den Sportverbänden und weiteren rele­vanten Institutionen des Sports und allen betroffenen Bundesbehörden eng kooperiert werden, weil diese alle Bereiche der Sportförderung, von der Schule bis zum Spitzen­sport, sowie alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung, vom Bund bis zu den Gemein­den, umfassen soll.

Daher meine Frage:

42/M

„In welcher Form wird die Erstellung einer übergeordneten nationalen Gesamtstrategie („Sport Strategie Austria“) für die österreichische Sportförderung mit den Sportverbän­den und Bundesländern abgestimmt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Danke für die Frage. – Dieser Umsetzungsplan zur Sportstrategie Austria ist extrem wichtig, denn – und das ist ja eigentlich eine Perversion auch in der politischen Rückschau – es hat nie eine nachhaltige Sportstrategie gegeben. Man hat generell im­mer irgendwie an einem Flickwerk herumgeschustert, aber keine nachhaltige Strategie gehabt, welche Konzeption man will, um den Breitensport zu stärken, um den Nach­wuchs stärker zu unterstützen, um im Spitzensport besondere Akzente zu setzen. Das bis hin zu einer Sportstättenentwicklung wollen wir mit der Sportstrategie abdecken.

Dafür sind unterschiedliche Persönlichkeiten in Clustergruppen tätig, sie sind eingela­den worden und stellen einmal eine Vorarbeit sicher. Es gibt jetzt Clustergruppen für Leistungssport, Breitensport, Rahmenbedingungen im Sport, auch einen Cluster für den Bereich Sportinfrastruktur und Sportveranstaltungen, einen Cluster für Wissenschaft im Sport, Bildungssystem im Sport und Sport und Gesellschaft. In diesen Clustern sind unterschiedliche Persönlichkeiten, Sportler, Funktionäre, Trainer, vertreten. Es sind auch beamtete Referenten aus den Ländern eingebunden, denn wir müssen es ja am Ende mit den Ländern umsetzen. Der eine oder andere Sportsprecher ist ebenso aktiv


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dabei. Wir wollen uns dann mit einer Diskussionsgrundlage auch mit den Dachverbän­den zusammensetzen; Vertreter von Dachverbänden sind auch eingeladen, im Cluster mitzuarbeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Eben weil da so viele Stakeholder, Player am Werken sind, braucht es umfassende Beratungen, die auch entsprechend Zeit benötigen. Allfällige gesetzliche Änderungen stehen ebenfalls im Raum, deshalb ist es für den Sport in Österreich wichtig, zu erfahren, wie sich der Fahrplan für diese umfassenden Diskussionen gestaltet.

Wann sollen diese Beratungen abgeschlossen sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Die Sportstrategie Austria soll im Herbst abgeschlossen sein. Das heißt, wir wollen bis Ende des Sommers eine Basisgrundlage haben, über die wir dann eine ver­tiefte Diskussion und Debatte auch mit den Landesverantwortlichen und mit den Dach­verbänden führen wollen, um spätestens Ende Oktober, November ein Ergebnis zu ha­ben. Auf dieser Basis wollen wir dann fortsetzen.

Sie wissen – ich denke jetzt einmal laut –: Wir wollen schon 2019 eine Forschungs- und Technologieanstalt an der Universität Innsbruck sicherstellen, die für den Bereich Sport – Sommersport, Wintersport – technisches Material entwickeln soll, um unseren Spitzensportlern auch da zur Seite zu stehen, um bessere Erfolge erzielen zu können. Was darüber hinaus die Sportstättenentwicklung betrifft – darüber führen wir ja viele De­batten; ich sage, nicht nur Nationalstadion –, ist viel zu tun.

Wir nehmen jetzt schon viel Geld in die Hand, denn wir müssen Prioritäten und Triagen setzen. Wir wollen Gesetze verbessern, etwa den Onlinewettbereich betreffend, um für den Sport zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Wir wollen auch das Sponso­ring im Bereich des Sports analog zu jenem für Kunst und Kultur steuerfrei stellen. Das alles sind Akzente, die dem Sport einen entsprechenden Impuls geben werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 12. Anfrage, jener des Abge­ordneten Krist. – Bitte.


Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Herr Sportminister! Sie haben in der letzten Sportausschusssitzung und im Rahmen mehrerer Gespräche immer wieder gesagt, im Sinne der besseren Unterstützung des Sports mit finanziellen Mitteln seien Sie auf der Suche nach alternativen Finanzierungsformen. Ich frage insbesondere nach der erfolg­reichen Initiative Kinder gesund bewegen, die jetzt mit TBUS zusammengelegt wird. Die Verknüpfung zwischen Volksschule und Kindergarten unterstützen wir sehr, das ist eine sehr gescheite Sache, aber bei alternativen Finanzierungsformen haben sich schon andere die Zähne ausgebissen; ich sage nur Stichwort Onlinewetten, Sportspon­soring, Valorisierung der Sportförderung.

Mich hätte interessiert, wie der Stand der Dinge zurzeit ist. (Beifall bei der SPÖ.)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 48/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie ist der Umsetzungsstand Ihrer Ankündigung, wonach für die Sicherung der Finan­zierung der erfolgreichen Initiative ‚Kinder gesund bewegen‘ bzw. der täglichen Bewe­gungseinheit an den Schulen auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten herangezo­gen werden sollen?“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Was alternative zusätzliche Mittel für den Sport, nämlich für Sportstättenent­wicklung, für Spitzensportunterstützung und Modellprojekte, betrifft, bin ich sehr, sehr zuversichtlich, weil es uns gelungen ist, das im Regierungsprogramm festzuschreiben. Wir führen jetzt auch Gespräche bezüglich eines neuen Onlinesystems im Bereich der Onlinesportwetten, inwieweit wir doch sicherstellen können – jetzt einmal in die Luft ge­sprochen –, jährlich zumindest 20 Millionen bis 30 Millionen Euro zusätzlich – wir hof­fen, mehr – für den Sport generieren zu können, um dann mit Sonderprojekten auch ganz besondere Schwerpunkte und Akzente setzen zu können.

Ich sage ganz bewusst, wir wollen vielleicht da oder dort auch in manche Nischen stärker hineingehen, die jetzt zu wenig Bedeckung finden, wo wir auch großartige Ta­lente haben, denen nur der letzte Punch und die letzte Förderung, die letzte Begleitung fehlt, damit sie wirklich die Möglichkeit haben, Europameister oder Weltmeister zu wer­den oder vielleicht sogar mit einer olympischen Medaille ausgestattet zu werden. Dafür brauchen wir Mehreinnahmen, und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Zusätzlich noch das Sportsponsoring steuerfrei zu stellen, das allein, glaube ich, wird extrem viel für den Sport bringen. Viele Unternehmer machen das heute aus Privatver­gnügen und haben beim Finanzamt nicht einmal irgendwo eine Abrechnungsmöglich­keit. Wenn wir das sicherstellen und auch die Mehrwertsteuer für die Sportplatzbenut­zung senken, dann setzen wir damit ganz aktiv Akzente zur Verbesserung, womit gera­de auch der Askö hoffentlich Freude haben wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krist? – Nein.

Dann kommen wir zur Zusatzfrage von Frau Nationalrat Grünberg. – Bitte.


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Inzwischen gibt es weltweit mehr fettleibige Men­schen als untergewichtige Menschen. Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorgani­sation spricht sogar von einer Epidemie des Übergewichts. Auch immer mehr Kleinkin­der sind von dem Problem betroffen, dass sie eine unsagbare Last auf ihren noch jun­gen Beinen tragen, deshalb kann meiner Meinung nach gar nicht früh genug mit prä­ventiven Maßnahmen wie Sport und Bewegung begonnen werden. Prävention spielt auch für Kinder, die eine Behinderung haben, eine ganz wesentliche Rolle, da sie auf­grund ihrer Einschränkungen spezielle Maßnahmen brauchen.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Wird es im Rahmen der Initiative Kinder gesund bewe­gen auch Maßnahmen und spezielle Bewegungsangebote für Kinder mit Behinderung geben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Frau Abgeordnete Kira Grünberg, Sie haben das richtig angesprochen: Wir müssen so früh wie möglich ansetzen, weil schon immer mehr Kinder übergewichtig sind. Das liegt an unterschiedlichen Faktoren; es liegt zum einen an der schlechten Er­nährung. Wir wissen, die Ernährung ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, und deshalb muss man im schulischen Bereich und natürlich auch schon im Kleinkindalter, vom Kin­dergarten weg, entsprechend ansetzen, gegensteuern und die Kinder positiv im Sinne von Erklärung und Prävention beeinflussen, sie begleiten, aufzeigen, wie wichtig ge­sunde Ernährung ist.

Wir unterstützen das mit Bewegungsmodellen und wollen diesen Bereich auch mit an­deren Projekten weiter ausbauen. Wir erarbeiten jetzt gerade gemeinsam mit dem Ge­sundheitsministerium das Projekt: Mach den ersten Schritt!, nämlich für alle, die über­haupt keinen Zugang zum Sport haben. Sie anzusprechen und dafür zu gewinnen, den


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ersten Schritt zu machen, Begeisterung für Bewegung aufzubringen, daran arbeiten wir ganz konkret in diesem Projekt, denn das ist ein wesentlicher Ansatz, damit es gar nicht erst so weit kommt.

Zu Ihrer konkreten Frage, Bewegungsangebot für Kinder mit Behinderung: Ja, die Ini­tiative Kinder gesund bewegen wird in Zukunft selbstverständlich auch an den allge­meinen Sonderschulen in ganz Österreich angeboten werden, und auch deren Weiter­führung ist gesichert und garantiert, weil das ein wichtiger Teil ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache (fortsetzend): Schlusssatz: Im Spitzensport haben wir ja im wahrsten Sinne des Wortes die völlige Gleichstellung, was gut ist, und die völlige Inklusion, da gibt es keinen Unterschied. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Bißmann. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Herr Bundesminister! Ich habe gehört, dass viele Schulen Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal für die Nach­mittagsbetreuung zu finden, und zwar speziell Freizeitpädagogen mit Schwerpunkt Sport.

Können Sie sich vorstellen, dahin gehend Initiativen zu setzen, dass derart qualifizier­tes Personal für die Schulen leichter zu finden ist?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Das ist richtig. Es ist ein großes Problem, entsprechende Pädagogen und vor allen Dingen auch Sporttrainer und -pädagogen und Bewegungscoaches zu finden. Die Bewegungscoaches sind ja da oder dort – unter Anführungszeichen – „im Einsatz“, aber nicht unbedingt mit den optimalen Verträgen, nämlich mit All-in-Verträgen, die zum Teil eine Zumutung sind und dazu führen, dass diese jungen begeisterten Bewegungs­coaches eigentlich relativ rasch wieder abbrechen und sich etwas anderes suchen, weil sie von ihrem Verdienst nicht wirklich leben können.

Wir müssen da gemeinsam mit dem Bildungsministerium Lösungen überlegen. Das muss der Ansatz sein, denn das ist natürlich schon auch eine Aufgabe des Bildungsministe­riums, das können wir nicht allein stemmen und schaffen. Dem Bildungsministerium muss bewusst sein, dass internationale Studien bestätigen: Würde man von den unter­schiedlichsten Fächern, von Mathematik, von Deutsch, von Englisch, 5 Minuten Unter­richtszeit wegnehmen und so mehr Zeit, nämlich 1 Stunde am Tag, für eine Sportein­heit für die Kinder zur Verfügung stellen, dann würden die Leistungen rapide besser werden.

Das sagen alle internationalen Studien: dass die Kinder, wenn sie sich zwischendurch einfach einmal bewegen, den Kopf freimachen können, wieder viel aufnahmefähiger sind und deshalb auch ihre Leistungen besser sind. (Abg. Jarolim: Sagt der Herr Kol­lege Krist auch!) – Dann sind wir ja einer Meinung! Das habe ich ja von ihm!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 13. Anfrage, jener der Natio­nalrätin Steger. – Bitte.


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Er­folge im Sport sind eng mit dem Vorhandensein von Sportinfrastruktur verbunden. Da­bei ist nicht nur von Wettkampfstätten für nationale Wettbewerbe, internationale Wett­bewerbe oder Großsportevents die Rede, sondern es geht auch um Trainingsstätten.

Die Realität schaut jedoch so aus, dass es hinsichtlich bestimmter Sportarten leider oft einen großen Mangel an notwendiger Infrastruktur gibt beziehungsweise viele Sport-


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stätten in einem katastrophalen Zustand sind und dringend renoviert gehörten; oft ste­hen Sportstätten auch leer oder werden nicht benützt. Aus eigener Erfahrung auch als Leistungssportlerin könnte ich jetzt stundenlang darüber berichten, wie wir teilweise von Halle zu Halle rennen mussten und zum Beispiel nicht Europacup spielen konnten, weil keine geeignete Halle vorhanden war.

Daher meine Frage, sehr geehrter Herr Minister:

45/M

„Welche Infrastrukturprojekte des Sports werden derzeit von Ihrem Ressort gefördert bzw. welche sollen gefördert werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Auch das ist ein brennendes Thema. Ich war gestern bei der Ehrung des UHC Stockerau, nämlich der Damen-Handballmannschaft, die Cupsieger geworden ist – eine großartige Leistung; ich konnte die Damen, die Spielerinnen, ehren –, aber auch dort habe ich gehört, dass die Halle in Stockerau zu niedrig ist, sie nicht mehr optimal ist, dass einfach zu wenig Platz ist und man bessere Strukturen benötigt. Das ist uns auch bewusst.

Wir haben zurzeit insgesamt 24 Infrastrukturprojekte in der Förderpipeline, davon sind für elf Projekte Förderverträge mit Gesamtkosten von rund 99 Millionen Euro abge­schlossen. Der Bundesanteil beträgt 26 Millionen Euro, und von meinem Ressort wur­den bis dato 18,4 Millionen Euro ausbezahlt. Darüber hinaus sind zehn weitere Infra­strukturprojekte mit einer Gesamtinvestitionssumme von weiteren 98 Millionen Euro vorgesehen, wobei der Bundesanteil 23 Millionen Euro ausmacht.

Ich habe hier eine konkrete Aufschlüsselung, wenn es Sie interessiert, um ein paar Beispiele zu nennen: Ausbau Wassersportzentrum Wien, Stadion Sankt Pölten, Bun­desleistungszentrum Fußball, Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Shooting-Euro­pameisterschaft Shotgun 2018 in Leobersdorf, Investitionsmaßnamen im Rahmen der Ruderweltmeisterschaft 2019 in Linz, Leichtathletikhalle in Linz, Mehrzweckhalle in Graz, Hüttenbrennergasse, Bundesleistungszentrum Segeln. Also wir sind da sehr da­hinter; demnächst kommt zum Beispiel das Leistungszentrum Eisenerz dazu.

Wir wollen natürlich auch die großen Projekte nicht vergessen. Was ist, wenn die Olym­pischen Spiele vielleicht wirklich nach Österreich kommen könnten, nach Schladming? – Wir müssen erst einmal bewerten, wie das Land dahintersteht, wie das ÖOC dahinter­steht, welche realen Möglichkeiten es gibt und ob wir uns das überhaupt leisten kön­nen. Gleiches gilt für ein Nationalstadion. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Wie Sie gesagt haben, Sportstätteninfrastruktur kos­tet natürlich Geld, da geht es teilweise um wirklich hohe Summen, die auch finanziert gehören, auch über Jahre hinweg. Sie haben schon während der Budgetberatungen finanztechnische Änderungen angekündigt, die dabei helfen sollen, dass die finanzielle Situation in Zukunft erleichtert beziehungsweise auch die Struktur besser gefördert wird.

Daher meine Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um die Errichtung und die Erhal­tung von Sportinfrastrukturprojekten für den österreichischen Sport zu erleichtern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Das ist ein ganz wesentlicher Bereich, wozu man aber immer festhalten


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muss, dass auch das Land und die jeweilige Gemeinde hinter einem ganz konkreten Sportstättenentwicklungsprojekt stehen müssen. Dann trifft der Bund im Sinne der Bun­desrelevanz die Bewertung, inwieweit die bundessportgesetzliche Relevanz für einen finanziellen Beitrag gegeben ist, aber wir können auf jeden Fall einen Anstoß geben. Den Anstoß geben wir, und das muss natürlich notfalls auch über einen Sondertopf aus dem Finanzministerium möglich gemacht werden. Wir haben ja gehört, dass in der Vergangenheit viele Gelder, die für den Sport gewidmet waren, nicht ausgegeben wur­den, und diese Gelder, die an das Finanzministerium zurückgegangen sind, können im Falle von großen Sportstättenprojekten wie einem Nationalstadion zum Beispiel sicher­lich auch freigeeist werden.

Ich glaube, grundsätzlich brauchen wir ein Gesamtkonzept und ein Prioritätenkonzept. Es wäre schon schön, auch dafür Sorge zu tragen, in Wien neben einem Nationalsta­dion, in dem man wieder internationale Bewerbe, Champions-League-Finale, Uefa-Cup-Finale, andere große internationale Veranstaltungen abhalten könnte, die Wiener Stadt­halle in Schuss zu bringen und eine neue Mehrzweckhalle, und zwar in Aspern, nörd­lich der Donau, für bis zu 14 000 Zuschauer zu ermöglichen, denn das braucht es auch in der Bundeshauptstadt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Gruber.


Abgeordnete Renate Gruber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Wir wissen al­le, wie wichtig der Freizeitsport unter anderem auch für die Gesundheit ist. Sie haben die Sportstrategie aus Ihrem Ressort schon angesprochen, deshalb denke ich, Sie wer­den meine Frage sehr ausführlich beantworten können, und ich darf auch gleich zu meiner Frage kommen:

Welche Aktivitäten im Bereich des Breitensports planen Sie, um noch mehr Menschen in diesem Land für Sport begeistern zu können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler, bitte.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Gruber! Derzeit betreiben wir mit dem Haupt­verband der Sozialversicherungsträger und auch mit den Sportdachverbänden das Pro­gramm Bewegt im Park. Das ist ein Programm, das über die Sommermonate läuft und das in insgesamt 450 Kursen und mit seinen Angeboten, die es bietet, Menschen ös­terreichweit begeistern soll, daran teilzunehmen. Dieses Projekt bietet allen Menschen die Möglichkeit, von Juni bis September daran teilzunehmen, sich an der frischen Luft, in öffentlichen Parks, auf freien Flächen in ganz Österreich zu bewegen. Es gibt vielfäl­tige und abwechslungsreiche Angebote mit Profis, die das betreuen.

Es soll, wie gesagt, einmal anregen. Es ist ja alles immer eine Frage des Bewusstseins und der Art, wie man den Menschen etwas vermittelt, und daher ist uns natürlich klar, wir müssen sichtbar tätig werden. Bewegung ist gesund, Bewegung ist für die Gesund­heit wichtig, ist für das Wohlbefinden wichtig, und den Anstoß dazu geben wir mit un­terschiedlichsten Projekten, unter anderem mit diesem. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich die Fragestunde für beendet.

Ich danke allen Fragestellern und dem Herrn Vizekanzler für seine Beantwortungen.

10.27.25Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.


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Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 1183/J bis 1251/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozeßordnung 1975 geän­dert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2018) (252 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das GmbH-Gesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz – ENG) (253 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Spaltung von Genossenschaften (Genossenschaftsspaltungsgesetz – GenSpaltG) erlassen wird und mit dem das Ge­nossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungs­gesetz 1997, das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, das SCE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Rechtspflegergesetz, das Wohnungsgemeinnüt­zigkeitsgesetz, das Umgründungssteuergesetz und das Bankwesengesetz geändert werden (254 d.B.)

*****

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punk­te 1 bis 3, 4 und 5 sowie 17 bis 19 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Somit gehen wir in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von „9 Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich daraus folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 167 Minuten, FPÖ und SPÖ jeweils 149 Minuten, NEOS und Liste Pilz je 50 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die dargestellten Redezeiten.

Ich bitte die Damen und Herren um ein diesbezügliches Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

10.28.291. Punkt

Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Ar­beitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wer­den (303/A)


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2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 42/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Ver­schlechterungen bei der Arbeitszeit für ArbeitnehmerInnen (232 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 236/A der Ab­geordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz geändert wird (233 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 bis 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Hinsichtlich des Antrages der Abgeordneten Haubner, Ing. Klinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhege­setz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A), wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung eine Frist bis 4. Juli 2018 gesetzt. Die Verhandlungen über diesen Gegenstand sind daher in die­ser Sitzung aufzunehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 1 liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 wurde auf die mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Kern. Ich darf es ihm erteilen. – Bitte.


10.30.04

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Ruf: Prä­sentieren Sie den Plan A?) Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! Das, was wir heute erleben, ist, dass die Bundesregierung ein Arbeitszeitgesetz beschließen möchte, das die massivste Verän­derung beziehungsweise Verschlechterung seit 30 Jahren in diesem Bereich bringt. Es ist dies ein Gesetz, das nicht nur ungerecht, sondern auch völlig unausgegoren und durch und durch unvernünftig ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Wir erleben eine Bundesregierung, einen Bundeskanzler Kurz und einen Vizekanzler Strache, die uns einreden wollen, dass all das halb so wild ist und dass sich ohnehin wenig ändert. Wenn sie besonders lustig drauf sind, dann erklären sie uns auch noch, dass das grandiose Vorteile für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in diesem Land bringt.

Wenn wir uns ein bisschen umschauen, dann sehen wir allerdings Folgendes: Die Ein­zigen, die in diesen Jubelchor einstimmen, sind die Wirtschaftskammer und die Indus­triellenvereinigung. Die lassen sich das viel Geld kosten. Sie schalten Inserate, veröf­fentlichen riesige Werbeplakate, machen dümmliche Filme, um all das zu bewerben, und sie jubeln, dass jetzt endlich das geliefert wird, was sie bei dieser Bundesregierung bestellt haben.

Meine Damen und Herren! Wenn es keine Änderung gibt, wie erklären Sie sich dann das eigentlich? Wie erklären Sie den Betroffenen, dass dieser Jubel so einseitig aus­fällt, und wie erklären Sie, dass es keinen einzigen Arbeitnehmervertreter gibt, der der Meinung ist, dass dieses Gesetz brauchbar ist? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Liste Pilz.)

Ich habe keinen einzigen Betroffenen getroffen, der darin auch nur irgendeine Art von Verbesserung erkennen kann. Allerdings diskutiert man jede Menge Verschlechterun-


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gen. Wenn Sie es mir nicht glauben, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, dann hören Sie auf Ihre eigenen Leute, zum Beispiel auf Herrn Zangerl, den Chef des ÖAAB in Tirol. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) – Sie lachen über Ihre eigenen Par­teifreunde! (Abg. Wöginger: Er ist nicht ÖAAB-Chef!) Das ist eine tolle Solidarität! Bra­vo! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Der Arbeiterkammerpräsident Tirols hält Ihnen vor: „Die türkisen Putschisten sitzen nun an der Spitze und bezahlen mit Zinsen an die Großsponsoren und die Industriellenver­einigung zurück, was die ihnen im Wahlkampf gespendet haben. Das gab es früher in diesem Ausmaß nicht, das ist demokratiegefährdend.“ – Das sagt Herr Zangerl. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Das ist keine einzelne Stimme. Wenn man sich die Zitate der letzten Wochen von Leu­ten anschaut, die sich mit dem Gesetz auseinandergesetzt haben, dann sieht man, dass auch die Stimmung bei der FPÖ bemerkenswert gekippt ist. (Abg. Schimanek: Oh mein Gott!) Es war der Tiroler FPÖ-Arbeitnehmervertreter, der aus Ihrer Partei aus­getreten ist und gesagt hat, dass es sich hier um Arbeiterverräter handelt, und der ge­sagt hat, dass Sie dafür nicht gewählt worden sind. – Dem kann man kaum etwas hin­zufügen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.) Das, was Sie tun, hat er einen Angriff auf die Arbeitnehmer in unserem Land genannt.

Schauen Sie sich Herrn Haimbuchner, den heimlichen Parteichef der FPÖ, an! (Heiter­keit und Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich finde das großartig! Jahrelang hat Herr Kickl, der Reimeschmied, von der sozialen Heimatpartei FPÖ gesprochen. Sogar Herrn Haim­buchner ist das aber zu dreist geworden, und er hat das Wort sozial aus den Plakaten streichen lassen, und das aus gutem Grund – weil er offenbar nicht mehr bereit ist, die Leute für dumm zu verkaufen, so wie Sie das tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Interessante ist, dass das schlechte Gewissen, das Sie haben, richtig durch die Gegend trieft! Sie kommen permanent mit Ablenkungsmanövern daher. Permanent werden irgendwelche Routen geschlossen.

Mein Lieblingsbeispiel ist übrigens die berittene Polizei: 15 Prozent der Polizeiplanstel­len sind nicht besetzt, und der Innenminister will – zum Gaudium der Öffentlichkeit – ei­ne berittene Polizei erfinden. (Abg. Rädler: Das ist sinnvoll!) Er versucht, zwölf Pferde mit schwarzbraunem Fell zu beschaffen, verladefromm und kastriert, ist aber nicht ein­mal in der Lage, zwölf ausreichend große Pferde zu organisieren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden nicht nur als Arbeiterverräter in die Geschichte eingehen, sondern auch als die Erfinder der Ponypolizei. Das dürfen Sie dann mit sich ausmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie sich anschauen, wie die Diskussion läuft, können Sie feststellen, dass die Leute genau verstehen, was Sie da tun. Die Bischofskonferenz, der Katholische Fami­lienverband, unzählige Frauenorganisationen, ÖVP- und FPÖ-Arbeitnehmer haben sich bei uns beteiligt, etwa auch Vertreter der freiwilligen Feuerwehren in einem Begutach­tungsverfahren. 200 verschiedene Stellungnahmen sind hier eingegangen.

Letztes Wochenende waren 100 000 Demonstranten auf der Straße. Wir hatten unzäh­lige Betriebsversammlungen. Was aber tun Sie jetzt? – Sie versetzen den Leuten ei­nen Schlag ins Gesicht und sagen: Uns ist all das egal! Sie fahren da drüber und wol­len das schon ab dem 1. September haben. – Ich sage Ihnen aber: Wir werden da Wi­derstand leisten, und nicht nur heute, sondern das wird weitergehen! Sie werden das Thema nicht mehr loswerden, weil wir eine klare Meinung dazu haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen nicht, dass die Unternehmen Rekordgewinne haben. Es ist gut, wenn es so ist, aber wenn dann der Druck auf die Arbeitnehmer erhöht wird, dass die Dividenden


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um 35 Prozent steigen und Sie den Menschen sagen: Ihr müsst noch mehr liefern, ihr müsst noch besser funktionieren!, dann wollen wir das nicht, weil das nicht gerecht ist. Wir wollen auch nicht, dass Arbeit und Familie nicht mehr vereinbar sind. Das ist es nämlich, was Sie hier produzieren. Sie sprechen von Freiwilligkeit. Haben Sie den Men­schen aber auch gesagt, dass Ihrer Freiwilligkeit, nach welcher man ohne Angabe von Gründen ablehnen kann, auch die Kündigungsmöglichkeit des Unternehmens ohne Angabe von Gründen gegenübersteht? – Das ist lächerlich! Das nimmt Ihnen so nie­mand ab!

Ich will auch nicht, dass die Verfügbarkeit der Menschen für das Arbeitsleben eine to­tale sein muss. Das, was Sie hier tun, ist eine Arbeitszeitverlängerung. Herr Wöginger hat Herrn Taschner zitiert. Fragen Sie den einmal, wie diese Systeme entwickelbar und ausbeutbar sind! Die 48-Stunden-Woche kann zur Norm werden, die 60-Stunden-Wo­che in verschiedenen Einzelfällen. (Abgeordnete von ÖVP und FPÖ halten türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stun­den am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“ in die Höhe.)

Sie nehmen den Leuten die Überstundenzuschläge weg! Sie wissen, wie Betriebsver­einbarungen laufen und dass starke Betriebsräte Zuschläge verhandelt haben, die weit über das hinausgehen, was Sie jetzt vorschlagen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Herr Haubner! Das ist die Wahrheit, und Sie wissen es. 100 Prozent betragen die Zuschläge zum Beispiel in der Metallindustrie. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen: Freiwilligkeit garantiert! – Wissen Sie, was ehrlich gewesen wäre? – Ehrlich wäre gewesen, wenn Sie auf Ihre Taferln geschrieben hätten: Panierte Eislutscher für alle! Dann hätte ich Sie ernst genommen, aber nicht mit diesen Papierln! (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sie machen die Ungerechtigkeit zum Programm, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Sie haben das bei der Grunderwerbsteuer getan, wo kleine Wohnungskäufer ‑ ‑


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Entschuldigung! Jeder hat das jetzt gesehen, könnten Sie jetzt bitte die Taferln wieder wegtun?!


Abgeordneter Mag. Christian Kern (fortsetzend): Sie machen die Ungerechtigkeit zum Programm. Sie haben das gestern auch wieder bewiesen, als Sie die Grunder­werbsteuer für Menschen, die eine kleine Wohnung oder einen Schrebergarten kaufen, bei 3,5 Prozent belassen haben, die großen Immobilieninvestoren aber ausgenommen haben.

Wenn Sie sich fragen, warum diese Politik gemacht wird, darf ich Sie, alle Fernsehzu­schauer, bitten: Schauen Sie einmal im Internet nach, wer den Wahlkampf der ÖVP bezahlt hat! – Es sind genau jene, die jetzt begünstigt werden! Das ist die Politik, die Sie hier abliefern: ausschließlich im Interesse Ihrer Großsponsoren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie die ÖBB vorbringen, darf ich Ihnen Folgendes sagen: Ich bin stolz auf dieses Unternehmen! Ich weiß, was die Leute dort leisten! – Es ist uns allerdings auch nicht entgangen, dass Sie jahrelang erklärt haben: Die Leute dort hackeln nichts, die gehen zu früh in Pension, die kosten zu viel!, dass Sie jetzt aber die ÖBB als Leistungsträger entdecken. Ganz ehrlich: Das braucht man jetzt nicht besonders ernst zu nehmen!

Ich weiß, was die Leute dort leisten, aber ich weiß auch, was sie dafür bekommen, und das verdanken sie einem starken Betriebsrat, der dafür sorgt, dass diese Leistung ho­noriert wird. Das ist ein System, das funktioniert, das Sie aber für den Rest Österreichs nicht haben wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab und wir lehnen auch ab, dass man versucht, da­ran herumzudoktern, denn dieses Konzept, das Sie da vorlegen, funktioniert so nicht!


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Strache selbst hat einmal erklärt: Der 12-Stunden-Tag ist eine „asoziale leistungsfeind­liche Idee, da dies für alle Arbeitnehmer Nettolohnverluste bedeuten würde“. (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Ja, das stimmt, er hat völlig recht: So, wie Sie das umsetzen, ist das das Ergebnis. Meine einzige Frage ist nur: Warum sind Sie denn da schon wieder umgefallen und machen das mit, was Ihnen die ÖVP hier vorschreibt? (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kollegen von der FPÖ! Das ist mittlerweile all Ihren Funktionären aufgefal­len, das ist Ihren Wählern aufgefallen, und deshalb geben wir Ihnen sozusagen eine letzte Chance zur Läuterung: Wir bringen heute einen Antrag ein, eine Volksabstim­mung über dieses Unrechtsgesetz durchzuführen, das Sie hier einbringen. Wenn Sie es ernst meinen, dann haben Sie den Mumm und stimmen Sie dem Antrag zu! Dann stellen wir uns vor die Wähler und Wählerinnen hin und lassen sie entscheiden, ob sie das in dieser Form wollen!

Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie auch das ignorieren und diese ausgestreckte Hand abweisen, dann wird, das garantiere ich Ihnen, diese Diskussion mit dem heuti­gen Tag trotzdem nicht vorbei sein. Wir und die Österreicher und Österreicherinnen wer­den diese Vorgehensweise so nicht akzeptieren! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Ich darf daher den erwähnten Antrag einbringen:

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der über den Antrag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wer­den zu fassende Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Ver­fahrens gemäß Art 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsi­denten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.“

*****

Danke. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Eine schwache Abschieds­rede!)

10.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

der Abgeordneten Mag. Kern, Mag. Schieder, Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Ar­beitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der über den Antrag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wer­den zu fassende Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Ver­fahrens gemäß Art 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsi­denten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.


10.41.26

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! (Abgeordnete der SPÖ halten runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Ziffern 12 und 60 in die Höhe.) Hohes Haus! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! (Abg. Herbert: Herr Präsident! Kann man bitte diese Kindergar­ten-Aktion beenden?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abgeordnete von ÖVP und FPÖ halten türkis-blau gerahmte Tafeln mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garan­tiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“ in die Hö­he.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es besteht die Usance, 30 Sekunden etwas zei­gen zu dürfen. (Lebhafte Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Im Sinne der Diskussion möchte ich Sie nun bitten, da es jeder bereits gesehen hat und das letzten Endes viele auch gefilmt haben, die Taferln nunmehr ruhen zu lassen und sich der Diskussion zu widmen.

Herr Klubobmann Rosenkranz ist am Wort. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Hohes Haus! Ja, diese Zwölfer, die Sie auf den Schildern und auch als Anstecker tragen, ha­be ich heute auch schon irgendwo gesehen, vor allem haben es freiheitliche Abgeord­nete, aber auch Abgeordnete der ÖVP auch vor ihren Häusern gesehen. Dort haben sie (ein entsprechendes Bild zeigend) diesen Zwölfer, daneben ein Grabkerzerl und auch noch einen Pflasterstein, der hingelegt wurde, gesehen.

Herr Klubobmann Kern! Ich hoffe, dass die Hand, die Sie heute hier so pathetisch an diesem Rednerpult ausgestreckt haben, keinen Pflasterstein hält! Das wird nämlich an sich durch diese Aktionen von den Menschen, die hier mit diesem Zwölfer hantieren, suggeriert. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Im 21. Jahrhundert hat man in der Arbeitswelt verschiedene andere Sorgen und Pro­bleme, und in dieser modernen Arbeitswelt ruft man nach etwas quer durch alle Par­teien, vom Plan A über die NEOS, über die Regierungsparteien: Alle möchten Flexibi­lisierung auf dem Arbeitsmarkt. – Diesem Problem haben wir als Abgeordnete uns ge­stellt und haben einen Initiativantrag eingebracht, und dann ist schon die Diskussion losgegangen: Wir wollen es nicht im Wirtschaftsausschuss, sondern im Sozialaus­schuss beraten! – Auf das Argument, dass der Sozialausschuss früher tagt und die Be­gutachtung durch den Ausschuss kürzer wäre, wir als Regierungsparteien aber eine längere Begutachtungsfrist haben wollen, haben Sie gesagt: Nein, kommt nicht in Fra­ge! Daraufhin haben wir gesagt: Gut, dann machen wir eine zusätzliche Sitzung des Sozialausschusses. Wir sind bereit dazu, um eine längere Begutachtung zu gewähr-


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leisten. Da waren jedoch Sie nicht bereit, den Sozialausschuss einzuberufen. (Abg. Stöger: Das stimmt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was heißt: „Das stimmt nicht!“? Sie waren ja gar nicht in der Präsidiale dabei! Sie waren ja gar nicht dabei! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt kommen wir zu dem, was dieser Initiativantrag samt Abänderung beinhaltet: Es bleibt der 8-Stunden-Tag, es bleibt die 40-Stunden-Woche, es bleiben die Überstun­denzuschläge, die elfte und zwölfte Überstunde werden nur freiwillig geleistet. EU-Richtlinien zur Durchrechnung der maximal erlaubten Arbeitszeit werden eingehalten. Die Kollektivverträge bleiben. Die Betriebsvereinbarungen bleiben. (Anhaltende Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Sie können sich gerne zu Wort melden. Ich würde Sie bitten, das zu tun, wenn Sie permanent dasselbe herausrufen! (Abg. Heinisch-Hosek: Das tun wir eh! Keine Sorge!)


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Apropos zu Wort melden: Mir ist eigentlich auf dieser Rednerliste wieder Herr ÖGB-Präsident Katzian abgegangen! So wie bei der letzten Sitzung hat er sich nicht gemeldet. – Ich gebe schon zu, dass sich jeder hier so melden kann, wie er möchte, und wenn er nicht möchte, dann muss er auch nicht hier sprechen. Angesichts der Töne, die er außerhalb dieses Hauses von sich gibt, wäre es aber durchaus angeraten, sich auch hier einmal zu erklären! (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Beim letzten Mal hat er es nicht gemacht. Ich appelliere an den ÖGB-Präsidenten, sich schon auch hier einmal zu äußern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Übrigens auch eine Anregung für Sie, Herr Kern: nicht so oft bei den Abstimmungen fehlen! Das wäre auch ganz wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Ho­sek: Ja, Herr Oberlehrer!)

Es freut mich als langjährigen Bildungssprecher, wenn mich die Frau Ex-Bildungsmi­nisterin sogar als Oberlehrer bezeichnet, denn sie ist ja echt vom Fach. – Danke, Frau Ministerin! (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Diese Regierung und wir arbeiten nach einem Prinzip: Leistung muss sich lohnen! Ich wiederhole: Leistung muss sich lohnen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Übrigens gibt es in diesem Land sogar arbeitende Menschen. Ich denke da jetzt gera­de an die Bauern: Diese würden sich speziell in der Erntezeit einen 12-Stunden-Tag auf freiwilliger Basis wünschen. Die dürfen nämlich freiwillig viel länger arbeiten, um die Ernährungssicherheit in Österreich zu garantieren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gibt aber in diesem Land tüchtige Unternehmer, die mit all ihren Risiken Arbeits­plätze schaffen, und es gibt fleißige Angestellte, die fragen: Lieber Chef! Wie können wir uns die Arbeitszeit für dich und für mich optimal einrichten, ohne dass wir dabei aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelung vielleicht einem Arbeitsinspektor in die Quere kommen? – Genau dieses Problem lösen wir mit diesem Gesetz, nicht mehr und nicht weniger! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dafür, dass das anscheinend notwendig ist und wie sich die Menschen darauf freuen, ein paar Beispiele: Bei der Straßenmeisterei Kärnten im roten Bundesland Kärnten will man jetzt den 12-Stunden-Tag einführen, damit man die Viertagewoche machen kann, und wenn das Projekt so funktioniert, dann will man es für die gesamten Straßenmeis­tereien machen. Ist das so schlecht? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In der Stadt Salzburg, wo die SPÖ die Mehrheitsfraktion stellt beziehungsweise die größte Fraktion ist, möchte man den 12-Stunden-Tag haben, damit man eben eine län-


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gere zusammenhängende Freizeit hat. Und die Leute von der SPÖ Steiermark sagen überhaupt, dass all das, was seitens der Bundespartei im Einklang mit den Gewerk­schaften auf der Straße verkündet wird, eigentlich gar nicht das ist, was sie wollen und lehnen entsprechende Anträge ab. – Man sieht also: Dort, wo die Politiker näher bei den Bedürfnissen der Menschen sind, kommt diese Maßnahme gut an, dort, wo es kei­ne Funktionärsblasen gibt, bei denen man längst nicht mehr weiß, wie die Realität aus­sieht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe von Betriebsversammlungen gehört, bei denen sogar die dortigen Betriebs­räte gemeint haben, es würden sogar das 13. und 14. Gehalt angegriffen werden. – Da sieht man, auf welchem Niveau dort Angst‑ und Panikmache und Verunsicherung statt­finden, und diese Verunsicherung wollen wir einfach stoppen! (Abg. Schieder: Ist et­was dahinter, oder was?)

Wir haben uns ursprünglich gedacht, ab 1. Jänner 2019 soll dieses Gesetz in Kraft tre­ten. (Abg. Schieder: Und was als Nächstes?) – Kollege Schieder! Haben Sie in der ersten Reihe schon wieder irgendein Tourette-Syndrom entwickelt? (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte keine polemischen Äußerungen!


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. Es fällt wirklich schwer aufgrund dieser Klangwolke zur Linken – und das meine ich jetzt nicht im künstlerischen Sinn –, etwas Sinnvolles zu sagen. Jetzt sind wir nämlich beim Punkt: 1.1.2019. (Ruf bei der SPÖ: Gibt es jetzt einen Ordnungsruf oder nicht?) Wir wollen die Zeit der Verunsicherung, die Sie betreiben, beenden. Wir starten ab 1. September 2018 den Wahrheitsbeweis, dass alles, was Sie von sich geben, falsch ist und erstunken ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gibt nur eine Expertengruppe, die dieses Gesetz beurteilen kann, und das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst. Und die werden dann zu dem Schluss kommen: Um Gottes willen, und wegen solcher Dinge legen die in manchen Städten unseren Verkehr lahm?! (Zwischenruf des – die Hände trichterförmig um den Mund le­genden – Abg. Stöger.) – Nein, das wird nicht passieren. Da können Sie als Rabiatge­werkschafter schreien, soviel Sie wollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt ein Wort der Entschuldigung von mir: Ich habe in den letzten Tagen Betriebsräte pauschal angegriffen, dass sie da nur Erfüllungsgehilfen der SPÖ seien und dieser wieder zu einer Macht verhelfen wollen. Es gibt wirklich zahlreiche Betriebsräte in Ös­terreich, die ihre Funktion aus vollem Herzen, überparteilich, unabhängig ausüben. Bei denen muss ich mich entschuldigen, denn sie wollen wirklich nur das Beste für die An­gestellten in ihren Unternehmen. Darauf wird es auch weiterhin ankommen, sehr ge­ehrte Damen und Herren, denn dieses Gesetz verbietet nämlich nicht, dass man im Betrieb etwas vereinbart (Abg. Wöginger: Genau!), sondern das wird sogar ausdrück­lich von uns gewünscht.

Dabei kommt es auf die Verantwortung derjenigen an, die im wirklichen Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Betriebe handeln – und ich zähle da auch auf das Verständnis und die Intelligenz der Unternehmer, wenn es darum geht, in ihren Betrieben diese guten Verhältnisse herzustellen und mit diesem neuen Gesetz einfach Lösungen zu finden, die beide zufriedenstellen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ja, es wird der 1. September 2018 nicht nur deswegen sein, weil es auch ein großes Anliegen des Tourismus war, dass das nicht mitten in der Wintersaison gemacht wird (Ah-Rufe und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), aus Gründen der Rechtssicherheit. – Also die SPÖ bestreitet mittlerweile sogar, dass der Fremdenverkehr in Österreich ein


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Wirtschaftsfaktor ist? Danke schön! Man weiß, wo Sie mit Ihrer Beobachtungsgabe zu Hause sind! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir wollen, dass ab 1.9.2018 dieses Gesetz Gültigkeit hat, damit sich die Menschen auch darauf einstellen, damit mit den Betrieben alles funktionieren wird. Die Unterneh­mer werden gut handeln, die Arbeitnehmer mit ihren Vertretungen in den Betrieben werden gut handeln. Und dass sich der ÖGB nicht freut, das ist unter Umständen et­was, was weniger die Arbeitnehmerinteressen betrifft, sondern nur die Frage der politi­schen Macht. Das werden die Menschen zu beurteilen haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eines muss aufhören – weil Frau Kollegin Lueger bei der Anfrage an den Herrn Vize­kanzler bezüglich der Arbeitszeitflexibilisierung gesagt hat, sie glaubt das nicht –: Ja, wir stoppen Ihre Glaubensphase und Ihre Glaubenskrise. Wir bieten ab 1.9.2018 die Tatsache, wir bieten die Wahrheit! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


10.53.17

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regie­rungsmitglieder! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Ga­lerie! (Ruf: Das war gut! Recht hat er, der Rosenkranz! – Abg. Jarolim: Deswegen ist der Herr Rosenkranz nur mehr mit 60 Prozent gewählt worden! Ihnen rennen die ei­genen Leute davon! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der FPÖ und des Abg. Jarolim.) – Ist jetzt einmal, Herr Kollege Jarolim, kurz Ruhe im Karton? (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir sehen hier im Hohen Haus ziemlich viele Taferl auf beiden Seiten, und wir sehen ziemlich wenig Hirnschmalz in der parlamentarischen Arbeit. (Ruf: Hallo?!) Jetzt stehe ich hier wirklich als überzeugter Befürworter der Arbeitszeitflexibilisierung, aber Sie ma­chen es einem wirklich schwer. Sie schleudern am 14. Juni einen Entwurf daher, Sie schleudern am 29. Juni einen korrigierten Abänderungsantrag nach, und heute um 9.27 Uhr kriegen wir noch einen Abänderungsantrag. Okay, der war nicht mehr viel an­ders, aber gut. (Abg. Gudenus: Den hätten Sie auch machen können, den Antrag!) Daran sieht man, mit welcher Qualität Sie arbeiten, nämlich mit einer minderwertigen. Das Gesetz ist so schlecht gemacht, dass man tatsächlich glauben könnte, es wäre in den schwarzen und blauen Parlamentsklubs geschrieben worden (Abg. Belakowitsch: Aber hallo?!), und zwar in einer Woche, als Vizeklubdirektor Hartig Urlaub hatte; der hätte das nämlich vielleicht noch gekonnt. (Beifall bei den NEOS.)

Kommen wir zum Inhaltlichen! Also ich gehe davon aus, dass Sie als Parlamentarier Ihre Arbeit ernst nehmen, die Anträge genau lesen und sich überlegen, was Sie tun. Wir haben einen Antrag auf getrennte Abstimmung eingebracht, und zwar zur Frage, wie wir mit den Vollausnahmen aus dem Arbeitszeitgesetz umgehen. Ich sage Ihnen als langjähriger Personalleiter: Das, was Sie da machen, geht zu weit, und Sie sollten sich das überlegen! Kollege Keck hat einmal gesagt, der Loackerismus ist noch schlim­mer als der Thatcherismus, und jetzt sage ich Ihnen: Das geht zu weit. Da sollten Sie ins Nachdenken kommen.

Wenn Sie die dritte Führungsebene vom Arbeitszeitgesetz voll ausnehmen, dann sieht man, dass tatsächlich die Industriellenvereinigung dieses Gesetz geschrieben hat. Na­türlich, die dritte Führungsebene in der OMV, die dritte Führungsebene bei Böhler-Ud­deholm oder bei der Voest, das sind wirklich Kapazunder – aber die dritte Führungs-


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ebene bei Ihrer regionalen Sparkasse, die dritte Führungsebene bei Ihrer Fabrik um die Ecke mit 200 Mitarbeitern ist ein kleiner Teamleiter mit fünf Nasen, die er verantwortet. Das ist die dritte Führungsebene, die Sie voll vom Arbeitszeitgesetz ausnehmen wol­len. Da gelten dann keine 10 Stunden, keine 12 Stunden, da gilt gar nichts mehr, keine Vorschrift über die Nachtruhe, über die Wochenendruhe. Diese Person kann dann auch keine Überstunden ablehnen, die ihr aufgetragen werden, denn sie ist ja von die­sem Gesetz dann ausgenommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Bis mit der neuen Regelung, die Sie im Begriff sind, zu beschließen, klar ist, wer denn jetzt eine Vollausnahme vom AZG ist und wer nicht, wird es Jahre dauern. Professor Marhold von der WU sagt, das wird Rechtsstreitigkeiten provozieren – also Sie provo­zieren Rechtsstreitigkeiten. Natürlich freut sich der Rechtsanwalt Rosenkranz (Abg. Ro­senkranz: Der bearbeitet das gar nicht!), weil natürlich Anwälte mit diesen Rechtsstrei­tigkeiten dann viel Arbeit haben. (Abg. Rosenkranz: Das ist falsch! Das ist falsch!) – Es ist kerzengerade richtig.

Wir bringen folgenden Abänderungsantrag ein, den ich jetzt verlese und in weiterer Fol­ge erkläre:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsru­hegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:

I. In Art 1 Z 5 lautet § 7 Abs. 1:

„(1) Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes können durch Betriebsvereinbarung Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden. Da­bei darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unbeschadet den Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 bis 5 zulässige Dauer innerhalb eines Durchrechnungs­zeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten. Die Regelungen des § 9 Abs. 4 bleiben unberührt.“

II. Art. 1 Z 8 lautet wie folgt:

„§ 7 Abs. 6 und Abs. 6a entfallen.“

III. Nach Art. 1 Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:

„10a. Dem § 10 wird folgender Abs. 4 angefügt:

(4) Abweichend von Abs. 1 und 2 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Über­stunden, durch die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, bestimmen, ob die Abgeltung in Geld nach Abs. 1 Z 1 oder durch Zeitausgleich nach Abs. 1 Z 2 erfolgt. Der Zeitausgleich kann ganztägig verbraucht werden und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ru­hezeit darf nicht ausgeschlossen sein. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spä­testens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben.“

*****


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Jetzt kommen wir zu dem Punkt, wo Sie (in Richtung ÖVP und FPÖ) den Arbeitgebern einen schlechten Gefallen tun, nämlich bei Ihrer Konstruktion der Freiwilligkeit. Was ist die Konstruktion, die die Regierungsmehrheit da wählt? – Nämlich: Nur für Gleitzeitver­einbarungen wollen Sie eine Betriebsvereinbarung vorschreiben. Jemand, der im Schicht­dienst arbeitet, braucht hingegen keine Betriebsvereinbarung. Ihm kann der Arbeitge­ber einseitig die Überstunden vorschreiben, und der Mitarbeiter muss einseitig wider­sprechen und hat dann einen Kündigungsschutz, einen Motivkündigungsschutz.

Jetzt wird die Gewerkschaft zu Recht – ich täte es auch, wenn ich Gewerkschafter oder Arbeiterkämmerer wäre – hergehen und den Mitarbeitern sagen, sie sollen bitte alle sechs bis zehn Monate eine solche Überstunde ablehnen, denn damit haben sie sich selbst den Kündigungsschutz eingekauft und sind pragmatisiert. Ob Ihre Arbeitgeber das wollten, Frau Graf, Frau Winzig, ob Sie da weit genug gedacht haben, das frage ich mich. Da wäre es schon klüger, ich habe eine Betriebsvereinbarung und habe kein solches individuelles Ablehnungsrecht mit einem Kündigungsschutz und pragmatisier­ten Mitarbeitern.

Was Sie auch gemacht haben, ist Folgendes: Nachdem Ihr Antrag am 14. Juni gekom­men ist, wurde reklamiert, dass kein ganztägiger Zeitausgleich vorgesehen ist. Das ha­ben Sie jetzt hineingenommen, und den ganztägigen Zeitausgleich sehen Sie jetzt für Mitarbeiter in Gleitzeit vor, aber wenn der Schichtarbeiter angeordnete Überstunden machen muss, dann kann er zwar den Zeitausgleich wählen, er hat aber keinen An­spruch auf ganztägigen Zeitausgleich. Ihm kann der Chef den Zeitausgleich auch nur stundenweise gewähren. Jetzt müssen Sie sich die Situation in einer Fabrik vorstel­len – ich war zum Beispiel in einer Papierfabrik –: Die im Büro dürfen ganztägig Zeit­ausgleich nehmen, und die Kollegen, die – bei 40 Grad Hitze und 100 Prozent Luft­feuchtigkeit – in der Fabrik arbeiten, dürfen nur stundenweise Zeitausgleich nehmen. (Abg. Rosenkranz – den Kopf schüttelnd –: Das ist doch schon ...!) – Das ist die Logik, die Sie in Ihr Gesetz hineingezimmert haben! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Was Sie gemacht haben, ist unlogisch, es ist ganz schlecht gemacht, es wird Rechts­streitigkeiten provozieren. Als wirklich überzeugter Verfechter einer Arbeitszeitflexibili­sierung kann ich sagen: Man kann wirklich alles, was man vorhat, schlecht machen – und das haben Sie zusammengebracht. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordne­ten von SPÖ und Liste Pilz.)

10.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsru­hegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsru­hegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, wird wie folgt geändert:

I. In Art 1 Z 5 lautet § 7 Abs. 1:

„(1) Bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes können durch Betriebsvereinbarung Überstunden bis zu einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden zugelassen werden. Da-


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bei darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unbeschadet den Bestimmungen des § 8 über die nach den §§ 3 bis 5 zulässige Dauer innerhalb eines Durchrechnungs­zeitraumes von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Die Tagesarbeitszeit darf zwölf Stunden nicht überschreiten. Die Regelungen des § 9 Abs. 4 bleiben unberührt."

II. Art. 1 Z 8 lautet wie folgt:

„ § 7 Abs. 6 und Abs. 6a entfallen."

III. Nach Art. 1 Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:

„10a. Dem § 10 wird folgender Abs. 4 angefügt:

(4) Abweichend von Abs. 1 und 2 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Überstunden, durch die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenar­beitszeit von 50 Stunden überschritten wird, bestimmen, ob die Abgeltung in Geld nach Abs. 1 Z 1 oder durch Zeitausgleich nach Abs. 1 Z 2 erfolgt. Der Zeitausgleich kann ganztägig verbraucht werden und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchent­lichen Ruhezeit darf nicht ausgeschlossen sein. Dieses Wahlrecht ist möglichst früh­zeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben."

Begründung

Ad I.

Der ÖVP/FPÖ-Antrag sieht Betriebsvereinbarungen als Voraussetzung für Gleitzeitmo­delle mit 12h-Tagesarbeitszeit vor. Die Ausdehnung der Tagesarbeitszeit auf zwölf Stun­den für Arbeitnehmer_innen, die nicht im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung arbeiten, soll nur mittels einer Betriebsvereinbarung möglich sein. Dadurch wird die Mitbestim­mung von Arbeitnehmer_innen auf betrieblicher Ebene gestärkt und eine Ungleichbe­handlung von Arbeitnehmer_innen, die in verschiedenen Formen der Arbeitszeit arbei­ten, verhindert. Außerdem stellt dieses Erfordernis eine Stärkung der betrieblichen Ebene und einen Schritt hin zu mehr Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Unter­nehmen und deren Mitarbeiter_innen dar und ermöglicht mehr maßgeschneiderte Lö­sungen auf betrieblicher Ebene.

Ad II.

Im vorliegenden Initiativantrag der Abg. Haubner/Klinger ist sowohl die einseitige An­ordnung, als auch die einseitige Ablehnung von Überstunden möglich, was einem part­nerschaftlichen Miteinander auf betrieblicher Ebene fundamental zuwider läuft. § 7 Abs. 6 und 6a AZG regeln derzeit die Vorgehensweise für Sonderfälle von Überstun­denarbeit, sofern keine Betriebsvereinbarung vorhanden ist. Aufgrund der im gegen­ständlichen AÄA vorgesehenen Änderungen, wonach eine Ausdehnung der Arbeitszeit auf 12 Stunden bei erhöhtem Arbeitsbedarf nur auf Basis einer Betriebsvereinbarung möglich ist, können diese Bestimmungen entfallen. Damit machen wir einen Schritt hin zu betrieblichen Lösungen und stärken ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen vor Ort.

Ad III.

Während der ursprüngliche Gesetzesvorschlag der Abg. Haubner/Klinger Arbeitneh­mer_innen, die in Gleitzeit arbeiten, ermöglicht, ihr Zeitguthaben jedenfalls ganztägig zu verbrauchen, fehlt eine entsprechende Regelung für Arbeitnehmer_innen, die nicht in Gleitzeit arbeiten und trotzdem 11 oder 12 Stunden erbringen. Mit einer Änderung analog zur Formulierung des Art. 1 Z 4 (§ 4b Abs. 4) wird diese Ungleichbehandlung behoben. Damit ist es allen Arbeitnehmer_innen möglich, längere Freizeitblöcke als Kompensation für die 11. und 12. Stunde in Anspruch zu nehmen. Auch das Ziel fle-


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xiblerer Arbeitszeiten, nämlich bessere Vereinbarung von Beruf, Familie und Freizeit, kann damit besser erreicht werden.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Wöginger. – Entschuldigung, es erfolgt zu­vor noch eine tatsächliche Berichtigung durch den Abgeordneten Jarolim. – Bitte.


11.00.26

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Danke, Herr Präsident, für diese faire Vorgangsweise.

Herr Abgeordneter Kollege Rosenkranz hat vorhin gesagt, dass durch das neue Paket Betriebsvereinbarungen nicht tangiert werden und so bleiben.

Diese Aussage ist unrichtig. Betriebsvereinbarungen laufen aus, können gekündigt wer­den und werden dann aufgrund der Regelung nicht mehr abgeschlossen.

Das ist auch einer der Gründe dafür, warum Kollege Rosenkranz bei seiner Wahl in Niederösterreich nur noch 60 Prozent der Stimmen bekommen hat – eine klare Aussa­ge! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

11.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nun gelangt Herr Abgeordneter Klubobmann Wö­ginger zu Wort. – Bitte.


11.01.07

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem auch liebe Zu­seherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! (Zwischenrufe bei der SPÖ, deren Abgeordnete runde, rot umrandete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen „12“ und „60“ in die Höhe halten. – Im Gegenzug halten Abgeordnete von ÖVP und FPÖ türkis-blau gerahmte Tafeln mit den Aufschriften „Freiwilligkeit garantiert!“, „Es bleibt dabei!“, „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Woche“ in die Höhe.) Herr Klubobmann Kern, ich werte es ja an und für sich als freundliche Geste, wenn Sie sich um den ÖAAB Sorgen machen, aber eines kann ich Ihnen sagen: Im Gegensatz zu Ihrer Organisation habe ich meinen Laden im Griff, sowohl beim ÖAAB als auch im Klub der einzig wahren Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und, Herr Klubobmann Kern, ich würde Ihnen eines empfehlen ...


Präsidentin Anneliese Kitzmüller (den Vorsitz übernehmend): Entschuldigung, Herr Abgeordneter!

Die Taferl haben wir gesehen; sie wurden sehr schön angefertigt. (Heiterkeit.) Ich darf Sie bitten, diese wieder herunterzunehmen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Bitte schön, Herr Abgeordneter Wöginger.


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Heute ist der Taferltag. – Herr Klubob­mann Kern, ich würde Sie aber um eines ersuchen: Letzten Samstag bei der Demons­tration waren ja die Spitzengewerkschafter, die auch Ihrer Fraktion angehören, anwe­send, und ich nehme an, dass Sie durchaus auch eine Gesprächsbasis mit diesen Herrschaften haben. Wenn Herr Köstinger von der Postgewerkschaft sozusagen sagt, diese Regierung gehöre gestürzt, dann sind wir über diese Aussagen mehr als be-


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stürzt, Herr Klubobmann Kern, und Sie sollten eigentlich alles daransetzen, dass sol­che Aussagen auch bei einer Demonstration nicht getätigt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Wie war das mit dem Mitterlehner damals?)

Und etwas, was ich wirklich entschieden zurückweise – und da stelle ich mich auch schützend vor meine Abgeordneten –, haben heute in Salzburg unsere Mandatarinnen und Mandatare vor ihren Haustüren gefunden (ein entsprechendes Foto in die Höhe haltend): Ein Schild mit der Aufschrift „Frau Nationalrätin Graf, Sie zerstören den so­zialen Frieden!“ mit einem Grablicht und einem Pflasterstein. – Ich frage Sie hier im Nationalrat von diesem Rednerpult aus: Was wollen diese Menschen, die das dort hin­gelegt haben, uns mit diesen Pflastersteinen sagen? Das ist ein Tiefpunkt in der politi­schen Kultur in Österreich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man kann – und das ist durchaus legitim – zu einem Thema, wie dem aktuellen betref­fend die Arbeitszeit, unterschiedliche Positionen vertreten. Wir sind unterschiedliche Fraktionen und daher ist das legitim, aber ich sage Ihnen eines: Ich weise mit aller Entschiedenheit diese verbalen Ausdrücke und auch diese Aktionen zurück. Das geht so nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der Ab­geordneten Heinisch-Hosek und Kuntzl. – Ruf bei der ÖVP: Alle mit dem 12er-Pickerl sind ...!)

Jetzt zum Arbeitszeitgesetz: Es wird einfach nicht richtiger, es wird nicht wahrer, wenn Sie Ihre Schilder auch noch so hoch halten! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir bleiben bei der Normalarbeitszeit von 8 Stunden. Wir bleiben bei der Wochenarbeitszeit von 40 Stun­den. (Abg. Schieder: Niemand glaubt das!) Es gibt keinen generellen 12-Stunden-Tag! (Ruf bei der SPÖ: Sie haben Ihre Glaubwürdigkeit verloren!) Es gibt keine generelle 60-Stunden-Woche! Und wissen Sie, was der Beweis dafür ist? – Es hat auch jetzt kei­nen generellen 10-Stunden-Tag gegeben und auch keine generelle 50-Stunden-Wo­che. Das ist der Beweis dafür, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Das glauben Sie nicht einmal selber!)

Mit einem muss auch aufgeräumt werden: Der Standort bestimmt den Standpunkt – Op­position, Regierung, das kenne ich auch seit vielen Jahren –, aber es kann nicht sein, dass es immer nur gute Gesetze und gute Maßnahmen sind, wenn die Sozialdemo­kraten mit am Tisch sitzen, und kaum sind sie nicht mehr mit dabei, dann sind all diese Gesetze nicht gut und alle schlecht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Stöger.) Diese Bevormundung, das geht nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ein Tiefpunkt!)

Dafür gibt es auch ein sehr gutes Beispiel, denn: Wenn die Betriebsräte, womöglich rote, eine Betriebsvereinbarung abschließen – ob es bei den ÖBB ist, ob es bei den Wiener Linien ist, wo man überhaupt gleich bis zu 16 Stunden unterwegs sein darf, ob es in Kärnten bei der Straßenmeisterei ist oder im Magistrat Salzburg, wo der rote Spit­zengewerkschafter regelrecht dazu auffordert, dass man dort 12 Stunden arbeiten darf –, wenn es dort gemacht wird, dann gibt es überhaupt keine gesundheitlichen Be­denken und es ist alles in Ordnung. Nur wehe, wehe, ein Arbeitnehmer entscheidet selber, in Eigenverantwortung, aus freien Stücken, dass er eine 11. oder 12. Stunde ar­beiten will, dann ist das des Teufels Werk! – So geht das nicht, meine Damen und Herren! Wir stehen zur Freiwilligkeit, und die verankern wir auch im Gesetz! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: ... unglaubwürdig!)

Ich bringe jetzt auch diesen viel zitierten Abänderungsantrag der Abgeordneten Wö­ginger, Rosenkranz, Haubner und Klinger zum Antrag 303/A ein. Er wird verteilt – wir haben ihn zuerst auch versendet, er ist letzten Freitag schon übermittelt worden, das Inkrafttretensdatum hat sich jetzt noch geändert –, und ich möchte ihn auch in den Eck­punkten erläutern. Warum, meine Damen und Herren? – Weil hier Rechte für die Ar-


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beitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgesichert werden, die es in der Vergangenheit noch nie gegeben hat! Und zwar werden diese im Gesetz abgesichert – das muss ein­mal gesagt werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich beginne mit der Gleitzeit. Herr Klubobmann Kern, der Standort bestimmt den Stand­punkt. Ich habe hier den Plan A mit (einen Ausdruck davon in die Höhe haltend), und beim Plan A - - (Abg. Kern: Herr Wöginger, schauen Sie einmal, ob Sie die 60-Stun­den-Woche drinnen finden! Schauen Sie einmal, ob Sie das Ende der Betriebsverein­barungen drinnen finden! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Herr Klub­obmann Kern (Abg. Sobotka – in Richtung SPÖ –: Nicht nervös werden!), ich lese jetzt einen Absatz vor, in dem es um die Gleitzeit geht, und da steht (Abg. Sobotka neu­erlich in Richtung SPÖ –: Nicht nervös werden!):

„Bei Gleitzeit sollen zwölf Stunden tägliche Arbeitszeit möglich werden, jedoch nur, wenn als Ausgleich längere zusammenhängende Freizeitblöcke genommen werden kön­nen. Ein genereller 12-Stunden-Tag ist für uns nicht vorstellbar.“ (Beifall und Zwischen­rufe bei der SPÖ.) „ArbeitnehmerInnen sollen für jede Überstunde, die geleistet wurde, auch in Zukunft ihre Zuschläge bekommen.“ (Rufe bei der SPÖ: Weiterlesen! Weiterle­sen!)

So, Herr Klubobmann Kern, jetzt lesen Sie im Abänderungsantrag den ersten Absatz, in dem es um die Gleitzeit geht:

„Die tägliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht überschreiten. Eine Verlänge­rung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden ist zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausge­schlossen ist.“

So, und was ist das jetzt? – Das ist genau das, was im Plan A steht! Genau das Glei­che wird hier umgesetzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Haubner: So schaut’s aus!)

Und im nächsten Absatz steht:

„Ordnet die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber Arbeitsstunden an, die über die Nor­malarbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 hinausgehen, gelten diese als Überstunden.“ – Und sie sind überstundenzuschlagspflichtig! Das ändern wir nicht und es bleibt so, wie es auch jetzt war. Hören Sie daher bitte auf, diese Unwahrheiten zu verbreiten! Überstun­den werden bezahlt, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dann kommt die Freiwilligkeitsgarantie ins Gesetz: Es steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn es sich um die 11. oder 12. Überstunde handelt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Und überhaupt das Überdrüber ist der Rechtsanspruch, der den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingeräumt wird, zu bestimmen, ob sie die Mehrleistung mit Geld oder in Freizeit abgegolten haben wollen.

Wir haben – aufgrund der Erfordernisse der Standortentwicklung – immer gesagt, wir stehen einer zusätzlichen Flexibilisierung nicht im Weg, aber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen entweder mehr Geld oder mehr Freizeit erhalten. – Das steht im Antrag, das wird darin rechtlich abgesichert, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir greifen auch nicht in bestehende Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen ein. Nachdem ich mit Kollegen Muchitsch – wir kennen uns lange und gut – im „Report“ dis­kutiert habe, habe ich mir noch einmal genau angeschaut, was mit den Betriebsverein­barungen in Zukunft sein wird.


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Erstens – ich war lange genug Betriebsratsobmann, ich habe viele Betriebsvereinba­rungen abgeschlossen –: Es steht nirgends, dass man nicht in Zukunft Betriebsverein­barungen abschließen kann. Es steht auch nirgends, dass sie zum Auslaufen gezwun­gen werden.

Aus meiner Praxis kann ich Ihnen auch eines sagen: Wie soll denn das gehen, wenn es in der Voest zum Beispiel die Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit gibt? Glauben Sie, die kann man einfach so hintenherum auslaufen lassen, wo eine Vielzahl an Be­triebsräten und Ersatzbetriebsräten dort im Unternehmen tätig ist? – Das funktioniert doch in der Praxis nicht! Arbeitszeit ist insgesamt ein erzwingbares Recht, wenn es um Betriebsvereinbarungen geht. Das haben Juristen bestätigt und das liegt auch auf dem Tisch. Bleiben Sie diesbezüglich bitte auch bei der Korrektheit und bei der Wahrheit! (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Beginnzeit, Endzeit, Arbeitszeit sind erzwingbare Rech­te, wenn es um Betriebsvereinbarungen geht, auch in Zukunft, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Bezüglich der Feiertags- und Sonntagsruhe halte ich Folgendes fest: Im Zusammen­hang mit der vorgeschlagenen Novellierung des Arbeitsruhegesetzes kam es auch zu Einwendungen der Österreichischen Bischofskonferenz, die vom Heiligen Stuhl unter­stützt wurden. Nach Gesprächen mit dem Heiligen Stuhl und der Bischofskonferenz besteht Einverständnis darüber, dass gegen die Novelle in der Fassung des vorliegen­den Abänderungsantrages unter der Bedingung, dass die uneingeschränkte Freiwillig­keit bezüglich der Arbeit an Sonn- und Feiertagen garantiert ist und Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen für den Handel nicht über das bestehende Ausmaß hinaus aus­geweitet werden, kein Einwand besteht. – So ist es, meine Damen und Herren, und so sei es auch in Zukunft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Knes.)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich als jemand, der seit vielen Jah­ren in der Arbeitnehmervertretung tätig ist, noch eines sagen: Mit diesem Gesetz kön­nen wir der Bevölkerung, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch den Unternehmerinnen und Unternehmern wirklich eines garantieren: Es ist ein ausgewo­genes Paket im Sinne von beiden Beteiligten (die Abgeordneten Heinisch-Hosek und Schieder: Nein!), es ist eine Win-win-Situation für Dienstnehmer und für Dienstgeber, und das wollten wir, als wir uns im Regierungsprogramm darüber verständigt haben, dass wir die Arbeitszeit der heutigen Zeit anpassen und viele Graubereiche jetzt auch legalisieren. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Für beide, für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber, ist es ein gutes Gesetz. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein!) Wir werden den Standort Österreich im Sinne der Bevölkerung positiv weiterentwickeln. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Walter Rosenkranz, Peter Haubner,

Ing. Wolfgang Klinger

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsru­hegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:


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Der Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsru­hegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A) wird wie folgt geändert:

A. In Art. 1 Z 1 und 15 sowie in Art. 2 Z 1 wird jeweils die Wortfolge „nahe Angehörige im Sinne des § 284c des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, JGS Nr. 1811/946 (ABGB),“ durch die Wortfolge „nahe Angehörige der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitge­bers (Eltern, volljährige Kinder, im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin oder Ehe­gatte, eingetragene Partnerin oder Partner, sowie Lebensgefährtin oder Lebensgefähr­te, wenn seit mindestens drei Jahren ein gemeinsamer Haushalt besteht),“ ersetzt.

B. Art. 1 Z 4 lautet:

„4. § 4b Abs. 4 wird durch folgende Abs. 4 und 5 ersetzt:

„(4) Die tägliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht überschreiten. Eine Ver­längerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden ist zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Die wöchentliche Normalarbeitszeit darf innerhalb der Gleitzeitpe­riode die wöchentliche Normalarbeitszeit gemäß § 3 im Durchschnitt nur insoweit über­schreiten, als Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben vorgesehen sind.

(5) Ordnet die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber Arbeitsstunden an, die über die Nor­malarbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 hinausgehen, gelten diese als Überstunden.““

C. In Art. 1 Z 7 wird das Zitat „Abs. 1 bis 3“ durch das Zitat „Abs. 1 und 3“ ersetzt.

D. In Art. 1 Z 8 lautet § 7 Abs. 6:

„(6) Es steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs. 1 und 2 ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Über­stunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stun­den überschritten wird. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung in­nerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten. § 105 Abs. 5 des Arbeits­verfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974 gilt sinngemäß.“

E. Nach Art. I Z 10 wird folgende Z 10a eingefügt:

„10a. Dem § 10 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Abweichend von Abs. 1 und 2 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Überstunden, durch die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenar­beitszeit von 50 Stunden überschritten wird, bestimmen, ob die Abgeltung in Geld nach Abs. 1 Z 1 oder durch Zeitausgleich nach Abs. 1 Z 2 erfolgt. Dieses Wahlrecht ist mög­lichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben.““

F. In Art. I Z 12 lautet der letzte Satz des § 18 Abs. 2:

„Dabei darf die Tagesarbeitszeit zehn Stunden, in den Fällen des § 5 und des § 7 Abs. 1 jedoch zwölf Stunden insoweit überschreiten, als dies die Aufrechterhaltung des Ver­kehrs erfordert.“

G. Art. 1 Z 13 entfällt.

H. In Art. 1 Z 15 wird in § 19b Abs. 3 Z 3 der Ausdruck „Entscheidungsbefugnisse“ durch den Ausdruck „Entscheidungsbefugnis“ ersetzt.

I. Nach Art. 1 Z 20 wird folgende Z 20a eingefügt:


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„20a. Dem § 32c wird folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) Bestehende Gleitzeitvereinbarungen bleiben aufrecht. Regelungen in Kollektiv­verträgen und Betriebsvereinbarungen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch die Änderungen des Bundes­gesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018 nicht berührt.““

J. In Art. 1 Z 21 lautet § 34 Abs. 37:

„(37) § 1 Abs. 2 Z 7 und 8, § 4 Abs. 7, § 4b Abs. 4 und 5, § 7 Abs. 1, 5 und 6, § 8 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 1 bis 3, § 10 Abs. 4, § 12 Abs. 2a, § 18 Abs. 2, § 19a Abs. 8, § 19b Abs. 3 Z 3 und 5, § 20a Abs. 2, § 26 Abs. 2a, § 28 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 Z 1 sowie
§ 32c Abs. 10, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2018, treten mit
1. September 2018 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkt entfallen auch § 7 Abs. 2, 4 und 4a sowie § 20b Abs. 6.“

K. In Art. 2 Z 3 lautet § 12b Abs. 3:

„(3) In Betrieben ohne Betriebsrat kann Wochenend- und Feiertagsarbeit nach Abs. 1 und 2 schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart werden. In diesem Fall steht es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Sie dürfen deswegen nicht benachteiligt werden, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Auf­stiegsmöglichkeiten und der Versetzung. Werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer deswegen gekündigt, können sie die Kündigung innerhalb einer Frist von zwei Wo­chen bei Gericht anfechten. § 105 Abs. 5 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974 gilt sinngemäß.“

L. In Art. 2 erhält die zweite Novellierungsanordnung „3.“ die Bezeichnung „4.“ und die bisherige Novellierungsanordnung „4.“ die Bezeichnung „5.“.

M. Im nunmehrigen Art. 2 Z 5 wird in § 33a Abs. 27 das Zitat „§ 1 Abs. 2 Z 5a und 5b“ durch das Zitat „§ 1 Abs. 2 Z 3 und 5“ und das Datum „1. Jänner 2019“ durch das Da­tum „1. September 2018“ ersetzt.

N. Art. 3 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

a) Die Z 1 erhält die Bezeichnung „1a.“.

b) Vor der Z 1a wird folgende Z 1 eingefügt:

»1. In der Überschrift zu § 42b entfällt der Ausdruck „-Tool“.«

c) Im § 42b Abs. 1 in der Fassung der Z 1a entfällt im ersten Satz der Klammer­ausdruck „(Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool)“ und wird im zweiten Satz das Wort „Verwendung“ durch das Wort „Verarbeitung“ ersetzt.

d) Nach der Z 1a werden folgende Z 1b und 1c eingefügt:

»1b. Im § 42b Abs. 2 erster Satz, Abs. 3 erster Satz und Abs. 4 erster und dritter Satz wird der Ausdruck „Abs. 1“ jeweils durch den Ausdruck „Abs. 1 Z 1“ ersetzt.

1c. Im § 42b Abs. 4 erster Satz wird der Ausdruck „das Risiko- und Auffälligkeitsana­lyse-Tool“ durch den Ausdruck „die Risiko- und Auffälligkeitsanalyse“ ersetzt.«

e) Im § 715 in der Fassung der Z 3 wird der Ausdruck „§ 42b Abs. 1“ durch den Aus­druck „§ 42b Abs. 1 bis 4“ und das Datum „1. Jänner 2019“ durch das Datum „1. Sep­tember 2018“ ersetzt.


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Begründung

Zu A:

Da § 284c ABGB mit 1. Juli 2018 außer Kraft tritt, muss die vorgesehene Definition der nahen Angehörigen im AZG bzw. ARG selbst geregelt werden. Schwiegerkinder sind von der Definition nicht erfasst.

Zu B:

Bei Gleitzeit haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Eine Tagesarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden kann in Form von Normalarbeitszeit oder durch Überstunden erfolgen.

Eine Verlängerung der Normalarbeitszeit kann bei Gleitzeit nur vorliegen, wenn die Ar­beitszeitausdehnung auf Initiative bzw. im Interesse der Arbeitnehmerin bzw. des Ar­beitnehmers erfolgt. Liegt jedoch eine Arbeitgeberanordnung vor, handelt es sich um Überstunden wegen erhöhten Arbeitsbedarfs nach § 7, für die ein entsprechender Zu­schlag gebührt. Dies wird im Gesetzestext klargestellt.

Gleitzeitvereinbarungen, die eine tägliche Normalarbeitszeit von zwölf Stunden zulas­sen, müssen künftig vorsehen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit lan­gen Tagesarbeitszeiten einen entsprechenden Ausgleich durch längere zusammen­hängende Freizeit erhalten. Da dies auch in Zusammenhang mit der wöchentlichen Ruhezeit möglich sein muss, ist auch bei Gleitzeit in mehreren Wochen eine 4-Tage-Woche möglich.

Zu C, F, G, H, J, L und M:

Korrektur von Redaktionsversehen, Zitatanpassungen und Inkrafttreten bereits mit
1. September 2018.

Zu D und E:

Mit dieser Freiwilligkeitsgarantie wird sichergestellt, dass Überstunden über einer Ta­gesarbeitszeit von zehn bzw. einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden tatsächlich nur mit Zustimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geleistet werden können. Es wird daher vorgesehen, dass die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer die Überstun­den im Einzelfall verweigern kann. Weiters ist ein umfassendes Benachteiligungsverbot vorgesehen. Kündigungen auf Grund der Ablehnung im Einzelfall können beim Arbeits- und Sozialgericht angefochten werden. Eine Entlassung wegen Inanspruchnahme die­ser Rechte wäre jedenfalls ungerechtfertigt und kann auch ohne gesetzliche Anord­nung angefochten werden.

Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird ein Wahlrecht eingeräumt, ob Über­stunden über einer Tagesarbeitszeit von zehn Stunden und einer Wochenarbeitszeit von 50 Stunden durch Überstundenzuschlag oder Zeitausgleich abgegolten werden. Dieses Wahlrecht ist möglichst frühzeitig, spätestens jedoch am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben, um die Lohnabrechnung nicht unnötig zu er­schweren.

Entscheiden sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Zeitausgleich und wird der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht vereinbart, hat der Zeitausgleich nach § 19f Abs. 2 Z 2 binnen sechs Monaten zu erfolgen. Geschieht dies nicht, können die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer nach § 19f Abs. 3 entweder den Ausgleichszeitpunkt mit einer Vorankündigungsfrist selbst bestimmen oder die Abgeltung in Geld verlangen.

Für Überstunden bis zu einer Tagesarbeitszeit von zehn Stunden und einer Wochenar­beitszeit von 50 Stunden gilt weiterhin die Regelung des § 6 Abs. 2, nach der Über­stunden nur zulässig sind, wenn berücksichtigungswürdige Interessen der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer nicht entgegenstehen.


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Bei 4-Tage-Woche nach § 4 Abs. 8 ist die Anordnung von Überstunden weiterhin in­soweit eingeschränkt, als die gesamte Arbeitszeit auf vier Tage zu verteilen ist und da­her der 5. Tag auch frei von Überstunden sein muss.

Zu I:

Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass günstigere Regelungen in Kollektivver­trägen und Betriebsvereinbarungen aufrecht bleiben. Ausdrücklich wird festgehalten, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen aufrecht bleiben und daher eine Begrenzung der täglichen Normalarbeitszeit mit 10 Stunden in einer Gleitzeitvereinbarung nicht au­tomatisch auf 12 Stunden erhöht wird, sondern dafür eine Änderung der Betriebsver­einbarung notwendig ist.

Zu K:

Die Freiwilligkeitsgarantie durch ein Ablehnungsrecht ohne Angabe von Gründen samt Benachteiligungsverbot und Kündigungsschutz soll auch bei Wochenend- und Feier­tagsarbeit gelten, die durch Einzelvereinbarung ermöglicht wird.

Zu N:

Der Begriff „Tool“ soll entfallen.

Weiters erfolgt eine terminologische Anpassung an die DSGVO.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte und in seinen Kernpunk­ten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Rosenkranz, Haubner und Klinger wurde in schriftlicher Form überreicht, ist genügend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte. (Abg. Höbart: Wenn der Herr Kern bei der Abstimmung da ist, kann er dem Plan A zustimmen!)


11.14.04

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Es zeigt schon, wie weit es mit diesem Gesetz her ist, wenn von ÖVP-Seite jetzt schon bis zum Vatikan interveniert werden muss und wahrscheinlich Ablass geleistet werden muss, damit es doch dazu kommt, dass eine Ausweitung auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche möglich sein wird. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie sitzen hier und halten Taferl mit „8 Stunden am Tag“ und „40 Stunden in der Wo­che“ in die Luft – ich komme mir wirklich vor, als ob wir über die Einführung des 8-Stun­den-Arbeitstages diskutieren müssten und als ob Sie die Vorkämpfer dafür wären! Da­bei sind Sie es, die hier und heute die Einführung von 12 Stunden pro Tag möglich ma­chen wollen (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja nicht!) – 12 Stunden pro Tag! (Abg. Haub­ner: Keine Ahnung! – Abg. Steinacker: Lesen!) –, und das nicht für ausgenommene Bereiche, das nicht für abgegrenzte Zeitblöcke, das nicht mit arbeitsmedizinischer Ge­nehmigung, nein, einfach 12 Stunden ermöglichen, über alle Branchen drüber, egal, ob körperliche Tätigkeit, egal, ob Büroarbeit. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist Ihre Politik, das bedeutet null Rücksicht auf Gesundheit und das bedeutet null Rück­sicht auf Familien und Kinder in diesem Land. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Sobotka: Sagen Sie das den Polizisten und den Kranken­schwestern, Frau Kollegin!)


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Das ist ein Punkt, zu dem ich auch kommen möchte: Wer A wie Arbeitszeit sagt, muss auch B wie Betreuung sagen, und genau an diesem Punkt stehen wir. Sie sagen A wie Arbeitszeit und meinen damit, Arbeitszeit 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchent­lich möglich zu machen. Auf der anderen Seite sagen Sie aber nicht B wie Betreuung, denn von Ihrer Seite wird nicht in die Kinderbetreuung, in den weiteren Ausbau der Kin­derbetreuung investiert. Nein, die drohende Flexibilisierung, die Sie hier anschneiden und die Sie einführen wollen, bedeutet auf der anderen Seite eine Kürzung der Mittel für den Kindergartenausbau. Es waren bisher 140 Millionen Euro vorgesehen, das wird um 50 Millionen Euro gekürzt, wir stehen beim Kindergartenausbau und weiteren In­vestitionen bei lediglich 90 Millionen Euro.

Sie sind säumig, was die Ausfinanzierung betrifft, und Sie streichen die Mittel. Ich frage mich, ob Sie mit dieser Politik, die Sie machen, wirklich in der Realität leben. Ich weiß, was das Wort realitätsfern bedeutet, aber Sie treten mit diesem Gesetz den Beweis an, dass es von realitätsfern anscheinend noch eine Steigerungsform gibt.

Wer auf der einen Seite Arbeitszeit ausdehnt, wer auf der anderen Seite Menschen zur Flexibilisierung zwingt – und von Ihrer Seite ist gekommen, es wird alles freiwillig blei­ben –, dem möchte ich eines sagen: Freiwilligkeit wird es zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nie geben können (Ruf bei der ÖVP: Warum nicht? – Zwischenruf des Abg. Jenewein – weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), es wird nie eine Augenhö­he geben können, es wird nie eine freiwillige Ablehnung von Überstunden geben kön­nen! Dies aus einem simplen Grund, nämlich weil da draußen über 340 000 Menschen sind, die einen Job suchen und bereit sind, ihren Job zu machen, weil da draußen Menschen sind, die sich nicht hinstellen und sagen: Okay, alle meine Arbeitskollegen sollen jetzt 12 Stunden arbeiten, aber ich werde es nicht machen. – Nein, denn es gibt Zusammengehörigkeit und es gibt ein Gruppengefühl und dementsprechend werden Menschen sich dazu hinreißen lassen, ihre Freiwilligkeit aufzugeben, aus Schutz für den eigenen Job, aus Schutz für die Arbeitskollegen und natürlich aus Angst, den Job zu verlieren und die Familie nicht mehr erhalten zu können. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Zarits: Wenig Applaus! – Abg. Rosenkranz: Sie ist noch nicht wieder bei der SPÖ! – Abg. Martin Graf: Alle fünf Mitglieder der Liste Pilz haben geklatscht!)

Sie dehnen die Arbeitszeit aus, Sie zwingen die Menschen zur Flexibilisierung und Sie schränken die Planbarkeit der persönlichen Freizeit und des Familienlebens der Betrof­fenen immens ein. Sie stellen diese Menschen vor die Entscheidung, sich am Ende des Tages, nach 12 Stunden Arbeitszeit und – durch Sie auch ausgeweitet – nach 2,5 Stun­den An- und Abreisezeit, zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen. (Abg. Deimek: Erzählen Sie uns lieber mal, wo Sie in einem Privatbetrieb gearbeitet haben! Wie viele Sekunden waren das? Aber Sie wissen alles!) Es sind meistens Frauen, die diese Entscheidung vor sich haben werden und sich eben für die Familie entscheiden werden, wie es jetzt schon der Fall ist. Es ist eine unzureichende Zahl an Kinderbetreu­ungsplätzen in den Bundesländern vorhanden. (Abg. Deimek: Über Kinder reden Sie auch noch! Wie viele haben Sie? Eine Familie haben Sie auch?) Viele Frauen machen jetzt schon Teilzeitarbeit oder es ist ihnen aufgrund von Pflege et cetera nicht möglich, Vollzeit arbeiten zu gehen.

Wenn Sie sich so sicher sind, dass die 3 774 000 Menschen in unserem Land Ihr Mo­dell wollen, dann trauen Sie sich doch, diese zu befragen! Gehen Sie hinaus und er­möglichen Sie diesen Menschen eine Volksabstimmung!

Wir sind der Meinung, dass die Produktivitätsgewinne, die in den letzten Jahren durch die ArbeitnehmerInnen erwirtschaftet worden sind, diesen Menschen auch zugutekom­men sollen, und das heißt: Arbeitszeitverkürzung. Diesbezüglich werden wir auch noch einen Antrag einbringen. Das bedeutet, mehr Zeit für die Familie zu haben, das bedeu­tet, mehr Zeit für die Freizeit und für die Gesundheit zu haben.


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Wenn Sie wirklich meinen, dass Ihr Modell von der Bevölkerung unterstützt wird, dann trauen Sie sich doch, die Bevölkerung zu befragen! Und kommen Sie mir am Ende des Tages nicht wieder mit dem Schmäh, dass es durch mehr Wochenende und Freizeit­blöcke eh mehr Zeit für die Familie geben wird! (Ruf bei der FPÖ: Gehen Sie einmal selber was hackeln, dann reden Sie weiter!) Das ist nicht der Fall!

Dieses angebliche Recht, das Sie hier festschreiben wollen, das wird es am Ende des Tages nicht geben, das ist nämlich am Ende des Tages rein aufgemalt auf einem Pa­pierl! Das ist alles, denn 12 Stunden sind mehr als 8 Stunden, und dieses Recht auf Freizeitblöcke und zu entscheiden, wann ich mir diese Freizeitblöcke nehme oder nicht, wird es in der Realität nicht spielen. (Abg. Belakowitsch: Woher wissen Sie das?) Auf­träge sind immer da und Aufträge müssen, wie Sie schon sagten, abgearbeitet werden, damit für die Unternehmen kein Schaden entsteht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ob aber Schaden für die Familie und ob Schaden für Kinder oder die Gesundheit der Betroffenen entsteht, das ist Ihnen bei diesem Modell völlig egal! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desminister Hartinger-Klein. – Bitte, Frau Minister.


11.20.12

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was macht Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer zufrieden? (Die Abgeordneten der SPÖ halten runde, rot um­randete Tafeln mit den durchgestrichenen Zahlen 12 und 60 in die Höhe. – Die Abge­ordneten Heinisch-Hosek und Kuntzl – in Richtung der sich auf der rechten Seite der Regierungsbank befindenden Bundesministerin –: Warum sitzen Sie nicht da herü­ben?) Es gibt viele Studien, es gibt viele Befragungen dazu. Es ist nicht das Gehalt, es ist der Sinn der Arbeit, es ist das Betriebsklima, es ist die Wertschätzung und es ist die Arbeitszeitflexibilisierung.

Die Arbeitszeitflexibilisierung ist natürlich eine Selbstbestimmung, die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer durch unseren Gesetzes- und Initiativantrag haben werden. Die praxisgerechte Gestaltung der Arbeitszeit ist eines der wichtigsten Vorhaben dieser Bundesregierung, einerseits zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und andererseits auch für die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, unser Arbeitszeitrecht ermöglicht im Bereich der Normalar­beitszeit, also der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Überstunden, durchaus flexible Ar­beitszeitmodelle. Bei der Höchstarbeitszeit fehlt bisher jedoch die Möglichkeit, ausrei­chend auf Arbeitsspitzen reagieren zu können. Die derzeitige gesetzliche Regelung ist auch deutlich restriktiver als die Arbeitszeitrichtlinie der EU. Hier besteht also Hand­lungsbedarf. Ich halte die Möglichkeit einer Höchstarbeitszeit von 12 beziehungsweise 60 Stunden für wichtig, um möglichst rasch und unbürokratisch Arbeitsspitzen abde­cken zu können. Dass dabei die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verletzt werden, weise ich aufs Schärfste zurück. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Schieder.)

Ein Vergleich mit anderen Mitgliedstaaten der EU zeigt, dass eine höhere Grenze der Tagesarbeitszeit keineswegs automatisch zu einer längeren Gesamtarbeitszeit führt. Ich gehe davon aus, dass auch die anderen EU-Mitgliedstaaten verantwortungsvoll mit der Gesundheit der Menschen umgehen, und gerade dieser Vergleich zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, selbst in skandinavischen Ländern sind flexible Arbeitszeit­modelle, insbesondere für Angestellte mit Familie, bereits weit verbreitet. (Abg. Stöger:


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Die arbeiten alle weniger!) Gerade in Großbritannien haben Eltern von Kindern unter 16 Jahren – meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, hören Sie zu! – seit letztem Jahr sogar Anspruch auf eine Vereinbarung von flexiblen Arbeitszeiten. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Verkürzung!)

Im Jahrbuch von Eurofound wird der Trend zu mehr Flexibilisierung der Arbeitszeit be­stätigt. Auch eine von Eurofound beauftragte Studie zeigt die Flexibilisierung in der Ar­beitswelt auf. Das Wichtigste ist die Anpassung der Arbeitszeit an die Familien und die sozialen Anforderungen des Alltags. Dies wird mit der Arbeitszeitflexibilisierung des vor­liegenden Initiativantrages erreicht.

Das Wesentliche ist ja, dass längere Arbeitszeiten zeitnah durch Freizeiträume ausge­glichen werden und so die Entlohnung der Beschäftigten gewährleistet ist und die Ge­sundheitsgefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht steigt.

Man muss es immer und immer wieder sagen: An der durchschnittlichen Arbeitszeit wird sich in Österreich nichts ändern. Es wird stattdessen eine höhere Flexibilität er­möglicht. Die Zahl der jährlich zulässigen Arbeitsstunden bleibt gleich. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Es liegt auch im Interesse der Belegschaften, bei entsprechender Auftragslage die Ar­beitszeit auszudehnen und dafür zu anderen Zeiten von mehr Freizeit zu profitieren. Der eingebrachte Abänderungsantrag beinhaltet auch eine – das ist mir besonders wich­tig – Freiwilligkeitsgarantie und stellt somit sicher, dass Arbeitnehmer nicht – nicht! – gegen ihren Willen zu mehr als 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche he­rangezogen werden können. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Sie können also Ihre Taferln alle umschreiben!

Abgesichert ist diese Regelung durch ein Benachteiligungsverbot und einen starken Kündigungsschutz: Anders als bei der 9. und 10. Überstunde müsste der Arbeitgeber sich freibeweisen, dass er gerade nicht wegen der Ablehnung der 11. und 12. Über­stunde gekündigt hat.

Darüber hinaus können Arbeitnehmer selbst bestimmen, ob sie eine Bezahlung der Überstunde oder einen Zeitausgleich wollen. Ich bin davon überzeugt, dass selbst im Schichtbetrieb Verständnis dafür herrschen wird, dass einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus familiären Gründen oder welchem Grund auch immer keine Zusatz­schichten leisten können.

Vergessen Sie nicht, dass für die 9. bis 12. Stunde Überstundenzuschläge anfallen, egal, ob in Geld oder in Freizeit! Ein betriebswirtschaftlich denkender Geschäftsführer oder Unternehmer hat die hohen Kosten einer 60-Stunden-Woche viel präsenter vor Augen als der gesamte ÖGB. Eine 60-Stunden-Woche kommt einen Arbeitgeber sehr, sehr teuer, und genau aus diesem Grund wird er nicht aus Jux und Tollerei davon Ge­brauch machen, sondern genau berechnen. Die Kosten einer 60-Stunden-Woche sind tatsächlich eine Bremse, auch für den Arbeitgeber. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenrufe der Abgeordneten Bacher und Klaus Uwe Feichtinger.)

Ich kann auch dem Argument der Opposition nicht folgen, dass mit diesem Initiativan­trag der Vier-Tage-Woche die Grundlage entzogen wird. Die Vier-Tage-Woche ist näm­lich ein dauerhaftes Arbeitszeitmodell und dient nicht der Reaktion auf kurzfristige Auf­tragsschwankungen. Sie wird zum Beispiel deshalb gewählt, weil zahlreiche Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer weit entfernt vom Betrieb wohnen. Im Übrigen wird es nun­mehr auch bei Gleitzeit erleichtert, eine Vier-Tage-Woche zu erreichen.

Weiters soll beim Arbeitszeitmodell Gleitzeit eine Normalarbeitszeit von 12 Stunden nur möglich sein, wenn ein ganztägiger Zeitausgleich möglich ist, und zwar auch im Zu-


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sammenhang mit dem Wochenende. Damit ist sichergestellt, dass die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer als Ausgleich längere Freizeiträume haben können. Somit wird die Vier-Tage-Woche künftig auch innerhalb einer Gleitzeitvereinbarung möglich, was eine Weiterentwicklung des Gleitzeitmodells insgesamt bedeutet.

Meine Damen und Herren, jetzt zur Gesundheit: Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie alle kennen, oder du besonders, das Cochrane Journal, eines der renommiertesten Journa­le oder das medizinische Journal. Ich habe da eine erst vor Kurzem gemachte Studie über die Auswirkungen der Arbeitszeitflexibilität auf den Gesundheitszustand gefun­den, und da ist eines ganz klar beschrieben, dass nämlich die Möglichkeit flexibler Ar­beitszeit für die Arbeitnehmer positive Auswirkungen auf den Gesundheitszustand hat. (Ruf: Hört! Hört! – Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Meine Damen und Herren, die Wissenschafter untersuchten in zehn Studien mit insge­samt 16 603 Teilnehmern – ich nenne nur zwei Parameter, die sich dabei verbessern – einerseits die Pulsfrequenz und andererseits das Schlafverhalten. Betont wird vor al­lem die Kontrollmöglichkeit der Arbeitnehmer, die eigene Arbeitszeit zu gestalten. Die Studienautorin Clare Bambra von der Durham University in Großbritannien berichtet, dass diese Ergebnisse nahelegen, dass es gesundheitliche Vorteile bringt, wenn Men­schen ihre Arbeitszeit selbst gestalten können, anstatt sie vom Arbeitgeber vorgegeben zu bekommen.

In einer Studie zeigten beispielsweise Polizeibeamte, die ihren Arbeitsbeginn verän­dern konnten, im Vergleich zu Kollegen, die zu einer festgelegten Arbeitszeit anfangen mussten, eine deutliche Verbesserung der psychischen Verfassung. Diese Faktoren sind Motivationsfaktoren. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Noch einmal: Ein Cochrane Journal, Frau Kollegin, ist nicht nichts. Ich meine, das wirst du mir bestätigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mir ist aber durchaus bewusst, dass in vielen Berufsbildern und Organisationsformen die Gleitzeit schwer umzusetzen ist. Trotzdem freue ich mich über die erzielte Verbes­serung der Vier-Tage-Woche, weil diese explizit auch bei Gleitzeit möglich wird. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Gleitzeit, also für den Großteil der Arbeits­kräfte, verschlechtert sich andererseits im Bereich der Normalarbeitszeit nichts. Es bleibt beim 8-Stunden-Tag und es bleibt bei der 40-Stunden-Woche.

Also bitte, noch einmal: Ihre Taferln alle umschreiben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Schließlich ist es gesichert, dass bestehende Kollektivverträge und Betriebsvereinba­rungen aufrechtbleiben. Noch einmal: Betriebsvereinbarungen und Kollektivverträge blei­ben aufrecht! Für jeden Experten, der das nicht so sieht, findet sich ein Arbeitsrechts­experte, der dies so sieht, dass Betriebsvereinbarungen bestehen bleiben. Ich bin da­von überzeugt, dass mit diesen Änderungen eine für die Arbeitnehmerseite verträgliche Lösung erreicht wird.

Jetzt zum Thema Betriebsräte: Zur Zahl der Betriebsräte gibt es keine exakten Anga­ben – finde ich auch spannend, ja. Insgesamt dürften nur in 14 bis 20 Prozent der Be­triebe Betriebsräte eingerichtet sein, und nur knapp die Hälfte der unselbständig Be­schäftigten wird von Betriebsräten vertreten. – Was ist mit der anderen Hälfte?

Das heißt also, die Einbindung der Betriebsräte bleibt natürlich im Arbeitszeitgesetz un­verändert, aber unsere Regelung schützt erstmals den einzelnen Arbeitnehmer und die einzelne Arbeitnehmerin. Das ist erstmals der Fall. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wo war denn die Sozialdemokratie, die ständig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer verteidigen möchte? – Sie haben das nur in diesen Unternehmen gemacht, in de­nen es Betriebsräte gibt. Den Rest, 50 Prozent der Arbeitnehmer, haben Sie einfach vergessen.


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Unser Gesetz bietet also die Möglichkeit, den einzelnen Arbeitnehmer wirklich zu schüt­zen. Der neue Schutz bedenkt nämlich die Tatsache, dass deutlich weniger als 20 Pro­zent der Betriebe in Österreich einen Betriebsrat haben, und bedenkt die Tatsache, dass 50 Prozent der Arbeitnehmer nicht durch einen eigenen Betriebsrat vertreten wer­den.

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, dieses hohe Schutzniveau für den Einzel­nen vorzusehen, obwohl er die ländlichen Klein- und Mittelbetriebe vor Augen hat, auf die sich die österreichische Nationalökonomie maßgeblich stützt. Ich rede von den vie­len Betrieben, in denen Arbeitnehmer bisher nicht auf die Idee kamen, einen Be­triebsrat zu gründen, weil sie sich fair und gut behandelt fühlen und weil die Chefin und der Chef auch ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben. Ich rede von den Gegenden, in denen die Kinder der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gemeinsam in die Schule, zur Feuerwehrjugend gehen und man sich regelmäßig im Supermarkt, beim Wirt oder beim Marktfest trifft.

Dieses gelebte Miteinander in flachen Hierarchien kennzeichnet die österreichischen KMUs und ist der Grund dafür, dass so viele Arbeitnehmer bisher ganz ohne Betriebs­rat auskamen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und jetzt kommt eben durch unser Gesetz ein verstärkter Schutz für den Einzelnen hinzu. Da und dort wird dieser Schutz sicher notwendig sein. Aber es kann bitte wirk­lich keine Rede davon sein, dass nun alles schlechter wird. Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade die funktionierenden ländlichen Konstellationen sind so zahlreich, dass die SPÖ sie nicht ignorieren kann.

Eifrig hat die Opposition vor Kurzem eine Demo mit ihren Anhängern in der Bundes­hauptstadt organisiert, aber die große Mehrheit der Arbeitnehmer, die weder einen Be­triebsrat haben noch einen wünschen, hat nicht an der Demonstration teilgenommen. (Ruf bei der SPÖ: Das wissen Sie?) Warum? – Weil sie wissen, dass man unserer Re­gierung vertrauen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die überzogenen Vorwürfe der katholischen Bischofskonferenz und der Katholischen Jugend kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Warum soll ein Arbeitszeitmodell, das bei gleichbleibender jährlicher Arbeitszeit einerseits längere Arbeitszeiten und anderer­seits als Ausgleich längere Freizeit ermöglicht, dem Familienleben abträglich sein? – Genau das Gegenteil ist der Fall. Es wird auch hier ein Schreckensszenario gezeich­net, das an der Realität dieses Gesetzes vorbeigeht. Man versucht, Bilder in den Köp­fen der Menschen zu erzeugen, als wären 12 Stunden Arbeit täglich die Regel. Statt­dessen ist es die große Chance für die Arbeitnehmer, freiwillig und selbstbestimmt ent­scheiden zu können. Für etliche Menschen könnte das ein Segen sein.

Im Übrigen erinnere ich auch daran, dass auch für die viermalige Sonn- und Feiertags­arbeit das absolute Ablehnungsrecht garantiert ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Novelle bringt den stärksten Schutz für den einzelnen Arbeitnehmer, der nicht durch einen Betriebsrat vertreten ist, zweitens eine Veranke­rung der Politik der Betriebsräte im Gesetz, drittens eine Auftragssicherung durch fle­xible Abdeckung von Spitzenzeiten, viertens ein unverändertes Arbeitszeitvolumen, fünftens die Möglichkeit zum verlängerten Wochenende und sechstens die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Für mich steht im Vordergrund, dass wir bald ein modernes Arbeitszeitgesetz haben, das an die heutigen Lebensverhältnisse und Lebenswelten angepasst ist und den Wirt­schaftsstandort Österreich stärkt. Damit gehen wir mit dem gesellschaftlichen Wandel der Arbeitswelt, anstatt ihn zu bekämpfen.

Abschließend, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Es war ein sehr berühmter Mann, der einmal Folgendes gesagt hat: „Freiheit ist ein Luxus, den sich


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nicht jedermann leisten kann.“ – Wissen Sie, wer das war? Sie sollten es eigentlich wissen. Es war Karl Marx. Und ich sage: Mit dieser Arbeitszeitflexibilisierung ab 1. Sep­tember ist diese Freiheit für jeden Mann und jede Frau möglich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Stöger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter! Ich gehe davon aus, dass Sie die einschlägigen Bestimmungen kennen und einhalten werden. – Bitte. (Abg. Haider: Ich gehe nicht davon aus!)


11.36.08

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin Hartinger-Klein hat behauptet, im Abänderungsantrag und im Ge­setzentwurf wird ein Kündigungsschutz für Arbeitnehmer vorgesehen, die Überstunden ablehnen. – Das ist unrichtig.

Richtig ist, dass im Abänderungsantrag die Möglichkeit zur Kündigungsanfechtung drin­nen steht. Das heißt, man hat das Arbeitsverfassungsgesetz sozusagen nachgemalt. Eine Kündigungsanfechtung bedeutet, dass man zuerst gekündigt wird, und dann kann der Arbeitnehmer bei Gericht die Anfechtungsklage betreiben. Der wird zuerst gekün­digt, und dann muss er bei Gericht dagegen ankämpfen. Das ist etwas ganz anderes als ein Kündigungsschutz. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

11.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Klinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim – in Richtung ÖVP und FPÖ –: Sie sollten bei der Wahrheit bleiben! – Abg. Wöginger: Jarolim, das geht zurück zu dir! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)


11.37.30

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin Dr. Schramböck! Frau Ministerin Hartinger-Klein! Ich weiß nicht, wie viele von der Oppositionsseite selbst Einzelunternehmer sind, Einzelunternehmer womöglich in einem Betrieb, der gar nicht so einfach zu führen ist – ich spreche von der Gastrono­mie –, Einzelunternehmer in der Transportbranche und Einzelunternehmer in der Bau­branche.

Kollegin Daniela Holzinger-Vogtenhuber hat mir meine Funktionen bei der Sondersit­zung am Freitag vergangener Woche so quasi unter die Nase gerieben. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Das stimmt, was Sie gesagt haben, ich habe sehr viele Funktionen, und all diese Funktionen sind mir nur deswegen möglich, weil ich in meinen Betrieben die besten Mitarbeiter habe. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich bin stolz auf meine Mitarbeiter. Ich habe langjährigste Mitarbeiter (Abg. Heinisch-Hosek: Nur Männer?) – in der Gastronomie alles Frauen, auch aus dem Ausland, in der Transportbranche alles Männer. Sie können sich vorstellen, dass die Problematik Frauen- und Männerarbeit auch nicht an mir vorbeigeht. (Abg. Heinisch-Hosek: Sehr gut!)

Aber jetzt frage ich Sie eines, und da bin ich wieder bei Kollegin Holzinger: Wie stellen Sie sich vor, dass wir zum Beispiel unseren Betrieb in der Gastronomie, wo ich doch wirklich nicht sehr viel zu Hause bin, ordentlich aufrechterhalten können? Wir haben Sperrzeit von Sonntagmittag bis Mittwoch, und dann hat noch jede Mitarbeiterin einen Tag zusätzlich frei. Wir haben viele Teilzeitkräfte, und wir müssen versuchen, in diesen viereinhalb Tagen, wo jede Person auch noch einen Tag frei hat, die Lehrlingsproble­matik und die Arbeitszeitproblematik zu bewältigen.


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Und jetzt sage ich Ihnen eines: Meine Mitarbeiter wollen so viel Selbstbestimmung wie möglich – Selbstbestimmung, was die Arbeitszeit betrifft, und auch Selbstbestimmung, was die Freizeit inklusive der Urlaubseinteilung betrifft. Das geht nur, wenn es ein ge­meinsames Ganzes gibt und wenn es Rechtssicherheit gibt, wenn die Arbeitszeitpla­nung auch rechtlich sichergestellt ist.

Mit dem neuen Arbeitszeitgesetz geben wir Rechtssicherheit und bieten wir wesentlich bessere Möglichkeiten, diese Arbeitszeitplanung ordentlichst durchzuführen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Kurz zum wesentlichen Unterschied: Das neue Arbeitszeitgesetz - - (Abg. Wittmann: Traummännlein!) – Nein, ich glaube nicht, dass ich ein Traummännlein bin, denn im Gegensatz zu Ihnen bin ich ein Unternehmer mit vielen Mitarbeitern. (Abg. Wittmann: Ich auch!) Davon können Sie nur träumen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Zeit, die ich für Gespräche mit meinen Mitarbeitern aufwende, bringt mir eines: dass ich weiß, was die Mitarbeiter brauchen. – Ich weiß nicht, ob Sie in der Lage sind, genau festzustellen, was alle Mitarbeiter in Österreich brauchen würden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Unterschied besteht lediglich darin: 40 Stunden, 10 Überstunden, mögliche 10 wei­tere Überstunden bis jetzt nur mit Genehmigung des Betriebsrates, ab jetzt freiwillig mit allen Schutzbestimmungen. Das ist in Wahrheit der Unterschied. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Sie sollten das Gesetz einmal lesen!)

Herr Klubobmann Kern! Sie haben von der Dampfwalzenpolitik der Regierung gespro­chen; ich habe es im Fernsehen ganz genau gehört. (Abg. Kern: Das muss ein ande­rer Kern gewesen sein!) Sie haben gesagt, die Regierung fährt drüber wie eine Dampf­walze.

Herr Klubobmann Kern! Sie wissen ja, eine Dampfwalze ist ein altes, nostalgisches Gerät. Das hat es in der Zwischenkriegszeit gegeben. Wenn diese Regierung so lang­sam wäre wie eine Dampfwalze, hätte sie im ersten Halbjahr nicht so viel Positives umsetzen können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich erwähne nur: eine neue Sicherheits­politik, eine Entbürokratisierungsoffensive, den Familienbonus und jetzt ein neues Ar­beitszeitgesetz. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der Oppositionsseite! Dampfwalzenpolitik ent­spricht eher der Uraltrhetorik der gesamten Genossenopposition, die wieder in den Klas­senkampf verfällt. (Abg. Wittmann: Traummännlein!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeitnehmer in Österreich sind mittlerweile mün­dig genug, selbst zu beurteilen, was das neue Arbeitszeitgesetz bringt. Sie sind mündig genug. Am Ende des Tages wird bei den Wahlen der Souverän, der Wähler, entschei­den, und ich freue mich darauf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schieder. – Bitte. (Abg. Schieder tritt mit einem Konvolut an Schriftstücken, das mit einem rot-weiß-roten Stoffband zusammengebunden ist, ans Rednerpult.)


11.43.32

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Die Regierungsfraktionen haben sich ja entschieden, den Weg, den dieses Gesetz hier im Haus gehen soll, so zu beschreiten, dass es eigentlich keine in­tensive Auseinandersetzung damit geben kann. Es wurde keine Ausschusssitzung an­gesetzt, und es wurde auch alles unternommen, damit es keine Begutachtung gibt.


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Wir als sozialdemokratische Fraktion haben gesagt, das nehmen wir nicht hin, die Zi­vilgesellschaft muss trotzdem die Möglichkeit haben – und wir geben sie ihr –, ihre Stellungnahmen abzugeben. Das ist dabei rausgekommen (das Konvolut an Schriftstü­cken in die Höhe haltend): über 200 Stellungnahmen von Institutionen und einzelnen betroffenen Personen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das schafft bei all der Polemik, die wir uns vorher haben anhören müssen, vielleicht einmal auch die Möglichkeit, ein paar Sachargumente herauszugreifen. Zum Beispiel steht in einer Stellungnahme: „Die beabsichtigten Gesetzesänderungen [...] sind ver­fassungsrechtlich bedenklich. Die Planung derart umfassender Gesetzesänderungen ohne Begutachtungsverfahren ist demokratiepolitisch bedenklich und eine Geringschät­zung des Familienlebens mit gravierenden Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ord­nung.“ – Das sagt die Österreichische Bischofskonferenz.

„Die Änderung des Arbeitszeitgesetzes widerspricht insbesondere den Prinzipien der Soziallehre der katholischen Kirche [...], da sie die Freiheit der Beschäftigten ein­schränkt [...], damit auch in die Würde der Arbeit eingreift [...], das Familienleben nach­teilig beeinflusst [...], die Bedeutung der ArbeitnehmerInnenvertretung massiv beschnei­det [...], Wettbewerbsinteressen über den Schutz der ArbeitnehmerInnen stellt [...] und damit das Ungleichgewicht in der Arbeitswelt [...] verstärkt.“ – Das sagt die Arbeitsge­meinschaft Kirchlicher DienstnehmerInnenvertretungen Österreichs.

Oder, um Ihnen eine weitere Stellungnahme vorzulesen: „Der [...] Initiativantrag würde zu einem massiven und ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmerschaft gehenden Eingriff in das bestehende Arbeitszeitregime führen [...] Offenbar dient dieser Initiativ­antrag mit der allgemeinen Einführung eines 12-Stunden-Tages und einer 60-Stunden-Woche ausschließlich dazu, Arbeitgebern die gesetzliche Grundlage zu bieten, um Ar­beitnehmer über längere Zeiträume hinweg bis zu 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich, zum Teil auch ohne Überstundenzuschläge beschäftigen zu können – und dies bei gänzlicher Außerachtlassung der für die Wahrung der Interessen der Arbeit­nehmerschaft bedeutsamen gesundheitspolitischen, familienpolitischen [...] und gesell­schaftspolitischen Zwecksetzungen des Arbeitszeit- und Arbeitsruherechts. Der Initia­tivantrag muss [...] als Gesamtes abgelehnt werden.“

Wer sagt das? – Erwin Zangerl, Arbeiterkammerpräsident in Vorarlberg und nach Ei­gendefinition ein sozialer Schwarzer. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: In Tirol! In Tirol! – Abg. Lausch: Das ist alles falsch, was Sie da reden!) Vermutlich der letzte soziale Schwar­ze aus der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß ja nicht, wie es bei der ÖVP ist, wie schnell man auf Leute pfeift, die ein bisschen eine Meinung und eine Ahnung von einem Thema haben und das dann auch öffentlich kundtun. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es stimmt mich sehr nachdenklich, dass Sie jetzt mit der Meinung von Präsident Zangerl derart missachtend vorgehen.

Aber ich darf Ihnen noch etwas zitieren. Auch Professor Risak vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht auf der Universität sagt Folgendes: „Die in der medialen Diskussion immer wieder hervorgehobene ,Freiwilligkeit‘ bildet der Entwurf nicht ab [...].“

Genau das Gleiche ist es auch, was es zum Abänderungsantrag zu sagen gibt.

Fassen wir zusammen, und das steht in all diesen Stellungnahmen drinnen: Die Ein­führung des 12-Stunden-Tages, die 60-Stunden-Woche bedeuten einen Anschlag auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land: Lohnraub, Freizeitraub, Ge­sundheitsraub. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Das ist nicht wahr, das wissen Sie!)

Das wissen auch die Leute! Gehen Sie hinaus auf die Straße und hören Sie sich um! Und wenn Sie nicht hinausgehen wollen, dann schauen Sie einmal auf Ihre Facebook-Seite, was Ihnen dort die Leute schreiben! (Abg. Gudenus: Aus der Giftküche des


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ÖGB!) Die Leute sagen nämlich: Wir wollen nicht weniger Geld, weil es keine Über­stundenzuschläge gibt. Weniger Freizeit und weniger Zeit für Familie, das ist nicht das, was wir wollen. Weniger Zeit für das Vereinsleben, für das freiwillige Engagement oder Arbeiten auch am Wochenende, das ist nicht das, was wir wollen. Und weniger Ge­sundheit – weil nämlich länger arbeiten krank macht –, das ist auch nicht das, was wir wollen.

Wo kommt das alles her? Wir fragen uns ja: Wie kann es sein, dass eine Regierung aus ÖVP und FPÖ einen derartigen Protest in Kauf nimmt? Wir haben lange nachge­dacht, woher das kommt. Und dann sieht man es: Das hat sich jemand bestellt wie beim McDonald’s beim Drive-Thru. KTM-Chef Pierer sagt (eine Tafel mit den Zitaten in die Höhe haltend): „Starre Gesetze sind ein Hemmschuh.“ „Zwölf Stunden sollten mög­lich sein“, wünscht sich Stefan Pierer in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 2. Februar 2017. Und er hat es sich nicht nur gewünscht, er hat auch Geld dafür her­gegeben. Er hat es der ÖVP gespendet, und heute muss die ÖVP natürlich das liefern, wofür sie die Spenden kassiert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Was nehmt ihr dafür in Kauf? – Ihr nehmt in Kauf, dass Hunderttausende Menschen in diesem Land ihre Sorgen kundtun. Und was sagt Sebastian Kurz dazu? – Er sagt, es ist ihm wurscht. Die Bedenken dieser Hunderttausenden Menschen (eine Tafel, auf der eine große Menge von Demonstranten zu sehen ist, in die Höhe haltend), die am ers­ten Ferienwochenende auf die Straße gegangen sind, sind Sebastian Kurz einfach wurscht. Wie heißt es auf gut Deutsch: Ihr fahrts drüber. Ihr fahrts drüber über die so­zialen Rechte in unserem Land, ihr fahrts drüber über die Ängste der Leute. Und: Ist das gut für unser Land? – Nein! (Abg. Belakowitsch: Sind Sie gut für unser Land? – Nein!)

Heute ist ein schwarzer Tag. (Abg. Brückl: Pflastersteine-Tag!) Oder, um mit Zangerl zu sprechen: Heute ist ein türkiser Tag. Heute ist ein schlechter Tag für Österreich, ein schlechter Tag für den sozialen Frieden in unserem Land. Die Verantwortung dafür tra­gen der Konzernkanzler Kurz und der Arbeiterverräter Strache. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brückl: Räumen Sie einmal Ihre Pflastersteine weg!)

11.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.50.03

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mi­nisterinnen! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt seit 17 Jahren im Hohen Haus und ich war 30 Jahre ein überzeugter Sozialpartner, aber das, was heute in der Früh passiert ist, muss ich ganz ehrlich sagen, diese Art von Aktionismus, ist eine große Geschmacklosigkeit. (Abg. Deimek: Das ist staatszersetzend!)

Meine Frau hat mich angerufen und hat gesagt, dass sie vor dem Eingang zu unserem Büro einen Pflasterstein und ein Grablicht vorgefunden hat. Nun ist meine Frau als Gattin eines Politikers einiges gewohnt, aber ich frage mich: Was wollen sie mir oder uns mit diesem Pflasterstein und dem Grablicht ausrichten? (Rufe bei der SPÖ: Wer? – Ruf: Ja, wer denn?) – Wenn Herr Kern sagt, das war erst der Anfang, dann muss ich Sie fragen, wie es weitergeht.

Meine Damen und Herren, strapazieren Sie das Wort Sozialpartnerschaft nicht mehr, ich denke, Sie haben das mit Pflasterstein und Grablicht zu Grabe getragen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie können versichert sein, wir werden uns von Ihnen mit solchen Maßnahmen auch in der Ausübung unseres freien Mandates nicht einschüchtern lassen, denn das Thema


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Arbeitszeitflexibilisierung findet sich seit vielen Regierungsprogrammen der Vergan­genheit auf der Tagesordnung, und auch die Sozialpartner haben das Thema Arbeits­zeitflexibilisierung über Jahre gemeinsam verhandelt.

Die Sozialpartner haben nämlich auch im vergangenen Jahr den Auftrag gehabt, diese Arbeitszeitflexibilisierung zu bringen, aber sie haben es nicht geschafft. Wir, die Wirt­schaft, haben damals den Mindestlohn von 1 500 € gebracht, aber die Sozialpartner­schaft hat die Arbeitszeitflexibilisierung nicht zustande gebracht. Ich habe nach der Sondersitzung der vergangenen Woche und nach den Ausführungen des Kollegen Mu­chitsch extra noch einmal mit dem damaligen Präsidenten Leitl gesprochen und ge­fragt, wie es bei den Verhandlungen wirklich war.

Ex-Präsident Leitl hat mir versichert, dass er mit dem damaligen Präsidenten Foglar eine grundlegende Einigung hatte, und es waren auch die Pressedienste der Sozial­partner schon angewiesen, für den nächsten Tag eine entsprechende Pressearbeit vorzubereiten – einziger Vorbehalt: Foglar muss das Ergebnis noch mit seinen Teilge­werkschaften final besprechen und sich den Sanktus holen.

Um 21.30 Uhr – ich kann mich gut erinnern! – am gleichen Tag – wir waren gerade in Graz – hat Foglar dann Leitl verständigt, dass er die erzielte Lösung des Arbeitszeitfle­xibilisierungspaketes bei seinen Teilgewerkschaften nicht durchgebracht hat. Damit war die Einigung der Sozialpartner gescheitert, meine Damen und Herren. – Wir tun jetzt nichts anderes als – ich zitiere Herrn Präsidenten Konrad Steindl, Ihnen allen be­kannt als ehemaliger Abgeordneter –: Die „Regierung macht ihren Job, nachdem die Gewerkschaften die Lösungen blockiert haben“. – So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir von der ÖVP haben immer mit offenen Karten gespielt – immer! Sie finden die Ar­beitszeitflexibilisierung in unserem Wahlprogramm, und wir haben die Eckpunkte aus diesem Wahlprogramm in das Regierungsprogramm eingearbeitet. Was das Wahlpro­gramm anlangt: Die Menschen haben uns ja für das Aufbrechen dieser starren Struk­turen gewählt, meine Damen und Herren, und deshalb fühlen wir uns auch verpflichtet, dass wir hier die Flexibilisierung umsetzen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Im Regierungsprogramm finden Sie genau jene Punkte, die wir heute mit unserem An­trag beschließen, sie sind also nichts Neues. – Nun zu den Fakten:

Erstens: Es bleiben die Normalarbeitszeit von 8 Stunden sowie die 40-Stunden-Woche die Regel, wir haben die bestehenden Systeme nur flexibler gemacht, damit sie auch den Anforderungen der modernen Arbeitswelt, in der wir uns heute befinden – Digitali­sierung –, und auch den Klein- und Mittelbetrieben gerecht werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass man in Ausnahmefällen wie bei Auftragsspitzen oder in der Hoch­saison länger arbeiten kann.

Ich halte also noch einmal fest: Einen generellen 12-Stunden-Tag und eine generelle 60-Stunden-Woche gibt es nicht (Beifall bei ÖVP und FPÖ), so wie es jetzt auch einen generellen 10-Stunden-Tag und eine generelle 50-Stunden-Woche nicht gibt.

Zweitens: Besonders wichtig – und das betone ich ausdrücklich – ist uns die Freiwillig­keit, und die Freiwilligkeit wird ja schon in Tausenden Klein- und Mittelbetrieben und vor allem in den Familienbetrieben gewählt. Gehen Sie bitte einmal in einen Familien­betrieb und nicht immer nur in die großen Betriebe! Schauen Sie sich das dort an! Das funktioniert bestens, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischen­ruf des Abg. Loacker.)

Wenn es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht möglich ist, eine 11. und 12. Stunde zu arbeiten, dann können sie das auch ohne Angabe von Gründen ableh­nen. Ohne Freiwilligkeit kein Miteinander, das wissen wir ganz genau – nur wer will,


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der kann. Alles andere wird für beide keinen Erfolg bringen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der dritte, ganz wichtige Aspekt ist die Wahlfreiheit, dass also, wenn eine 11. oder 12. Stunde anfällt, diese entweder in Geld oder über Zeitausgleich mit den entspre­chenden Zuschlägen abgegolten wird. Die Entscheidung über die Form der Abgeltung liegt beim Arbeitnehmer beziehungsweise bei der Arbeitnehmerin.

Also noch einmal kurz und bündig für Sie die drei wichtigsten Punkte: Der 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche bleiben die Regel, zweitens die Freiwilligkeit – wer nicht will, muss nicht; wer will, der kann – und drittens die Wahlfreiheit: Wenn man Überstunden leistet, kann man es sich aussuchen, ob man Geld oder Freizeit nimmt. – Einfach, und genau so ist es. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich ersuche Sie dringend: Hören Sie auf mit dieser Falschpropaganda und verunsi­chern Sie nicht die Menschen! Wir erfüllen das, was 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wollen (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt doch nicht!), nämlich flexibel arbeiten, arbeiten in Flexibilität und Freiheit.

Eines möchte ich auch noch an die SPÖ und an die Gewerkschaft richten: Machen Sie nicht immer unsere Unternehmerinnen und Unternehmer schlecht! (Ruf bei der SPÖ: Machen wir ja nicht!) Wir haben es nicht verdient, dass wir als Ausbeuter und Menschen zweiter Klasse hingestellt werden. Wir schaffen und sichern die Arbeitsplätze (Zwischen­ruf des Abg. Knes) und schauen in unseren Betrieben auf ein gutes Miteinander. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Yildirim.)

Bitte propagieren Sie nicht wieder den Klassenkampf! Der findet in den Betrieben nicht statt, der findet nur in Ihren Köpfen und in Ihren Bürobunkern statt. Wir, die Unterneh­mer und Unternehmerinnen, sind uns nämlich unserer sozialen Verantwortung sehr wohl bewusst. Das Miteinander von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Arbeit­geberinnen und Arbeitgebern ist die Basis für den gemeinsamen Erfolg.

Mit diesem nun vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir die notwendige Flexibilität, dass sich Beruf, Freizeit und Familie besser vereinbaren lassen. Wir sind der festen Überzeugung – das unterschreibe ich zweimal –, dass wir damit die Arbeitswelt moder­nisieren und damit mehr Freiheit für jeden Einzelnen schaffen. Wir werden heute un­sere Zustimmung geben, da wir Österreich moderner machen wollen und mit neuen Chancen in die Zukunft führen wollen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kern zu Wort gemeldet. Ich nehme an, dass Ihnen die Bestimmun­gen für eine tatsächliche Berichtigung bekannt sind. – Bitte.


11.57.47

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Sehr geehrter Herr Abgeordneter Haub­ner! Sie haben im Zusammenhang mit dieser Pflasterstein- und Grablichtgeschichte zitiert, dass ich gesagt habe, das war erst der Anfang. – Ich möchte explizit darauf hinweisen, dass ich das selbstverständlich nicht gemeint habe (Abg. Belakowitsch: Aber gesagt! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und ich kann Ihnen sagen, wir wer­den selbstverständlich den juristischen Rahmen und den Rahmen dessen, was sich gehört, einhalten. Es gibt aber viele Mittel, die wir ausschöpfen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas hinzufügen, auch weil Sie das in den Zusammenhang gestellt haben, dass wir etwas mit der Sache zu tun haben. (Abg. Dei­mek: Das ist jetzt eine Rede! – Rufe bei der FPÖ: Rede!) Ich finde, das ist abwegig. Ich finde es bedauerlich - -



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter, das ist schon keine tatsäch­liche Berichtigung mehr.


Abgeordneter Mag. Christian Kern (fortsetzend): Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir mit der Geschichte nichts zu tun haben, und ich lehne diese zutiefst ab. Das war idiotisch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Der kann es nicht, der Kern, weder ÖBB noch Eisenbahn, und er kann auch keine tatsächliche Berichtigung!)

11.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Strolz zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


11.58.48

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mi­nisterinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum wollen wir NEOS eine flexiblere Arbeitszeitlösung? – Das ist leicht beantwortet: weil wir sinnvolle Lösungen für das echte Leben wollen, aber diese aufgeheizte Debatte wird dem echten Leben natürlich nicht gerecht. Ich finde, beide Seiten werden dem echten Leben nicht gerecht, und ich möchte nur zwei Beispiele bringen.

Ich kenne einen Industrieofenbauer in Oberösterreich, und ein Arbeiter dieses Betrie­bes hat mir gesagt: Schau, die schicken mich auf Montage für diesen Ofen, und ich fahre 300 bis 400 Kilometer von meinem Heimatort weg. Ich bekomme dann um 18 Uhr eine E-Mail mit dem Inhalt: Jetzt bitte Schraubenzieher fallen lassen, denn ab jetzt bist du, wenn du weiterarbeitest, im Kriminal! – Was soll ich dort machen? Ich bin dort allein! Ich habe zwei kleine Kinder und meine Frau zu Hause, kann aber am Abend nicht nach Hause zurückfahren. Ich möchte zumindest bis 20 Uhr weiterarbei­ten, denn wenn ich das zweimal nacheinander mache, dann kann ich am Freitag nach Hause fahren und bin zu Hause bei den Kindern. – Der will einfach diese Lösung (Abg. Rosenkranz: Genau! – Abg. Muchitsch: ... ja schon!), und er versteht nicht, dass wir das gesetzlich bisher nicht zustande gebracht haben. (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Abg. Deimek: Da ist der Muchitsch schon zu lange weg!)

Anderes Beispiel: Ich war selber zwölf Jahre lang Unternehmer, und es ist natürlich so, dass in vielen Dienstleistungsunternehmen – ob das Webdesigner sind oder Berater oder sonst irgendetwas, ob das 20, 30 oder fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitunter einmal bis 20 Uhr oder bis 21 Uhr sitzen bleiben und ein Projekt fertig machen.

Das ist das normale Leben, liebe SPÖ, das ist so! (Abg. Heinisch-Hosek: Das geht ja jetzt auch!) Das ist das normale Leben, das war aber nicht möglich! Faktum ist, dass in dieser Republik wöchentlich, monatlich Zehntausende Menschen, ich behaupte: Hun­derttausende Menschen, zum Fälschen ihrer Stundenlisten gezwungen werden, und das ist oft zum Nachteil der Mitarbeiter. Das ist zum Nachteil der Mitarbeiter! (Beifall bei NEOS und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es ist aber auch zum Nachteil der Unternehmerinnen und Unternehmer, denn die wer­den dann geprüft, und dann muss man irgendetwas fälschen. Das ist unwürdig! Das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber – und der sind wir –, da lebensnahe Lösungen zu schaffen. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Das weiß auch die SPÖ: Im Plan A steht es ja auch so drin, Christian Kern! Das weiß auch die SPÖ, und deswegen: Bitte keine Panikmache!

Und jetzt komme ich (in Richtung ÖVP) zu euch: So, wie ihr das angegangen seid, das ist in einer Art und Weise letztklassig, dass mir die Spucke wegbleibt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich fasse zusammen: Kurz und Strache beschließen, sie bringen hier ein Gesetz via Initiativantrag ein und verunmöglichen eine ordentliche Begutachtung durch Expertin­nen und Experten. Auch die Oppositionsfraktion soll ausgebootet werden, weil nicht nur die Begutachtung gestrichen wird, sondern Sie weisen es dann auch mutwillig dem falschen, eigentlich nicht zuständigen Ausschuss zu, damit Sie selbst den Ausschuss­vorsitz haben.

Wir als NEOS, als eine vernünftige Stimme der Mitte, organisieren einen Gipfel der Wirtschafts- und Sozialsprecher, und Sie als FPÖ und ÖVP boykottieren diesen! Sie sagen: Nein, das interessiert uns nicht! Gerald Loacker – ich behaupte, von den, egal ob Mann oder Frau, 183 Abgeordneten jene Person mit den mit Abstand meisten Fach­kenntnissen in dieser Materie (Zwischenruf des Abg. Stöger) – hat mehrfach Anläufe genommen – mehrfach Anläufe genommen –, um Ihnen Verbesserungen mit auf den Weg zu geben. Er hat sich medial nicht hinausgehängt, er hat das hinter den Kulissen gemacht, aber auch vor den Kulissen, aber Sie steigen nicht darauf ein. Sie sind mit einer Ignoranz unterwegs, mit einer Überheblichkeit, dass es nicht auszuhalten ist! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Das Problem ist, dass die Menschen draußen, die Bürgerinnen und Bürger, den Preis zahlen, zum Beispiel beim Miteinbeziehen der dritten Führungsebene. Auch ich finde, dass die Wirtschaftskammer und die IV da keine gute Rolle gespielt haben. Sie haben mit denen im Doppelpass über Monate ein Gesetz vorbereitet und haben uns mit ei­nem Husch-Pfusch über Nacht überrascht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Das ist eines Parlaments unwürdig, zu sagen: Ich binde außerparlamentarische Kräfte ein und ignoriere gewählte Volksvertreterinnen und –vertreter!, und zwar mit dem Er­gebnis, dass die Qualität nicht passt. Sie beziehen die dritte Führungsebene ein. Es macht natürlich – und Gerald Loacker hat es gesagt – für Industriebetriebe Sinn, zu sa­gen, wir entbinden diese aller Arbeitszeitgesetze, und zwar völlig, aber es macht für ei­nen Mittelständler keinen Sinn. Der oder die fällt aus allen Arbeitszeitregelungen hi­naus, da ist nichts mehr da.

Da muss ein Gerald Loacker aufstehen, um zu sagen, dass das unsozial ist? (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! Keine Ahnung!) – Das ist nicht okay. Es ist nicht okay, dass ihr auch hier einfach nicht auf diese Stimme hört. Das ist, finde ich, auch einem Mitarbei­ten und Zusammenarbeiten im Hohen Haus nicht angemessen. (Abg. Noll: Das inter­essiert die doch nicht! – Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja alles nicht!)

Es wird natürlich auch bezüglich des Themas Freiwilligkeit und der Frage, wie Sie es gelöst haben, damit zu rechnen sein, dass eine Klagsflut kommt, dass über Jahre pro­zessiert wird betreffend die Frage: Wie ist das jetzt mit dieser Freiwilligkeit? Ist das eine Motivkündigung, wenn jemand eine zusätzliche Überstunde verweigert und sechs Monate später gekündigt wird? – Solche Menschen werden zu Hunderten, zu Tausen­den vor die Arbeitsgerichte ziehen, und die Arbeiterkammer wird sie dabei unterstüt­zen – das ist doch alles aufgelegt –, und sie werden sagen, es war eine Motivkündi­gung.

Wollen wir das, da mutwillig eine Klagswelle auslösen? – Das alles hätten wir verhin­dern können, wenn Sie einfach mit aufrechtem Gang eine Zusammenarbeit eingegan­gen wären, die diesem Hause auch angemessen und würdig wäre. Das haben Sie ver­weigert und das ist ein großer Schmerz. Ich sage Ihnen auch, das werden Sie ohne immensen Schaden für die Menschen in diesem Land die nächsten vier Jahre nicht durchhalten können. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Wenn Sie mit dieser Ignoranz, wenn Sie mit dieser Überheblichkeit weitermachen, dann werden wir dieser Regierung über Jahrzehnte hinterherräumen müssen, weil die Menschen immensen Schaden davontragen werden – so wie wir heute in Gerichten


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noch die Prozesse von Schwarz-Blau I oder Blau-Schwarz I haben. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Dort hat es geheißen: Speed kills!, und bei euch kommt zum Geschwin­digkeitsthema noch Ignoranz und Überheblichkeit dazu, und das ist nichts Gutes für dieses Land. Reißen Sie sich zusammen für die nächsten Baustellen! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

12.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Riemer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.06.07

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Meine Damen Ministerinnen! Frau Präsidentin! Ja, der Matthias Strolz, das ist die moralische Instanz dieser Republik (Abg. Kuntzl – in Richtung des sehr laut sprechenden Redners –: Lauter, bitte!), aber man darf schon auch noch etwas sagen: „Man muss wissen, bis wohin man zu weit gehen kann.“ – Das hat Jean Cocteau gesagt. Sie kommen immer mit dieser Ignoranz – ich verwahre mich dagegen, als Abgeordneter, als Freiheitlicher in diesem Haus so angesprochen zu werden! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Strolz: Das ist schäbig, was ihr hier macht! Das ist schäbig als Volksvertreter!)

Wo wir aber einer Meinung sind – und da sind wir sicher –, ist: Was immer heute exis­tiert, es wird sich verändern, auch wenn wir zurzeit noch nicht wissen, auf welche Wei­se. Wir zerbrechen uns den Kopf, ob jetzt 60 Stunden, 12 Stunden! – Ja, „Weh dem, der lügt!“ – Das hätte Franz Grillparzer vielleicht noch besser formuliert, aber wir wis­sen eines vor diesem Hintergrund: Denken wir an die Handelssituation – Amerika, Eu­ropa, Handelskrieg –: Was machen wir? (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Betreffend die Arbeitslosigkeit sind wir froh, dass sie nach und nach geringer wird, aber es kann sein, dass sie morgen schon wieder ansteigt. Und was machen wir dann? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Nun aber zu dir, lieber Beppo Muchitsch – ich achte ihn, ich schätze ihn, wir sind im Wahlkreis nur äußerlich Rivalen, aber sonst verstehen wir uns, sind respektvoll und in Gesellschaft miteinander verträglich. In der Südsteiermark gibt es genug Menschen, die mich fragen: Hast du etwas zum Hackeln? Gibt es irgendetwas? Wohin muss ich auspendeln? – Und dann kommt die andere Geschichte. Mir erzählen sie von Betrie­ben, in denen der Betriebsrat sagt: Hartz IV!, und jetzt: 60! Jeden Tag 60 Stunden! (Heiterkeit bei der SPÖ sowie der Abg. Belakowitsch.) Da frage ich mich: Was ist ei­gentlich, wenn das passiert? Was ist denn da passiert? (Abg. Knes: Super! Unglaub­lich! Gratuliere! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Da sieht man, ihr passt auf – danke schön! Danke, Prüfung bestanden! Man muss sich das vorstellen: Wie wurden Betriebsräte informiert, dass sie den Menschen draußen wissentlich falsche Informa­tionen geben? Was ist da passiert?

Ich habe mit sehr vielen gesprochen, habe ihnen das dann mitgeteilt. Für mich war als junger Mann immer die Frage wichtig: Hast du eine Möglichkeit einer materiellen Di­mension? – Ich wollte viel verdienen, weil ich mir etwas schaffen wollte. Auch heute gibt es junge Menschen, die wollen viel verdienen, weil sie sich etwas schaffen wollen.

Andere betonen die zeitliche Dimension. Ja, auch die haben wir angesprochen. Sie sa­gen: Ich möchte am Stück länger arbeiten, dann kann ich vielleicht – jetzt hätte ich fast gesagt: mir den Pfuscher ersparen – beim Hausbau selbst Hand anlegen, ich kann ein Gesundheitsprogramm machen, wie es die Gewerkschaft und die SPÖ verlangen, ich kann ein Studium verfolgen. – All das, bitte, ist eine gute Geschichte.

Zur sozialen Dimension – ja, natürlich, mit den Freunden zusammen sein –: Ich kann das alles tun, besser, gescheiter, und ich bin nicht auf die Gnade eines Arbeitgebers oder eines Betriebsrats angewiesen, den ich vielleicht anbetteln muss.


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Dann kommt die sachliche Dimension, die wurde heute schon ausgeführt: 8 Stunden bleiben, 40-Stunden-Woche. Die Freiwilligkeit wird hier lächerlich gemacht? Ein Gesetz ist nur ein Zettel? – Und dann kommt die Heuchelei der SPÖ, die mich natürlich scho­ckiert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hier im Parlament mit dem Beppo Muchitsch heißt es: Ja, reden wir!, und der Bundesgeschäftsführer im Landtag Steiermark fällt um und stimmt gegen den KPÖ-Antrag, als die gesagt haben, das Land Steiermark soll gegen die Arbeitszeitflexibilisierung stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SPÖ fällt wie immer um, bei der Landeshauptmannwahl und auch hier wieder. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie sagen Arbeiterverräter? – Unglaublich, unglaublich! Ich bin 43 Jahre lang in einem sozialdemokratischen Betrieb gewesen. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Sehr geehrte Damen und Herren der SPÖ, der alte Rupert Gmoser hat zu mir gesagt: Hoffentlich siegen nicht eines Tages die Nadelstreifsozialisten, denn dann ist die sozialdemokrati­sche Idee tot.

In diesem Sinne: Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Abg. Stöger: Es war in­haltlich doch auch etwas dabei! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

12.10


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Rossmann. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


12.10.38

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Stefan Pierer, KTM-Chef, hat sich, wenige Tage bevor er seine Großspende für Sebastian Kurz abgeliefert hat, eines gewünscht: die Arbeitszeitflexibilisierung – das sei das Al­lerwichtigste. Mit diesem Initiativantrag heute wird geliefert: der 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche, maximal 8 Stunden Ruhezeit bei geteilten Diensten. Das, was hier passiert, ist nicht nur demokratiepolitisch äußerst bedenklich, das ist auch eine Arbeits­zeitpolitik, die nicht ins 21. Jahrhundert gehört, das ist eine Arbeitszeitpolitik des 19. Jahr­hunderts.

Herr Kollege Strolz, Sie haben das Beispiel mit dem Monteur gebracht. Ich kann Ihnen ganz einfach entgegnen, wie man das anders lösen kann, nämlich durch eine Verkür­zung der Arbeitszeit. Wir schicken nicht einen Monteur hin, wir schicken zwei Monteure hin, dann stehen wir erst gar nicht vor diesem Problem. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Scherak: Oh, jetzt ist der Marxismus wieder da! – Abg. Strolz: Sie sind so was von weit weg von der Praxis, das ist erschreckend! – Abg. Lugar: Wer zahlt den zwei­ten Monteur? – Abg. Höbart: Der Arbeiterkammer-Spezialist!)

Dass dieser Initiativantrag für einen 12-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche im Interesse der Wirtschaft ist, das verstehe ich ja. (Abg. Deimek: Und dann leisten wir uns die doppelte Mannschaft? Zahlt das alles die Arbeiterkammer?) – Ich werde noch dazu kommen. Wir haben uns den Wohlstand in den letzten Jahrzehnten erarbeitet, sodass wir uns eine Arbeitszeitverkürzung durchaus leisten können. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dass die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung jubeln, ist klar, aber wa­rum die FPÖ da mitgezogen ist, das ist mir unverständlich, hat doch Vizekanzler Stra­che im Dezember noch gesagt: 60 Stunden wird es mit der FPÖ nie geben. (Abg. Gu­denus: Stimmt ja auch! – Abg. Deimek: Ist ja richtig!) Ja, wieder ein Bauchfleck – ei­ner der zahlreichen –, wieder einmal ein Verrat am kleinen Mann. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und wie rechtfertigen Sie diesen Verrat am kleinen Mann nun? – Mit einer Freiwillig­keitsgarantie, die im Gesetz steht. (Ruf bei der FPÖ: Wir sollten der Arbeiterkammer


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die Beiträge kürzen!) Jetzt werde ich Ihnen einmal erklären, dass ein Gesetz ein Ge­setz ist, aber die Situation de facto ganz anders ausschaut. Zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gibt es ein Machtgefälle. Das wird ja niemand bestreiten können, das ist ja auch der Grund, warum es Betriebsräte gibt, warum es Arbeitnehmerinteressen­vertretungen – Gewerkschaften und Arbeiterkammer – gibt; das liegt in der Natur der Sache. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kirchbaumer, Höbart und Schartel.)

Arbeitnehmer können zwar die 11. und 12. Überstunde ablehnen, aber sie riskieren natürlich, fristlos entlassen zu werden. Die Verhandlungsposition eines Arbeitnehmers entscheidet sich nicht im Gesetz, nicht im Arbeitszeitgesetz, sondern am Arbeitsmarkt. Am Arbeitsmarkt warten 340 000 Menschen auf Arbeit, und wenn ein Arbeitgeber weiß, dass ein Arbeitnehmer nicht bereit ist, die 11. und 12. Überstunde zu leisten, dann weiß er umgekehrt auch, dass mindestens zehn, 15, 20 Arbeitnehmer darauf warten, in diesen Job einzutreten. Aus diesem Grund kann es eine Freiwilligkeitsgarantie nie ge­ben. Wenn darauf hingewiesen wird, dass für den Fall einer Entlassung ein Arbeitsge­richt darüber entscheiden muss, ob das gerechtfertigt war oder nicht, dann muss ich dazu sagen: Na ja, der Arbeitnehmer, der entlassen wurde, muss dann monatelang auf die Entscheidung warten, ob die Entlassung nun rechtmäßig gewesen ist oder nicht.

Frau Ministerin! Sie haben gemeint, dass durch diesen Initiativantrag die durchschnittli­che Zahl der Arbeitsstunden gleich bleiben wird. Das kann ich, ehrlich gesagt, nicht nach­vollziehen. Ich gehe davon aus, dass die durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden steigen wird. Ich gehe aber auch davon aus, dass das, was Arbeitsmediziner sagen, eintreten wird, dass es nämlich zu einem Leistungseinbruch kommen wird, der ja tat­sächlich schon nach 6 bis 8 Stunden auftritt und nicht erst ab der 10. Arbeitsstunde. Genau das ist der Grund, warum eine moderne Arbeitszeitpolitik nicht dazu führen kann, dass man die Arbeitszeit verlängert, sondern dazu führen muss, dass man die Arbeitszeit verkürzt.

Es geht daher schlicht und einfach darum, eine Tatsache zu nutzen, die man interna­tional beobachten kann, dass nämlich Länder mit niedrigerer durchschnittlicher Arbeits­zeit eine höhere Produktivität aufweisen. Dazu gehören zum Beispiel Länder wie Schweden; das ist eines dieser Länder, das erwähnt worden ist. Ein vernünftiger Vor­schlag beginnt daher mit einer Verkürzung der Arbeitszeit. Wir können uns diese Ver­kürzung der Arbeitszeit leisten. Die Arbeitszeit ist seit Mitte der Siebzigerjahre konstant geblieben, die Produktivität ist aber kontinuierlich gestiegen. Genau diese Produktivität fordere ich nun für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Form einer Verkürzung der Arbeitszeit ein, und dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer Arbeitszeitverkürzung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ei­ne Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine

•             schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich sowie eine

•             Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Voll­zeitbeschäftigten

gesetzt werden.“

*****


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Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

12.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend einer Arbeitszeitverkürzung

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 (Antrag der Abge­ordneten Peter Haubner, Ing. Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (303/A)).

Begründung

In den letzten Wochen wurde unter dem Schlagwort „Arbeitszeitflexibilisierung“ eine Gesetzesänderung diskutiert, welche zwar die Flexibilität von Unternehmen, kaum aber jene von Beschäftigten erhöht. Merklich erhöht hat sich für letztere nur die maximale Arbeitszeit – auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche. Als Draufgabe wurde auch die bisher notwendige Zustimmung von Betriebsrat und Arbeitsmedizinern gestri­chen. Was als „Anpassung an die moderne Arbeitsrealität“ behauptet wurde, erinnert so tatsächlich eher an die Arbeitsrealität des 19. Jahrhunderts.

Dabei liegen die Argumente gegen lange Arbeitszeiten und zu kurze Ruhepausen seit Jahrzehnten auf dem Tisch – wissenschaftlich fundiert und auch dem von der Regie­rung oft zitierten Hausverstand zugänglich. Das Unfallrisiko steigt. Die physische und psychische Belastung nimmt zu. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, im Falle von Verlet­zungen und stressbedingten Erkrankungen sogar dauerhaft.

Deshalb ist eine Verlängerung der Arbeitszeit nicht nur sozial höchstbedenklich, son­dern auch aus ökonomischer Sicht kontraproduktiv. Jeglicher kurz- oder längerfristige Leistungseinbruch schlägt sich natürlich auch negativ auf die erbrachte Wertschöp­fung. Es ist daher kein Zufall, dass Länder mit einer niedrigeren durchschnittlichen Wo­chenarbeitszeit tendenziell eine höhere Produktivität aufweisen.

Zugleich können sich produktivere Länder auch kürzere Arbeitszeiten leisten. Öster­reich zählt zu diesen Ländern. Seit der letzten flächendeckenden Arbeitszeitverkürzung auf 40 Wochenstunden im Jahr 1975 hat sich das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf mehr als verdoppelt. Es ist längst überfällig, die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesen Produktivitätsgewinnen teilhaben zu lassen – sowohl durch höhere Stundenlöhne, als auch durch eine zeitliche Entlastung. Die kürzlich beschlos­sene Gesetzesänderung geht daher in die völlig falsche Richtung. Anstatt die Belas­tung auf bis zu 60 Wochenstunden zu erhöhen, muss das Ziel die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich sein.

Ein vernünftiger Vorschlag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beginnt mit ihrer Verkür­zung – sowohl der Normalarbeitszeit als auch der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Die Details der Arbeitszeitverkürzung soll­ten den Sozialpartnern überlassen sein, wie schon die kürzlich beschlossene Gesetz­änderung nicht an ihnen vorbei und über alle Branchen hinweg hätte beschlossen wer­den dürfen. Zugleich gilt: wann, wenn nicht jetzt! Trotz guter Konjunktur zählen wir über 340.000 arbeitslose Menschen, während unter den Beschäftigten die Zahl der Überlas-


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teten weiter steigt. Setzen wir jetzt die nötigen Schritte und Anreize, um die bestehen­de Arbeit gerechter zu verteilen. Geben wir den österreichischen Beschäftigten endlich mehr Zeit, sich ausreichend für die zukünftig zu erledigende Arbeit im Zeitalter der Digi­talisierung zu rüsten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ei­ne Regierungsvorlage zu erarbeiten, mit welcher Maßnahmen und Anreize für eine

•             schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich sowie eine

•             Verkürzung der tatsächlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Voll­zeitbeschäftigten

gesetzt werden.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag wurde ordnungs­gemäß eingebracht, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Schramböck. – Bitte, Frau Minister.


12.17.04

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Nationalrates! Werte Zuseherin­nen und Zuseher, besonders jene auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Jahren diskutieren wir in Österreich über eine notwendige Arbeitszeitflexibilisie­rung. Erst vergangene Woche haben die Chefs der beiden Wirtschaftsforschungsins­titute, Wifo auf der einen und IHS auf der anderen Seite, die Notwendigkeit dieser – ich zitiere – „vergleichsweise kleinen Reform“ bestätigt und sich besorgt gezeigt – ich zitie­re wiederum –, „dass die politische Diskussion mit Übertreibungen arbeitet, die schon ans Lächerliche grenzen“.

Ich appelliere daher an alle Beteiligten, die Emotionen zurückzufahren und zu einer fak­tenbasierten Diskussion zurückzukehren. (Abg. Noll: Das sagt die Richtige!) Die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben diese Verunsicherung, die durch teilweise bewusst geschürte Panikmache entsteht, nicht verdient. Bitte nehmen Sie von den ständigen Superlativen und Angstszenarien Abstand! Mit diesem Gesetz werden weder von heute auf morgen wirtschaftspolitisch Milch und Honig fließen, noch wird damit die Republik in ihren Grundfesten erschüttert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Loacker: Schon wieder eine Vorlesung!)

Schauen wir, was andere Länder tun – da wird immer wieder Schweden zitiert –: In Schweden, Dänemark und Irland gibt es die Möglichkeit der Flexibilisierung auf bis zu 13 Stunden Arbeit pro Tag, und diese Länder haben kein dramatisches Absinken ihrer Lebensqualität gesehen. (Ruf bei der FPÖ: Da ist noch Luft nach oben! – Abg. Witt­mann: Kennen Sie den Mindestlohn in Schweden?)

Wir reagieren mit diesem Gesetz auf die Realität in der Arbeitswelt im Jahr 2018: Ar­beiter, Angestellte, Kreative, IT-Fachkräfte oder auch Angestellte im klassischen Büro-


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bereich wollen arbeiten, wenn die Arbeit anfällt (Abg. Wittmann: Sie sind ahnungslos!), und wollen dafür auch einmal ein verlängertes Wochenende freihaben. Sie wollen Pro­jekte fertigstellen, dann, wenn sie fertigzustellen sind, und sie wollen auch Geschäfte mit internationalen Kunden betreiben, deshalb vielleicht auch einmal länger bleiben und dafür am Freitag zu Hause sein. (Abg. Wittmann: Sie sind wirklich ahnungslos!) Das ist die Arbeitsrealität 2018, die es bereits gibt, und ich glaube, diese Personen ha­ben ein Recht darauf, von Arbeitnehmervertretern vertreten zu werden. (Abg. Krainer: Sie wählen ihre Vertreter selbst! – Abg. Wittmann: Sie sind ahnungslos!)

Lassen Sie mich auf die Kernpunkte der neuen Gesetzeslage eingehen! Erstens: Es bleibt bei der täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden und der wöchentlichen Normalar­beitszeit von 40 Stunden. Wer etwas anderes sagt, sagt bewusst die Unwahrheit. Sug­gerieren Sie den Menschen bitte nicht, sie müssten in Zukunft alle permanent 12 Stun­den arbeiten, denn das wird nicht so sein. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitneh­mer kann die 11. und 12. Überstunde ablehnen, es gibt eine echte Freiwilligkeit.

Zudem ist im Gesetz explizit festgehalten, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern durch die Ablehnung keine Nachteile entstehen dürfen, das heißt, es gibt ein um­fassendes Benachteiligungsverbot. Dass ein Arbeitnehmer nicht gekündigt wird, wenn er Überstunden ablehnt, das haben uns die Unternehmen bereits gezeigt: Es werden auch jetzt schon Überstunden gemacht, und die Arbeitnehmer werden jetzt auch nicht wegen der 9. und 10. Überstunde und der vorangegangenen Überstunden gekündigt. Warum sollte das dann bei der 11. und 12. Stunde der Fall sein? Das entspricht also nicht der Realität in den Betrieben. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten Überstunden, und das erfolgt im guten Einvernehmen mit den Arbeitgebern. Warum sollte das jetzt anders sein? Es herrscht ein gutes Miteinander in den Betrieben. Eine Kündigung aufgrund der Ablehnung von Überstunden wäre übrigens rechtswidrig.

Zweitens: Alle Zuschläge werden weiterhin ausbezahlt. Vereinbarte Überstunden sind mit Überstundenzuschlägen oder auch in Zeitausgleich zu vergüten. Es steht zum ers­ten Mal eine Wahlfreiheit zur Verfügung – das kannten wir bisher nicht –: Die Arbeit­nehmerInnen können ab der 11. und 12. Stunde selbst bestimmen, ob sie die Mehr­stunden lieber in Geld oder als Zeitausgleich abgegolten haben wollen. Das ist eine wesentliche Neuerung. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können dadurch auch besser selbst entscheiden, wie sie ihren Beruf mit ihrer Familie vereinbaren, ob sie zum Beispiel von Montag bis Donnerstag mehr arbeiten und dann am Freitag eben zu Hause bleiben wollen. Jeder einzelne Arbeitnehmer bekommt also mehr Rechte als bisher.

Drittens: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren aus meiner Sicht durch mehr Flexibilität. Das zeigen auch Erfahrungen in jenen Branchen, in denen das bereits heu­te möglich ist. Es gibt Branchen und es gibt Unternehmen, in denen man heute schon bis zu 12 Stunden arbeiten kann. Diese Branchen und Unternehmen sind zahlreich in Österreich, es sind Beamte und Vertragsbedienstete, es sind Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter im Gesundheitsbereich, es ist im öffentlichen Verkehr bereits der Fall; überall dort darf man das bereits. Oder nehmen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Flughafens oder auch jene der viel zitierten ÖBB: Sie arbeiten heute schon 12 Stun­den, weil sie dann weniger Tage unterwegs sind oder nicht so oft pendeln müssen. Die Flexibilität gibt ihnen diese Freiheit. Das sind jene Arbeitswelten, die von den Kritikern bewusst ausgeblendet werden. Den Ausführungen unseres Klubobmanns Gust Wögin­ger stimme ich vollumfänglich zu und unterstütze ihn bei dem, was er verlesen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich mündige und selbstbestimmte Men­schen. Durch die Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen geben wir ihnen noch mehr davon, mehr Freiheit, über ihre Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Klären wir daher die


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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Angstmache und ohne Übertreibungen über die­se neuen Möglichkeiten auf – das ist ganz wichtig –, dann haben alle etwas davon. Es sind sowohl die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Vorteil davon haben, als auch die Familien, der Wirtschaftsstandort und die Unternehmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Plakolm. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


12.24.26

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein junger Elektromechaniker hat als geschickter Lehrling im Betrieb angefangen und wird deshalb gerne auf Montage ge­schickt. In drei Monaten wird er zum ersten Mal Vater. Wenn er auf Montage in Vorarl­berg ist, möchte er lieber drei Tage intensiver und länger arbeiten, um dann einen Tag früher bei seiner Freundin – und bald auch bei seiner kleinen Familie – in Oberöster­reich sein zu können. (Abg. Deimek: Genau, so ist das!)

Eine junge Softwareentwicklerin möchte aus dem Elternhaus ausziehen und sich eine Wohnung nehmen. Für die Einrichtung geht auf einen Schlag sehr viel Geld drauf, des­wegen möchte sie Überstunden machen und Geld ansparen.

Ein Büroangestellter, der neben seinem Vollzeitjob Biologie studiert, möchte in den Fe­rien und in der Mitte des Semesters Überstunden aufbauen, um sich während der Prü­fungsphasen oder für geblockte Kurse freinehmen zu können. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit würde diese Arbeitnehmer wesentlich unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Da in den letzten Tagen von einigen Seiten – auch vom Rednerpult aus – gezielt ver­unsichert wurde und viele Fake News kursieren, möchte ich einiges klarstellen: Worum geht es bei unserem Antrag zur Arbeitszeitflexibilisierung? – Das Wichtigste zuerst: Der 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche bleiben die Normalarbeitszeit. Zusätz­lich ist es nun möglich, bis zu 12 Stunden am Tag zu arbeiten und seine Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, und das mit garantierter Freiwilligkeit, denn mit der Nachschär­fung unseres Antrages ist das auch im Gesetz geregelt. Da steht drinnen: „Es steht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern frei, Überstunden nach § 7 und § 8 Abs. 1 und 2 ohne Angabe von Gründen abzulehnen“.

Und es geht noch weiter, denn die damit verbundenen Arbeitnehmerschutzrechte wer­den sogar mit einem Diskriminierungs- und Kündigungsschutz ausgebaut. (Abg. Knes: Ausgebaut werden sie? Ausgehebelt!) Wer die 11. und 12. Überstunde leistet, kann sich aussuchen, ob er mehr Geld ausbezahlt haben will oder ob er Freizeit bean­sprucht. Überstunden werden natürlich mit Zuschlägen bezahlt, das ist ganz selbstver­ständlich.

Vieles davon ist heute schon betriebliche Praxis. Man braucht nur in die großen Kon­zerne zu schauen – ÖBB, Voestalpine –, da gibt es bereits jetzt solche Betriebsverein­barungen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Keck.) Die flexibleren Ar­beitszeiten, die wir heute beschließen, kommen vor allem den kleinen und mittleren Betrieben zugute. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) In kleineren Betrieben ist das Arbeits­klima wesentlich familiärer. Gerade in den KMUs werden die Mitarbeiter miteinbezo­gen, denn sie sind ja auch wesentlich für den Betriebserfolg verantwortlich; da sollte man auch einmal Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch der ehemalige Bundeskanzler Kern – der heute einmal überraschenderweise im Hohen Haus anwesend ist (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP – Zwischenrufe bei der


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SPÖ) – war von dieser Idee überzeugt, zumindest noch vor ein paar Monaten, denn im Plan A, der das Vorwahlprogramm der SPÖ darstellt (Zwischenruf des Abg. An­drosch), ist ab Seite 34 alles sehr, sehr genau beschrieben (Abg. Bacher: Das Ganze verlesen!), das könnte eigentlich genau so im Regierungsprogramm stehen. (Abg. Ba­cher: Das Ganze verlesen bitte!) Ich möchte daraus kurz etwas verlesen, das Kapitel heißt nämlich sogar „Flexibel arbeiten? Für alle, ja!“ – das ist der Titel dieses Kapitels. (Abg. Bacher: Das Ganze verlesen!)

Da ist sogar eine Umfrage drinnen: 610 000, 610, 100 000 - - (Abg. Bacher: Was jetzt? – Abg. Wittmann: Sie haben ein semantisches Problem!) „610.000 Menschen würden ihre Arbeitszeit gerne verringern, 450.000 Frauen in Teilzeit hingegen diese gerne ausweiten. Mehr als 1 Million Menschen sind derzeit also mit ihrer Arbeitszeit nicht glücklich.“ (Abg. Heinisch-Hosek: Lesestunde!)

Und weiter: „Flexible Arbeitszeiten sind von allen Seiten gewünscht und willkommen, von ArbeitgeberInnen- ebenso wie von ArbeitnehmerInnenseite. Schaffen wir Möglich­keiten zu echter Flexibilisierung, die beiden Seiten offensteht – von der Verkürzung über die Verlagerung bis hin zur Verlängerung der Arbeitszeit. Und das immer nach Wahl und Wunsch.“ (Abg. Höbart: Herr Klubobmann Kern, zuhören!) – Das steht im Plan A der SPÖ; von mir aus gern. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Arbeitszeitflexibilisierung war in dieser Form auch schon Bestandteil der letzten vier Regierungsprogramme. In den vergangenen Jahren haben sich alle Sozialpartner darauf geeinigt, dieses Modell auch zu verwirklichen. Wir setzen jetzt das um, was bis­her nur in gedruckter Form bestanden hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Höbart: Stimmt zu! Wir setzen es um! Bedankt euch bei der Regierung! – Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Die beiden Bundesministerinnen haben es auch schon angesprochen: Es wird gerne ein Blick auf die skandinavischen Länder geworfen (Abg. Keck: Verkürzung der Ar­beitszeit!), gerade was das Bildungssystem und die Schulen betrifft. In Skandinavien ist die flexible Arbeitszeit gang und gäbe. (Abg. Heinisch-Hosek: Arbeitszeitverkür­zung! – Zwischenruf der Abg. Duzdar.) In vielen Betrieben ist die Arbeitszeit im Schnitt sogar wesentlich gesunken. (Abg. Heinisch-Hosek: Arbeitszeitverkürzung!) – Frau Hei­nisch-Hosek, lassen Sie mich ausreden, ich lasse Sie auch immer ausreden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese flexibleren Arbeitszeiten sorgen in Skandinavien für mehr Freizeit der Mitarbei­ter, weil die Arbeitszeit im Schnitt gesunken ist, und natürlich für sehr zufriedene Mitar­beiter. (Abg. Heinisch-Hosek: Verkürzung!)

Abschließend möchte ich noch eines klarstellen, da von meinen oberösterreichischen Kollegen Alois Stöger und Hermann Krist große Panikmache und Verunsicherung bei den Feuerwehren betrieben wird: Das Ehrenamt ist und bleibt möglich, es wird auch nicht mehr gearbeitet, sondern flexibler. Der Ennser Abschnittsfeuerwehrkommandant hat, nachdem er von der SPÖ einen netten Brief bekommen hat, dazu auch eine Stel­lungnahme abgegeben; und zwar hat er geschrieben: „Dieses Thema (Arbeitszeit) ist aktuell ein gesellschafts- und parteipolitisch spannender Vorgang. Dazu aber das über­parteiliche Feuerwehrwesen so zu benützen, ist meines Erachtens nicht in Ordnung“. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: Das ist wirklich naiv, was Sie da vorle­sen!)

Der Feuerwehrkommandant schreibt weiter (Abg. Wittmann: Sie sind sich nicht zu blöd, einen ÖVP-Funktionär zu zitieren!): „[...] weil Sie genau wissen, dass es eine 60-Stun­den-Woche nicht gibt/nicht geben wird, so wie es derzeit analog auch keine 50-Stun­den-Woche gibt.“ – Das schreibt der Ennser Abschnittsfeuerwehrkommandant. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Insbesondere für Feuerwehreinsätze und für Ehrenämter haben unsere Betriebe gro­ßes Verständnis. Wir werden auch weiterhin daran arbeiten, dass diese Wertschätzung für das Ehrenamt gegeben ist und unterstützt wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer modernen, dynamischen und schnelllebigen Welt. Die Art und Weise, wie wir arbeiten und wie wir unsere Freizeit gestalten, hat sich mas­siv geändert, und auch das Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist we­sentlich positiver als in den letzten Jahrzehnten.

Wir sind also aufgefordert, die Rahmenbedingungen zu liefern, Arbeitszeitmodelle wei­terzuentwickeln und entsprechend den ganz individuellen Lebensmodellen und Le­benssituationen die Arbeitszeiten zu flexibilisieren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Stimmt zu ...! Er setzt den Plan A um!)

12.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


12.31.27

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frauen Bundesministerin­nen! Ich weiß jetzt gar nicht, wo ich anfangen soll, weil es irrsinnig viel Emotion gibt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe zehn Jahre am Bau gearbeitet. Ich habe als Maurerlehrling begonnen, als staatlich geprüfter Bauleiter aufgehört, aber was Sie hier von diesem Rednerpult aus und leider auch von der Regierungsbank an realitätsfrem­den Geschichten erzählen, das tut wirklich weh! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Deimek: Ich glaub’, du bist ...!)

Sie sind vor 21 Tagen genau hier gestanden. Ihr habt uns einen Initiativantrag auf den Tisch geknallt, der alle Menschen dieser Republik betrifft, der keine einzige Verbesse­rung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer enthält. Sie beschließen heute wahr­scheinlich – obwohl Sie es vielleicht gar nicht wollen, aber Sie müssen es tun (Ruf bei der FPÖ: Geh, geh, geh!) – mit Ihrer Mehrheit ein Arbeitszeitgesetz ohne Einbindung von Experten, ohne ausreichende, sachliche, faire Begutachtung, ohne Rücksicht auf die Experten mit all ihren Meldungen, die sie in den letzten Tagen gemacht haben.

Das macht es eigentlich sehr schwierig, denn gewisse Dinge kommen ja gar nicht von der Opposition oder vom ÖGB, sondern von den Experten. Experten sagen nämlich: Sie gaukeln uns hier einiges vor und sagen, vier Tage arbeiten, drei Tage frei. – Dann schreibt es in dieses Gesetz hinein, damit ein Rechtsanspruch besteht! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Wenn der junge Familienvater vier Ta­ge auswärts ist, dann soll er einen Rechtsanspruch darauf haben, drei Tage frei zu be­kommen. Warum schreibt ihr das nicht hinein?

Sie sagen, die Betriebsvereinbarungen bleiben aufrecht. – Sie killen einen ganzen Pa­ragrafen, den § 7 Abs. 4, Sie killen diesen Absatz, wo die gesamte Mitbestimmung für die Arbeitnehmer, egal, ob Arbeitnehmer, Betriebsrat oder Kollektivvertrag, ausge­löscht wird. Sie reden von Fairness und Augenhöhe zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen. Dabei zerstören Sie leichtfertig bewährte Errungenschaften, gefähr­den leichtfertig den sozialen Frieden in Österreich und spalten leichtfertig das gemein­same Miteinander unter den Beschäftigten. Ich werde Ihnen dann auch ein Beispiel da­zu geben.

Diese Gesetzesänderung tut mir besonders weh, nämlich als Sozialpartner, der immer wieder versucht hat, in seinen Branchen vieles weiterzubringen. Dafür gibt es, wie Sie wissen, viele Beispiele. Es gibt übrigens viele Meldungen von Arbeitgebern, die sagen: Ich will dieses Gesetz nicht ausschöpfen, mir sind die Leute einfach wichtiger, ich habe eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.


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Frau Wirtschaftsministerin, Sie haben dazu etwas gesagt, das Ihnen vielleicht rausge­rutscht ist, aber es war ehrlich und realitätsnah. Sie haben im Ö1-„Mittagsjournal“ ge­sagt: „Ich gebe ganz klar den Auftrag an die Unternehmen, das nicht auszunutzen.“ – Das war ehrlich. Das ist so, wie wenn der Verkehrsminister sagen würde, ich erlaube jetzt 180 km/h auf der Autobahn, aber bitte fahrt nur 130 km/h, denn es ist gefährlich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Jetzt ziehen Sie das wieder zurück und bleiben nicht dabei.

Wissen Sie, Frau Sozialministerin, Sie sollten eigentlich die Menschen verteidigen, die in diesem Land arbeiten, nämlich betreffend Gesundheit, betreffend Arbeitnehmer­schutz, betreffend Einkommen, betreffend Freizeit und Familie. Wir wissen – und Sie wissen es ja auch, Sie dürfen es nur nicht zugeben –, dass es bei diesem Gesetz Ver­lierer geben wird, nämlich Verlierer in der Tourismusbranche, Verlierer, die schwer ar­beiten in dieser Republik, alleinerziehende Mütter, Frauen, Familien und auch Men­schen mit Behinderungen, Menschen mit Handicaps. Sogar da fahrt ihr mit diesem Ge­setz drüber. Ihr macht keinen Unterschied zwischen den Branchen, keinen Unterschied zwischen den Menschengruppen, und das ist das Schlimme! (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Mir haben in den letzten Tagen viele Menschen geschrieben und Fragen gestellt. Otto, der Zimmerer fragt: Ist es richtig, dass der Arbeitgeber in Zukunft auch im Hochsom­mer 12 Stunden anordnen darf? (Abg. Mölzer: Nein, ist freiwillig!) Ist es richtig, dass ich dann freiwillig die 11. und 12. Stunde ablehnen darf, ohne dass es ein Nachteil ist? (Abg. Mölzer: Freiwillig steht doch drinnen!) Ist es richtig, dass ich nach der 10. Stunde vom Dach neben der Schalung bei 60 Grad plus, weil es so strahlt, runtergehen darf, mich in den Firmenbus setzen darf und meine jungen Kollegen arbeiten oben weiter? Wie lange werde ich bei dieser Partie noch einen Job haben als 50-Jähriger? – Zitat­ende.

Das ist Ihre scheinheilige Freiwilligkeit in Ihrem Gesetz! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber. – Abg. Deimek: Und drum wählen dich die Leute nicht mehr! ...! Der ist auf Montage und der sagt, du lügst!)

Judith schreibt mir, 27 Jahre, alleinerziehende Mutter. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Hört mir bitte zu! Ich habe allen zugehört. Ich habe nicht einmal einen Zwi­schenruf gemacht, weil ich allen zugehört habe. Vielleicht geht das bei euch auch ein bisschen.

Mir schreibt Judith, 27 Jahre, alleinerziehende Mutter. Sie arbeitet in einem Gemischt­warenhandel mit einer Jausenstation. Sie schreibt: Herr Abgeordneter, mein Max ist sieben Jahre. Muss ich jetzt die 11., 12. Stunde bis 20 Uhr dort arbeiten oder darf ich Nein sagen? Wie lange darf ich Nein sagen? Ich will meinen Max doch jeden Tag am Abend noch sehen; nicht nur im Pyjama, wenn er schon im Bett liegt, weil die Eltern auf ihn schauen. – Zitatende.

Das ist die Realität, das ist die Wahrheit. Die Menschen werden das nicht in Anspruch nehmen, nämlich aus Angst, dass sie den Arbeitsplatz verlieren, wenn sie die 11., 12. Stunde ablehnen, und das ist das Schlimme. (Abg. Winzig: Sie können ja der Ju­dith erklären, dass das nicht so ist!)

Noch ein Beispiel: Günther, der Pflasterer – den kennen Sie auch, da gab es ja 1,3 Mil­lionen Aufrufe. Bevor Günther, der Pflasterer geschrieben hat, wissen wir, dass er sagt: Ich arbeite jetzt 8 Stunden. (Zwischenruf des Abg. Hammer.) – Jawohl, ich arbeite 8 Stunden, kniend. Ein Stein hat 17 Kilo. Jetzt kann der Chef anordnen, dass ich in Zu­kunft kniend über mein Kreuz jeden Tag 5 400 Kilo pflastern muss. Darf ich ablehnen oder nicht? Ich bin 52 Jahre, ich brauche noch acht Jahre bis zu meiner Pension. Wie soll ich das schaffen?


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Auch ich sage ganz klar: Ein Pflasterstein darf im 21. Jahrhundert kein Zeichen von Gewalt sein. Ein Pflasterstein ist im 21. Jahrhundert ein Zeichen von schwerer Arbeit für Menschen, die das tagtäglich machen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzin­ger-Vogtenhuber. – Abg. Hafenecker: Ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend lese ich Ihnen noch einen Brief von einem Techniker vor. (Abg. Hafen­ecker: Nehmen Sie sich ernst? – Ruf: Wie heißt der?) Er ist Vater von drei Kindern und schreibt mir – der Herr Strolz hat diesen Brief auch bekommen –: Ich habe Ihren offe­nen Brief zum Thema 12-Stunden-Tag gelesen. Ich habe auch den Entwurf auszugs­weise gelesen und stimme Ihrer Einschätzung zu. Als Vater von drei kleinen Kindern, beschäftigt in der Industrie, wird mich diese Regelung voll treffen, zumal ich mit einer Leitungsfunktion auf unterster Ebene zukünftig nicht einmal mehr die Höchstgrenze von 12 Stunden für mich in Anspruch nehmen werde können.

Weiters schreibt er:

„Wir haben ein Kind mit 50 Prozent Behinderung. Meine Frau und ich bemühen uns, die Therapietermine – mindestens 3 wöchentlich – und Arzttermine zwischen uns auf­zuteilen, um die anderen beiden Kinder nicht unnötig mit Fahrten und Herumsitzen in Wartezimmern zu belasten. Diese Möglichkeit wird in Zukunft wegfallen, da die Auf­tragsbücher der Firma voll sind und es jetzt schon schwer möglich ist, Zeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Ich frage mich, wann ein entstandenes Zeitguthaben von 400 Stun­den pro Jahr – immerhin der doppelte Jahresurlaub – überhaupt von irgendjemandem verbraucht werden kann.“ (Abg. Deimek: ... das mit seiner eigenen Firma nicht aus­geht!)

Dieses Gesetz wird alle Familien, die wie wir kein Back-up durch gesunde, in der Nähe wohnende Großeltern haben, voll treffen. Das ist bekannt. Ich möchte Sie aber auf­merksam machen auf die Situation der Eltern, die ein behindertes Kind haben. Diese Eltern und deren Kinder werden in Zukunft unter die Räder kommen, denn wer Über­stunden aus diesem Grund ablehnt, wird seinen Job verlieren. (Abg. Deimek: Immer das Gleiche!)

Ich bitte Sie, alles zu unternehmen, damit dieses Gesetz nicht kommt. Es wird sich doch wohl ein Weg finden, am Verhandlungsweg eine tragbare Lösung zu finden. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Schimanek und Winzig.)

Die Familienarbeit ist ja nicht freiwillig. Sie ist eine Verpflichtung, eine wichtige Ver­pflichtung, die wir im Leben haben. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, an die Behindertensprecherin der ÖVP heranzutreten, um hier eine Lösung zu finden. – Zitat­ende. (Ruf bei der FPÖ: Schau mal beim AMS vorbei, ...!) Genau das zeigt, dass es Menschen gibt, die eindeutig die Verlierer sind.

Abschließend möchte ich Folgendes sagen: Sie wissen es, ich habe Ihnen mehrmals das Angebot gemacht, eine ausreichende Begutachtung über den Sommer zu machen, ein faires, gerechtes Arbeitszeitgesetz zu schaffen, mit dem Flexibilisierung möglich ist.

Ich habe am Dienstag Ihnen allen, von ÖVP und FPÖ, diesbezüglich noch einmal alle Argumente übermittelt mit dem Ersuchen: Zurück an den Start! Ich habe nur eine Ant­wort erhalten, von einem einzigen Abgeordneten, nämlich vom Kollegen Gerstl, der na­türlich wieder Ihre Argumente ins Treffen geführt hat. Alle anderen haben es nicht wert gefunden, diesbezüglich eine kurze Antwort zu schreiben. Das zeigt, wie wurscht Ihnen dieses Gesetz eigentlich ist. (Abg. Deimek: ... Briefe werden nicht beantwortet! – Ruf bei der FPÖ: Drum wiederholen wir es nicht!)

Ich sage Ihnen jetzt abschließend: Sie müssen heute wahrscheinlich einem Gesetz zu­stimmen, das Sie vom Herzen gar nicht wollen. Ich sage es Ihnen, Sie entscheiden, ob


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Ihnen Menschen wie Otto, der Zimmerer, wie Hannes, der Techniker, wie Judith, die Verkäuferin, oder wie Günther, der Pflasterer, wichtig sind oder nicht. (Abg. Höbart: Mernyi, der Gewerkschafter!) Wenn Ihnen diese Menschen wichtig sind, dann stimmen Sie dieser Gesetzesvorlage heute nicht zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Ihnen die Menschen wirklich wichtig sind in diesem Land, stimmen Sie bitte nicht zu, sondern lassen wir das Volk entscheiden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Sie sind uns wichtig, und wir werden deshalb zustimmen, genau deshalb!)

12.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schartel zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.44.07

Abgeordnete Andrea Michaela Schartel (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Frau Sozial­ministerin! Liebe Wirtschaftsministerin! Beppo hat jetzt zum Schluss gesagt, dass uns die Menschen in diesem Land nicht wichtig sind. – Gerade weil uns die Österreicher und Österreicherinnen so wichtig, gerade weil es uns so wichtig ist, dass es ihnen gut geht, gibt es jetzt diese Regierung, die sehr, sehr viele Dinge im Interesse der österrei­chischen Bevölkerung schnell und unbürokratisch erledigt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Du hast in deinem Redebeitrag gesagt, dieses Gesetz bringt keine Verbesserung. – Die wesentlichste Verbesserung meiner Meinung ist, dass man jetzt nicht mehr an die Starrheit einer Betriebsvereinbarung gebunden ist, weil die auch in der legistischen Rangordnung höher steht als die einer Einzelvereinbarung, sondern endlich auch Ar­beitnehmer selbst entscheiden dürfen. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.)

Wenn du für deinen als Beispiel genannten Zimmerer eine Betriebsvereinbarung machst, dass er 12 Stunden am Dach stehen darf, dann kann man nicht konsequenzlos nach der 10. Stunde sagen, mir ist so heiß, jetzt gehe ich nach Hause und fahre mit dem Bus weg. Wenn du die Betriebsvereinbarung für 12 Stunden machst, dann pickt die, und der Einzelne kann gar nichts dagegen machen. Das muss man auch einmal er­wähnt haben. Das muss man auch einmal erwähnt haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weil ihr die Freiwilligkeit so erwähnt und bis in die Lächerlichkeit zieht: Jetzt steht im Gesetz drinnen: „berücksichtigungswürdige Interessen“; und da ist für mich ein großer Interpretationsspielraum vor Gericht. Da muss ein Richter entscheiden: War das jetzt berücksichtigungswürdig oder nicht? Freiwillig ist einfach: Ich sage etwas, und zwar entweder Nein oder Ja. Das ist freiwillig, dafür brauche ich keine langen Prozesse. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der Herr Kern hat heute in seinem Redebeitrag erwähnt, es gäbe keinen Arbeitneh­mervertreter, der unser Gesetz nicht in irgendeiner Art und Weise für grauslich, schlecht und sonst etwas hält. – Dann darf ich Ihnen jetzt ein Schreiben des Zentralbetriebs­rates der Firma Magna, nämlich des Angestelltenbetriebsrates vorlesen (Abg. Knes: Magna hat einen Betriebsrat? – Ruf: ... ein falscher Betriebsrat!):

„Wir als Angestelltenbetriebsrat beteiligen uns im Betrieb nicht an dieser politischen Auseinandersetzung [...] und tragen diesen Konflikt nicht in das Unternehmen.

Wir im Angestelltenbereich verfügen über eine gültige Betriebsvereinbarung“, die wei­terhin ihre Gültigkeit beibehält.

„Das Ziel des Angestelltenbetriebsrates ist es, auch nach Beschlussfassung und In­krafttreten“ dieses neuen Gesetzes „eine vernünftige innerbetriebliche Gesprächsbasis im Unternehmen für die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen vorzufinden.“

Das ist es genau – und Sie sagen jetzt die ganze Zeit, wir verunsichern die Bevölke­rung, wir spalten. Wenn Sie weiterhin mit diesen Kampfmaßnahmen, die nicht in Ord-


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nung sind, gegen dieses Gesetz vorgehen, dann schwächen Sie Ihre Position bei allen künftigen Kollektivvertragsverhandlungen. Ist es Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie sich jetzt mehr oder minder schwächen? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da wir jetzt bei den Kollektivverträgen sind, möchte ich auch Folgendes erwähnen: Sie wissen ganz genau, der Kollektivvertrag bestimmt die Höhe von Zuschlägen. Das Ar­beitszeitgesetz kennt nur die 50 Prozent. Wenn zum Beispiel im Metaller-KV steht, ab 19 Uhr muss man einen hundertprozentigen Zuschlag bezahlen, dann wird er weiterhin zu bezahlen sein, mit oder ohne Betriebsvereinbarung, denn Sie können nur eine Bes­serstellung vereinbaren und niemals eine Schlechterstellung. (Abg. Deimek: Was heißt denn das, ...?)

Sie sagen, jetzt wären auf einmal die Überstunden willkürlich angeordnet. Dabei konn­ten Überstunden soundso immer angeordnet werden. Beispielsweise bei den Ärzten, das ist sozusagen mein Lieblings-Kollektivvertrag, steht drinnen: „Zur Leistung von Über­stunden sind die Angestellten [...] im Bedarfsfall und zu der gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer verpflichtet.“ (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Stöger.) In die­sem Fall würde das Gesetz jetzt sogar eine Besserstellung darstellen.

Also ich würde Ihnen noch einmal empfehlen: Schauen Sie sich das Arbeitsgesetz Alt an, nehmen Sie die Änderungen dazu und Sie werden draufkommen, dass alles nur zum Besseren gemacht worden ist! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wöginger: Bra­vo!)

12.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die ent­sprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.


12.49.04

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich versuche, das richtig zu machen.

Frau Abgeordnete Schartel hat behauptet, dass es Betriebsvereinbarungen gibt, die Arbeitnehmer zu mehr Arbeit verpflichten, was nicht immer im Interesse der Arbeitneh­mer ist. (Abg. Haider: Das hat sie nicht behauptet! – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Halt die Goschen! – Abg. Deimek: Spannender Verweis: „Halt die Goschen!“ – Ruf: Das hat nur der Benya sagen dürfen!)

Ich berichtige: Im Stufenbau der Rechtsordnung in Österreich sind Betriebsvereinba­rungen über das Gesetz gestellt. Sie dürfen daher für Arbeitnehmer nur besser abge­schlossen sein, als es im Gesetz steht und keine Verschlechterung bringen, wie du es behauptet hast. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Das hat sie eh gesagt!)

12.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Sandler zu Wort. – Bitte.


12.50.03

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mitglieder der Regierung! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Österreich hat das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bereits 2008 ratifiziert. Im Art. 4 Abs. 3 steht sinngemäß: Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten, die behinderte Menschen und deren Kinder betreffen, werden Menschen mit Behinderung aktiv einbezogen. – Wann haben Sie das bei diesem Husch-Pfusch-Gesetz gemacht?

Menschen mit Behinderung müssen die Möglichkeit haben, genau wie alle anderen am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dazu gehört Arbeit allemal. Durch Ihre Arbeits-


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zeitverlängerung verkürzen Sie mutwillig die Erholungsphase für diese Menschen, die sie dringend brauchen. Sie drängen Menschen, die Wertvolles für die Gesellschaft leis­ten könnten, aus dem Arbeitsmarkt und verweigern ihnen das Recht an echter Teilha­be und einer selbstbestimmten Zukunft. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ.)

1992 hat Österreich auch die Kinderrechtskonvention ratifiziert. In Absatz 1 des Arti­kels 3 steht, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. – Wo bleibt das Wohl des Kindes bei einem 12-Stunden-Tag und einer 60-Stunden-Woche?

In Absatz 2 des Artikels 10 steht, dass jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönli­che Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen hat. – Wann soll das bei einem 12-Stunden-Tag und einer 60-Stunden-Woche noch möglich sein?

In Österreich arbeiten fast 50 Prozent der 1,5 Millionen berufstätigen Frauen in Teilzeit, oft auch deshalb, weil es keine Kinderbetreuung gibt oder eben nur bis Mittag. Jetzt verlängern Sie die Arbeitszeit und kürzen auch noch die Mittel für die Kinderbetreu­ung. – Wie soll sich das ausgehen? Berufstätige Eltern, Alleinerziehende, besonders mit behinderten Kindern oder zu pflegenden Angehörigen, sind jetzt schon maximal fle­xibel. An denen könnten Sie sich ein Beispiel nehmen!

Und die Jobs, die sie haben, sind nicht IT-Programmierer oder Ähnliches, sondern das sind Jobs im Einzelhandel, in der Produktion oder im Gastgewerbe. Da kann man die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen, oder soll die Verkäuferin jetzt die Extrawurst in der Küche aufschneiden, damit sie die 11. und 12. Stunde nicht im Betrieb sein muss und ihren zehnjährigen Buben abends noch selber ins Bett bringen kann? (Abg. Ne­hammer: So ein Blödsinn!) Familie darf keine Late-Night-Show werden.

Was passiert, wenn diese Menschen die freiwillige Chance verweigern, 12 Stunden zu arbeiten? Wie oft können sie Nein sagen und wie lange werden sie ihren Job noch haben? Bei Anträgen wie diesen zweifle ich ehrlich daran, dass Sie wissen, worüber Sie bei körperlicher Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familienfreundlichkeit oder Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderung überhaupt reden.

Ich weiß, wovon ich rede, und ich weiß, was es heißt, wenn man Hunderte Mal am Tag über die Wurstbudel mit einer Hand schwere Schinken herausheben muss und am Abend solche Kreuzschmerzen hat, dass man sein Kind nicht mehr hochheben kann. Ich weiß, wovon ich rede, wenn man sich am Abend die Fingerkuppe wegschneidet, weil man nach einem langen anstrengenden Tag unkonzentriert ist und sich nicht mehr gut konzentrieren kann. (Abg. Mölzer: Da hat man keine Finger mehr!) – Die Finger­kuppe allein ist nicht der Finger, Herr Kollege! (Abg. Deimek: Ich hab’ mich auch schon einmal in den Finger geschnitten! Na und?) – Ja, aber wahrscheinlich nicht, weil Sie 10 bis 12 Stunden schwer hackeln müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es ist keine Schande, körperlich zu arbeiten, die einzige Schande ist das, was Sie mit der Gesundheit und den Familien von unseren Arbeitnehmern und Arbeitneh­merinnen jetzt aufführen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

12.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Strasser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.54.23

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­terinnen! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt seit fünf Jahren in diesem Hohen Haus, komme aus einem ländlichen Wahlkreis und treffe dort Leute, die in der Produktion beschäftigt sind, im Handel, die bei der Caritas Niederösterreich und bei der Lebenshilfe Niederösterreich beschäftigt sind, und


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ich kenne viele Nebenerwerbslandwirte. Es gibt einen Wunsch, der sich durchzieht, das ist der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten.

Was ist der Grund für diesen Wunsch? – Man wünscht sich mehr Geld oder mehr Freizeit. Man wünscht sich mehr Familienfreundlichkeit und man wünscht sich, dass man sich anlassbezogen mit dem Arbeitgeber seine Dienste ausmachen kann. Diese Damen und Herren eint eine Haltung, und die teile ich als überzeugter, praktischer Landwirt: Wir wollen dann arbeiten, wenn Arbeit da ist, weil wir wissen, dass wir das müssen. Und das wollen wir auch, weil wir Österreich stark machen wollen und auch weiterhin stark machen werden, damit wir unseren Wohlstand und unsere soziale Si­cherheit absichern können. Und das, geschätzte Damen und Herren, werden wir nur gemeinsam schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aus dem Grund ein Appell, vor allem an die Sozialdemokratie: Unterlassen Sie es bitte, dass Sie Unternehmerinnen und Unternehmer und die Arbeitnehmer auseinanderdivi­dieren! (Abg. Schieder: Das macht ihr mit dem Gesetz!) Unterlassen Sie es bitte, dass Sie auch bei Großveranstaltungen falsche Informationen von sich geben! (Abg. Schie­der: Geh bitte! Ihr zerstört den sozialen Frieden mit dem Gesetz!) Und unterlassen Sie es bitte, dass Sie Steine und Grabkerzen vor unseren Häusern abstellen! Unterlassen Sie das bitte! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Nehammer: Pflastersteine, Herr Schie­der! – Zwischenruf des Abg. Wittmann. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Ein Bereich, in dem man es in einer sozialpartnerschaftlichen Art und Weise durchaus gut gemacht hat, war eine Vereinbarung, die in der letzten Woche zwischen der Land­wirtschaftskammer Österreich und der Landarbeiterkammer getroffen wurde. Man hat sich dort geeinigt, dass die Situation in der Praxis wie im Arbeitszeitgesetz auch im Landarbeitsgesetz niedergeschrieben wird, und das wird dann im Herbst folgen. Ich be­danke mich bei der Landwirtschaftskammer, ich bedanke mich bei der Landarbeiter­kammer und ich bedanke mich bei der FPÖ, von der wir die Zusage haben, dass wir diese Regelung auch im Herbst umsetzen werden. (Abg. Schieder: Bedanken Sie sich beim Kurz!)

Und was ist der Erfolg? – Der Dialog! Und, Herr Muchitsch – Sie haben Krokodilsträ­nen verdrückt –, aus diesem Dialog der Sozialpartner haben Sie sich voriges Jahr ver­abschiedet. (Zwischenruf des Abg. Muchitsch.) Sie haben sich aus diesem Dialog ver­abschiedet, und das wird schwerwiegende Folgen haben. (Abg. Muchitsch: Das wer­den wir sehen!) Sie haben es selbst angedeutet! (Abg. Muchitsch: Das werden wir sehen! – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Ich halte fest, dass das heutige Gesetz ein gutes Gesetz ist und vielen Wünschen aus den Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenkreisen in ganz Österreich entspricht. – Dan­ke schön und alles Gute. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wittmann: Das sind Unter­stellungen! – Abg. Nehammer: Legen Sie keine Pflastersteine hin! – Weitere Zwischen­rufe bei SPÖ und FPÖ.)

12.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stöger. – Bitte. (Abg. Mölzer: Kommt jetzt eine Entschuldigung für die Pflaster­steine oder was?)


12.58.03

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Der Red­ner stellt eine Tafel, auf dem die rot durchgestrichene Zahl 12 innerhalb eines roten Kreises abgebildet ist, auf das Rednerpult. – Ruf bei der FPÖ: Wie bei einer Geburts­tagsfeier für einen Zwölfjährigen!) Ich wende mich an die Wählerinnen und Wähler, insbesondere an jene, die das letzte Mal ÖVP und FPÖ gewählt haben. Warum mache


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ich das? (Abg. Gudenus: Zum Protestieren! – Ruf bei der FPÖ: Das weiß man nicht!) – Hier stehen die Regierungsparteien und sagen: Es ist eh nicht so tragisch, es passiert ja nichts, es ändert sich ja nichts. (Ruf bei der FPÖ: Zum Besseren!) Wenn sich nichts ändern würde, dann bräuchten Sie das Gesetz nicht. Es wird sich also etwas ändern. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wird sich ändern? (Abg. Kassegger: Sie sind nicht in der Regierung!) Es wird sich ändern, dass eine Grenze verschwindet, auf die sich die Menschen bis jetzt verlassen konnten, dass sie nämlich nach 8 Stunden sagen können: Es reicht, lieber Chef, das muss nicht sein! Diese Grenze verschwindet. Es wird auch diese Grenze von 40 Stun­den verschwinden, es werden 60 sein. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe FPÖ, ihr seid doch die, die in Europa immer Grenzen aufziehen wollen! (Abg. Steger: Sie sind doch die, die die Grenze nie geschützt haben!) Warum nehmt ihr den Arbeitnehmern die wichtige Grenze weg, die sie brauchen?

Und der Arbeitnehmer spürt die Grenze in der Früh, wenn er aufsteht: Ich muss in die Arbeit gehen, wenn er im Zug oder im Auto sitzt: Ich muss den Arbeitsplatz erreichen. Wenn er am Abend heimgehen will, braucht er wieder diese Grenze, und wenn er sich ins Bett legt, denkt er an den nächsten Tag. Euer Gesetz wird ihn den ganzen Tag be­rühren, weil ihr ihn grenzenlos dem Arbeitgeber ausliefert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Lugar.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den 100 000 Demons­trantinnen und Demonstranten, denn diese haben schon einen Erfolg erzielt. (Abg. Dei­mek: Nur die Sozialisten! – Abg. Belakowitsch: Die haben Sie alle fünfmal gezählt!) Wenn man euren ersten Antrag ansieht, dann war da überhaupt nichts drinnen, was für Arbeitnehmer nur irgendwie einen Vorteil hätte. Ihr habt sogar ein bisschen nachge­bessert. Das ist auch das, was die schon erreicht haben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Aus diesem Grund bringe ich noch zwei Entschließungsanträge ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsan­spruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitgut­haben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine – wie auch bereits im Plan A vorgesehene – Wahlarbeits­zeit, also ein Rechtsanspruch auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitgut­haben für ArbeitnehmerInnen geschaffen wird.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig bringe ich einen Entschließungsantrag ein, damit die Arbeitnehmer wieder zur Ruhe kommen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Er­reichbarkeit einer 6. Urlaubswoche“


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Re­gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine gerechte Erreichbarkeit des Rechtsan­spruches auf eine 6. Urlaubswoche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer un­abhängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb umgesetzt wird.“

*****

Abschließend noch einen Satz. Als wir die Leibeigenschaft überwunden haben und die Republik errichtet haben, hat es einen Sozialminister gegeben, der Ferdinand Hanusch geheißen hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Damals hat man den 8-Stunden-Tag eingeführt, damit die Menschen keine Sklaven mehr sind, und Sie wollen das ver­ändern. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Eine sehr schwa­che Rede!)

13.02

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Ver­brauches von Zeitguthaben

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 303/A

Mit der Beschlussfassung der Verlängerung der Arbeitszeit durch Schwarz/Blau wird der 12-Stunden-Tag zur Normalität und ArbeitgeberInnen dürfen einseitig die Verlänge­rung der Tagesarbeitszeit anordnen.

Menschen sind aber keine Maschinen und haben natürliche Leistungsgrenzen.

•         Lange Arbeitszeiten machen krank: Lange Arbeitszeiten führen zu einem höhe­ren Arbeitsunfallrisiko, zu einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauferkrankun­gen, einem Anstieg der Krankenstände und zu gesundheitlichen Problemen in Bezug auf die Aufnahme und den Abbau von gesundheitsschädigenden Arbeits­stoffen im Körper uvm. Das relative Unfallrisiko nimmt bei überlangen Arbeitszei­ten deutlich bis auf 28 % zu. Bei einer Analyse von Fernfahrerunfällen wurde ein 3,5-fach erhöhtes Risiko festgestellt, wenn Fahrer länger als acht Stunden fuhren. Bei körperlicher Schwerarbeit wurde in der Gruppe mit Überstunden 30 % mehr Unfälle als in der Gruppe ohne Überstunden registriert.

•         Schlafqualität verschlechtert sich: Überstundenarbeit wird vielfach mit Schwierig­keiten einzuschlafen bzw. durchzuschlafen und generell mit nicht-erholsamen Schlaf in Verbindung gebracht.

•         Herz-Kreislaufbeschwerden bzw.-erkrankungen nehmen zu: Mehrere Studien zeigen deutlich den Zusammenhang zwischen überlangen Arbeitszeiten und dem Risiko für Herz-Kreislaufbeschwerden bzw. -erkrankungen. Bei einer wöchentli­chen Arbeitszeit von 60 Stunden verdoppelte sich das Herzinfarktrisiko im Ver­gleich zu einer 40 Stunden-Woche laut einer Studie. Auch ein Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und langen Arbeitszeiten ist durch mehrere Studien be­legt.


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•         Burnout Risiko steigt: Die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsqualität und Burnout (BURN AUT) und das Anton-Proksch-Institut Wien (2016/2017) haben im Auftrag des Sozialministeriums eine repräsentative Studie zum Burnout-Syn­drom durchgeführt. Ergebnis u.a. war: Lange Arbeitszeiten sind ein Burnout för­dernder Faktor. Sowohl eine Wochenarbeitszeit über 40 Stunden als auch wech­selnde Arbeitszeitstrukturen können stark negative Auswirkungen auf die Betrof­fenen haben. Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 40 Stunden sollte nur zeitlich begrenzt möglich sein, da es bei andauernder Überschreitung dieser zu einem massiven Anstieg des Burnout-Risikos kommt. Hier sollte nach intensiver Arbeits­belastung auf ausreichende Regenerationsphasen geachtet werden.

•         Ermüdung steigt i.V.m Unfallgefahr: Ermüdungszuwachs während eines Zwölf-Stunden-Tages ist dreieinhalb Mal höher als an einem arbeitsfreien Tag. Die Ermüdung bei zwei aufeinanderfolgenden Zwölf-Stunden-Diensten nimmt weiter signifikant zu. Die Erholung am Tagesrand reicht nicht aus, um die Ermüdung auszugleichen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit je zwölf Stunden Ar­beitszeit müsste man drei Tage freinehmen, um sich vollständig zu erholen. Praktisch bei jedem Menschen – spätestens ab der zehnten Tagesarbeitsstunde erfolgt ein deutlicher Leistungsknick – inklusive erhöhter Unfallgefahr im Beruf oder im Straßenverkehr.

            Erwiesenermaßen geschehen die meisten Unfälle ab der 10. Arbeitsstunde. Nach 12 Stunden Arbeit wird auch der Heimweg zur Gefahr. Rund eine Million Pendler, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, sind länger als eine Stunde täglich unterwegs. Für sie gilt also nicht der 12-Stunden-Tag, sondern mindestens 14 Stun­den Belastung täglich.

All diese – mit zahlreichen Studien – belegten Fakten werden von der Bundesregierung einfach weggewischt und als Gräuelpropaganda abgetan.

Der Gesetzesvorschlag enthält keinerlei Ausgleichmaßnahmen für ArbeitnehmerInnen, um die zusätzlichen Belastungen durch diese Verlängerung der Arbeitszeit abbauen zu können. Erforderlich wäre zumindest ein Rechtsanspruch der ArbeitnehmerInnen für die Festlegung des Verbrauches des durch Überstunden aufgebauten Zeitguthabens, um einseitig festlegen zu können, wann man Zeitausgleich nehmen möchte.

Bereits derzeit haben wir rund 20 Prozent Pensionsantritte aus gesundheitlichen Grün­den und rund 20.000 RehabilitationsgeldbezieherInnen, also ArbeitnehmerInnen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind ihren Beruf auszuüben. Die Gründe für diese hohe Anzahl sind der hohe Arbeitsdruck, die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsstress. Mit der Arbeitszeitverlängerung und dem Recht des Arbeitgebers die Überstunden einfach anzuordnen wird dieser Druck noch mehr zunehmen. Was ge­schieht aber, wenn zu viele ArbeitnehmerInnen dem nicht gewachsen sind? Schwarz/Blau fordert die Anhebung des Pensionsantrittsalters!

Es braucht keine Anhebung des Pensionsantrittsalters, es braucht Ausgleichsmaßnah­men, Erholungsphasen – eine Wahlarbeitszeit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Regierungsvorla­ge zu übermitteln, mit der eine – wie auch bereits im Plan A vorgesehene – Wahlar-


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beitszeit, also ein Rechtsanspruch auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeit­guthaben für ArbeitnehmerInnen geschaffen wird.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend gerechte Erreichbarkeit einer 6. Urlaubswoche

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 303/A

Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz, das verhindern soll, dass Arbeitnehme­rInnen durch überlange Arbeitszeiten krank werden und sie sich für die Profitmaximie­rung ihres Arbeitgebers kaputt arbeiten müssen. Ein Schutzgesetz, das verhindern soll, dass ihr Privatleben leidet, dass sie ihre Kinder nur zum Schlafengehen sehen und mangelnde Planbarkeit und Vorhersehbarkeit eine selbstbestimmte Freizeitgestaltung verunmöglichen.

Schwarz/Blau vernichten nunmehr diesen Schutzzweck des Gesetzes indem sie die Verlängerung der höchstzulässigen Arbeitszeit von 10 auf 12 Stunden täglich und von 50 auf 60 Stunden in der Woche beschließen.

Dieser Gesetzesvorschlag beinhaltet keine einzige Verbesserung für ArbeitnehmerIn­nen. Es beinhaltet ausschließliche zusätzliche Rechte für ArbeitgeberInnen.

Es wird weder ein Rechtsanspruch auf einseitigen Verbrauch des Zeitguthabens nor­miert, noch wird eine gerechte Erreichbarkeit des Anspruchs auf eine 6. Urlaubswoche für alle ArbeitnehmerInnen eingeführt, unabhängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb, um einen Ausgleich für die zusätzliche Belastung herzustellen.

Die Regierung behauptet immer wieder, dass es den 12-Stunden-Tag in vielen Berei­chen und für verschiedene Berufsgruppen bereits gibt. Ja, das stimmt, allerdings gibt es dort auch Ausgleichsmaßnahmen. Der Zeitverbrauch wird im Voraus festgelegt, Ar­beits- oder Dienstpläne sind lange im Voraus bekannt und daher planbar, Zuschläge für diese Überstunden sind höher als vom Gesetz vorgesehen. In vielen Branchen gibt es aber auch eine zusätzliche Erholungsmöglichkeit, nämlich die 6. Urlaubswoche, un­abhängig von der Zugehörigkeitsdauer zu einem Betrieb. Beamtinnen und Beamte bei­spielsweise erwerben den Anspruch auf die 6. Urlaubswoche mit der Vollendung des 42. Lebensjahres. Gerechtfertigter Weise, denn mit zunehmendem Lebensalter, er­schwert sich auch das Berufsleben und zusätzliche Erholungsphasen sind erforderlich.

Davon können die meisten ArbeitnehmerInnen nur träumen, denn die Veränderung der Arbeitswelt macht es heute fast unmöglich den Anspruch auf eine 6. Urlaubswoche nach 25-jähriger Zugehörigkeit zu einem Betrieb zu erwerben. Auf Grund der veränder­ten Arbeitswelt, erhöhter Gefahr von Arbeitslosigkeit aber auch der hohen Flexibilität der ArbeitnehmerInnen erreichen nur mehr wenige die erforderliche durchgehende Be­schäftigungsdauer von 25 Jahren in einem Betrieb.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. November 2018 eine Re-


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gierungsvorlage zu übermitteln, mit der eine gerechte Erreichbarkeit des Rechtsan­spruchs auf eine 6. Urlaubswoche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unab­hängig von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb umgesetzt wird.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Die beiden Anträge sind ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte schön, Herr Abge­ordneter.


13.02.49

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder auf der Regie­rungsbank! Werte Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseher! (Abg. Gudenus: Das Ta­ferl! – Abg. Kassegger: Geh, tu das Taferl weg, bitte! – Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „40 Stunden in der Woche“ auf das Rednerpult, womit er die Tafel des Vorredners überdeckt.) Ich habe vollstes Verständnis für die Emotionen und die Auf­regung hier. Ich habe vollstes Verständnis für die Opposition, für die Gewerkschaft, für die Arbeiterkammer. Wenn man sich aber das letzte halbe Jahr so anschaut und wenn man es ein bisschen mit einer Fußball-WM oder mit einem Fußballspiel vergleicht, hat die Regierungsmannschaft Blau und Schwarz 90 Prozent Ballbesitz. Wir führen 3:0, und vor drei Wochen haben wir diesen Antrag zur Arbeitszeitflexibilisierung einge­bracht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und Sie von der Opposition haben gedacht, dass das jetzt ein aufgelegter Elfmeter ist.

Jetzt möchte ich Folgendes, wie bei der Fußball-WM, machen: Wir machen das be­rühmte Zeichen, rufen den Videoassistenten, die Videoentscheidung und versuchen einmal, diese Arbeitszeitflexibilisierung gemeinsam zu analysieren und zu schauen, ob das ein Elfmeter ist oder ob es eine klassische Schwalbe war, die mit einer Gelben oder Roten Karte zu ahnden ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Also bitte, machen wir das gerne gemeinsam! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Erster Vorwurf Ihrerseits: Es wurde nicht mit der Sozialpartnerschaft gemeinsam aus­verhandelt. – Das ist so gewesen, zumindest nicht in der Endphase. Ich darf Sie aber schon daran erinnern, dass das kein Regelverstoß ist. Ob Sie es glauben oder nicht, Gesetze werden nicht zwischen Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer oder Gewerk­schaft gemacht, Gesetze werden hier im Haus gemacht. Das sollten Sie nicht verges­sen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Also kein Elfmeter. (Abg. Haider: Ich weiß schon, wie das für die SPÖ ausgeht!)

Zweiter Vorwurf: Es kommen die 60-Stunden-Woche und der 12-Stunden-Tag. – Das ist natürlich für jeden, der sich das Gesetz anschaut, einfach eine klassische Falsch­meldung, auch wenn Sie es noch so oft wiederholen. – Kein Elfmeter.

Dritter Vorwurf: Die Freiwilligkeit besteht quasi nur – sagen Sie immer – am Papier und nicht in der Realität. – Jetzt darf ich schon noch einmal eines feststellen: Wenn wir hier im Parlament Gesetze machen – und das gilt für alle Ebenen der Gesellschaft –, dann gehe ich schon davon aus, dass diese Gesetze, die wir hier beschließen und die fest­geschrieben sind – und dasselbe passiert jetzt mit der Arbeitszeitflexibilisierung –, selbst­verständlich eingehalten werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wäre es anders, könnten wir jetzt bald einmal nicht nur die Sommerpause beginnen, sondern das Parlament schließen, denn dann bräuchten wir keine Gesetze mehr zu beschließen, wenn das stimmt, dass sie das Papier nicht wert sind. In Österreich wer­den Gesetze zu 100 Prozent eingehalten, und sollten sie nicht eingehalten werden, gibt es auch Konsequenzen. Das müssen auch Sie von der Gewerkschaft, von der Arbei-


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terkammer zugeben. Diese Freiwilligkeit ist jetzt in unserem Vorschlag erstmalig auch so im Gesetz definiert, dass sie vor Gericht halten wird. Das ist sehr wohl ein Erfolg, den ich uns auch zuschreibe. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch ganz klar: Eine 60-Stunden-Woche geht schon vom Gesetz her nicht. Das wissen Sie selbst auch. Es gibt die berühmte EU-Richtlinie, die seit vielen Jahren gilt, das heißt, dass da eine 48-Stunden-Grenze innerhalb von 17 Wochen ist. – Auch hier: kein Regelverstoß und kein Elfmeter.

Auch der Vorwurf, der davor vom Kollegen Muchitsch gekommen ist, dass die Kollek­tivverträge und Betriebsvereinbarungen keine Gültigkeit mehr haben, stimmt natürlich ausdrücklich nicht. (Abg. Muchitsch: Das stimmt ja nicht!) Sie haben es ja danach sel­ber zugegeben: Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen stehen über diesen ge­setzlichen Regelungen, und es gibt nur ein Besserungsgebot. Das heißt, ich kann nur etwas vereinbaren, was für Arbeitnehmer, Arbeiter, Angestellte besser ist. Ich kann kei­ne Verschlechterung machen, und das sollte man den Leuten auch sagen. – Kein Elf­meter. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Vorwurf, die Überstundenzuschläge fallen weg: Herr Kollege Muchitsch, wir haben das auch einmal diskutiert, es gibt keine nicht ausbezahlten Überstunden, die gibt es nur in Schätzungen. (Abg. Keck: 45 Millionen unbezahlte Überstunden!) Jeder Unter­nehmer weiß, wenn er Überstunden von seinen Mitarbeitern abverlangt, dass er die selbstverständlich in Österreich auch zu bezahlen hat. Wenn man sie nicht bezahlt, verliert man vor jedem Arbeitsgericht. (Abg. Keck: 45 Millionen Überstunden werden nicht ausbezahlt!) In diesem neuen Gesetz sind selbstverständlich alle Überstundenzu­schläge auch weiterhin garantiert, nicht ein Euro geht für die Mitarbeiter verloren. – Kein Elfmeter. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Katzian.)

Der letzte Punkt, der auch immer angeführt wird, ist, dass die Angestellten und die Ar­beiter eine Arbeitszeitflexibilisierung nicht haben wollen. – Auch da wissen Sie, dass es sehr fundierte Studien gibt, dass 73 Prozent der Mitarbeiter sehr wohl flexiblere, von ihnen selbst bestimmte Arbeitszeiten haben wollen. – Auch hier ganz klar eine Falsch­meldung, und das ist eben kein Elfmeter. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zusammenfassend: ganz klar keine Elfmeterentscheidung, kein aufgelegter Elfmeter, eine klassische Schwalbe. Wenn man sich die Fakten anschaut, ist eines ganz klar: Die Regierung hat weiterhin 90 Prozent Ballbesitz, wir führen 3:0. Und glauben Sie mir: Wir werden alles daransetzen, möglichst bald das 4:0 zu erzielen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek  auf die von Abg. Stöger zu­rückgelassene Tafel zeigend –: Das kannst du wegschmeißen!)

13.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete Knes. – Bitte.


13.09.02

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Immerhin 3,7 Millionen ArbeitnehmerInnen müssen heute erleben, was im Eilzugstem­po hier beschlossen werden soll. Wenn man dir so zuhört, Kollege Wurm: Viel Ahnung hast du wirklich nicht, du sagst beinhart: Es wird alles peinlich ausbezahlt, kein Arbeit­nehmer verliert sein Geld. Vergisst du da nicht irgendetwas? – 345 Millionen Überstun­den werden von Frau und Herr Österreicher pro Jahr geleistet, und 45 Millionen müs­sen wir erstreiten, weil sie nicht bezahlt werden! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und du redest da von Bezahlung! Das ist der Istzustand! (Beifall bei der SPÖ.)


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Man legt hier mit der Hochnäsigkeit der ÖVP und der blinden Wut der FPÖ ein Gesetz vor (Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!), mit dem man die Meinung von über 120 Expertinnen und Experten vom Tisch wischt. Man zeigt dann noch über 100 000 Demonstranten den Finger: Was wollt ihr denn eigentlich? (Abg. Deimek: Zu der die Gewerkschaft auf­ruft!) Man hat dann noch eine Sozialministerin auf der Regierungsbank, die beim Ge­werkschaftskongress öffentlich gesagt hat, dass der Jugendvertrauensrat ebenfalls ab­geschafft wird. Das heißt, die Jugend hat in Zukunft keine Arbeitnehmervertreter mehr. (Abg. Deimek: Das stimmt ja nicht!)

Sie hat dort vor über 5 000 Delegierten – und jetzt hört zu, hört zu!, das sind ihre Wor­te – gesagt: Wir wären dafür, das Wahlalter für die jugendlichen Arbeitnehmer auf 14 Jahre herunterzusetzen. (Ruf bei der FPÖ: Bravo!) Ja haben wir jetzt Kinderarbeit, oder was? – Das sind ihre Worte, nicht meine. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

So, und dann kommt die Wirtschaftsministerin, und auch die Wirtschaftsministerin sagt, sie gibt klare Anweisungen an unsere Arbeitgeber in Österreich heraus: Bitte, nutzt die­ses Gesetz nicht aus! – Ja was ist denn das? Spürts ihr euch überhaupt noch? Eines ist aber klar, eines ist ganz klar: Die 3,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, die werden es euch noch zeigen. (Ruf bei der ÖVP: Wo sind die denn?) Ihr wer­det euch blau wundern, und ihr werdet euch schwarz ärgern. (Abg. Deimek: Was heißt das jetzt? – Abg. Nehammer: Immer nur drohen!)

Eines dürft ihr nicht vergessen, eines dürft ihr nie vergessen: Die Sozialministerin weiß nicht einmal, wie viele ehrenamtliche Funktionäre wirklich in der Gewerkschaft sind. Ich sage es Ihnen: Es sind einige Tausend, und von diesen einigen Tausend kann man ru­hig sagen, dass die Hälfte FSGler sind und über 4 000 von der FCG. Die sind aus Ihrer Partei, und über die fahren Sie auch drüber!

Die Freiheitlichen erwähne ich da schon gar nicht mehr, ihr kommt ja faktisch gar nicht vor mit euren 153 Wuzzilein und stellt euch als Arbeitnehmerpartei dar! Ja, um Gottes willen, was ist denn das? Eine sozial erfundene Heimatpartei, die alle Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer völlig verrät und vollkommen im Stich lässt. Das ist Ihre (in Richtung ÖVP) Klientelpolitik, und für diese werden Sie büßen. Dafür werden wir sor­gen! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Nehammer: Immer nur drohen! Sogar mit dem Sturz der Regierung haben Sie gedroht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn Sie glauben, Sie werden jetzt da hinausgehen und mit Ihrer Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung feiern, dann werden Sie sich irren, denn wir werden Sie in die Schranken weisen und Ihnen zeigen, was Freiwilligkeit heißt.

Frau Ministerin! Ich warte nur auf ein Gesetz dieser Brüderschaften. Gibt es dann zu­künftig vielleicht auch ein Gesetz, dass ich als Arbeitnehmer freiwillig meine Steuern zahlen darf? Wird es das als Nächstes geben? – Ich glaube nicht.

Ziehts euch warm an! Herr Zanger, du schaust mich gerade so richtig klass an. Ihr glaubt, ihr habt jetzt gewonnen. Ihr glaubt es. Ich sage: Wir beginnen jetzt erst, und wir werden euch in die Schranken weisen, mit aller Kraft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ne­hammer: Frechheit! – Abg. Haubner: Da war kein Argument dabei! – Abg. Winzig: Das ist nur laut! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

13.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.


13.13.09

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Ga­lerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! (Der Redner stellt eine türkis-blau ge-


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rahmte Tafel mit der Aufschrift „Freiwilligkeit garantiert“ auf das Rednerpult.) Herr Kol­lege Knes, erwarten Sie sich nicht, dass ich auf diese Ihre Rede antworte! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Knes.)

Wir haben heute verschiedene Argumente gehört. Wir haben den Gesetzestext gehört, gehört, was im Gesetz drinsteht. Es ist alles schon klar dargelegt worden. Jetzt werde ich euch einmal sagen, wie es in der Praxis funktioniert und warum das wichtig war. Das sage ich euch wirklich einmal, denn bei gewissen Redebeiträgen habe ich mich heute gefragt, wann die das letzte Mal einen Betrieb überhaupt gesehen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Über 80 Prozent der Betriebe haben weniger als zehn Mitarbeiter, und circa 20 Prozent der Betriebe sind Großbetriebe. Für diese großen Betriebe brauchen wir diese Ände­rung des Arbeitszeitgesetzes nicht, denn dafür gibt es ja die Betriebsvereinbarungen und sogar eigene Kollektivverträge, in denen das ganz klar geregelt ist, und in diesen Betrieben, für die das schon jetzt ganz klar mit der Gewerkschaft geregelt ist, steht in den Vereinbarungen drinnen, dass es rechtens ist, dass man 60 Stunden pro Woche arbeiten kann, dass man 12 Stunden pro Tag arbeiten kann. Im Kärntner Gesetz für die Landesbediensteten steht drinnen, dass sie sogar 13 Stunden am Tag arbeiten können. Da steht nichts drinnen von einer Freiwilligkeit, sondern da steht sogar wort­wörtlich ganz klar drinnen, dass eben auf Anordnung des Chefs bis zu 13 Stunden zu arbeiten ist.

Und jetzt sage ich Ihnen, wie es in den kleinen Betrieben läuft und wie das funktioniert, denn ihr macht jetzt hier wirklich einen Klassenkampf. Wir lassen uns auf diesen Klas­senkampf nicht ein, und wenn die Leute daheim zuhören, dann werden sie sich fragen, was da los ist. Die kleinen Betriebe, und das sind circa 80 Prozent, haben weniger als zehn Mitarbeiter. Da isst der Unternehmer oder die Unternehmerin mit denen am Tisch. Da reden sie sich den Arbeitsplan für die nächste und übernächste Woche aus. Da reden sie sich noch zusammen und schauen: Welche Frau, welcher Mann von ihnen hat Kinder? Wann muss jemand zum Arzt gehen? Da springt dann der eine für den anderen ein. Da wird soziales Leben gelebt! Da wird Rücksicht aufeinander ge­nommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In diesen kleinen Betrieben wird das heute schon unter den Mitarbeitern ausgehandelt, obwohl es eigentlich nicht erlaubt ist. Auch in der Gastronomie, wo der Saisonarbeiter sagt: Weißt du was, ich bin eh da, ich will ein bisschen Geld verdienen, ich arbeite lieber ein bisschen länger, und du, liebe Kollegin, bist eine Einheimische, hast eine Familie daheim, bleib du Samstag, Sonntag daheim! Wisst ihr, was der Chef dazu sa­gen muss: Ihr könnt das gerne machen, aber ich darf das nicht wissen, sonst zahle ich Strafe!? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Genau für diese Betriebe hat diese Koalition das gemacht, was im Plan A von Herrn Klubobmann Kurz drinsteht, der eh schon wieder nicht da ist. (Heiterkeit und Wider­spruch bei der SPÖ.) Nicht Kurz, Klubobmann Kern, der eh schon wieder nicht da ist. Für diese Betriebe wurde das gemacht, damit man endlich einmal die Praxis auch im Gesetz stehen hat.

Glaubt ihr wirklich, dass ein Mitarbeiter 12 Stunden arbeiten muss, wenn er es nicht kann? Der Chef oder die Chefin weiß genau, welche Leistungsfähigkeit seine/ihre Leu­te haben. In den großen Betrieben ist es heute schon geregelt, in den kleinen wird es jetzt möglich, dass sie es offiziell tun dürfen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Daraus macht ihr jetzt auf Kosten der Mitarbeiter ein politisches Hickhack. Herr Kollege Knes! (Zwischenruf des Abg. Knes.) Als ich deine Worte jetzt gehört habe, habe ich verstanden, warum bei uns zu Hause diese Zettel (in die Höhe haltend) herumfliegen und verteilt werden. (Abg. Nehammer: Das ist ein Skandal!) Jetzt verstehe ich es! Ne-


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ben das Grablicht legt man den Stein, und neben den Stein tut man solche Partezettel mit den Kärntner Abgeordneten hin, wie das auf deiner Facebook-Seite draufsteht.

Und wisst ihr, was da behauptet wird? Ich muss mich zusammenreißen in meiner Emo­tion. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Nämlich: Keine Überstundenzuschläge bei Gleitzeit mehr! – Eine klare Lüge! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Weiter: Zeit für Familie, Freunde und Hobbys – nur mit Zustimmung des Arbeitgebers. Maximaler Gewinn nur für Arbeitgeber. Wir haben uns auf eine neue Ausbeutungsregelung geeinigt. (Abg. Nehammer: Das ist ein Skandal! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Gegenruf des Abg. Knes.)

Jetzt muss ich euch ganz ehrlich sagen: Das sind eure Zettel, die da unterwegs sind! (Abg. Nehammer: Das ist ein Skandal!) Das sagt ihr zu dieser Koalition. Da frage ich euch: Wer stellt denn da den sozialen Frieden wirklich in Frage? – Kehrt zurück zur Vernunft und macht das, was in eurem Programm schon drinnen ist, und stimmt heute zu! Aber da kommt ihr wahrscheinlich eh nicht drüber. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Obernosterer! Ich bitte, den Ausdruck „Lüge“ zurückzunehmen. (Abg. Obernosterer: Ich nehme ihn mit Bedauern zurück, aber es war die Unwahrheit!)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner. – Bitte.


13.19.49

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Mit dieser Mär der FPÖ- und der ÖVP-Frak­tion muss jetzt einmal aufgeräumt werden, bevor ich zu meiner Rede komme: Niemand von der SPÖ-Fraktion war heute in der Nacht tätig und hat Steine verstreut oder Blätter verteilt. Auch wir schlafen in der Nacht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn ich an 12 Stunden denke, dann fällt mir automatisch einer meiner Lieblingsfilme ein: „Zwölf Uhr mittags“, im Originaltitel „High Noon“, der Western, den viele von Ihnen kennen werden. Er gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Er schildert den Kampf des gerechten Sheriffs Will Kane gegen eine Gangsterbande, die die Bürgerinnen und Bürger von außen bedroht, also eine klassische Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse. Und auch heute, meine Damen und Herren, kämpfen wir als SPÖ im Namen der Gerechtigkeit für die Menschen und ihre Familien in diesem Land. Heute ist High Noon für rund 3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur im Gegensatz zum gleichnamigen Film kommt die Bedrohung nicht von außen, sie kommt von diesem Parlament, sie kommt von den Regierungsfraktionen ÖVP und FPÖ, sie kommt von schwarzen und blauen Abgeordneten, die gegen die Arbeitneh­merrechte in diesem Land reiten, oder sagen wir doch lieber kämpfen statt reiten, denn die vier Pferde, die Innenminister Kickl bis jetzt aufgetrieben hat, die reichen ja gerade einmal für die Losertruppe der Daltons. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Apropos Verlierer: Wenn Schwarz-Blau angesichts der geplanten Einführung des
12-Stunden-Tages beziehungsweise der 60-Stunden-Woche von einer Win-win-Situa­tion für alle Beteiligten spricht, dann frage ich mich schon, ob Sie entweder nicht Eng­lisch können oder zwei Firmen vergleichen, die beide eine Gewinnsituation haben, denn die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer in diesem Land sind die Verlierer bei dieser Arbeitszeitflexibilisierung, die Familien sind die Verlierer und vor allem die Kinder in diesem Land, denn bei der Kinderbetreuung zu sparen und gleichzeitig die Arbeitszeit zu erhöhen, dazu gehört schon viel politisches Unvermögen, sehr geehrte


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Damen und Herren! (Abg. Deimek: Haben Sie überhaupt schon einmal in einem priva­ten Unternehmen gearbeitet?)

Auch die Vereine sind die Verlierer in diesem Land, das Ehrenamt, die Feuerwehr, das Rote Kreuz, der Samariterbund, die Kultur- und die Musikvereine, die Sportvereine, die Nachwuchsarbeit. Wie soll jemand 12 Stunden arbeiten, dazu eine halbe Stunde unbe­zahlte Pause haben, eine Wegzeit haben? Das sind 14 Stunden, Herr Kollege! (Abg. Deimek: Haben Sie überhaupt schon einmal gearbeitet in einem privaten Unterneh­men?) – Hören Sie einfach zu, und schreien Sie nicht immer rein! Das ist vielleicht bes­ser. (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind 14 Stunden! Die Mama oder der Papa geht um 6 Uhr aus dem Haus und kommt um 20 Uhr zurück. Man sieht seine Kinder nur mehr schlafend. – Das ist die Fa­milienpolitik der ÖVP, das ist die Familienpolitik der FPÖ, und das ist das, was Sie am Ehrenamt schätzen, nämlich rein gar nichts. (Abg. Deimek: Sagt die Arbeiterkammer Villach!)

Das sagt nicht die Arbeiterkammer Villach, aber die Arbeiterkammer Kärnten zum Bei­spiel hat im Vorjahr, um sachlich zu bleiben, 3,7 Millionen Euro für die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer einfordern und einklagen müssen. Das waren Überstunden, die von Unternehmern nicht bezahlt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Abgeordneter Wurm spricht die ganze Zeit von einem Fußballspiel und davon, wer das wohl gewinnen wird, die Regierung oder die Opposition. Geschätzte Damen und Her­ren! Wir bekommen hier nicht bezahlt fürs Fußballspielen, wir bekommen für politische Arbeit bezahlt. Es geht nicht um Gewinner und Verlierer! Wir sollten für die Menschen da sein, und wir müssen die Menschen vertreten und Gesetze für die Menschen ma­chen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Dass die ÖVP die Interessen der Arbeitnehmer nie vertreten hat und nie vertreten wird, das ist Allgemeinwissen, das wissen alle hier. Dass aber die FPÖ, die sich in der Ver­gangenheit immer wieder den Schafspelz des Kämpfers für den sogenannten kleinen Mann übergeworfen hat, bei der Einführung eines solchen Ausbeutungsparagraphen als Steigbügelhalter mitspielt, das ist schon eine ganz besondere Frechheit, die sie sich da umhängt. Ich denke, das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der FPÖ-Par­lamentsklub von einem Halbadeligen mit geführt wird, dessen einzige Tätigkeit, die er jemals 12 Stunden am Tag durchgehend gemacht hat, das Liedersingen in den Bur­schenschaftsbuden war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Betreiben wir jetzt Ah­nenforschung oder was? Wie steht es da mit Ihren Vorfahren? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ihre Aufregung verstehe ich.

Wir stehen vor der Sommerpause, wir haben viele Mamas, viele Papas, viele Eltern in unserem Land, die nicht wissen, wie sie die Kinderbetreuung in diesem Sommer finan­zieren sollen, und Sie sparen daran. Sie erkennen die Not in diesem Land nicht!

Wie auch immer, ich habe meine Rede mit einem Filmklassiker begonnen, und ich wer­de sie auch so schließen: „Wem die Stunde schlägt“ – und wem heute die Stunde schlägt, das sind leider die Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Frau Unsozialminister!)

13.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lugar. – Bitte.


13.24.53

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Ich würde mich gerne dem Kern der Sache widmen, und zwar Herrn Kern, der jetzt abwesend ist, der ja mittlerweile laut Statistik der Abgeordnete ist, der am wenigsten da ist. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das wissen wir jetzt, seit diese Statistik auch offiziell ist.


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Ich möchte ein paar Monate zurückschauen. Ich kann mich erinnern, wir haben hier im Hohen Haus über das Problem Glyphosat diskutiert. Das ist ein Gift, das die Menschen schädigt, das die Umwelt schädigt, und Herr Kern hat sich damals herausgestellt und die Regierung beschuldigt, zu wenig zu tun, um dieses Menschengift zurückzudrängen. Gleichzeitig war Herr Kern der größte Verursacher der Ausbringung dieses Giftes bei den ÖBB. Unter seiner Ägide wurden 10 Tonnen dieses Giftes ausgebracht, das wuss­te er, und trotzdem hat er die Regierung angeklagt, dass sie zu wenig tut.

Erst sein Nachfolger hat damit aufgehört – und das ist diese Unehrlichkeit, von der ich spreche. Und auch heute wieder: Herr Kern stellt sich hierher und bekrittelt eine ver­nünftige Maßnahme, die auch im Plan A steht und die er auch selbst bei den ÖBB nicht nur toleriert, sondern auch noch gefördert hat. Bei den ÖBB war und ist der 12-Stun­den-Tag alltäglich. Er stellt sich hierher und behauptet, dass das schlecht für die Mitar­beiter ist. Und das ist diese Unehrlichkeit, von der ich spreche.

Das haben wir jetzt von der SPÖ mehrfach gehört, und es geht ja überhaupt nicht um die Mitarbeiter. Es heißt immer: Ah, die Mitarbeiter, und wie können wir den Mitarbei­tern zumuten, dass sie freiwillig 12 Stunden arbeiten! – Bei den ÖBB geht das. Unfrei­willig! Wir wollen es ja freiwillig ermöglichen. Bei den ÖBB kann man auch unfreiwillig 12 Stunden arbeiten, dort ist es kein Problem. Da stellt sich die Frage: Wo ist der Un­terschied? – Der Unterschied ist ganz einfach: Wenn die Gewerkschaft das verhandelt, sind 12 Stunden super, wie bei den ÖBB. Wenn es jeder für sich selbst entscheidet, ganz persönlich, nach seinen eigenen Bedürfnissen, dann ist es plötzlich schlecht. Und warum? – Es geht nicht um die Gesundheit der Mitarbeiter, nein, es geht um die Ge­sundheit der Gewerkschaft. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genau darum geht es! Es geht darum, dass die Gewerkschaft einen Machtverlust fürchtet, wenn das geschieht, was wir wollen, nämlich ein Miteinander zwischen Arbeit­geber und Arbeitnehmer. Ein Miteinander! Fällt Ihnen etwas auf, liebe Gewerkschaft? Wenn es ein Miteinander gibt, dann brauchen wir keine Gewerkschaft mehr dazwi­schen als Spaltpilz, dann brauchen wir nicht mehr jene, die das Ganze auseinanderdi­vidieren, denn wir wollen ein Miteinander und nicht Klassenkampf. Wir wollen Selbstbe­stimmung und nicht Fremdbestimmung, was Sie wollen.

Genau das ist das Problem, vor dem wir stehen: Wir haben das Problem, dass sich die Gewerkschaft eine Partei hält und dieser Partei mit Herrn Kern nichts zu blöd ist, um die Macht der Gewerkschaft abzusichern. Wir können nichts dafür, dass der Gewerk­schaft die Mitglieder davonlaufen, das liegt einzig daran, dass sich die Gewerkschaft letztlich überlebt hat mit dieser Blockierpolitik, mit diesem Mauern und mit dem Ableh­nen all dessen, was nicht von der Gewerkschaft kommt. (Abg. Deimek: Sozialistische Ideologiepolitik!)

Genau das ist es! Und die sozialistische Ideologie hat sich überlebt. Man sagt ja: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. – Genau das ist das Problem der Gewerk­schaft. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Allertraurigste ist, dass sich die SPÖ von der Gewerkschaft einspannen lässt, dass es da draußen Menschen gibt, die das auch noch glauben, dass man in ihrem Interesse kämpft. In Wahrheit kämpft man nur für die eigenen Pfründe. Wenn dann Menschen auch noch zu Steinen greifen, zu Pflastersteinen, entsteht durch ihre Rede und durch ihre Art, die Leute aufzuhetzen, möglicherweise ein Widerstand gegen ein vernünftiges Gesetz, das im Interesse aller ist und uns alle näher zusammenbringt. Das will die Gewerkschaft nicht; die Gewerkschaft will uns auseinanderdividieren, und das ist das Problem.

Zum Schluss noch ein Satz: Ich bin sehr, sehr froh, dass Bruno Kreisky einen Christian Kern nicht mehr erleben musste. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

13.29



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Winzig. – Bitte.


13.29.30

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn nur circa 5 Prozent der ÖGB-Mitglieder trotz gratis An- und Abreise letzten Samstag bei der Demo dabei waren, nehme ich die Ängste unserer Bürgerinnen und Bürger sehr ernst.

Aber es obliegt offensichtlich immer uns als Regierungsparteien, die Mythen, die durch die allgemeine Verunsicherungspartei SPÖ geschürt werden, zu entkräften. Die Fakten haben meine Kollegen bereits hervorragend ausgeführt, aber offensichtlich ist an manchen die reale Arbeitswelt vorbeigezogen, nämlich das Miteinander von Arbeitneh­merInnen und Arbeitgebern (Abg. Deimek: ... immer nur im ÖGB sitzen! Die sollten einmal arbeiten!), das erfolgreich ist und das unser Land auch auszeichnet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir wissen, die Großbetriebe haben Möglichkeiten, durch Betriebsräte länger, flexibler zu arbeiten. Interessant war ja in diesem Zusammenhang die Betriebsversammlung bei den ÖBB am Montag, die die Westbahn wieder einmal ungemein aufgewertet hat. Wir wissen, die ÖBB haben einen 12-Stunden-Tag, aber permanent! Daher wundert mich jetzt die Haltung von Herrn Kern: Dort ist er dafür, und dann, wenn es nicht permanent, sondern freiwillig ist, ist er dagegen! Wir kennen ja diesen Zickzackkurs bereits vom Abkommen mit Kanada, da war es ähnlich, und er ist genauso in einer Sackgasse ge­landet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Ich glaube, Herr Kern hätte genügend Möglichkeiten gehabt, diesen 12-Stunden-Tag bei den ÖBB abzuschaffen.

Ja, die Klein- und Mittelbetriebe – ich habe es schon erwähnt – haben diese Möglich­keiten flexibler Arbeitszeiten nicht. Sie sind in einem starren Arbeitszeitkorsett gefan­gen. Ich habe eher den Eindruck, dass dies die Strafe für die Klein- und Mittelbetriebe ist, weil wir eben keinen Betriebsrat haben, dass die SPÖ uns die flexiblen Arbeitszei­ten nicht zugestehen will. Aber ein Betrieb ist weder schlecht noch gut allein deshalb, weil er einen Betriebsrat hat oder nicht. Ich war selbst Laienrichterin am Arbeitsgericht, und auch die ÖBB sind da sehr oft mit Arbeitszeitverletzungen bei mir vorgekommen.

Die betriebliche Realität des 21. Jahrhunderts ist anders. Wir sind kein Kollektiv mehr. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen individuell ihre Freizeit, ihre Arbeitswelt und ihre Familienwelt gestalten. Es ist auch für uns als Unternehmerinnen und Unterneh­mer die größte Herausforderung, da den richtigen Rahmen zu bieten, damit sie so lan­ge wie möglich bei uns bleiben, weil es schwer genug ist, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.

Meine Berufserfahrung in der Vergangenheit, ob im Konzern oder auch bei mir im Be­trieb, hat mir gezeigt: Wenn ein Mitarbeiter keine Überstunden machen will, kann man ihn nicht dazu zwingen. Das ist unabhängig von der Qualifikation. Die Macht des Mitar­beiters ist nämlich seine eigene Produktivität, die er dann einsetzen kann.

Darüber hinaus müssen wir bei jedem Auftrag durchrechnen: Können wir uns Über­stunden leisten? Macht es Sinn? Oder ist es günstiger, wenn wir schauen, dass wir neue Mitarbeiter zusätzlich einstellen? – Überstunden rechnen sich im Klein- und Mit­telbereich eben nur in Sondersituationen.

Ja, ich verstehe schon, dass Herr Kern der verlängerte Arm des ÖGB und der Arbei­terkammer ist. Er hat das Schicksal von Herrn Schieder ohne Rückenwind dieser beiden Organisationen bei der Wiener Wahl erlebt. Er weiß aber sicherlich auch genau, dass die Arbeitszeitflexibilisierung eine Win-win-Situation ist, für die Klein- und Mit­telbetriebe sowie auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denn wir halten zusammen und ziehen gemeinsam an einem Strang. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich dachte ja schon, der Tiefpunkt war gestern mit dem Outfit von Herrn Dr. Wittmann erreicht, aber es ging heute noch tiefer: die Drohungen mit Grabkerzen, mit Granit­steinen. Übrigens, Herr Muchitsch: Steine haben in der Vergangenheit schon eine gro­ße Symbolik. Wenn Sie das mit irgendeinem Bergwerk von irgendeinem Kollegen recht­fertigen (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann frage ich mich: Woher kommen diese glei­chen Aufkleber, die Sie haben, wenn Sie mit dieser Aktion nichts zu tun haben? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wissen Sie, woher ich solche Aktionen kenne? (Abg. Schieder: Sie haben ein Herz aus Stein!) – Bei uns im Bezirk wurden osteuropäische Wettbüros geschlossen. Was haben diese Osteuropäer dann gemacht? – Sie sind vor den Häusern, vor den Woh­nungen der Mitarbeiter unserer Bezirkshauptmannschaft gestanden und haben dort ge­droht. Genau daran hat mich heute Ihre Aktion erinnert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie sind wirklich auf dem tiefsten Niveau, das man jetzt erreichen kann! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gude­nus. – Bitte.


13.34.57

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minis­terinnen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir jetzt die Reden – teils langatmig – lange angehört. Die Argumente, die von beiden Seiten kommen, sind ja relativ klar. Das wird in der Sache nichts ändern, denn beschlossen wird das Gesetz heute, und am 1. September wird es in Kraft treten.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mir die Reden der letzten Ver­treter der SPÖ genauer angehört. Was wir gehört haben, ist ein Paradebeispiel dafür, warum diese Partei letzten Oktober abgewählt wurde: völlig weltfremd! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Völlig weltfremd, und schauen Sie: Sie reagieren nicht einmal darauf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Völlig weltfremd, überhaupt nicht den Takt der Zeit er­kannt.

Ich frage mich schon eines, Herr Katzian, Herr Präsident des ÖGB: Bei dieser Dis­kussion habe ich noch nie Ihr Wort im Parlament gehört. Ich habe Sie noch nie hier vorne reden gehört. Man hört Sie als Wortführer und Brandredner bei allen möglichen Versammlungen, kleineren oder größeren. Aber wo bleiben Sie als Volksvertreter, wa­rum stehen Sie nicht hier am Rednerpult, wenn es darum geht, ein Gesetz zu disku­tieren und zu beschließen? Wo sind Sie da, Herr Katzian? – Es wäre vonnöten, dass Sie hier herauskommen und einmal selbst das Wort ergreifen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da hilft es nicht, dass man innerhalb der Bannmeile des Parlaments, so wie heute Früh, so eine Minidemo veranstaltet, bei der Herr Kern als Vertreter und Klubchef der SPÖ vorhanden und anwesend war und die Polizei einschreiten musste, damit diese zwei Handvoll Demonstranten die Bannmeile verlassen. Das sind Ihre Stilmittel! Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass hier im Hohen Haus das Pro und Kontra diskutiert wird. Dafür sind wir gewählt, dafür sind wir da. Kommen Sie bitte heraus, Herr Katzian und Herr Kern, diskutieren Sie mit uns hier heraußen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben ja auch gestern zu einem anderen Thema diskutiert, und ich muss sagen, Sie sind nicht mehr die Arbeitnehmervertreter, die Sie glauben zu sein! Vertreten ha­ben Sie die Arbeitnehmer vielleicht vor einigen Jahrzehnten, aber der Zug ist weiterge­fahren. Die Zeit hat sich geändert. Sie haben die Zeichen der Zeit überhaupt nicht er­kannt.


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Die Arbeitnehmer haben das Bedürfnis nach Flexibilität, und genau diesem Bedürfnis nach Flexibilität tragen wir Rechnung. Das tun wir, das setzen wir um. Die Gegeben­heiten haben sich eben geändert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie ver­treten nicht die Interessen der Arbeitnehmer, Sie vertreten, wie auch schon Kollege Lu­gar ganz richtig gesagt hat, Ihre eigenen Interessen. Darum geht es Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Pfründe, Interessen, Privilegien, darum geht es Ih­nen. Die Arbeitnehmer sind Ihnen vollkommen egal! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie haben anscheinend nicht erkannt, dass sich die Arbeitswelt geändert hat. Es müss­ten doch, bitte, die selbsternannten Arbeitnehmervertreter merken, dass sich die Reali­täten mit der Zeit verändert haben. Das tun wir, die FPÖ und die ÖVP, die neue Regie­rung: Wir tragen diesen neuen Gegebenheiten Rechnung. Deswegen wird heute das neue Gesetz beschlossen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein Satz noch zum Thema Parlament und Wertschätzung des Parlaments (Abg. Schie­der: Ja! Jetzt bin ich gespannt!): Es kann nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass hier Parallelstrukturen aufgezogen werden (Abg. Schieder: Die Indus­triellenvereinigung, oder?), wie der ÖGB zum Beispiel hier ein Scheingefecht veranstal­tet gegen eine Maßnahme, die gar nicht geplant ist. Es wird keinen verpflichtenden
12-Stunden-Tag geben, es gibt ihn einfach nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist eine Unwahrheit, eine mutwillige Unwahrheit von Ihnen. Sie versuchen, den Bürgern und den Wählern Sand in die Augen zu streuen mit etwas, was es gar nicht gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Deswegen sage ich Ihnen eines: Das Parlament ist das Primat der Politik, wir sind die Volksvertreter. Wenn Sie uns dafür kritisieren, dass wir einen Initiativantrag einbrin­gen – was ganz normal ist, was jede Partei tun kann, was Abgeordnete tun können (Abg. Schieder: Aber dann stehen Sie dazu!) –, dann haben Sie anscheinend Parla­mentarismus und Demokratie nicht verstanden, Herr Schieder. Dann haben Sie das nicht verstanden! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weil Sie, Herr Schieder, heute in Ihrer peinlichen Show in der Früh zur Geschäftsord­nung ein Thema angesprochen haben, das mit Geschäftsordnung gar nichts zu tun hat, nämlich die Tatsache, dass ganz legitim Anträge und Abänderungsanträge einge­bracht werden, muss ich Ihnen sagen: Da haben Sie, Herr Schieder, den Parlamenta­rismus nicht verstanden, da haben Sie Demokratie nicht verstanden. Ich empfehle Ih­nen, Herr Schieder, ein kleines Seminar in der Demokratiewerkstatt. Das würde Ihnen gut anstehen, Herr Schieder! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich will jetzt gar nicht die gesamten Argumente für dieses wirklich wegweisende, zu­kunftsweisende Gesetz noch einmal herunterbeten. Abschließend nur Folgendes: Sie sehen ganz genau, dass die neue Regierung, dass FPÖ und ÖVP diejenigen sind, die sich für Arbeitnehmer einsetzen und für Arbeitnehmerrechte da sind. (Abg. Schieder: Hören Sie doch auf, die Leute zu verhöhnen!)

Schauen Sie zum Familienbonus Plus, durch den leistungerbringende Menschen ent­lastet werden, Arbeitnehmer entlastet werden: Pro Kind 1 500 Euro pro Jahr! Schauen Sie zum Beispiel nur vier Tage zurück: Am 1. Juli ist die Senkung der Arbeitslosenver­sicherungsbeiträge in Kraft getreten, wodurch Arbeitnehmer um 310 Euro pro Jahr ent­lastet werden, nämlich die kleinen Arbeitnehmer. Das tut die neue Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und letztlich die Arbeitszeitflexibilisierung – weil wir mit der Zeit gehen und Sie es nicht tun, und deswegen gehen Sie mit der Zeit! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.40



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 108

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte. (Abg. Haider: Jetzt dürfen Sie wieder lauter falsche Zitate bringen!)


13.40.41

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin­nen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucherinnen und Besucher! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Herr Klubobmann Gudenus, ich habe mir jetzt einmal Ihre Biografie angeschaut – sehr interessant (Abg. Gudenus: So spät?) – und habe gesehen, dass Ihre Eltern sehr viel Geld für Ihre Bildung ausgegeben haben. Als ich jetzt Ihre Rede gehört habe, habe ich mir gedacht: Wie schade! Das ganze Geld zum Fenster hinausgeschmissen, Herr Gudenus! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie mit drei Namen konfrontieren. Robert Owen formulierte 1830 erstmals die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag. Ferdinand Hanusch – Herr Minister außer Dienst Stöger hat ihn erwähnt –: 8-Stunden-Tag in Österreich 1918 eingeführt. Sebas­tian Kurz führt 2018 den 12-Stunden-Tag ein, geschätzte Damen und Herren! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Wenn es nach dieser Regierung geht, wenn es nach der ÖVP und der FPÖ geht, wenn es nach Kurz und Strache geht, heißt die Zukunft: 2 Stunden pendeln, 12 Stunden im Stahlwerk, 2 Stunden noch einmal pendeln – und keine Zeit mehr für die Freizeit, keine Zeit für die Familie, keine Zeit für die Feuerwehr, keine Zeit für die Rettung, keine Zeit für nichts außer Arbeit! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.) Das ist die Zukunft, die Sie für dieses Land vorgesehen haben. Ich sage Ihnen eines: Das wird eine kurze Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes sein, geschätzte Damen und Herren! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir können das bei dieser Abstimmung, die Sie in Ihrer Überheblichkeit und Arroganz so angesetzt haben, wie Sie es jetzt getan haben, nicht verhindern. Das können wir jetzt nicht. Aber ich werde Ihnen eines versprechen: Wir werden nicht rasten und nicht ruhen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir werden auf den Straßen und Plätzen, wir wer­den in den Wirtshäusern, Geschäften und Läden, wir werden in den Betrieben dieses Landes (Abg. Gudenus: Sie sind out! Keiner braucht Sie mehr!) streiten, argumentie­ren, überzeugen (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP), um allen klarzumachen (Abg. Deimek: Das war einmal!), dass Sie die Abgeordneten der Sponsoren des Herrn Kurz sind (Beifall bei der SPÖ) und nicht die Abgeordneten derer, die früh am Morgen auf­stehen und hart für ihr Geld arbeiten müssen, geschätzte Damen und Herren. Das ha­ben Sie damit verloren! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Gudenus: Niemand braucht Sie!)

Wir sind mit unserer Meinung nicht allein. Die Bischöfe, die FPÖ-Arbeitnehmervertre­ter, der ÖVP-Arbeiterkammerpräsident, sie sehen das alle gleich. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich sage Ihnen eines: Bei aller Überheblichkeit, die Sie jetzt vor sich hertragen, bei aller Arroganz werden Sie dieses Thema nicht mehr los, und am Ende werden die Wählerinnen und Wähler Sie aus Ihren gut klimatisierten Ämtern treiben! Das wird das Ergebnis sein, geschätzte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

13.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.


13.44.30

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine beiden Minis­terinnen! Lieber Kollege Leuchtfried! Einer, der sein Leben lang ein Apparatschik bei der Arbeiterkammer war, den seine ganze Karriere nur durch die Arbeiterkammer, über


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 109

das Parlament und dann in ein Ministerium geführt hat – in dem Sie Schaden verur­sacht haben! –, hat kein Recht, über Herrn Gudenus zu richten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Schieder! Es ist Ihnen wirklich gelungen – ich gratuliere Ihnen –, ein Bild des Schre­ckens auf die Straße zu malen. Sie haben Arbeiterkammer und Österreichischen Ge­werkschaftsbund degradiert und dann missbraucht. (Rufe und Gegenrufe zwischen Ab­geordneten von SPÖ und ÖVP.) Deshalb wird wahrscheinlich der neue Präsident Kat­zian heute hier kein Wort verlieren, und ich bedauere das. (Abg. Rosenkranz: Uner­hört eigentlich!) Sie haben den Start der Sozialpartnerschaft mit den neuen Präsiden­ten (Abg. Rosenkranz: Das sind Vertreter!) jetzt sicher erschwert.

Pflastersteine, Friedhofsleuchten und solche Pamphlete – es ist schon gesagt worden: Wenn das Ihr neuer Stil ist (Abg. Rosenkranz: Übelste Menschenhatz!), dann gratulie­re ich Ihnen! Dazu passen die Drohungen des Herrn Leuchtfried, die Drohungen des Herrn Knes. Ich freue mich auf die Auseinandersetzungen in Wirtshausstuben, die trete ich gerne mit Ihnen an! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Das könnt ihr haben! – Ruf bei der ÖVP: Pflastersteinpolitik! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Übrigens, Herr Schieder oder Herr Leuchtfried: Sie könnten unserem Arbeiterkammer­präsidenten in Tirol, der mit Ihnen ja tagtäglich telefoniert, Ihrem Demonstrationsbruder im Herzen, diesem Maulhelden, diesem Dauerschimpfer, dem können Sie ausrichten, dass ich mich im Klub der Österreichischen Volkspartei sehr wohlfühle! Er bezeichnet uns als Hinterbänkler. Ich fühle mich im Klub der ÖVP, ich fühle mich beim Bundes­kanzler hervorragend. Ich werde gehört – und das habe ich ihm voraus. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie regen sich über die Ruhezeiten im Tourismus auf, aber Sie gehen alle gerne abend­essen, lange (Abg. Schieder: Ja! Wir fahren auch gern mit dem Lift, und trotzdem ...!), und Sie wollen Frühstück ab acht. Deshalb brauchen wir Dienstleistung in der Früh und am Abend! Die jungen Menschen machen das gerne, weil sie froh sind, wenn sie dann 6, 7 Stunden Skifahren gehen können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Beides, diese 8 Stunden Ruhezeit und auch der Kollektivvertrag mit den 12 und 60 Stun­den, war vereinbart; allerdings nur in Betrieben mit Betriebsrat, da haben Sie recht, und auch nur mit arbeitsmedizinischem Gutachten. Jetzt erklären Sie mir, wie Sie in einem Betrieb mit neun Mitarbeitern einen Betriebsrat haben und wo Sie in den Weihnachts­feiertagen ein arbeitsmedizinisches Gutachten bekommen!

Deshalb: Diese Bürokratie bauen wir ab! Wir machen unsere Mitarbeiter selbständig. Das machen wir, und wir erweitern das auf die Ganzjahresbetriebe. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Die Hotellerie im ganzen Land wird es uns sehr danken. Die Mitarbeiter bekommen mehr Freizeit oder Geld, je nach Wahl. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch den Klubobmann, der wieder nicht da ist, Herrn Kern, kann ich beruhigen. Er be­hauptet ja, unsere Mitarbeiter müssten dann Hunderte Kilometer fahren, in der Früh wieder kommen. Die wohnen bei uns in Personalhäusern, in gut ausgestatteten Appar­tements, und brauchen nicht so weit zu fahren.

Dieses AZG, das wir heute beschließen, hat drei große Begriffe: Freiwilligkeit, bezahlt und selbstbestimmt, und zwar ohne Bevormundung durch Betriebsräte und Apparat­schiks, wie auch einige hier in den Reihen sitzen! Die 60-Regelstunden-Woche findet nicht statt, das wissen Sie, die kann rechtlich nicht stattfinden! Und die Mitarbeiter wer­den das, wenn das jetzt Gott sei Dank am 1. September in Betrieb geht, selbst beur­teilen. Darauf freue ich mich, auf die Stammtische, die ich mit ihnen habe. (Beifall bei der ÖVP.)


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Lieber Beppo Muchitsch! Dein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist der sozialpolitische Leuchtturm deines Lebens. Das ist der Grund, warum wir das jetzt än­dern müssen. Mit diesem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wolltest du ausländische Unternehmer treffen – getroffen hast du nur die einheimischen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Du hast mit diesem Gesetz die Unternehmerschaft in Österreich, du hast uns alle als Gauner, Ausbeuter oder gar Kriminelle hingestellt. Wir sind korrekte Arbeitgeber! Wir sind kostenlose Lohn- und Finanzbuchhalter, Inkassobüros für den Staat, alles unbe­zahlt und gratis. Wir haften für Gelder, die uns eigentlich nichts angehen, die wir be­rechnen und verrechnen und an die Republik abliefern; Gelder, die uns nichts angehen und die zum Beispiel in der Schweiz die Arbeitnehmer selbst verrechnen!

Für Sie alle sind Unternehmer reiche Kühe, die man melken muss. Dabei geht es dem Großteil dieser Menschen, die selbstbestimmt schauen, dass sie Unternehmen aufbau­en, Mitarbeiter beschäftigen, Steuern zahlen, nicht so gut. 45 000 Tirolerinnen und Ti­roler sind Unternehmer, davon erreichen 50 Prozent gerade die Mindestbemessungs­grundlage mit 560 Euro, und nur 10 Prozent erreichen den Höchstbetrag von 6 000 Eu­ro. Die durchschnittliche Unternehmerpension liegt bei 1 344 Euro; ein Angestellter hat mehr und ein Beamter doppelt so viel. Auf diesen Menschen reitet ihr herum? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ihr sagt, wir seien unehrlich. Ihr sagt, die österreichischen Unternehmer seien unehr­lich. Ich bringe Ihnen ein Beispiel: 185 Milliarden ist die Lohnsumme, die wir jährlich berechnen, verrechnen und abliefern. Davon sind 0,001 Prozent überhaupt in Diskus­sion! 0,001 Prozent wird überhaupt von ÖGB und AK kritisiert, und ein Bruchteil kommt in Arbeitsprozesse.

Das nenne ich gelebte Ehrlichkeit, das nenne ich Ehrlichkeit. Hören Sie auf, solche Menschen zu verunglimpfen!

Ich freue mich schon auf den Herbst. Ich bin neugierig, wie Sie die hohen Mammut­budgets in Ihren Arbeiterkammern rechtfertigen (Abg. Scherak: Was ist mit der Wirt­schaftskammer?), denn mit der Rechtshilfe und mit der Rechtsvertretung werden Sie sie ja wohl nicht mehr argumentieren können. (Abg. Stöger: ... Wirtschaftskammer! – Abg. Loacker: Arbeiterkammer mal zwei!)

Ihr Unternehmerbild ist eines, bei dem die Betriebsräte anschaffen und der Unterneh­mer nur noch das Geld liefern soll, damit sie gut leben. Dieses Unternehmerbild ging mit Erich Honecker unter. Gerade Sie müssten wissen – Sie, die Spezialisten von Ba­wag, „Konsum“ und so weiter –, dass es dieses Unternehmerbild heute Gott sei Dank nicht mehr gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Klubobmann Schieder, das, was wir heute beschließen, ist unspektakulär. Das, was wir heute beschließen, findet in vielen Betrieben schon statt, in den organisierten sowieso und in anderen auch. Und deshalb: Hören Sie auf, die Leute zu verunsichern und Keile hineinzutreiben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)


13.51.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Abgeordneter Hörl hat behauptet, ich hätte die Unternehmen im Zuge des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes als Ausbeuter bezeichnet. Ich weise das auf das Schärfste zurück. (Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Ich berichtige: Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist unter Einbindung der Sozialpartner hier in diesem Hohen Haus mit Zustimmung der ÖVP im Kampf ge­gen Lohn- und Sozialdumping beschlossen worden (Zwischenruf des Abg. Schieder), wofür uns alle anderen Menschen Europas bewundern, und das soll auch so bleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eine zweite Berichtigung (Zwischenruf bei der ÖVP): Herr Abgeordneter Hörl hat Abge­ordneten Leichtfried als Leuchtfried bezeichnet. Tatsächlich heißt er Leichtfried. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Solidarität!)

13.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.


13.52.00

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Als letzter Redner zu einem Thema, das dreimal das Hohe Haus durchlaufen hat, muss man sagen, es ist eigentlich alles gesagt – und in diesem Fall auch schon wirklich von jedem. Wir haben hier heraußen oscarreife Inszenierungen erlebt, die leicht hysterische Anklänge hatten.

Wir haben eine Debatte erlebt, die sachlich schwer zu verstehen ist, denn am Ende des Tages geht es um gar nichts anderes als um ein bisschen Modernisierung unserer Arbeitswelt (Zwischenruf bei der FPÖ), ein bisschen flexiblere Lebenswelten für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Abg. Schieder: Weniger Einkommen!), ein bisschen ein Zurückstecken der Politik und ein Freilassen der Menschen – das ist alles, worum es uns hier geht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Debatte ist auch sachlich schwer zu verstehen, weil eigentlich alle hier herinnen und alle draußen das wollen, was wir heute hier beschließen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der Liste Pilz: Ich will das nicht!)

In vier Regierungsprogrammen seit 2006 – davon drei unter sozialdemokratischer Fe­derführung – wurde von Flexibilisierung der Arbeitszeit und einer Modernisierung der Arbeitszeitregeln gesprochen. Es ist bereits oft genug zitiert worden, dass der leider abwesende ehemalige Bundeskanzler Klubobmann Kern in sein Programm 2017 die Flexibilisierung der Arbeitswelt und der Arbeitszeit hineingeschrieben hat. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das Problem ist nur, dass er daran gescheitert ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Herr Mag. Kern ist nicht an seinem Regierungspartner gescheitert, sondern an seinen eige­nen Leuten. Und darum hat er das ganze Thema zu den Sozialpartnern ausgelagert. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, auch wenn ich wieder eine tatsächliche Berichtigung des Abgeordneten Muchitsch riskiere und somit nicht Schlussredner sein darf (Abg. Ro­senkranz: Kommt der Katzian gar nicht?): Ich habe am Tag nach dieser Einigung zwischen den Sozialpartnern – Mindestlohn, Arbeitszeitflexibilisierung – Christoph Leitl in Linz getroffen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich kann Ihnen sagen, dass er menschlich zutiefst betroffen war.

Der Satz von ihm war: Das hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben, dass ein ÖGB-Präsident seinen Handschlag nicht einhalten und einlösen kann. – Diese Betrof­fenheit hat man ihm angesehen. Daher meine ich, dass es nicht sachlich gerecht und fair ist, wenn heute hier Leute die Sozialpartnerschaft beschwören, die sie selbst durch diesen Akt nahezu versenkt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Es ist deshalb ein Scheitern, meine Damen und Herren, auch ein Scheitern des Kern’­schen Plans! Es funktioniert nämlich heute nicht mehr, dass sich irgendwo zentral ein Funktionär hinsetzt und sagt: Ich bestimme, wann wer wo wie viel arbeitet, was es kos­tet und wer es bezahlt. – Das funktioniert nicht mehr.

Spätestens dann, wenn man sieht, dass bei den Österreichischen Bundesbahnen der 12-Stunden-Tag ausläuft und Herr Hebenstreit dann Betriebsversammlungen organi­siert, merkt man, glaube ich, dass es eigentlich nur um eine kleine gewerkschaftsin­terne Diskussion darüber geht, welcher Pfau die längsten und schönsten Federn hat, mit denen da Räder geschlagen werden. Um die Arbeitnehmer oder die Unternehmer in diesem Land geht es bei dieser Debatte längst nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, die Praxis hat die Politik längst überholt. Das Arbeitszeitge­setz, das hier beschlossen worden und noch gültig ist, wird längst nicht mehr eingehal­ten – es kann nicht eingehalten werden. Wir kennen von großen und von kleinen Un­ternehmen Situationen, bei denen Arbeitnehmer hinausgehen, ausstechen und wieder hineingehen und weiterarbeiten, weil ihnen gerade danach ist, weil sie einen produk­tiven Tag haben. (Abg. Keck: Wo lebst denn du?) Die Unternehmer müssen das mit den Arbeitnehmern in ganz anderer Art und Weise konsensual regeln. Wir hinken da in Wahrheit als Politik hinterher.

Der Schritt, den wir heute tun, ist nur ein kleiner, um tatsächlich zur Realität aufzuho­len. Alle wollen Freiheit, und wir haben eine moderne Arbeitswelt. Natürlich kann man als Gewerkschaftsbewegung hergehen und sich ins Schmollwinkerl stellen: Mog i net, des tua i net, do tua i net mit! – Das ist die eine Möglichkeit.

Die andere Möglichkeit, zu der ich Sie herzlich einlade, ist, mit uns diesen Weg mitzu­gehen. Sie werden feststellen, dass vieles von dem, was Sie heute hier geboten ha­ben, am 1.9. nicht eintreten wird. Es wird sich für die Arbeitnehmer nichts verändern, sie werden nur nicht gemeinsam mit dem Arbeitgeber mit einem Fuß im Kriminal sein, nämlich dann, wenn sie wirklich arbeiten wollen, und sie werden zwischen Freizeit und Geld wählen können. Das sind die Dinge, die ab dem 1.9. viel besser möglich sind als derzeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, dass einige von Ihnen die Schranken im Kopf überwinden müssen, damit sie Arbeitgeber als Partner sehen und nicht als Gegner, wie es heute hier in manchen Redebeiträgen der Fall war – was mich betroffen gemacht hat, und zwar auch als Ar­beitgeber. (Zwischenruf des Abg. Noll.)

Ich will das hier auch noch einbringen, weil es zwei Redebeiträge gab, in denen deut­lich überzogen wurde, nämlich in jenem von Herrn Kollegen Leichtfried und jenem vom Kärntner Kollegen: Grablichter und Pflastersteine haben vor Häusern von Abgeordne­ten dieses Hauses nichts zu suchen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Frage, ob ihr sie hingelegt habt, ist nicht das, was von Belang ist. Es handelt sich um eine eurer Teilgewerkschaften, die dazu aufgerufen hat. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Diesen Aufruf gibt es überall. Es ist die vida. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Stellen Sie sich hierher und distanzieren Sie sich von dieser Teilgewerk­schaft – das ist das, was ich von euch verlange! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)

Eine Kleinigkeit schreibe ich Ihnen ins Stammbuch (Zwischenruf der Abg. Yildirim): Als freier Abgeordneter dieser Republik lasse ich mich weder von Ihnen noch von sonst irgendjemandem bedrohen (Zwischenrufe bei der SPÖ) oder an der Ausübung meines freien Mandates hindern! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich stimme für das, wovon ich überzeugt bin! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Herr Klubobmann Kern, den ich in dieser Debatte schmerzlich vermisse, hat von dümmlichen Filmen gesprochen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich weiß nicht, wer sich alles im Internet zu diesem Thema fortgebildet hat, daher vielleicht abschließend eine kleine Anmerkung dazu. Die Gewerkschaft hat ja ein wunderbares Video gemacht – al­so etwas, das wir alle total mögen –, angelehnt an Pink Panther. Kennen Sie alle den Schlussgesang, das Lied „Wer hat an der Uhr gedreht“? Das ist wunderbar umgedich­tet worden, eben so, dass nun die 12-Stunden-Woche kommt. Damit ist das arme gute Lied eigentlich verunglimpft worden. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: 12-Stunden-Tag!)

Als ich mir das Video angesehen habe, sind Kindheitserinnerungen hochgekommen. Ich habe deswegen nachgeschaut, und tatsächlich ist Pink Panther eine Schöpfung aus dem Jahr 1963. Ich frage mich, ob die Macher da nicht ihren Auftraggeber ein biss­chen verraten haben, dass er vielleicht irgendwo zeitlich steckengeblieben ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


14.00.17

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass ich das in der letzten Sondersitzung hier sehr sachlich und fair mitgeteilt habe: Herr Abgeordneter Fürlinger hat behauptet, dass es im Vorjahr einen Kompromiss zwi­schen den Sozialpartnern gegeben hat.

Ich stelle richtig: Es hat vier Punkte gegeben, an denen diese Sozialpartnereinigung letztendlich gescheitert ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Zur Berichtigung: Der ÖGB hat mehr Zeitsouveränität gefordert und dementsprechend auch eine Planbarkeit und einen Flexibilisierungszuschlag, des Weiteren den erleichterten Zugang zu einer sechsten Urlaubswoche (Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Redebeitrag!) und als letzten Punkt eine Beschränkung von All-in-Verträgen oder von Überstundenpauschalen auf gesetzlich zulässige Überstunden, nämlich ab der Höchstbeitragsgrundlage. – Und da­ran ist das gescheitert. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wenn Sie es noch immer nicht glauben, dann kommen Sie zu mir und lesen Sie das Papier! (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dann können Sie auch lesen, was die Arbeitgeber gefordert haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Veröffentlichen Sie es doch einfach!)

14.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Frau Abgeordnete Rendi-Wagner ge­meldet. – Bitte.


14.01.34

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Bundesministerin, du hast mich persönlich angesprochen und hier eine Studie erwähnt, die laut deinen Aussagen besagt, dass die flexiblen Arbeitszeiten dazu führen, dass es den Menschen gesundheitlich besser geht.

Ich unterstelle dir nicht, dass du das mutwillig gemacht hast, aber ich darf sagen, dass man, wenn man wissenschaftliche Studien und vor allem Publikationen liest, sich nicht nur die Überschriften dieser Publikationen anschauen sollte (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein), denn die relevanten Informationen stehen im Kapi­tel Resultate und Schlussfolgerungen. (Zwischenruf bei der FPÖ.)


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Genau in diesem Kapitel deiner Studie steht ganz klar geschrieben, dass sich die ver­besserten Gesundheitsdaten ausschließlich auf selbstbestimmte flexible Schichtarbeit beziehen – und das ist in diesem Sinne nicht das Thema der heutigen Diskussion. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Die Studienautoren deiner Studie schlussfolgern auch ganz klar, dass ihre Daten nicht ausreichen, um Schlüsse zum Gesundheits-Outcome der überlangen Arbeitszeiten zu machen.

In diesem Sinne ist diese Studie keine adäquate zur Untermauerung Ihres neuen Ar­beitszeitgesetzes. Wenn das die einzige Studie war, die die Frau Bundesministerin vor­legen kann (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Hartinger-Klein), dann heißt das für mich, dass sie keine einzige wissenschaftliche Arbeit im medizinischen Bereich finden konnte, die diese Arbeitszeitregelung, die Sie hier vorschlagen, untermauert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Hingegen kann ich Ihnen sagen: Das (ein Konvolut an Unterlagen in die Höhe haltend) sind die Arbeiten, die ich allein in den letzten drei Tagen zu diesem Thema überlange Arbeitszeit ohne adäquate Ruhepausen und Freizeitblöcke finden konnte. (Abg. Dei­mek: Die kommen gleich nach den vier Tagen! Haben Sie mal woanders gearbeitet als am Schreibtisch?) Und das ist nur ein kleiner Auszug aus den wissenschaftlichen Ar­beiten zu diesem Thema.

Diese Arbeiten und viele mehr, auch Ärzte und Ärztinnen dieses Landes – wir hatten das schon einmal, Déjà-vu Rauchverbot – sagen, dass überlange Arbeitszeiten ohne adäquate Ruhepausen Menschen kränker machen, mehr Herzinfarkte, Depressionen, Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus verursachen. (Abg. Hai­der: Es gibt ja Ruhepausen!)

Das ist volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich wirklich totaler Nonsens, was Sie hier machen. Und was folgt aus diesen Erkrankungen? – Es folgen mehr Kranken­stände, mehr Frühpensionierungen und die Arbeitslosigkeit wird steigen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.) Und warum? – Weil Menschen keine Maschinen sind, die einen Knopf haben, mit dem man einfach eine längere Betriebszeit einschalten kann, um bei 28 Grad statt 8 einfach 12 Stunden am Bau arbeiten zu können – nein. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

Sie schaffen dadurch auch – ich hatte es schon erwähnt – eine Zweiklassengesund­heit, Frau Ministerin! Warum? (Ruf bei der FPÖ: Die gibt es schon längst! – Abg. Ro­senkranz: Mehrklassengesundheit!) – Weil die gesundheitlichen Schäden und Auswir­kungen für jene Gruppen signifikant höher sind, die wenig Mitspracherecht und wenig Entscheidungsfreiheiten im Bereich ihrer Arbeit haben und weniger qualifiziert sind.

Das trifft uns Privilegierte in diesem Raum nicht, da gebe ich Ihnen recht. Wir saßen gestern 13,5 Stunden hier, aber das wird uns gesundheitlich nicht wirklich schaden. (Abg. Rosenkranz: Dem Herrn Kern, glaube ich, nicht!) Genau dieser Gruppe aber wird es schaden (Zwischenrufe bei der FPÖ), und auf die schauen wir ganz genau. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Somit ist dieses neue Arbeitszeitgesetz nach dem Kippen des Rauchverbotes ein wei­teres Gesetz, das den Menschen in diesem Land nachweislich gesundheitlichen Scha­den zufügt. (Ruf bei der FPÖ: Es wird niemand zum Rauchen gezwungen!)

Und nicht nur das, denn Sie beschließen im ASVG unter dem Deckmantel der Miss­brauchsbekämpfung heute auch einen Lauschangriff auf Menschen im Krankenstand. Damit sollen kranke Versicherte mit Auffälligkeiten entdeckt werden. Was heißt denn das? Was heißt das? Was wollen Sie damit erreichen? – Dass Menschen nicht mehr ohne Angst, ihren Job zu verlieren, in den Krankenstand gehen können? Dass Men-


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schen Angst haben müssen, dass der Arbeitgeber von ihren Krankheiten erfährt? Ist das Ihr Menschenbild? Ist das Ihr Menschenbild von Arbeitnehmern, die für Sie Tachi­nierer sind? – Für uns nicht!

Und weil Sie sich so gerne mit dem Thema der Grenzsicherung und Grenzschließung befassen – sei es die Südgrenze, die EU-Außengrenze, das alles ist ein wichtiges The­ma (Zwischenrufe bei der FPÖ), und zwar in den letzten Tagen vor allem zur Ablen­kung (Abg. Mölzer: Frau Merkel hat uns geholfen!) –, sage ich Ihnen: Sie haben zwei wichtige Grenzen vergessen, sehr geehrte Damen und Herren, nämlich die gesund­heitliche Grenze der Menschen und die soziale Grenze der Menschen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Ich sage Ihnen: Sorgen Sie dafür, dass Menschen in diesem Land künftig vor sozialen und gesundheitlichen Grenzüberschreitungen geschützt sind! – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


14.07.07

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Rendi-Wagner, dass das Auffälligkeitsanalyse-Tool auch etwas sehr Positives ist, könnten Sie schon anerkennen, denn wir haben sehr oft darüber gesprochen. Es geht da schon um Scheinfirmen, die damit herausgeholt wer­den sollen. Es hat übrigens schon ein Vor-vor-Sozialminister angekündigt, dass er sich dessen annehmen wird – der ist jetzt nicht mehr. Das müssen Sie nicht negativ dar­stellen, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Ich kann vieles an Kritik nachvollziehen. Es ist auch Aufgabe der Opposition, dass man Kritik übt. Ich kann schon nachvollziehen, dass Sie nicht zustimmen. Ich war lange ge­nug Oppositionspolitikerin: Man findet immer irgendetwas, das einem in einem Gesetz nicht gefällt. Das ist auch ganz normal.

Das jedoch, was Sie als SPÖ heute hier abgegeben haben, war schon ein bisschen ein eigenartiges Bild: die Führungsspitze der SPÖ, ein Herr Kern – irgendwann gekom­men, dann wieder weg (Abg. Gudenus: Kern-los!) –, ein Herr Schieder und nun Frau Rendi-Wagner – entschuldigen Sie, Sie sind doch keine Arbeitnehmervertreter! Sie ha­ben doch in Ihrem ganzen Leben noch keinen Schraubenzieher (Zwischenrufe bei der SPÖ) oder eine Schaufel in der Hand gehabt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Sich dann hier herzustellen und zu glauben, dass Sie jetzt die großen Arbeitervertreter und Arbeiterkämpfer spielen könnten, ist einfach nicht ehrlich und das ist auch nicht authentisch herübergekommen (Zwischenruf der Abg. Duzdar), im Übrigen auch nicht bei Ihnen, Herr Kollege Leichtfried – was Sie heute hier aufgeführt haben! Normaler­weise sind Sie ein eher sachlicher Redner, aber heute haben Sie sich hier als Schau­spieler generiert. Das war nicht authentisch und daher auch nicht glaubwürdig, weswe­gen es beim Fernsehzuseher nicht so ankommen wird, wie Sie das gerne hätten. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: Da redet die Richtige!)

Meinen Sie, dass ich nicht authentisch bin? – Gut! Wissen Sie, Kollege Schieder, Sie haben ein großes Problem: Sie sind nicht Bürgermeister in Wien geworden und Sie sind nicht mehr in Regierungsverantwortung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie sitzen hier und haben überhaupt keine Ahnung davon (Zwischenruf des Abg. Schieder), was Sie hier machen sollen. Sie fallen nur durch dumme Zwischenrufe auf, und dann glau­ben Sie, dass Sie als Arbeitnehmervertreter glaubwürdig sind. (Zwischenrufe bei der


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SPÖ.) Das sind Sie überhaupt nicht, Sie sind der Letzte, der hier Glaubwürdigkeit hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aufgrund der Diskussion und der Debatte muss ich schon sagen: Lieber Kollege Mu­chitsch, ich weiß, dass du den Kampf für die Arbeitnehmer ehrlich meinst, aber wenn du heute hier heraußen stehst und sagst, dass das Symbol für harte Arbeit Pflaster­steine sind (Zwischenruf bei der SPÖ), dann sage ich dir: Pflastersteine, noch dazu in Verbindung mit dem Grablicht, sind für mich ein ganz anderes Symbol, nämlich ein Symbol für irgendwelche Rabauken, die diese schmeißen und werfen. Das haben wir in Wien mit der SJ schon sehr häufig erlebt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da wäre es schon gut, dass man sich von solchen Aktionen distanziert. (Rufe bei der SPÖ: Das haben wir! – Abg. Krainer: Sie haben sich nicht distanziert!) Das habe ich heute hier von niemandem gehört (Abg. Plessl: Haben Sie nicht aufgepasst, Kolle­gin?), sondern es ist immer nur versucht worden, das Ganze zu relativieren und zu verteidigen. (Abg. Heinisch-Hosek: Waren Sie nicht da? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Gesetzestext. Es mag ja richtig sein – wie Sie ge­sagt haben –, dass im ersten Entwurf oder im ursprünglichen Antrag, der hier einge­bracht worden ist, vieles sehr schlecht oder ungenau formuliert war. (Abg. Schieder: Ah!) – Jetzt komme ich aber zu Ihnen, Herr Schieder, denn das ist nämlich genau Ihre Art von Politik. Sie sagen: In dem, was da eingebracht worden ist, steht dieses und je­nes drinnen – im Wissen, dass es hier einen Abänderungsantrag gibt, im Wissen, dass in diesem Abänderungsantrag die Freiwilligkeit erstmals garantiert wird. (Abg. Schie­der: Stimmt nicht!)

Was heißt: „Stimmt nicht“? Haben Sie es nicht gelesen, wollen Sie es nicht lesen oder können Sie nicht lesen? (Abg. Schieder: Das ist falsch, was Sie sagen!) – Jetzt outen Sie sich einmal, warum Sie das permanent behaupten! Es wird ja wohl einen Grund geben, warum Sie das behaupten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Oder wollen Sie absichtlich die Menschen in die Irre führen? Das wäre dann nämlich auch böswillig, was Sie hier machen. (Abg. Schieder: Böswillig sind Sie!) – Also: Le­sen Sie es durch – da steht sie ganz genau drinnen, die Freiwilligkeit! Übrigens hat es Kollege Wöginger sogar vorgelesen. (Rufe bei der SPÖ: Eben!) – Sie hätten nur zuhö­ren müssen, wenn Sie sich mit dem Lesen schwertun. (Abg. Stöger: Wo?) – Es ist die Freiwilligkeit gegeben. Es ist der 8-Stunden-Tag der Regelstundentag. Jede Überstun­de muss bezahlt werden, mit Zuschlägen – das steht im Gesetz drinnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ohne Freiwilligkeit und ohne Zuschläge gibt es gar nichts. Was Sie hier behaupten, die 60-Stunden-Woche – wer soll Ihnen das überhaupt glauben? Das ist ja sogar im Widerspruch zu einer EU-Arbeitszeitrichtlinie. (Abg. Heinisch-Hosek: Wozu brauchen wir dann das Gesetz?)

Also da frage ich mich schon: Glauben Sie das selber, was Sie hier verbreiten, glauben Sie das wirklich? Das ist ja alles Blödsinn! Gleich im ersten Paragrafen steht drinnen: Die wöchentliche Arbeitszeit bleibt bei 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit bei 40 Stun­den – nicht mehr und nicht weniger. (Abg. Heinisch-Hosek: Dann brauchen wir das Gesetz ja eh nicht!) Das sollen alle Zuseher vor den Bildschirmen auch wissen. Das ist die reguläre Arbeitszeit, die bleibt. Jeder, der in der Woche mehr arbeitet, bekommt das als Überstunden ausbezahlt, wenn er es möchte, oder als Zeitausgleich. (Abg. Schieder: Was reden Sie für einen Blödsinn?) – Es ist auch erstmals so, dass die Arbeitnehmer das Recht haben, sich auszusuchen: Will ich das Geld haben oder will ich die Freizeit haben? Insgesamt ist es damit eine Verbesserung für die Arbeitnehmer. Hören Sie auf, Gespenster an die Wand zu malen! Es glaubt Ihnen keiner mehr! (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

14.12



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Frau Abgeordnete (ohne Mikrofon) Rendi-Wagner zu Wort. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Rendi-Wagner!)


14.12.34

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Rendi-Wagner. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das habe ich ohnehin gesagt.


Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (fortsetzend): Ich habe es nicht ge­hört. Ich glaube, es hat hier niemand gehört. (Ruf bei der SPÖ: Nein, das hat niemand gehört!)

Danke, Herr Präsident! Ich darf eine tatsächliche Berichtigung machen, da die Abge­ordnete Berlakowitsch behauptet hat (Rufe bei FPÖ und ÖVP: Belakowitsch!), dass die aktuelle Änderung im ASVG die Scheinfirmen betrifft.

Die Regelung bezüglich Scheinfirmen, das sogenannte Risiko- und Auffälligkeitsanaly­se-Tool, befindet sich schon längst im Sozialversicherungsgesetz. Das hatten wir vor Jahren dort verankert und implementiert. (Abg. Belakowitsch: Aber leider wirkungs­los!) Worum es jetzt in der Novelle des ASVG vielmehr geht, ist, dass diese Kontrolle im Krankenstand ausgeweitet werden soll auf Versicherte im Krankenstand und be­züglich einer Kontrolle sämtlicher Auffälligkeiten.

Das ist übrigens datenschutzrechtlich auch sehr bedenklich. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Fragen Sie da den Datenschutzrat! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


14.13.38

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Um auf meine Vorrednerin Kollegin Belakowitsch zu replizieren: Das Traurige ist bei diesem Gesetz wirklich, dass es offenbar nur eine Person von den Regierungsparteien verstanden hat. Das ist die leider nicht anwesende Frau Wirtschaftsministerin Schramböck, die ganz klar meinte: Ich gebe ganz klar den Auftrag an die Unternehmen, dieses Gesetz nicht auszunutzen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Das war in der Öffentlichkeit auch leider ihre erste und letzte Formulierung zu diesem maßgeblichen Gesetz, das auch die Wirtschaft sehr betrifft. Seit dieser Aussage hat man in der Öffentlichkeit leider nichts mehr von ihr gehört. Heute stellt sich Frau Minis­terin Schramböck hin und vergleicht Österreich wirklich mit Schweden. Werte Kollegin­nen und Kollegen, Schweden hat im Handel einen Mindestkollektivlohn von 2 000 Eu­ro. (Abg. Stefan: Und da kann man dann 60 Stunden arbeiten? Was ist das für ein Argument?) – Hier werden also Birnen mit Äpfeln verglichen und das ist sehr, sehr be­dauerlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, aber von Ihnen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte mich auch bei jenen Menschen – ob es nun, Frau Belakowitsch, 80 000 oder 100 000 Menschen waren (Abg. Zanger: Das ist eine Fabel! – Zwischenruf des Abg. Deimek) –, die auf die Straße gegangen sind, um gegen dieses Gesetz zu demonstrie­ren, bedanken. Es waren viele, und dafür möchte ich mich bedanken. (Abg. Deimek: Das sind Geschichten, das hat nichts mit der Realität zu tun!) Wieso ignorieren Sie die­se Bevölkerung, wieso haben Sie Angst vor Menschen, die Stellung zu diesem Gesetz beziehen möchten? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.  Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Hören Sie mir zu, werte Frau Kollegin, ich habe es bei Ihnen auch gemacht! Eines möchte ich vorausschicken: Wir SozialdemokratInnen haben ganz klar verankert: Ja, wir sind für flexible Arbeitszeitregelungen – mit einem Modell, das ganzheitlich gedacht ist, bis hin zur Kinderbetreuung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ihnen ist das in Österreich nur 1 000 Euro in einem Jahr wert – eine Schande! (Beifall bei der SPÖ.)

Was bedeutet ein 12-Stunden-Arbeitstag für ein kleines Unternehmen? Viele von euch wissen: Ich bin Unternehmerin. Diese kleinen Unternehmen werden schlichtweg nicht mehr wettbewerbsfähig sein. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Jetzt erkläre ich Ihnen, wieso. (Ruf bei der ÖVP: Warum?) – Jeder Unternehmer, der auf seine Mit­arbeiterInnen schaut, sie gut behandelt und im direkten Vergleich mit einem Branchen­kollegen aus der Nachbargemeinde in Konkurrenz tritt, ist hier ganz klar benachteiligt. (Rufe bei der FPÖ: Aber, aber!) Ich sage Ihnen: Ich führe ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern, ich würde in meiner Branche keinem zumuten, 12 Stunden zu arbeiten. (Abg. Martin Graf: Was sagt Ihr Betriebsrat dazu?)

Ihr Modell ist ungeeignet, über alle Branchen gestülpt zu werden. Ganz ehrlich gesagt, merkt man, dass dieses Gesetz von der Industriellenvereinigung in Auftrag gegeben wurde, denn drei Führungsebenen gibt es in den meisten Unternehmen in Österreich gar nicht. Das sind kleine und mittlere Unternehmen. Mit diesem Drüberfahren – und das tut mir wirklich sehr weh – gefährden Sie den sozialen Frieden in diesem Land. (Abg. Schimanek: Sie gefährden! – Ruf bei der FPÖ: Ja natürlich!) Sie zerstören die über Jahre hinweg erarbeitete Position, den gut geführten Dialog zwischen den Arbeit­nehmerInnen-VertreterInnen und den ArbeitgeberInnen-VertreterInnen.

Aus gutem Grund sage ich als Unternehmerin und fordere Sie hier auf (Abg. Martin Graf: Wie heißt Ihr Betriebsrat?), damit ein fairer Wettbewerb und eine faire Wirtschaft in Österreich aufrechterhalten werden können: Nehmen Sie Ihren Initiativantrag zurück! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Wie heißt Ihr Betriebsrat? Wer ist Ihr Be­triebsrat?)

14.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte.


14.17.15

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Schön, dass Klubobmann Kern noch rechtzeitig zur Abstim­mung kommt; da einige Redner nachgemeldet wurden, ist das jetzt auch möglich. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Der Oppositionsführer ist also bei der Abstimmung anwesend, um die Statistik aufzubessern. Wir begrüßen das außerordentlich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich hätte am Ende der Debatte aber noch ein paar Fragen. Das interessiert mich wirk­lich, auch weil ich mich schützend vor meine Abgeordneten stelle: Was ist mit dieser Pflastersteinaktion? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Lustig! – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Ja, das Lachen, das kann noch Folgen haben. Wenn man sich das genau anschaut (eine Tafel mit einem Foto, das ein Schild mit der Aufschrift „Frau Nationalrätin Graf, Sie zerstören den sozialen Frieden“ und einem Aufkleber mit der durchgestrichenen Zahl 12 sowie ein Grablicht zeigt, in die Höhe haltend – Zwischenrufe bei der SPÖ): Da sehen wir überall die gleichen Aufkleber, die da überall drauf sind. Also für mich wird eine interessante Frage sein: Wer hat die Aufkleber bestellt? War es die SPÖ? War es die FSG? Hat der Katzian die Aufkleber zu den Abgeordneten hereingebracht? Oder hat die SPÖ sie nach Salzburg zu den FSG-Funktionären weitergegeben? Es wird in-


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teressant sein, zu erfahren, wo diese Aufkleber letzten Endes herstammen und woher sie gebracht wurden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Zweite ist: Bei der Vida-Bundesveranstaltung, bei den Betriebsräten wurde ja dazu aufgerufen, dass die Betriebsräte die Häuser der Abgeordneten von ÖVP und FPÖ be­lagern sollen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wortwörtlich ist da gesagt worden: Schreit’s eana eini in Garten und stöllt’s eana wos auf! (Abg. Rosenkranz: Gesagt, getan!) – Da gibt es Protokolle dazu, da gibt es Zeugen dazu, und das passt schon alles sehr gut ins System. Der Aufkleber (neuerlich die Tafel mit dem Foto in die Höhe haltend), der nicht erklärbar ist, und ein Aufruf bei der Betriebsrätekonferenz von der Vida, unsere Häuser zu belagern – das geht nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Erasim: Das passiert, wenn man die Sozialpartnerschaft verrät! – Abg. Zanger: Pfui! Zum Kotzen!)

Mir fehlt auch die Antwort zum Aspekt Gesundheit: Was, bitte, ist mit den Kranken­schwestern? (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Erasim. – Abg. Belakowitsch: Un­glaublich!) Was ist mit den Polizistinnen und Polizisten? Was ist künftig mit den Mitar­beitern bei der Straßenmeisterei in Kärnten? Sind die dann gesundheitsgefährdet, wenn ein roter Betriebsrat abschließt, dass man - - (Weitere Zwischenrufe der Abg. Erasim.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Entschuldigung! Ich bitte alle, die noch Beiträge zu leisten haben: Melden Sie sich zu Wort! Sie berei­chern durch Ihre Zwischenrufe die Diskussion nicht!


Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Ich war gerade beim Gesundheitsas­pekt. Ich verstehe einfach nicht, wenn rote Betriebsräte eine Betriebsvereinbarung ab­schließen, laut der man 12 Stunden arbeiten kann, warum das dann gesund ist, aber wenn es sich der Arbeitnehmer selber aussucht, dann ist es schädlich. Das geht in meinen Innviertler Schädel einfach nicht hinein! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Ja­rolim: ... am ehesten verstehen!) Ja, wenn es bei euch hineingeht, dann ist das be­wundernswert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jarolim.) – Das müssen Wunder­menschen sein, wenn sie diesem Vergleich standhalten.

Die letzte Antwort, die fehlt, meine Damen und Herren von der SPÖ: Sie haben nichts zur Freiwilligkeitsgarantie gesagt. Sie haben nichts zur Gleitzeitregelung gesagt, die ei­gentlich total dem Plan A von Herrn Kern entspricht. Sie haben nichts zum Rechtsan­spruch auf Geld oder Freizeit gesagt, wo der Arbeitnehmer es selber bestimmen kann. Sie haben auch unerwähnt gelassen, dass Überstunden Überstunden bleiben, und dass sie natürlich auch zuschlagspflichtig bleiben. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)  Das steht in dem Gesetz.

Abschließend, meine Damen und Herren und vor allem liebe Bürgerinnen und Bürger: Sie können sich auf eines verlassen: Wenn Kollege Rosenkranz und ich ein Gesetz verhandeln (Abg. Schieder: Ja, geh bitte!), dann ist es ein Gesetz, das dem entspricht, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Arbeitgeberinnen und Arbeitge­ber brauchen, nämlich eine moderne Arbeitswelt, aber auch den Schutz, der für diese beiden Gruppen notwendig ist. Das bilden wir mit dem Gesetz ab. Wir entwickeln uns weiter. Sie sind im 19. Jahrhundert stecken geblieben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravoruf bei der FPÖ.)

14.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


14.21.43

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wenn die Frau Abgeordnete Belakowitsch einen Arbeitnehmer hier am Rednerpult haben will, bin


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ich da als Arbeitnehmervertreter, meine Damen und Herren! (Abg. Haider: Du hast aber schon lange nichts mehr gearbeitet!) Ich kann Ihnen vieles sagen. Ich sage dir, August Wöginger, jetzt eines: Wenn ein roter Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen hat, in der die Arbeitszeiten länger waren, dann hat man auf die Ge­sundheit geschaut, nämlich auf längere Freizeitblöcke, auf andere Maßnahmen. (Zwi­schenruf des Abg. Haubner. – Abg. Winzig: Lesen!) – Nein, das habt ihr nicht dabei in diesem Initiativantrag. Wir haben auf längere Freizeitblöcke geschaut. Wir haben ge­schaut, dass es den Menschen gut geht (Abg. Haubner: Lesen! Lesen!), dann haben wir abgeschlossen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird immer behauptet, meine Damen und Herren – Kollegin Winzig hat es gesagt –, man hat ja nur in einem Betrieb, in dem es einen Betriebsrat gibt, eine Betriebsverein­barung machen können, damit man länger arbeiten hat können. In einem kleinen Be­trieb, wo es keinen Betriebsrat gegeben hat, hätte man nicht länger arbeiten können.

Kollegin Winzig, ich weiß nicht, ob du dir die Gesetze angeschaut hast. Das Arbeits­zeitgesetz § 7 Abs. 4 – und du warst Laienrichterin, dann weißt du es – sagt nämlich: „In Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, sind Überstunden nach Abs. 4 zulässig, wenn [...] diese zusätzlichen Überstunden im Einzelfall schriftlich vereinbart wurden“.

Das heißt, ich hätte jederzeit schon in der Vergangenheit mit jedem Arbeitnehmer, den ich bei mir im Unternehmen habe, diese Arbeitszeit schriftlich vereinbaren können. Aber die schriftliche Vereinbarung hat man anscheinend nicht gewollt, denn sonst gäbe es ja keine 42 Millionen unbezahlten Überstunden bei uns in Österreich, die eingeklagt werden müssen. Das wird der Grund dafür sein, wieso Sie hier einen Initiativantrag stellen und dieses Gesetz machen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun komme ich zu den Schutzbestimmungen. Da wird hier am Rednerpult von allen Rednern der Regierungsparteien gesagt: Wir haben sogenannte Schutzbestimmungen eingebaut! Da habe ich etwas gehört von einem Kündigungsschutz und allem, was hier heute gefallen ist. – Nichts ist drinnen! Überhaupt nichts ist drinnen! Wisst ihr, was ihr da in dieses Gesetz hineingeschrieben habt? – Einen einzigen Satz. Der lautet: „Wer­den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deswegen gekündigt, können sie die Kündi­gung innerhalb einer Frist von zwei Wochen bei Gericht anfechten“ – nach dem § 105 Abs. 5.

Das war jetzt auch schon möglich. Man konnte auch jetzt schon die Kündigung an­fechten, meine Damen und Herren. Da braucht man das nicht ins Gesetz hineinzu­schreiben. (Abg. Rosenkranz: O ja, wegen des Tatbestands!) – Es gibt keinen Kündi­gungsschutz. Es gibt nichts, was Sie hier sagen. (Abg. Rosenkranz: Das ist schmerz­haft!) Sie beuten hier die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie wirklich wollen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entscheiden, dann stehen Sie hier und heute auf und stimmen unserem Antrag zu einer Volksab­stimmung zu! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Dann werden Sie sehen, was die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in Österreich wirklich wollen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Haben Sie dasselbe genommen wie der Leichtfried?)

14.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gudenus. – Bitte.


14.24.31

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir hier erleben, ist Klassenkampf auf tiefstem Ni­veau. (Ruf bei der SPÖ: Von dir jetzt?)


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Das war aggressiver Klassenkampf beim Redebeitrag des geschätzten Kollegen Wö­ginger, der sich zu Recht beklagt, dass Pflastersteine (Abg. Rosenkranz: Symbol für Frieden und Zusammenarbeit!) vor die Türen von Abgeordneten oder Kollegen (Ruf bei der SPÖ: Hast du Argumente auch?) mit durchgestrichenem Einser und Zweier oder dem Zwölfer – wie auch immer – gelegt werden. Das ist ganz klar auf Ihren Gesin­nungskreis zurückzuführen – überhaupt keine Frage. Auch unseren Abgeordneten in Salzburg ist das passiert, ja. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herrn Reifenberger zum Beispiel, der heute hier ist. Er hat sich zu Recht darüber be­klagt. Dann hört man während seiner Rede aus diesem Hooligansektor (in Richtung SPÖ) aus der letzten Reihe - - (Abg. Schieder: He! – Weitere He-Rufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte nehmen Sie den Ausdruck Hooligan zurück! (Abg. Keck: Genau mit solchen Aussagen provozieren Sie solche Aktionen!)


Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (fortsetzend): Bitte, ich nehme den Ausdruck gerne zurück, wenn es mir der Herr Präsident sagt – mit Vergnügen.

Wir haben jetzt einen zweiten Beweis. Der erste Beweis ist Frau Erasim, die während des Redebeitrags von Herrn Wöginger gesagt hat – nämlich was den Ziegelstein, den Pflasterstein betrifft –: Wer sich vom Weg der Sozialpartnerschaft entfernt, hat nichts anderes zu erwarten. (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ. – Abg. Erasim: Woher wissen Sie das?)

Gut, das wurde von mehreren Leuten gehört. Das heißt aus Ihrer Sicht, den Weg der Sozialpartnerschaft zu verlassen, bedeutet, man bekommt einen Pflasterstein vor die Türe oder vielleicht frei Haus irgendwo anders hin geliefert. Der Herr Kollege, der vor mir gesprochen hat, hat gemeint, mit so einem Redebeitrag provoziert man eben ge­nau das. (Abg. Keck: Nein! ... provozieren!) Das heißt, Sie sind anscheinend zu Ge­walt bereit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wenn wir bei Ihrer putzigen Demo letzten Samstag einen Aufruf zum Staatsstreich hö­ren konnten, nämlich die Regierung zu stürzen, dann ist auch das ein Aufruf zu Gewalt, ein Aufruf, verfassungswidrig die Regierung zu stürzen. (Abg. Rosenkranz: Verfas­sungsschutz! Das BVT muss eingeschaltet werden!) Da sieht man, dass anscheinend die Sozialdemokratie und die Vertreter des ÖGB den Weg des friedlichen Miteinanders verlassen haben. Ich verlange hier eine Entschuldigung der betreffenden Abgeordne­ten und eine Distanzierung seitens des Bundesparteiobmannes Christian Kern! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es haben sich noch zwei weitere Rednerinnen angemeldet. Ich darf die Nächste zum Rednerpult bitten, Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. (Abg. Höbart: Charmeoffensive!) – Ich bitte Sie darum, dass wir die Debatte auch ordnungsgemäß zu Ende führen.


14.27.19

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich glaube, genau das sollten wir tun. (Abg. Höbart: Sympathieoffensive!) Sie werden heu­te ein Gesetz beschließen, das für sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ei­ne Einbahnstraße darstellt, weil es nur in die Richtung derer geht, die anordnen kön­nen. Wenn aber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine andere Richtung einschla­gen wollen, haben sie sich vor Gericht wiederzufinden. (Abg. Haubner: Lesen!) Das steht auch in diesem Gesetzestext drinnen: Man könne ja dann binnen 14 Tagen vor dem Arbeits- und Sozialgericht Einwendungen erheben.


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Wenn sich hier die Stimmung aufgeschaukelt hat, so bedaure ich das im Sinne derer, die zusehen, die sich auch ihr Bild von den Beschwichtigungsversuchen der Regie­rungsparteien machen werden. (Abg. Gudenus: Mit Sicherheit! Von den Gewaltaufru­fen der Opposition!) Sie behaupten, hier ein Gesetz vorzulegen, das wirkliche Wahlfrei­heit – und das Wort strapazieren Sie in fast jeder unserer Nationalratssitzungen, das Wort Wahlfreiheit – bringt. Es gibt aber keine wirkliche Wahlfreiheit insofern, als diese auch Vereinbarkeitsfragen im Sinne der Familien in Österreich aufwirft. Da wissen wir genau, dass Männer etwas weniger arbeiten würden, damit sie mehr Zeit für die Fami­lien haben, während Frauen, die Teilzeit arbeiten, gerne etwas mehr arbeiten würden.

Wir haben die Kinderrechte in der österreichischen Bundesverfassung verankert. Da ist Zeit ein ganz wesentlicher Faktor. Wenn jetzt der 12-Stunden-Tag, wenn die 60-Stun­den-Woche kommt und ich mich vor Gericht wiederfinden muss, weil ich mich zu weh­ren beginne, und wenn ich hier ohne Angabe von Gründen zwar Nein sagen kann, aber beim dritten Nein wieder vor Gericht bin, dann ist das weder im Sinne der Familien in Österreich noch im Sinne der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Es leben ganz viele Menschen allein mit ihren Kindern. Es haben sehr viele Menschen behinderte Kinder. Behinderte Menschen als Erwachsene, ArbeitnehmerInnen, die län­gere Ruhephasen brauchen, werden diese auch nicht erhalten, denn wenn sie zum dritten Mal Nein sagen, werden sie sich auch vor Gericht wiederfinden. Wir haben ein­zelne ArbeitnehmerInnen, zu denen heute so schön gesagt wurde: Da isst man ja ge­meinsam zu Mittag und die Welt ist in Ordnung. – Ich glaube, dieses Mittagessen wird auch bald ein Ende haben, denn diese ArbeitnehmerInnen, die Nein sagen, die sagen: Ich muss mein Kind holen, weil der Kindergarten um zwölf zusperrt!, die werden auch bald zu Ende gegessen haben.

Es ist dies Verantwortung gegenüber Menschen, die mit ihren Kindern alleine leben, gegenüber den österreichischen Familien, die Sie mit diesem Gesetz heute nicht zei­gen. Da sollten Sie sich wirklich ein bisschen bei der eigenen Nase nehmen und uns nicht vormachen wollen, dass das im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Erasim zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte.


14.30.20

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um auf das zurückzukommen, was Kollege Gu­denus vorhin gesagt hat, ist es mir sehr, sehr wichtig (Zwischenrufe bei der FPÖ), hier an dieser Stelle zu erwähnen, dass ich mich von jeglicher Form von Gewalt oder Ge­waltandrohung distanziere und das nicht gutheiße. Mein Zwischenruf hatte lediglich den Hintergrund, zu erklären, warum die Sozialpartnerschaft nach dem Zweiten Welt­krieg entstanden ist, nämlich genau aus dem Grund. (Abg. Gudenus: Tolle Erklärung!)

Ich habe mich auch nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. (Abg. Gudenus: Mit dem Zwischenruf haben Sie nichts erklärt! Nichts! Sie haben nur erklärt, was Pflastersteine sind!)

Dass die Sozialpartnerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg genau deshalb ins Leben gerufen worden ist, damit der Dialog am Verhandlungstisch stattfindet (Abg. Gudenus: Im Parlament, der Dialog! – Zwischenrufe der Abgeordneten Stefan und Deimek), nicht vor den Haustüren von Volksvertretern und Abgeordneten. Deshalb würde ich Sie ersuchen, wieder den Weg zum sozialpartnerschaftlichen Dialog zurückzufinden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine Berichtigung, es geht nur um die Aussage. – Bitte, Frau Kollegin.



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Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (fortsetzend): Ich möchte mich nach wie vor und ganz, ganz deutlich von jeglicher Art von Gewalt distanzieren. (Abg. Gudenus: Ab­gang! Alles klar!) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte.


14.31.56

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe diese Debatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und kann mich nicht ganz des Ein­drucks erwehren, dass Sie so sehr überzeugt davon sind, dass das ein gutes Gesetz ist. Diesen Eindruck habe ich eigentlich aus dieser Debatte nicht wirklich gewonnen. (Beifall bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Belakowitsch und Rosenkranz: Wo waren Sie da?)

Sie haben viele Redner und Rednerinnen herausgeschickt, die uns weismachen woll­ten: Es ändert sich in Wahrheit ohnehin nichts. Dann frage ich Sie: Wofür brauchen wir das Gesetz, wenn sich in Wahrheit ohnehin nichts ändert? Dann sagen Sie wieder: Es verbessert sich etwas für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. – Wenn wir uns die Reaktionen anschauen: Dass die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereini­gung das Gesetz begrüßen, bejubeln, aber die ArbeitnehmervertreterInnen quer durch alle politischen Lager vor diesem Gesetz warnen und die Proteste unterstützen, dann glaube ich, ist ganz klar zu sehen, wem dieses Gesetz nutzen und wem dieses Gesetz schaden wird. Es schadet den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Das aus der Welt zu räumen, haben Sie nicht geschafft. Das ist einfach Faktum. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch die Vorgangsweise, die Sie gewählt haben, haben Sie auch bewiesen, dass Sie wissen, dass dieses Gesetz in höchstem Ausmaß problematisch ist, nicht nur, indem Sie das Gesetz durch das Parlament peitschen. Dann sind Expertenmeinungen laut geworden, die Bedenken, Proteste, geäußert haben. Wie reagieren Sie? – Nicht indem Sie sagen: Okay, wir überarbeiten das, wir überdenken es, wir führen Gespräche, son­dern indem Sie heute in der Früh sagen: Wir machen es jetzt noch schneller, es wird jetzt noch schneller in Kraft treten. (Abg. Hauser: ... damit wir den Wahrheitsbeweis antreten, damit die Hetze aufhört, damit wir zeigen, dass ihr Unrecht habt!) Das zeigt, dass Sie das möglichst schnell hinter sich haben wollen, weil Sie wissen, dass das sehr unangenehm für Sie ist.

Die Frage ist: Warum machen Sie das? Warum macht die ÖVP das? – Die ÖVP macht das, weil sie jetzt die Zinsen für ihre Großspenden zahlt. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Ja, ja!) Das wissen wir alle. Das überrascht uns nicht. Warum aber, sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen, machen die Freiheitlichen so ein Gesetz? (Abg. Ro­senkranz: Gute Gesetze machen wir immer!) Warum? (Ruf bei der FPÖ: Warum Grabkerzen?) Was haben Sie davon? (Beifall bei der SPÖ.)

Bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen, kommt ja intern, bei Ihren Mitgliedern, bei Ihren Funktionären, auch schon gute Stimmung auf. (Abg. Kern: Beim Heurigen!) Klubobmann Rosenkranz hat ja auch schon ein entsprechend desas­tröses Ergebnis bei seinem Landesparteitag bekommen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Arbeitnehmervertreter verlassen Ihre Partei. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Ihre Wähler wissen es zum Teil schon, wundern sich und sagen: Es tut ihnen leid, dass sie freiheitlich gewählt haben. Die anderen werden noch draufkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Nerven liegen blank, so blank, dass es sogar bei Ihrem Klubheurigen schon zu ei­ner Schlägerei gekommen ist. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich prophezeie Ih­nen, sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: An diesen heutigen Tag, an diesen Beschluss werden Sie sich noch gut erinnern. Sie werden sich gut da-


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ran erinnern, wenn es zum zweiten Knittelfeld kommt (Heiterkeit bei der FPÖ), wenn es bei Ihnen in die Luft geht. Die Stimmung baut sich schon auf. Das kann man ja sehen. (Abg. Deimek: Sie sollten sich auf Ihren Parteitag im Herbst freuen!) Dann werden Sie sich daran erinnern, dass das mit dem heutigen Beschluss, dem Sie hier zustimmen, den Ausgang genommen hat.

Aber wir geben Ihnen heute noch eine Möglichkeit, aus diesem Dilemma, in dem Sie ganz sicher stecken, einen Ausweg zu finden. Wir bringen einen Antrag für eine Volks­abstimmung ein. Wenn Sie der Meinung sind – wenn Sie wirklich der Meinung sein sollten, was ich nicht glaube –, dass das ein gutes Gesetz ist, dann bringen Sie es zur Abstimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als vorläufig letzte Rednerin ist Frau National­rätin Hammerschmid an der Reihe. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.36.49

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Ga­lerie! Wie zynisch ist das denn? Wir sollen heute in diesem Parlament, in diesem Ho­hen Haus ein Gesetz beschließen, das die Erhöhung der Tagesarbeitszeit auf 12 Stun­den und eine 60-Stunden-Woche beinhaltet. Gleichzeitig budgetieren Sie die Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung mit, sage und schreibe, 1 000 Euro für die nächsten zwei Jahre, und damit nicht genug: Sie halbieren auch noch die Mittel für den Ausbau der ganztägigen Schulen auf die Hälfte und strecken den Zeitraum bis 2032. (Ruf bei der FPÖ: Das haben wir Ihnen schon letztens erklärt!)

Damit verunmöglichen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, den vielen Frauen, die jetzt schon 8 Stunden arbeiten wollen, dass sie dies auch tun, und die Alleinerzieherinnen, 160 000 in Österreich, schicken Sie sowieso in prekäre Situationen – und dann erst recht, bei 12 Stunden täglich und 60 Stunden in der Woche! Wie soll denn das funktio­nieren? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Damit outet sich aber auch die Familienpartei ÖVP und zeigt ihr wahres Gesicht. Wenn Sie dieses Gesetz ernst meinen, müsste Ihnen doch der Ausbau der ganztägigen Schule ein ganz besonderes Anliegen sein. Es waren 750 Millionen Euro, die wir gesi­chert hatten, um eines zu schaffen: ein flächendeckendes ganztägiges Angebot für un­sere Schülerinnen und Schüler – und zwar für 40 Prozent der Schülerinnen und Schü­ler –, in einem Radius von 20 Kilometern, also leicht zu erreichen, sodass es für die El­tern auch leistbar und machbar ist.

Es war ein Programm, das zum Inhalt hatte: hervorragende Pädagogik, Innovation, In­klusion und vor allem auch die Ferienbetreuung. Diese war uns ganz wichtig, weil wir wissen, dass es die Eltern mit diesen langen Ferienzeiten kaum schaffen können, die Betreuung ihrer Kinder entsprechend sicherzustellen. All das schieben Sie auf die lange Bank und verunmöglichen Sie für ganz, ganz viele. Wir wollten sie vor allem auch jenen Kindern zugänglich machen, die es ganz besonders nötig haben, deren El­tern es nicht schaffen, Nachhilfe zu bezahlen und ihr Kind besonders zu unterstützen.

Das ist alles weggeschoben, auf die lange Bank geschoben. Erst gestern gab es einen Ministerratsvortrag von Kollegen Faßmann, der zum Inhalt hatte, dass das Bildungsin­vestitionsgesetz zu ambitioniert wäre, dass Bedarfsgerechtheit und Wahlfreiheit im Mit­telpunkt stehen müssten. Wahlfreiheit heißt aber auch, dass die Angebote da sein müssen. Was heißt das für ganztägige Schulen? – Es gilt, Infrastruktur zu bauen, Men­sen zu bauen, sodass die Kinder, gemeinsam mit den Pädagoginnen und Pädagogen, auch einen ansprechenden Lebensraum in dieser ganztägigen Schule haben – das dau­ert.


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Wenn Sie das Wort Wahlfreiheit ständig in den Mund nehmen, dann lassen Sie sich gesagt sein: Es geht darum, Angebot bereitzuhalten, damit man diese Wahlfreiheit auch in Anspruch nehmen kann. Wenn wir in die Statistiken schauen – und es gibt eine recht aktuelle Studie dazu –, dann arbeiten fast 50 Prozent der Frauen in Teilzeit. Wenn man sie fragt, warum, dann sagen 49 Prozent von ihnen, wegen der Betreu­ungsverpflichtungen, die sie haben. Fragt man weiter, dann sagen 38 Prozent von ih­nen, dass sie gerne ganztägige Angebote hätten. (Abg. Zanger: Die soll’n daham bei den Kindern bleiben!) Nur 8 Prozent von den Befragten sagen, dass sie diese ganz­tägigen Angebote auch haben. Ein Bedarf, der 4,75-mal höher ist als das, was wir hier und jetzt haben.

Wenn Sie es ernst meinen, dann erhöhen Sie sofort die Budgets für die Kinderbetreu­ung in den Kindergärten, bauen Sie diese auf einen vernünftigen Rahmen aus, machen Sie endlich die Weiterverhandlungen für diesen Ausbau der Kindergartenplätze und führen Sie das Bildungsinvestitionsgesetz in die ursächliche Fassung zurück, nämlich: ein Angebot für 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler bis 2032. Alles andere wäre Klientelpolitik auf dem Rücken der Kinder und auf dem Rücken der Pädagoginnen und Pädagogen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


14.41.27

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich will mich heute an Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete von ÖVP und FPÖ, wenden. Ist Ihnen bewusst, was es bedeutet, wenn wir am Ende dieser Debatte zur Abstimmung schreiten und wenn Sie, meine Damen und Herren, für diesen Gesetzent­wurf stimmen? Ist Ihnen bewusst, dass Sie, wenn Sie für diesen Gesetzentwurf stim­men, rund 3,7 Millionen Menschen in unserem Land bestehlen? Sie bestehlen die Men­schen, indem Sie ihnen ihre Freizeit, ihr Geld und ihre Gesundheit rauben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen in Österreich werden ihrer Freizeit beraubt. Sie machen die Ausnahme mit dem 12-Stunden-Tag zur Regel. Ihre Gesetzesvorlage zeigt eindeutig, es gibt keine gesetzlich abgesicherten Freizeitblöcke. Freiwilligkeit gibt es im Gesetz nicht. Das be­deutet, dass die Menschen in Österreich bis zu 30 Prozent mehr Überstunden im Jahr leisten müssen. Sie können froh sein, wenn sie überhaupt noch 8 Stunden Schlaf ha­ben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, weiters berauben Sie die Menschen in Österreich ihres Geldes. Der Gesetzentwurf wird dafür sorgen, dass sie die Zuschläge in der Gleitzeit nicht mehr abgegolten bekommen. Betriebsvereinbarun­gen und die darin enthaltenen besseren Zuschläge fallen weg.

Und mehr noch: Sie rauben den Österreicherinnen und Österreichern die Gesundheit. (Abg. Zanger: ... Blödsinn, das werden die Leute dann schon merken!) Es ist bewie­sen, dass ab der 10. Arbeitsstunde das Risiko von Unfällen stark erhöht ist. Wenn Men­schen nach 12 Stunden Arbeit noch einen langen Heimweg mit dem Auto antreten müssen, dann ist das Risiko für Unfälle massiv erhöht. Das ist nur eine kleine Auswahl an Argumenten, warum dieser Gesetzesantrag nicht einmal das Papier wert ist, auf dem er geschrieben wurde.

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Ziehen Sie diesen Antrag zurück! Keh­ren Sie zurück an den Verhandlungstisch in den Sozialausschuss! Eines sei Ihnen


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noch gesagt: Wenn Sie für die Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich eine gu­te Veränderung bringen wollen, dann führen Sie die 35-Stunden-Woche und die sechs­te Urlaubswoche für alle ein. (Beifall bei der SPÖ. – Ah-Rufe und Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

14.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lai­mer. – Bitte.


14.44.06

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! ÖBB-Pflastersteine und Grabkerzen waren das heutige Wording der schwarz-blauen Einheitspartei (Unruhe bei FPÖ und ÖVP), um vom wahren Inhalt dieses Ge­setzes abzulenken (Abg. Belakowitsch: Entschuldigen Sie sich! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), aber täuschen Sie sich nicht: Mit dem Eisenbahner-Bashing tun Sie sich nichts Gutes. Das ist eine sehr stolze Community. (Ruf bei der ÖVP: Auf Staats­kosten! – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Machen Sie die Eisenbahner nicht zornig! Meine Damen und Herren, es bleibt alles gleich, lautet die Losung der Re­gierung, und doch wird sich alles ändern, aber nicht freiwillig für die Arbeitnehmer. (Ruf bei der ÖVP: Na, geh!)

Meine Damen und Herren, in Zeiten der Digitalisierung, Robotisierung, Vollautomatisie­rung einen 12-Stunden-Tag, eine 60-Stunden-Woche einzuführen, das ist, mit Verlaub gesagt, jenseits. Nur Zypern arbeitet im EU-Vergleich mehr als wir Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Lopatka: Armer ...!)

Work-Life-Balance ist die Formel des 21. Jahrhunderts, nicht Knechtschaft von weni­gen machttechnokratischen Konzernherren, denen Sie verpflichtet sind. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Die Massen sind zornig. Es ist nämlich eine Unkultur, mit Speed kills in die Arbeitneh­merschutzbestimmungen einzugreifen und Betriebsräte zu desavouieren, meine Da­men und Herren. An die Frau Minister: Da sie sich als Karl-Marx-Fan geoutet hat, möch­te ich gerne aus dem „Kapital“ zitieren. (Abg. Nehammer: Ja, das könnte passen! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Passen Sie auf!

Der Unternehmer „behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich [...] zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße be­schränken will.“

Das bedeutet heute übersetzt 8/40. Das Ziel ist sicher Arbeitsverkürzung und 6/30. –Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anto­ni. – Bitte.


14.46.48

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Ich denke, heute werden viele Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete ein Gesetz beschließen, von dem sie wahrlich nicht persönlich überzeugt sind. (Ruf bei der FPÖ: O ja!) Ich möchte heute wirklich ganz speziell an meine Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen aus meiner Heimatregion, dem Waldviertel, appellieren: Bitte besinnt euch des­sen, was ihr heute vorhabt!

Ich möchte das insofern begründen, als dass gerade wir im Waldviertel wirklich hervor­ragende Wirtschaftsbetriebe in der Baubranche haben. Ganz speziell wird das Hand-


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werk bei uns im Waldviertel gelebt, und viele Menschen aus dem Waldviertel sind Ta­gespendler in die Region Wien.

Jetzt schauen wir uns einmal die täglich geübte Praxis dieser Tagespendler, wie das funktioniert, an. Die Leute fahren jetzt und auch in Zukunft 30 Minuten mit ihrem Privat­fahrzeug zum Bahnhof, zum öffentlichen Verkehrsmittel, quasi zur Schiene. Die durch­schnittliche Fahrzeit nach Wien, Franz-Josefs-Bahnhof oder Heiligenstadt, beträgt 2 Stun­den. Dann müssen sie, sagen wir einmal, noch mindestens 30 Minuten zum Arbeits­platz fahren. Das ist eine tägliche Anreise von 3 Stunden. Sie ermöglichen jetzt den
12-Stunden-Arbeitstag, das heißt, 3 Stunden Anreise, 12 Stunden Arbeit, somit sind wir bei 15 Stunden. Mit den 12 Stunden ist es ja nicht getan. Sie müssen die unbezahlten Pausen miteinrechnen, zu den 12 Stunden kommt eine Stunde dazu, jetzt sind wir bei 16 Stunden. Dann müssen die Menschen nach Hause fahren, und wir sind bei 19 Stun­den. Der Tag hat aber nur 24 Stunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt frage ich mich, was beschließen Sie als Nächstes? Wollen Sie den Tag auch noch auf 30 Stunden verlängern, damit, so wie wir es heute von der FPÖ bereits gehört haben, ein 60-Stunden-Tag angedacht sein könnte? (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, dieses Gesetz bietet keine Zeit mehr für die Familie, die Freunde, für Vereine, für die Freiwilligenorganisationen. Dieses Gesetz ist familien­feindlich, vereinsfeindlich und gesundheitsfeindlich. Geschätzte Damen und Herren, wenn Sie schon unserer Argumentation nicht glauben, liebe Kolleginnen und Kollegen – spe­ziell meine Kollegen aus dem Waldviertel –: Schauen Sie doch, was auf Ihren eigenen Facebook-Seiten gepostet wird! Ich möchte nur ganz kurz einen Aspekt der Postings erwähnen: Das mit der Freiwilligkeit ist Theorie. Das wird massenweise bei euch ge­postet. Die Praxis ist meilenweit davon entfernt. (Ruf bei der ÖVP: Haben Sie das or­ganisiert?) Viele schreiben, sie werden euch diese Gedanken in persönlichen Mails mit­teilen. Bitte lest eure eigenen Mails!

Zur Freiwilligkeit abschließend noch ein Punkt: Frau Minister, das müssen Sie mir schon erklären: Wenn jetzt die arbeitenden Menschen aus dem Waldviertel mit dem Bus nach Wien auf die Baustelle fahren, sitzen sechs freiwillige und hochqualifizierte Facharbei­ter drinnen, drei möchten jetzt nur freiwillig länger arbeiten und drei möchten aber nicht freiwillig länger arbeiten.

Sie treiben einen Keil in die Arbeitnehmerschaft hinein, oder Sie schicken dann die Gruppen mit zwei Bussen nach Wien. Das ist alles unrealistisch, das ist nicht durch­führbar. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Was ist unrealistisch?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle, Sie, Frau Minister, haben die Verantwortung, gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Menschen gesund und lange im Arbeitsprozess ihre Leistung bringen können. Da­her bitte ich Sie heute, stimmen Sie diesem Gesetz nicht zu und lassen Sie das Volk darüber entscheiden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

14.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ku­cher. – Bitte.


14.50.43

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich darf alle, die dieser Debatte lauschen, vielleicht noch bit­ten, Danke an ÖVP und FPÖ zu sagen. Man merkt es hier an dieser heiteren Stim­mung, die fast schon eine Zeltfeststimmung ist, man steht da zusammen, sitzt gar nicht mehr, man ratscht und ist mitten in der Sommerpause. (Abg. Rosenkranz: Mach ein­mal die Augen auf, bevor du den Mund aufmachst!) Vielleicht kann man diesen Damen


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und Herren von der ÖVP und der FPÖ einfach einmal Danke sagen. Jahrelang ist euch allen erklärt worden, und in Wahrheit verstärkt in den letzten Tagen und Wochen, dass alle, die heute gegen dieses Gesetz sind, einfach keine Ahnung haben, ein bisschen blöd sind und den Segen des neuen Gesetzes nicht nachvollziehen können.

Das haben wir alle gehört, aber das muss ich insofern widerrufen, denn schuld ist ja ei­ne ganz, ganz große sozialistische Verschwörung. Da haben sich nämlich die Bischöfe in Österreich, der schwarze Arbeiterkammerpräsident in Tirol, zig Experten und Exper­tinnen wie die Feuerwehr, das Rote Kreuz, die Oppositionsparteien, alle haben sich zu einer sozialistische Revolution gegen den Segen des 12-Stunden-Tages zusammenge­tan. Deshalb könnt ihr alle gar nichts dafür, denn ihr seid alle manipuliert worden. (Hei­terkeit und Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Gott sei Dank gibt es in diesem Haus ein paar Experten, die dann erklären können, was wirklich Sache ist. Eine Expertin ist zum Beispiel die Frau Ministerin Schramböck, die hat nämlich nicht nur bei den Cocktailempfängen in der Industriellenvereinigung das Herz und das Ohr ganz nah am Volk, nein, sie hat uns auch heute erklärt, was die wirklichen Sorgen sind. Wenn sie unterwegs ist, dann hört sie immer, dass es die größte Sorge von Leuten, die in Österreich arbeiten, ist, wenn es schönes Wetter gibt. Die sagen dann nämlich nicht, sie möchten gerne zum See, sondern sie möchten wei­terarbeiten: Bitte, bitte, bitte, darf ich länger arbeiten, der See kann warten, bei schlech­tem Wetter ist es dann gut genug! – Das war die Frau Schramböck. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Der zweite Experte ist der Herr Klubobmann Rosenkranz. Der Herr Klubobmann Ro­senkranz weiß ja, Gott sei Dank – da muss ich ja Danke sagen –, wie es in Österreich in den Betrieben zugeht. Er erklärt uns nämlich heute, wie es in Zukunft sein wird. Die Verkäuferin beim Billa wird in Zukunft entscheiden, wann der Billa aufsperrt und wann nicht, das wird man sich aussuchen können: Morgen passt es gut, heute sperren wir ein bisschen früher zu. – Das ist natürlich die Realität. Danke, Herr Klubobmann Ro­senkranz, so wird es genau funktionieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider gibt es dann noch ein paar unbelehrbare Zweifler, die sich weiterhin Sorgen ma­chen, die so ganz einfache, blöde Fragen stellen. Zum Beispiel: Wenn ich 12 Stunden arbeiten muss und der Kindergarten gar keine 12 Stunden offen hat, wie soll das Gan­ze funktionieren? – Eine blöde Frage.

Es gibt auch andere Fragen, über die man zum Beispiel diskutieren kann: Wenn das Ganze so ein Segen ist, ein Zuckerle für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, warum sind dann eigentlich nur die Wirtschaftskammer und die Indus­triellenvereinigung dafür? Wenn dieses Gesetz so Weltklasse und so super ist, warum muss man das ganze Gesetz schon reparieren, obwohl es noch gar nicht beschlossen ist? – Unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)

Da gibt es Dinge wie die Freiwilligkeit. Die Frau Ministerin war wenigstens so fair und hat gesagt, ja, Freiwilligkeit stimmt nicht ganz, das ist leider nicht so wirklich freiwillig, und hat das deswegen auch reparieren müssen. Und das beste Argument ist ja über­haupt: Es wird alles gleich bleiben, es wird sich gar nichts ändern, es bleibt so, wie es ist in Österreich. – Deswegen müssen wir ja auch das Gesetz ändern, sehr logisch. (Beifall bei der SPÖ.)

All diesen Menschen richtet dann der Sebastian Kurz aus, wurscht, wir fahren drüber, denn sein guter alter Freund und Mentor, der Wolfgang Schüssel, hat dem Sebastian eines mitgegeben: Speed kills, fahr drüber, diskutier nicht, mach das, was deine Groß­spender vor der Wahl auch von dir erwartet haben, die haben dir genug Geld gegeben. Mach das, denn geht es den Großspendern gut, dann geht es auch dem Sebastian gut, und alle sind glücklich. – Das ist leider die neue Volkspartei. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte abschließend sagen, es gibt in diesen Reihen sowohl bei der ÖVP als auch bei der FPÖ noch genug Menschen, die wissen, dass das, was wir heute beschließen, kein Spiel ist, so wie es heute geheißen hat. Das hat Auswirkungen auf das Leben von Menschen. Diesen sind wir allen, glaube ich, im Wort und sollten wirklich dafür kämp­fen, dass das Leben dieser Menschen verbessert wird, und zwar das Leben aller Men­schen und nicht nur einiger weniger. Denn was ich nicht haben möchte – und da möch­te ich nur den AK-Präsidenten aus Tirol zitieren –, ist, ich möchte keine amerikani­schen Verhältnisse in Österreich haben, wo es Lobbyisten gibt, wo es Großspender gibt, die sich mit dem nötigen Geld Politik einfach kaufen können. Ist das bei uns schon normal, dass das so in Österreich abläuft, dass es Großspender gibt, eine Karte gibt, dass es dann blödsinnige Videos gibt? Diese amerikanischen Verhältnisse brauchen wir nicht in Österreich! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Wenn es schon die ÖVP nicht macht, dann bitte ich wenigstens die FPÖ: Steht auf und steht zu dem, was ihr vor der Wahl gesagt habt! Ihr seid bei Ceta umgefallen, die ÖVP ist beim Raucherschutz umgefallen, steht wenigstens jetzt zu eurer Meinung und lasst die Bevölkerung entscheiden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Wie lange haben Kindergärten in Kärnten offen?)

14.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Einwall­ner. – Bitte.


14.55.21

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Mich hat der Klubobmann Wöginger ein bisschen zu diesem Beitrag provoziert, als er heute am Vormittag gemeint hat: Ich habe meinen Klub im Griff und ich habe den ÖAAB im Griff, denn ich bin der starke Gust Wöginger.

Damit jetzt nicht der ganze Druck so massiv auf dem Tiroler Arbeiterkammerpräsiden­ten lastet, habe ich einen weiteren ÖVPler (Abg. Wöginger: Den Hämmerle!), den Ar­beiterkammerpräsidenten Hämmerle. (Abg. Nehammer: Da muss man lange su­chen!) – Nein, da muss man nicht lange suchen. Lieber Karl Nehammer, da muss man nicht lange suchen, wenn man die Kritik von Hubert Hämmerle an diesem Gesetz hören will. Er sagt nämlich: Die finanziellen Zuwendungen, die die ÖVP von der Wirt­schaft bekommen hat, werden jetzt mit Zins und Zinseszinsen zurückbezahlt. Die jüngste Rückzahlung, die die ÖVP hier leistet, ist radikal und einseitig. Das Arbeitszeitflexibili­sierungsgesetz ist radikal und einseitig und geht total an den wesentlichen Punkten vorbei. (Beifall bei der SPÖ.) Mit dieser Regelung fährt man über die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer drüber, meint ÖVP-, ÖAAB-Insider Hubert Hämmerle, Arbeiter­kammerpräsident Vorarlberg. – Nur so viel dazu, wie Sie den Laden im Griff haben. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, da es ja die ÖVP ist, die sich ständig hier im Haus als Fa­milienpartei aufspielt: Die Familien zahlen drauf und sie zahlen gerade in den Regio­nen drauf, dort, wo es die ÖVP über Jahrzehnte verabsäumt hat, Kinderbetreuung aus­zubauen, dort wird die Situation besonders schwierig sein, in den westlichen Bundes­ländern, in Tirol, in Vorarlberg, wo am meisten Schließtage sind, wo die Kinderbetreu­ung am schlechtesten ausgebaut ist. – Danke, ÖVP, Sie waren eine Familienpartei (Abg. Wöginger: Familienbonus!) und werden es in Tirol nicht mehr werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Dort sind die Familien am zufriedensten!)

Es zeigt sich die Ignoranz dieser Regierung, wenn hunderttausend Menschen auf die Straße gehen und wenn Sie – nicht nur heute hier im Haus – das herunterspielen und sagen: Ja eigentlich waren das eh nur wenige Einzelne. Aber wissen Sie, was beson­ders bedauerlich ist? Dass sich der Bundeskanzler hinstellt und so tut, als ob die Vor-


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arlberger Demonstranten quasi zu einem Wochenendurlaub eingeladen wurden – das stellt es nämlich so im Raum und er nimmt es auch nicht zurück. (Abg. Wöginger: Wer denn?) – Der Bundeskanzler Kurz hat gesagt: Na, die Vorarlberger Demonstranten werden eh alle von der Arbeiterkammer eingeladen. – Das ist einfach falsch und stimmt so nicht und ich erwarte mir auch von einem Bundeskanzler, dass er bei der Wahrheit bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erwarte mir, dass der Bundeskanzler bei der Wahrheit bleibt, und ich erwarte mir, dass hunderttausend Menschen ernst genommen werden. Wenn Sie schon die Exper­ten hier im Haus nicht ernst nehmen, aber die hunderttausend Menschen sollen ernst genommen werden, die Menschen, die Österreicherinnen und Österreicher müssen ernst genommen werden. Und deshalb: Stimmen Sie unserem Antrag zu, eine Volks­abstimmung darüber zu machen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kat­zian. – Bitte. (Oh-Rufe und Beifall bei der SPÖ für den sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Katzian. – Abg. Rosenkranz: Ist sogar für die SPÖ ein Wunder, dass sie ihn so beklatschen! – Abg. Gudenus: Der neue Parteichef!)


14.59.09

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich bedanke mich für die freundliche Aufforderung, dass ich das Wort ergreifen soll. Ich hätte es vorgehabt, auch wenn Sie mich dazu nicht eingeladen hätten, aber sei es darum.

Ich kann Ihnen sagen, dass ich seit heute Vormittag die Debatte ganz gezielt mitver­folgt habe. Wenn man sich anhört, was die verschiedenen Rednerinnen und Redner gesagt haben, dann ist eigentlich alles paletti. Mit Schalmeientönen wurde verkündet, es wird sich nichts ändern, keiner braucht länger zu arbeiten, alles wird super, Milch und Honig werden fließen. – Das einzige Problem ist aber, und das Problem haben Sie auch in den Regierungsparteien und wissen das ganz genau: Die Leute glauben Ihnen das nicht, es glaubt Ihnen das einfach niemand. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Wenn es so wäre, dann hätten Sie nicht alle möglichen Befindlichkeiten und Probleme mit Parteitagsergebnissen, Streitereien beim Heurigen, Arbeitnehmervertretern, die austreten – auch in der ÖVP. Ihr wisst das alle. Gust (in Richtung Abg. Wöginger), die schicken mir ja auch die E-Mails und Briefe, die du bekommst, teilweise in Kopie. Da gibt es auch ganz viele, die sagen: Macht das in dieser Art und Weise nicht, das scha­det uns! Und offensichtlich gibt es – ich weiß es nicht – höhere Mächte oder Vorgaben oder Bestimmungen oder Ziele, dass man das trotzdem umsetzen muss.

Herr Klubobmann Gudenus, ich bin übrigens nicht selbsternannt, ich wurde vor zwei­einhalb Wochen mit 91,6 Prozent zum ÖGB-Präsidenten gewählt. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Fakt ist, in den letzten zweieinhalb Wochen haben halt immer mehr Leute erkannt, dass das, was hier stattfindet, ein Angriff auf die Geldbörsen, ein Angriff auf die Ge­sundheit und ein Angriff auf die Freizeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist. Wir haben begonnen, die Kolleginnen und Kollegen zu informieren, wir haben gesagt, was droht, wenn dieses Gesetz in dieser Art und Weise beschlossen wird. Gestern wurde die Zahl von 2 000 Betriebsversammlungen in ganz Österreich überschritten (Beifall bei der SPÖ), und wir haben die Kolleginnen und Kollegen informiert. Wir ha­ben am letzten Samstag eine sehr, sehr große Demonstration mit über 100 000 Teil­nehmerinnen und Teilnehmern in Wien gemacht. (Abg. Gudenus: 10 Millionen!) Und da Sie heute die Frage gestellt und versucht haben, friedlich demonstrierende Gewerk­schafterinnen und Gewerkschafter (Abg. Gudenus: Laut Polizei 30 000!) ins kriminelle


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Eck zu stellen, ins gewaltbereite Eck (Abg. Gudenus: Verbale Gewalt!), sage ich Ihnen eines: 100 000 Menschen sind am letzten Samstag in Wien unterwegs gewesen. Es ist keine Fensterscheibe zu Bruch gegangen, es ist kein Gartenzaun niedergetreten wor­den, es ist absolut nichts passiert! (Beifall bei der SPÖ.) Friedlich, friedlich, das ist die Gewerkschaft, meine Damen und Herren, genau das! (Beifall bei der SPÖ.)

Diejenigen, die sich besonders engagieren und die sich auch sehr intensiv mit diesem Gesetz beschäftigt haben, sind über 60 000 Betriebsrätinnen und Betriebsräte und Per­sonalvertreter in Österreich. Das sind jene, die von Ihnen, von der FPÖ als die Anwälte der Besachwalteten bezeichnet wurden. In Wahrheit sind das jene, liebe Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag ihre Arbeit im Interesse der Kolleginnen und Kollegen im Betrieb machen, sie bemühen sich jeden Tag – nicht im Scheinwerferlicht der Öffent­lichkeit, ohne Fernsehkameras und ohne allem –, darum, für Probleme im Betrieb klei­ne und große Lösungen zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss mit der Arbeit dieser Betriebsrätinnen und Betriebsräte nicht immer zufrie­den sein. Man kann auch sagen, da haben sie einmal überzogen oder dort waren sie zu weich. Ja, das ist ganz, ganz lebendige tägliche Gewerkschaftsarbeit, solche Dis­kussionen haben wir jeden Tag, aber sie so zu verunglimpfen, sie hinzustellen, als wä­ren sie das Letzte auf der Welt und würden nicht die Interessen der Leute vertreten, das halte ich auch demokratiepolitisch für einen ganz, ganz schweren Angriff, der da gestartet wurde. Betriebsrätinnen und Betriebsräte, Gewerkschaftsbewegung, das sind Grundrechte unserer Demokratie. Bitte überlegen Sie, bevor Sie solche Dinge infrage stellen! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Sie haben zum Dialog aufgerufen. Ich habe in meiner Rede am ÖGB-Kongress den Dialog angeboten. (Abg. Hafenecker: Was Sie mit der Sozialministerin am Kongress gemacht haben!) Ich habe die Hand gereicht und gesagt, ich biete allen, die mit uns reden wollen, den Dialog an. (Abg. Rosenkranz: Das hat die Sozialministerin dort ge­sehen!) Ich kann Ihnen sagen: 10 Minuten nach dem Kongress haben Sie den Antrag hier im Parlament eingebracht. 10 Minuten nachher! Es hat bis zur Stunde keinen Dia­log, kein Gespräch in irgendeiner Art und Weise mit dem ÖGB oder mit der Arbeiter­kammer gegeben. Ich sage das auch nur deshalb, damit klar ist, wovon hier gespro­chen wird: Der Dialog wurde seitens der Bundesregierung und seitens der Einbringer nicht ernst genommen respektive verweigert. Das ist so.

Ich möchte jetzt nicht mehr auf inhaltliche Details eingehen, da diese heute aus meiner Sicht ausreichend diskutiert wurden. Ich möchte Ihnen nur sagen: Heute am Vormittag hat der Vorstand der Firma Plansee, ein tolles Unternehmen in Tirol, eine Pressekon­ferenz abgehalten, und im Zuge dieser Pressekonferenz kam auch das Thema der Ar­beitszeit zur Sprache. Die Vorstände haben natürlich gesagt, sie begrüßen das, was jetzt kommt – das war keine Überraschung –, aber sie sagen gleich dazu, Kollektivver­träge, Überstundenzuschläge, das alles bleibt, wie es ist. Auf Nachfrage ist dann von den Vorständen gesagt worden: Na ja, aber die Betriebsvereinbarungen, die wir haben, müssen wir überprüfen und diskutieren. (Abg. Rosenkranz: Und?)

Also bitte, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ganz klar, welcher Masterplan da dahinter steht: Aushebeln bestehender Arbeitszeitregelungen, Nutzung der elften und zwölften Stunde – darum geht es und um nichts anderes. (Bei­fall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Meine Damen und Herren, Sie können die Gewerkschaftsbewegung angreifen, auch das ist in einer Demokratie erlaubt. Sie können einzelne von uns angreifen, auch das ist möglich und erlaubt. Aber ich sage Ihnen, auch wenn Sie jemanden von uns oder mich persönlich angreifen: Wir sind keine Führerorganisation. Bei uns geht es nicht da­rum, dass einer vorne ist, und wenn man dem wehtut, gehen alle in die Knie. Wenn Sie mir wehtun, kommen zwei andere. Wir sind eine gewerkschaftliche Hydra, wenn Sie


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einen wegschicken, kommen zwei hintennach, und das wird Ihr Albtraum, meine Da­men und Herren! (Lebhafter Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Ich möchte Ihnen ganz zum Schluss sagen: Bitte lernen Sie aus der Geschichte (Abg. Gudenus: Das ist wirklich das Letzte!), bitte hebeln Sie nicht die Betriebsdemokratie aus! Wenn Sie die Gewerkschaften brechen wollen, dann wird das ein großes Problem und eine ordentliche Auseinandersetzung. Wenn Sie Ihre Art der Pressefreiheit durch­setzen wollen, dann wird das eine Auseinandersetzung. Wenn Sie eine Demokratie ge­gen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer errichten wollen, wenn Sie die Demokra­tie, für die gerade die österreichische Gewerkschaftsbewegung in ihrer Geschichte und viele Menschen dieser Bewegung unter Einsatz ihres Lebens gekämpft haben, wenn Sie diese Elemente infrage stellen, dann wird das ein Problem werden. Ich sage Ihnen: Bitte passen Sie auf, machen Sie aus diesem tollen Land nicht ein Land der permanen­ten Auseinandersetzung! Stellen Sie die Sozialpartnerschaft, die für den Wohlstand dieses Landes wesentlich ist, nicht infrage! 70 Prozent der Menschen in Österreich schätzen und wollen die Sozialpartnerschaft.

Peter Haubner, wir haben so viele Dinge gemeinsam gestaltet und verhandelt, ich war daher heute entsetzt, ich war wirklich entsetzt, wie du hier vom Rednerpult aus ver­kündet hast, dass das das Ende der Sozialpartnerschaft ist. Ich kann dir sagen, wir sind nicht die, die die Sozialpartnerschaft aufkündigen, aber die Voraussetzung (Abg. Nehammer: Pflastersteine!) zum Funktionieren einer Sozialpartnerschaft ist, dass auf Augenhöhe miteinander umgegangen wird und dass es einen Dialog gibt. Und wenn mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Vertretern nicht gesprochen wird (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz), wenn mit uns – und wir sind eine Interessenver­tretung – nicht gesprochen wird, dann werden wir versuchen, im legalen Bereich alles zu tun (Abg. Nehammer: Pflastersteine!), was möglich ist, um die Dinge, die notwendig sind, um Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, auch entsprechend durchzusetzen.

Wir haben den Fokus bis zum heutigen Tag auf das österreichische Parlament gelegt, da hier die Debatte und heute die Abstimmung erfolgen. Wir werden den Fokus in den nächsten Tagen auf den Bundesrat legen, da im Bundesrat die nächste Abstimmung folgen wird. Dann werden wir das Scheinwerferlicht auf die Besteller richten. Für den Fall, dass kein ordentlicher Dialog stattfindet, wünsche ich Ihnen viel Spaß damit. (Bei­fall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Haider: Pflastersteine!)

15.09

15.10.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich würde um Aufmerksamkeit bitten, es gibt ein sehr reichhaltiges Abstimmungskon­volut, damit es dann nicht heißt, es wäre etwas unter den Tisch gefallen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wünscht die Berichterstatterin beziehungsweise der Berichterstatter zu den Tagesord­nungspunkten 2 und 3, die unter einem verhandelt wurden, das Wort? – Das ist auch nicht der Fall.

Daher kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Verhandlungsgegenstand ge­trennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1, also über den im An­trag 303/A der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Klinger, Kolleginnen und Kol­legen enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeits­zeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 133

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag des Abgeordneten Loa­cker, Kolleginnen und Kollegen, ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen und ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Loacker vor.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Kern, Kolleginnen und Kollegen beantragt, den gegenständlichen Gesetzentwurf nach Beendigung des Verfahrens gemäß Arti­kel 42 der Bundesverfassung, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsi­denten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abstimmung über den Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung wird ge­mäß § 84 Abs. 2 der Geschäftsordnung nach der dritten Lesung erfolgen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 2 sowie Art. 2 Z 2 in der Fas­sung des Initiativantrages der Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kolle­gen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 1 und 4.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zei­chen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen nun zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 5.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Initiativantrages der Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Wöginger, Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 7.

Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Jetzt kommen wir zum Abänderungsantrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 8.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Wöginger, Rosenkranz, Kolle­ginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einfügung einer Z 10a in Art. 1.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 134

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages der Abgeordneten Wöginger, Ro­senkranz, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung erteilen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantrages der Abgeordneten Haubner, Klinger, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, tragen den Namen der Abgeordneten und die Bezeichnung „Ja“ beziehungsweise „Nein“.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich zur Hinterlegung des Stimmzettels in der bereitgestellten Urne aufgerufen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung stimmen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die dagegen stimmen, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Zanger, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Herr Abgeordneter Gahr wird ihn dabei später ablösen. – Bitte sehr.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Zanger und Gahr werfen die Abgeordne­ten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sind alle Aufgerufenen mit der Stimmabgabe fer­tig? – Die Stimmabgabe ist beendet.

Die hiefür bestimmten Bediensteten des Hauses nehmen unter Aufsicht der Schriftfüh­rer die Stimmenzählung vor. Zu diesem Zweck unterbreche ich kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.22 Uhr unterbrochen und um 15.29 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 135

Abgegebene Stimmen: 174; davon „Ja“-Stimmen: 119, „Nein“-Stimmen: 55.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Amon Werner, Angerer;

Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Bösch, Brückl;

Deimek, Diesner-Wais, Doppelbauer;

Engelberg, Eßl;

Fichtinger Angela, Fürlinger, Fürst;

Gahr, Gamon Claudia, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Griss Irmgard, Großbauer, Grünberg, Gudenus;

Hafenecker, Haider, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmelbauer, Höbart, Hofinger Manfred, Höfinger Johann, Hörl, Hoyos-Trauttmans­dorff;

Jachs, Jeitler-Cincelli, Jenewein;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kaufmann, Kirchbaumer, Kitzmüller, Klinger Wolfgang, Kopf, Krenn, Krisper, Kühberger Andreas, Kumpitsch, Kuss-Bergner Angelika;

Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, Loacker, Lopatka, Lu­gar Robert;

Mahrer, Marchetti, Mölzer, Mühlberghuber;

Nehammer, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pewny, Plakolm, Povysil, Prinz;

Rädler, Ragger, Rauch, Reifenberger, Riemer, Ries Christian, Rosenberger, Rosen­kranz;

Salzmann, Schandor, Schartel, Scherak, Schimanek, Schmiedlechner, Schmucken­schlager, Schrangl, Schrott, Schwarz, Sieber Norbert, Singer Johann, Smodics-Neu­mann, Smolle, Sobotka, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Strasser, Strolz;

Taschner, Tschank;

Wagner, Wassermann, Weidinger, Winzig, Wöginger, Wurm;

Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Androsch, Antoni;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Bißmann;

Cox;

Duzdar Muna;

Ecker, Einwallner, Erasim;

Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;

Greiner Karin, Gruber;


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 136

Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holz­leitner;

Jarolim;

Katzian, Keck, Kern, Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krist Hermann, Ku­cher Philip, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lueger Angela;

Margreiter, Muchitsch;

Noll, Nussbaum;

Plessl, Preiner Erwin;

Rendi-Wagner, Rossmann;

Sandler, Schatz, Schieder, Stöger Alois;

Troch;

Unterrainer;

Wimmer, Wittmann;

Yildirim, Yılmaz;

Zadić Alma, Zinggl.

*****

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kern, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 84 der Geschäftsordnung, den gegenständlichen Geset­zesbeschluss nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42 Bundes-Verfassungs­gesetz, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten einer Volksab­stimmung zu unterziehen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Antrag aussprechen, um ein Zei­chen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bitte? (Abg. Stöger: Angst vorm Volk!) Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer Arbeitszeitverkürzung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch für Arbeit­nehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitguthaben“. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) – Bitte? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ab­stimmungsvorgang! – Unruhe im Saal.)

Ich darf es wiederholen, dass keine Unsicherheit entsteht: Wir gelangen zur Abstim­mung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch für ArbeitnehmerInnen auf einseitige Festlegung des Verbrauches von Zeitguthaben“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und daher ist der Antrag abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gerechte Erreichbarkeit ei­ner 6. Urlaubswoche“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 137

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 232 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen bit­ten. – Das ist die Mehrheit, das ist daher angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 233 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, das ist daher angenommen.

*****

15.32.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5 überleite, darf ich eine Anmerkung tätigen: Wir wurden von einem luxemburgischen Medium gefragt, ob wir eine offizielle Stellungnahme seitens des österreichischen Par­laments zum gestrigen Zwischenruf mit dem Vorwurf der Betrunkenheit des Kommis­sionspräsidenten abgeben. Ich erwähne das deshalb, weil es erstens einmal vor Augen führt, wie weit letzten Endes unsere Debatte auch wahrgenommen wird.

Da wir uns alle in der Präsidiale bemüht haben, dem auch gerecht zu werden, und da derjenige, der diesen Zwischenruf gemacht hat, nicht ausfindig zu machen war, werde ich mich im Namen des Parlaments ganz offiziell beim Parlamentspräsidenten (Abg. Schieder: Kommissionspräsident!) für diese Ausführungen entschuldigen. (Allgemei­ner Beifall. – Ruf bei der SPÖ: Kommissionspräsident!)

15.33.434. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (189 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Ver­fahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenk­stättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivil­dienstgesetz 1986 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Fremden­rechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018) (207 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 238/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert wird (211 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. – Bitte. (Unruhe im Saal.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 138

15.34.30

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nun zu einem ganz anderen Thema, zum Fremdenrechtsänderungsgesetz. Hinter diesem Titel verbergen sich 14 Gesetze, die davon betroffen sind. Und entgegen dem Gesetz, das jetzt gerade beschlossen wurde, kann man bei diesem Gesetz sagen, dass es eine einmonatige Möglichkeit gab, Stel­lungnahmen abzugeben; es gab also eine einmonatige Begutachtungsfrist. Es sind da­zu 66 veröffentlichte Stellungnahmen hereingekommen, von denen ich gerne drei zitie­ren möchte.

Die erste ist jene der Arbeiterkammer, die da schreibt: „Der vorgeschlagene Gesetzes­entwurf erweckt aber in weiten Teilen den Eindruck, dass er von einem tiefgehenden Misstrauen gegenüber Flüchtlingen bzw AsylwerberInnen geprägt ist [...]“; und: „Dage­gen sind substantielle Verbesserungen der Qualität der erstinstanzlichen Asylverfahren durch diese Novelle nicht zu erwarten.“

UNHCR schreibt: „Die vorgeschlagenen Maßnahmen scheinen zudem in ihrer Gesamt­heit wenig geeignet, das Ziel der Effizienzsteigerung zu erreichen, da den zuständigen Behörden eine Reihe von zusätzlichen Aufgaben auferlegt werden, die einen erhebli­chen Arbeitsaufwand nach sich ziehen [...].“

Und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag schreibt: „In diesem Sinne ist mit Bedauern festzustellen, dass es – anders als im Regierungsprogramm angekündigt – nicht zu einer Neukodifikation der betreffenden Rechtsmaterie gekommen ist, sondern vielmehr eine die Komplexität abermals steigernde und somit Rechtsunsicherheit för­dernde Teilnovelle [...] beschlossen werden soll.“ – Es steht hier auch, dass eine Be­schleunigung der Verfahren ebenfalls nicht zu erwarten und die Erfüllung des Ziels an­gesichts des Entwurfs unrealistisch sei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind nur drei Stellungnahmen, aus denen ich Ihnen jetzt vorgelesen habe. Ich möchte es aber trotzdem nicht verabsäumen, noch sechs Hauptkritikpunkte, die sich in den restlichen Stellungnahmen gefunden haben, kurz vorzutragen. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Diese sind das Abnehmen von Bargeld bis zu 840 Euro pro Person, das Auslesen der Handydaten, wobei es auch um sensible Daten geht, die Integrationshilfe, die von einer Muss- zu einer Kannbestimmung in Bezug auf Deutschkurse umgestellt wurde, die Verstaatlichung der Rechtsberatung weg von einer unabhängigen Rechtsberatung, die verkürzte Beschwerdefrist im Bescheidverfahren des BFA – ich möchte gleich darauf hinweisen, dass der VfGH bereits dreimal verkürzte Beschwerdefristen aufgehoben hat – und letztendlich die Umsetzung der Studenten- und Forscherrichtlinie, wodurch wieder zwei neue zu den 20 bereits bestehenden Aufenthaltstiteln hinzukommen – das ist also kaum mehr durchschaubar.

Der eigentliche Punkt, den ich sehr gerne noch ausbreiten möchte, ist aber die Kosten­dimension dieses Gesetzes. Wenn ich mir anschaue, was die Überprüfung eines Asyl­werbers auf Bargeld und das zuständige Personal, das man dafür braucht, kostet, stel­le ich fest, dass das im Voranschlag mit 1,1 Millionen Euro pro Jahr angesetzt ist. Wei­ters finden sich eine Softwareadaptierung des Innenministeriums um 900 000 Euro, die Übersetzung von Infoblättern und Anordnungsdokumenten um 88 000 Euro und 27 neue Geräte für die Auslese von Handydaten à 12 000 Euro – in Summe 324 000 Euro –, das macht 2,4 Millionen Euro aus.

Das ist aber noch nicht alles. Jetzt kommen noch die Kosten dazu, die im Bereich des Bundesverwaltungsgerichts anfallen werden, denn man rechnet mit 4 000 Verfahren mehr. Das bedeutet einen zusätzlichen Personalaufwand von 5,2 Millionen Euro. Das


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 139

umfasst 28 Richter plus Kanzlei plus Rechtsberatung und alles Mögliche. Zudem gibt es zusätzliche Verfahrenskosten von 1,8 Millionen Euro.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind jetzt bei einer Summe von 7 Mil­lionen Euro, die weder vom Innenministerium noch vom Justizministerium, aber auch nicht vom Herrn Finanzminister zugesagt worden sind. Wenn ich diese beiden großen Summen zusammenrechne, komme ich auf 9,4 Millionen Euro – 9,4 Millionen Euro für ein Gesetz! Meine Damen und Herren, haben Sie sich schon einmal überlegt (Abg. Schrangl: Wie viele Millionen sind in Wien für unrechtmäßige Mindestsicherung aus­gegeben worden? Wissen Sie das auch, Frau Kollegin?), wie viele Stichschutzwesten für Polizisten, wie viel zusätzliches Personal für Polizei, wie viele neue Dienstautos und wie viele Renovierungen von Polizeiinspektionen damit ganz einfach möglich wären? (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammengefasst kann man jetzt sagen: ein erneuter Showact dieser FPÖ-ÖVP-Re­gierung mit enormen Kosten für die Steuerzahler und zusätzlichen Verfahren anstatt Effizienzsteigerung und Verfahrensverkürzung. Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, da werden wir als Sozialdemokratie sicherlich nicht mitstimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz. – Abg. Belakowitsch: Macht ja nichts!)

15.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Jenewein. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.40.09

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine geschätzte Vorrednerin! Es hätte mich auch gewundert, wenn Sie jetzt hier als Schlussfolgerung gesagt hätten, Sie werden diesem Gesetz zustim­men, denn dieses Gesetz ist ja diametral zu jener Richtlinie, mit der Sie in den letzten Jahren Politik, Ausländerpolitik (Abg. Plessl: Sie haben auch keine Ahnung!), Zuwan­derungspolitik in diesem Land gemacht haben. Ich darf nur daran erinnern, da Sie vor­hin als großen Kritikpunkt formuliert haben, dass das angeblich so viel kostet, wie viel an unberechtigter Mindestsicherung allein in der Bundeshauptstadt Wien im letzten Jahr ausgezahlt wurde (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), wo Sie noch immer die Verantwortung haben, wo Sie das Geld den Leuten wirklich mit beiden Händen nachschmeißen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Und Sie wundern sich dann, dass die aus ganz Österreich nach Wien kommen. Dort ist die Vergabe finanzieller Mittel einfach nach wie vor nach dem Motto gestaltet: Verkaufts mei’ G’wand, i fahr’ in Himmel! Es ist ohnehin völlig wurscht – wir zahlen, wir zahlen, wir zahlen!

Der wesentliche Punkt in diesem Gesetz ist allerdings, dass sich diese Bundesregie­rung zu einem migrationspolitischen Paradigmenwechsel entschlossen hat, der endlich gemacht wird. Es war eines unserer Grundthemen, dass man eben nicht mehr das Füllhorn über all jene ausschüttet, die glauben, aus der ganzen Welt zu uns kommen zu können, um hier ein besseres Leben zu führen, sondern dass man sich ganz genau anschaut, woher diese Leute kommen, ob die rührselige Geschichte, die man da oft­mals hört, denn tatsächlich stimmt.

Vertrauen ist ganz gut, Kontrolle aber trotzdem noch besser – heute haben wir es ja mit den sozialistischen Zitaten (Zwischenruf des Abg. Plessl); zuerst wurde schon Karl Marx zitiert, da kann ich das ruhig auch vorbringen. Da man also nicht immer alles glauben sollte, ist es notwendig, dass man sich einmal die Geodaten in den Handys der Asylforderer anschaut (Abg. Plessl: Das ist jetzt auch schon möglich! Da brauchen wir kein neues Gesetz!), die mit vermeintlichem Asylgrund daherkommen, um einmal zu wissen, woher die denn tatsächlich kommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 140

Wissen Sie, es tut manchmal ganz gut, ein bisschen über den Tellerrand zu schauen, Sie sollten das auch machen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich darf Ihnen deshalb ein Zitat aus dem Jahr 2015 aus der Zeitung „Die Welt“ vorlesen – die ist an sich eher un­verdächtig, die würden Sie jetzt wahrscheinlich nicht als böse FPÖ-Propaganda anse­hen –, da wird die Frage gestellt: „Wer sind die mysteriösen Aufwiegler am Grenz­zaun?“ Weiters schreibt dann „Die Welt“: „Immer wieder sah man sie auf dem langen Marsch der Flüchtlinge durch den Balkan: Männer mit Megaphonen, die die Menge zu lenken versuchten.“ Bei einem Mann wurden sieben gefälschte Pässe gefunden, „alle mit echtem Schengen-Visum versehen. Außerdem habe er zuvor nicht in der Türkei gelebt oder gar in Syrien, sondern seit vielen Jahren auf Zypern.“ (Abg. Plessl: ... straf­bar! – Abg. Yılmaz: Von wann ist der Artikel?)

Um genau diesen Wahnsinn endlich abzustellen, hat man sich auf der einen Seite da­zu entschlossen, die Geodaten der Handys anzuschauen, und auf der anderen Seite, weil das alles durchaus Geld kostet – auch die Betreuung von angeblichen Flüchtlin­gen oder von Zuwanderern kostet Geld –, sollen diese Leute auch einen Beitrag leis­ten, weshalb ihnen in Zukunft bis zu 840 Euro abgenommen werden. (Zwischenruf der Abg. Lueger.) In der Schweiz ist das seit vielen, vielen Jahren gang und gäbe, in der Schweiz müssen Flüchtlinge ihr Geld seit vielen Jahren abgeben.

Ich möchte nur ganz kurz auf Ihre sonstigen Kritikpunkte, die Sie formuliert haben, eingehen: Natürlich werden die Verfahren beschleunigt, denn allein, dass es Ex-lege-Anträge für Minderjährige gibt, wird dazu führen, dass man künftig die Verfahrensver­schleppungen nicht mehr so durchziehen kann, wie man es bisher macht.

Ich möchte aber, weil meine Redezeit zu Ende geht – ich würde noch gerne einige Punkte sagen, das wird aber ein Kollege von mir machen –, folgenden Abänderungs­antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, MA, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 (NAG) Z 25 wird in § 64 Abs. 7 der Klammerausdruck „(§ 2 Abs. 1 Z 21)“ durch den Klammerausdruck „(§ 2 Abs. 1 Z 22)“ ersetzt.

2. In Art. 4 (BFA-VG) wird nach Z 14 folgende Z 14a eingefügt:

„14a. In § 38 Abs. 1 wird die Wortfolge „zum Zwecke der Sicherstellung von Beweismit­teln “ durch die Wortfolge „zum Zwecke der Sicherstellung von Beweismitteln und Bar­geld“ ersetzt.“

3. In Art 7 (StbG) lautet die Z 5:

„5. In § 21 Abs. 2 wird jeweils das Wort „eigenberechtigt“ durch die Wortfolge „voll handlungsfähig“ ersetzt.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 141

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Jenewein, Amon, MA

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (189 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das BFA-Einrichtungsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Staatsbür­gerschaftsgesetz 1985, das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz 1991, das Personenstandsgesetz 2013, das Zivildienstgesetz 1986 und das Sicherheits­polizeigesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 – FrÄG 2018) (207 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 (NAG) Z 25 wird in § 64 Abs. 7 der Klammerausdruck „(§ 2 Abs. 1 Z 21)“ durch den Klammerausdruck „(§ 2 Abs. 1 Z 22)“ ersetzt.

2. In Art. 4 (BFA-VG) wird nach Z 14 folgende Z 14a eingefügt:

„14a. In § 38 Abs. 1 wird die Wortfolge „zum Zwecke der Sicherstellung von Beweis­mitteln “ durch die Wortfolge „zum Zwecke der Sicherstellung von Beweismitteln und Bargeld“ ersetzt.“

3. In Art 7 (StbG) lautet die Z 5:

„5. In § 21 Abs. 2 wird jeweils das Wort „eigenberechtigt“ durch die Wortfolge „voll handlungsfähig“ ersetzt.“

Begründung

Zu Z 1 und 2 (Art. 1 (NAG) Z 25 und Art. 4 (BFA-VG) Z 14a)

Es handelt sich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens.

Zu Z 3 (Art. 7 (StbG) Z 5)

Die vorgeschlagene Änderung ist erforderlich, da das Abstellen allein auf die Volljährig­keit im derzeitigen Wortlaut der Regierungsvorlage die Bedeutung der geltenden Be­stimmungen nicht hinreichend abbildet. Um den Sinn der Bestimmung unverändert zu lassen und nur entsprechende terminologische Anpassungen an das 2. Erwachsenen­schutzgesetz (2. ErwSchG), BGBl. I Nr. 59/2017, vorzunehmen, ist es erforderlich, im gegenständlichen Zusammenhang den Begriff der „vollen Handlungsfähigkeit“ zu ver­wenden. Diese setzt sowohl Volljährigkeit als auch Entscheidungsfähigkeit einer Per­son voraus. Würde nur auf die Volljährigkeit, also nur auf die Vollendung des 18. Le­bensjahres abgestellt, ohne auf die Entscheidungsfähigkeit des Fremden Bedacht zu nehmen, könnte dies beispielsweise dazu führen, dass ein geistig schwer beeinträch­tigter und somit nicht voll handlungsfähiger Fremder, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verpflichtet wäre, ein Gelöbnis entsprechend dem § 21 Abs. 2 abzulegen, obwohl er aufgrund seiner Beeinträchtigung dazu nicht in der Lage wäre. § 21 Abs. 2 bildet auch den Fall ab, dass einem Fremden die österreichische Staatsbürgerschaft ohne Vorbehalt des vorhergehenden Ausscheidens aus dem Verband seines bisherigen Hei­matstaates (§ 20 Abs. 2) verliehen wird und dessen Volljährigkeit daher noch nach dem Recht des (bisherigen) Heimatstaates beurteilt wird. Würde in der gegenständli-


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chen Bestimmung nur auf die Volljährigkeit abgestellt, könnte dies dazu führen, dass ein Fremder zwar nach österreichischem Recht volljährig ist, nach dem Recht seines bisherigen Heimatstaates jedoch noch als minderjährig gilt (da dort die Volljährigkeit nicht bereits mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs eintritt) und daher das vorgese­hene Gelöbnis nicht ablegen muss, obwohl er nach österreichischem Recht volljährig und entscheidungsfähig, also voll handlungsfähig wäre. Entsprechend der geltenden Rechtslage soll auch in einem solchen Fall, in dem der Fremde nur nach dem Recht seines bisherigen Heimatstaates noch als minderjährig gilt und er nur aus diesem Grund nicht voll handlungsfähig ist (obwohl er es nach österreichischem Recht bereits wäre), der Fremde zur Leistung des Gelöbnisses verpflichtet sein.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag wur­de ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. (Rufe und Gegenrufe zwi­schen den Abgeordneten Plessl und Jenewein.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte, Frau Abgeord­nete.


15.45.04

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Asyl- und Fremdenrecht wird halbjährlich seit Jahren novelliert, wird immer unübersichtlicher, und viele Praktiker und Rechtsanwälte sagen, es ist eigentlich kaum mehr umsetzbar. Jeder Innenminister glaubt, die Schrauben noch einmal stärker anziehen zu müssen, um zu beweisen, wie streng er gegen Fremde und Asylwerber vorgeht – so natürlich auch dieser Innenminister. Da geht es mehr um Inszenierung als um Substanz.

Ich gebe zu, es gibt diskussionswürdige Inhalte – so fair bin ich –, es gibt die Idee der besseren Nachverfolgung der Fluchtroute und die Verschärfung bei Heimreisen; darü­ber kann man sehr wohl diskutieren. Alles in allem bleibt es aber ein Symbolpaket, dem wir nicht zustimmen können, ein Symbolpaket mit Maßnahmen, die keinen Mehr­wert enthalten.

Ein Beispiel: Asylwerbern soll in Zukunft Bargeld – wie schon Kollege Jenewein gesagt hat –, bis zu 840 Euro, abgenommen werden, damit – ich zitiere den Innenminister – sie einen Beitrag zu ihren Grundversorgungskosten leisten. Das ist doppelt absurd, denn es gibt schon das Grundversorgungsgesetz, das vorsieht, dass Asylsuchende, die ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können, keinen Anspruch auf staatliche Leistungen haben und dass ihnen Ersatz für die notwendigen Betreuungs­kosten vorgeschrieben werden kann.

Es ist absurd, dass der Innenminister nach außen kommuniziert, er ist jetzt der Stren­ge, der einmahnt, dass Asylwerber endlich zur Kasse gebeten werden – der Innenmi­nister von einer FPÖ, Herr Kollege Jenewein, die gerade Asylwerbern nicht erlauben will, arbeiten zu gehen. Das heißt, gerade denen, die etwas beitragen wollen, ist es un­tersagt. Warum bloß? – Damit man eben auf sie hinhauen kann, weil sie in der Grund­versorgung sind und da Kosten verursachen.

Im Innenausschuss hingegen argumentierte der Innenminister wiederum, dass die neue Bargeldabnahme, die er vorhat, gelinder als die jetzige Regelung ist. Ich muss ihn aber enttäuschen: Es gelten jetzt beide Regelungen parallel! Wir haben einen PR-Gag: zwei Gesetze, ein Mehr an Gesetzen, keinen Mehrwert.


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Dann hat der Innenminister auf unsere Fragen hin im Ausschuss ausgeführt, was das Ganze kostet. Es gibt einen Verwaltungsaufwand für die Bargeldabnahme in der Höhe von bis zu 400 000 Euro im Jahr. Wenn man das jetzt durchrechnet, erkennt man, da dieses Gesetz vorsieht, dass den Betroffenen ein Mindestbetrag von 120 Euro zu be­lassen ist, dass der Herr Innenminister jedes Jahr bei mindestens 5 000 Asylwerbern jeweils 200 Euro Bargeld im Gepäck auffinden müsste, um überhaupt den Verwal­tungsaufwand zu decken – wir reden noch nicht von einer Einnahme für den Staat. Das ist für mich ein Musterbeispiel populistischer Neidschürerei – da wird kein Cent für die österreichische Bevölkerung gespart. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Die Verletzung der Menschenrechte in diesem Bereich ist dem Innenminister auch völ­lig egal; wir haben das im Ausschuss diskutiert.

Es geht weiter: Der Verlust des Aufenthaltsrechts oder der Ausschluss vom Familien­verfahren soll in Hinkunft auch für Jugendstraftäter gelten. Das heißt, der Ausnahme­tatbestand des Jugendgerichtsgesetzes wird für den Bereich des Asylrechts und damit für die Jugendlichen im Asylrecht aufgehoben. Das steht im Widerspruch zur UNO-Kin­derrechtskonvention. Das sagen nicht nur wir und Rechtsexperten, sondern auch das FPÖ-geführte Außenministerium.

Das Gleiche gilt für die erschwerte Einbürgerung von Asylberechtigten. Der Innenmi­nister warnt immer vor Überfremdung, und dann verweigert er jenen Menschen, die sich in die Gesellschaft eingliedern wollen, diese Möglichkeit. Er spricht vom Bekennt­nis zur Demokratie, welches Asylberechtigte erfüllen müssen, verweigert diesen Men­schen dann aber die Teilnahme.

Noch kurz zu unserem Antrag: Wir haben von Amnesty International regelmäßig Be­schwerden erhalten, dass Österreich die einstweiligen Verfügungen des UN-Menschen­rechtsausschusses im Fremdenrechtsbereich und insbesondere bei Dublinüberstellun­gen ignoriert. Damit wird das ganze Beschwerdeverfahren vor diesem Ausschuss, dem wir beigetreten sind, zu dem wir uns verpflichtet haben, ad absurdum geführt. Der In­nenminister meinte im Ausschuss, es sei Gold Plating, einzumahnen, dass wir diese einstweiligen Verfügungen ernst nehmen. Das ist es nicht, sondern es ist die Grund­verpflichtung! Es stimmt auch nicht, dass dort nur Ländervertreter drinsitzen, sondern dort sitzen Experten, die über Menschenrechtsverletzungen entscheiden.

Daher hoffen wir weiterhin sehr optimistisch, dass wir die Zustimmung dafür erfahren, auch deswegen, weil wir uns als Österreich gerade für die Mitgliedschaft im Menschen­rechtsbeirat bewerben – und das wäre ein ganz, ganz wichtiges Zeichen. Es geht um ein paar Fälle im Jahr, aber es wäre ein wichtiges symbolisches Zeichen für Men­schenrechte. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Cox.)

15.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Amon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.50.03

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Da die vorangegangene De­batte ein bisschen mehr Zeit als geplant in Anspruch genommen hat, haben wir jetzt ei­ne Umverteilung der Redezeit vorgenommen. Jetzt habe ich ein bisschen weniger Zeit und darf mich daher auf ein paar allgemeine Punkte beschränken. Meine Kolleginnen und Kollegen werden dann noch im Detail auf einiges eingehen.

Ich möchte zunächst den Kritikpunkt aufgreifen, der, glaube ich, zweimal schon ange­sprochen worden ist, nämlich die Frage der Neukodifizierung des Fremdenrechts. Ich


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glaube auch, dass es bald an der Zeit ist, eine Neukodifizierung vorzunehmen. Das Fremdenrecht ist in der Tat sehr schwer lesbar geworden, und ich glaube, es würde Sinn machen, da eine Neukodifizierung vorzunehmen. Diese Kritik ist durchaus be­rechtigt. Wir haben das auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen besprochen und wir werden das, denke ich, auch in Angriff nehmen.

Diese Reform des Fremdenrechts ist eine Reform, die natürlich auf die Erfahrungen aus dem Fremdenrechtsänderungsgesetz des letzten Jahres, aber insgesamt auch auf die Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere seit 2015, reagiert.

Worum geht es dabei? – Es geht dabei einerseits darum, dass man Maßnahmen setzt. Und denen, die sagen, dass wir da jetzt restriktiver werden, ist natürlich recht zu ge­ben. Ja, wir werden restriktiver, wir werden aber auch genauer in der Abgrenzung zwi­schen der Frage: Wer ist asylberechtigt?, und der Frage: Was ist eine Migration oder gar eine illegale Migration? Genau darum geht es im Kern, denn wir wollen alles tun – und das sagen wir auch ganz klar –, um einen Pull-Effekt zu vermeiden. Wir haben in den Jahren 2015 und 2016 erlebt, dass Österreich nach Schweden die meisten Mi­granten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl aufgenommen hat. Wir haben eine große Tradition bei der Aufnahme von Flüchtlingen, ganz gleich, ob das bei der Ungarnkrise, beim Prager Frühling oder beim Jugoslawienkrieg war.

Also man kann Österreich bestimmt nicht den Vorwurf machen, nicht immer recht groß­zügig Flüchtlinge aufgenommen zu haben. Das war auch in den Jahren 2015 und 2016 der Fall. Aber es gibt eben eine Grenze, wo man schlicht und einfach auch merkt, dass die Bevölkerung nicht mehr bereit ist, da mitzugehen. Und zu dem, was 2015 passiert ist, muss man ehrlich sagen: Man muss sicherstellen, dass so etwas nicht wieder pas­siert und sich nicht wiederholt. (Abg. Plessl: Das haben wir auch getan!)

Weil hier angesprochen wurde, dass es allenfalls einen Widerspruch zur Menschen­rechtskonvention gibt, die ja bei uns im Verfassungsrang ist: Wer immer meint, dass es hier eine Verfassungswidrigkeit gibt, kann diese ja vor dem Verfassungsgerichtshof einklagen.

Was ich nicht verstehe, ist die Kritik – wie haben Sie es genannt, Kollegin Lueger? –, es gäbe eine Verstaatlichung der Rechtsvertretung. Ehrlich gesagt, das ist nichts Un­anständiges, denn wir haben ja auch eine Pflichtverteidigung in anderen Strafverfah­ren, und warum soll nicht der Staat einen Rechtsbeistand zur Verfügung stellen? Das ist per se nichts Unanständiges und das kennen wir ja durchaus aus anderen Berei­chen.

Ich glaube, dass in diesem Gesetz sehr sinnvolle Maßnahmen für die Behörden ent­halten sind, wie etwa künftig die Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern, et­wa von Mobiltelefonen, wenn Zweifel an der Route, an der Identität und an der Her­kunft der Person bestehen. Ich glaube, dass es Sinn macht, keine Aufenthaltsverfesti­gung bei rechtskräftig verurteilten Straftätern im Rahmen der Erlassung einer Rück­kehrentscheidung vorzunehmen.

Das alles sind Maßnahmen, die richtig und sinnvoll sind, um eben nicht weiterhin einen Pull-Effekt zu erzeugen, gleichsam eine Werbung, ins Land zu kommen, auszuspre­chen, aber gleichzeitig sicherzustellen, dass für jene, die echtes Asyl im Sinne der Genfer Konvention brauchen, also ein höchst individuelles Recht, diese Möglichkeit be­stehen bleibt und nicht von illegaler Migration sozusagen versperrt wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Zadić. – Bitte, Frau Abgeordnete.



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15.54.38

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatsse­kretärin! Hohes Haus! Heute reden wir wieder über eine Novellierung des Asyl- und Fremdenrechts. Eingangs möchte ich kurz festhalten, dass seit 2005 das Fremden­recht beziehungsweise das Asylgesetz insgesamt 17 Mal novelliert wurde. Heute ist es das 18. Mal.

Da muss man sich natürlich die Frage stellen: Wie sinnvoll ist diese zigmalige Novellie­rung? Man müsste sich auch die Frage stellen, ob denn diese Zersplitterung des Rechts nicht eigentlich zu Rechtsunsicherheit führt und ob wir vielleicht nicht eher eine Gesamtnovelle, eine Gesamtneukodifizierung des Asylrechts und des Fremdenrechts brauchen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Das kommt eh!)

Das steht so auch im Regierungsprogramm. Das sagen auch zahlreiche Expertinnen und Experten. Aber nein, heute beschließen wir wieder eine Novelle.

Auch bei dieser Fremdenrechtsnovelle 2018 hat man sich zwei Ziele gesetzt: Das erste Ziel ist die Verhinderung von Missbrauch. Das zweite Ziel ist die Steigerung von Ef­fizienz vor allem bei asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren. Natürlich muss Miss­brauch rasch aufgedeckt werden, und natürlich brauchen wir effizientere und schnel­lere Verfahren, die aber gleichzeitig auch alle Grundrechtsstandards einhalten. Dieses Gesetz wird diesen beiden Vorhaben aber leider bei Weitem nicht gerecht.

Zum einen gehen die Maßnahmen davon aus, dass von allen Asylsuchenden eine Ge­fahr ausgeht. Die vorgeschlagenen Maßnahmen haben einen strafrechtlichen Charak­ter. Zum anderen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen, wenn man sie in ihrer Ge­samtheit betrachtet, völlig ungeeignet, um die Effizienz der Verfahren zu steigern, da Sie damit den Behörden und den Organwaltern wesentlich mehr Aufgaben aufbürden und für diese Aufbürdung der Aufgaben ein minimaler Erfolg, ein minimaler Output he­rausschaut.

Da möchte ich zwei Punkte in diesem Gesetz nennen, die wesentlich sind.

Erstens: die berühmte Geldabnahme. Den Asylsuchenden soll mitgeführtes Bargeld abgenommen werden. Das soll den Zweck haben, dass die Kosten für die Grundver­sorgung abgedeckt werden, dass sich die Asylsuchenden an den Kosten für die Grund­versorgung beteiligen. Warum ist denn das völlig absurd? – Es ist in meinen Augen deshalb völlig absurd, weil wir ja ohnehin schon ein Gesetz haben, das vorsieht, dass dann, wenn Leute nicht bedürftig sind, dass dann, wenn Leute sich ihre Grundversor­gung leisten können, sie auch keine Grundversorgungsleistungen in Anspruch nehmen können.

Die Menschen, die Grundversorgungsleistungen bekommen, sind bedürftig. Diese Men­schen fliehen vor Tod, vor Verfolgung, vor Folter. Das sind Menschen, die zu Hause ihr letztes Hab und Gut verloren haben (Abg. Jenewein: Wirklich alles?) und das letzte Geld, das sie haben, Menschenhändlern und Schleppern bezahlen.

Warum nehmen wir denn das Geld nicht von den Menschenhändlern und von den Schleppern? Menschenhandel ist die größte, reichste und am schnellsten wachsende Branche weltweit. Da gibt es viel zu holen. Daher müssen wir gegen Menschenhändler und gegen Schlepper vorgehen. Aber da wir diese Organisationen nicht in den Griff be­kommen, nehmen wir jetzt den Bedürftigsten den letzten Notgroschen weg und verlet­zen letzten Endes dadurch auch ihre Grundrechte, indem wir in ihr Eigentumsrecht eingreifen.

Ich möchte auch noch festhalten, dass es bereits Staaten gibt, die dieses Gesetz um­gesetzt haben, die den Geflüchteten auch Bargeld abnehmen, den letzten Groschen, den sie haben. Es hat sich herausgestellt – es gibt dazu Evaluierungsberichte –, dass


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das am Ende wesentlich teurer kommt, dass es mehr kostet als das, was eingenom­men wurde. Deswegen wäre ich sehr dafür, dass wir nicht Gesetze beschließen, bei denen wir genau wissen, dass nicht mehr rausschaut, als eingenommen wird.

Zweitens: die berühmte Handyabnahme. Den Asylsuchenden sollen Mobiltelefone, Da­tenträger abgenommen werden, um ihre Identität und die Fluchtroute festzustellen. Da­ran ist auf den ersten Blick nichts Verwerfliches, denn der Staat hat ein legitimes In­teresse daran, herauszufinden, wer die Person ist, und der Staat hat auch ein legitimes Interesse daran, Informationen zu sammeln, die ein Verwaltungsverfahren beschleuni­gen könnten. Aber die Wegnahme von Handys, von einem höchst persönlichen Ge­genstand, ist der falsche Weg.

Warum ist die Abnahme von Handys der falsche Weg? – Die Handydaten, die ausge­lesen werden, sind ein komplett unzuverlässiges Beweismittel. Erstens wissen wir aus Erfahrungsberichten, dass diese Handys von verschiedenen Personen verwendet wer­den, sie werden nicht nur von einer Person verwendet. Und zweitens wissen wir auch, dass es ganz einfach ist, Handydaten zu manipulieren. Daher werden diese Beweise vor einem Gericht oder in einem Verwaltungsstrafverfahren nicht halten. (Abg. Rosen­kranz: Wer manipuliert denn? Der Staat?)

Zweitens enthalten Mobiltelefone mittlerweile höchst persönliche Daten und auch höchst persönliche Daten von Dritten, von unbeteiligten Dritten. Eine ungezielte und willkürli­che Auslesung dieser Daten verletzt datenschutzrechtliche Bestimmungen und greift auch in das Recht auf Schutz der persönlichen Daten und auf die Achtung der Men­schenwürde ein. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittens haben wir ja bereits Gesetze, die die Personen verpflichten, bei Verwaltungs­verfahren mitzuwirken; das ist die sogenannte Mitwirkungspflicht. Wir können ja Leute verpflichten, mitzuwirken. (Abg. Yılmaz: So ist es!) – Genau, das gibt es schon. Daher ist dieses Gesetz wieder einmal nur eine populistische Maßnahme. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wie gesagt, dieses Gesetz geht in eine völlig falsche Richtung, denn es trägt nicht dazu bei, das Verfahren zu beschleunigen, und es trägt auch nicht dazu bei, dem Missbrauch vorzubeugen.

Das, was Sie hier liefern, ist eine Aushöhlung unserer europäischen Werte, unserer Solidarität und unserer Grundrechte. (Abg. Jenewein: Nein, nicht unserer Grundwer­te!) Und zu diesen Grundwerten bekennen wir uns. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz.)

16.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.01.51

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Wähle­rinnen und Wähler! Frau Kollegin Lueger von der SPÖ, ja, natürlich, wir setzen gelten­des Recht um, auch wenn es etwas kostet. Dafür wurden wir gewählt, dafür gibt es eine Regierung, dafür gibt es einen Staat. Es ist die Aufgabe des Staates, geltendes Recht umzusetzen. Und die Steuern sind genau dafür zu verwenden (Beifall bei der FPÖ) und eben nicht für die unrechtmäßige Auszahlung der Mindestsicherung, zum Beispiel in Wien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir trennen Zuwanderung und Asyl. Wir pas­sen das Fremdenrecht an die Erfordernisse der Praxis an. Es versteht kein Mensch, warum man im Jahr 2018, wenn berechtigte Zweifel vorliegen, nicht auch Handydaten überprüfen darf. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer Geld für einen Schlepper hat, der kann auch für seine eigene Versorgung aufkommen.


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Wir setzen wichtige Punkte im Regierungsprogramm um, wir setzen um, wofür uns die Wähler gewählt haben, und wir setzen um, was von der FPÖ erwartet wird (neuerlicher Beifall bei der FPÖ): beschleunigte Aberkennung des Asylstatus bei Reisen in das Hei­matland, Verkürzung der Beschwerdefrist gegen Bescheide des Bundesamtes, zum Beispiel bei Straffälligkeit, Sicherstellung von Bargeld bei Asylantragstellung als Beitrag zur Grundversorgung, Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern, zum Beispiel von Mobiltelefonen, bei Asylantragstellung bei unklarer Identität oder Reiseroute – ich erinnere da auch zum Beispiel an die sogenannten Dublinfälle –, keine Aufenthaltsver­festigung bei rechtskräftig verurteilten Straftätern; künftig sind sogar Rückkehrentschei­dungen gegen Drittstaatsangehörige möglich, wenn sie von klein auf im Inland aufge­wachsen sind, aber bei uns straffällig werden.

Wir setzen noch etwas um, indem wir etwas ändern, für das es sehr wenig Verständnis in unserer österreichischen Bevölkerung gibt: Bisher konnte ein österreichischer Pass schon nach sechs Jahren beantragt werden. Auch diese Grenze erhöhen wir auf zehn Jahre. Ja, wir mögen Grenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir setzen um, wofür wir gewählt worden sind. Diese Regierung setzt um, wofür sie gewählt worden ist. Und wir setzen um, was von der FPÖ erwartet wird. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Staatssekretärin. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


16.04.25

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte ZuschauerInnen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz ist ein bedeutendes Thema für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher auf der Tagesord­nung. Es geht darin um eine Steigerung der Effizienz von asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren. Der Effekt wird eine raschere Feststellung eines Aufenthaltsrechts im Sinne der Rechtssicherheit und der Rechtsstaatlichkeit sein.

Worum geht es im Detail? – Ja, es geht darum, ein wesentliches Ziel des Regierungs­programms umzusetzen, nämlich eine geordnete und effiziente Asylpolitik. Ich bitte Sie im Zusammenhang mit der Diskussion, hier ganz klar illegale Migration, legale Migra­tion und auch Asyl scharf auseinanderzuhalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit dem vorliegenden Gesetzespaket wird im Wesentlichen das Asylverfahren verän­dert, es werden damit Vollzugsdefizite behoben, das Asyl- und Fremdenrecht wird an die Erfordernisse der Praxis angepasst.

Einige der wesentlichen Punkte, die ich gerne noch hervorstreichen möchte, wurden schon genannt. Ja, ab 1.9.2018 wird es möglich sein, Handydaten auszulesen. Nahezu jeder Asylwerber verfügt über ein Smartphone. Es muss daher auch den Behörden möglich sein, gespeicherte Informationen, etwa zur Fluchtroute oder auch zur Überprü­fung der Identität, zugänglich zu haben, indem sie ausgewertet werden. Es geht dabei um eine Feststellung über die Richtigkeit der Aussagen, und die Verfahren werden da­durch auch beschleunigt werden, denn Sie haben es dann schwarz auf weiß und müs­sen nicht unterschiedlichste Aussagen ständig gegeneinander abwägen und allfällige Widersprüche aufzeigen. Das alles kann im Sinne eines vorliegenden Sachbeweises wegfallen.

Es geht auch um die Sicherstellung von Bargeld im Zuge der Einbringung von Asylan­trägen. Wir wissen alle, dass die Unterbringung von Asylwerbern finanziert werden


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muss, und Österreich hat in der Vergangenheit und wird auch in der Zukunft dafür ho­he Summen ausgeben müssen.

Wir müssen aber auch für die Einhaltung der entsprechenden internationalen und na­tionalen Vorgaben im Hinblick auf die Qualität der Unterbringung sorgen. Das ist ganz klar, das ergibt sich unter anderem auch aus der Europäischen Menschenrechtskon­vention. Zukünftig soll es daher möglich sein, von Asylbewerbern einen Höchstbetrag von 840 Euro einzubehalten, der gedeckelt ist. 120 Euro bleiben dem Asylwerber je­denfalls, und das entspricht dem dreifachen Taschengeld in der Grundversorgung.

Ja, es ist richtig, es ist in der Diskussion auch schon genannt worden, dass die Kosten für die Grundversorgung mittels Kostenbescheids auch im Nachhinein auferlegt wer­den können. Es entspricht jedoch unserer Erfahrung, dass zum Zeitpunkt der Aus­stellung dieser Kostenbescheide einfach kein Geld mehr da ist. Daher sind wir der Mei­nung, wenn jemand über Bargeld verfügt, dann ist es auch einzubeziehen, um die Kos­ten der durchschnittlichen Verweildauer in der Grundversorgung des Bundes abdecken zu können. Und wenn die durchschnittliche Dauer unterschritten wird, dann wird das Geld dem Asylwerber auch zurückgezahlt.

Es ist noch ein anderer Punkt im Gesetz enthalten, und der ist noch nicht angespro­chen worden, nämlich die Ex-lege-Antragstellung für minderjährige Kinder von Asyl­werbern. Bisher war es so, dass man auch für minderjährige Kinder einen Antrag stel­len musste; wir sprechen hier vor allem von nachgeborenen Kindern. Den Zeitpunkt haben sich die Asylsuchenden, die schon im Asylverfahren waren, selbst ausgesucht, den haben sie selbst bestimmt. Das hatte zur Folge, dass die Asylverfahren für einen Teil der Familie zuerst durchgeführt werden mussten und nach Beendigung dann für das nachgeborene Kind der Antrag gestellt wurde, und das Verfahren ging von vorne los.

Jetzt ist es so, dass ex lege mit der Geburt des Kindes dieser Asylantrag für das nach­geborene Kind gestellt wird und das gesamte Verfahren in einem abgeführt wird, aber natürlich unter Beachtung der Einzelfallprüfung.

Es wird eine beschleunigte Aberkennung des Asyls bei Heimreisen geben. Vorausschi­cken möchte ich, dass sich Österreich der Verpflichtung der Gewährung von Schutz für diejenigen, die ihn brauchen, klar bewusst ist und diese Pflicht auch weiterhin erfüllen wird, die sich aus internationalen Abkommen, wie etwa der Genfer Flüchtlingskonven­tion, aber auch aus dem Gebot der Menschlichkeit ergibt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ganz klar abzulehnen, dass dieses Recht missbraucht wird. Und das muss auch ein Symbol und eine Message für die Schlepper sein. Dieses Recht darf nicht missbraucht werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn jemand bei uns einen Asylantrag stellt, dann macht er damit klar, dass er in sei­nem Heimatland aufgrund der Rasse, der Religion, des Geschlechts oder der politi­schen Gesinnung verfolgt wird. Wenn ihm dieser Asylstatus dann zuerkannt wird, er dann aber trotzdem eine Heimreise unternimmt, dann impliziert das wohl, dass dieser Schutz nicht mehr gegeben ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Daher wird es zukünftig rascher möglich sein, diesen Schutzstatus auch tatsächlich ab­zuerkennen; natürlich wiederum nach einer Einzelfallprüfung, aber rasch.

Die Anhebung der Wartepflicht für die Verleihung der Staatsbürgerschaft wurde schon angesprochen, ich möchte sie trotzdem noch einmal hervorheben. Wir wissen es alle zu schätzen, die österreichische Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut, sie bedeutet vie­le Rechte und viel Schutz durch Österreich. (Abg. Plessl: ..., es ändert sich nichts da­ran!) Das muss aber auch entsprechend wertgeschätzt werden, und die Wartefrist von zehn Jahren entspricht – und das möchte ich betonen – völkerrechtlichen Vorgaben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Es war heute auch die Rede von der Verstaatlichung der Rechtsberatung. Ich kann nur annehmen, dass Sie von der Bundesbetreuungsagentur sprechen, die zukünftig Rechts­beratungen, natürlich durch weisungsfrei gestellte MitarbeiterInnen, übernehmen sollte. Allerdings muss ich Ihnen sagen, Sie werden das in diesem Gesetz vergeblich suchen, denn es ist schlicht und ergreifend nicht enthalten.

Zusammenfassend darf ich sagen, es ist ein ausgewogenes Paket mit dem ganz kla­ren Ziel der Effizienzsteigerung durch erweiterte Möglichkeiten bei der Antragsprüfung. Dadurch soll es zu einer rascheren Feststellung der Schutzbedürftigkeit und im Fall des Falles auch der Gewährung kommen, was auch die Rechtssicherheit stärkt. Die Einzelfallprüfung, eine sorgfältige Abwägung und die Bekenntnisse zu den internatio­nalen Verpflichtungen sind ganz klar auch weiterhin gegeben. Wir wollen die Qualität der Verfahren aufrechterhalten, allerdings insgesamt das Verfahren beschleunigen.

Ganz klar ist: Wir wollen eine Reduktion der Missbrauchsmöglichkeiten erreichen, denn Verfahren werden oft unbotmäßig verzögert, und daraus resultieren negative Auswir­kungen für alle Betroffenen – für diejenigen, die abgeschoben werden, obwohl sie sich in der Zwischenzeit vielleicht mit der Sprache angefreundet haben, aber, und das sage ich Ihnen ganz klar, auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, für alle Polizisten, für Ärzte, die dabei sind und feststellen, ob die Flugfähigkeit gegeben ist. Das ist nichts, was man sich leichtmacht, das ist nichts, was leichtfällt und je zur Routine wird, aber es ist das Wesen eines Rechtsstaates: Wenn es eine rechtsstaatliche Entscheidung gibt, dann hat diese auch tatsächlich um­gesetzt und vollzogen zu werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und auch ganz kurz zum Antrag der NEOS Stellung nehmen, der nämlich – und vielleicht ist das nicht allen klar, weil es doch eine sehr tief menschenrechtliche Frage ist – darauf ab­zielt, dass Interim Measures, also sogenannte einstweilige Verfügungen, des UN-Men­schenrechtsausschusses in Genf hinkünftig verbindlich durch das Fremdenpolizeige­setz anerkannt werden, sprich, dass es keine Durchführung von Außerlandesbringun­gen im Falle einer derartigen Maßnahme durch Genf geben soll.

Richtig ist, dass die Anordnung aus Genf nicht verbindlich ist – ganz im Gegensatz zu einer Interim Measure, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kommt, nämlich auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daher scheint dieser Antrag auf den ersten Blick sehr sinnvoll zu sein, das kann ich nur bestätigen – aber eben nur auf den ersten Blick, muss ich dazusagen, denn es gibt erhebliche Un­terschiede, und die sollte man nicht außer Acht lassen, die liegen nämlich in der Rechtsqualität dieser Institutionen und Instrumente.

Ich darf daran erinnern, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in Verfas­sungsrang steht und damit auch das Individualbeschwerderecht nach Artikel 34 der EMRK. Hingegen ist der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte samt Zusatzprotokoll und auch der vorgesehenen Individualbeschwerde nicht mit dieser Qua­lität des Verfassungsranges ausgestattet. Alle Entscheidungen, ob Interim Measure oder Urteile des Europäischen Gerichtshofes, werden lückenlos durch Österreich um­gesetzt. Wir wissen auch spätestens seit der Entscheidung Mamatkulov versus Turkey vom 4. Februar 2005, dass eine Nichtumsetzung einer Interim Measure eine weitere Verletzung der EMRK und eine Verurteilung durch den EGMR nach sich ziehen würde.

Mein Rat an Beschwerdeführer ist daher ganz klar: Wenden Sie sich an den Europäi­schen Gerichtshof für Menschenrechte, denn dort – und das kann ich aus eigener Er­fahrung sagen, weil ich fast zwei Jahre lang dort tätig war – wird höchst professionell und genau geprüft. Wenn der EGMR zur Meinung kommt, dass keine Gefahr einer Men­schenrechtsverletzung vorliegt – von der sprechen wir nämlich bei der einstweiligen Verfügung –, dann können Sie davon ausgehen, dass es auch keine gibt.


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Eine Gesetzesänderung im Sinne des Antrages der NEOS kann man durchaus als wün­schenswert bezeichnen, aber es liegen keine zwingenden Gründe dafür vor. Es war heute schon von Symbolpolitik die Rede, und deshalb möchte ich dazu sagen: Auch das wäre symbolisch und nichts anderes, denn nur weil etwas nicht verpflichtend ist, heißt es nicht, dass es nicht beachtet wird. Also ich möchte hier nicht den Eindruck auf­kommen lassen, dass eine Interim Measure von einem Menschenrechtsausschuss in Genf nicht beachtet wird. Es gilt immer noch und in jedem Fall eine Einzelfallprüfung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Yılmaz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


16.15.46

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekre­tärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen wieder ein strengeres, schär­feres Ausländergesetz. Normalerweise ist es so, dass wir jedes Jahr im Frühjahr einen derartigen Gesetzentwurf vorbereiten, hier darüber diskutieren und dann beschließen; seit 15 Jahren ist das so. Diesmal hat sich die Beschlussfassung ein bisschen nach hinten verschoben, wahrscheinlich wegen des brisanten Themas 60-Stunden-Woche. Jetzt haben wir Juli, wir haben endlich einen Gesetzentwurf und wir haben darin die Regelungen noch schärfer gemacht. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Waren sie nicht scharf genug, nicht streng genug? – All das, was mit diesem Gesetz festgelegt wird, kann heute auch schon gemacht werden: Handydatenauswertung, Mitwirkungspflicht, Selbsterhaltungspflicht, wenn sie das Geld haben. Wozu wir jetzt eine neue Novelle brauchen, ist für uns von der SPÖ einfach nicht verständlich.

Ich möchte auch mit einem Mythos aufräumen: Kollege Schrangl, Sie haben gesagt, Sie werden auch die Wartezeit für die Erlangung der Staatsbürgerschaft von sechs Jahren auf zehn Jahre verlängern. Es sind jetzt zehn Jahre! Wissen Sie, was mit die­sem Gesetz verlängert wird? Haben Sie sich das angeschaut? (Zwischenruf des Abg. Schrangl.) – Die Wartefrist für anerkannte Asylwerber, nicht allgemein.

Diesem Glauben erliegt auch der Herr Finanzminister. Er hat auf seiner Homepage ge­schrieben, dass die Gebühren nicht erhöht werden, die Österreicherinnen und Österrei­cher würden sich sehr viel ersparen. Aber: Die Gebühren für die Verleihung der Staats­bürgerschaft werden um 14,2 Prozent erhöht, nur für die Ausländer. Er begründet das mit dem bürokratischen Mehraufwand, weil man die Wartezeit für die Erlangung der Staatsbürgerschaft von sechs Jahren auf zehn Jahre erhöht. – Das stimmt nicht, es sind jetzt schon zehn Jahre; das gilt nur für anerkannte Asylberechtigte. (Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz sind die Gebühren für die Erlangung der Staatsbürgerschaft in Ös­terreich wirklich sehr hoch, sie gehören zu den höchsten. Gleich teuer ist das noch in der Schweiz und teurer ist es noch in Italien. Stellen Sie sich vor, in Belgien kostet die Staatsbürgerschaft 150 Euro, in Dänemark 134 Euro, in Frankreich 55 Euro, in Schwe­den 160 Euro, in Deutschland 255 Euro, in Österreich seit 1. Juli: 1 115 Euro pro Per­son, und das sind nur die Bundesgebühren! Dazu kommen noch die Landesgebühren bei den Behörden, die die Anträge bearbeiten und auch das Dokument ausstellen. Oberösterreich verrechnet die niedrigste Abgabe, nämlich 104 Euro, Steiermark ver­rechnet zusätzlich 1 357 Euro. Die Staatsbürgerschaft in Österreich kostet also pro Na­se 1 219 Euro bis 2 472 Euro; da sind aber noch keine Gebühren für Dolmetscher, für Übersetzungen und Beglaubigungen dabei.

Warum der Finanzminister glaubt, die Gebühren erhöhen zu müssen, weil mehr Ar­beitsaufwand anfällt, wenn die Frist von sechs Jahren auf zehn Jahre verlängert wird,


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ist für mich auch nicht verständlich, denn kein einziger Bundesbeamter macht auch nur einen Strich im Laufe des Verfahrens, exekutiert wird dieses Gesetz in den Ländern.

Mir tun jetzt schon die Kolleginnen und Kollegen bei den Magistraten und Bezirks­hauptmannschaften leid: nicht nur, dass sie sich wieder eine Novelle anschauen und alles andere wieder zurückfahren müssen, sondern es wird auch die Zahl jener Fälle ansteigen, die beim BFA anhängig sind. (Beifall bei der SPÖ.) – Okay, meine Redezeit ist zu Ende, meine Kollegen geben mir schon ein Zeichen, dass ich aufhören soll, aber Sie wissen, was ich meine, Frau Staatssekretärin! Es wird durch diese Gesetzesände­rung keine Effizienz geben, denn mittlerweile haben wir schon 15 entsprechende No­vellen beschlossen, und es ist keine Effizienz da. Das muss man ganz anders handeln. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

16.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Mahrer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.21.14

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Gerade für Sie, die Sie zuschauen, möchte ich das vorliegende Fremdenrechtsänderungsgesetz und das, was wir heute hier im Nationalrat beschließen, kurz in einem größeren Zusammenhang betrachten.

Ich darf daran erinnern, dass eines der wesentlichen Ziele während unserer Vorsitzfüh­rung im Rat der Europäischen Union die Entwicklung eines Europas, das schützt, ist. Wir werden unsere inzwischen auch vom Europäischen Rat übernommenen Forderun­gen konsequent weiterverfolgen. Diese Forderungen sind einerseits ein funktionieren­der EU-Außengrenzschutz, andererseits Asylverfahren außerhalb von Europa, mög­lichst nahe der Herkunftsländer, eine personelle, inhaltliche und budgetäre Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex, und wir sind uns ganz sicher, dass wir mit vielen, vie­len Schritten dieses Ziel einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik umsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es ist uns auch ganz klar – das möchte ich heute noch einmal betonen –, dass es Hilfe vor Ort benötigt und dass wir in Europa vieles dazu tun werden, um unser Ziel nicht nur finanziell und kurzfristig, sondern auch strukturell und nachhaltig sicherzustellen, meine Damen und Herren! Diese konsequente Asyl- und Migrationspolitik ist eine Vorausset­zung für ein gemeinsames und friedliches Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Genau in dieser Phase ist es auch wichtig und goldrichtig, dass diese Bundesregierung sehr aufmerksam die Migrationsentwicklung innerhalb Europas verfolgt. Gerade die Er­eignisse der letzten Stunden und Tage zeigen uns, dass es für Österreich ganz we­sentlich ist, rasch auf neue Entwicklungen zu reagieren. Ich danke in diesem Zusam­menhang der ganzen Bundesregierung, insbesondere aber Bundesminister Herbert Kickl und Bundesminister Mario Kunasek, dass sie sich so sehr bemüht haben und in den letzten Wochen und Monaten viele Maßnahmen gesetzt haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Während die gesamteuropäische Lösung, diese große Lösung nämlich, auf dem Weg ist, müssen wir unsere Hausaufgaben machen, und da sind wir jetzt beim Fremden­rechtsänderungsgesetz, das ich nur ganz kurz zusammenfasse, denn vieles ist heute schon gesagt worden.

Ich sage Ihnen als Praktiker und aus langjähriger Erfahrung in der Praxis: Wir werden mit dieser Novelle viele Lücken im System schließen. (Abg. Plessl: Das stimmt nicht,


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Herr Kollege!) Wir werden Asylverfahren rascher und effizienter erledigen, wir werden die Möglichkeiten zum Asylmissbrauch weiter verringern und wir werden auch die kon­sequente Rückführung von straffälligen Asylwerbern weiter steigern, und das ist gut und richtig so, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Für ganz besonders wichtig, meine Damen und Herren, halte ich es, dass für jedes Asylverfahren eine einwandfreie Feststellung der Identität und der Herkunft von Asyl­werbern sichergestellt wird. Die Praktiker aus dem In- und Ausland sagen uns, dass bis zu 70 Prozent der Menschen, die aufgegriffen werden, ohne Reisedokumente kom­men, 100 Prozent aber mit dem Smartphone kommen. Daher ist es notwendig, dass auch gegen den Willen der Betroffenen – und das ist in dieser Form neu – mitgeführte Datenträger gezielt und nicht willkürlich, Frau Zadić, ausgewertet werden können (Abg. Plessl: Das gibt es jetzt auch schon!), wenn Zweifel an der Identität oder an der Her­kunft oder an der Fluchtroute der Betroffenen bestehen.

Meine Damen und Herren! ÖVP und FPÖ haben eine konsequente Asyl- und Migra­tionspolitik versprochen. Diese Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen halten dieses Versprechen ein, und zwar Punkt für Punkt. Darauf können sich die Österrei­cherinnen und Österreicher verlassen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Plessl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.25.35

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätz­te Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Mahrer, du bist auch schon sehr lange bei der Polizei und du weißt, dass dieses Gesetz eine Nebelgranate ist. Wir wissen auch – und das möchte ich auch sehr gerne begründen –, dass wir schon über sehr viele Novellierungen in diesem Bereich gesprochen haben und dass jede Novellierung eine Herausforderung für den Polizeiapparat, der die Informationen an die Ämter und so weiter weiterzugeben hat, darstellt. Diese Gesetzesvorlage stellt uns vor große Herausforderungen, und Sie erzählen hier, dass es der große Wurf ge­wesen wäre.

Ich möchte zuerst einmal dazu etwas sagen, weil angesprochen worden ist, dass es so viele Neuerungen in diesem Fremdenrechtsänderungsgesetz gibt. Es sind ja sehr viele Gesetze in diesem Paket enthalten, unter anderem das Fremdenpolizeigesetz, das Asylgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Universitätsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz, das Hochschulge­setz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Gedenkstättengesetz, das Meldegesetz, das Personenstandsgesetz, das Zivildienstgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz.

Lassen wir aber Revue passieren, was jetzt schon gemacht werden kann! Identitäts­feststellung – ich möchte festhalten, dass nach § 35 die Fremden auch dazu verpflich­tet sind, daran mitzuwirken; andauernde Reisebewegungen – ebenso. Jeder Betroffe­ne – steht sogar in § 35 – ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwir­ken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden. Es gibt noch viele andere gesetzliche Bestimmungen, es gibt auch Verfahren bei der Einreise und Aufenthaltstitel. Der Antrag kann auch zurückgewiesen werden, wenn der Betroffene nicht mitwirkt. Es gibt auch den Nachweis der Aufenthaltsberechtigung und so weiter.

Es gibt viele, viele gesetzliche Bestimmungen bis hin zu einem Aufenthaltsverbot, aber alle Maßnahmen, die Sie heute angesprochen haben, sind derzeit auch möglich, und deswegen verstehe ich nicht, warum Sie dieses Gesetz beschließen.

Ich möchte aber schon auf einen Punkt eingehen. Ich weiß schon, warum Sie dieses Gesetz machen, weil man im Zuge der Recherchen – ich habe heute auch einen An-


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trag eingebracht – auch sieht, wie diese Bundesregierung wirklich arbeitet: eine schnel­le Novellierung, eine große Überschrift – und nichts dahinter! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.) Genau so ist es auch mit diesem Fremdenrechtsänderungsgesetz gewesen, mit der Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes, die schon im April beschlossen wurde, nur mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ.

Was ist passiert? – Ein Husch-Pfusch-Verfahren – und jetzt haben wir diesen Beschluss. Ich habe auch eine Anfrage an den Herrn Präsidenten des Nationalrates gestellt, weil § 53 Abs. 5 SPG zwei Mal mit verschiedenen Zeiten verlautbart worden ist. Ganz klar sagt dazu die Rechtsprechung auch nach Ansicht des Hauses bei ähnlichen Fällen: verfassungswidrig.

Danke, Kollege Amon, Kollege Herbert, ihr habt ja schon einen Abänderungsantrag vorbereitet, der dann bei TOP 7 das Ganze wieder korrigieren wird. Und das genau ist unsere Kritik: Abänderungsanträge werden ohne Begutachtung eingebracht. Wir wollen eine ordentliche Begutachtung haben. Genau so sind Sie bei der 60-Stunden-Woche oder dem 12-Stunden-Tag vorgegangen: keine Begutachtung, nichts! Das ist genau die Vorgangsweise der Regierung, die wir ablehnen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Deshalb möchten wir aufzeigen, wie diese Regierung arbeitet: schlampig, die Gesetze müssen sehr schnell repariert werden, weil sie kein Substrat haben! – Danke. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

16.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kumpitsch. – Bitte.


16.29.04

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ja, Kollege Plessl, es ist tatsächlich so, wir haben viel zu tun, aber vor allem deshalb, weil wir die Folgen einer gescheiterten Asylpolitik und Migrationspolitik, die ihr getragen habt, beseitigen müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Plessl: Sie haben bis heute noch nicht ...! Das sind Versäumnisse!) Das ist der Grund.

Kollege Pilz hat gestern, ich sage in Tateinheit mit euch, versucht, der Regierung, dem Kanzler und auch uns als Abgeordneten zu unterstellen, wir würden bei einer Achse der Mutwilligen dabei sein. Dazu kann ich nur sagen: Dann haben wir hier eine Achse der Unwilligen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen Krisper, Lueger, Yılmaz und Zadić! Wir nehmen Ihre Kritik ernst. Sie sagen, es wäre keine Verbesserung hinsichtlich der Schnelligkeit des Ver­fahrens die Folge, dieses Verfahren würde mehr kosten und so weiter. Das zeigt aber ganz genau den unterschiedlichen Zugang, den wir zum geltenden Recht haben, denn was wir wollen, ist, dass Recht Recht bleibt und auch beachtet wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es kann doch nicht sein – das wurde vorhin schon angemerkt –, dass Asylwerber bei ihrer Flucht von einem sicheren Staat zum anderen alles verlieren, aber das Handy und die Wertgegenstände, die bleiben ihnen. Und es kann schon gar nicht sein – du weißt, ich war bei diesen Verfahren oft anwesend –, dass sie auf einmal vergessen ha­ben, welche Route sie genommen haben, woher sie überhaupt kommen, und gar nicht mehr wissen, wie sie richtig heißen.

Und da wollen wir sagen, es besteht eine Mitwirkungspflicht? – Das einzige wichtige und richtige Mittel ist die Möglichkeit, die Geodaten zu erfassen und nachzuforschen, woher der Betreffende kommt! Das ist das, was wir machen. (Abg. Plessl: Das gibt es jetzt schon, Herr Kollege!)


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Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung ernst. Ein Kollege – ich glaube, es war Herr Kollege Kucher – hat in einer der vorherigen Debatten gesagt, jedes Handeln hat Fol­gen. – Die Folgen Ihres Nichthandelns haben wir ja in ganz Europa gesehen, wo Ter­rorverdächtige durch ganz Europa, auch durch Österreich, reisen. (Abg. Plessl: Aber Sie wissen schon, wer den Innenminister gestellt hat?) Diese Folgen wollen wir nicht mehr haben. Wir haben eine Verantwortung für die Bevölkerung, und daher gibt es die­se Bestimmung. (Abg. Plessl: Und wer war Außenminister?)

Nächster Punkt: Es kann auch nicht sein, dass Asylanten – sage ich jetzt, denn wir wissen ja, das ist nicht erst seit drei Jahren, sondern schon seit 15 Jahren der Fall – im Land sind, hier bei uns Suchtgiftdelikte begehen, Kriminalität begehen, aber ohne Kon­sequenzen hier weiterleben können.

Wir sorgen zumindest dafür, dass jemand, der solche kriminelle Handlungen begeht, seinen Aufenthalt bei uns nicht verfestigen kann. Das ist auch ein wichtiger Punkt. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Plessl: Aber Sie haben keine Rücknahmevereinbarung abgeschlossen!)

Deshalb sind wir jetzt dabei, in einer wirklichen Schnelle, die man nur bewundern kann – das muss man schon sagen –, das Fremdenpolizeigesetz zu ändern.

Eines möchte ich auch sagen: Jemand, der tatsächlich verfolgt wird, hat sicherlich Ver­ständnis dafür, wenn er seinen Aufenthalt vorübergehend, während des Verfahrens, einmal nicht dort wählen kann, wo er gerade ist. Der versteht das! Diejenigen hinge­gen, die illegal kommen und glauben, dass sie sich bei uns in die soziale Hängematte hängen können, na ja, denen wird es natürlich nicht gefallen.

Was mich aber ein bisschen bestürzt, ist, dass ihr das mittragt. Das ist nicht gut, und darum bitte ich euch, umzudenken und diesem Entwurf zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Lueger zu Wort gemeldet. Ich nehme an, Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen. – Bitte.


16.33.20

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Abgeordneter Kumpitsch hat behauptet, für die verfehlte Integrationspolitik war der Bundeskanzler der SPÖ zuständig. (Abg. Kum­pitsch: Das ist der Chef! Na sicher! – Abg. Haider: Na wer denn? Nur der Kern! Nur der SPÖ-Kanzler war zuständig!)

Ich stelle richtig: Wer war in der letzten Regierungsperiode Integrationsminister? – Se­bastian Kurz! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Der Faymann war zuständig! – Das ist ja unglaublich!)

16.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Prinz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.34.00

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Meine Damen und Herren! Vorweg darf man sagen, dass Herr Bundeskanzler Kurz in der letzten Regierung für Integration zuständig war, aber nicht für das, was Sie angesprochen haben, Frau Kollegin. Aber macht nichts. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Es ist durchaus verständlich, dass Gesetzesänderungen manchen ein bisschen zu weit gehen. Es ist aber notwendig, wenn man die Praxis bedenkt, dass man legistische An-


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passungen macht und dass man im Bereich Asylwesen und Aufenthaltsrecht entspre­chend praxisgerechte Regelungen findet, weil sich die Welt rund um uns ändert.

Da ich offensichtlich der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt bin, darf ich noch ein bisschen zusammenfassen:

Erstens: Es geht um Verfahrensbeschleunigung, beispielsweise darum, die Kosten für die Steuerzahler zu minimieren, und gleichzeitig im Sinne der Betroffenen um klare Ent­scheidungen, damit sie sich gegebenenfalls neu orientieren können; oder auch darum, ein etwaiges Untertauchen von Asylwerbern zu verhindern, Verfahrensverschleppun­gen hintanzuhalten; um eine beschleunigte Aberkennung des Asylstatus, wenn jemand in sein Heimatland reist oder einen Reisepass seines Herkunftslandes beantragt; und – ganz wesentlich – um Verbesserungen im Bereich der Identitätsfeststellung, etwa durch eine Auswertung der Handydaten.

Zweitens: Es geht um den Schutz, es geht um die Sicherheit der Menschen im Land. Wenn Menschen bei uns Schutz suchen, dann, glaube ich, ist wichtig, dass sie sich an unsere Gesetze halten. Wer sich nicht daran hält, hat mit entsprechenden Konsequen­zen zu rechnen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist auch vorgesehen, dass, wenn es notwendig ist, Schubhaft über Asylwerber ver­hängt wird, wenn Fluchtgefahr oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit be­steht.

Drittens geht es um einige Klarstellungen in Bezug auf den Aufenthalt zum Beispiel von Forschern, Studenten und Freiwilligen im Land – unter dem Titel Freiwillige zum Bei­spiel bei Teilnehmern am Europäischen Freiwilligendienst oder unter dem Titel For­schermobilität, wenn es um einen Forschungsbereich geht.

Es ist schon wichtig, dass man in Bezug auf Studenten ganz klar sagt, es müssen zu­mindest Deutschkenntnisse auf A2-Niveau vorhanden sein, damit man diese Möglich­keit beanspruchen kann.

Das heißt, wir handeln im Sinne der Grund- und Menschenrechte. Ein gutes Gesetz – beschließen wir es ordentlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.36

16.36.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend Frem­denrechtsänderungsgesetz 2018 in 207 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Jenewein, Amon, Kolleginnen und Kollegen einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Jenewein, Amon, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Änderung von Art. 1 Z 25 und Art. 7 Z 5 sowie Einfügung einer Z 14a in Art. 4 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.


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Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 211 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

16.38.206. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (186 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroris­tischen und bestimmten anderen Straftaten (PNR-Gesetz – PNR-G) erlassen wird (208 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Unterrainer. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


16.38.39

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! In dem Gesetz, das wir jetzt behandeln, geht es um die Verarbeitung der Fluggastdaten zur Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten anderen Straftaten. Abgesehen davon, dass die entsprechende Richtlinie bereits bis zum 25. Mai umgesetzt werden hätte sollen, ist der vorliegende Entwurf – ich sage es einmal so – wieder typisch österreichisch, ein österreichisches Unikum.

Warum? – Ganz einfach: In der ursprünglichen Regierungsvorlage ging es um die Flug­gastdaten nicht nur von Flügen von und nach Drittstaaten von und nach Österreich, sondern auch um Flüge innerhalb der EU. Das ist etwas, was sogar der EU-Kommis­sion zu weit gegangen ist. Jetzt hat man das korrigiert, und es geht jetzt nur mehr noch, der Richtlinie entsprechend, um Fluggastdaten von Flügen in und aus Drittstaa­ten.

Aber, und das ist jetzt wieder typisch ÖVP/FPÖ, durch die Hintertüre kommt man wie­der herein. Man räumt nämlich dem Bundesminister für Inneres, unserem Reiter, eine Verordnungsermächtigung ein, den Anwendungsbereich auch auf Flüge innerhalb der EU zu erstrecken, und das, ohne dass es einen Grund im Sinne einer Gefährdung gä­be oder dass ein solcher Grund vorliegt.

Da muss man sich fragen: Warum macht man denn das? Warum macht man diese Hintertüre wieder auf? – Vielleicht deswegen, weil man einfach von der ursprünglichen Variante nicht abweichen wollte. Vielleicht einfach deswegen, weil mit dieser Formulie-


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rung nicht ganz so offensichtlich am Tisch liegt, dass es sich dabei wiederum um ein sogenanntes Gold Plating handelt. Oder es geht einfach darum, wiederum eine Tür zu öffnen, um mehr Überwachung möglich zu machen.

Und das alles unter dem Deckmantel der Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung von terroristischen und bestimmten anderen Straftaten. Wenn das so einfach wäre und das des Rätsels Lösung wäre, dann frage ich mich, warum es bei terroristischen Fällen schon jetzt oft heißt, der Täter oder die Täter waren bereits bekannt.

Was passiert aber mit den Fluggastdaten? – Die werden ganz einfach einmal über­prüft. Nach welchen Kriterien werden sie überprüft? – Das weiß man nicht so genau. Und wenn man nachfragt, dann kann das aus sicherheitspolizeilichen Überlegungen nicht gesagt werden, heißt es aus der Fluggastdatenzentrale. Hauptsache ist, die Da­ten werden gesammelt.

Was passiert dann mit den Daten? – Am Ende des Tages kann man kaum nachvollzie­hen, wo die Daten der Reisenden umherschwirren. Das sollte uns eigentlich schwer zu denken geben. Das ist wohl der nächste Schritt hin zu noch mehr Überwachungsstaat, als wir ihn mit Ihrem Sicherheitspolizeigesetz ohnehin schon haben.

Das sollte uns zu denken geben und ist ein Grund dafür, warum wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kumpitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.41.30

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kollegen! In einem werden wir uns doch wohl einig sein: dass es Ziel sein muss, terroristische Straftaten und schwere Kriminalität zu verhin­dern. Natürlich wäre es sinnvoll, die Ursachen wirksam zu bekämpfen, aber wir müs­sen leider erkennen, dass die Ursachen in den letzten Jahren nicht weniger, sondern mehr geworden sind. Daher sollten wir als Parlament, als gesetzgebende Gewalt alles nützen, was uns hilft, diese Arten von Schwerkriminalität zu verhindern.

Deswegen hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, die EU-Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdaten, sogenannte Passenger Name Record-Daten, umzu­setzen, denn das Ziel dieser Richtlinie ist eben die Bekämpfung von grenzüberschrei­tenden Aktivitäten in den Bereichen Terrorismus und schwerer Kriminalität; und zwar will man das erreichen, indem man Fluggastdaten auswertet. Damit soll man den Si­cherheitsbehörden, den Staatsanwaltschaften, den Gerichten, den Nachrichtendiens­ten im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse die Möglichkeiten geben, zu erkennen, ob terroristische Anschläge drohen oder ob organisierte Kriminalität sozusagen über den Flugverkehr bei uns Einzug hält.

Die Umsetzung erfolgt in der Weise – ich erkläre das vielleicht noch kurz –, dass die Luftfahrtunternehmen verpflichtet sind, diese Fluggastdaten innerhalb von 24 bis 48 Stunden vor dem planmäßigen Abflug beziehungsweise sobald die passagierbezo­genen Formalitäten abgeschlossen sind, an die Fluggastdatenzentrale zu übermitteln, und diese Zentrale ist beim Bundesministerium für Inneres angesiedelt.

Vom Vorredner habe ich den Einwand gehört, dass man sozusagen nicht klar weiß, wofür diese Daten verwendet werden dürfen. Das ist eigentlich ganz klar, weil der Zweck der Verwendung der Daten in der Verhütung, in der Aufdeckung und in der Ermittlung und Verfolgung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität liegt. Vie­le hier sind Juristen und wissen, wo die schwere Kriminalität anfängt, nämlich bei Straf­taten, die mit Freiheitsstrafen von drei Jahren bedroht sind. Eine Verwendung erfolgt


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also durchaus nur in begründeten Fällen. Deshalb ist es auch so, dass wir versuchen, das umzusetzen.

Eine weitere Möglichkeit möchte ich nur kurz anreißen: Diese Bestimmung gilt grund­sätzlich nur für Flugunternehmen und Flüge aus beziehungsweise in Drittstaaten. Doch die EU-Richtlinie ermöglicht es auch, diese Bestimmung aufgrund einer Verordnung durch den Minister auch innerstaatlich anzuwenden.

Jetzt haben wir zum Beispiel gerade – das braucht man nicht zu erwähnen – die EU-Ratspräsidentschaft, und das ist doch ein Ereignis, das mit erheblichen Gefahren und Risiken verbunden ist. In diesem Zusammenhang erlaubt es eben diese Richtlinie, dass man bei entsprechender Prognose durch Erlassung einer Verordnung eine ent­sprechende Möglichkeit schafft. Das haben wir vor, soweit ich weiß, bis zum 31. De­zember; danach werden wir davon wieder keinen Gebrauch machen. Deshalb bitte ich auch Sie alle, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

16.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.45.24

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Ja, der Name, das Geburtsdatum, Ihre Adresse, Ihre Telefonnummer, Ihre Reisepassnummer, Zahlungsinformationen, die genaue Reiseroute, die Sitzplatznum­mer im Flugzeug, spezielle Speisewünsche, Informationen über das Gepäck, Angaben zu Ihrem Vielfliegerprogramm, die Namen von Mitreisenden, Informationen zur Hotel- und Mietwagenbuchung und sogar Angaben darüber, wo Sie in welchem Reisebüro den Flug gebucht haben und welcher Sachbearbeiter das konkret vor Ort gemacht hat – all diese Daten werden in Zukunft mit der Fluggastdatenspeicherung gespeichert und können verwendet werden.

Jetzt kann man sagen, das ist eine EU-Richtlinie und es ist in erster Linie das EU-Par­lament – leider Gottes – mit schuld daran, dass es diese unerträgliche Richtlinie gibt, aber FPÖ und ÖVP haben hier noch etwas Besonderes vor. Sie wollen nämlich zu­sätzlich dazu, dass das für Flüge nach Europa gilt, per Verordnung auch die Möglich­keit schaffen, dass das für innereuropäische Flüge gilt.

Das ist aus zwei Gründen spannend. Erstens einmal finde ich es einigermaßen unan­genehm, wenn ich weiß, dass der Überwachungsminister Kickl jetzt noch mehr Daten von mir sammelt. Es ist außerdem auch deshalb spannend, weil es ja eigentlich diese Bundesregierung ist, die immer gegen Gold Plating ist, doch was Sie hier machen, ist genau das! Sie führen Dinge ein, die Sie eigentlich nicht brauchen, und sammeln nur noch mehr Daten. Im Übrigen ist es zusätzlich noch so: Da sich der Innenminister be­ziehungsweise Überwachungsminister Kickl diese Daten nicht alleine anschauen kann, darf in Zukunft Minister Kunasek auch auf die Daten zugreifen. Wieso das Bundesheer in diesem Zusammenhang meine Fluggastdaten braucht, ist mir einigermaßen schlei­erhaft.

Das Ganze wird natürlich noch lustiger, wenn man sich die eigentliche Position der FPÖ durchliest und anschaut. Es gibt einen gewissen Generalsekretär Harald Vilims­ky – der ist, glaube ich, bei Ihnen in der Partei. Das ist übrigens auch derjenige, der ge­gen Uploadfilter ist, hinsichtlich deren Sie gestern der Meinung waren, dass die super sind. Dieser Generalsekretär Harald Vilimsky sagt, dass die Fluggastdatenüberwa­chung der völlig falsche Weg ist, und es sei „absurd“, „die Allgemeinheit in den Über­wachungsstrudel“ hineinzuziehen. Dieser Generalsekretär Vilimsky von der FPÖ sagt:


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„,Die FPÖ bleibt bei ihrem Nein zur Speicherung und Verwendung von Fluggastdaten­sätzen. Mit dem PNR-System wird die europäische Zivilgesellschaft unter Generalver­dacht gestellt [...]‘“

Er sagt weiter auch, dass „,das Sammeln einer Unzahl von Datenmengen über das Verhalten unbescholtener Bürger [...] an der Aufgabenstellung völlig vorbei‘“ geht und – auch sehr schön –: „Die ÖVP agiere nach dem Prinzip, wenn die Nadel im Heuhaufen nicht gefunden wird, bringt uns einfach mehr Heu.“ – Harald Vilimsky, Generalsekretär der FPÖ, also jener Partei, die heute hier auch zustimmen will. (Beifall bei den NEOS.)

Er sagt weiter, dass mit diesem neuen PNR-System wahllos eine Flut an Personenda­ten bei Flügen im europäischen Raum gesammelt wird – also genau das, was Sie hier heute beschließen wollen – und EU-Bürger unter Generalverdacht gestellt werden.

Schauen Sie, ich finde es grundsätzlich schon schwierig, wenn der Überwachungsmi­nister Kickl meine Daten sammelt. Ich finde es noch schwieriger, wenn wir hier ein Gold Plating machen und weit über das hinausgehen und der Überwachungsminister Kickl dann alleine per Verordnung entscheiden darf, ob er auch noch zusätzliche Daten sammeln will. Das macht mir einigermaßen Angst. Ich bin überzeugt davon, dass es den Überwachungsminister Kickl nichts angeht, wie viele Bonusmeilen ich habe, wenn ich in einem Flugzeug sitze, dass es ihn nichts angeht, ob ich im Flieger vegetarisch, vegan oder Fleisch esse, genauso wie es ihn nichts angeht, wie viele Gepäckstücke ich aufgegeben habe und mit wem ich irgendwo hinfliege, geschweige denn, in wel­chem Reisebüro ich gebucht habe.

Das Europäische Parlament hat heute etwas Großartiges im Sinne der Grund- und Freiheitsrechte gemacht: Man hat es geschafft, gegen die Uploadfilter zu stimmen, und man hat dem Zensurminister Blümel da seine Grenzen aufgezeigt. Ich wünsche mir ei­gentlich von all jenen Abgeordneten, die immer gegen die Fluggastdatenspeicherung waren, dass sie auch dem Überwachungsminister, der leider Gottes in dem Fall aus ihrer eigenen Partei kommt, hier die Grenzen aufzeigen und sich gegen diese uner­trägliche Datensammelwut und diese Einschränkungen der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in Europa zur Wehr setzen. (Beifall bei den NEOS.)

16.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Amon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


16.49.36

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Ich kann bei der Umsetzung der PNR-Richtlinie eigentlich weit und breit kein Gold Pla­ting erkennen (Abg. Scherak: Überhaupt nicht!) – überhaupt nicht –, sondern die PNR-Richtlinie wird eigentlich so, wie sie vorgesehen ist, in nationales Recht übernommen.

Herr Kollege Scherak, wissen Sie, wie viele EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit schaf­fen, die Fluggastdaten innereuropäischer Flüge zu speichern? (Abg. Scherak: Sie wer­den es mir gleich sagen!) – Alle! Alle 28 EU-Mitgliedstaaten haben bei der Kommission eingemeldet, dass diese Fluggastdaten entweder überhaupt fix aufgrund eines nationa­len Gesetzes gespeichert werden oder eben aufgrund einer im Verordnungsweg erlas­senen Bestimmung, wie wir das tun. Es gibt eigentlich niemanden Vernünftigen im Si­cherheitsbereich, der nicht der Meinung ist, dass in besonderen Situationen, während einer besonderen Gefährdungslage, etwa während der EU-Ratspräsidentschaft, nicht die Möglichkeit bestehen soll, solche Fluggastdaten zu speichern. (Abg. Scherak: Ich bin nicht vernünftig oder nicht im Sicherheitsbereich!) Ich verstehe nicht, wo Ihre Sorge liegt. (Abg. Leichtfried: Also ich verstehe ihn!)

Es ist wirklich interessant, auf der einen Seite haben Sie kein Problem damit, dass Fluglinien, Reisebüros, Vielfliegerprogramme diese Dinge ganz selbstverständlich spei-


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chern, und immer dann, - - (Abg. Scherak: Aber nicht der Kickl!) – Sie haben halt per­sönliche Animositäten, da kann ich nichts machen, Herr Kollege Scherak. (Abg. Sche­rak: Nein!)

Es geht aber um etwas anderes, es geht darum, dass die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit haben müssen, im Sinne der Vermeidung, der Verhinderung oder auch der Aufklärung von schwerer Kriminalität auf solche vorhandenen Daten zugreifen zu kön­nen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das erhöht die Sicherheit, das ist eine sinn­volle Maßnahme, und diese Maßnahme wird in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nun ist Frau Staatssekretärin Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


16.51.31

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hau­se vor den Fernsehgeräten! Das vorliegende Gesetz ist die Umsetzung der PNR, der sogenannten Passenger Name Record Directive, einer Richtlinie des Europäischen Parlaments, der Europäischen Union zur Verhütung und Verfolgung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität.

Worum geht es? – Es geht darum, dass künftig Fluggesellschaften Fluggastdaten vor Abflug beziehungsweise vor Landung an die Fluggastdatenzentrale zu übermitteln ha­ben. Vom Gesetz umfasst sind nur Drittstaatsflüge, sprich Flüge von der EU in ein Nicht-EU-Land oder retour.

Richtig ist allerdings auch – ja, da bin ich bei Ihnen –, dass es eine Verordnungser­mächtigung gibt und dass der Herr Bundesminister für Inneres da auch eine Auswei­tung vorsehen kann, und zwar dann, wenn es notwendig ist, und unter den gleichen Voraussetzungen, die auch für die gesetzliche Meldung von Fluggesellschaften gelten, nämlich dann, wenn es um die Verhinderung, Verfolgung und Aufklärung terroristischer und schwerer Straftaten geht. (Abg. Leichtfried: Aber meinen Sie nicht, dass das Gold Plating ist?)

Die Daten werden an die Fluggastdatenzentrale eingemeldet, die im Bundeskriminal­amt eingerichtet ist. Die Aufgabe dieser Fluggastdatenzentrale ist, neben der Verarbei­tung der Daten, der Abgleich mit relevanten polizeilichen Datenbanken, die Analyse und auch der Austausch mit Europol und anderen Mitgliedstaaten im Anlassfall.

Das ganz klare Ziel der Richtlinie – ich sage es noch einmal – ist die Verhütung, Auf­deckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Krimi­nalität. Wir sprechen von Straftaten, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe be­droht sind. Und die Verarbeitung ist zu keinen anderen Zwecken zulässig.

Reflexartig wird bei derartigen Gesetzen oder Verordnungen immer die Frage nach dem Datenschutz gestellt – zu Recht, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich möchte diese Frage auch beantworten:

Die Daten werden grundsätzlich fünf Jahre gespeichert, aber bereits nach sechs Mona­ten hat eine Depersonalisierung stattzufinden, das heißt, keine Rückschließung auf die Person, der die Daten zuzuordnen sind, darf möglich sein. Eine Repersonalisierung ist nur eingeschränkt möglich, und zwar dann, wenn es ein begründetes Ersuchen einer bestimmten in- oder ausländischen Behörde, einer Sicherheitsbehörde, einer Zollbe­hörde oder etwa von Europol gibt. (Abg. Leichtfried: Was bedeutet das bitte?) Je nach Verfahrensstadium wird diese Repersonalisierung entweder vom Rechtschutzbeauf-


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tragten oder vom Staatsanwalt oder, wenn wir uns schon im Verfahrensstadium der Hauptverhandlung befinden, vom Richter anzuordnen sein.

Zusätzlich ist die Information auch an den Datenschutzbeauftragten weiterzugeben, der damit die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten überhat.

Im Gesetz ist auch – das wurde noch nicht angesprochen – eine Verwaltungsstrafe für Fluggesellschaften vorgesehen, die diese Daten nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise übermitteln. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist notwendig, wenn ein Gesetz effizient sein soll. Gibt es diese Androhung nicht, dann wissen wir aus der praktischen Erfahrung, dass sehr oft nicht in der vorge­schriebenen Weise gemeldet wird.

Abschließend möchte ich noch einen Gedanken formulieren: Wir alle geben täglich an Unternehmen im In- wie im Ausland persönliche Daten bekannt. Denken Sie nur daran: Sie googeln etwas im Internet, Sie bestellen etwas bei Amazon, Sie posten etwas auf Facebook, wo Sie natürlich einen gemeldeten Account haben, oder aber Sie buchen einen Flug bei einer ausländischen Fluggesellschaft – auch dann geben Sie Ihre Daten bekannt. Bewusst oder unbewusst nehmen wir damit in Kauf, dass diese Daten auch verarbeitet werden.

Die Datenschutz-Grundverordnung hat da eine gewisse Sensibilität für den Umgang mit diesen Daten gebracht, bei Konsumenten genauso wie bei Unternehmen. Im Ge­gensatz zur kommerziellen Nutzung dient die Datenübermittlung im vorliegenden Ge­setz aber dem hohen Ziel der Verhinderung, Aufklärung und Verfolgung von schweren Straftaten und terroristischen Straftaten. Es gibt ganz klare Regelungen für die Verar­beitung der Daten, und leider, das muss man sagen, müssen wir in Zeiten wie diesen für derartige Fälle gerüstet sein.

Ich bin daher der Überzeugung, dass der Zugriff auf die Daten, wie er jetzt im Gesetz vorgesehen ist, für dieses hohe Ziel wirklich gerechtfertigt ist. Ich bitte Sie daher um eine breite Zustimmung dazu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lasar. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.56.34

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir besprechen heute die Fluggastdatenverarbeitung, die ein guter, vor allem ein weiser Schritt ist, da nämlich mit diesen Daten bereits im Vorfeld Straf­taten, insbesondere solche mit terroristischem Hintergrund, verhindert werden sollen. Mit dieser PNR-Richtlinie werden Fluggesellschaften verpflichtet, Fluggastdaten von Personen, die mit einem Luftfahrzeug aus einem Drittstaat nach Österreich ein- bezie­hungsweise nach einem Drittstaat ausreisen, zu übermitteln.

Was bedeutet das in der Praxis? Wir haben an und für sich schon sehr viel darüber gehört, was in der Praxis umgesetzt werden wird. Ich finde das ganz richtig, aber es gibt einige kritische Punkte, die man vielleicht noch ausräumen kann, zum Beispiel auch die Zweifel des Herrn Scherak.

Luftfahrtunternehmen sind somit verpflichtet, Fluggastdaten innerhalb von 24 bis 48 Stun­den vor dem planmäßigen Abflug sowie unverzüglich nach dem Abschluss der passa­gierbezogenen Formalitäten kostenlos an die Fluggastdatenzentrale PIU zu übermitteln.

Die Fluggastdatenzentrale ist in weiterer Folge für die Verarbeitung der PNR-Daten, insbesondere für deren Abgleich mit der relevanten polizeilichen Datenbank sowie für die Analyse der Daten zuständig. Sie ist auch dazu berechtigt, die Fluggastdaten vor


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der Ankunft oder dem Abflug mit Daten aus Fahndungsevidenzen abzugleichen und das Ergebnis danach entsprechend weiterzuverarbeiten.

Die erhaltenen Daten dürfen des Weiteren ausschließlich zum Zweck der Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kri­minalität verwendet werden. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ein paar Worte zu Herrn Scherak – vielleicht kann ich da etwas ausräumen – und zur Speicherung der Daten: Wenn wir heute auf Urlaub fahren, gehen wir vorher in ein Reisebüro und bezahlen meistens mit einer Kreditkarte; da sind einmal die Daten ge­speichert. Wir geben Namen und Adresse unserer Kinder oder der Ehefrau an; von je­dem, mit dem wir verreisen, muss man die Daten angeben; diese werden gespeichert. Das weiß man am besten dadurch, dass man ab und zu Werbung und Fragen darüber, wie es einem im Urlaub gefallen hat und so weiter, bekommt. Da ist man also nicht mehr anonym.

Du fliegst in den Urlaub, nimmst dir ein Mietauto oder gehst ins Hotel und das Erste, was sie dich dort fragen, ist: Kann ich Ihre Kreditkarte haben? – Damit haben sie alle Daten! (Abg. Scherak: Bei Avis oder Billa, aber nicht der Kickl! Das ist ein Unter­schied!) – Was ist da für ein Unterschied mit den Daten? (Abg. Scherak: Nicht der In­nenminister ..., oder der Sobotka!) – Na ja, nur weil du den Innenminister nicht magst, darf dieser keine Daten haben? Da geht es ja um unser aller Sicherheit. Ich weiß nicht, willst du das nicht verstehen? (Abg. Scherak: Du verstehst es nicht!) – Ich verstehe es schon, denn ich stimme ja zu. Du könntest es dir aber vielleicht überlegen und eben­falls zustimmen, das wäre das Wichtige! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Abschluss, weil meine Redezeit abläuft: Die Frau Staatssekretärin hat es gesagt, die Speicherung erfolgt für fünf Jahre, nach sechs Monaten werden die Daten anony­misiert. Was tut dir da weh? – Es ist eh anonymisiert! In einem Reisebüro, bei einer Mietautofirma, bei niemandem werden die Daten gelöscht, bei gar niemandem! (Zwi­schenruf der Abg. Lueger.)

Ich verstehe dich wirklich nicht. Ich sehe natürlich ein, in der Opposition muss man nach etwas suchen. (Abg. Scherak: Frag doch den Vilimsky, frag den Generalsekretär! Frag den Stefan! Frag den Rosenkranz!) Man muss in der Opposition nach etwas su­chen, weshalb man dagegenstimmen kann. Das aber ist mit Sicherheit kein Argument. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


17.00.56

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte versuchen, es für die Zuseherinnen und Zuseher ganz einfach zu erklären.

9/11 ist vielen noch ein Begriff, vor 17 Jahren flogen Terroristen mit zwei Flugzeugen in das World Trade Center. Daraufhin begannen die Amerikaner, Fluggastdaten zu kon­trollieren, um herauszufinden, wo sich Terroristen bewegen könnten, wie sie sich be­wegen, wann sie in ihr Land kommen. In Europa haben wir uns sehr darauf konzen­triert, dass wir auf dem Landweg kontrollieren, wenig in der Luft. Aber wir mussten schnell feststellen, dass wir das genauso in der Luft brauchen.

Aus meiner Sicht ist es eigentlich entsetzlich, dass es 17 Jahre gedauert hat, bis es in Europa zu solchen Fluggastdatenaustauschen kommt. Es bedeutet, dass bei jedem, der nach Österreich einfliegt, zuvor im Bundeskriminalamt, in dem diese Daten von


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Luftfahrtunternehmen eingehen, überprüft wird, ob nach ihm gefahndet wird, entweder als Person, weil er eine Straftat begangen hat, ob sein Reisepass vielleicht abgelaufen ist und er daher auch gar kein gültiges Einreisedokument hat, ob sein Reisepass ge­stohlen ist oder ob andere Dinge vorliegen, die alle in Kriminellendateien gespeichert sind. Ist das der Fall, dann darf diese Person von ihrem Abflughafen gar nicht mehr nach Österreich abfliegen. Das heißt, wir verhindern damit, dass wir Kriminalität aus dem Ausland direkt nach Österreich importieren. Wir schaffen es, unsere Grenzen vor­zuverlagern.

Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Moment. Wir wollen nicht nur die Krimina­lität im Inland bekämpfen, sondern wir wollen versuchen, dass die Terroristen schon im Ausland abgehalten werden und gar nicht mehr zu uns kommen.

Meine Damen und Herren, daher glaube ich, dass das eine wichtige Maßnahme ist. Es ist eigentlich schade, dass es so lange gedauert hat.

Der Datenschutz ist gewährleistet, es gibt einen eigenen Datenschutzbeauftragten da­für, der unabhängig gestellt ist, und, wie die Frau Staatssekretärin gesagt hat, die Da­ten sind nach sechs Monaten beziehungsweise in bestimmten Fällen spätestens nach fünf Jahren zu löschen.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung, da es um die Sicherheit Österreichs geht. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.03

17.03.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 186 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die gleiche Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

17.04.047. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (194 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (209 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Androsch. – Bitte.


17.04.31

Abgeordneter Ing. Maurice Androsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben unter diesem Tagesordnungspunkt eigentlich drei Bereiche zu besprechen, aber im Wesentlichen möchte ich auf zwei eingehen.


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Der eine Bereich der Regierungsvorlage, mit der das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden soll, betrifft die Thematik, dass der sogenannte Gaffer-Paragraf, wie er im Volks­mund genannt wird, eingeführt wird.

Es geht darum, dass Schaulustige an Vorfallsorten Einsätze von Rettungseinheiten, die erste allgemeine Hilfeleistung und Hilfeleistung vor Ort behindern und sogar mit den Handys Aufnahmen machen, um das erste Bild von einem Vorfall, der oft tragisch genug ist, in die Social Media stellen zu können. Dem soll Einhalt geboten werden, und es soll vor allem der Exekutive die Möglichkeit gegeben werden, gerade solche Perso­nen wegzuweisen. Das ist gut und richtig, da es dafür sorgt, dass es rasch zur ent­sprechenden Hilfeleistung kommt.

Wir haben aber nicht nur diesen Part, sondern im Ausschuss ist ein Abänderungsan­trag eingebracht worden, der sich mit dem Thema beschäftigt, die Überwachung von öffentlichen Orten aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen in Angriff zu nehmen.

Da geht es im Wesentlichen darum, wie man aus der Begründung und aus dem Text herausliest, dass Denkmäler, Kriegsgräber, Kriegsdenkmäler und dergleichen über­wacht werden sollen, dass da personenbezogene Daten gesammelt werden sollen, dass da Videoaufnahmen gemacht werden sollen.

Das wurde auch ausgedehnt; sieht man es sich weiter an, so wird auch von Botschaf­ten gesprochen, auch Botschaftsumfeld soll überwacht werden. Ich habe im Ausschuss an den Innenminister die Frage gerichtet, was eigentlich mit diesem Gesetz geplant ist. Was wollen Sie überwachen? Wo wollen Sie überwachen? Welche Botschaften wollen Sie überwachen? Was kostet das? Welcher Personalaufwand steht dahinter? Welcher Sachaufwand steht dahinter?

Er hat darauf in Wirklichkeit keine Antworten gegeben: Man wisse noch nicht, wo man es anwenden möchte; man wisse nicht, was es kostet. Auf jeden Fall wissen wir aber, dass wir Daten von Personen sammeln werden. Im Gesetzentwurf steht zwar drinnen, nach 48 Stunden wird das, sofern das nicht besonders ist, gelöscht. Sollte aber viel­leicht ein bisschen ein Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung bestehen kön­nen, dann wird diese Datenaufbewahrung ausgedehnt.

Aus unserer Sicht ist das alles sehr schwammig formuliert. Es ist alles sehr schwam­mig dargestellt, und das macht uns schon besondere Sorgen, da es wieder darum geht, ein weiteres Stück der Öffentlichkeit zu überwachen, noch mehr an Daten zu sammeln.

Der dritte Punkt betrifft einen Abänderungsantrag, der zum Thema Waffenverbotszo­nen einlangen wird. Das ist auch sehr spannend zu sehen: Da wird ein weiterer Ab­änderungsantrag eingebracht, und beide – und das ist ein wichtiges Thema – kommen ohne Begutachtung ins Plenum – beide ohne Begutachtung! –, wie Kollege Plessl heu­te schon angemerkt hat.

Es werden Abänderungsanträge vorgelegt, die nicht begutachtet werden, die sich nie­mand von außen hat ansehen können, in die keine Expertenmeinungen eingeflossen sind. Das ist aus unserer Sicht nicht in Ordnung, gerade in einem Bereich, in dem es um derart maßgebliche Eingriffe in die persönliche Freiheit von Menschen geht.

Geht es um das Thema Waffenverbotszonen, dann verstehe ich schon, dass man viel­leicht den einen oder anderen Ansatz hat, dass man dieses braucht und dass ein gutes Ansinnen dahintersteht. Die Formulierung des Gesetzentwurfes aber macht diesen schwierig: Sind Sie Handwerker und kommen Sie mit einem Hammer in eine Waffen­verbotszone, dann werden Sie durchsucht und kontrolliert und müssen erklären, wa­rum Sie diesen mithaben und was Sie damit tun. Hat eine Person ein waffenrechtliches Dokument und nimmt einen Revolver mit und geht da durch, so darf sie das. Das ist


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etwas seltsam formuliert, denn aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass in Waffenver­botszonen nur die Exekutive, nur der öffentliche Sicherheitsdienst bewaffnet ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne haben wir ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht, da wir dem Gaffer-Paragrafen, wie ihn der Volks­mund nennt, gerne die Zustimmung geben werden, da er wichtig ist. Alles andere, was zu Einschränkung führt, was zu Überwachung führt, braucht eine richtige Begutachtung und soll nicht so das Parlament passieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Werner Her­bert. – Bitte.


17.08.44

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Androsch, ich kann Ihre Argumenta­tion nicht ganz nachvollziehen. Wenn Sie meinen, dass da dem Formalismus zu wenig Raum gegeben wurde, dann ist das eine Einschätzung, die Ihnen schon zugestanden werden soll. Dass Sie aber aufgrund dieser Einschätzung diese wichtigen und, wie ich meine, auch für die Sicherheitsbehörden, aber auch für den Schutz der Bevölkerung notwendigen zusätzlichen gesetzlichen Maßnahmen so grundlegend ablehnen, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar.

Sie haben richtigerweise angesprochen, dass wir mit dieser Regierungsvorlage dem oft sehr unangenehmen Treiben von Schaulustigen, die am Unfallort oder am Einsatzort verweilen, ohne sich an den Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen oder Rettungsmaß-nahmen zu beteiligen, sondern nur um ihre private Schaulust zu befriedigen, Einhalt gebieten wollen.

Das ist auch gut, das ist auch richtig so, zum einen, weil die Blaulichtorganisationen ihrem gesetzlichen Auftrag zur Hilfeleistung oder zur Durchführung von Rettungsmaß­nahmen nachkommen können sollen, und zum anderen, weil es natürlich auch gilt, die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen, von Unfallopfern, von Personen, die von diver­sen Unglücksfällen betroffen sind, zu schützen. – Das ist das eine. Ich glaube, da kann man nichts dagegen haben.

Dass Sie es nicht gut finden, dass man bei der Überwachung von Objekten und Ein­richtungen, die aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen durch die Polizei zu schüt­zen sind, durch die Möglichkeit von Video- und Tonaufnahmen einen Schritt in Rich­tung Zeitgemäßheit weitergeht, das verstehe ich nicht ganz. Mit diesen technischen Überwachungsmaßnahmen haben wir die Möglichkeit, viel Exekutivpersonal, aber auch Personal des Bundesheeres, das im Assistenzeinsatz zum Schutz von Objekten, Botschaften oder Einrichtungen tätig ist, die eben aufgrund völkerrechtlicher Verpflich­tungen zu schützen sind, frei zu machen und diese dadurch gewonnenen personellen Ressourcen wieder den eigentlichen Sicherheitsaufgaben, nämlich zum Schutz der Be­völkerung in faktischen Einsatzlagen, zuzuführen. So gesehen ist das eine Maßnahme, die Sinn ergibt.

Wenn Sie hier eine vertiefte administrative Ansprache benötigt hätten, dann muss ich Ihnen sagen: Ja, okay, soll so sein. Aber grundsätzlich kann man sagen, man ist für diese Sache oder man ist nicht dafür. Daher verstehe ich das nicht ganz, dass Sie sich so dagegen wehren.

Das gilt auch für den von mir eingebrachten Abänderungsantrag zu dieser Novelle betreffend die von Ihnen angesprochenen Waffenverbotszonen. Dieser Antrag ist Ih­nen ja allen zugegangen, ich darf mir daher eine Verlesung ersparen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Sicherheitsbehörden die Ermächtigung bekommen, wenn auf-


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grund bestimmter Erkenntnisse zu befürchten ist, dass es an bestimmten öffentlichen Orten zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Men­schen kommen wird, hier eine sogenannte Waffenverbotszone einzurichten, den Zutritt mit Waffen zu untersagen beziehungsweise Waffen, die widerrechtlich in diese Ver­botszone mitgenommen werden, den betroffenen Personen abzunehmen und sicher­zustellen.

Verbunden damit ist auch eine Durchsuchungsermächtigung, um eben die Durchfüh­rung und Durchsetzung dieser Maßnahme zu ermöglichen. Solche Maßnahmen ken­nen wir schon von privaten Großveranstaltungen. Bei jedem Fußballmatch ist es gang und gäbe, dass Sie sich beim Zutritt zum Stadion einer Sicherheitskontrolle und gege­benenfalls auch einer Visitierung unterziehen müssen. Gefährliche Gegenstände, mit denen andere Personen möglicherweise verletzt werden können, müssen bei dieser Zutrittskontrolle abgegeben werden.

Für den öffentlichen Bereich fehlte eine solche Durchsuchungsermächtigung, daher ziehen wir hier im öffentlichen Bereich nach und setzen das um, was bei privaten Großveranstaltungen mittlerweile gang und gäbe ist. Ich denke, auch diese Maßnahme ist sinnvoll.

*****

Ich darf daher den Abänderungsantrag in der vorgestellten Form hier formal einbringen und darf nicht nur um breite Zustimmung für diese Regierungsvorlage, sondern auch für diesen sinnvollen Abänderungsantrag ersuchen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Herbert, Amon, MA

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizei­gesetz geändert wird (194 d.B.), in der Fassung des Berichts des Ausschusses für in­nere Angelegenheiten

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizei­gesetz geändert wird (194 d.B.), in der Fassung des Berichts des Ausschusses für in­nere Angelegenheiten, wird wie folgt geändert:

1. Die bisherige Z 1 wird zu Z 1b, die bisherige Z 1a wird zu Z 1c und vor Z 1b werden folgende Z 1 und Z 1a eingefügt:

„1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 36a folgender Eintrag eingefügt:

              „§ 36b. Waffenverbotszone“

1a. § 36b samt Überschrift lautet:

„Waffenverbotszone

§ 36b. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen vorangegangener gefährlicher Angriffe, zu befürchten, dass es an bestimmten öffentlichen Orten (§ 27


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Abs. 2) zu gefährlichen Angriffen gegen Leben, Gesundheit oder Eigentum von Men­schen kommen wird, sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, zur Vorbeugung solcher Angriffe mit Verordnung zu verbieten, diese Orte mit Waffen oder mit Gegenständen, die geeignet sind und den Umständen nach dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben, zu betreten. Das Verbot gilt nicht für Menschen, die Waffen in Ausübung ihres Berufes oder auf Grund einer waffenrechtlichen Bewilligung an diesen Orten mit sich führen.

(2) Verordnungen nach Abs. 1 haben die genaue Bezeichnung der Verbotszone in ih­rem örtlichen und zeitlichen Umfang und den Tag ihres In-Kraft-Tretens zu enthalten. Ihre Wirksamkeit ist auf bestimmte Zeiträume einzuschränken, wenn dies die Gewähr­leistung eines wirksamen Schutzes nicht beeinträchtigt. Sie sind auf eine Weise kund­zumachen, die geeignet erscheint, einen möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener zu erreichen. Sie sind aufzuheben, sobald eine Gefährdung nicht mehr zu befürchten ist, und treten jedenfalls drei Monate nach ihrem Wirksamwerden außer Kraft.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, im Anwendungs­bereich der Verordnung nach Abs. 1 die Kleidung von Menschen und von diesen mit­geführte Fahrzeuge und Behältnisse zu durchsuchen, wenn auf Grund konkreter An­haltspunkte der dringende Verdacht besteht, dass der Verordnung gemäß Abs. 1 zuwi­dergehandelt wird. Hat jemand Waffen oder Gegenstände entgegen der Verordnung nach Abs. 1 bei sich, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, diese sicherzustellen. Dem Betroffenen ist darüber eine Bescheinigung auszustellen.““

2. Die bisherige Z 2a wird zu Z 2c und nach Z 2 werden folgende Z 2a und Z 2b einge­fügt:

„2a. In § 84 Abs. 1 wird nach der Z 4 folgende Z 4a eingefügt:

„4a.       einem mit Verordnung gemäß § 36b Abs. 1 angeordnetem Waffenverbot zuwiderhandelt oder“

2b. Dem § 84 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Waffen und Gegenstände einer Verwaltungsübertretung gemäß Z 4a sind nach Maß­gabe des § 17 VStG für verfallen zu erklären.““

3. Z 3 lautet:

„3. In § 94 entfällt in Abs. 44 das Zitat „53 Abs. 5,“ und wird folgender Abs. 46 angefügt:

„(46) Die §§ 36b samt Überschrift, 38 Abs. 1a, 54 Abs. 7a, 81 Abs. 1a, 84 Abs. 1, 91 Abs. 2 und 94 Abs. 44 sowie der Eintrag im Inhaltsverzeichnis in der Fas­sung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2018 treten mit Ablauf des Tages der Kund­machung in Kraft.““

Begründung:

Zu Z 1 (Z 1 und Z 1a):

In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass es öffentliche Orte und Plätze gibt, an denen gehäuft gefährliche Angriffe mit Waffen oder Gegenständen mit waffenähnli­cher Wirkung begangen werden. Wenn jemand nicht unmittelbar bei der Begehung ei­ner strafbaren Handlung betreten wird, ist es den Organen des öffentlichen Sicher­heitsdienstes nicht möglich, effektiv einzuschreiten und die Person oder zumindest den Gegenstand von diesem Ort zu entfernen.

Um für solche Orte eine Maßnahme zu schaffen, präventiv gegen zu erwartende ge­fährliche Angriffe vorzugehen, wird vorschlagen, die Sicherheitsbehörden zur Anord-


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nung einer Waffenverbotszone zu ermächtigen. Voraussetzung für die Erlassung einer solchen Verordnung soll die Prognose sein, die auf Grund bestimmter Tatsachen – al­lem voran auf Grund früherer gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit oder Ei­gentum von Menschen - getroffen wird, dass es in nächster Zukunft an diesem Ort zu weiteren solchen Angriffen kommen wird. Inhaltlich umfasst das Verbot, den bezeich­neten Ort mit Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen zu betreten. Die Auf­zählung von Waffen und anderen Gegenständen, die geeignet sind und den Um­ständen nach dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben, umfasst damit Waffen im Sinne der Definition des Waffengesetzes und andere Gegenstände, denen nach den Umständen Waffenwirkung zukommt. Die Formulierung zu den ande­ren Gegenständen lehnt sich an die Norm des § 9a Versammlungsgesetz an. Solche Gegenstände müssen geeignet sein, Gewalt gegen Menschen und Sachen auszuüben und darüber hinaus nach den Umständen dazu dienen, Gewalt auszuüben. Damit sind all jene Gegenstände nicht erfasst, die zwar grundsätzlich geeignet sind, Gewalt gegen Menschen auszuüben, aber nach den Umständen klar ist, dass die betreffende Person den Gegenstand nicht zur Gewaltausübung mit sich führt, sondern zu einem anderen Zweck, etwa um den Gegenstand als Werkzeug im Rahmen einer Arbeitsverrichtung zu benützen.

Das Verbot soll nicht für jene Menschen gelten, die Waffen in Ausübung ihres Berufes an diesen Orten bei sich haben. Damit sind nicht nur Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes erfasst, sondern etwa auch Angehörige privater Sicherheitsdienste, die dort ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Ebenso soll das Verbot nicht für Menschen gelten, die Waffen auf Grund einer waffenrechtlichen Bewilligung, wie etwa eines Waf­fenpasses, bei sich haben.

Abs. 2 orientiert sich an der Regelung zur Kundmachung von Schutzzonen gemäß § 36a. Bei der Festlegung des örtlichen und zeitlichen Umfangs des Geltungsbereiches wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass diese im Lichte der Verhältnismäßigkeit auf das Notwendige zu begrenzen ist. Die örtliche Ausdehnung wird sich dabei auch an den Gegebenheiten vor Ort zu orientieren haben. Dabei wird eine verbale Umschrei­bung des Bereiches allenfalls um eine graphische Darstellung zu ergänzen sein. Die Verordnung ist in einer Weise kundzumachen, die sie möglichst allen Betroffenen zur Kenntnis bringt, beispielsweise durch (mehrfachen) Aushang des Verordnungstextes in der Verbotszone und ihrem Umkreis.

Zur praktischen Durchsetzung des Verbotes sollen die Organe des öffentlichen Sicher­heitsdienstes ermächtigt werden, nach dem Vorbild der Bestimmung des § 53 Waffen­gesetz innerhalb der Waffenverbotszone die Bekleidung von Menschen und die von diesen mitgeführten Fahrzeuge und Behältnisse (etwa Koffer, Taschen) zu durchsu­chen. Hierbei handelt es sich um keine Ermächtigung einer anlasslosen Kontrolle, da jedenfalls konkrete Hinweise oder sonstige bestimmte Tatsachen vorliegen müssen, die den dringenden Verdacht nahelegen, dass jemand an solchen Orten Waffen oder andere gefährliche Gegenstände bei sich hat. Gemäß § 5 Abs. 3 RLV iVm § 31 SPG ist die Durchsuchung eines Menschen außer in Notfällen durch eine Person desselben Geschlechtes vorzunehmen.

Wenn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes feststellen, dass jemand solche Gegenstände bei sich hat, sollen sie ermächtigt sein, diese sicherzustellen.

Im Übrigen handelt es sich um legistische Anpassungen der Nummerierung der Novel­lierungsanordnungen aufgrund des Abänderungsantrags sowie um die erforderliche Änderung des Inhaltsverzeichnisses.

Zu Z 2 (Z 2a und 2b):

Wer dem Waffenverbot gemäß § 36b Abs. 1 zuwiderhandelt, verwirklicht eine Verwal­tungsübertretung. Diese ist im Einklang mit den bereits bestehenden Bestimmungen


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des § 84 Abs. 1 mit Geldstrafe bis zu 500 Euro bedroht. Ab 1. März 2019 kann im Wie­derholungsfall aufgrund der Änderung durch BGBl. I Nr. 29/2018 sogar eine Strafe bis zu 2.300 Euro verhängt werden.

Überdies sind gemäß § 36b Abs. 3 sichergestellte Waffen oder Gegenständen, die ge­eignet sind und den Umständen nach dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sa­chen auszuüben, nach Maßgabe des § 17 Verwaltungsstrafgesetz für verfallen zu er­klären.

Zu Z 3 (Z 3):

Es handelt sich um die erforderliche Anpassung der Inkrafttretensbestimmung auf­grund des Abänderungsantrages sowie um die Bereinigung eines redaktionellen Ver­sehens.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt.

Zu Wort gemeldet ist Nationalratsabgeordneter Karl Mahrer. – Bitte.


17.14.43

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Aus Zeitgründen möchte ich mich auf einen der drei Novellie­rungsinhalte besonders beziehen, ich glaube, auf einen Inhalt, der die Menschen in diesem Land betroffen macht. Und Betroffenheit kann man meines Erachtens am bes­ten dort abholen, wo es um reale Beispiele geht. Ich zitiere Ihnen daher am Beginn ganz kurz Medien- und Polizeiberichte.

Ein erstes Beispiel: Wien-Favoriten. Während Polizisten Reanimationsmaßnahmen an einem 71-Jährigen durchführen, der beim Aufgang der U-Bahn-Station Reumannplatz zusammengebrochen ist, hat sich eine Menschenansammlung von circa 300 Personen gebildet. Mehrere der Schaulustigen verhindern den Zugang der Einsatzkräfte, der Ret­tung zum Patienten.

Zweites Beispiel: Graz, Innenstadt. Als eine schwangere Frau bei einem Unfall um ihr Leben kämpft, zücken zahlreiche Schaulustige ihre Handys und machen Fotos und Vi­deos vom Geschehen und dem Opfer. Zudem behindern sie die Einsatzkräfte.

Meine Damen und Herren! Diese und ähnliche Berichte verdeutlichen, dass eine Ände­rung des Sicherheitspolizeigesetzes dringend notwendig ist. Mit dieser Novellierung halten wir fest, dass künftig gegen Menschen vorgegangen werden kann, die den rei­bungslosen Einsatz von Hilfsmannschaften behindern und damit nicht nur die Erfüllung wichtiger, oft lebensrettender Aufgaben erschweren, sondern auch die öffentliche Ord­nung stören. Wir schaffen damit die Rechtsgrundlage einerseits für eine effektive Weg­weisung, aber auch für die Verhängung von Verwaltungsstrafen bei der Behinderung von Hilfseinsätzen.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, setzen wir aus meiner Sicht eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Privatsphäre der betroffenen Menschen, die bis dato oft hilflos den zusehenden, fotografierenden oder den Vorfall filmenden Passanten ausge­setzt waren. Wir appellieren damit aber auch – und ich halte das für sehr wichtig – an das Gewissen der Menschen, die sich eigentlich die Frage stellen müssen: Würde ich das wollen, dass man von mir Fotos oder Videos macht, wenn ich verletzt bin oder um mein Leben kämpfe?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, eine nachhaltige und flächendeckende Öffent­lichkeitsarbeit im Rahmen der Umsetzung dieses Gesetzes sollte die Gesetzesände-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 170

rung und damit die Linie besonders bewusst machen und damit präventiv wirksam sein.
Je bekannter die möglichen Folgen dieses mittlerweile leider etablierten Fehlverhaltens sind, desto mehr können Vorfälle, wie ich sie eingangs beispielhaft beschrieben habe, verhindert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Danke schön.

Im Vorfeld – meine Damen und Herren, Sie erinnern sich vielleicht, auch bei der Um­setzung der sogenannten Rettungsgasse war das so – wurde die Sorge geäußert, dass Polizeikräfte im Anlassfall keine Zeit hätten, sich auch noch um die Anzeige von Schaulustigen zu kümmern. Mein Dank gilt daher schon jetzt dem Innenminister und auch der unterstützenden Staatssekretärin. Der Innenminister hat im Innenausschuss auf meine Frage bereits entsprechende organisatorische Maßnahmen zugesagt, die es ermöglichen werden, dass ausreichend viele Kräfte vor Ort sind und dass diese Kräfte auch inhaltlich und organisatorisch auf diese sensible Aufgabe vorbereitet werden.

Meine Damen und Herren, dieser Tag und dieses Thema bieten heute auch die Mög­lichkeit, jenen Menschen zu danken, die derartige Einsätze vor Ort oft unter größtem physischen, aber auch psychischen Druck bewältigen müssen. Ich danke den Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern von Rettung, Feuerwehr und Polizei. Sie haben alle unseren Respekt und unsere Unterstützung verdient. Der heutige Beschluss wird diese Unter­stützung verstärken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lasar. – Bitte.


17.19.11

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretä­rin! Ja, ich glaube, das heute zu beschließende Gesetz ist eines, wogegen es an und für sich keinen Widerspruch gibt. Ich nenne vielleicht einige Beispiele, warum das alles beschlossen werden muss.

Sie wissen, Schaulustige, die oft auch Videos machen und sie dann auf Facebook stellen, behindern Rettungseinsätze. Die Einsatzkräfte kommen dann nicht voran oder bleiben stecken, man muss dann zusätzliche Einsatzkräfte dazuholen, da gibt es also Riesenprobleme. Hier geht es um Menschenleben, hier geht es um Gesundheit.

Das heißt, aufgrund der Zunahme der Zahl der Schaulustigen und der ebenfalls zuneh­menden Aggressivität derselben war es dringend notwendig, eine diesbezügliche Ge­setzesänderung zu machen, von der ich hoffe, dass sie in Zukunft auch Wirkung zei­gen wird, denn derzeit stellen zum Beispiel Wegweisungen keine ausreichende Ab­schreckung dar. Es gibt bis jetzt auch keine Verwaltungsstrafen in diesen Fällen, was nun mit heutigem Tag geändert wird.

Es gibt jetzt folgende Konsequenzen: Wenn sich ein Schaulustiger uneinsichtig zeigt und trotz Abmahnung die öffentliche Ordnung weiter stört, indem die Erfüllung der ers­ten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder eine sonstige Hilfeleistung im Zusammen­hang mit einem Unglücksfall behindert oder die Privatsphäre jener Menschen unzumut­bar beeinträchtigt wird, so stellt dieses Verhalten eine Verwaltungsübertretung dar und wird mit einer Geldstrafe bis zu 500 Euro bestraft. Bei erschwerenden Umständen kann eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche verhängt werden, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen.

Ich denke, das ist ein guter, ein wichtiger Schritt für die Sicherheit im öffentlichen Be­reich. Da kann ich dem Herrn Innenminister wie auch der Frau Staatssekretärin und den Beamten nur danken, dass sie so ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben. Ich denke, es gibt da auch keinen Widerspruch. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Auch im Ausschuss wurde es, glaube ich, einstimmig behandelt. – Ich danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.21



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 171

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Edt­stadler. – Ich darf ihr das Wort erteilen.


17.21.42

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Hohes Haus! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und vor den Bild­schirmen zu Hause! Insgesamt geht es um drei Änderungen des Sicherheitspolizeige­setzes, zum Ersten um die Schaulustigen, zum Zweiten um eine Waffenverbotszone und zum Dritten um eine Videoüberwachung von Objekten, zu deren Schutz Österreich völkerrechtlich verpflichtet ist.

Zu den Schaulustigen ist schon sehr vieles gesagt worden. Ich möchte das verstärken. Die vorliegende Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes dient dem Schutz der Men­schen während Rettungseinsätzen. Der Hintergrund ist die zunehmende Anzahl von Schaulustigen im Fall von kleineren und größeren Unfällen, aber auch im Fall von Ka­tastrophen. Richtig ist, dass auch jetzt schon eine Wegweisung möglich ist. Aber, ich habe das heute schon zweimal gesagt, ein Gesetz ist offensichtlich nur dann effizient, wie wir hier sehen, wenn es auch tatsächlich Sanktionen gibt. Und diese Sanktionen führen wir jetzt in Form einer Verwaltungsstrafe ein. Herr Abgeordneter Lasar hat es ausgeführt: Künftig drohen Schaulustigen, die nach einer Ermahnung nicht den Unfall­ort verlassen, Geldstrafen bis zu 500 Euro und im Fall der Wiederholung oder Verhar­rung auch eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche oder bei Vorliegen erschwerender Umstände eine zweiwöchige Freiheitsstrafe.

Leider ist unsere Gesellschaft von einem zunehmenden Voyeurismus geprägt, gepaart mit der Sensationslust von Konsumenten Sozialer Medien. Man muss auch ganz klar sagen, wir unterstützen damit auch unsere Rettungskräfte, die freiwillig tagtäglich groß­artige Arbeit für dieses Land leisten, und wir werden nicht zulassen, dass sie von Schaulustigen und Voyeuren an der Arbeit gehindert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Lueger.)

Ich könnte Ihnen hier viele Beispiele aufzählen, ich werde es jetzt unterlassen, aber als zuständiger Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres wird mir im Rahmen meiner Zivildienstzuständigkeit sehr oft Derartiges geschildert, und dem müssen wir jetzt ein klares Ende mit einem Signal setzen, dass das in unserem Land nicht möglich ist.

Der zweite Punkt betrifft die Waffenverbotszone. Wir wissen – und wir können uns hier auch auf die Erfahrungen unserer Polizistinnen und Polizisten verlassen –, dass es Schau­plätze gibt, die immer wieder von gewalttätigen Übergriffen geprägt sind. Genau für diese Schauplätze soll es zukünftig möglich sein, einen Waffenverbotszonenerlass zu machen, wenn dort Angriffe gegen Leben, Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit zu befürchten sind.

Es handelt sich um eine Verordnungsermächtigung. Im Fall des Falles ist diese Verord­nung an diesen Orten natürlich auch entsprechend kundzumachen, zum Beispiel durch Aushang an Ort und Stelle; denken Sie etwa an den Praterstern. Die Folge ist, dass Polizistinnen und Polizisten dann, wenn sie vermuten, dass jemand eine verbotene Waffe trägt, auch Durchsuchungen durchführen können. Auch da gilt wieder: Kein Ge­setz ist effizient ohne eine Strafsanktion. Daher haben wir hier Verwaltungsstrafen bis 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 2 300 Euro vorgesehen.

Wir sind der Überzeugung, dass wir damit für mehr Sicherheit an derartigen Brenn­punkten sorgen können. Was ich in dem Zusammenhang auch betonen möchte: Wenn die Gefahr nicht mehr gegeben ist, ist die Verordnung aufzuheben, spätestens jeden­falls nach drei Monaten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 172

Der letzte Punkt ist auch ausgeführt worden, aber ich möchte das verstärken, weil ich auch eine besondere Zuständigkeit für die Kriegsgräberfürsorge habe. Es gibt Denk­mäler, für die wir laut einer völkerrechtlichen Verpflichtung Sorge tragen, dass sie das ganze Jahr über unbeschmiert in unserer Mitte stehen. Denken Sie nur an das Denk­mal für die russischen Kriegsgefallenen am Schwarzenbergplatz: Dort haben wir oft sehr aufwendige Streifendienste zu verrichten, insbesondere vor größeren Jubiläen oder Gedenktagen. In Zukunft wird es nach einer Risikoanalyse möglich sein, eine Bild- und Tonüberwachung zu installieren, um derartige Beschmierungen zu verhindern – aller­dings nur mit einer vorherigen Befassung des Rechtsschutzbeauftragten und natürlich nach einer Verhältnismäßigkeitsabwägung.

Ich bin auch der Überzeugung, dass diese Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz ver­hältnismäßig, richtig und wichtig sind. Ich bitte Sie daher um breite Zustimmung. – Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmel­bauer. – Bitte.


17.26.30

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Werte Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf vielleicht noch einmal zu Beginn dieser Rede bekräftigen, was die Frau Staatssekretärin gesagt hat, insbesondere jetzt vor dem Hintergrund des eingebrachten Abänderungsantrages, den Kollege Werner Herbert vorgestellt hat. Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden natürlich auch die notwendigen Mittel in die Hand geben, damit man Gefahrenzonen, Bereiche, in denen Gewalt droht, in denen wirklich eine Gefahr lauert, mit einem Waffenverbot belegen kann, um eben zur Sicherheit beitragen zu können. Ich glaube, auch in diesem Sinne ist das ein gutes Werkzeug für unsere Sicherheitsbehörden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte meine Rede vorrangig dem Thema schaulustige Gaffer widmen. Es ist durch­aus erschreckend, dass wir diese Gesetzesänderung überhaupt benötigen, dass wir festschreiben müssen, dass es nicht in Ordnung ist, Einsatzkräfte bei ihrer Tätigkeit an einem Unfallort zu stören, dass es nicht in Ordnung ist, von verletzten Unfallopfern oder sogar Toten Fotos oder Filme zu machen und diese vielleicht über Soziale Me­dien zu verbreiten. Es ist erschreckend! Und man hofft diesbezüglich auf den Hausver­stand des Einzelnen, dass er erkennt, dass so etwas wirklich nicht in Ordnung ist. Wie meine Kolleginnen und Kollegen, die Redner vor mir schon ausgeführt haben, gab es aber zahlreiche Einzelfälle, Fälle, in denen viele Schaulustige Einsatzkräfte dabei be­hindert haben, ihre Tätigkeit durchzuführen. In dem Sinne muss natürlich der Gesetz­geber da auch eingreifen.

Neugierde an sich ist, glaube ich, etwas ganz Natürliches, ein Instinkt, der uns in der Menschheitsgeschichte immer wieder vorangetrieben hat, der uns auch zeigt, wo es Gefahrenquellen gibt, wo wir genauer hinschauen müssen. Neugierde an sich ist etwas Positives, aber Neugierde kann wie in diesem Fall auch etwas Schlechtes und Negati­ves sein.

Die Frage ist, wenn wir an einem Unfallort vorbeikommen, immer: Wie reagieren wir? Sicherlich werden wir einen ersten Blick machen, um uns zu orientieren, was da pas­siert ist. Die zweite Frage danach ist aber: Was tun wir damit? Zücken wir wirklich das Handy, um zu filmen, blockieren wir die Zufahrt, sorgen für einen Stau und gefährden wir vielleicht andere Personen? Oder achten wir lieber darauf, ob wir jemandem helfen können, und schauen, wenn das nicht der Fall ist, wenn das nicht notwendig ist, dass wir wieder wegkommen, um eben diesen Bereich für die Rettungskräfte freizuhalten?


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 173

Ich glaube, dass wir mit diesem Gesetz heute, wie zuvor angesprochen, unseren Si­cherheitskräften, unseren Einsatzkräften wieder ein notwendiges Mittel in die Hand ge­ben, das dafür sorgen wird, solchen Vorkommnissen wirksam vorzubeugen, vor Schau­lustigen zu schützen, sodass die Unfallopfer schnellstmöglich betreut, behandelt und in Sicherheit gebracht werden können. Ich bitte um größtmögliche Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte.


17.30.01

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Im Jahr 1993 ist das Sicherheitspolizeigesetz in Kraft getreten, um Aufgaben und Befugnisse der Exekutive in Österreich zu regeln und in einem Gesetz zusammenzuführen. Da sich die Zeiten ändern, ist es natürlich auch bei diesem Gesetz notwendig, es den neuen Lebensrealitäten anzupassen, und das tun wir heute.

Beispielsweise hat die Mobiltelefonie, die flächendeckende Verwendung von Mobiltele­fonen, unser Leben erleichtert, aber sie hat auch Gesetzesnovellierungen nach sich gezogen, etwa in der StVO, in der es notwendig wurde, das Hantieren mit dem Mobil­telefon durch den Lenker eines Fahrzeugs unter Strafe zu stellen, weil es dadurch zu vielen Unfällen gekommen ist.

Jetzt gibt es das Phänomen, dass sich, wenn es zu Unfällen gekommen ist, etwas breit­macht – Frau Staatssekretärin Edtstadler hat es schon gesagt –, das man getrost als Smartphonevoyeurismus bezeichnen könnte. Beispiele dafür gibt es sonder Zahl, und ich glaube, es ist gut und richtig, diese Handygafferei als Mittel der Generalprävention als Ordnungsstörung zu definieren und dadurch auch unter Strafe zu stellen. Großarti­ge Werbung dafür, diesem Vorschlag zuzustimmen, wird es heute, denke ich, nicht brau­chen.

Weiters soll das SPG dahin gehend ergänzt werden, dass künftig Botschaften, Denk­mäler und Kriegsgräber durch Bild- beziehungsweise Bild- und Tonaufzeichnungen zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe gesichert werden können. Die Aufnahmen werden dann für 48 Stunden gespeichert und danach überschrieben beziehungsweise im Be­darfsfall dauerhaft gesichert, wenn dies zur Abwehr oder Aufklärung gefährlicher An­griffe oder für Fahndungszwecke notwendig erscheint. Zusätzlich ist zu erwähnen, dass auch der Rechtsschutzbeauftragte drei Tage vor Beginn der Maßnahme ins Boot zu ho­len ist.

Es hat kritischer Stimmen der Opposition gegeben, die da den Teufel in Form eines Or­well’schen Überwachungsstaates an die Wand gemalt haben, aber das ist völlig unbe­gründet, denn – fassen wir zusammen – in Österreich gibt es über 100 Botschaften, zahl­lose Konsulate, Hunderte Kriegsgräber und dazu kommen noch die Denkmäler. Von ei­ner inflationären Installation der Videoüberwachung ist also in keinem Fall auszugehen. Nur dort, wo der begründeter Verdacht besteht (Zwischenruf des Abg. Plessl), dass diese Objekte gefährdet sind, wird es eine Überwachung geben. Alles andere ist Le­gende, meine Herren!

Bitte, werte Opposition, bleiben wir sachlich! Unterstützen Sie die Novellierung und re­den Sie nicht einen Überwachungsstaat herbei, den keiner will und zu dem es auch nicht kommen wird. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Plessl.)

17.33

17.33.05



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 174

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Liegt ein Wunsch des Berichterstatters nach einem Schlusswort vor? – Das ist nicht der Fall.

Dann gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 209 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Herbert, Amon, Kolleginnen und Kollegen einen Zu­satz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Scherak, Kolleginnen und Kollegen, ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Lueger, Kolleginnen und Kollegen und ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Zadić, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, der Systematik des Gesetzentwurfes folgend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag der Kollegen Herbert, Amon, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung neuer Ziffern 1 und 1a sowie 2a und 2b samt den daraus resultierenden Umnumme­rierungen der Folgeziffern.

Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag ihre Zustimmung geben wollen, sich zu erheben. – Das ist die Mehrheit, daher ist der Antrag angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über die neue Z 1c, ursprünglich die Z 1a in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich für diesen Teil des Gesetzentwurfes aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über die neue Z 2c, ursprünglich Z 2a in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag der Abgeordneten Herbert, Amon, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ände­rung der Z 3.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richts.

Ich bitte die Damen und Herren, die hier die Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 175

17.36.058. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (150 d.B.): Protokoll zwischen der Republik Österreich und Ungarn zur Än­derung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Un­garn über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenz­überschreitenden Kriminalität (210 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Abgeordnetem Schrangl das Wort erteilen. – Bitte.


17.36.35

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 6. Juli 2004 wurde der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Zusam­menarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminali­tät unterzeichnet, und dieser ist am 1. Juni 2006 in Kraft getreten. Heute machen wir eine Weiterentwicklung, um an die neuen Gegebenheiten anzuknüpfen und das Proto­koll, diesen Vertrag, an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Die wichtigsten Weiterentwicklungen dieses Protokolls im Vergleich zum Vertrag aus dem Jahr 2004 betreffen die Zusammenarbeit in folgenden Bereichen: die grenzüber­schreitende Nacheile, das heißt, die Durchführung der Nacheile nun auch aus einem Drittstaat sowie zur Verfolgung einer Person, die sich einer Polizeikontrolle entzieht; ein gemischter Streifendienst mit einer Aufhebung der räumlichen Beschränkung von zehn Kilometern zur Durchführung von gemischten Streifen sowie einige weitere Din­ge, die zum ersten Mal von diesem vorliegenden Protokoll umfasst werden, nämlich zum Beispiel die polizeiliche Durchbeförderung, grenzüberschreitende Maßnahmen im Eisenbahn- und Schiffsverkehr, aber auch Unterstützungsmaßnahmen zur Gewährleis­tung der Sicherheit im Straßenverkehr und auch Korruptionsbekämpfung.

Diese Bestimmungen sind wichtig, um die grenzüberschreitende Kriminalität weiterhin einzudämmen und um uns an die modernen Gegebenheiten anzupassen. Daher ist es gut, dass wir mit der Republik Ungarn weiterhin solch ein Protokoll haben, das wir heu­te neu anpassen (Abg. Plessl: Ist die Rückführung auch geregelt?), und dass wir ge­meinsam mit den Ungarn gegen grenzüberschreitende Kriminalität kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Weidin­ger. – Bitte.


17.38.44

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Vor einer Woche hat Österreich die Ratspräsidentschaft übernommen und hat sich ganz klar drei wichtigen Schwerpunkten verschrieben: erstens dem Thema der Sicherheit, zweitens der The­matik der Wettbewerbsfähigkeit durch die Chancennutzung der Digitalisierung und drit­tens der Stabilität des Westbalkans und einer gute Nachbarschaftspolitik – und genau da treffen wir uns mit diesem Vertrag mit der Republik Ungarn.

In der grenzüberschreitenden Kriminalitätsbekämpfung, meine Damen und Herren, und der engeren und besseren Zusammenarbeit unserer Polizeieinsatzkräfte haben wir ein proeuropäisches Bekenntnis, von dem wir uns mehr wünschen, nämlich eine engere Zusammenarbeit in Europa für mehr Sicherheit und mehr Schutz für unsere Bürgerin­nen und Bürger über vertragliche Regelungen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 176

Ein guter Außengrenzschutz bedeutet, dass wir die Grenzen nach innen offen halten können, um Waren, Güter, Ideen in einem vereinten Europa auszutauschen. (Abg. Schie­der: Deswegen machen wir den Brenner zu!)

Meine Damen und Herren! Von entscheidender Bedeutung für unsere Wettbewerbsfä­higkeit ist dabei, dass wir ein besonderes Gut der Freiheit exportieren, nämlich den Rechtsstaat – und das tun wir damit. Wir exportieren unseren Rechtsstaat und impor­tieren Stabilität. Genau deswegen benötigen wir gut ausverhandelte Verträge wie die­sen mit Ungarn.

Ein Beispiel dazu: Die gemischten Streifen mit den ungarischen Kolleginnen und Kol­legen zeigen der Bevölkerung, dass der Rechtsstaat funktioniert, dass das Vorgehen abgestimmt ist. Die Bilder, die wir gesehen haben, als die Migrationsströme für viele Menschen in ihrer Wahrnehmung ein Staatsversagen Wirklichkeit haben werden las­sen, werden sich nicht wiederholen. Solche Verträge sind gute Modelle, von denen wir mehr brauchen.

Die österreichische Ratspräsidentschaft mit dem Herrn Bundeskanzler an der Spitze, mit dem Herrn Vizekanzler, mit unserer Frau Staatssekretärin wird immens und hart daran arbeiten, um für mehr Sicherheit in Europa zu sorgen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Deswegen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, um die Zustimmung zu diesem Ver­trag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Staatssekretär. – Bitte.


17.41.06

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte ZuseherInnen! Danke vielmals an die Abge­ordneten Schrangl und Weidinger für die Darstellung der Inhalte dieses Polizeikoopera­tionsübereinkommens.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Herausforderungen in der polizei­lichen Arbeit, in der Kriminalitätsbekämpfung von Tag zu Tag steigen. Mit Gesetzen von gestern werden wir die Verbrechen von heute nicht bekämpfen können, vor allem dann nicht, wenn sich die Verbrecher der Methoden von morgen bedienen und ihre Ta­ten grenzüberschreitend begehen.

Die Polizei muss Schritt halten können und daher ist es so wichtig, auch die grenzüber­schreitende Zusammenarbeit auszubauen. Das Polizeikooperationsübereinkommen stammt aus dem Jahr 2004 und wurde bereits im letzten Jahr vom ehemaligen Innen­minister Wolfgang Sobotka unterschrieben. Da jetzt auch in Ungarn die Voraussetzun­gen geschaffen sind, können Sie es heute hier im Hohen Haus beschließen.

Ich bin davon überzeugt, dass das ein weiterer Beitrag zur Steigerung der Sicherheit in Österreich und in Ungarn ist. Ich danke Ihnen schon jetzt für eine breite Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.42

17.42.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste dazu ist erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere An­gelegenheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 150 der Beila­gen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich danke.

17.42.509. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Ab­geordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Ge­rald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (229 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Ich darf ihr das Wort erteilen.


17.43.25

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich beginne, bringe ich zunächst einen Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Josef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

zum Initiativantrag 216/A in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales 229 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Der Initiativantrag 216/A in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales 229 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Nach Z 4b wird folgende Z 4c eingefügt:

4c. In § 3 Abs. 1 Z 1 wird die Wortfolge „der Pension oder des Ruhegenusses“ durch die Wortfolge „der Pension, des Ruhegenusses oder die Feststellung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld“ ersetzt.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor einigen Jahren war es so, dass sich erst­mals Opfer, die in Heimen untergebracht waren, ganz groß über die Medien gemeldet haben. Sie haben schier Unglaubliches darüber erzählt, was sie in ihrer Kindheit und Jugend erleben und durchmachen mussten. Das war wahrscheinlich für fast jeden un­vorstellbar.

Wir haben in einem sehr langen parlamentarischen Prozess darüber diskutiert und de­battiert. Der Staatsakt Geste der Verantwortung, initiiert durch die damalige Präsidentin Doris Bures, hat letzten Endes dazu geführt, dass wir bereits voriges Jahr einen Allpar­teienantrag für die Heimopfer verabschieden konnten.

Wir haben uns von Anfang an auch darauf verständigt, dass es wahrscheinlich immer noch weitere Opfergruppen geben wird. So ein Gesetz ist ein dynamischer Prozess, es


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ist leider Gottes so, dass man immer wieder auch draufkommen wird, dass es mögli­cherweise doch noch Opfergruppen gibt, die eben noch nicht erfasst sind.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass diese Personengruppe als Geste – und das ist wirklich eine Geste und als solche auch zu verstehen – eben eine Rente bekommt.

Ich freue mich sehr, dass wir es heuer wieder gemeinsam geschafft haben, dieses Ge­setz zu erweitern, sodass jetzt auch Personen in den Genuss dieser Heimopferrente kommen, die in einem Krankenhaus waren, die in einer Psychiatrie zwangsunterge­bracht waren oder bei denen Medikamententherapien wie beispielsweise die Malaria­therapie zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurden, als man das schon lange nicht mehr gemacht hat, die also so etwas wie reine Versuchsobjekte gewesen sind.

Ich bin froh darüber, dass wir das wieder in einer sehr groß angelegten, gemeinsamen Vorgehensweise zustande gebracht haben. Ich glaube, es ist unser aller gemeinsame Verantwortung, etwas für diese Menschen zu tun.

Es ist aber auch unsere Verantwortung, danach zu trachten, dass so etwas nie wieder vorkommen kann. Man muss sehr rasch reagieren, wenn man von Missständen er­fährt. Ich glaube, jeder Einzelne von uns ist gefordert, das, wenn einem so etwas zu Ohren kommt, auch wirklich zur Anzeige zu bringen. Man kann heute Gott sei Dank viel schneller reagieren.

Für jene Menschen, die das Leid durchmachen mussten, ist dieser Symbolakt gedacht. Wir hoffen, dass jene Menschen, die davon betroffen sind, diese Entschuldigung, die vonseiten der Politik an sie gerichtet wird, annehmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Josef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loacker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber,

Kolleginnen und Kollegen

zum Initiativantrag 216/A in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales 229 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Initiativantrag 216/A in der Fassung des Berichtes des Ausschusses für Arbeit und Soziales 229 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Nach Z 4b wird folgende Z 4c eingefügt:

4c. In § 3 Abs. 1 Z 1 wird die Wortfolge „der Pension oder des Ruhegenusses“ durch die Wortfolge „der Pension, des Ruhegenusses oder die Feststellung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld“ ersetzt.

Begründung

Durch die Ergänzung soll klargestellt werden, dass bei Bezug eines Rehabilitations­geldes im HOG der entsprechende Pensionsversicherungsträger zuständig ist, der die Feststellung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld vornimmt.

*****



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 179

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte.


17.47.14

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Ich kann mich noch genau daran erinnern, als letztes Jahr auf Initiative der Präsidentin des Nationalrates Doris Bures eben dieser Staatsakt Ges­te der Verantwortung stattfand. Es war eine bedeutende Veranstaltung für all jene, die als Kinder und Jugendliche im Österreich der Nachkriegszeit in öffentlichen oder kirch­lichen Einrichtungen Opfer von Gewalt wurden, misshandelt wurden.

Ich kann zu dieser Veranstaltung, an der ich auch teilgenommen habe, nur sagen: Die­ses Leid, das diesen Menschen, die damals noch Kinder und Jugendliche waren, wi­derfahren ist, kann man nicht in Worte fassen.

Es ist klar, dass die Auswirkungen dieses Sadismus, dieser Brutalität, die unschuldigen Jugendlichen widerfahren sind, niemals wieder gut gemacht werden können. Daher kann das Heimopferrentengesetz, das wir letztes Jahr beschlossen haben, das eine monatliche Rente von 300 Euro für die Betroffenen vorsieht, nur eine symbolische Geste sein.

Die Volksanwaltschaft hat dieses Gesetz evaluiert und festgestellt, dass Kinder und Ju­gendliche, die in Krankenanstalten oder in privaten Heimen untergebracht waren und genauso misshandelt wurden, von diesem Gesetz eben nicht umfasst sind. Daher ha­be ich im Jänner 2018 die Empfehlung der Volksanwaltschaft aufgegriffen, um dieses Gesetz schnellstmöglich anzupassen. Als Bereichssprecherin der SPÖ für die Volksan­waltschaft habe ich auch die ersten Schritte gesetzt, um zu einer solchen Gesetzesän­derung zu kommen.

Insofern freut es mich enorm, dass es möglich war, das im Sozialausschuss mittels All­parteienantrag zu beschließen. Ich denke, das ist das Minimum, das wir für die Heim­opfer tun können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber noch einen wichtigen Bereich, mit dem sich die Volksanwaltschaft auch sehr beschäftigt, nämlich die Verhältnisse und Zustände in unseren Justizanstalten. Ich muss Ihnen sagen, dass ich ziemlich entsetzt über diese Zustände bin. Das ist bitte – und es sei mir gestattet, das auch zu betonen – keine Kritik an den Beamten und Beamtinnen in den Justizanstalten – ganz im Gegen­teil, diese sind ja oftmals auch Leidtragende dieser Verhältnisse.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der „Falter“ hat diese Woche einen Bericht über einen Vorfall in der Justizanstalt Josefstadt aus dem Jahr 2016 veröffentlicht. Vier Insassen – das muss man sich vorstellen – waren 21 Minuten lang in einer brennenden Zelle gefangen, und erst in letzter Minute konnten diese Insassen gerettet werden. Sie überlebten mit schweren Verbrennungen. Sie müssen sich vorstellen, in der Justizan­stalt Josefstadt sind phasenweise 36 Beamte für 1 200 Insassen zuständig, obwohl dort nur für 900 Insassen Platz ist. Ähnlich schrecklich sind die Zustände im Maßnahmen­vollzug für psychisch kranke Straftäter. Ich erinnere an das Beispiel aus der Justizan­stalt Krems-Stein, wo einem Gefängnisinsassen unbemerkt der Fuß verwest ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Ich kann Sie nur auffordern, doch endlich etwas zu tun, anstatt komische Gold-Plating-Gesetze zu ma­chen, die nichts bringen und ein Heidengeld kosten. Schauen Sie doch bitte darauf, dass wir menschenwürdige Verhältnisse in den Gefängnissen unseres Landes haben, denn alles andere ist eines Landes wie Österreich unwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 180

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend will ich Sie, Damen und Herren von der Bundesregierung und von ÖVP und FPÖ, darauf hinweisen, dass Sie mit dem Beschluss des 12-Stunden-Tages die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer um ihre Freizeit, ihre Gesundheit und ihr Geld beraubt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ham­mer. – Bitte.


17.51.45

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Frau Kollegin Duzdar, es ist ein bisschen bedauerlich, wenn wir jetzt über die Novelle des Heimopferrentengesetzes reden, wir uns in all unseren Reden und auch in den Bera­tungen im Ausschuss darüber gefreut haben, es ein positives Zeichen war, dass wir das einhellig und einstimmig zuwege gebracht haben, und Sie bei diesem speziellen Thema wieder Streit in den Vordergrund stellen, indem Sie ein Thema ansprechen – Sie haben grundsätzlich recht, dass man dort hinschaut –, dessen Behandlung in die­sem Zusammenhang nicht nötig ist.

Es ist vor allem auch im Zusammenhang mit dem in diesem Tagesordnungspunkt be­sprochenen Antrag, den wir hier einstimmig beschließen, nicht noch einmal nötig, die Arbeitszeit zu apostrophieren. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Es ist an Ihnen gelegen, wir hätten das im Sozialausschuss auch in diese Richtung einstimmig zusammenbrin­gen können, wenn Sie nicht populistisch wären, sondern wenn Sie sachlich diskutiert hätten. Das, was wir beschlossen haben, ist auf jeden Fall mehrheitsfähig, und das hätte man auch machen können, aber ihr wolltet polarisieren und polemisieren, das ist das Problem. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Keck.)

Zum Heimopferrentengesetz – Kollegin Belakowitsch hat das ohnehin sehr ausführlich dargestellt –: Ich glaube, es war letztes Jahr schon ein gutes Zeichen, dass wir das Heimopferrentengesetz einstimmig auf den Weg gebracht haben, und es war damals schon klar und man hat sich auch dazu bekannt, wenn sich in der Evaluierung heraus­stellt, dass noch gewisse Gruppierungen in das Opferrentengesetz aufgenommen wer­den müssen, dass das auch gemacht wird. Und wir haben das jetzt auch auf den Weg gebracht.

Ich kann das unterstreichen, das ist keine Wiedergutmachung, das ist eine Geste. Wir alle haben auch bei diesen Hearings wieder festgestellt, welches Leid dort passiert ist, welche Misshandlungen dort an der Tagesordnung gestanden sind, und wir müssen wirklich schauen, dass so etwas nie wieder passiert und wir diese Geste, dieses Signal auch entsprechend setzen. Ich darf mich wirklich bedanken, dass das in dem Zusam­menhang so einstimmig gegangen ist, und freue mich, dass wir das auf den Weg brin­gen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


17.53.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Das Heimopferrentengesetz ist in zweierlei Hinsicht eine Wohltat, in erster Linie einmal für die Betroffenen, die für das Leid, das ihnen widerfahren ist, zu­mindest eine symbolische Entschädigung bekommen, in zweiter Linie ist es umso er­freulicher, dass wir das hier im Haus auf eine sehr schöne Art hinbekommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 181

Ich möchte mich an dieser Stelle einerseits beim Vorsitzenden des Ausschusses, bei Beppo Muchitsch, bedanken, andererseits bei den Mehrheitsfraktionen, die ein gemein­sames Vorgehen ermöglicht haben, um zu einer solchen Lösung zu kommen.

Es bleibt ein kleiner Wermutstropfen: Das Finanzministerium lässt verlauten, dass die Kosten für die Heimopferrenten ohne Anforderungen an den Bundeshaushalt durch das Ministerium zu bedecken sind. Da ist unserer Wahrnehmung nach noch zu nebu­los geblieben, wie die Mittel – es wird nicht gigantisch viel sein – aufgebracht werden sollen. Ich bitte Sie, Frau Ministerin, dass Sie entsprechend klarstellen, wie das finan­ziert wird. Ich möchte mich, wie gesagt, noch einmal für die gemeinsame Vorgangs­weise bedanken, das ist im Sinne der Betroffenen ein sehr, sehr wichtiges Zeichen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

17.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzin­ger-Vogtenhuber. – Bitte.


17.55.20

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Als im Mai letzten Jahres die Heimopferrente einstimmig hier im Hohen Haus beschlossen wurde, hat man ein Ziel klar vor Augen gehabt, nämlich den ehemaligen Heimkindern für die schrecklichen und menschenverachtenden Behandlungen bis hin zum tatsächlichen Missbrauch, dem sie vielfach ausgesetzt waren, eine späte Wiedergutmachung in Form einer monatlichen Rente zuzuerkennen – wenngleich das Wort Wiedergutma­chung in diesem Zusammenhang wahrscheinlich ein zu großes ist.

Die Kindheitsjahre, die man diesen Menschen gestohlen hat, sind durch nichts zu­rückzubringen und die tiefen Wunden und Verletzungen, die bis heute schmerzen, durch kein Geld der Welt aufzuwiegen; dennoch war es ein großer Schritt, der hier par­teiübergreifend erfolgt ist und der auch zeigt, dass man als Republik bereit ist, Ver­antwortung zu übernehmen, und uns das auch bewusst ist.

In diesem Sinne ist es nur konsequent, hier und heute gemeinsam allen Betroffenen einen Zugang zu dieser Entschädigungsrente zu ermöglichen. Ich freue mich natürlich über den Allparteienantrag.

Ganz besonders möchte ich hier noch einmal die Malaria-Folter-Therapie herausgrei­fen, deren Berücksichtigung in der Novelle speziell meiner Fraktion ein besonderes An­liegen war: Erfunden als Therapie zur Behandlung von Patienten mit Syphilis im End­stadium gab es die vorsätzliche Infizierung mit Malariaerregern eigentlich bis 1927; 1927 ist diese auch mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden. Mit der Entdeckung des Penicillins wurde diese Behandlungsmethode eigentlich obsolet, er­lebte aber speziell in Wien eine zweifelhafte Renaissance. Rund 870 Mal wurde an der Klinik Hoff noch bis Anfang der Siebzigerjahre diese sogenannte Kur verordnet, nun aber nicht mehr bei Syphilis, sondern bei verschiedensten Diagnosen wie unter ande­rem auch bei Intelligenzmängeln, bei Alkoholerkrankungen oder eben bei Kindern und Kleinkindern, um diese zu züchtigen; Kinder, die nicht verstehen wollten, warum sie in einem Heim leben müssen, und dort schikaniert und erniedrigt wurden, sogar Fälle von Dreijährigen sind dokumentiert worden, von dreijährigen Kindern, die absichtlich mit einer Tropenkrankheit infiziert worden sind, Fieberschübe bekommen haben, bis an ihre körperlichen Grenzen gebracht wurden. Das ist einfach unvorstellbar, was da be­trieben worden ist.

Weil es eben tatsächlich Wahnsinn ist, was Menschen da jahrelang angetan worden ist, ist es wichtig, mit dieser Novelle auch einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zie­hen zu können. Wir sind dabei auch fast am Ziel; ich sage, fast, denn die letzten Meter


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 182

fehlen uns noch. Ich werde diesen Allparteienantrag selbstverständlich gemeinsam mit meiner Fraktion unterstützen, aber uns fehlen noch die letzten Meter. Ich lade Sie des­halb ein, die Anträge, die ich hiermit einbringen möchte, zu unterstützen und mitzutra­gen.

Auf der einen Seite bringe ich einen Abänderungsantrag ein, mit dem Ziel, die Betrof­fenen, die Opfer, nicht weiter zu bevormunden und es ihnen freizustellen, auch den Weg über das Verbrechensopfergesetz zu gehen, um Spätfolgen, wie zum Beispiel ei­nen lebenslangen Verdienstentgang, aufgrund dieser schrecklichen Erlebnisse einkla­gen zu können:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 wird nach Ziffer 3. eine Ziffer 3a. eingefügt:

,3a. Nach § 1 wird folgender § 1a eingefügt:

„§ 1a. Anträge auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz können von Personen, die im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendhei­men des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien bis zum 31. De­zember 1999 Gewalt erlitten haben, ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ohne die zeitliche Beschränkung des § 15k Verbrechensopfergesetz geltend gemacht werden und gelten nicht als Anträge nach diesem Bundesgesetz.“‘

*****

Zum Zweiten bringe ich einen Entschließungsantrag, der auch die Unterstützung der Volksanwaltschaft erhalten hat, ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „der Schaffung einer vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volks­anwaltschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der Rentenkommission der Volksanwaltschaft die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den Mehrauf­wand zu bewältigen, der durch die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten im Zuge der HOG-Novelle zustande kommt.

Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, wie von der Volksanwaltschaft gefordert, eine vierte befristete Stelle wieder zu besetzen.“

*****

Es fehlt nicht mehr viel, meine Damen und Herren, gehen wir den bisher beschrittenen Weg gemeinsam zu Ende: Stimmen Sie zu, wir sind es den Opfern in diesem Fall wirk­lich eindringlich schuldig! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

17.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 183

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

zum Initiativantrag 216/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferren­tengesetz geändert wird, in der Fassung des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (229 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 1 wird nach Ziffer 3. eine Ziffer 3a. eingefügt:

,3a. Nach § 1 wird folgender § 1a eingefügt:

„§ 1a. Anträge auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz können von Personen, die im Rahmen einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendhei­men des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien bis zum 31. De­zember 1999 Gewalt erlitten haben, ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ohne die zeitliche Beschränkung des § 15k Verbrechensopfergesetz geltend gemacht werden und gelten nicht als Anträge nach diesem Bundesgesetz.“‘

Begründung

Durch § 15k VOG wird den Menschen, die bis zum 31. Dezember 1999 Gewalt wäh­rend einer Unterbringung in Kinder- oder Jugendheimen des Bundes, der Länder und der Kirchen oder in Pflegefamilien erlitten haben, das Recht, Ersatz des Verdienstent­ganges nach dem 30. Juni 2017 geltend zu machen, genommen.

Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück, sie haben also auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluss. § 15k VOG nimmt diesen Menschen jedoch das Recht, einen Ausgleich für den Verdienstentgang, welcher auf der ihnen in den oben genannten Ein­richtungen zugefügten Gewalt beruht, einklagen zu können.

Die neue Bestimmung stellt klar, dass Ersatz von Verdienstentgang nach dem VOG (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) ohne die bisherige zeitliche Beschrän­kung des §15k VOG geltend gemacht werden kann und derartige Anträge nicht als An­träge nach dem Heimopferrentengesetz gelten.

Die Betroffenen sehen die Regelung, die vorsieht, dass ihr Antrag auf Ersatz von Ver­dienstentgang nach dem Verbrechensopfergesetz automatisch in einen Antrag nach dem Heimopferrentengesetz umgedeutet wird, als eine Art zweite Strafe an, da ihnen für Unrecht, das vor 1999 begangen worden ist, ein rechtsstaatliches Verfahren (An­spruch auf Schadenersatz) verwehrt wird.

Wissend, dass die Kriterien des VOG schärfer als die des Heimopfergesetzes sind, sollte der Nationalrat diesen Weg zumindest hypothetisch wieder öffnen. Viele Verfah­ren sind nicht zu erwarten, dieser Beschluss hat in erster Linie symbolische Wirkung. Doch die ist – im Sinne der Opfer – äußerst wichtig.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen

betreffend der Schaffung einer vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 184

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9:

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Abgeord­neten Josef Muchitsch, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerald Loa­cker, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimopferrentengesetz geändert wird (229 d.B.).

Begründung

Derzeit erhalten rund 1.700 Personen eine Heimopferrente. Durch die Novelle des Heimopferrentengesetzes könnte die Anzahl der Anspruchsberechtigen jedoch auf bis zu 2.500 Personen ansteigen, da unter anderem bereits abgelehnte Verfahren, welche jedoch nach der neuen Rechtslage nun erfolgversprechend erscheinen, von Amts we­gen wieder aufgenommen werden sollen, also erneut darüber entschieden werden soll – wodurch eine wesentliche Verbesserung erreicht werden konnte.

Diese Ausweitung der möglichen Anspruchsberechtigten bedeutet für die Rentenkom­mission der Volksanwaltschaft natürlich auch einen erhöhten Arbeitsaufwand, weshalb eine vierte Vollzeitstelle erforderlich sein wird. Eine solche zusätzliche Vollzeitstelle hat es bereits für einen befristeten Zeitraum gegeben und erscheint nun wieder zweckmä­ßig.

Bei den Betroffenen handelt es sich um Menschen, die in ihrer Zeit als Kinder und/oder Jugendliche furchtbares Leid erfahren haben. Um ihnen nicht auch noch eine lange Wartezeit für die Bearbeitung ihres Antrages durch die Rentenkommission aufzuhal­sen, muss die Regierung ausreichend Geld für personelle Mittel zur Verfügung stellen, um den erhöhten Arbeitsaufwand in angemessener Zeit bewältigen zu können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, der Rentenkommission der Volksanwaltschaft die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den Mehrauf­wand zu bewältigen, der durch die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten im Zuge der HOG-Novelle zustande kommt.

Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, wie von der Volksanwaltschaft gefordert, eine vierte befristete Stelle wieder zu besetzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sowohl der Abänderungsantrag als auch der Entschließungsantrag sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte.


18.00.24

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Meine Vorredner haben zu diesem Thema schon sehr viel gesagt. Ich möchte auf ein paar Punkte noch ein bisschen genauer eingehen. Das Heimopferrentengesetz ist im Mai 2017 in der letzten Gesetzgebungsperiode zum Beschluss gekommen. Infolgedes-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 185

sen hat die Volksanwaltschaft eine weisungsfreie Rentenkommission eingerichtet. Die­se Kommission hat innerhalb des letzten Jahres bereits an die 700 Fälle bearbeitet. Dabei hat sie eben auch erkannt, dass das Gesetz noch ein bisschen adaptiert werden sollte. Es freut mich sehr, dass wir dem heute mit großer Übereinstimmung und par­teiübergreifend nachkommen können.

Eine dieser Adaptierungen ist die Erweiterung des anspruchsberechtigten Personen­kreises. Mit dem nun angepassten Gesetz haben auch Opfer von Krankenanstalten, Psychiatrien oder privaten Trägereinrichtungen und auch Personen, die sich einer so­genannten Malariatherapie, wie meine Vorrednerin schon erklärt hat, unterziehen muss­ten, Anspruch auf eine Zusatzrente. Anträge, die aufgrund der bisherigen Rechtslage abgelehnt wurden und durch die Nachbesserung aussichtsreich erscheinen, werden nun neu begutachtet und auch neu beurteilt.

Meiner Ansicht nach ist das auch das Mindeste, was wir da tun können. Das sind wir den Opfern schuldig, deren Ausmaß an Leid wir uns nicht einmal im Geringsten vor­stellen können. Uns ist natürlich auch bewusst, dass dies nur ein symbolischer Akt ist. Das erlebte Leid und die furchtbaren Erfahrungen, die viele in sehr jungen Jahren ma­chen mussten, haben meist verheerende Auswirkungen auf das restliche Leben. Dies kann kein Geld der Welt aufwiegen, geschweige denn wiedergutmachen.

Eine weitere Verbesserung ist, dass sich Betroffene künftig direkt und uneingeschränkt an die Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden können. Dies erspart den Be­troffenen, an mehreren Stellen ihre Geschichte erzählen und unangenehme Fragen be­antworten zu müssen, denn es darf nicht vergessen werden, dass das wiederholte Auf­rollen des Traumas die Gefahr einer Retraumatisierung mit sich bringt.

Abschließend ist mir noch wichtig zu erwähnen, dass die monatliche Zusatzrente in Höhe von 300 Euro auch Heimopfern zusteht, die eine der Invaliditätspension ver­gleichbare Leistung wie Rehageld erhalten beziehungsweise die aufgrund einer Behin­derung arbeitsunfähig sind.

Es ist dies ein sehr dunkles Kapitel in unserer Geschichte, und es ist noch nicht allzu lange her. Wir können das erfahrene Leid nicht ungeschehen machen, aber wir können Verantwortung übernehmen, Verantwortung vor allem dafür, dass das Geschehene sich nicht wiederholt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminis­terin Hartinger-Klein. – Bitte.


18.03.52

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Als ich mein Ministeramt angetreten habe, war es eine meiner ersten Aufgaben, da eine Evaluierung durchzu­führen, und ich möchte mich bei Ihnen allen und natürlich vor allem beim Vorsitzenden des Sozialausschusses recht herzlich bedanken, dass wir es geschafft haben, anhand dieser Evaluierungsergebnisse einen einstimmigen Beschluss zu fassen und auch die Opfer in den Krankenanstalten miteinzubeziehen.

Zu Ihnen, Herr Kollege Loacker: Sie dürfen versichert sein, dass sowohl der Finanzmi­nister als auch ich dazu beitragen werden, dass das Geld selbstverständlich zur Ver­fügung steht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 186

18.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Engel­berg. – Bitte.


18.04.42

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Ich werde versuchen, hier ein bisschen einen Spirit zu verbreiten. Ich möchte jetzt gar nicht weiter im Detail über dieses Gesetz referieren; es ist eigentlich alles gesagt.

Wir müssen uns als Gesellschaft – und wir sind die Vertreter der Gesellschaft – überle­gen, was wir für die Betroffenen tun können, damit wir ihnen über dieses Leid hinweg­helfen. Ich denke, das kann auf zweierlei Art passieren: Das eine ist das Finanzielle und das andere ist das Emotionale. Das Finanzielle wird jetzt hier geregelt, dabei geht es darum, dass wir möglichst unbürokratisch möglichst alle Betroffenen erreichen.

Was mir jedoch auch ganz wichtig erscheint – und das kann ich aus eigener Erfahrung aus der Arbeit mit Betroffenen auch gut nachempfinden –, ist das Emotionale. Wie kön­nen wir das rüberbringen? – Ich glaube, das Allerwichtigste ist, dass wir als Gesell-schaft anerkennen, dass es Menschen gibt, denen großes Leid widerfahren ist, und dass wir das auch gemeinschaftlich tun. Daher, finde ich, ist es auch wirklich eine be­sonders schöne Geste, dass wir das heute auch gemeinschaftlich beschließen und dass der Anlass nicht genutzt wird, um irgendwelche anderen Themen zu inkludieren.

Die Message ist ganz klar: Wir hier sind die Vertreter der Gesellschaft, die sich dazu bekennt, dass Menschen großes Leid widerfahren ist, was wir mit größtmöglicher Empathie zur Kenntnis nehmen, und wir wollen diesen Menschen beistehen. Zweitens tun wir das gemeinsam, und drittens ermöglichen wir es, dass möglichst alle Betrof­fenen möglichst unbürokratisch zu ihrem Recht kommen, was jetzt diese finanzielle Zu­wendung betrifft. Ich verwende da ausdrücklich nicht das Wort der Wiedergutmachung, das ohnehin historisch ein bisschen belastet ist.

In diesem Sinne: Vielen Dank an alle anderen Nationalräte und Kollegen und an die Frau Ministerin, und es freut mich sehr, dass wir für diese betroffenen Menschen hier eine deutliche Geste setzen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

18.07

18.07.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste ist erschöpft. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 229 der Beilagen.

Hierzu liegen ein Zusatzantrag der Abgeordneten Hammer, Muchitsch, Belakowitsch, Loacker, Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatzantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die erwähnten Zusatzanträge und schließlich über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Da der Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen beinhaltet, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest. Die­se ist gegeben.

Die Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zu­satzantrag betreffend Einfügung einer Ziffer 3a eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minder­heit. Daher ist der Antrag abgelehnt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 187

Die Abgeordneten Hammer, Muchitsch, Belakowitsch, Loacker, Holzinger-Vogtenhu­ber, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer Ziffer 4c eingebracht.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. Daher ist der Antrag angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, sich als Zeichen der Zustimmung zu erheben. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 229 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Heimopferrentengesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Damit ist die Entschließung auch einstimmig angenommen. (E 25)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung ei­ner vierten Vollzeitstelle bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

18.10.1310. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (164 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden (230 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zu Tagesordnungs­punkt 10.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Belakowitsch. Ich darf es ihr erteilen.


18.10.43

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie alle wissen, kann es jedem von uns passieren, dass man krank wird, dass man schwer verunfallt und für mindestens sechs Wochen aus dem Arbeitsprozess rausfällt. Bisher war es so, dass man sich, wenn man nach einer solchen langen Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit wieder in den Job zurückkam, für Teilzeit hätte entscheiden können, und zwar sofort. Laut der Regierungsvorlage, die wir heute beschließen wollen, kann das auch etwas später passieren, sodass es ein pra­xisnahes Gesetz wird.

Was heißt das jetzt im Detail für Personen bei einer Wiedereingliederung in ihren Be­ruf? Bisher konnten sie die Wiedereingliederungsteilzeit nur ganz zu Beginn beantra­gen. Allerdings haben viele Menschen, die glaubten, sie seien wieder ganz gesund, erst nach einiger Zeit, nach einigen Wochen gemerkt, dass sie eigentlich noch nicht zu


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 188

100 Prozent wirklich wieder fit sind. Bisher war es eben nicht möglich, dann auf Teilzeit zurückgestuft zu werden.

Das wird jetzt an die Praxis angepasst. Jetzt kann man diese Wiedereingliederungs­teilzeit von einem bis zu sechs Monaten nach dem Wiedereintritt in das Berufsleben beantragen. Das ist in Wahrheit eine wichtige Anpassung für die betroffenen Men­schen, die oftmals eben erst im Nachhinein merken, dass die gesamte Körperkraft noch nicht zurück ist. Ich finde, das ist eine wichtige Gesetzesmaterie, und hoffe, dass alle zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


18.12.28

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Zuerst darf ich mich bei allen Ausschussmitgliedern aller Fraktionen ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken, denn die Wiedereingliederungsteilzeit nach einem Jahr der praktischen Erprobung weiter zu verbessern ist ein Wunsch von uns allen gewesen.

Die Wiedereingliederungsteilzeit ist nämlich ein absolutes Erfolgsmodell. Mehr als 1 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben bis Ende März dieses Jahres die Möglichkeit genutzt, nach mindestens sechswöchigem Krankenstand schrittweise in ihren Beruf zurückzukehren. Einvernehmlich konnte die Normalarbeitszeit nach dem Krankenstand um die Hälfte beziehungsweise um ein Viertel reduziert werden. Durch die sanfte Rückkehr in den Job sollten Überforderungen und Rückfälle vermieden wer­den und die Wiedereingliederung in den Betrieb leichter gelingen. Das Gehalt wird zwar vom Betrieb entsprechend der Teilzeitleistung reduziert, aber die Geldeinbußen wurden teilweise aus den Mitteln der Krankenkassen abgedeckt.

Für Arbeitgeber vor allem in Klein- und Mittelbetrieben bedeutet dieses Modell keine zusätzlichen finanziellen Belastungen, sondern eine zusätzliche Unterstützung, die es ihnen in Zeiten des Personalmangels erlaubt, erfahrene Arbeitskräfte in ihrem Betrieb weiter zu halten.

Ein wichtiger Punkt, den wir jetzt nachjustieren, ist folgender: Bis jetzt musste man so­fort nach dem Krankenstand entscheiden, ob man die Wiedereingliederungsteilzeit in Anspruch nimmt oder nicht. Die Praxis hat aber gezeigt, dass die Arbeitnehmer und Ar­beitnehmerinnen oft zu schnell ihre Tätigkeit wieder voll aufgenommen haben und erst später feststellten, dass sie eigentlich doch noch nicht so weit sind, ganztags zu arbei­ten. Für die Beantragung der Wiedereingliederungsteilzeit war es aber dann leider zu spät.

Dieses Problem möchten wir jetzt lösen. Engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer können in Zukunft auch nach Rückkehr in den Job innerhalb eines Monats einen Antrag stellen, ist doch jede persönliche Kranken- und Genesungsgeschichte indivi­duell und anders zu betrachten. Wir möchten niemandem nach schwerer Krankheit noch bürokratische Hürden in den Weg legen, sondern wir wollen diese Menschen so gut wie möglich unterstützen. Die nunmehr geschaffene flexible Antragstellung ist im Sinne aller Beteiligten und wird noch stärker dazu beitragen, Menschen nach längeren Krankenständen wieder erfolgreich ins Erwerbsleben zu integrieren.

Es ist somit eine dreifache Win-Situation: Es profitieren die Arbeitnehmer durch Job­erhalt und höhere Geldleistungen als im Krankenstand, die Arbeitgeber durch den Er­halt ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unser Sozialsystem durch präventives Einschreiten. Ich ersuche daher um Ihre Unterstützung zu dieser wichtigen und not­wendigen Gesetzesänderung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.15



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 189

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loa­cker. Ich darf es ihm erteilen. – Bitte.


18.15.20

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Wiedereingliederungsteilzeit ist sehr zu begrüßen. Ich möchte zuerst auf ein Detail eingehen, das ich ein bisschen kritischer sehe. Die Wiedereingliede­rungsteilzeit wird jetzt nämlich auf die VAEB ausgedehnt, das ist die Eisenbahnerversi­cherung, in deren Abteilung B die ÖBB-Beamten versichert sind.

Die ÖBB-Beamten sind eine kleine, abschmelzende Gruppe, ja, aber das ist die Grup­pe, in der man, wenn Sie sich erinnern, gerne mit 50 in Pension geht, und vorher fallen schon typischerweise ein bis zwei Jahre Krankenstand und Kur an. Es besteht, glaube ich, die Gefahr, dass die Wiedereingliederungsteilzeit noch ein Ausdehnen dieser in­offiziellen Vorruhestandsmodelle bei den ÖBB bedeuten könnte. Man muss jedenfalls mit gestrengem Auge darauf schauen.

Zur Wiedereingliederungsteilzeit für die ASVG-Versicherten möchte ich grundsätzlich sagen: Da ist eine Weiterentwicklung sehr zu begrüßen. Die Wiedereingliederungsteil­zeit ist ein erstes Abgehen vom Alles-oder-nichts-Prinzip in der österreichischen So­zialversicherung. Bisher war man immer ganz gesund oder ganz krank, ganz berufs­fähig oder ganz berufsunfähig, und das entspricht nicht den Lebensrealitäten. Da kann die Wiedereingliederungsteilzeit, wie Kollegin Graf ausgeführt hat, schon einen Beitrag dazu leisten, die Menschen länger in Beschäftigung zu halten, und den Arbeitgebern die Möglichkeit geben, die Menschen länger zu beschäftigen. Es geht aber auch da­rum, dass Mitarbeiter, die im Berufsleben stehen, nicht den Anschluss verlieren.

Das sollte sich auch in der Hinsicht auswirken, dass wir, was die Pensionsantritte be­trifft, längere Beschäftigungszeiten verzeichnen. Da haben wir nämlich im Moment ein Problem: Während die Lebenserwartung in den letzten acht Jahren um 1,8 Lebens­jahre gestiegen ist, sind die durchschnittlichen Pensionsbeitragszeiten um 0,17 Jahre, also um ungefähr zwei Monate, gestiegen. Wir werden also immer älter, aber wir zah­len gleich lange in die Pensionsversicherung ein. Daher sollte bei der Evaluierung der Wiedereingliederungsteilzeit ein Augenmerk darauf gelegt werden, ob dieses Modell auch einen Beitrag dazu leistet, die Menschen länger in Beschäftigung zu halten. Wenn uns das gelingt, ist es wirklich ein großer Erfolg. (Beifall bei den NEOS.)

18.17

18.17.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste ist erschöpft. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 230 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zu­stimmung geben, ein diesbezügliches Zeichen zu setzen. – Auch das ist einstimmig. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

18.18.2911. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorla-
ge (191 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegege-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 190

setz, das Hebammengesetz, das Kardiotechnikergesetz, das MTD-Gesetz, das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Medizinischer Masseur- und Heilmas­seurgesetz, das Sanitätergesetz, das Zahnärztegesetz, das Zahnärztekammerge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversi­cherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972, das Apo­thekengesetz, das Arzneimittelgesetz, das Medizinproduktegesetz, das Patien­tenverfügungs-Gesetz, das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Psy­chologengesetz 2013, das EWR-Psychologengesetz, das Psychotherapiegesetz, das EWR-Psychotherapiegesetz, das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen, das Tierärztegesetz, das Gentech­nikgesetz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Bundesbehindertengesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Heimopferrentengesetz, das Kriegsgefangenen­entschädigungsgesetz und das Tierärztekammergesetz geändert werden (Er­wachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz – ErwSchAG BMASGK) (231 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.


18.18.59

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Diese Regierungsvorlage wäre eigentlich unproblema­tisch gewesen, wenn es nicht einen Abänderungsantrag gegeben hätte, mittels dessen Sie als Regierungsparteien eine Änderung des Strafdeckels bei Meldeverstößen ein­gebracht haben. Wir haben das im Zuge der Budgetdebatte aufgezeigt, wir haben das thematisiert, und Sie haben auch angekündigt, das dementsprechend wieder zu än­dern.

Im Sozialausschuss mussten wir leider etwas verwundert feststellen, dass diese Ände­rung nicht das ist, was eigentlich zu erwarten war oder was wir uns im Sinne der Fair­ness gewünscht hätten. Sie haben für die Zukunft hinsichtlich Sanktionen lediglich Ver­stöße bei der Anmeldung vom Deckel von 855 Euro ausgenommen. Das ist jetzt Ihre Änderung. Nicht davon betroffen sind aber alle anderen Verfehlungen, nämlich Mel­dungen noch fehlender Daten, verspätete oder fehlende Abmeldungen, Fristversäum­nisse oder verspätete Berichtigungen.

Ich habe Sie im Sozialausschuss wirklich darum ersucht, sich das noch einmal anzu­schauen und darauf zu achten, dass die Sanktionen so gestaltet werden, dass sich So­zialbetrug nicht auszahlt.

Fakt ist, wenn wir ein Beispiel aus der Wiener Gebietskrankenkasse nehmen, dass ein Unternehmen mit rund 5 000 Mitarbeitern, das monatlich eine Fluktuation von 500 Per­sonen hat, das dementsprechend immer wieder Säumniszuschläge zu bezahlen hat, jetzt statt monatlich 500 Mal 100 Euro, sprich insgesamt 50 000 Euro, nur mehr 855 Euro zahlt. Ich glaube, das ist nicht im Interesse von uns allen, dass Sozialbetrug bezie­hungsweise Versäumnisse so billig gemacht werden. Aus diesem Grund ersuche ich Sie wirklich, das noch einmal zu überdenken. Es ist nicht im Sinne des Erfinders, dass der Sozialversicherungsbetrug so verbilligt wird. (Abg. Gödl: Bei Sozialbetrug ... stra­fen!) Sie reden immer von Wirtschaft und Fairness – in diesem Fall handelt es sich aber um eine eindeutige Verschlechterung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 191

Zu Ihrem Abänderungsantrag wird Kollege Stöger noch gesondert Stellung nehmen. Ich finde es ganz schlimm, Frau Ministerin, wenn Sie einfach mit einem Abänderungs­antrag sozusagen auf die Stopptaste drücken und einen Aufnahmestopp, einen Bau­stopp machen, der zulasten der Wirtschaft und der Versicherten geht. Mein Kollege Stöger wird, wie gesagt, mehr dazu sagen. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Be­lakowitsch. – Bitte.


18.21.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im ursprünglichen Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, ging es darum, dass die Sachwalterschaft abgeschafft und durch das Erwach­senenschutz-Gesetz ersetzt wird. Es gab ja gerade bei der Sachwalterschaft wahn­sinnig viele Beschwerden, immer wieder, auch die Volksanwaltschaft wurde damit sehr häufig befasst; daher finde ich, dass das ein sehr richtiger und sehr wichtiger Schritt ist und auch war. Durch dieses neue Erwachsenenschutz-Gesetz wird es den Betroffenen ermöglicht, länger am sozialen Leben teilzuhaben und mehr Eigen- und Mitbestim­mung zu haben. Ich halte das wirklich für einen richtigen und wichtigen Schritt.

Zur Kritik meines Vorredners sage ich ganz kurz: Es wird weitere Novellen geben. Wir werden, und das verspreche ich Ihnen, uns das noch einmal ganz genau anschauen. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) – Bitte? (Abg. Plessl: Drücken Sie die Stopptaste!) – Da? Da ist keine Stopptaste. Das wollen Sie gar nicht, dass ich hier die Stopptaste drü­cke, das glaube ich nicht; die Zeit darf schon weiterlaufen.

Ich bringe heute noch einen Abänderungsantrag ein. Sie wissen ja, werte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, dass sich diese Bundesregierung eine Sozial­versicherungsreform vorgenommen hat, die auch schon sehr weit gediehen ist und mit 1. Jänner weitergehen soll. Die Frage, die sich jetzt stellt – und das hat nichts mit einer Stopptaste zu tun, Herr Kollege –, ist, dass es nicht sein kann, dass die Funktionäre der Sozialversicherungen und des Hauptverbandes meinen, sie können genau dieses Gesetz unterlaufen, indem sie jetzt noch schnell irgendwie Fakten schaffen. Daher ist es notwendig, diesen Abänderungsantrag einzubringen, den ich hier in seinen Grund­zügen erläutern möchte.

Es geht darum, dass die Sozialversicherungen Augenmerk auf einen sparsamen Um­gang legen und nicht glauben, dass man jetzt noch schnell bis zum Jahresende sozu­sagen das Geld ausgeben und damit dem Fusionierungsprozess einen Rucksack auf­bürden kann, der ein schwerer ist. Das ist einfach nicht fair und dem, was hier geplant ist, diametral entgegengesetzt.

Wenn Sie das als Stopptaste bezeichnen, dann sage ich Ihnen: Ich weiß nicht, warum das jetzt hätte sein müssen, denn es kann ganz normal weiterlaufen. Eines kann aber eben nicht sein, nämlich dass jetzt über Gebühr noch irgendwelche Vereinbarungen abgeschlossen werden, weit mehr als es in der Vergangenheit jemals der Fall war. Aus diesem Grund ist das notwendig, sonst wäre das, was Sie als Stopptaste bezeichnen, gar nicht notwendig.

Ich verlese jetzt den Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kolle­gen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 231 der Beilagen über die


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 192

Regierungsvorlage 191 der Beilagen betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungs­gesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 10 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

§ 716 samt Überschrift in der Fassung der Z 2 lautet:

„Schlussbestimmungen zu Art. 10 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018

§ 716. (1) Die Abs. 2 bis 7 sowie die §§ 86 Abs. 3 Z 1 und 106 Abs. 1 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 treten mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft.

(2) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon be­troffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsan­stalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Scha­dens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.

(3) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs. 2 genannten Versicherungs­träger und der Hauptverband

1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des be­reichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwal­tungsdienst tätig sind, und

2. Ärzte und Ärztinnen, die nach § 37 Z 1 und 2 DO. B eingereiht sind,

nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

(4) Fällt der Beendigungszeitpunkt einer befristeten Bestellung eines/einer leitenden Angestellten oder leitenden Arztes/leitenden Ärztin sowie von deren ständigen Stellver­tretern/Stellvertreterinnen eines der im Abs. 2 genannten Versicherungsträger oder des Hauptverbandes in die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2019, so verlängert sich diese befristete Bestellung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

(5) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind bei den im Abs. 2 genannten Versicherungs­trägern und beim Hauptverband keine Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich zu­lässig. Nachbesetzungen von Personalabgängen im Verwaltungsbereich können je­doch erfolgen, wenn diese von dem zum 1. Jänner 2018 gültigen Dienstpostenplan ge­deckt sind.

(6) Höherreihungen außerhalb der am 30. Juni 2018 gültigen Dienstpostenpläne sind bis zum Ablauf des Jahres 2019 unzulässig.

(7) Für die nach § 342 abzuschließenden Gesamtverträge oder bei Änderungen von Gesamtverträgen ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 der nachhaltig ausge­glichenen Gebarung gegenüber den im § 342 Abs. 2a sonst angeführten Zielsetzungen der Vorrang zu geben. Dies gilt auch für alle anderen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen. Honorarab­schlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 193

ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des jeweiligen Trägers, sind unzulässig. Kommt im Falle eines befristeten Ablaufes kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht.“

*****

(Zwischenruf bei der SPÖ.) – Schwierig ist das Gesetz nicht, schwierig ist nur die ge­genderte Fassung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch

und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 231 der Beilagen über die Re­gierungsvorlage 191 der Beilagen betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsge­setz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Kon­sumentenschutz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 10 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

§ 716 samt Überschrift in der Fassung der Z 2 lautet:

„Schlussbestimmungen zu Art. 10 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018

§ 716. (1) Die Abs. 2 bis 7 sowie die §§ 86 Abs. 3 Z 1 und 106 Abs. 1 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 treten mit Ablauf des Tages ih­rer Kundmachung in Kraft.

(2) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon be­troffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsan­stalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Scha­dens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.

(3) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs. 2 genannten Versicherungs­träger und der Hauptverband

1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des be­reichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwal­tungsdienst tätig sind, und

2. Ärzte und Ärztinnen, die nach § 37 Z 1 und 2 DO. B eingereiht sind,

nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.


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(4) Fällt der Beendigungszeitpunkt einer befristeten Bestellung eines/einer leitenden Angestellten oder leitenden Arztes/leitenden Ärztin sowie von deren ständigen Stellver­tretern/Stellvertreterinnen eines der im Abs. 2 genannten Versicherungsträger oder des Hauptverbandes in die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2019, so verlängert sich diese befristete Bestellung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

(5) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind bei den im Abs. 2 genannten Versicherungs­trägern und beim Hauptverband keine Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich zu­lässig. Nachbesetzungen von Personalabgängen im Verwaltungsbereich können je­doch erfolgen, wenn diese von dem zum 1. Jänner 2018 gültigen Dienstpostenplan ge­deckt sind.

(6) Höherreihungen außerhalb der am 30. Juni 2018 gültigen Dienstpostenpläne sind bis zum Ablauf des Jahres 2019 unzulässig.

(7) Für die nach § 342 abzuschließenden Gesamtverträge oder bei Änderungen von Gesamtverträgen ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 der nachhaltig ausge­glichenen Gebarung gegenüber den im § 342 Abs. 2a sonst angeführten Zielsetzungen der Vorrang zu geben. Dies gilt auch für alle anderen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen. Honorarab­schlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des jeweiligen Trägers, sind unzulässig. Kommt im Falle eines befristeten Ablaufes kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht.“

Begründung

Vor dem Hintergrund der im Regierungsprogramm vorgesehenen und im Ministerrats­vortrag vom 23. Mai 2018 präzisierten umfassenden Neuordnung der Sozialversiche­rungsorganisation sollen die Versicherungsträger und der Hauptverband angehalten wer­den, streng nach den Grundsätzen einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik vorzu­gehen, um den Fusionierungsprozess nicht zu konterkarieren.

Es ist beabsichtigt, die Regelungen der Abs. 2-7 anzupassen bzw. außer Kraft zu setz­ten, sobald im 1. Halbjahr 2019 die neuen Gremien bzw. Überleitungsgremien entspre­chend der Sozialversicherungsstrukturreform handlungsfähig sind.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


18.28.59

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Bei der Regierungsvorlage zum Erwachsenenschutz-Gesetz geht es um eine Reform des Vertretungsrechts für Personen mit psychischen Beeinträchtigungen, deren Rechte mit diesem Gesetzesvorschlag eigentlich gestärkt werden sollten. So wird beispielsweise betreffend Pflegegeld klargestellt, dass die Leis­tungen nur dann der gesetzlichen Vertretung auszuzahlen sind, wenn der oder die an­spruchsberechtigte Person nicht geschäftsfähig ist.

Das ist also ein Gesetz, welches das Recht auf Eigenverantwortung und Selbstbestim­mung von Menschen mit Beeinträchtigung stärkt. Das ist gut und wichtig, und das


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 195

sollte auch unbedingt dementsprechend ausgestaltet werden. – So weit, so gut. Nun packen Sie in dieses Erwachsenenschutz-Gesetz aber die angebliche Reparatur des Budgetbegleitgesetzes hinein. Das zeigt ganz klar, welche Vorgehensweise hier ge­wählt wird, nämlich wieder eine Husch-Pfusch-Methode, die wir bereits im Ausschuss extrem kritisiert haben, weil die Arbeit so einfach nicht möglich ist. Es geht nicht an, im­mer mit Abänderungsanträgen oder entsprechend kurzfristigen Änderungen irgendeine Art von Reparatur erreichen zu wollen, sich aber nicht das ganze Problem vorzuneh­men, das Gesamte zu reparieren.

Sie schreiben zunächst mit dem Budgetbegleitgesetz quasi eine Einladung an sozial­betrügerische Unternehmen aus, ihre Arbeiter doch erst nach der Probezeit, oder wann es gerade passt, bei der Sozialversicherung anzumelden, denn Sozialbetrug ist wieder lukrativ, wenn es einen Deckel gibt, wenn es eine nach oben beschränkte Strafe gibt und nicht mehr pro Arbeitnehmer bestraft wird. Wenn Sie dann draufkommen, dass das vielleicht doch nicht so gescheit war - - (Zwischenruf des Abg. Gödl.) – Herr Kolle­ge von der ÖVP, Sie sind draufgekommen, dass es doch nicht so gescheit war. Die Kritik, die Sie hier jetzt herausrufen, entbehrt jeder Grundlage. Sie sind Gott sei Dank draufgekommen, dass es nicht so klug war.

Was Sie trotz allem noch immer nicht repariert haben und reparieren wollen, ist die Re­gelung, wenn sich zum Beispiel ein Unternehmer entscheidet, dass er seine Arbeitneh­mer zu früh von der Sozialversicherung abmeldet, obwohl sie vielleicht noch auf seiner Baustelle arbeiten, obwohl sie vielleicht noch in seinem Unternehmen beschäftigt sind. Da gibt es überhaupt keine Ambitionen, eine Änderung durchzuführen. Es wird jetzt wieder nur ein Loch gestopft, eine Minireparatur gemacht, obwohl Sie viele, viele weite­re Löcher gebohrt haben.

Hören Sie auf, Sozialbetrug zu erleichtern und zu fördern, und gehen Sie mit diesem Gesetz zurück an den Start! Wenn Sie etwas reparieren wollen, dann bitte ordentlich! – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

18.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


18.31.40

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine geschätzten Kollegen! Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Ja es stimmt, wir behandeln einen Gesetzentwurf, mit dem wir auch ein paar andere Änderungen im Sozialversicherungsbereich vornehmen.

Wie schon meine Vorrednerin richtig gesagt hat, ist das Erwachsenenschutz-Anpas­sungsgesetz jetzt mit 1. Juli in Kraft getreten. Wir nehmen jetzt in anderen Gesetzes­materien vor allem terminologische Änderungen vor, die notwendig sind, heute eben mit dem Beschluss des Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetzes im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich.

Mit dem neuen Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz haben wir damals, nämlich noch in der alten Gesetzgebungsperiode, den Grundsatz Unterstützen statt Entmündi­gen umgesetzt, zumal in den letzten 15 Jahren auch die Zahl der Sachwalterschafts­fälle in Österreich von 30 000 auf heute fast 60 000 gestiegen ist. Da wollten wir eben eine zeitgemäße Vertretungsregelung schaffen, das haben wir getan. Wir haben im Rahmen des Budgetbeschlusses auch darüber diskutiert, wie wir die 17,5 Millionen Eu­ro finanzieren können; auch das wurde sichergestellt.

Zur Klarstellung: Mit dieser gegenständlichen Regierungsvorlage ändern wir 35 Mate­riengesetze, vor allem um die Terminologie zu übernehmen. Darüber herrscht eigent­lich Einigkeit. Eines dieser 35 Gesetze, die wir ändern, ist eben auch das ASVG. Wir


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nutzen jetzt diese Änderung, um eben andere Rechtsbereiche anzupassen. Zum einen gab es ein VfGH-Urteil bezüglich des Anfalls von Hinterbliebenenleistungen, die alte Regelung ist mit 30.6.2018 aufgehoben worden. Wir nehmen jetzt die Gelegenheit wahr, um das im ASVG neu zu regeln, deswegen haben wir den Abänderungsantrag im Ausschuss eingebracht.

Außerdem geht es noch um die Säumniszuschläge. Ich finde trotzdem, lieber Beppo Muchitsch und auch Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, dass Säumniszuschläge eben keine Strafen sind. Säumniszuschläge sind eine Abgeltung für einen erhöhten zusätz­lichen Verwaltungsaufwand. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir die eine Ziffer, in der es um die Anmeldung geht, von der Deckelung ausnehmen, die wir seinerzeit mit dem Budgetbegleitgesetz beschlossen haben. Diese Änderung nehmen wir jetzt vor.

Nichtsdestotrotz, lieber Kollege Muchitsch, du weißt ganz genau: Alles, was mit Strafen zu tun hat, bleibt natürlich vollkommen aufrecht. Es ist nie rechtmäßig, wenn Firmen ihre Mitarbeiter nicht oder falsch anmelden. Natürlich gilt weiterhin jede Strafbestim­mung, zum Beispiel im Bereich des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, das bleibt ja unverändert. Die Säumniszuschläge sind eben eine pauschale Abgeltung für einen Verwaltungsaufwand.

Ich darf jetzt auch noch einen Abänderungsantrag einbringen, der etwas klarstellen soll, nämlich im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsgeld und dem Stichtag bei den Pensionsversicherungsträgern.

Diesen Abänderungsantrag muss ich jetzt zur Gänze verlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kolle­gen zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 231 der Beilagen über die Regierungsvorlage 191 der Beilagen betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungs­gesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 10 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

a) Die Z 1c erhält die Bezeichnung „1e“.

b) Vor der Z 1e werden folgende Z 1c und 1d eingefügt:

»1c. Im § 143a Abs. 1 erster Satz wird der Ausdruck „ab Vorliegen der vorübergehen­den Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer“ durch den Ausdruck „ab dem Stich­tag (§ 223 Abs. 2) für die Dauer der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit)“ ersetzt.

1d. Den §§ 255b, 273b und 280b wird jeweils folgender Satz angefügt:

„§ 223 Abs. 2 gilt entsprechend.“«

c) In Z 2 wird in § 716 nach Abs.7 folgender Abs.8 angefügt:

„(8) Rückwirkend mit 1. Jänner 2014 treten die §§ 143a Abs. 1, 255b, 273b und 280b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.I Nr.xx/2018 in Kraft.“

*****


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 197

Ich bitte Sie also, diesen Abänderungsantrag, den Abänderungsantrag aus dem Aus­schuss und natürlich auch die Regierungsvorlage anzunehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch

und Kolleginnen und Kollegen

zum Gesetzentwurf im Bericht des Sozialausschusses 231 der Beilagen über die Re­gierungsvorlage 191 der Beilagen betreffend ein Erwachsenenschutz-Anpassungsge­setz für den Bereich des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 10 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

a) Die Z 1c erhält die Bezeichnung „1e“.

b) Vor der Z 1e werden folgende Z 1c und 1d eingefügt:

»1c. Im § 143a Abs. 1 erster Satz wird der Ausdruck „ab Vorliegen der vorüberge­henden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer“ durch den Ausdruck „ab dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) für die Dauer der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähig­keit)“ ersetzt.

1d. Den §§ 255b, 273b und 280b wird jeweils folgender Satz angefügt:

„§ 223 Abs. 2 gilt entsprechend.“«

c) In Z 2 wird in § 716 nach Abs.7 folgender Abs.8 angefügt:

„(8) Rückwirkend mit 1. Jänner 2014 treten die §§ 143a Abs. 1, 255b, 273b und 280b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.I Nr.xx/2018 in Kraft.“

Begründung

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll klargestellt werden, dass das Rehabilita­tionsgeld zu dem vom Pensionsversicherungsträger festgestellten Stichtag anfällt.

Zum Stichtag ist vom Pensionsversicherungsträger unter anderem festzustellen, ob vo­rübergehende Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Mo­naten vorliegt bzw. Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht. Auch für den Beginn des Leistungsanspruches (Leistungsanfall) sind die pensionsversicherungsrechtlichen Be­stimmungen anzuwenden. Daraus resultiert, dass für den Anfall des Rehabilitationsgel­des ebenfalls das Stichtagsprinzip heranzuziehen ist.

Da die §§ 143a, 255b, 273b und 280b ASVG (teilweise rückwirkend) mit 1. Jänner 2014 in Kraft getreten sind, sollen die entsprechende Änderungen ebenfalls rückwir­kend mit 1. Jänner 2014 in Kraft treten.

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Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 198

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der vorliegende Antrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Ich erteile ihr das Wort.


18.37.04

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Erwach­senenschutz-Anpassungsgesetz ist meiner Meinung nach eine der großen Errungen­schaften dieser Gesetzgebungsperiode, denn es unterstützt und schützt gerade jene Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Diese Rechte sind von den Behindertenverbänden zu Recht vehement eingefordert worden, und mein Ministerium hat diese immer sehr unterstützt. Um den Schutz noch weiter auszubauen, sind auch Informationspflichten der Gerichte und die Erfordernisse des Datenschutzes geregelt.

Lassen Sie mich aber noch eines sagen, was mir auch sehr wichtig ist: Auch das Ge­sundheitsberuferegister spielt da eine Rolle, nämlich für die Handlungsfähigkeit, nur durch diesen Eintrag kann man künftig einen solchen Beruf ausüben. Dieses Gesund­heitsberuferegister ist seit Sonntag im Netz, ist freigeschaltet, und ich freue mich da­rüber, dass es wirklich funktioniert und zur Qualitätssicherung beiträgt.

Nun zum Abänderungsantrag: Meine lieben Kollegen, es ist keine Stopptaste, es ist ei­ne Verschiebung. Warum ist es eine Verschiebung? – Wenn eine Organisationsverän­derung in diesem Ausmaß ansteht, ist es klar, dass man eine Verschiebung von Pla­nungen anstreben muss. Deshalb bin ich sehr dankbar für diesen Abänderungsantrag. Die Stopptaste drücken nur Sie, indem Sie nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stö­ger. – Bitte.


18.38.44

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Jetzt kommt wieder eine Richtigstellung!) Wenn ich richtig gehört habe, was Frau Abgeordnete Belakowitsch in dem Abänderungsan­trag vorgetragen hat, dann steht da im Gegensatz zu dem, was die Frau Bundesmi­nister ausgeführt hat, drinnen: „Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Ver­sicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betref­fen.“

Das ist eine Stopptaste für alle Maßnahmen. Ich nenne ein Beispiel: Ein Haus wird ge­baut, der Baumeister war da, und das Dach darf nicht mehr draufgestellt werden, weil der Beschluss, den Auftrag für das Dach zu vergeben, nicht mehr zulässig ist. Das ist die Stopptafel! Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Baustopp, der Schadenersatz nach sich zieht, und das, Frau Bundesministerin, müssen Sie dann hof­fentlich zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es dürfen keine leitenden Angestellten mehr aufgenommen werden. Das ist gerade bei Einrichtungen ein Problem, in denen zum Beispiel nach sanitätsrechtlichen Grundsät­zen ärztliche Leiter vorhanden sein müssen. Es ist nicht möglich – ich habe es nur für Oberösterreich geprüft –, in Eferding zu bauen. In der AUVA habt ihr es übrigens so gemacht: Da hat kein leitender Arzt für Brandopfer mehr bestellt werden dürfen, damit ist die Brandopferversorgung weggefallen, die Leistung ist nicht mehr da, und die Men-


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schen haben nach München ausgeflogen werden müssen. Es kann das Zahngesund­heitszentrum in Linz nicht mehr gebaut werden. – All das bedeutet das.

Sie machen noch etwas, meine sehr verehrte Frau Bundesministerin: Sie zerstören da­mit die Weiterentwicklung der Gesundheitsreform. Es dürfen nicht mehr Allgemeinme­diziner, nicht mehr Kinderärzte aufgenommen werden. (Abg. Plessl: Das ist der fals­che Weg!) Das ist genau das, was in der Gesundheitsreform vorgesehen war.

Und Sie greifen verfassungswidrig in die Gesamtverträge ein; das steht im letzten Ab­satz, wenn Sie es richtig vorgelesen haben: Den angeführten Zielsetzungen ist Vorrang zu geben – nämlich Sparen –, und die Gesamtverträge können nicht weiterentwickelt werden und bleiben im bisherigen Umfang aufrecht. – Das ist ein massiver verfas­sungswidriger Eingriff, auch in die Gesamtverträge mit den Ärzten.

Herr Präsident, ich sage Ihnen: Dieses Gesetz ist jedenfalls hinsichtlich § 716 Abs. 2 verfassungswidrig. Es widerspricht Art. 121b der österreichischen Bundesverfassung. Es ist auch der Eingriff in die Gesamtverträge verfassungswidrig. Hier ein verfassungs­widriges Gesetz vorzuschlagen ist eigentlich gegen die Bundesverfassung.

Ich ersuche alle Abgeordneten, diesem Abänderungsantrag keine Zustimmung zu ge­ben. Machen Sie ein sauberes Verfahren, lassen Sie das vernünftig beurteilen! Ich hat­te das jetzt innerhalb einer halben Stunde zu beurteilen. Das ist massiv verfassungs­widrig und schädigt die Österreicherinnen und Österreicher in Fragen der Gesundheit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Da kurzfristig eingebrachte Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge vorliegen und eine kurze Unterbrechung der Sitzung zur Vorbereitung der Abstimmung nicht aus­reicht, verlege ich die Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 11 bis nach der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16.

18.42.5412. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 275/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Personalstandes im AMS (234 d.B.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Abgeordnetem Muchitsch das Wort erteilen. – Bitte.


18.43.17

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Laut Medienberichten hat nun der AMS-Verwaltungsrat die arbeitsmarktpolitischen Ziele für 2019 beschlossen. Das ist gut so, weil die Ziele jetzt einmal feststehen. Nicht gut ist, dass es kein Budget für diese Ziele gibt, und wenn es kein Budget für diese Ziele gibt, dann muss man sich fragen, wann das AMS planen kann, wann das AMS ausschrei­ben kann, damit es diese Ziele, auf die sie sich im Verwaltungsrat geeinigt haben, dementsprechend auch umsetzen kann. Zum Umsetzen der Ziele braucht man auch Personal.

Gerade das ist das Problem: dass das Personal beim AMS laut Ihren Plänen im Bud­get 2019 gekürzt werden soll. Aus diesem Grund haben wir auch diesen Entschlie-


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ßungsantrag eingebracht, einen Entschließungsantrag zur Erhöhung des Personal­standes AMS. Warum? – Wir haben im internationalen Vergleich zu Deutschland gera­de in diesem ganzen Servicebereich einen Personaldeckel von einem AMS-Mitarbeiter zu 229 Arbeitssuchenden. In Deutschland ist das 1 : 100. Sie kennen diese Ergebnisse der Pilotprojekte in Linz, in Wien, wo wir 1 : 100 versucht haben und das Wifo dement­sprechend analysiert hat, dass wir einerseits die Menschen viel schneller in Beschäfti­gung gebracht haben und uns andererseits auch viel Geld an Versicherungsleistungen erspart haben, eben weil die Menschen schneller in Beschäftigung gekommen sind.

Aus diesem Grund stellten wir unseren Antrag. Wenn Sie schon die Aktion 20 000 stoppen, wenn Sie für das Jahr 2019 noch immer keine Finanzierung für die Ausbil­dungsgarantie unserer jungen Menschen bis zum 25. Lebensjahr haben, dann setzen wir wenigstens hier ein Zeichen, um zu sagen: Ja, diese betroffenen Menschen wollen wir besser beraten, effizienter beraten, damit sie wieder in Beschäftigung kommen.

Das ist auch noch etwas, was man eins zu eins zusammenzählen kann: Herr Klubob­mann Wöginger, wir haben damals im Sozialausschuss auf die Senkung der Arbeitslo­senversicherungsbeiträge hingewiesen. Es ist ja nichts Schlechtes, wenn die unteren Einkommensbezieher weniger Beiträge zu zahlen haben, aber wir haben immer ge­sagt: Wir befürchten, dass es dann nicht zu einer Kompensierung dieses Ausfalls von Beiträgen kommt. Und genau das passiert jetzt. Ihr fahrt die AMS-Mittel hinunter, ihr fahrt die Budgetmittel hinunter. Ihr habt nicht die Absicht, hier irgendwelche Maßnah­men für die betroffenen Menschen zu setzen, wo man über die Rücklage zwischenfi­nanzieren kann. Jetzt kommt genau das zum Vorschein, was wir damals aufgezeigt ha­ben.

Aus diesem Grund: Nützen Sie die Chance und stimmen Sie unserem Entschließungs­antrag für mehr Personal im AMS zu! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


18.46.34

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Kolle­ge Muchitsch, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten diesen Antrag zurückgezogen. Er ist in Wahrheit wirklich nicht argumentierbar. Vielleicht noch einmal kurz zur Erinnerung: Die Vorgängerregierung hat 2016 den Personalstand beim AMS um 400 Personen er­höht. Aktuell sind wir ungefähr bei 5 600 Mitarbeitern beim AMS, und 2016 war das auch noch begründbar, denn da hatten wir eine Rekordarbeitslosigkeit, Kollege Mu­chitsch.

Mittlerweile, Sie wissen es, sinkt die Arbeitslosigkeit Gott sei Dank von Monat zu Mo­nat. Bereits damals wurde vereinbart, dass bei sinkender Arbeitslosigkeit die Aufsto­ckung von 400 um 200 reduziert wird, und zwar durch natürlichen Abgang – sprich: Frühpensionierungen, Pensionierungen. Jetzt haben wir diesen Zustand, und jetzt kön­nen Sie keinem vernünftigen Menschen erklären, warum diese Reduktion um 200 Mit­arbeiter bei sinkender Arbeitslosigkeit nicht erfolgen kann. Das ist der erste Punkt. (Abg. Muchitsch: Weil Sie die Maßnahmen abschaffen, Herr Kollege!)

Der zweite Punkt – Kollege Muchitsch, du weißt das –: Es gibt unserer Meinung nach natürlich auch im Bereich des AMS sehr wohl Reformbedarf, und ich bin davon über­zeugt, dass die Frau Minister das auch angehen wird. Es gibt im AMS natürlich einige Dinge, die nicht okay sind. Wir bekommen in den letzten Jahren auch laufend Be­schwerden von Arbeitssuchenden über das AMS. Es ist mit Sicherheit eine Reform im AMS notwendig, damit Arbeitssuchende auch zielgerichtet wirklich Hilfestellung beim AMS bekommen. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)


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Ich darf schon einmal auf Folgendes hinweisen: Die 229 Arbeitslosen pro AMS-Mitar­beiter stimmen, die sind korrekt. Das würde aber heißen, dass ein AMS-Betreuer aufs Jahr gesehen über 7 000 Arbeitssuchende betreuen kann. Dieses Verhältnis von 5 600 Mitarbeitern zu 7 200 Beratungsgesprächen im Jahr ist mit Sicherheit eines, das man optimieren kann.

Unsere Ziele im AMS sind auch im Regierungsprogramm ganz klar dokumentiert. Wir wollen mehr Transparenz im Förderbudget, wir wollen auch eine Evaluierung der ar­beitsmarktpolitischen Effizienz des AMS. Wir wollen auch Schulungen konkret auf den notwendigen Arbeitsplatz hin durchführen. Wir wollen vor allem auch Hemmnisse in die­sem Bereich abbauen und in Summe die Effizienz der Arbeitslosenbetreuung deutlich erhöhen. Im derzeitigen Umfeld macht eine Erhöhung um 200 Mitarbeiter beim AMS für mich rational überhaupt keinen Sinn, deshalb lehnen wir diesen Vorschlag auch ka­tegorisch ab. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­minister Hartinger-Klein. – Bitte, Frau Bundesminister.


18.49.53

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lieber Abgeordneter Mu­chitsch, im Verwaltungsrat haben wir jetzt die Ziele beschlossen, als Nächstes – noch im Sommer oder vor dem Sommer – kommen die Budgetzahlen. Ich bitte dich also: Mach dir keine Sorgen!

200 Personen mehr sind nicht notwendig. Wir haben auf der einen Seite eine IT, die durch Modernisierung Verwaltungsvereinfachungen bewirkt, und wir haben Hochkon­junktur, wie Kollege Wurm schon ausgeführt hat. Aufgrund der sinkenden Arbeitslosig­keit brauchen wir das nicht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke sehr, Frau Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte.


18.50.36

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP)|: Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Hohes Haus! Ich möchte mich ganz kurz halten, weil ich die Maßnahme nahezu absurd finde. Von März 2017 bis jetzt haben wir minus 9 Prozent Arbeitslosigkeit, das sind 34 000 Menschen, und zwar in allen Branchen.

Es sind nicht nur Fachkräfte, die fehlen, sondern es fehlen auch ganz einfache Ernte­helfer, es fehlen Küchenhilfen, es fehlen Vorarbeiter, also der Wirtschaft fehlt überall Personal. Jetzt werden wir in so einer Situation nicht zusätzlich, wo uns ohnehin über­all Personal fehlt, noch 200 oder mehr Menschen beim AMS deponieren. Das halten wir für nicht sinnvoll.

Diese Jobs, die da fehlen, findet offen gesagt auch jeder selbst, der sich bemüht. Wenn ich im Bezirk draußen bin, sucht jeder an allen Ecken und Enden Personal und findet niemanden. Wir sind auch nicht bereit, irgendwelche Orchideenkurse oder ir­gendetwas zur Selbstverwirklichung zu finanzieren. Unsere Devise ist deswegen, die­jenigen jetzt langfristig am Arbeitsmarkt zu integrieren, die auch wirklich arbeitswillig sind, einsatzwillig sind, leistungswillig sind.

In diesem Sinne möchte ich vielleicht dem AMS einen neuen Slogan umhängen: Arbeit macht Spaß! Das darf auch Spaß machen, das darf Freude machen, und wir wün­schen all jenen, die jetzt einen Job suchen, alles Gute. Es ist viel Potenzial da. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Die Zahlen besagen klar, dass diese Maßnahme jetzt weder treffsicher noch sinnvoll ist. Sollte sich die Situation ändern, sind wir dann natürlich gerne bereit, hier darüber nachzudenken. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, können wir dieser Maßnahme nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Muchitsch zu Wort gemeldet. Ich nehme wie bei allen anderen Abgeordneten an, dass Sie die einschlä­gigen Bestimmungen kennen und respektieren.


18.52.34

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Jawohl, Frau Präsidentin. – Herr Abgeordne­ter Wurm hat behauptet, dass es beim AMS, auch was die Kundenbetreuung betrifft, Reformbedarf gibt.

Ich berichtige: Die 5 638 AMS-Mitarbeiter leisten im internationalen Vergleich hervorra­gende Arbeit, und dementsprechend lasse ich es nicht zu, dass sie hier negativ beur­teilt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wurm: Das ist eine gewagte Berichtigung!)

18.53

18.53.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Na ja, damit wurde die Wertung, das als tatsäch­liche Berichtigung zu sehen, etwas strapaziert, aber wir haben jetzt keine Wortmeldung mehr zu diesem Tagesordnungspunkt vorliegen.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 234 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

18.53.4313. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 183/A der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsge­setz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung geändert wird (235 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


18.54.18

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Ja, der Antrag auf Aufnahme des Staatszieles „Soziale Gerechtigkeit“ in die Verfassung ist ei­gentlich ein ganz einfacher, und ich habe ihn auch schon mehrfach dargelegt und be­gründet.

Wie Sie alle wissen, war der Stein des Anstoßes die Absicht der ÖVP, das Wirt­schaftswachstum an sich als Staatszielbestimmung festzuschreiben – als Anlassge-


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setzgebung beziehungsweise -initiative wegen der dritten Piste des Flughafens Schwe­chat. Interessen des Umweltschutzes standen dem Projekt zumindest zwischenzeitlich entgegen, und da war für die Herren von der ÖVP ganz klar: Wirtschaftswachstum muss in die Verfassung!

Grundsätzlich könnte man ja auch da die Frage stellen: Wieso denn eigentlich nicht? Umweltschutz steht schon drinnen, weil wir alle schließlich eine intakte und gesunde Umwelt zum Leben brauchen, jetzt würde dann halt noch Wirtschaftswachstum dazu­kommen – ein Ziel also, das sowieso jede Regierung verfolgen sollte oder zumindest dementsprechend so tut, als ob.

Also wo sollte das Problem sein? – Zunächst einmal geht es für mich speziell darum, die bewusste Entscheidung zu treffen, die Verfassung von einer aktuellen Spielregel­verfassung deutlich hin zu einer politisch-inhaltlichen Dimension führen zu wollen. Die­se Entscheidung ist zu treffen, und es muss meines Erachtens auch nicht schlecht sein, wenn man sich auch auf dieser Ebene inhaltliche Leitsterne gibt.

Zum anderen aber ist natürlich auch sicherzustellen – anderes wäre extrem bedenk­lich –, dass eine solche inhaltliche Entwicklung ausgewogen erfolgt. Das heißt, auch dieser Antrag setzt genau hier an, um eine ausgewogene Verfassung und dementspre­chende Zielbestimmungen festzuschreiben. Nur wenn alle Bevölkerungsschichten sich sicher sein können, entsprechend ihrer individuellen Möglichkeiten im gleichen Aus­maß gemeinsam zum Staatswesen beizutragen und umgekehrt im gleichen Ausmaß und entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen am Wohl des gemeinsamen Staa­tes teilhaben zu können, kann sozialer Friede als unverzichtbare Basis eines gemein­samen Lebens sichergestellt werden.

Dieses gute Leben für alle Menschen in Österreich anzustreben, würde ich jetzt einmal als ein Ziel sehen, welches doch auch hier in diesem Hohen Haus mehrheitsfähig sein sollte.

In welchem Ausschuss es diskutiert wird – die soziale inhaltliche Ebene ist genauso betroffen wie die verfassungsrechtlich-formale –, soll mir dann letzten Endes auch egal sein. Wichtig ist lediglich, endlich die Arbeit zu beginnen, denn die Menschen in Öster­reich haben sich Gerechtigkeit verdient, und ich möchte Sie daher einladen, diese mit uns in der Verfassung zu verankern. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

18.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bißmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.56.58

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich war schon als Kind stolz, Österreicherin zu sein. Ich habe damals schon gemerkt und verstanden, dass Österreich ein ganz besonderes Land ist, das sich speziell durch zwei Dinge auszeichnet: erstens eine wunderschöne und intakte Natur, die Verbundenheit der Menschen mit dieser Natur und ein hohes Umweltschutzbewusstsein in der Bevölke­rung; zweitens einen starken Sozialstaat, der sozialen Frieden sichert und in der Lage ist, den Wohlstand einigermaßen gerecht zu verteilen.

In diesen zwei Bereichen genießt Österreich auch hohes internationales Ansehen – oder hat es zumindest lange Zeit genossen, denn dieses Ansehen bekommt leider immer mehr Patzer und Kratzer, denn unsere Bundesregierung erwägt Vorhaben, die dem Umweltschutz gegenüber der Wirtschaft eindeutig Nachrang einräumen.

Die Regierung will – oder besser gesagt: wollte – ein Staatsziel Wirtschaftswachstum in der Verfassung verankern, was unser Verfassungsziel, unser Staatsziel Umwelt-


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schutz und unsere sozialen Standards in Gefahr bringt. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) Meine Kollegin Daniela Holzinger hat über die Sozialstandards, die in Gefahr sind, gespro­chen, ich spreche jetzt über die Umweltstandards.

Gott sei Dank geht es mit diesem Vorhaben nicht so recht voran. Die dafür benötigte Verfassungsmehrheit ist ungewiss. Es hat auch großen Protest und einen Aufschrei in der Bevölkerung gegeben. Jetzt versucht die Regierung den Umweg über das be­schleunigte Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren. In den letzten Tagen gab es auch darüber einen großen Aufschrei in der Bevölkerung.

Seit Dienstag gibt es einen Entwurf eines Standortentwicklungsgesetzes, der durch den Ministerrat ging, in dem drinstehen soll, dass Großprojekte zukünftig automatisch genehmigt werden, wenn ein UVP-Verfahren nicht in 18 Monaten abgeschlossen ist. Diese Art der Fristsetzung hat es bei UVP-Verfahren noch nie gegeben, und man braucht hier nur eins und eins zusammenzuzählen, um zu verstehen, was Sie damit vorhaben, geschätzte Regierung, nämlich UVP-Verfahren in Zukunft so lange zu ver­schleppen, bis ein Großprojekt automatisch genehmigt werden darf. Das ist ein Wahn­sinn! Dieser Angriff auf Umweltrechte würde heute zum Beispiel den Bau von Hainburg und Zwentendorf ermöglichen.

Bitte, spielen wir Umwelt und Wirtschaft nicht gegeneinander aus! Diese zwei Themen gehören sinnvoll miteinander verschränkt. Erkennen wir die Zeichen der Zeit, die Me­gatrends, die Chancen, die in der Bewahrung hoher Umweltstandards liegen, denn zu deren Einhaltung benötigen wir Umwelttechnologie und Know-how nicht nur hier, son­dern in der ganzen Welt, und das bedeutet für uns in Österreich riesige Exportchancen und Zukunftsmärkte.

Zukünftig haben jene Volkswirtschaften die Nase vorn, die genau in diese Sektoren investieren. Der Schaden umweltschädlicher Großprojekte kann nie und nimmer durch kurzfristigen Profit aufgehoben werden, er macht auch nie und nimmer die vergebenen Marktchancen einer Vorreiternation im Bereich der Umwelttechnik wett.

Ich möchte daher die Regierungsfraktionen in aller Freundlichkeit, aber mit Nachdruck auffordern: Sorgen Sie in Ihrer Amtszeit dafür, dass die Burschen und Mädchen, die heute in unserem Land aufwachsen, auch froh und stolz sind, hier zu leben. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

19.00

19.00.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist hiezu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 235 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, ein Zeichen der Zu-stimmung zu geben. – Das ist die Einstimmigkeit, und somit ist der Antrag ange­nommen.

Ich weise den Antrag 183/A dem Verfassungsausschuss zu.

19.01.3114. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 290/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Drei Plus Zwei für Asylwerbende (236 d.B.)



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Loacker das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.02.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Kollegin Jeitler-Cincelli hat es vorhin schon erwähnt: Auf dem Arbeitsmarkt sieht es sehr erfreulich aus, für die Arbeitgeber manchmal zu er­freulich, denn die Arbeitskräfte, die man sucht, bekommt man gar nicht. Und dieser Fachkräftemangel, mit dem wir konfrontiert sind, der kann natürlich nur durch die Aus­bildung von Fachkräften behoben werden. Wir haben in dem Zusammenhang die Si­tuation, dass es bisher 1 322 Lehrlingsbeschäftigungsbewilligungen für Asylwerber ge­geben hat und deren Beschäftigung im Wesentlichen in solchen Berufen stattgefunden hat, die zu den Mangelberufen gehören: Köche, Restaurantfachleute, Elektroinstalla­teure und ähnliche Berufe sind da ganz oben auf der Liste.

In den letzten Wochen und Monaten haben wir aber in den Medien immer wieder von solchen Asylwerbern gelesen, die mehr oder weniger direkt von der Lehrstelle abgeholt und abgeschoben worden sind. Und das ist ja wohl nicht im Sinne des Erfinders, nämlich weder im Sinne der Arbeitgeber, die diese Leute beschäftigen und ausbilden, noch im Sinne der Wirtschaft insgesamt, weil das Leute sind, die einen Beitrag zum Gemeinwesen leisten, die arbeiten, die Sozialversicherungsbeiträge abliefern und, wenn sie ausgelernt haben, auch Steuern abliefern würden. Deswegen schlagen wir vor, das deutsche Modell zu wählen und Drei Plus Zwei – drei Jahre Lehre und nach­her noch zwei Jahre Arbeit im Ausbildungsbetrieb – zuzulassen, damit diese Menschen auch den Return on Investment für das ausbildende Unternehmen liefern können. Und wer weiß, vielleicht haben sie sich in dieser Zeit so entwickelt, dass sie die Voraus­setzungen für eine Rot-Weiß-Rot-Karte erfüllen und als Fachkraft in einem Mangel­beruf in Österreich bleiben können; dann hat sich nämlich die Investition für alle ren­tiert.

Was wir in Österreich machen, ist das Gegenteil. Wir sind supergroßzügig bei der Fa­milienzusammenführung, wir holen Hunderte Clans aus aller Herren Länder zu uns, und dann arbeiten ganze Clans nicht, aber die, die arbeiten, schieben wir vom Arbeits­platz weg ab. Das ist der falsche Zugang; deswegen sollten Sie diesem am Arbeits­markt orientierten Konzept den Vorzug geben. (Beifall bei den NEOS.)

19.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.04.43

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Minister! Herr Kollege Loacker! Wir haben dazu natürlich ideologisch grundsätzlich einen anderen Zugang als die NEOS. Es wundert mich schon ein bisschen, denn an sich sind Sie Realpolitiker, und man sollte mit diesen Traumtänzereien irgendwann einmal aufhören. Das war in der Vergangenheit, in den letzten Jahren der Fehler. Es war im Grunde ge­nommen für realistisch denkende Menschen immer schon klar, dass das nicht pas­sieren wird, was alle sich erhofft haben, nämlich dass die Atomwissenschaftler oder sonstigen Spezialisten und Fachkräfte aus der ganzen Welt nach Österreich kommen und in Österreich den Fachkräftemangel beheben werden. Das ist nicht erfolgt. Das genaue Gegenteil ist erfolgt. Wenn Sie sich heute die AMS-Statistik anschauen, wer­den Sie sehen, dass wir genau in diesem Bereich der Zuwanderung, im Bereich der schon Asylberechtigten, ein Riesenproblem haben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 206

Sie sprechen ja von Asylwerbern. Da muss man noch einmal klar festhalten: Asyl hat mit Arbeitszuwanderung nichts zu tun. Wenn ich Asylwerber bin, dann muss klar sein, dass eine Entscheidung, eine Gerichtsentscheidung kommt, die feststellt, ob ich Asyl­status habe oder nicht. Unser Hauptproblem am Arbeitsmarkt, was diesen Bereich be­trifft, ist: Wir haben aktuell rund 34 000 Asylberechtigte beim AMS vorgemerkt (Abg. Loacker: Dann arbeiten sie nicht, wenn sie beim AMS vorgemerkt sind!), die wir a) Monat für Monat zahlen müssen und b) am Arbeitsmarkt auch die nächsten Jahre – Herr Kollege Loacker, Sie wissen es – nicht unterbringen werden können. Das ist leider Gottes die Realität.

Kommen wir jetzt zur Gruppe der Asylwerber – ich kann es Ihnen sagen, Sie waren ja damals auch schon im Nationalrat, ich habe damals bei Hundstorfer nachgefragt –: Es war eine Aktion der SPÖ, die hat 2012 angefangen, gewisse Lehrberufe für Asylwerber aufzumachen. Der damalige Minister Hundstorfer hat mir dann im Plenum, damals noch im alten Haus, eine Bilanz der Jahre 2012 bis 2015 mitgeteilt. Ich kann das gerne noch einmal wiederholen: Damals war es so, dass in diesen drei Jahren 241 Asylwer­ber eine Lehre angefangen haben, mehr als die Hälfte hat die Lehre ohne Angabe von Gründen beendet. Zum damaligen Zeitpunkt waren noch 115 Lehrverhältnisse auf­recht. Minister Hundstorfer hat mir damals auch mitgeteilt, dass sie ganz stolz waren: Sie hatten eine Abschlussquote von 6 Personen, die die Lehre absolviert haben. Das ist ein bisschen so wie die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär. Das wird es geben, aber das löst weder das Problem, was die Situation am Arbeitsmarkt betrifft, noch was die grundsätzliche Geschichte mit der Zuwanderung betrifft. Das muss man einmal so festhalten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht noch einmal kurz zur Erklärung: Von den 34 000 Asylberechtigten, die jeden Beruf in Österreich ergreifen können, sind 9 000 junge, tatkräftige Männer beim AMS gemeldet, die quasi eine Lehre anfangen könnten. Wir schaffen es seit Jahren nicht, diese 9 000 mit aufrechtem Asylbescheid in irgendeinem Lehrberuf unterzubringen. Jetzt das Problem noch größer zu machen und die Asylwerber in diese Prozedur ein­zubinden, macht für mich und für uns einfach keinen Sinn, deshalb lehnen wir diesen Vorschlag auch ab. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis, weil das doch ganz interessant ist und alle Thesen auch ganz klar bestätigt: Im Übrigen, Herr Loacker, haben wir in diesem Bereich, bei den Asylberechtigten und Asylwerbern, die einen Lehrberuf ergreifen, eine Frauen­quote von 3 Prozent. Ich glaube, das sagt alles über die Entwicklung, über die traurige Entwicklung der letzten Jahre aus. Ich bin sehr, sehr froh, dass wir eine neue Regie­rung haben und gemeinsam mit der ÖVP in diesem Bereich eine realistische Politik be­treiben werden. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hammer. – Bitte.


19.09.21

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir diskutieren ein Thema, das wie viele andere in der Öffentlichkeit völlig falsch diskutiert wird, mit relativ viel Emotion, und bei dem die Bun­desregierung – und das ist auch der Grund, warum die Zustimmung zur Bundesregie­rung gegenwärtig so hoch ist – die Dinge ganz konsequent so durchzieht und auch so einhält, wie sie gesetzlich und rechtmäßig geplant sind. In diesem Fall werden ganz einfach zwei Dinge vermischt, die man in der Grundlinie auseinanderhalten muss: Das eine ist der Asylbereich und das Asylverfahren, und das Zweite ist der Bereich der Nie­derlassung und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.


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In diesen Fällen muss man ganz klar sagen: Die Asylverfahren sind so durchzuführen, wie es unsere Rechtsordnung, und zum anderen auch, wie es die Genfer Flüchtlings­konvention et cetera vorsehen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Herr Kollege Loa­cker, das wird gemacht. Und dort, wo keine Fluchtgründe vorliegen, gibt es halt einen negativen Asylbescheid, unabhängig davon, ob derjenige gerade in einem Lehrverhält­nis ist oder nicht.

Warum sie in Lehrverhältnissen sind, ist mit einer Änderung des Bartenstein-Erlasses aus 2016 zu begründen, wo man das, was ursprünglich für Saisonniers geplant war, auch für die Lehre geöffnet hat. Wir reden hier von diesen Fällen, in denen aufgrund der Bestimmungen im Asylbereich negativ beschieden wird, daher kein Aufenthaltstitel mehr gegeben ist und eine Außerlandesbringung angeordnet wird. Wir reden nicht von denen – Kollege Wurm hat das gemacht –, die grundsätzlich positiv beschieden sind, die asylberechtigt sind, denn die können ihre Lehre ganz legal machen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Der Erfolg dieser Bundesregierung ist es einfach – und daher haben wir diese Asylpro­blematik in den Griff bekommen –, dass wir viele Pull-Faktoren abstellen. Jeder sagt, wir wollen keine Situation mehr wie 2015, und darum gelingt es uns, dass das so nicht mehr eintritt. Wenn wir Ihr Modell des Drei Plus Zwei beschließen würden, würden sich die Schlepper ins Fäustchen lachen und relativ schnell sagen: Ihr braucht nur nach Ös­terreich zu kommen, einen Lehrvertrag zu unterschreiben, und dann könnt ihr dort dau­erhaft bleiben. – Genau das wollen wir nicht, weil wir die Asylverfahren konsequent durchführen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man soll die Dinge nicht vermischen, sondern die Problemstellungen, die es gibt, auch konsequent bearbeiten. Die Bundesregierung macht das: Wir ziehen Asylverfahren durch. Dem zweiten Bereich, dem Fachkräftemangel, muss man sich gesondert wid­men. Es wurde schon angesprochen, es gibt natürlich verschiedenste Möglichkeiten, wie man als Facharbeiter gezielt zuwandern kann. Man hat sich im Regierungspro­gramm festgelegt, dass man auch für Lehrlinge in Mangelberufen eine Regelung trifft. Das ist aber ein anderer Bereich als das Asylverfahren. Im Wesentlichen muss man sich darauf konzentrieren.

Was noch dazu zu sagen ist: Es wird immer so getan, als ob die einzelnen Asylwerber, die negativ beschieden werden, unseren Lehrlingsmangel und Fachkräftemangel berei­nigen würden. Ich habe es schon gesagt, es gibt sehr viele Asylberechtigte, und es gäbe auch in Europa eine weitere Möglichkeit, es gibt die Niederlassungsfreiheit in den Mitgliedsländern der EU. In Spanien gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit von 60, 70 Pro­zent – auch das wäre eine Zielgruppe . Es gibt auch Projekte, im Rahmen derer man ganz gezielt Fachkräfte und Lehrlinge hier in Österreich einsetzen kann.

Die Vermischung von Asyl- und Arbeitsbereich ist nicht zulässig. Sie skizzieren hier mit einzelnen Fällen ein Problem, das wir nicht haben. Es braucht eine klare Linie in allen Bereichen, dann werden wir die Probleme lösen. Wieder Tür und Tor zu öffnen, wie Sie es vorher getan haben, nur weil das emotionalisiert wird, bringt uns nichts, und das lehnen wir auch ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Amesbauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.13.02

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ja, die Vorredner haben schon eini­ges ausgeführt. Bei diesem Antrag der NEOS, dieser Drei-Plus-Zwei-Geschichte, liegt


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meines Erachtens ein grundsätzlicher Denkfehler vor. Sie schreiben in Ihren Antrag hi­nein, dass das eine Maßnahme zur Bekämpfung des Lehrlingsmangels in Mangelberu­fen, des Fachkräftemangels, aber auch eine wichtige Integrationsleistung ist. – Das steht wortwörtlich drin.

Aber, meine Damen und Herren, da geht es um ein Asylverfahren! Sie wissen ja, das Asylverfahren ist ein individuelles Recht – da wird im Einzelfall geprüft, ob ein Asyl­grund vorliegt oder eben nicht –, aber kein Beitrag, da wirtschaftspolitisch irgendetwas zu steuern. Vor allem: Die Integrationsleistung ist kein Bestandteil und hat keine Rele­vanz für das Asylverfahren. Im Asylverfahren wird einfach nur geprüft: Ist auf Grundla­ge der geltenden Gesetze und der internationalen Verträge das Recht auf Asyl vorhan­den oder nicht? (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand etwas von dieser Drei-Plus-Zwei-Regelung hat, wobei ich es bemerkenswert finde, dass man im Asylbe­reich überhaupt irgendetwas von der Bundesrepublik Deutschland übernehmen will, weil dort ja seit dem Jahr 2015 so ziemlich alles schiefgegangen ist. Ich glaube nicht, dass irgendjemand etwas davon hat. Was soll denn der Mensch, der herkommt, hier den Asylantrag stellt und im Verfahren ist, davon haben, wenn er auch noch den nega­tiven Bescheid in der zweiten Instanz bekommt? – Dann weiß er, er darf die Lehre fer­tig machen, er darf dann noch zwei Jahre arbeiten, und nach fünf Jahren wird er oh­nehin abgeschoben, weil der Asylgrund nicht vorhanden ist, meine sehr geehrten Da­men und Herren.

Was hat denn der Betrieb davon? Was hat der Steuerzahler davon, wenn wir den in die Berufsschule schicken? (Abg. Scherak: Ist das eine ernste Frage?) – Ja, das ist ernst gemeint. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Ausbildungskosten: Wir müssen diese Herr­schaften in die Berufsschule schicken, wir, die öffentliche Hand zahlt für die Ausbil­dung, und dann wissen wir von Anfang an, dass wir diese Menschen ohnehin abschie­ben. Meine Damen und Herren, das macht überhaupt keinen Sinn! Es gibt bessere Möglichkeiten, Zuwanderung für Mangelberufe zu steuern – wie das Kollege Hammer vorhin auch angesprochen hat –, das wissen Sie ganz genau. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Also in diesem Sinne, um das gleich zum Abschluss zu bringen: Ich glaube, das geht ins Leere. Das findet keine Zustimmung. Diese Bundesregierung arbeitet in anderen Bereichen sehr gut, man beschleunigt die Asylverfahren, damit das rascher abgewi­ckelt wird und man gar nicht in die Situation kommt, dass sie jahrelang dauern. Ma­chen Sie bitte nicht den Fehler, zu glauben, dass Sie das Asylrecht irgendwie mit Wirt­schaftspolitik und Integrationsmaßnahmen vermischen können. (Abg. Heinisch-Ho­sek: Sie wiederholen sich!) Das ist nicht der Sinn der Sache, und das ist nicht die Idee dahinter.

Frau Heinisch-Hosek, bitte? – Ich verstehe Sie nicht. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie wie­derholen sich!) – Ah, ich wiederhole mich? Na ja, Sie haben heute stundenlang dassel­be gesprochen (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ), aber ich kann es Ihnen noch ein drittes Mal sagen, wenn Sie die Wiederholung so gerne hören: Das Asylrecht und das Recht auf Asyl haben nichts mit Integrationsleistung und nichts mit wirtschafts­politischen Bedürfnissen zu tun. Das ist eine andere Baustelle. (Abg. Heinisch-Hosek: Wahrscheinlich schämen Sie sich!) – Ich schäme mich nicht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Frau Heinisch-Hosek! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.16

19.16.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 236 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

19.16.5515. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 68/A(E) der Abgeordne­ten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme schul­ärztlicher Daten in ELGA (204 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Somit gelangen wir zum 15. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Povysil. – Bitte.


19.17.21

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie, via Medien! Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an Ihren letzten Schularztbesuch erinnern können. Der Schularztbesuch war immer eine willkommene Abwechslung im Schulalltag. Wir sind dann in einer Schlan­ge vor dem Zimmer des Schularztes angestanden, haben darauf gewartet, dass wir drankommen, und sind in kleinen Grüppchen zum Schularzt hineingegangen.

Mein Mädchenname hat mit Z begonnen, daher war ich immer die Letzte in dieser Gruppe. Da ich keine Brille wollte, habe ich immer die Lesetafel, die beim Schularzt an der Wand hing, auswendig gelernt, und zwar gerade die Zeilen, die notwendig waren, um keine Brille verordnet zu bekommen. Ich habe den Schularzt immer als normalsich­tig verlassen und bin zu meinem Ziel gekommen.

Der Schularzt hat eine unglaublich wichtige Aufgabe im Rahmen der Kinder- und Ju­gendgesundheit, aber diese Aufgabe wurde nie wirklich klar definiert. Er hat sie auch nicht in diesem Ausmaß wahrgenommen, wie er sie hätte wahrnehmen können und wie ich hoffe, dass er sie bald wahrnehmen wird. Es hat zwar Innovationen gegeben, er durfte impfen, er konnten auch Daten verwalten, aber so wirkliche Innovationen im Bereich der Schularzttätigkeit haben nicht stattgefunden.

Auch der Rechnungshof hat das kritisiert. Wir haben das gestern im Rahmen der Rechnungshofberichte diskutiert. Der Rechnungshof hat das mangelnde Qualitätsma­nagement in diesem Bereich zu Recht kritisiert.

Nun ist der Bereich Schularzt zum Großteil in das Gesundheitsministerium gewandert, und die Frau Minister hat eine Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Schulgesundheit ein­gerichtet, die im Rahmen des Finanzausgleichs tagen wird und mehrere Aufgaben hat: zum Ersten einmal wirklich das Tätigkeitsprofil eines Schularztes an moderne Gege­benheiten anzupassen; zum Zweiten auch die gesamte Datenverwaltung, gerade im Bereich der schulärztlichen Daten, zu diskutieren und zu versuchen, diese Daten in Elga zu integrieren, sodass wir durch einen wirklichen Wissenszuwachs im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit dann auch zu einem besseren Handeln kommen.

Dieses Gesamtpaket auch noch mit dem Jugendpass in Zusammenhang zu bringen, der vom Gesundheitsministerium unterstützt wird, der eine Weiterführung des Mutter-Kind-Passes bis hin ins Jugendalter, bis zum 18. oder 21. Lebensjahr – das wird noch diskutiert – beinhaltet, dies alles rundet einen neuen Zugang zur Kinder- und Jugend­gesundheit ab, der für uns, nicht nur für unsere Kinder und für unsere Jugendlichen, sondern natürlich auch für unser gesamtes weiteres Leben von großer Wichtigkeit und Bedeutung ist.


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Datenwissen ist Macht! Damit sind wir handlungsfähig und können viel früher in ge­sundheitliche Probleme oder auch in das gesamte Gesundheitssystem eingreifen, als das früher der Fall war. (Beifall bei der FPÖ.)

19.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schwarz. – Bitte.


19.21.00

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ho­hes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich an die Ausführungen von Frau Kollegin Povysil anschließen. Ich habe nämlich vor Kurzem mein Patenkind von der Schule abgeholt, und da sind mir zwei Dinge aufgefallen: auf der einen Seite sehr viele übergewichtige Kinder und Jugendliche, auf der anderen Seite – auch wenn ich jetzt keine Ferndiagnose stellen möchte – durchaus auch Kinder mit Essstörungen wie Bulimie und Anorexie.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir möglichst zeitig ansetzen, denn wir wissen, dass jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen im Volksschulalter übergewichtig ist. Wenn da nicht rechtzeitig gegengesteuert wird, dann landen wir dort, wo mein Heimat­bundesland, nämlich das Burgenland, jetzt ist: bei 60 Prozent Übergewichtigen. Das heißt, wir werden zwar älter, aber bei Weitem nicht gesünder, und die Todesursache Nummer eins im Burgenland sind immer noch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das sind also wirklich bedauernswerte Zustände.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man nicht nur im Elternhaus mit der Vorsorge be­ginnt – wenn es um ein gesundes Maß an Bewegung und ausgewogene Ernährung geht –, auch die Schulärzte sind ein ganz wichtiger Partner. Sie sehen die Kinder, sie haben die Möglichkeit, auf der einen Seite in der Schule pädagogisch einzuwirken und auf der anderen Seite eben durch das Einbringen der schulärztlichen Daten in Elga zum Beispiel das Risiko für Diabeteserkrankungen früh zu erkennen. Wir wissen, dass die Zahlen diesbezüglich steigen, genauso wie die Zahlen an Fettlebererkrankungen; auch das ist ein Alarmsignal für uns alle.

Wir werden uns selbstverständlich weiter mit diesem Thema beschäftigen. Unser Ver­trauen gehört den Schulärztinnen und Schulärzten natürlich genauso wie der Hausärz­teschaft. Ich glaube, dass es wichtig ist, rechtzeitig gegenzusteuern und die Schulärzte da wirklich zu stärken. Das ist unser Vorhaben, denn die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen liegt uns am Herzen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Loacker. – Bitte.


19.22.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Ja, ich habe den Antrag eingebracht, die schulärztlichen Daten in Elga aufzunehmen. Die Mehrheitsfraktionen haben sich bereit erklärt, dieses Anliegen bis 1.9.2019 zu evaluieren. Zuerst einmal danke für die Offenheit, sich dem Thema über­haupt zu nähern!

Was erwarten wir uns davon, dass schulärztliche Daten in Elga erfasst sind? – Es geht bei Elga um den besseren Informationsaustausch, um die bessere Informationsvernet­zung zwischen Ärzten, Spitälern und allen möglichen Gesundheitsdiensteanbietern. Die­se Form des Datenaustausches ist – immer vorausgesetzt, dass die sicherheitstechni­schen und datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, und davon ge-


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hen wir jetzt einmal aus – gesundheitspolitisch zu begrüßen, weil man beispielsweise Mehrfachuntersuchungen verringern und den Verlust von gesundheitsrelevanten Infor­mationen vermeiden kann.

Die schulärztliche Betreuung bietet darüber hinaus den Vorteil, dass man für ganze Al­terskohorten Datenmaterial bekommt, das eine Grundlage für gesundheitspolitische Ar­beit liefern kann, damit wir überhaupt wissen: Von welchem Status ausgehend machen wir Gesundheitspolitik?

Es geht beispielsweise um die Vervollständigung von Informationen bei chronischen Erkrankungen. Das sehen auch verschiedene Stakeholder in den Stellungnahmen so. Da gibt es also zu meinem ursprünglichen Antrag eine positive Stellungnahme der Ge­sundheit Österreich GmbH. Auch der Hauptverband hat sich positiv dazu geäußert, auch die Ärztekammer hat sich positiv geäußert.

Negativ wird es dann, wenn wir zu unseren Freunden in den Bundesländern kommen. Da kommt der Gemeindebund und sagt: Na ja, das sehen wir als nicht zielführend. Das Land Vorarlberg sagt, das ist ein Mehraufwand. Das Land Burgenland macht es sich noch einfacher und schließt sich dem Land Vorarlberg einfach an. Hauptsache ist, ich habe keine Arbeit, aber um die Gesundheit geht es den Kritikern nicht.

Ja, es kostet etwas, die Schulärzte an Elga anzuschließen, aber wenn wir uns an-schauen, wie viele Millionen in diesem Haus jedes Jahr durchgewinkt werden, jeden Tag durchgewinkt werden, wenn wir hier tagen, dann darf es auf diese gesundheits­relevanten Ausgaben im Sinne der jungen Menschen nicht ankommen, und daher sollten wir weiter daran arbeiten, die technischen Möglichkeiten zu nutzen. (Beifall bei den NEOS.)

Diese Regierung hat sich E-Government auf die Fahnen geschrieben. Hoffen wir, dass es nicht nur bei den guten Vorsätzen und bei Ankündigungen bleibt, sondern dass das auch zu einer Umsetzung kommt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kaniak. – Bitte.


19.25.52

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Abgeordnete und Zuhörer! Wir haben das Thema Aufnahme der schulärztlichen Daten in Elga vor gut zwei Wochen im Ge­sundheitsausschuss diskutiert. Dort war es ähnlich wie heute: vorab eine hitzige Debat­te zu anderen Tagesordnungspunkten, doch zu diesem Thema haben wir über alle Fraktionen hinweg Einstimmigkeit gefunden.

Wie meine VorrednerInnen, wie Frau Dr. Povysil, aber auch Kollege Loacker, schon er­wähnt haben, bietet die Aufnahme der schulärztlichen Daten in Elga signifikante Vor­teile: Wir bekommen Gesundheitsdaten, die wir bislang nicht hatten. Wir können neue Möglichkeiten in der Überwachung von Erkrankungen, in der Früherkennung von Er­krankungen und in der langfristigen Gesundheitsplanung treffen.

Doch es stellt sich für mich die Frage: Warum hat es so lange gedauert, bis diese Da­ten für unsere Gesundheitspolitik zur Verfügung stehen? – Nun, der Rechnungshof hat in seinem aktuellen Bericht zur Gesundheit der Schüler und Schülerinnen und zum schulärztlichen Dienst – den kennen Sie sicherlich, wir haben ihn ja gestern auch be­sprochen – auch die Anregungen gebracht, dass diese Daten zwingend zu erfassen sind und dass die Aufgabenbereiche der Schulärzte ausgeweitet werden sollen. Explizit er­wähnt hat er dabei den Bereich der Impfungen, die elektronische und systematische


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Erfassung von Gesundheitsdaten – das alles dann natürlich in anonymisierter Form –, die dann der Gesundheitspolitik zur Verfügung gestellt werden.

Durch das Bildungsreformgesetz 2017 wurde bereits der rechtliche Rahmen dafür ge­schaffen, dass die Schulärzte und Schulärztinnen auch zusätzliche Aufgaben im Be­reich der Gesundheitsversorgung wahrnehmen können, denn das war vorher rechtlich nicht möglich. Deshalb freut es mich auch ganz besonders, dass im Rahmen der Be­gutachtung im Ausschuss auch die Österreichische Ärztekammer eine positive Stel­lungnahme zu diesem Thema abgegeben hat, die Aufnahme der schulmedizinischen Daten in Elga unterstützt hat und auch die Ausweitung der schulärztlichen Tätigkeiten befürwortet hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was auf den ersten Blick nur wie eine kleine Änderung ausschaut, ist in Wirklichkeit ein erster Schritt in Richtung eines Paradigmen­wechsels. Bisher gab es eben diese strikte Trennung zwischen Schulgesundheitspfle­ge und Gesundheitsvorsorge. Nicht nur in den schulischen Bereichen, auch im Bereich der Arbeitsmedizin gibt es diese strikte Trennung. Diese wird nun zumindest in einem ersten Teilbereich aufgeweicht. Ich hoffe, dass dies nur der erste Schritt zu einer neu­en, effizienteren Zuteilung der Aufgaben im Gesundheitswesen und der Abschaffung von altem Standesdenken ist.

Vorhandene Strukturen und die Kompetenzen aller Gesundheitsberufe müssen besser genutzt werden. Doppelgleisigkeiten in unserem System müssen abgebaut werden. Die Leistungen in unserem Gesundheitssystem müssen wieder näher an die Bürger he­rangebracht werden.

Unsere Bundesregierung hat sich die Reform des Gesundheitssystems nicht nur vor­genommen, nein, sie nimmt sie auch aktiv in Angriff. Die Vorteile dieser Reformen, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden gemeinsam mit den neuen Möglich­keiten der Digitalisierung allen Menschen in unserem Land ein noch besseres und ef­fizienteres Gesundheitssystem bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Fichtinger. – Bitte schön.


19.29.16

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Gesund­heitsministerin! Liebe Zuschauer! Hohes Haus! Ja, im Gesundheitsausschuss ist inten­siv diskutiert worden, und wie Kollege Loacker schon gesagt hat, waren sich alle einig. Die Aufnahme schulärztlicher Daten in die elektronische Gesundheitsakte, kurz Elga genannt, ist ein wichtiges Thema.

Elga erleichtert ja auch Patientinnen und Patienten, Ärzten und Ärztinnen, Spitälern und Pflegeeinrichtungen den Zugang zu Gesundheitsdaten. Es können Behandlungen aller Art unterstützt werden, vor allem wenn mehrere Gesundheitseinrichtungen invol­viert sind. So kann das optimiert werden, damit eine gute Zusammenarbeit funktioniert. Mehr als 12 Millionen Befunde sind bereits verfügbar und mehr als 160 Einrichtungen in ganz Österreich arbeiten inzwischen erfolgreich damit.

Kollegin Schwarz hat schon angesprochen, dass es ein ganz wichtiges Thema ist, ge­rade hinsichtlich Früherkennung bei Schulkindern und Jugendlichen. Es ist wichtig, die Probleme von Kindern und Jugendlichen ins Gesundheitssystem aufzunehmen, damit sie dann weiterverfolgt werden können. Ich glaube, das ist für uns – und da sind wir uns sicher – eine wichtige Sache. Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen verdient auch in Zukunft unsere vollste Aufmerksamkeit.


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Es ist ein Auftrag an uns, dass wir auch weiterhin konstruktiv an der Sache dranblei­ben, im Sinne unserer Kinder und später auch aller Erwachsenen. – Herzlichsten Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

19.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste hat sich Frau Bundesminister Hartin­ger-Klein zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


19.31.12

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsident! Hohes Haus! Mir ist die Einbindung der Schulärzte in Elga ein großes Anliegen. Die technischen Voraussetzungen da so zu gewährleisten, ist keine leichte Aufgabe, weil es Landesschulen, Bundesschulen und Privatschulen gibt. Die Herausforderungen sind also nicht gering. Wir werden dieses Thema, wie du, Frau Primaria Povysil, schon angekündigt hast, entsprechend evaluie­ren.

Was derzeit da ist, ist eine Verordnungsermächtigung im Schulunterrichtsgesetz, wobei dann ich als Gesundheitsministerin auch zuständig sein darf. Im Herbst werden wir eine Änderung im Gesundheitstelematikgesetz dazu anstreben.

Ich darf mir vielleicht auch noch erlauben, dieses Haus darüber zu informieren, dass wir neben der E-Medikation auch den E-Impfpass in Umsetzung haben. Das ist das zweite erfolgreiche Projekt im Digitalbereich, das ich als Ministerin umsetzen darf, und da freue ich mich natürlich. – Danke. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und NEOS.)

19.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


19.32.00

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Redner vor mir und die Frau Bundesminister haben in hervorragender Art und Weise ausgeführt, worum es bei diesem Gesetz inhaltlich geht – das kann ich nur unterstreichen. Man muss auch nichts künstlich in die Länge ziehen, das Wesentliche dazu ist wirklich ge­sagt, und dem schließe ich mich an.

Erwähnenswert ist, denke ich, dass wir aus dem Entschließungsantrag von Kollegen Loacker heraus einen Allparteienantrag zustande gebracht haben. Das ist lebendiger Parlamentarismus im positiven Sinne, zum Wohle der Menschen. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP.)

19.33

19.33.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 204 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Aufnahme schulärztlicher Daten in ELGA“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist einstimmig. Somit angenommen. (E 26)

19.33.3516. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 40/A(E) der Abgeordne­ten Dr. Peter Kolba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Liberalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke (205 d.B.)



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste ist Frau Abgeordnete Povysil zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


19.34.05

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren im Plenum, auf der Galerie und in den Medien! Kiffen ist doch super! High sein, breit sein, stoned sein – wunderbar! Cannabis löst alle Probleme! (Zwi­schenruf des Abg. Scherak.) Mit Cannabis führen Sie ein sorgenfreies Leben! Konsu­mieren Sie nur genügend Cannabis und schon sind Sie von allen Krankheiten geheilt und wieder ein gesunder Mensch. Großartig! – Das sagt Primarius Yazdi in seinem Buch „Die Cannabis-Lüge“ (ein Exemplar des Buches in die Höhe haltend). Primarius Yazdi ist der Vorstand der Drogenabteilung und der Gesamtpsychiatrie des Kepler Uni­versitätsklinikums.

Der bekannteste Wirkstoff der Hanfpflanze ist Tetrahydrocannabinol, kurz THC ge­nannt, und der derzeit wichtigste Cannabismarkt der Welt ist Amerika. Amerika errich­tet große Hanfplantagen und baut Hanf mit immer höherem THC-Gehalt an. Stellen Sie sich vor: In den Sechzigerjahren, in denen die Droge so en vogue war, hatten wir einen THC-Gehalt von circa 3 Prozent. Beim Hanf von diesen Hanfplantagen in Amerika liegt der THC-Gehalt nun bei 40 Prozent. Auch bei uns wird zunehmend Hanf angebaut und Hanfgeschäfte schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Gefahr dabei ist, dass in den Produkten, die in den Hanfshops angeboten werden, der THC-Gehalt nicht klar ersicht­lich und nicht klar gekennzeichnet ist.

Sie wissen, dass man Cannabis in Form von Marihuana oder Haschisch konsumiert, meist wird es mit Tabak gemischt, man weiß aber nicht, dass der so gesunde und gute Joint gegenüber der bösen Zigarette wesentlich mehr krebserregende Inhaltsstoffe ent­hält, weil Haschisch und Cannabis bei einer höheren Temperatur verbrennen und da­mit mehr krebserregende Stoffe freisetzen. Der Konsum erfolgt auch über Wasserpfei­fen und über Lebensmittel – über Cookies, Muffins und so weiter. In der Regel stellt sich nach dem Cannabiskonsum etwas ein, das wir ja gerne hätten, nämlich Entspan­nung, Wohlbefinden und ein gewisser Glückszustand.

Langjähriger, regelmäßiger Konsum von Cannabis führt allerdings zu Konzentrations­störungen und zu Aufmerksamkeitsdefiziten, er macht Probleme beim Lernen, er wirkt vor allem auf das sich entwickelnde kindliche Gehirn besonders stark ein, er erhöht das Herzinfarktrisiko, und – männliche Kollegen aufgepasst – er vermindert die Spermien­beweglichkeit und -güte und ist damit auch ein Problem bei der Fortpflanzung. Natür­lich ist er auch für das ungeborene Kind unglaublich ungesund. So, wie man sagt, dass Zucker Diabetes befeuert, kann man sagen, dass Haschisch Psychosen befeuert.

Fazit: Mag Cannabis kurzfristig ein subjektives Glücksgefühl, Leichtigkeit, Heiterkeit und so weiter erzeugen, stellt es aber langfristig eine große Gefahr dar. Es entwickelt ein zerstörerisches Potenzial für den einzelnen Menschen und auch für die gesamte Gesellschaft. Laut österreichischem Drogenbericht lag im Jahr 2015 die Quote der Can­nabiskonsumenten bei 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung. 9 Prozent entwickeln eine Suchterkrankung, vor dem 18. Lebensjahr werden 17 Prozent süchtig.

Ich darf noch einmal Dr. Yazdi zitieren, der in seinem Buch schreibt: Mit Kopfschütteln verfolge ich seit Jahren die Berichte in den Medien über das – als was es so gerne be­zeichnet wird – Naturheilmittel Cannabis. Hier zeigt sich einerseits die erschütternde Ah­nungslosigkeit in weiten Teilen unserer Gesellschaft und andererseits, wie sehr be-


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stimmte Interessengruppen ganz bewusst Lügen verbreiten und die Wahrheit einfach bei­seitelassen. – Zitatende.

In der Medizin ist es ganz wichtig, die Cannabis-, THC- und Cannabidiol-Konzentration von Medikamenten zu kennen und genau zu definieren. Zugelassen sind derzeit meh­rere Medikamente, die gewisse Wirkungen haben. Sie haben eine in vielen Studien nachgewiesene Wirkung bei Epilepsie, sie haben eine nachgewiesene Wirkung bei Schmerzen und Übelkeit nach Chemotherapie, eine gewisse, wenn auch nicht sehr große Wirkung bei Spastizität, bei spastischen Krämpfen und im Einzelfall eben auch bei neuropathischen Schmerzen, also bei von Alkohol ausgelösten Nervenerkrankun­gen.

Meine Damen und Herren, warum erzähle ich all das? – Weil man, wenn man über Cannabis spricht, wissen sollte, wovon man spricht. Wir haben aufgrund dieses um­fassenden Wissens gemeinsam einen Vierparteienabänderungsantrag erstellt und un­terzeichnet, sind also gemeinsam zu dem richtigen Ergebnis gekommen. Und dieses Ergebnis ist, dass ein zukünftiger Einsatz von cannabishaltigen Arzneimitteln im Rah­men der Patientenversorgung entsprechende medizinische, rechtliche, organisatori­sche und ökonomische Rahmenbedingungen voraussetzt. Bis zum 1. Jänner soll ein Bericht der Gesundheitsministerin über den therapeutischen Einsatz von Cannabispro­dukten vorgelegt werden – dazu ersuchen wir Sie –, der als Grundlage die Ergebnisse der Ausschussbegutachtung sowie die Erfahrungen in Deutschland unter Einbindung aller österreichischen Gesundheitsinteressenvertretungen und aller Gesundheitsstake­holder hat.

Cannabis zu verharmlosen ist gefährlich. Man sollte die Inhaltsstoffe der Hanfpflanze ohne Mythen beforschen und dann gezielt einsetzen. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

19.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Abgeordneter Smolle zu Wort ge­meldet. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)


19.40.37

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nun konkret auf die medizinische Pers­pektive von Cannabis und Cannabinoiden eingehen, weil es da einiges gibt, das recht gut gesichert ist, und einiges, das noch in Diskussion ist.

Was ist gesichert? – Bei bestimmten Schmerzerkrankungen – und das betrifft nicht alle 1,5 Millionen Schmerzpatientinnen und -patienten in Österreich, sondern ganz bestimmte Indikationen – sind Cannabinoide und Cannabis als Reservemedikamente manchmal in Ergänzung und manchmal als Ersatz für die übrige Schmerztherapie durchaus hilf­reich.

Ganz konkrete Indikationen sind neuropathische Schmerzen, vor allem aber Schmer­zen im Zusammenhang mit Verkrampfungen, wie sie zum Beispiel bei Multipler Skle­rose auftreten. Es ist aber auch zum Beispiel bei Krebspatienten mit Kachexie durch­aus von schmerzstillender und roborierender – das heißt aufbauender – sowie appetit­anregender Wirkung.

So weit ist das Common Sense. Was noch in Diskussion ist, ist, ob all diese Wirkungen mit den zugelassenen Reinpräparaten gewährleistet sind oder ob die Phytodroge eine bessere Wirkung in ausgewählten Situationen bietet. Es herrscht noch keine Klarheit darüber. Wenn man nämlich solche Phytodrogen verwendet, dann ist die Standardi­sierung außerordentlich schwierig. Das gilt für alle pflanzlichen Präparate. Gerade bei


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Cannabis gibt es die besondere Verantwortung, das entsprechend richtig zu dosieren und richtig zu standardisieren.

Ich möchte die Diskussion über Cannabis in der Medizin ein wenig aus der weltan­schaulichen Punzierung herausholen. Es geht nämlich nicht um eine Liberalisierung von Cannabis, sondern um ein klares Regelwerk dafür, wie man den Patientinnen und Patienten, die von Cannabinoiden und Cannabis profitieren können, das wirklich gut und mit vertretbarem bürokratischen Aufwand, aber unter entsprechenden Sicherheits­auflagen zukommen lassen kann. (Beifall und Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Das ist durchaus in Analogie zu den Opiaten zu sehen, die ja seit Jahrzehnten ein ganz fest­gefügter Baustein in der Schmerztherapie sind.

Aus diesem Grund begrüße ich diese Allparteienübereinkunft im Gesundheitsaus­schuss, die unsere Frau Gesundheitsministerin auffordert, einen wirklich umfassenden Bericht unter Einbeziehung aller Stakeholder – insbesondere auch der Schmerzgesell­schaft – zu erstellen und uns dann bis Anfang Januar vorzulegen, sehr. Ich glaube, dass Österreich in dieser Hinsicht einen wirklich entscheidenden Schritt wird machen müssen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster: Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.43.57

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Keine Sorge, das ist das letzte Mal für heute! Ich bedanke mich bei den Vorrednern für die Versachlichung der Diskussion.

Die Wirkungen von Cannabis sind an sich erwiesen. Es geht bei der medizinischen An­wendung nun darum, ob es Cannabisblüten braucht, um eine Wirkung zu erzielen, die es mit Cannabisprodukten nicht zu erzielen gibt. Dazu soll nun Evidenz eingeholt wer­den – evidenzbasierte Medizin ist immer zu begrüßen.

Dass es Cannabisprodukte gibt, die eine gute Wirkung erzielen, ist bekannt. Ich möch­te auf ein in dieser Hinsicht leidiges Thema hinweisen: Diese Produkte sind für die Patienten bei den Kassen erhältlich, sie sind aber eben in der Regel chefarztpflichtig. Die reichen Kassen genehmigen sie eher, die armen Kassen eher weniger. Das heißt, Schmerzpatienten, die bei der Wiener Gebietskrankenkasse versichert sind, kommen nicht so leicht an diese Produkte, wenn sie bei der Beamtenversicherung sind, kom­men sie vergleichsweise leicht dazu. – Das ist nicht gerecht, das ist unfair. Auch da hat das Ministerium noch eine große Aufgabe vor sich. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten von ÖVP und FPÖ.)

19.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste: Frau Abgeordnete Holzinger-Vogten­huber. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.)


19.45.23

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Liebe Kollegin Povysil! Zu Ihren Schilderungen und Ihrem Eingangsstatement zum Cannabiskonsum allgemein und zu Cannabis in der Medizin: Ich habe schon lange nicht mehr das Bedürfnis gehabt, eine Rede mit: Geh, bitte!, zu beginnen. Ganz ehrlich: Wenn wir über Psychosen re­den, wenn wir über Abhängigkeiten reden, wenn wir über zerstörte Leben reden, dann bitte ich Sie, sofort einen Antrag zum Verbot von Alkoholkonsum in Österreich einzu­bringen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ich frage mich auch weiterführend: Wie ist es mit Ihren Argumenten, Frau Kollegin Povysil, möglich, der allgemeinen Aufhebung des Rauchverbots zuzustimmen? (Zwi-


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schenruf des Abg. Zanger. – Abg. Povysil: Das war nicht Thema!) – All diese Argu­mente, die Sie gegenüber Cannabis vorgebracht haben, kann ich eins zu eins auf Ziga­retten und eins zu eins auf Alkohol umlegen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Anscheinend ist in der FPÖ aber vieles möglich: Wenn nur Bundesminister Kickl seine Pferde hat (Zwischenruf des Abg. Jarolim) und Vizekanzler Strache seine Tschick rau­chen darf (Zwischenruf des Abg. Riemer), und zwar überall, wo er will, dann ist der
12-Stunden-Arbeitstag möglich und dann ist auch die Zustimmung zu Ceta möglich (Abg. Stefan: Ist Cannabisrauchen gesund? Sollen wir es machen?), dann wird an­scheinend vieles, vieles relativ gesehen.

Ich möchte zur Liberalisierung von Cannabis in der Medizin kommen. Anfang Juli 2018 ist in Kanada der Konsum von Cannabis gänzlich legalisiert worden, das heißt in allen Bereichen. Ein Hauptargument für diese Entscheidung war unter anderem für beide Kammern des Parlaments die bewiesene gute Wirksamkeit seiner Inhaltsstoffe in der Medizin. Viele Länder haben Cannabis als Medizin längst wiederentdeckt. Ich spreche da von den meisten US-Bundesstaaten – das ist bereits erwähnt worden –, die Canna­bis in der Schmerztherapie erlauben. In Europa steht die Zulassung in Irland bevor, ebenfalls in der Türkei. Die Niederlande, Tschechien und Portugal strafen den Eigen­gebrauch nicht mehr.

2017 legalisierte auch die Bundesrepublik Deutschland die Hanfproduktion für medizi­nische Zwecke. Mit dem richtigen Rezept können aktuell betroffene Menschen, die un­ter chronischen Schmerzen leiden, Marihuana in der Apotheke kaufen und als Thera­pie für schmerzlindernde Maßnahmen einsetzen. Ein entsprechender Beschluss ist im deutschen Bundestag einstimmig gefasst worden. Das heißt, es gibt einen stabilen gesellschaftlichen Konsens bei unserem Nachbarn. Die Wirksamkeit und Durchführung wird aktuell gerade evaluiert – das ist ein Wort, das in der österreichischen Politik be­sonders beliebt ist.

Zwischenstand der Evaluierung in Deutschland: Die Nachfrage ist so hoch, dass Can­nabis aus Österreich nach Deutschland geliefert wird, jenes Cannabis, das in Öster­reich von der Agentur für Ernährungssicherheit, der Ages, unter staatlicher Aufsicht pro­duziert wird.

Und in Österreich? – Seit Jahren fordern Schmerz- und Krebspatienten einen kosten­günstigen und einfachen Zugang zu Cannabis als Schmerztherapie. Mein ehemaliger Kollege Peter Kolba wurde nicht müde, seine persönliche Leidensgeschichte, seine ei­genen Erfahrungen und Empfindungen als Schmerzpatient ins Hohe Haus zu bringen und das hier zum Thema zu machen. Dafür möchte ich ihm ganz besonders danken. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ sowie des Abg. Riemer.)

Ich frage mich wirklich: Was spricht eigentlich dagegen, dass auch in Österreich nicht nur sauteure Medikamente wie unter anderem Dronabinol in Apotheken verkauft wer­den können, sondern auch Blüten und deren Inhaltsstoffe? Da brauchen wir nicht über den berühmt-berüchtigten Joint zu reden, wie Kollegin Povysil, sondern über Vaporisa­toren, bei denen dieser Inhaltsstoff zur Schmerztherapie einfach pur inhaliert werden kann.

Ich rede ja nicht von einer allgemeinen Legalisierung – bei dieser konservativen Grund­haltung würde ich mich davon gar nicht zu reden trauen, obwohl ich es grundsätzlich befürworten würde, wenn eine allgemeine Legalisierung stattfinden würde –, nein, ich spreche nur von der Legalisierung und Liberalisierung im medizinischen Bereich. Es geht wirklich nur darum, Cannabis so weit zu liberalisieren, dass es als Schmerzme­dikament zur Schmerztherapie eingesetzt werden kann, und zwar von einem Arzt ver­schrieben und kontrolliert, damit diese 1,8 Millionen Menschen, die in Österreich unter chronischen Schmerzen leiden, eine entsprechende Linderung erhalten und keine Opia-


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te mit zig Nebenwirkungen schlucken müssen, sondern ein natürliches Medikament zur Schmerzlinderung zu sich nehmen können. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Sie alle, wir alle hier herinnen wissen, dass es höchst an der Zeit ist, dieses Gesetz entsprechend umzusetzen. Was tun wir? – Wir drehen eine Ehrenrunde und beauftra­gen das Sozialministerium, tätig zu werden und einen Bericht zu erstellen. Es ist wahr­lich keine Meisterleistung der parlamentarischen Problembehandlung, die wir hier zei­gen. Ich finde aber, es ist trotz allem ein erster großer und für mich besonders wich­tiger Schritt, weil die Erfahrungen aus Deutschland auch für uns, für die österreichische Situation herangezogen werden müssen, damit wir da weiterkommen. Die ideologische Debatte macht überhaupt keinen Sinn, weil damit den Betroffenen kein bisschen wei­tergeholfen wird. Ihr Problem bei der Schmerzlinderung sind die extremen Nebenwir­kungen von Opiaten – genau die sind das Problem. Die Pharmaindustrie, die dahinter­steckt und mit dem Verkauf dieser Opiate erheblich Geld macht und Profite lukriert, ist es, die sich dagegen sperrt und auch versucht, Cannabis als Schmerzmedizin zu ver­hindern. Ich denke, da sollte unser Weitblick soweit greifen, dass wir da über unsere Grenzen schauen, uns die Nachbarländer anschauen, uns weitere Ergebnisse an­schauen. Dazu ist der Bericht wirklich sinnvoll.

Ja, ich verspreche den 1,8 Millionen Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten: Ich werde gemeinsam mit meiner Fraktion und aufgrund dieses Berichtes, den wir En­de 2018 erwarten, alles dafür tun, dass mit Beginn 2019 wirklich an einem Gesetz ge­arbeitet wird und auch ein Gesetz auf den Weg gebracht wird. (Abg. Zanger – sich auf das von der roten Lampe am Rednerpult angezeigte Ende der Redezeit beziehend –: Dein Licht ist aus!)

Die Namen aller Interessengruppen, die sich dagegen sträuben und intervenieren, wer­den wir veröffentlichen, weil es nicht sein kann, dass auf der einen Seite Menschen stehen, die unter Schmerzen leiden, und auf der anderen Seite Unternehmen und In-teressengruppen, die Profite machen wollen. Mir ist es tausendmal wichtiger, dass wir die Interessen und die Schmerzen der Betroffenen ernst nehmen, als dass wir auf der anderen Seite immer nur die Profite schützen, die von Unternehmen eingefordert wer­den. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Jarolim.)

19.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jarolim: Vernunft, nein danke, das ist die De­vise!)


19.52.14

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich wollte die Debatte ei­gentlich versachlichen und gleich über Cannabis für medizinische Zwecke sprechen, ich muss allerdings meiner Vorrednerin noch ein bisschen Replik zollen. (Abg. Noll: Re­spekt oder Replik?)

Das Geschäft mit Hanf ist momentan einer der am schnellsten wachsenden Märkte in der Gesundheitsbranche. Nicht umsonst nennt man die Hanfpflanze mittlerweile schon das grüne Gold und nicht umsonst gibt es auch in Österreich Dutzende, um nicht zu sagen Hunderte Hanfshops, die wie die Schwammerl aus dem Boden sprießen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alle gemeinnützig arbeiten und keine Profitabsichten haben. (Heiterkeit der Abg. Winzig.)

Aber kommen wir zurück zur medizinischen Anwendung von Cannabis. Wie Sie selbst gesagt haben, hat Cannabis definitiv eine Arzneimittelwirkung. Unsere beiden Vorred­ner, Frau Dr. Povysil und auch Dr. Smolle, haben die Wirkung von Cannabis und des-


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sen Inhaltsstoffen schon klar dargelegt, deshalb gibt es auch gar keine Diskussion da­rüber, dass dieser Wirkstoff in den Rahmen des Arzneimittelgesetzes und einer ärztlich verordneten Therapie gehört und nicht frei verkäuflich auf den Markt in Hanfshops – so viel vorab.

Das österreichische Gesundheitssystem ist, insbesondere was die Verfügbarkeit von neuen Arzneimittelformen anlangt, international Spitzenreiter. Das wird oft vergessen. Es wird auch vergessen, dass wir 2015 einer der ersten Staaten waren, wo der Canna­biswirkstoff auf Rezept verfügbar, sogar kassenfähig war. Das Problem war allerdings, dass dieses Medikament oder diese Medikamente bei den betroffenen Patienten nicht angekommen sind. Das hat drei Gründe gehabt: erstens die komplizierte Verschrei­bungspraxis, da der Großteil der Wirkstoffe im Rahmen der Suchtgiftverordnung bezie­hungsweise des Suchtmittelgesetzes zu verordnen war und viele Ärzte und Kollegen Probleme gehabt haben, das überhaupt richtig zu verordnen; zweitens die uneinheitli­che und sehr stark eingeschränkte Bewilligungspraxis der verschiedenen Krankenkas­sen.

Kollege Loacker hat da schon ein paar Beispiele genannt und ich kann es Ihnen aus meinem persönlichen Berufsalltag ebenso berichten. In Oberösterreich haben wir die Situation, dass die Erstbewilligung von Cannabispräparaten nur durch sogenannte Schmerzambulanzen erlaubt ist. Das heißt, die betroffenen Patienten müssen zur Erst­versorgung zum Beispiel nach Linz ins Spital fahren. Selbst spezialisierte Fachärzte dürfen diese Therapie nicht als Erste verordnen beziehungsweise können sie ihre Pa­tienten nicht im Rahmen des Kassensystems mit diesen Medikamenten versorgen.

Der dritte Punkt ergibt sich aus dem zweiten, nämlich dass eben durch diese häufig fehlende Kostenübernahme der Sozialversicherungen die Therapiekosten für die Pa­tienten ungewöhnlich hoch sind. Wir sprechen von Monatstherapiekosten von 300 bis 500 Euro, das können sich viele Menschen nicht leisten und weichen deshalb auf den Grau- oder Schwarzmarkt aus. Diese Hindernisse müssen einfach durch bessere Infor­mationen der Ärzte und Patienten sowie durch eine tatsächlich einheitliche Bewilli­gungspraxis bei den Krankenkassen beseitigt werden.

Jetzt diskutieren wir im Gesundheitsausschuss über eine Erweiterung des medizini­schen Angebots und weitere Einsatzmöglichkeiten von Cannabis beziehungsweise wei­tere Anwendungsformen von Cannabis. Dazu müssen wesentliche Qualitätsstandards eingehalten werden, und zwar brauchen wir klinische Studien, die eine klar positive Nutzen-Risiko-Analyse zeigen. Denn nur dort, wo auch ein erwiesener Nutzen ist, kann eine Therapie von unserem öffentlichen Gesundheitssystem übernommen werden. Wir brauchen dafür auch standardisierte Dosierungen und Qualität, damit eine Therapie ordentlich und konsequent durchgeführt werden kann. Man muss doch wissen, wie viel und welche Inhaltsstoffe in einem Arzneimittel enthalten sind, wenn eine Therapie funk­tionieren soll.

Der dritte Punkt ist, dass auch die Darreichungsformen den Anforderungen der Thera­pie entsprechen müssen und auch ein möglichst geringes Missbrauchspotenzial bein­halten sollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Für fast alle bisher bekannten Indikationen ist die langsam ansteigende, aber auch lang anhaltende Wirkung von öligen Zubereitungen und Kapseln die Verabreichung der Wahl und die schnelle, rasche Wirkung von gerauchtem Marihuana nicht medizinisch indiziert. Nun, wir werden es uns trotzdem ansehen. Das Gesundheitsministerium wird zusätzliche Berichte einholen. Wir werden auf profunde Erfahrungsschätze aus dem nahen Ausland, unter anderem Deutschland und der Schweiz, zurückgreifen können und werden in dem Bericht, der bis Jahresende erstellt wird, sehen, wie die Erfahrun­gen im Ausland tatsächlich sind und ob wir auf dem österreichischen Markt Handlungs­bedarf haben oder nicht. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich bin zuversichtlich, dass wir trotz alledem die Situation der Tausenden chronisch kranken Menschen, die von dieser neuen Therapieoption profitieren können, deutlich verbessern werden. Unmittelbar liegt es aber an den Sozialversicherungen, die bereits zugelassenen Cannabisarzneimittel auch tatsächlich allen Patienten, die sie benötigen, zukommen zu lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Obernosterer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.57.53

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es handelt sich hierbei um einen Antrag aus dem Gesundheitsausschuss, der einstimmig in das Ple­num des Nationalrates geleitet wurde. Ich glaube, unsere Ärzte und Experten haben ausführlich berichtet und auch auf die Gefahren hingewiesen.

Wie schon gesagt, werden Sie, Frau Minister, uns einen Bericht zwecks der Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke für Schmerzpatienten bis Ende des Jahres bringen. Dabei sollte aber ganz klar dazugesagt werden: Es ist überhaupt nicht ange­dacht, Cannabis zu liberalisieren und generell freizugeben. Alles andere, glaube ich, wurde schon gesagt. Wie gesagt, wir warten auf den Bericht und schauen dann natür­lich darauf, daraus das Beste für die Gesundheit zu machen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Riemer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Zanger – in Richtung des sich zum Redner­pult begebenden Abg. Riemer –: Sei effizient!)


19.59.01

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Die Debatte ist schon sehr weitgreifend gewesen. Ich möchte nur einen Aspekt hinzufügen. Wenn Ärzte sprechen, wenn Apotheker und profunde Kenner der ganzen Materie sprechen, dann möchte ich schon auch zwei, drei Gedanken einbringen. Ers­tens einmal geht es um Ganzheitsmedizin, also Alternativmedizin nicht nur in der Schmuddelecke drinnen, sondern in Verbindung mit der Reparatur- oder Schulmedizin. Da haben wir in Österreich noch einen Grat zu überspringen.

Hanf – sprich: Cannabis –, eine 5 000 bis 8 000 Jahre alte Kulturpflanze, hat eine Funktion. Nachdem ich mir heute die Ärzte, die einzelnen Debattenredner angehört ha­be, was stelle ich da fest? – Ein jeder sitzt in seinem Glashaus und beschuldigt den an­deren, etwas sei nicht richtig oder nicht gut. Da gibt es zum Beispiel die Schmerz­mediziner, die das ablehnen. Die lehnen das insofern ab, als sie die Cannabisblüten nicht haben wollen. Die kennen sich nicht aus! Man muss sagen: Die Ärzte kennen sich damit nicht aus, und wenn ich mich nicht auskenne, dann bin ich dagegen. Es gibt nämlich synthetische und halbsynthetische Mittel. Wenn ich halbsynthetische Mittel nehme, dann kann ich das ja wesentlich besser als Medikament verpacken. Das ist die eine Seite. Dann kommen die anderen, die Leute, die sagen, die Cannabisblüte ist das Richtige.

Was ich damit ausdrücken möchte, ist Folgendes: Die Cannabisblüte hat eine Beson­derheit: Die einen sagen, wir brauchen einen vermischten Zustand, wenn man die Blü­te nimmt, dann hat man 500 Substanzen, 200 Wirkstoffe oder 20 Wirkstoffe, nehmen wir die. – Jetzt stellt sich für mich als Laie und als kleiner Abgeordneter aus der Süd-


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steiermark die Frage: Wenn Universitätsprofessoren auf der einen Seite reden, Univer­sitätsprofessoren auf der anderen Seite reden, wer hat denn dann recht? Jeder sagt, er ist im Recht.

Dann höre ich heute, jetzt müssen die Stakeholder etwas sagen. – Da bin ich aber neugierig, denn wenn das die Österreichische Schmerzgesellschaft ist, von der man sagt, dass sie von der Pharmaindustrie – Namen möchte ich nicht nennen – unterstützt wird, muss ich fragen: Wie objektiv kann sie dann sein?

Ich gehe davon aus, dass auch die andere Seite mit Geld unterstützt wird. Kollege Ka­niak hat ja schon gesagt, Cannabis ist ein riesiger Weltmarkt. Das heißt, mit diesem grünen Gold kann man Geld verdienen. Ich habe das heute zufällig gesehen (ein Blatt Papier in die Höhe haltend, das eine Werbung für Cannabisaktien zeigt): Cannabis­aktien kann man kaufen. – So weit geht das aber nicht. Wir müssen aufpassen, dass wir eine vermutliche Wunderpflanze nicht fehlinterpretieren.

Die Stakeholder müssen wir uns genau anschauen, denn der Bericht aus Deutschland ist schon hinterfragenswert, nämlich insofern, als man hier ja die Krankenkassen ge­fragt hat, die kein Geld hergeben wollen. Man hat gesagt: Na ja, das und das, Darmer­krankungen und was weiß ich, Aids, dort hilft es nichts. Dann gibt es große Profes­soren in Deutschland, die sagen: Na, bitte, wie können die etwas kommentieren, wo es nicht einmal richtige Untersuchungen gibt?! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind also alle aufgefordert, in Bezug auf ein tolles Mittel nicht vorurteilsbehaftet vor­zugehen. Zur Gesundheitsmedizin, Ganzheitsmedizin gehören sowohl die normale Schul­medizin als auch die Alternativmedizin – so wie die Homöopathie in Zukunft noch eine Chance haben wird oder haben sollte. Ich wünsche es mir im Sinne vieler Bürgerinnen und Bürger.

Was habe ich gehört von der Kollegin? – Es gibt 1,9 Millionen Schmerzpatienten. Ich glaube, das kann man nicht so vom Tisch wischen. – Ich danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der FPÖ.)

20.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesmi­nister Hartinger-Klein. – Bitte.


20.02.57

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Hol­zinger! Ich darf mich – und bitte richten Sie das auch aus – bei Herrn Kolba bedanken, dass er das Thema eingebracht hat, auch aus seiner persönlichen Betroffenheit he­raus. Dafür braucht es Mut und ich danke ihm persönlich, dass er das gemacht hat.

Mir ist das Thema auch ein ganz großes Anliegen. Sie haben viele Bereiche schon an­diskutiert: Wir haben 1,9 Millionen Schmerzpatienten. Wir haben einige Evidenzen. Mir ist die Evidenz bei solchen Themen ein ganz, ganz großes Anliegen. Ich habe deshalb auch den Obersten Sanitätsrat in meinem Ministerium beauftragt, mir im Rahmen einer Taskforce Bericht zu diesem Thema zu erstatten.

Wir werden uns die klinischen Studien anschauen. Wir werden uns anschauen, wie es international ausschaut. Ich werde Ihnen einen Bericht bringen und ich bin überzeugt, dass wir uns so rasch wie möglich dann auch auf ein gemeinsames Gesetz – vielleicht schaffen wir es auch über alle Fraktionen hinweg – einigen werden können. Darauf freue ich mich schon. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.



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20.04.06

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Der Gesunde hat viele Wünsche, der Kranke nur einen. So ist es besonders bei jenen Menschen, die tagtäglich unter starken Schmerzen leiden – wir haben schon gehört, nach Krebsleiden, bei MS oder auch aus anderen Gründen. Ihr größter Wunsch ist, ein schmerzfreies Leben zu füh­ren. Gerade für diese Menschen wäre die Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke eine sinnvolle Bestimmung – aber natürlich nur für medizinische Zwecke. Das liegt uns sehr am Herzen und ist uns wichtig.

Derzeit gibt es Cannabis in Pflanzenform, das medizinisch eingesetzt wird, in Öster­reich nicht. Erlaubt sind nur die synthetischen Formen. Wir wissen aber, dass die Can­nabispflanze besser wirkt, denn diese Pflanze hat mehr als 500 wichtige Inhaltsstoffe. In Deutschland ist Cannabis in Pflanzenform für medizinische Zwecke freigegeben, und deswegen können wir auch aus der Praxis von Deutschland lernen.

Der Anbau zu medizinischen Zwecken ist in Österreich ebenso untersagt. Nur in der Ages, wo er streng kontrolliert wird, ist der Anbau möglich. Die Kosten für diese Maß­nahme sind natürlich auch zu berücksichtigen, denn derzeit sind die Präparate sehr teuer.

Was uns natürlich auch ganz wichtig ist: Es muss ein diagnostisches Profil und eine ärztliche Therapie geben, damit Cannabis angewendet werden kann. Natürlich wäre der Idealfall, dass das Cannabis aus Österreich stammt.

Klar ist, dass die derzeitige Situation nicht zufriedenstellend ist, denn die Kosten für die Medikamente, die es gibt, sind sehr hoch und werden bei vielen Patienten eben nicht von den Krankenkassen übernommen. Wir wissen, dass die Kosten dieser Präparate für Tumorpatienten 500 bis 1 000 Euro im Monat betragen und dass die Cannabisblü­ten hier wesentlich billiger kommen. Dadurch ist es so, dass manche Leute dann zu il­legalen Möglichkeiten greifen. Das ist auch nicht die optimale Form.

Wichtig ist glaube ich auch, dass die Ärzte eine Zusatzausbildung bekommen, denn sehr viele wissen nicht über die Wirkung von Cannabis Bescheid, das wäre aber eine wichtige Sache.

In diesem Sinne wünschen wir uns für die Schmerzpatienten, dass es zu einer mög­lichst raschen Umsetzung dieses Antrages kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

20.06

20.07.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 205 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Liberalisierung von Cannabis zu medizini­schen Zwecken“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig. Angenommen. (E 27)

20.07.45Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir gelangen jetzt zur verlegten Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Gesetzentwurf 231 der Beila­gen.


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Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Gödl, Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordne­ten Wöginger, Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile der Systematik des Gesetzentwurfes folgend und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Gödl, Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfügung der Ziffern 1c und 1d samt der daraus resultierenden Umnummerierung in Artikel 10 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Die Abgeordneten Wöginger, Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Ab­änderungsantrag betreffend Z 2 in Art. 10 eingebracht.

Wer hierzu seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Gödl, Be­lakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Z 2 in Art. 10.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist die Mehrheit und angenommen.

Somit kommen wir gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung zu die­sem Gesetzentwurf geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

20.09.3517. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 296/A der Abgeord­neten Dr. Josef Smolle, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG geändert wird (248 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 194/A der Abgeordne­ten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Stu­dien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird (249 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 109/A der Abgeordne­ten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird (250 d.B.)



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 bis 19 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.10.43

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mi­nister! Unter diesem Tagesordnungspunkt werden mehrere höchst unterschiedliche The­menbereiche behandelt. Ich möchte aufgrund der Kürze der Zeit zwei herausgreifen und kurz etwas dazu sagen.

Im ersten Punkt, der uns sehr wichtig ist, geht es um die Studiengebühren. Es geht darum, dass wir heute zum letzten Mal die Chance haben zu handeln und zu verhin­dern, dass ab Herbst die berufstätigen Studierenden nicht mehr von der Studiengebühr befreit werden können. Das war bis jetzt möglich und ist vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden. Wir haben einen fixfertigen Initiativantrag eingebracht. Es geht darum, dass ab Herbst 25 000 junge Menschen, die eine wirkliche Doppelbelastung auf sich nehmen und wirkliche Leistungsträger sind, in diesem System eigentlich be­straft werden. Es gibt für verschiedene Gruppen die Möglichkeit der Befreiung, aber genau für diese doppelt belastete, besonders leistungswillige Gruppe ist sie dann nicht mehr vorgesehen.

Heute besteht also die letzte Chance, das zu reparieren. Bitte stimmen Sie diesem An­trag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt ist ein Initiativantrag der Regierungsparteien, in dem es im Prinzip um Lehrordinationen geht – den in der Sache zu erläutern überlasse ich den Antragstel­lern. In diesen Antrag haben Sie etwas – man ist geneigt zu sagen: hineingeschwin­delt – hineingeschrieben, was an sich mit dieser Materie nichts zu tun hat, nämlich eine Kostenüberwälzung an die Universitäten. Es geht darum, dass die Universitäten künftig Pensionsleistungen für ausgeschiedene Beamte übernehmen müssen, und besonders pikant: In diesem Gesetz sehen Sie auch vor, dass das rückwirkend gemacht wird. Das sind 8 Millionen Euro, das ist eine große Summe für die Universitäten, und das noch dazu rückwirkend. Das heißt, auf der einen Seite haben wir noch vor den Wahlen mehr Geld für die Universitäten beschlossen, auf der anderen Seite lassen Sie sich Schritte einfallen, ihnen das Geld wieder wegzunehmen.

Um zu verhindern, dass den Universitäten das Geld wieder weggenommen wird, brin­ge ich jetzt einen Abänderungsantrag ein, der genau darauf hinausläuft, diesen Teil aus dem Gesetz wieder herauszunehmen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kuntzl, Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.    Die Z 6 entfällt ersatzlos.

2.    In Z 7 entfällt § 143 Abs. 57 ersatzlos.

*****

Sie haben noch dazu auch bei diesem Gesetz den Weg gewählt, kein Begutachtungs­verfahren zu machen. Das fällt jetzt schon in mehreren Materien auf. Ich hoffe, das ist


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nicht der Weg, den Sie jetzt künftig einschlagen, um unangenehme Begutachtungsver­fahren zu umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag.a Andrea Kuntzl, Dr.in Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen

zum Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG ge­ändert wird (296/A)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.          Die Z 6. entfällt ersatzlos.

2.          In Z 7. entfällt § 143 Abs 57 ersatzlos.

Begründung

Die vorgeschlagenen Änderungen wurden keiner Begutachtung unterzogen. Insbeson­dere wurde die Universitätskonferenz nicht in die Erarbeitung dieses Initiativantrages einbezogen.

Hinsichtlich der Überweisungsbeiträge gemäß § 11 ASVG im Bereich der Universitäten gibt es eine klare Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

In zwei Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH 20.06.2007, B1470/06 und VfGH 14.06.2017, G279/2016) eindeutig festgestellt, dass es dem Bund obliegt, bei aus dem Bundesdienstverhältnis austretenden BeamtInnen die Überweisungsbei­träge zu bestreiten. Aufgrund dieser eindeutigen Rechtslage wurden von den Universi­täten in den letzten Jahren (spätestens seit der rückwirkenden Erhöhung dieser Über­weisungsbeiträge von 7 % auf 22,8 % mit dem 1.2.2016) keine Beiträge mehr überwie­sen.

Entsprechende Zahlungen durch die Universitäten sind durch die Leistungsvereinba­rungen budgetär nicht bedeckt und sind daher judikaturkonform durch den Bund zu tra­gen.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht natürlich mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.


20.14.13

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Dieser von uns eingebrachte Initiativantrag umfasst vier Punkte. Ich möchte anschließend an meine geschätzte Vorrednerin mit dem vierten Punkt begin­nen, es ist jener, der das Finanzielle betrifft.


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Wenn sich jemand aus dem Kreis der Beamtinnen und Beamten, die den Universitäten dienstzugeteilt sind, aus dem Beamtenschema verabschiedet, dann fallen gewisse Überweisungsbeträge für die Pension an. Das ist schon seit der Ausgründung der Uni­versitäten, seit deren Autonomie so und wurde auch von den Universitäten bedeckt, sie haben aber dieses Geld vom Bund bekommen.

2016 ist hier im Hohen Haus eine ASVG-Novelle beschlossen worden, die zu einer signifikanten Erhöhung dieser Überweisungsbeträge geführt hat. Das war damals im Zusammenhang mit der Pensionierungswelle bei der Bank Austria. Das wirkt sich jetzt halt auch auf die Universitäten aus, und deshalb ist es hier zu Diskussionen gekom­men.

Nun setzt dieses Gesetz fest, dass das von den Universitäten zu bedecken ist. Der Betrag, geschätzt sind es etwa 8 Millionen Euro auf mehrere Jahre, spielt dabei eine Rolle. Es steht aber in dem Gesetzentwurf auch, dass dieses Geld den Universitäten vom Bund im Rahmen des Globalbudgets zur Verfügung zu stellen ist. Das heißt, es ist ein Durchlaufposten im Sinne der Kostenwahrheit.

Ich verstehe die Universitäten außerordentlich gut, dass sie Planungssicherheit haben möchten, dass sie Planungssicherheit brauchen, diese ist aber gewährleistet. Es geht um 8 Millionen Euro für alle Universitäten, verteilt auf mehrere Jahre. Die Universitäten bekommen für die nächsten drei Jahre bekanntlich 1,3 Milliarden Euro mehr. Sie be­kommen insgesamt 11 Milliarden Euro und sind aufgefordert, im Zuge der Leistungs­vereinbarungsverhandlung, bei der für jede Universität das nächste dreijährige Budget festgelegt wird, genau diese Belastung, die aus den Überweisungsbeträgen resultiert, geltend zu machen. Das wird bedeckt werden.

Es gibt noch ein Schreiben des Bundesministers an die Rektorinnen und Rektoren. Sollte sich unterjährig diesbezüglich noch etwas ergeben, wird man sich um eine ein­vernehmliche Lösung bemühen. – Das wäre also der Punkt vier dieses Antrages.

Punkt eins betrifft die vorklinischen Institute, die Befundungsleistungen erbringen. Das sind vor allem Pathologie, Hygieneinstitut, Humangenetik an den medizinischen Uni­versitäten. Dazu ist jetzt festgelegt, dass diese Befundungsleistungen im Interesse von Lehre und Forschung sind und die Institute keine Krankenanstalten zu sein brauchen, um diese Befundungen durchzuführen.

Der zweite Punkt ist für die praktische Ausbildung ein ganz wichtiger. Es hat schon immer Lehrkrankenhäuser gegeben. Man hat aber nun auch begonnen, Studierenden die praktische Ausbildung teilweise in Lehrordinationen zukommen zu lassen. Dieser Begriff der Lehrordination ist neu eingeführt. Für den Nachwuchs in der Allgemeinme­dizin ist es ganz wichtig, dass wir bereits während des Studiums den Studierenden diese Perspektive eröffnen und damit die Begeisterung für eine spätere Tätigkeit als Landärztin, Landarzt wecken können.

Der dritte und letzte Punkt betrifft die Zahnmedizin. Da gibt es im Studium ein 72-wö­chiges Praktikum. Nun ist klargestellt, dass dies Teil des Studiums ist und kein Arbeits­verhältnis begründet. Es ist allerdings den Spitalserhaltern unbenommen, den Studie­renden eine Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen. Dies ist für die Zahnmedi­zin ganz wichtig, denn die Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner dürfen nach Ende des Studiums sofort selbständig den Beruf ausüben. Deshalb ist diese Klarstellung für ihr Praktikum ganz, ganz wichtig.

Ich bitte Sie, dem Antrag für diese Novelle des Universitätsgesetzes Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 227

20.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Gamon zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.18.45

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es handelt sich hier um eine kleine UG-Novelle. Umso tragischer ist es, dass es keine ordentliche Begutachtung gegeben hat.

Es gibt drei wichtige Punkte, die hier behandelt werden: dass nichtklinische Organisa­tionseinheiten im Rahmen von Forschung und Lehre mittelbar auch Untersuchungen durchführen können; für Einrichtungen, die universitäre Ausbildung unterstützen, wird die Lehrordination geschaffen; und wie gerade vorher gesagt wurde, wird es für die zahnmedizinisch-klinischen Praktika eine Klarstellung geben.

Das klingt alles schlüssig, aber eine Debatte wäre halt – wie heute schon oft diskutiert worden ist – nur dann möglich gewesen, wenn es eine Begutachtung gegeben hätte. Es ist alles sehr ordentlich erklärt worden, und ich sehe auch keinen Grund, es inhalt­lich zu kritisieren, das sind sehr wichtige Punkte, aber ich verstehe einfach nicht, wa­rum so etwas mit einem Initiativantrag eingebracht wird. Ich bin mir sicher, dass es diverse Stellen gegeben hätte, die sich auch gerne in die Debatte eingebracht hätten. Das ist ja auch ein Thema, wie man die Zivilgesellschaft in die Politik mit hineinbringt. Das ist vielleicht etwas, was in diesem ganzen Bahöl darum, wo Begutachtungen um­gangen worden sind, immer ein wenig zu kurz kommt, es ist dies das Thema Zivilge­sellschaft im Parlament.

Wie von Frau Kuntzl angesprochen wurde, kommt die Vermutung auf, dass es nur des­halb als Initiativantrag eingebracht wurde, um diese kleine Passage unterzujubeln, in der es darum geht, diese Pensionszahlungen vom Bund zu den Universitäten zu ver­schieben, was etwas ist, was die Uniko überhaupt nicht verstehen kann.

Im Ausschuss wurde die Frage danach, um wie viele Leute und um wie viel Geld es genau geht, auch nicht konkret beantwortet. Aber offensichtlich hat es im Hintergrund einige Diskussionen gegeben, denn die Ankündigung von Kollegen Smolle überrascht mich jetzt ein wenig, dass das jetzt mit den Unis eh irgendwie ausgemacht wird und es sich mit dem Globalbudget schon ausgeht. Das war im Ausschuss nämlich so noch nicht klar.

Man kann nur spekulieren, warum das geändert werden sollte, denn rechtlich war es klar. Es hat zwei höchstgerichtliche Urteile dazu gegeben, dass diese Zahlungen vom Bund zu leisten sind, weil es hier um Beamte des Bundes geht, die nicht zu den Uni­versitäten gehört haben. Wir gehen ja auch meistens von einer Zeit vor dem UG 2002 aus, daher: keine Ahnung, warum – vor allem, wenn vorher gesagt oder beschwichtigt worden ist, dass es eh nicht so viel Geld sei. Da verstehe ich aber erst recht nicht, warum dann die Änderung überhaupt zustande kommt, wenn es doch eh nicht so viel ist.

Zum Thema der Uniräte möchte ich noch ein Wort zum Antrag des Kollegen Noll verlie­ren. Wir haben den Vorschlag hier ja schon in einer ersten Lesung debattiert. Wir sind der Meinung, dass die Bestellungen über den Weg, diese Stellen auszuschreiben, ge­macht werden sollten, um auch transparente Bestellungsverfahren mit Hearings zu ha­ben. Wir glauben, das ist der bessere Weg, um zu einer guten Uniratsbesetzung zu kommen, aber es ist sicher auch gut, das Thema hier wieder zu behandeln und zu dis­kutieren. (Beifall bei den NEOS.)

20.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.22.00

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gamon hat schon das Stichwort für meinen Redebeitrag gegeben, nämlich der Antrag des Kollegen Noll, Ta-


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gesordnungspunkt 19, betreffend die Uniräte beziehungsweise das Begehren in die­sem Antrag, dem Akademischen Senat das Recht zuzugestehen, aus einem triftigen Grund von der Bundesregierung vorgeschlagene Universitätsräte abzulehnen.

Das bietet mir Gelegenheit, einmal das Zusammenspiel dieser Führungsinstitutionen unserer Universitäten etwas näher zu erläutern. Grundlage des Zustandes, den wir jetzt haben, ist das UG 2002, das vorsieht, eine ausgewogene Balance zwischen uni­versitärer Autonomie und Mitbestimmungsrechten des Bundesministeriums als Vertre­ter, ich sage jetzt einmal, des Steuerzahlers sicherzustellen. Es ist ein ausgewogenes Dreigestirn zwischen Senat, Rektorat und den Universitätsräten mit unterschiedlichen Aufgaben.

Der Senat, der im Übrigen auch paritätisch besetzt ist – also nicht ausschließlich aus Professoren besteht, sondern Professoren, Mittelbau und Studierenden –, hat be­stimmte Aufgaben. Das Rektorat als Leitungsorgan mit Rektor und Vizerektoren hat bestimmte Aufgaben, und der Unirat hat mehrere Aufgaben, unter anderem auch, die Arbeit des Senats und des Rektorats zu kontrollieren, zu überwachen, zu begleiten. Er hat die Aufgabe, beim Prozess der Wahl des Rektors mitzuarbeiten und letztlich auch die Entscheidung zu treffen – fußend auf einem Dreiervorschlag, der aus dem Senat kommt. Es sind so wichtige Dinge wie Budget, Entwicklungspläne et cetera zu geneh­migen, und eine Komponente ist auch die Kontrolle.

Wie werden diese Uniräte, diese Organe besetzt? – Die Rechtslage ist jetzt folgende: Die Hälfte wird von der Bundesregierung, die übrige Hälfte vom Senat bestellt, bezie­hungsweise ist es immer eine ungerade Zahl. Das ergänzende Uniratsmitglied wird von der Bundesregierung und vom Senat bestimmt. – Das war jetzt etwas kompliziert erklärt, nehmen wir es anhand eines Beispiels: sieben Uniräte, drei kommen von der Bundesregierung, drei kommen vom Akademischen Senat, und diese sechs einigen sich dann auf einen siebenten.

Das ist alles sehr, sehr gut durchdacht, es ist auch aus ablauforganisatorischen Grün-den oder aus Compliancegründen intelligent gemacht. Würde man Ihrem Antrag fol­gen, würde die Situation eintreten, dass der Senat sozusagen das Recht hat, das Or­gan, das ihn kontrolliert, abzulehnen. Dazu wird Ihnen jeder Experte sagen, dass dies allein schon aufgrund von Compliancerichtlinien und der Prinzipien der Ausgewogen­heit zwischen diesen Organen der obersten Universitätsleitung nicht sinnvoll ist, weil es dem Grundsatz der Reziprozität insoweit nicht entspricht, als umgekehrt den Universi­tätsräten oder dem Rat das Recht, Senatsmitglieder abzulehnen, nicht zusteht.

Wenn man Ihre Begründung liest, fällt natürlich auf, dass der Antrag jetzt weniger aus Compliance- oder sonstigen Motiven heraus gestellt wurde, sondern aus politischen Motiven, indem Sie eben sagen, die Bundesregierung hat im März dieses Jahres 59 Universitätsräte nominiert. Es sind ausschließlich Expertinnen und Experten im aka­demischen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich, da gibt es genaue Kriterien. Insoweit halte ich auch ein Auswahlverfahren für überschießend. Man muss der österreichi­schen Bundesregierung schon zutrauen, entsprechende Experten zu nominieren. Die Nominierten haben am 1. März ihre Arbeit aufgenommen. Als Wissenschaftssprecher der Freiheitlichen Partei wird mir natürlich laufend berichtet. Ich kann Ihnen versichern, diese von der Bundesregierung nominierten Uniräte leisten bis dato hervorragende Ar­beit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Noll. – Bitte.


20.26.51

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ja, natürlich bin ich aus politischen Gründen dagegen, dass Leute in die Universitäts-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 229

räte geschickt werden, die nicht auf meine Zustimmung stoßen, aber nicht, weil sie politisch von der anderen Seite sind, sondern, weil sie von der anderen politischen Sei­te und nicht qualifiziert sind und deshalb dort nichts verloren haben.

Jetzt weiß ich schon, dass Sie natürlich gegenüber - - (Abg. Rosenkranz – im Ge-spräch mit Abg. Kassegger – wendet sich halblaut kommentierend dem Redner zu.) – Herr Rosenkranz, seien Sie einmal ruhig und beherrschen Sie sich ein klein wenig! (Beifall bei Abgeordneten von Liste Pilz und SPÖ.) Ihre geistige Absenz, mit der kön­nen Sie das Haus einmal in Ruhe lassen, zumindest für 2 Minuten! Beherrschen Sie sich! (Abg. Rosenkranz: ... Was glauben Sie eigentlich in Ihrer Arroganz?! – Abg. Hai­der: Was bilden Sie sich ein?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich verstehe, dass Sie gegenüber den Einsichten des DÖW ein bisschen fremdeln, nur: Wenn die Universitätsräte in einem großen Maß von Leuten bevölkert werden, denen das DÖW völkische Verbindungen nachsagt, dann ist das nicht Nichts.

Jetzt können Sie sich mit meinen politischen Ansichten anfreunden oder auch nicht, das nehme ich Ihnen auch nicht übel (Abg. Rosenkranz führt eine Geste aus, als wür­de er ein Häkchen setzen), nur: Wenn die Präsidentin der Universitätenkonferenz, Eva Blimlinger, in der Öffentlichkeit bekannt gibt, dass es nach der Bestellung heuer durch­aus notwendig wäre, daran zu denken, endlich Personen hier zu haben, die ein Herz und auch ein Hirn für Universitäten haben – denn nur so können tatsächlich die Ziele der Universitäten erreicht werden –, dann ist das schon auch eine Art Notruf, der von der Universitätenkonferenz abgegeben wird. (Abg. Bösch: Ehrabschneidung ist das! Ehrabschneidung! Unverschämtheit!)

Wenn die Frau Rektorin sagt, ich sehe das nicht bei sehr vielen (Abg. Haider: Eine Frechheit!) und dass es zum Teil ja auch darum geht, ab und an in Opposition zur Re­gierung für eine Stärkung der Unis aufzutreten, und sie das von Universitätsräten ver­langt, dann ist das ein durchaus sachliches Anliegen.

Ich glaube, dass man den Universitäten hier mehr Autonomie zugestehen könnte. Ein Ablehnungsrecht des Senats gegenüber Personen, die ja dann, wenn sie nicht dem Anforderungsprofil entsprechen, ohnedies abgelehnt und auch abberufen werden kön­nen, wäre gar nicht so schlecht, glaube ich. (Abg. Rosenkranz: ... Universitätsprofes­soren!) Die Autonomie der Universitäten würde man erhöhen.

Die Universitätsräte sind auch eine Art Visitkarte im internationalen Verkehr. (Abg. Ro­senkranz: Aber Ihre Politkommissare brauchen wir dort auch nicht! – Abg. Scherak – in Richtung Abg. Rosenkranz –: Ihre aber auch nicht!) – Herr Kollege, wenn Sie sich mit der Schnappatmung ein bisschen zurückhalten, dann geleite ich Sie nachher raus und bringe Sie in lebensrettende Seitenlage. – Danke. (Heiterkeit bei Liste Pilz und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Rosen­kranz: Gehen Sie in Ihre politische Schieflage! Das, was Sie machen, ist Ehrabschnei­dung! – Nach dem Verlassen des Rednerpults hält Abg. Noll vor dem Sitzplatz des Abg. Rosenkranz inne. – Abg. Rosenkranz: ... der politischen Unabhängigkeit! Gehen Sie wieder in Ihre letzte Reihe zurück! Da passt es besser!)

20.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Faßmann. – Bitte, Herr Minister. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von SPÖ und FPÖ.– Bitte, meine Herren, der Herr Bundesminister ist am Wort.


20.30.07

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Geschätzte Mitglieder des Hohen Hauses! Sie haben meine Anerkennung


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und Wertschätzung für das lange Durchhaltevermögen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ), auch wenn es offensichtlich notwendig ist, manchmal hitzige Diskussionen zu beginnen, um den Kreislauf wachzuhalten. Ich habe mich zu Wort ge­meldet, um meine Sichtweise hinsichtlich der eingebrachten Anträge kurz vorzustellen. Wir haben darüber schon im Ausschuss diskutiert, wir diskutieren hier im Plenum noch­mals. Wir haben eine redundante Diskussion. Ich kann mich daher kurz fassen, da ich redundante Diskussionen an sich nicht schätze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ. – Abg. Scherak: Das hier ist öffentlich im Gegensatz zum Aus­schuss! – Ruf bei der ÖVP: Seid ruhig, wenn der Minister redet!)

Die Anträge des Kollegen Noll hat Herr Noll selbst in guter fachdidaktischer Qualität erklärt. Ich glaube, sie sind relativ klar. Worum geht es? – Es geht im Wesentlichen um eine rechtliche Klarstellung, wer Befundungen durchführen kann und dass dazu keine krankenanstaltsrechtliche Bewilligung notwendig ist. Es geht darum, dass auch Lehr­ordinationen das Klinisch-Praktische Jahr durchführen können. Das ist sehr sinnvoll, denn vielleicht kommen einige Medizinstudierende auf den Geschmack, sich danach im allgemeinmedizinischen Bereich niederzulassen. Es geht auch darum, klarzustellen, dass die zahnmedizinisch-klinische Ausbildung ein Teil des Studiums ist.

Ebenso ist es nur eine Klarstellung, dass die Refundierung der Sozialversicherungsbei­träge von ausscheidenden Beamten vom Unibudget, welches letztlich ein Globalbudget ist und welches letztlich ein Bundesbudget ist, zu refundieren ist. Dieser Betrag ist im Gesamtbetrag von 11 Milliarden gut unterzubringen und wird, Frau Kollegin Kuntzl, auch von Jahr zu Jahr weniger, weil die Universitäten heute nur noch privatrechtlich angestellte Mitarbeiter haben.

Frau Kuntzl, Sie haben auch einen Antrag eingebracht, über den wir auch schon mehr­mals gesprochen haben. Sie kennen die Vorgeschichte, die Aufhebung der Regelung, dass berufstätige Studierende, sofern sie die Regelstudiendauer plus Toleranzjahr überschritten haben, rund 60 Euro pro Monat zu bezahlen haben; über das reden wir. Die Koalitionsregierung der vergangenen Legislaturperiode hat da keine Reparatur vor­genommen (Abg. Kuntzl: Aber wer wollte das nicht?!), und ich persönlich sehe dafür auch keine Veranlassung. Diese Regelung ist, denke ich, ein Inzentiv für ein zügiges und damit auch kostenfreies Studieren. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Herr Noll, Sie haben einen interessanten Antrag eingebracht. Sie sind ja Dozent und Professor an der Universität für Bodenkultur: Ihr Antrag sieht vor, dass der Senat mit Zweidrittelmehrheit die Mitglieder, die von der Bundesregierung bestellt worden sind, aus triftigen Gründen ablehnen kann. Warum der Senat jemanden ablehnen kann, der von der Regierung nominiert worden ist und damit Eigentümerinteressen zu vertreten hat, das entzieht sich meinem sozusagen systematischen Governance-Verständnis. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber unabhängig davon: Ich kenne die Senate sehr gut, ich kann die Senate schon vor mir sehen, in wochenlanger Diskussion mit den Uniratsmitgliedern rund um Ihre „trifti­gen Gründe“. Ein triftiger Grund ist in Ihrem Antrag „ein befürchteter Schaden für das Ansehen der Universität“. Was heißt triftig? Was heißt Schaden? Und: Wer befürchtet was? Das ist alles  nicht böse sein!  sehr unbestimmt. Die Diskussionen in diesem Senat – und ich sehe die Senatsmitglieder jetzt schon vor mir – würden hin und her ge­hen, denn jeder versteht unter triftigen Gründen etwas anderes. Vielleicht kommt es dann zu einer Abberufung. Die Regierung probiert es noch einmal und nominiert je­mand anderen; der Senat mustert diese Person und hält den Daumen nach oben oder nach unten.

Herr Noll, Sie kennen die Universitäten von innen. Dieser Vorschlag erfüllt niemals den Zweck, den Sie intendieren, und ich kann dem Hohen Haus nur abraten, dem zuzu­stimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Sorry für diese klare


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Empfehlung, aber dennoch herzlichen Dank für Ihr Interesse an funktionierenden Uni­versitäten. Ich denke, dieses Interesse haben wir beide.

So weit meine Kommentierungen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

20.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Tasch­ner. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


20.35.46

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Sehr geehrter Herr Professor Noll! Ich kann Ihr Motiv durchaus verstehen. Ich denke, diesen Antrag kann man in gewisser Hinsicht als eine Art Betroffenheits­antrag formulieren. Er ist also mehr oder weniger dem derzeitigen Zustand der Senate zuzuschreiben, weshalb Sie sagen, jetzt müsste man diesen Antrag einbringen. Das ist irgendwie eine Anlassgesetzgebung, die vielleicht nicht gerade das Klügste ist, wenn man außerdem noch bedenkt, dass die Universitäten vom Staate bezahlt werden und der Staat ein Interesse daran hat, dass die Universitäten funktionieren, dass die Uni­versitäten selbstverständlich einen guten Ruf haben, dass sie eine gute Ausbildung für die Studenten – männlich/weiblich, Frau Kollegin Kuntzl – durchführen, und dass der Staat auch dafür sorgt, dass die Zukunft des Landes prosperierend ist. Der Staat hat daher ein großes Interesse, die Universitätsräte, die er bestellen kann, mit Verantwor­tung zu bestellen. Das ist auch tatsächlich durchgeführt worden, und das kann man der Regierung nicht vorhalten.

Dass es so ist, dass diese vielleicht nicht Ihrem philosophischen Bild entsprechen, das kann ich nachvollziehen, aber das ist einfach nicht Grund genug. Es ist sogar schlecht, weil die Ausgewogenheit der beiden Player, der Universität und des Staates, dadurch auch gestört wird, das wurde bereits erörtert.

Ein bisschen kurios finde ich sozusagen auch den vorgeschobenen Grund, dem Ruf der Universitäten wäre geschadet. Sie können mir glauben, Herr Kollege Noll, der Ruf der Universitäten hängt im Wesentlichen von der Qualität der dort agierenden profes­sores und studentes ab, und die ist sehr gut in gewissen, in sehr vielen Instituten, sehr, sehr gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich denke nur an die Physik in Innsbruck, ich denke an die Medizinische Universität in Wien, ich denke an die Mathematik an der Universität Wien, ich denke an die groß­artigen technischen Fächer in Graz, in Leoben und auch in Wien, und das sind nur eini­ge Beispiele von vielen, die Zahl der guten Universitätsinstitute ist Legion. Damit kön­nen wir durchaus zufrieden sein. Darauf ruht der Ruf der Universitäten.

Aber ich weiß schon, was dahinter steckt. Dahinter steckt eigentlich in gewisser Hin­sicht eine gewisse Angst von Ihrer Seite, die durchaus auch berechtigt ist; nämlich die Angst, dass die einstige Philosophie, die es einmal gegeben hat, wie Universität, ja wie Gesellschaft aussehen sollte, dass diese Philosophie – in ihren Widersprüchen schon längst zerbrochen – jetzt einfach erstarrt und man nur einen gewissen Moralismus übrig hat, den man noch predigt, ein gewisses, nur korrektes Dasein, das man führt, ei­nen gewissen Dogmatismus, an dem man sich noch festhalten mag. Das gibt es bei verschiedenen dieser Systeme, darauf führt das hinaus.

Da Sie, Herr Noll, wie ich finde – ich darf es Ihnen unterstellen –, ein brillanter Meister des Zynismus sind, wissen Sie die Klaviatur der Tartüfferie möglichst gut zu bedienen, aber ich darf Ihnen versprechen, dass dieser schon längst zu Essig gebrochene Wein der Spätachtundsechziger den Universitäten nicht schmecken wird. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

20.39



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll36. Sitzung, 5. Juli 2018 / Seite 232

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


20.39.31

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuse­her, wenn Sie noch vor den Bildschirmen oder hier auf der Tribüne sind! In meiner ers­ten Rede hier im Hohen Haus – das war vor Weihnachten – habe ich zwei Werte hoch­gehalten, die mir von meinem Elternhaus mitgegeben worden sind und welche, glaube ich, wichtig sind, um das Land weiterzubringen: Das ist Verantwortung und Eigenver­antwortung. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Herr Abgeordneter Noll, Sie schaffen es mit Ihrem Antrag wieder einmal, diesen Wer­ten entgegenzuwirken, weil Sie in Ihrem Antrag verlangen, dass die Universitätsräte, die von der Bundesregierung bestellt werden, in Zukunft vom Senat abgelehnt werden können. Wissen Sie, was Sie damit eigentlich fordern? Sie fordern quasi eine Ent­mündigung der Bundesregierung!

Ich erkläre Ihnen jetzt einmal, wie das bei uns im Unternehmen vor sich geht: Wir ha­ben einen Aufsichtsrat, und in diesem Aufsichtsrat sitzen Arbeitnehmervertreter und Ei­gentümervertreter. Die Arbeitnehmervertreter werden von den Arbeitnehmern bestellt, durch die Betriebsratswahl, und die Eigentümervertreter werden von den Eigentümern bestellt – und das ist gut so, denn ich glaube, dass sowohl die Arbeitnehmer als auch die Eigentümer das Beste für das Unternehmen wollen und Personen aussuchen, die qualifiziert sind und die die Universität beziehungsweise in unserem Fall das Unterneh­men auch gut nach außen vertreten können.

Der Universitätsrat ist quasi der Aufsichtsrat der Universität, und ich verstehe nicht, wa­rum Sie dieses altbewährte Prinzip der eigenverantwortlichen und eigenständigen Be­setzung durch die jeweiligen Gremien durchbrechen wollen, und das noch dazu einsei­tig, denn Sie wollen ja nur, dass der Senat die durch die Bundesregierung zu bestel­lenden Mitglieder ablehnen kann, aber nicht in die andere Richtung. Sie bevormunden damit die Bundesregierung und sprechen ihr quasi das Recht beziehungsweise die Fä­higkeit ab, qualifizierte Personen auszuwählen, und das nur, weil Ihnen die Personen nicht passen, weil sie nicht Ihre Einstellung haben und vor allem weil Sie auf die Be­stellung keinen Einfluss haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich würde Sie dringend bitten, zu verstehen, dass es eine Regierung gibt, die etwas tut, die Dinge umsetzt und die Österreich weiterbringen will. Dazu bedient sie sich Perso­nen, die qualifiziert sind, auch wenn sie nicht Ihre politische Einstellung haben. – Ich würde Sie bitten, das in Zukunft zu akzeptieren. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!)

20.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete Graf. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Herr oder Frau? Es gibt ja mehrere Grafs da! Abg. Martin Graf auf dem Weg zum Rednerpult : Es gibt ja mehrere Grafs, ja, aber einer da­von!)


20.42.16

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich hab mich schon angesprochen gefühlt; wir gewöhnen uns daran, dass es mehr als einen Abgeordneten mit dem Namen Graf gibt.

Zu den Ausführungen des Kollegen Noll: Mir gefällt es ja, dass er sich immer wieder zu Wort meldet – meistens in universitären oder akademischen Fragen, meistens, wenn


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es darum geht, etwas Ideologie zu versprühen –, denn er bringt in dieses Hohe Haus wenigstens noch hin und wieder auch Politik hinein, und hier ist ja der Hort der Politik. (Ui-Rufe bei der FPÖ.)

Wenn ich mir zum Beispiel die anschaue, die vor Ihnen sitzen, die ständig nur versach­lichen, entideologisieren und Ähnliches tun (Heiterkeit der Abg. Bißmann), gefällt mir das doch ganz gut, was Sie da gesagt haben, und ich möchte jetzt auch kurz dazu Stellung nehmen. Holen wir ein bissel aus!

Das heute vorliegende Gesetz ist im Wesentlichen aus dem Jahr 2002, beschlossen nach einem sehr, sehr langen Prozess, der eigentlich, wenn wir es so sehen wollen, seit 1975 – seit dem UOG 1975 – im Gange war, als man die ersten Schritte gemacht hat und eigentlich schon Autonomie an die Universität bringen wollte. Autonomie nicht falsch verstanden, weil es echte Autonomie, da sind wir uns ja hoffentlich alle einig, nur dann gäbe, wenn man sich auch frei und selbst finanzieren würde. Das ist aber genau nicht der Fall, daher muss man da auch Kompromisse eingehen.

Es war ein langer Prozess, der dann 1993 mit einer Teilautonomie und einem UOG 1993 geendet hat, also 18 Jahre Prozess bis zur Teilautonomie, weil man sich damals noch nicht zu einer „Vollautonomie“ – unter Anführungszeichen –, wie wir sie heute verste­hen, durchringen konnte.

Dann hat es einen Prozess gegeben, der neun Jahre gedauert hat, mit unzähligen Dis­kussionen. Ich kann mich noch erinnern, dass im Jahr 1997 ein Wissenschaftsminister Einem, der sehr ideologisch geprägt war, einen Autonomieentwurf ausgeschickt hat, den die SPÖ gemeinsam mit den Grünen akkordiert und vorgeschlagen hat. In diesem Entwurf des Herrn Einem war im Universitätsrat überhaupt kein einziger Vertreter vor­gesehen, der durch den Senat bestimmt worden wäre.

Gott sei Dank gab es dann 2000 die erste Wende, wenn man das so will, und man hat im Zuge dessen die Universitäten stärker berücksichtigt, als es vielleicht unsere Zen­tralisten von der SPÖ und letztlich auch von den Grünen vorgesehen haben. Wir sind nach langen und vielen Diskussionen und Begutachtungen 2002 wohlweislich zu dem Entschluss gekommen, dass wir die Autonomie im Wesentlichen so bewerkstelligen, wie sie heute vorliegt, und das ist auch gut so. Vieles ist ja schon gesagt worden.

Der Prozess hat lange gedauert, und jetzt hält das Ganze im Wesentlichen schon 16 Jah­re, von 2002 bis 2018, also es war wohl ein ganz, ganz gutes Werk, das natürlich im­mer wieder an neue Gegebenheiten angepasst werden muss, wie wir das jetzt in ver­schiedenen Bereichen sehen, aber im Wesentlichen hält die Grundsystematik bis heu­te, also war sie ganz gut. Es hat auch nur zweimal Aufregungen wegen der Entsen­dung von Universitätsräten gegeben, und zwar immer dann, wenn auch die Freiheitli­chen in einer Regierung sitzen – das ist leicht durchschaubar –, weil Sie als ein Anwalt einer Gruppierung fungieren, die in Wirklichkeit aus einer Gruppe revolutionärer Mar­xisten besteht – heute würde man sagen: Gruppe revolutionärer Machisten –, und da wol­len Sie natürlich mehr Ideologie hineinbringen. (Zwischenruf des Abg. Noll.)

Und dann berufen Sie sich auf Menschen, die im Namen der Universitätenkonferenz einen Brief schreiben, und wie sich nachher herausstellt, hat die Präsidentin der Uni­versitätenkonferenz das überhaupt nicht in der Universitätenkonferenz abgestimmt. Das heißt, es war ein Alleingang. Hätte das umgekehrt irgendein Freiheitlicher ge­macht – in dem Fall war es die Frau Blimlinger, die ja den Grünen zuzuordnen ist, da­von sind Sie ja nicht ganz weit weg (Abg. Noll macht eine abwehrende Bewegung mit beiden Händen) –, dann hätten Sie sich wahrscheinlich auch darüber beschwert, dass das nicht abgestimmt wurde, was da nach außen geschickt wurde. Darüber könnte man lange reden, ob wir in der Folge solche Vertreter in der Universitätenkonferenz überhaupt brauchen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Da Sie zweitens oft von Qualifikationen sprechen: Schauen wir uns einmal die Qualifi­kation einer Frau Rektorin Blimlinger an! Matura mit 18 Jahren, dann eine kaufmänni­sche Ausbildung in der Tabaktrafik (Heiterkeit bei der FPÖ) ihres Vaters und Bruders. Dort war sie Kauffrau und hat wahrscheinlich ein Riesenmanagement geleitet; sie hat dort einige Jahre gearbeitet. Danach ist sie, weil die Grünen entstanden sind, weiter­gekommen und hat sich als Gleichbehandlungsbeauftragte der Rektorenkonferenz ver-dingt und verdient gemacht, also ein Ausweis. Sie hat ein Studium abgeschlossen: Ma­gisterium; Sie hätten jetzt wahrscheinlich gesagt: nicht qualifiziert, weil in ihrem Leben nicht einmal eine wissenschaftliche Arbeit geleistet, kein Doktorat! – Wie kann so je­mand Rektor werden?, könnte man vielleicht fragen, aber das ist die Frau Blimlinger; in unserem Land ist alles möglich, solange es von der linken Seite kommt.

Dann ist sie ins Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule für angewandte Kunst ge­wechselt, später Rektorin an dieser Universität geworden und wahrscheinlich, weil of­fensichtlich niemand sonst einen administrativen Aufwand auf sich nehmen wollte, so­gar Präsidentin der Universitätenkonferenz. Und diese Dame mit dieser ausgewiese­nen wissenschaftlichen Expertise einer kaufmännischen Ausbildung in einer Tabaktra­fik richtet uns aus, wer qualifiziert ist?! (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der FPÖ: Uner­hört!)

Und darauf berufen Sie sich? Und dann bringen Sie auch noch einen solchen Antrag ein? Der Herr Bundesminister hat alles sehr vornehm ausgedrückt: Das ist ein rein ideologisch motivierter Antrag in der Anlassform, weil Ihnen und Ihren Freunden einige Leute ideologisch nicht ins Konzept passen. – Diese Zeit haben wir Gott sei Dank schon überwunden.

Ich habe Ihnen aber auch gesagt, Sie werden sich weiter bemühen, die Mehrheit in diesem Haus zu bekommen. Ich gehe davon aus, dass das lange nicht der Fall sein wird, und damit sind – Gott sei Dank – die revolutionären Marxisten noch lange von der exekutiven Gewalt in diesem Land ferngehalten, und das ist gut so.

Am Ende zitiere ich den deutschen Bundeskanzler Schmidt, der ja nicht unbedingt von meiner Fraktion ist (Zwischenruf des Abg. Kern) – mittlerweile ist er ja leider verstor­ben –, aber er war langjähriger Bundeskanzler. Der hat einmal gesagt, und das passt auch immer gut: Wissen Sie, die Linken – und dazu zähle ich auch den Kollegen Noll (Abg. Noll: Zu Recht!) – bestreiten ja bekanntlich alles, mit Ausnahme ihres eigenen Unterhaltes. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.50

20.50.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Nun kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz geändert wird, in 248 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfs abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Streichung der Ziffer 6 und des Absatzes 57 in Ziffer 7 eingebracht.


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Wer hiefür stimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fas­sung des Ausschussberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem auch in dritter Lesung die Zustimmung ertei­len, um ein Zeichen. – Das ist gegeben, und daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Wissen­schaftsausschusses, seinen Bericht 249 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen und ange­nommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Wis­senschaftsausschusses, seinen Bericht 250 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen bitten. – Das ist die Mehrheit und damit ist der Antrag angenommen.

20.53.1920. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 278/A(E) der Abgeord­neten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Akkre­ditierung und Audit von Studiengängen an Fachhochschulen (251 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 20 der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenberger, dem ich dieses erteilen darf.


20.54.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Sehr konsen­sual verlaufen ist in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses die Debatte zum Tagesordnungspunkt betreffend die Akkreditierungsverfahren von FH-Studiengän­gen. Danke auch dafür, dass wir es zustande gebracht haben, einen fraktionsübergrei­fenden, einheitlichen Abänderungsantrag zu formulieren.

Formulare auszufüllen, Berichte zu schreiben, Fragebögen anzukreuzen und Vor-Ort-Kontrollen abzuhandeln ist in unserem Berufsleben unser täglich Brot, und anschlie­ßend mehr oder weniger lang auf eine Genehmigung zu warten. Das ist das Thema, mit dem wir im Berufsleben zu tun haben, und darum geht es auch bei diesem Akkre­ditierungsverfahren.


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Die Akkreditierung von Fachhochschulstudiengängen dauert circa neun Monate. Alle sieben Jahre ist ein Audit des gesamten Qualitätsmanagementsystems der Fachhoch­schulen nötig, das circa ein bis eineinhalb Jahre dauert. Es wird durchgeführt von der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria, AQ Austria genannt, und derzeit werden die Verfahren und die Richtlinien für diese Akkreditierung und für diese Audits einer Überarbeitung unterzogen. Die entsprechenden Stellungnahmen der Fach­hochschulkonferenz und der Privatuniversitätenkonferenz werden eingearbeitet, und in diesem Sommer ist dann mit neuen Richtlinien zu rechnen.

So kurz, einfach und unbürokratisch wie möglich, aber so genau, streng und detailliert wie nötig: Darum geht es bei diesen Richtlinien und bei diesen Akkreditierungsverfah­ren; einerseits, damit die Fachhochschulträger unbürokratisch, einfach und gut arbeiten können, und andererseits, damit die Qualität entsprechend gesichert ist.

Der Fachhochschulausbau, wie er vorgesehen ist, soll auch durch diese Akkreditie­rungsverfahren nicht behindert werden, und es ist auch vorgesehen, dass sich die Fachhochschulen, die seit 1994 wirklich eine Erfolgsgeschichte hingelegt haben, auch entsprechend weiterentwickeln können.

Was ist das Merkmal oder was sind die Kriterien des Erfolges? – Geringe Drop-out-Ra­ten, eine sehr kurze Studiendauer und eine enge Verbindung mit der Wirtschaft, meis­tens auch regional, und das alles trotz Zugangsbeschränkungen und Aufnahmeverfah­ren und zum Großteil moderater Studiengebühren. Wir sehen, dass die soziale Durch­mischung im Fachhochschulsystem wesentlich höher als an den Universitäten ist – dort, wo all die Dinge, die ich aufgezählt habe, meistens als Teufelszeug angesehen wer­den.

Es hat sich in letzter Zeit auch Sorge um die Vorlage des Fachhochschulentwick­lungsplans gezeigt, wobei dieser in Arbeit ist und dann auch veröffentlicht wird. Auch seitens des Budgets kann weitergearbeitet werden: Das Doppelbudget wurde be­schlossen, 450 neue Studienplätze werden im Herbst des heurigen Jahres in Betrieb genommen werden. Auch da können die Fachhochschulen mit berechenbaren Rah­menbedingungen entsprechend weiterarbeiten.

Auch im Regierungsprogramm ist für die quantitative Ausweitung des Fachhochschul­systems vorgesorgt. Die längerfristige Zielgröße umfasst 60 000 Studienplätze; derzeit sind wir bei 50 000.

Da wir ständig erleben, dass das Regierungsprogramm Punkt für Punkt abgearbeitet wird, werden auch die Fachhochschulen einer guten, prosperierenden Zukunft entgegen­gehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Gamon.)

20.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Kassegger. – Bitte.


20.58.13

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Da Kollege Rosenberger inhaltlich schon das Wesentliche dieses Antrages erklärt hat und ich nicht redundant sein will, erspare ich mir das und möchte auf einen anderen Punkt hinweisen, nämlich jenen, bei dem es um die parlamenta­rische Zusammenarbeit und den Umgang der Regierungsparteien mit der Opposition geht und um den Umgang in den Ausschüssen.

Wir erinnern uns, es ist der Wunsch, das ist vielleicht nicht der ganz richtige Ausdruck, oder das Begehren beziehungsweise die Forderung der Oppositionsparteien zu Beginn dieser Gesetzgebungsperiode an die Regierungsfraktionen geäußert worden, nicht alle Anträge der Oppositionsparteien in den Ausschüssen zu vertagen und damit zu schub-


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ladisieren, sondern sich mit einer möglichst hohen Zahl an Anträgen auch inhaltlich auseinanderzusetzen, diese zur Abstimmung und damit zu einer weiteren Diskussion hier im Plenum zu bringen.

Genau das haben wir in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses gemacht, insoweit als dass von sechs Tagesordnungspunkten, die grundsätzlich für das Plenum zugänglich gewesen wären, vier tatsächlich ihren Weg ins Plenum gefunden haben, was natürlich nicht heißt – wir haben gerade über den Antrag des Kollegen Noll disku­tiert –, dass die Regierungsfraktionen allen Anträgen zustimmen, aber der konkret vor­liegende Antrag der Kollegin Gamon findet sogar die Zustimmung aller Parteien.

Was will ich damit sagen? – Es gibt durchaus Bereiche und Ausschüsse – und das hätte ich auch gern im Protokoll und das ist somit auch im Protokoll –, in denen eben dieser neue – ich will das Wort jetzt nicht bemühen – Umgang der Regierungsparteien, der respektvolle Umgang der Regierungsparteien mit der Opposition tatsächlich auch gelebt wird. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und NEOS. – Abg. Rosenkranz: Das liegt am guten Vorsitzenden!)

20.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ga­mon. – Bitte.


21.00.23

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Differenzierung zwischen Universitäten und Fachhochschu­len ist meiner Meinung nach ein großer Vorteil unseres Hochschulsystems. Die FHs sind in vielen Bereichen auch sehr viel näher an der Nachfrage, die vonseiten des Ar­beitsmarktes kommt, und sie haben ja auch die Möglichkeit, schlanker, flexibler, le­bensnaher auf die Dynamik, auf Trends eingehen zu können. Deshalb sind wir ja auch alle der Meinung, dass der Fachhochschulsektor massiv ausgebaut werden soll.

Aber: Es kann bis zu zwei Jahre dauern, bis ein neuer Studiengang an einer FH ange­boten werden kann. Das ist zu lange, würde ich sagen. Es ist schon erwähnt worden, neun Monate dauert die Akkreditierung durch die AQ Austria. Zusätzlich dazu gibt es auch noch einen externen Audit des Qualitätsmanagements, der alle sieben Jahre stattfinden muss. Der dauert dann ein bis eineinhalb Jahre. Das ist eine sehr schmerz­hafte Doppelgleisigkeit, denn die Prüfbereiche von Audit und Akkreditierung überlap­pen sich in hohem Maße.

Wir sagen, dass die Ausgestaltung der externen Qualitätskontrolle neu aufgesetzt wer­den muss, um mehr Flexibilität zu ermöglichen. Die Änderung der Rahmenbedingun­gen würde ja letztendlich auch diesen FH-Ausbauplänen zugutekommen, weil die der­zeitige Regelung sehr bürokratisch ist. Wir glauben, wenn man da ein paar Formalis­men abbaut, könnte auch der Ausbau des FH-Sektors wesentlich schneller vorange­hen. Deshalb sind wir auch zu dieser gemeinsamen Entschließung gekommen – was mich sehr freut –, in der es um eine Evaluierung und Reform der Akkreditierungsver­fahren und Auditverfahren mit dem Ziel geht, schlussendlich die Rahmenbedingungen für eine flexible und rasche Anpassung beziehungsweise den Ausbau des FH-Studien­angebots zu optimieren.

Ich glaube, das ist jetzt aber auch eine gute Gelegenheit, grundsätzlich über den FH-Sektor zu reden. Der Wissenschaftsrat hatte sich 2012 ja 80 000 beziehungsweise idealerweise 120 000 Plätze bis 2030 gewünscht. Präsident Loprieno hat auch gesagt, dass es notwendig sein wird, zu fokussieren, wenn uns Bildung und Wissenschaft wichtig sind. Ein Kriterium soll dabei weder die Vertiefung in Richtung einer an Phä­nomenen orientierten Grundlagenforschung noch das Vertiefen in Richtung einer an­wendungsorientierten Forschung sein. Was heißt das? – Die typologischen Grenzen im


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Hochschulbereich haben keine Zukunft, das heißt, die FHs sind angekommen. Das ist etwas, das – und das weiß ich natürlich – viele im Universitätssystem noch manchmal ein wenig kränkt.

Ich glaube aber, dass die Grenzen zu den Unis eben nicht mehr so dogmatisch gese­hen werden dürfen: Gerade dort, wo es vermehrt Kooperation zwischen den Sektoren gibt, ist man sehr erfolgreich, und das bietet uns auch Möglichkeiten, zukünftig eine wirklich positive Entwicklung des Hochschulraums voranzutreiben. Da spielen die FHs eine ganz wichtige Rolle. Deshalb freut es mich besonders, dass wir diesen Antrag heute beschließen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Schwarz.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Faßmann. – Bitte.


21.03.29

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Gamon, Akkreditierungen sind natür­lich ernsthafte Angelegenheiten. Und ich sage jetzt auch einige Worte zur Begründung, warum es manchmal ein bisschen länger braucht: Akkreditierungen garantieren stu­dierwilligen Personen, dass ein versprochener Studiengang auch wirklich die Qualität bereitstellt, die versprochen wird.

Akkreditierungen sind auch im internationalen Vergleich sehr wichtig, denn wenn ich weiß, dass auch ausländische Studiengänge nach einem, wenn Sie wollen, europäi­schen Muster der Akkreditierung und der Qualitätssicherung genehmigt sind, dann kann ich meine Studierenden hinausschicken, sie wieder empfangen und mir sicher sein, dass die Studienleistungen, die im Ausland erbracht worden sind, Qualität besitzen. Ak­kreditierungen und Auditierungen sind also wichtige Angelegenheiten, und AQ Austria ist daher auch eine sehr wichtige Institution.

Aber Sie haben natürlich vollkommen recht: Das Bessere ist des Guten Feind. Und wenn wir entdecken, dass Akkreditierungsprozeduren für Studiengänge zu lang sind, zu bürokratisch sind, dann wird man das ändern, ohne jedoch auf das Wesentliche zu vergessen, nämlich dabei Qualität zu überprüfen.

Wir führen die Diskussionen mit den Fachhochschulen. Unser Haus überlegt auch, wie man hier bestimmte Vereinfachungen durchführen kann. Die Universitäten – das muss ich auch gleich betonen – sind nicht gekränkt wegen der Fachhochschulen. Die Univer­sitäten sind reif genug, um zu erkennen, dass das eine wertvolle, komplementäre Form im tertiären Bereich ist. Ich sage gar nicht Ergänzung, sondern es ist ein eigenstän­diger Bereich im tertiären Sektor mit einer anderen Aufgabe, mit einer anderen Zielvor­stellung und auch – wenn Sie so wollen – mit einem anderen studentischen Publikum. Dieser Bereich ist längst etabliert und wird nicht infrage gestellt. Wir sind beim Ausbau, auch das ist keine Frage. Wir entwickeln den Fachhochschulentwicklungs- und Finan­zierungsplan. Wir brauchen nur mehr eine Kleinigkeit – und die Kleinigkeit heißt Zu­stimmung des Finanzministeriums –, und dann sind wir auch dort, wo wir gemeinsam – glaube ich – hinwollen.

Ihr Antrag ist also wichtig, ich nehme das gerne auf und kann Ihnen versprechen, dass wir ihn auch mit Qualität sozusagen ausfüllen werden. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)


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21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofin­ger. – Bitte.


21.06.27

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Abänderungsantrag beschäftigt sich mit der Akkreditierung, also mit der Anerkennung von neuen Studienlehrgängen, und mit der Weiterentwicklung unseres Qualitätsmanagements von Fachhochschulen. Grund­sätzlich möchte ich hier aber, nachdem ja schon sehr viel gesagt worden ist, zu den Fach­hochschulen an sich etwas sagen: Es ist ein Erfolgsmodell, wie es seinesgleichen sucht. Seit 1995 haben wir sehr viele Absolventen an diesen Fachhochschulen. Wir ha­ben zurzeit 51 000 Studierende an den Fachhochschulen, es gibt 14 000 Abgänger pro Jahr. Das spricht, glaube ich, für sich.

Wir haben immer bessere Studienlehrgänge, die sich immer besser an die Wirtschaft anpassen, und daher haben wir da immer weiter steigende Studentenzahlen. Genau deswegen investiert die Regierung in die Fachhochschulen, genauso wie sie in der Ver­gangenheit das Budget der Universitäten angehoben hat. (Abg. Kucher: Das ist neu! Das ist spannend!)

Die Wirtschaftswelt, die ändert sich ständig. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ku­cher.) Genau da ist das Bildungssystem gefragt, Schritt zu halten. Und jeder, der hier herinnen sitzt, aber auch draußen Firmenbesuche macht, hört immer das Gleiche: Es geht um die Facharbeitskräfte. – Deshalb wird jeder Absolvent einer solchen Fach­hochschule händeringend gesucht, um in den Firmen einzusteigen. Deshalb ist es, glaube ich, ganz, ganz wichtig, dass wir genau diesen Bereich, den Bereich der Fach­hochschulen ausbauen.

Wenn ich an mein Heimatbundesland Oberösterreich denke: Wir investieren auch in Oberösterreich sehr viel – 20 Millionen Euro in neue Labor- und Verwaltungsgebäude –; das sind Investitionen in die Zukunft, das sind Investitionen in eine vorausschauende Standortpolitik.

Um diesen schnellen Entwicklungen entsprechen zu können, ist es natürlich wichtig, auch bei den Akkreditierungen und bei den Audits des Qualitätsmanagements Anpas­sungen vorzunehmen; denn diese Akkreditierungen dauern einfach zu lange. Da müs­sen wir flexibleres Handeln ermöglichen. Daher hat unser Bundesminister Faßmann 2017 einen Diskussionsprozess gestartet und führt ihn auch weiter. Ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ku­cher. – Bitte.


21.09.11

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Martin Graf: Nachwuchstalent! – Ruf bei der FPÖ: Ganz ruhig!) Wir brauchen, glaube ich, gar nicht lange darüber zu diskutieren: Ja, selbstver­ständlich sind wir dafür, dass wir die Akkreditierung von Fachhochschulstudiengängen evaluieren und in diesem Bereich auch besser werden. Nur geht der Antrag in der Form ein bisschen am Problem vorbei. Was helfen denn die besten Studiengänge, wenn die Fachhochschulen kein Geld dafür haben?

Ich darf nur in Erinnerung rufen, dass vor einer Woche der Präsident der Fachhoch­schulkonferenz einen Hilferuf an die Politik abgesendet hat. Ich darf diesbezüglich nur darum bitten, dass wir das ernst nehmen. Der Präsident der Fachhochschulkonferenz hat Bundeskanzler Kurz, der darum gebeten hat, man möge die Bundesregierung an ihren Taten messen, ganz offen Folgendes geschrieben: „Wir würden das gerne tun, nur fehlen im Bereich der Fachhochschulen jedwede Taten, an denen wir die Politik messen könnten“.


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Das heißt, die Sonntagsreden helfen uns gar nicht. Wir können weiter herumevaluie­ren. Wenn es kein Geld für den Ausbau der Fachhochschulen gibt, dann kann man nicht mehr machen. Es gibt 20 000 Studienplätze weniger im Bereich der Universitä­ten. Der Grund dafür waren die Zugangsbeschränkungen. Wir werden also im Bereich der Fachhochschulen ordentlich Gas geben müssen.

Ich darf im Namen der Abgeordneten Andrea Kuntzl folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage ei­nes Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplanes für die Studienjahre 2019/2020“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, ehestmög­lich einen Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan für die Studienjahre ab 2019/2020 vorzulegen, um so einen raschen Ausbau des FH-Studienangebotes zu ge­währleisten.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

21.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Unselbständiger Entschließungsantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag.a Andrea Kuntzl, Genossinnen und Genossen betreffend Vor­lage eines Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplanes für die Studienjah-
re 2019/2020

eingebracht im Zuge der Debatte um den Antrag 278/A(E) der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Akkreditierung und Audit von Studiengängen an Fachhochschulen

Eine wesentliche Voraussetzung für die Akkreditierung eines neuen Studienganges durch die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ Austria) ist die entsprechende finanzielle Bedeckung und Planung durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Zeitliche Problemstellungen ergaben sich in der Vergangenheit meist dadurch, dass die Finanzierungszusagen des Bundes erst sehr spät erfolgt sind. Erst danach sind Bedarfs- und Akzeptanzstudien für neue Studien­gänge durch die Fachhochschulen und die Bearbeitung der Anträge im Rahmen der AQ Austria möglich. Daher erscheint als Hauptgrund für die Verzögerungen bei der Schaffung neuer Fachhochschulgänge der fehlende Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan und die damit verbundene Planungsunsicherheit.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, ehestmög­lich einen Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplan für die Studienjahre ab 2019/2020 vorzulegen, um so einen raschen Ausbau des FH-Studienangebotes zu ge­währleisten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatterin wünscht ein Schlusswort. – Bitte.


21.10.59

Berichterstatterin Claudia Gamon, MSc (WU) (Schlusswort): Auf die Gefahr hin, dass das das erste und letzte Mal ist, dass ich Berichterstatterin zu einem Antrag bin, möch­te ich dieses parlamentarische Instrument reaktivieren. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, meinen KollegInnen im Wissenschaftsausschuss für die konstruktive Zusammenarbeit und den wertschätzenden Umgang zu danken – nicht nur in dieser, aber vor allem auch in dieser Sache.

Es ist dies ein gutes, wenn auch seltenes, aber vielleicht das erste von vielen Zeichen, die wir für aktiven Parlamentarismus setzen können. Deshalb noch einmal ein großes Dankeschön an die KollegInnen, die der Idee positiv gegenübergestanden sind und zur Verbesserung von Akkreditierung und Audits an den FHs beitragen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und SPÖ.)

21.11.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 251 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend - - (Un­ruhe im Saal.) Darf ich ganz kurz - - (Weiterhin Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 251 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Akkreditierung und Audit von Studiengän­gen an Fachhochschulen“.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. (E 28)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorlage eines Fachschulentwick­lungs- und Finanzierungsplanes für die Studienjahre 2019/2020“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, daher ist der Antrag abgelehnt.

21.13.0021. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petition Nr. 1 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 22, 30, 40 und 41 (224 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 21.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofinger. – Bitte.


21.13.24

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Vor allem aber auch liebe Zuseher, die via Fernseher und Live-


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stream bei uns dabei sind! Wir haben im letzten Petitionsausschuss 22 Bürgeranliegen behandelt, zu 14 haben wir Stellungnahmen eingeholt, bei drei haben wir die Verta­gung beantragt, zwei Bürgerinitiativen wurden anderen parlamentarischen Ausschüs­sen zugewiesen und zwei Bürgerinitiativen wurden aufgrund der Erledigung zur Kennt­nis genommen.

All diese Beschlüsse wurden, über alle Fraktionsgrenzen hinweg, einstimmig gefasst. Das ist, glaube ich, ein sehr gutes Zeichen, und zwar auch für die Bürger, die mit die­sen Anliegen zu uns kommen, mit dem Ziel, dass wir sie wirklich ernst nehmen und Ausschüssen zuweisen, in denen sie dann fachlich sehr gut behandelt werden.

Ich möchte diese Chance, wenn ich schon am Wort bin, dazu nützen, einer Bürgerini­tiative und einer Petition mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ich möchte eine Bürger­initiative herausgreifen, die da heißt: „Schutz der europäischen Stahlindustrie & Indus­triearbeitsplätze“, eingebracht vom ehemaligen Nationalrat Rainer Wimmer. Er fordert darin, auf europäischer Ebene den Kampf gegen Dumpingimporte zu verschärfen und der Volksrepublik China erst dann den Status der Marktwirtschaft im Rahmen der WTO zuzuerkennen, wenn sie auch die entsprechenden EU-Kriterien erfüllt.

Es wurden hierzu viele Stellungnahmen eingeholt, und schlussendlich haben wir die­ses Anliegen an den Wirtschaftsausschuss zugewiesen. 23 000 BürgerInnen haben es unterstützt. Ich glaube, das ist schon ein großer Erfolg, und es ist auch in unserem Sinne, hier dieser Bürgerinitiative die entsprechende Bedeutung beizumessen. Grund­sätzlich möchte ich die Bürgerinnen und Bürger aufrufen, dieses parlamentarische Ins­trument zu nutzen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich an Petitionen und Bürgerinitiativen zu beteiligen, etwa online über die Homepage des Parlaments.

Eine weitere Petition, die mir besonders am Herzen liegt, möchte ich auch kurz skiz­zieren. Es ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Anliegen – es kommt aus meinem Wahl­kreis, wo es um Integrationsklassen an Sonderschulen geht –, dass die Integrations­klassen bestehen bleiben sollen. Es gibt sehr engagierte Eltern, Pädagogen und Kin­der, die sich um die Beibehaltung dieser Integrationsklassen sehr bemühen. Sie haben uns auch besucht. Als der Petitionsausschuss tagte, kamen aus Oberösterreich 200 El­tern, Schüler und Pädagogen zum Heldenplatz und haben versucht, ihrem Anliegen nochmals Nachdruck zu verleihen. Sie waren da, um ihr Anliegen einbringen zu kön­nen. 30 000 Menschen haben diese Initiative schon unterstützt, und 4 727 Personen haben bis zum gestrigen Tag diese Petition online auf der Parlamentshomepage unter­schrieben.

Um dieses Anliegen bemühe ich mich auch persönlich sehr stark. Unser Bildungsmi­nister hat auch ein ConsultingBoard eingerichtet, wo unser ehemaliger Kollege Abge­ordneter Dr. Huainigg mit dabei ist. Man versucht in den nächsten Monaten eine Lö­sung zu finden, um die Integrationsklassen weiter bestehen lassen zu können.

In diesem Sinne rufe ich alle Bürger nochmals dazu auf, sich daran zu beteiligen. Wir im Petitionsausschuss bemühen uns sehr um ihre Anliegen, die wir dann – meistens einstimmig – an die einzelnen Ausschüsse zuweisen. Wie gesagt, wir hoffen auf eine rege Beteiligung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wagner. – Bitte.


21.17.39

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte mich zuerst bei allen Bürgern und Initiatoren bedanken, die mit ihren Petitionen und Bürger-


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initiativen die direkte Demokratie in Anspruch nehmen. Wir, die Freiheitliche Partei, un­terstützen das sehr, und ich freue mich als Fraktionsführer in diesem Ausschuss, die vielen Anliegen mitbearbeiten zu dürfen.

Ich möchte heute über eine Bürgerinitiative sprechen, die mich besonders nachdenk­lich gemacht hat, nämlich „Wissenschaftliche Arbeiten genderfrei!“. Die Europäische Union hat am 1. Mai 1999 Gender-Mainstreaming zu einem verbindlichen Prinzip erho­ben. Einfach gesagt versteht man darunter die Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau, natürlich unter Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Lebens­bedingungen und Interessen. Liebe Kollegen! Da haben wir definitiv über das Ziel hi­nausgeschossen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht schon lange nicht mehr um die Gleichstellung von Mann und Frau. Es geht vielmehr nur noch um die Durchsetzung einer pseudowissenschaftlichen Ideologie. Gen­dergerechtes Formulieren ist mittlerweile auf unseren Universitäten ein wesentliches Beurteilungskriterium für sämtliche wissenschaftlichen Arbeiten geworden. Wird nicht entsprechend formuliert, gibt es eben einen Minuspunkt und eine dementsprechend schlechtere Note. Viele Studenten meinen, wenn sie nicht gendergerecht formulieren, können sie höchstens mit einem Befriedigend auf ihre Arbeit rechnen.

Die Auswüchse, die das Gender-Mainstreaming annimmt, scheinen grenzenlos zu sein. Die Durchsetzung einer gendergerechten Formulierung ist vielmehr eine Schikane für unsere Schüler und Studenten und nimmt ihnen dadurch auch das Recht auf wissen­schaftliche Freiheit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In meinen Augen dient die Sprache der zwischenmenschlichen Verständigung, aber nicht der Durchsetzung partikulärer Interessen. Ich bin froh, dass dieses Anliegen dank dieser Bürgerinitiative dem Wissenschaftsausschuss zugewiesen wird.

Um ehrlich zu sein: Ich habe mich noch nie durch eine genderfreie Formulierung be­nachteiligt gefühlt. Und, meine Damen und Herren, welcher Frau hat das Binnen-I zu einem besseren Job verholfen? Ich kenne keine einzige. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

21.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bern­hard. – Bitte.


21.20.39

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Nach meiner Vorrednerin begrüße ich Sie wieder im 21. Jahrhundert. (Bei­fall bei NEOS und SPÖ.)

Der Petitionsausschuss hat mittlerweile eine sehr lange Vergangenheit in unserem Ho­hen Haus – kann man sagen – und er hat natürlich wie immer eine Art Spiegelfunktion in der Gesellschaft. All jene Anliegen, die die Menschen tatsächlich beschäftigen, die uns auch im Hohen Haus beschäftigen, die zu intensiven Debatten führen, führen auch zu intensiven Debatten im Petitionsausschuss. Man kann auch sagen, dass das – das würde ich jetzt einmal so in den Raum stellen – in der letzten Periode durchaus leben­diger war als in der dieser Periode.

Ganz im Allgemeinen: Welche Themen haben wir im letzten Petitionsausschuss be­handelt? Ins Auge gestochen ist einerseits das Thema Don’t smoke, also die Petition, die sich mit dem Nichtraucherschutz beschäftigt hat. Diese wurde an den Gesundheits­ausschuss zugewiesen, und zwar einstimmig, mit der Unterstützung aller Fraktionen, allerdings muss man schon auch sagen: reichlich spät! Denn: Die Petition war da, und der Petitionsausschuss hätte diese rechtzeitig an den Gesundheitsausschuss zuwei­sen können. Man hat sich aber damals mehrheitlich darauf verständigt, dass man zu-


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sätzliche Stellungnahmen einholen möchte und Betreiber der Petition, also die Bürge­rinnen und Bürger, nicht direkt im Gesundheitsausschuss zur rechten Zeit anhört. Da zu sagen, es sei eine einstimmige Entscheidung, ist ein bisschen – na, sagen wir es einmal so – dreist.

Das andere Thema, das mich beschäftigt hat, ist das Postverteilerzentrum in Korneu­burg. Das hört sich sehr regional an, ist auch sehr regional. Es ist aber auch ein per­fektes Beispiel dafür, wie wir Parlamentarismus richtig leben können, wenn wir wollen: dass Menschen und Parlament, Bürgerinnen und Bürger und Parlament, interagieren, sodass tatsächlich auch ein Diskurs entsteht. Dazu müssen wir aber die Themen, die die Menschen im Alltag beschäftigen, auch ins Hohe Haus hereinholen.

Bei diesem Postverteilerzentrum ging es darum, dass einerseits Umweltschutzbeden­ken im Vordergrund gestanden haben, weil ein Logistikzentrum zwischen zwei Natu-
ra-2000-Gebieten, in einem Feinstaubgebiet positioniert worden wäre. Das heißt, man hatte tatsächlich sehr konkrete Bedenken, dass Schaden für Mensch, Tier und Umwelt entstehen können.

Es gab dann die niederösterreichische Landtagswahl. Diese Bürgerinitiative war sehr laut, die jetzige niederösterreichische Landeshauptfrau hat damals in Aussicht gestellt, dass dieses Logistikzentrum nicht gebaut wird. Mit diesem Argument hat man auch die Oppositionsparteien in die Schranken gewiesen, und man hat einer Stellungnahme durch das Land Niederösterreich nicht zugestimmt. Das wäre aber von großer Bedeu­tung gewesen, denn die Post hatte nach wie vor eine einjährige Option, mit dem Bau zu beginnen. Das Thema ist noch nicht vom Tisch.

Das bringt mich jetzt auch schon zum eigentlich zentralen Thema des Petitionsaus­schusses. Ich habe es schon öfter, aber ich glaube, in dieser Periode noch nicht in die­ser Deutlichkeit gesagt: Der Petitionsausschuss funktioniert derzeit nur so gut, wie der Wille im Hohen Haus ist. Der Wille im Hohen Haus ist derzeit sehr eingeschränkt.

Man nimmt Themen, man weist sie zu, man versucht, die Debatte auf das Minimum zu reduzieren, man hört die Bürgerinnen und Bürger aber nicht. In der letzten Periode hat das besser funktioniert, weil es eine mehrheitliche Meinung gegeben hat. Wenn wir wollen, dass der Petitionsausschuss tatsächlich funktioniert, dann müssen wir das, was derzeit tatsächlich ein Gutdünken der Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist, zu einem Recht der Bürgerinnen und Bürger machen.

Wir müssen – und das ist auch ein Antrag, den ich heute zum Geschäftsordnungsge­setz eingebracht habe – den Petitionsausschuss von Grund auf neu denken. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen in Frage gestellt wird – und damit meine ich ausnahmswei­se nicht die schwarz-blaue Regierung, sondern ganz Europa –, ob Demokratie und der Parlamentarismus funktionieren, sind Instrumente wie der Petitionsausschuss eine Möglichkeit, das Vertrauen in die Politik zu stärken und Menschen einzubinden.

Das funktioniert mit dem Petitionsausschuss, so wie er heute gestaltet ist, nicht. Was beinhaltet mein Antrag für eine solche Reform? – Er beinhaltet einerseits, dass es eine Internetplattform gibt, auf der tatsächlich eine Debatte zu den einzelnen Petitionen und parlamentarischen Bürgerinitiativen stattfinden kann.

Die Kollegen der Freiheitlichen Partei haben das in der letzten Periode noch sehr gut gefunden. Wir wissen, dass eine digitale Debatte wesentlich dazu beitragen kann, das Stimmungsbild der Bevölkerung gut abzubilden. Eine solche Plattform ist beispielswei­se im Deutschen Bundestag seit Jahr und Tag im Einsatz.

Ein zweiter Punkt, den mein Reformvorschlag beinhaltet, ist tatsächlich, dass 500 Un­terschriften für eine parlamentarische Bürgerinitiative dem Parlament nicht mehr phy­sisch übergeben werden müssen, sondern dass eine digitale Signatur reicht. Das ist im


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21. Jahrhundert, wenn das durch Sicherheitsmaßnahmen ausreichend gedeckt ist, durch­aus möglich. Auch das gibt es in mehreren Staaten, beispielsweise in Luxemburg.

Ein weiterer Punkt, in dem der Petitionsausschuss aus heutiger Sicht gegenüber allen anderen Ausschüssen im Hohen Haus benachteiligt ist, ist der Umstand, dass Minis­terien nicht antworten müssen. Wenn ein Abgeordneter eine Anfrage an ein Ministe­rium stellt, ist es so, dass man binnen acht Wochen eine Antwort zu erhalten hat. Wenn der Petitionsausschuss um eine Stellungnahme bittet, dann kann das Ministe­rium antworten, muss aber nicht. Es ist in der Vergangenheit öfter passiert, dass das drei oder vier Monate gedauert hat, ganz unabhängig von der Parteifarbe.

Der letzte Punkt ist der – und das ist auch aus meiner Perspektive heraus ganz sicher-lich der wichtigste –, dass es die Möglichkeit gibt, dass Bürgerinnen und Bürger ab ei­ner bestimmten Anzahl von Unterschriften auch im Petitionsausschuss gehört werden. Mir persönlich schwebt die Zahl von 5 000 Unterschriften vor. Natürlich bin ich in Be­zug auf die Größenordnung jederzeit verhandlungsbereit, aber wenn wir das Hohe Haus und den Petitionsausschuss ernsthaft mit Leben erfüllen wollen und wenn wir den Konnex zwischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern und Bürgerinnen und Bürgern auch stärken wollen, dann wäre es ein erster, gewichtiger Schritt, dass man sagt: Jene Petitionen oder jene Bürgerinitiativen, die ausreichend Unterstützung ha­ben, präsentieren ihre Anliegen innerhalb von 10 Minuten vor dem Ausschuss und ha-ben damit unter Umständen auch die Möglichkeit auf eine fünfminütige Debatte mit den Abgeordneten. Das wäre für Österreich revolutionär. Im Rest von Europa, zumindest in West- und Mitteleuropa, ist das schon gang und gäbe.

Ich bitte Sie, diesen Antrag, wenn wir ihn im Geschäftsordnungsausschuss behandeln, mit Wohlwollen zu unterstützen und etwaige andere Reformvorschläge mit auf den Tisch zu bringen.

Der Petitionsausschuss wurde in den Siebzigerjahren gegründet, er hat seit den frühen Nullerjahren keine ernsthafte Reform mehr erlebt. Die Welt hat sich gewandelt, die Menschen in dieser Welt auch, und der Ausschuss sollte es, wie ich finde, ebenfalls tun. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch.)

21.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.


21.28.05

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Frau Kollegin Wagner, nur zu Ihrer Information: Wenn Sie mich mit Fraktionsführer ansprechen, fühle ich mich nicht angesprochen und werde nicht auf Sie reagieren. Aber das ist jetzt eine andere Debatte. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Wagner: Ich habe Sie nicht angesprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es geht bei diesem Thema nicht um Schikane, sondern um gesellschaftliche Entwicklun­gen und das 21. Jahrhundert.

Ich spreche jetzt über ein anderes Thema, und zwar über eine Petition, die mir sehr am Herzen liegt, aber nicht nur mir, sondern auch 468 222 anderen Österreicherinnen und Österreichern, die diese Petition unterschrieben haben, nämlich die Don’t-smoke-Peti­tion. Das gleichlautende Volksbegehren hat in der Unterstützungsphase auch knapp 600 000 Unterschriften sammeln können.

Was bedeutet das für die Initiatoren? – Nicht viel: einen gesellschaftlichen Diskurs oder möglicherweise eine Debatte hier im Parlament! Wir müssen daher den Initiatoren solch wichtiger Initiativen endlich das Recht einräumen, ab einer bestimmten Zahl von Unterschriften ihr Begehren vor den eigentlichen Souverän, das Volk, bringen zu kön­nen, und zwar per verbindlicher Volksabstimmung.


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Das ist ja ihr Lieblingsthema, liebe FPÖ! Sie haben sich ja Ihre Vorstellungen von der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild in den Regierungsverhandlungen fast auf null wegverhandeln lassen.

Was haben Sie nicht alles versprochen?! Volksabstimmung zum Thema Ceta? – Fehl­anzeige! Volksabstimmung über das Rauchverbotsgesetz? – Vielleicht 2021! Soziale Schlüsselfragen wie der 12-Stunden-Tag? – Drüberbügeln, aber bitte rasch! Auch Se­bastian Kurz hat sich noch vor der Wahl für die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild ausgesprochen, fast gleichlautend mit der FPÖ.

Die SPÖ forderte heute eine Volksabstimmung, die wir von der Liste Pilz mit unseren Stimmen unterstützt haben. Auch wir hätten gerne, dass die Betroffenen, das Volk, die ArbeitnehmerInnen, beim aktuellen Thema direkt mitreden dürfen. Aber die Bundesre­gierung hat extrem Angst davor, dass im Parlament Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz oder davor die Nichtraucherschutzregelungen nicht repräsentativ mit Mehrheit von ÖVP und FPÖ beschlossen werden können, weil die Bevölkerung in dieser Frage möglicher­weise anders entscheiden würde. Aktuelle Umfragen weisen ja auch in diese Richtung.

Unser Listengründer Peter Pilz hat schon am 4. Juni 1987 in einem Antrag eine Volks­abstimmung zur Einführung der direkten Demokratie als Volksrecht gefordert. Sehr geehrte Damen und Herren! Hätte dieser Antrag schon 1987 eine Mehrheit gefunden, wäre die FPÖ bei den Regierungsverhandlungen in dieser Frage nicht komplett um­gefallen, hätte Kanzler Kurz in dieser Frage nicht auch seine Meinung komplett geän­dert und hätte die SPÖ in der letzten parlamentarischen Enquete zur direkten Demo­kratie dieses Bevölkerungs- und Arbeitnehmerrecht nicht abgelehnt, dann könnte die Bevölkerung Österreichs, die vom Arbeitszeitgesetz betroffenen ArbeitnehmerInnen, die vom Rauch bedrohte Bevölkerung, heute und jetzt schon eine verbindliche Volks­abstimmung ansetzen.

Ich muss sagen, ich bewundere das unermüdliche Engagement der Zivilgesellschaft, der vielen Menschen, die immer wieder auf die Straßen gehen, um zu demonstrieren, die immer wieder ihre Unterschriften leisten, um Petitionen und Volksbegehren zu un­terstützen. Wir hier im Hohen Haus sollten das wertschätzen, dieses Engagement he­gen und pflegen und unsere Demokratie durch die Einführung direkter Demokratie nach Schweizer Vorbild, angepasst an österreichische Verhältnisse, endlich ins 21. Jahrhun­dert heben und, bis es soweit ist, zumindest die bisherigen direktdemokratischen Mittel, die wir zur Verfügung haben, wie etwa durch das Parlament initiierte Volksabstimmun­gen, viel häufiger einsetzen. Die letzte Volksabstimmung fand im Jahr 1994 statt; ins­gesamt hat es erst zwei gegeben.

Keine Angst vor dem Volk! Mehr Mut! – Seien wir mutig und lassen wir in dieser Ge­setzgebungsperiode zumindest die eine oder andere Bürgerinitiative, die eine oder an­dere Petition aus dem Petitionsausschuss in eine Volksabstimmung münden! Es wird keinen von uns Kopf und Kragen kosten, weder die Regierung noch das Parlament. Es wird uns dabei helfen, in der Bevölkerung das angeschlagene Vertrauen in die Politik zu rehabilitieren.

Ich möchte mich bei Kollegen Michael Bernhard für das professionelle Leiten dieses Ausschusses und für die Reformvorschläge, die er vorhin vorgebracht hat, bedanken. Ich hoffe sehr, ich bin auch überzeugt, dass wir sie in dieser Legislaturperiode umset­zen können. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


21.33.25

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bißmann, wir fürchten uns weder vor einem


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politischen Diskurs noch vor der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern des Landes, wenn es um Petitionen und Anliegen geht. – Ad eins. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Bernhard, im Zusammenhang mit der Zuweisung an den Gesundheits­ausschuss von dreist zu sprechen, darüber breite ich jetzt einmal den Mantel des Schweigens. Das ist nicht dreist, sondern das ist sehr vernünftig. Wir nehmen dieses Thema ernst und wir werden uns im Gesundheitsausschuss sehr wohl in aller Offenheit mit diesem Thema auseinandersetzen.

Sie kennen meine Einstellung zum Rauchen. Ich denke, dass es jedem und jeder zu­zumuten ist, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob er oder sie raucht oder nicht, ich denke aber auch daran, dass uns das Anliegen des Jugendschutzes immer wirklich ein hehres Anliegen war und nach wie vor ist. Wir setzen auf Vorsorge, wir setzen auf Aufklärung und Prävention. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, steckt man einmal in der Sucht drin, dann ist es schwierig, wieder herauszukommen. Ich habe in ungefähr 25 Jahren circa 460 000 Zigaretten geraucht – ich möchte mir das gar nicht als einen Berg vorstellen müssen –, und wenn ich jetzt sage, ich habe ein gesünderes Leben und ich wollte, ich hätte nie angefangen, dann meine ich das ehrlich. Das heißt, Kon­zentration auf Aufklärung, auf Prävention, denn das Gefühl, dann einmal nicht zu rau­chen und stolz zu sein, ein gesünderes Leben zu führen, das ist ein gutes Gefühl.

Wie gesagt, wir nehmen die Anliegen der Bevölkerung ernst, auch dieses Thema, nicht nur im Gesundheitsausschuss, sondern auch im täglichen Leben, wenn wir uns mit den Bürgerinnen und Bürgern draußen unterhalten. Wir setzen selbstverständlich auf Vor­sorge und Aufklärung den Jugendlichen und Kindern gegenüber und wir respektieren nach wie vor die Eigenverantwortung jedes Einzelnen und jeder Einzelnen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.


21.35.23

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Die Regierungsbank ist nicht mehr besetzt. Frau Bißmann, vielleicht schon ein kleiner Hinweis: Mit Unterstützung auch durch unsere Stimmen haben wir dieses Thema einstimmig in den Gesundheits­ausschuss weiter verwiesen. Sie wissen ganz genau, die direkte Bürgerbeteiligung steht in unserem Regierungsprogramm. Sie wird spätestens bis 2021 kommen. Das haben wir als Freiheitliche versprochen und das werden wir auch umsetzen, weil uns das immer ein Herzensanliegen war. Darauf können Sie sich verlassen. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Sache: Die Petition, die wir heute diskutieren, kommt eigentlich von Frau Kolle­gin Rendi-Wagner, die jetzt, glaube ich, die Gesundheitsagenden der SPÖ abgegeben hat, weil sie nicht mehr da ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass es vor, ich glaube, drei Jahren eine ähnliche Aktion mit dem genau gegenteiligen Vorzeichen gegeben hat. Das heißt, damals waren die Raucher aktiv und wollten ihr Recht, in der Gastro­nomie weiterhin rauchen zu dürfen, auch in einer Bürgerinitiative verwirklicht sehen. Das heißt, es gibt da natürlich unterschiedliche Gruppen, die unterschiedliche Interes­sen haben. Wir nehmen beide Interessen sehr ernst.

In der Sache vielleicht schon wichtig – ich nehme es immer wieder mit – ist mir: Die da­malige Regierung unter Ex-Bundeskanzler Kern hat 2015 diese Regierungsvorlage hier im Parlament eingebracht. (Abg. Kern: Herr Abgeordneter, da war ich noch lange nicht da!) – Ja, dann war es Herr Faymann, damals waren Sie ja noch gar nicht da. Stimmt, ich muss mich entschuldigen. So lange sind Sie noch gar nicht da. Die damalige SPÖ-Führung hat dieses Gesetz gemeinsam mit der ÖVP eingebracht, und es ist am


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1. Mai 2015 in Kraft getreten. Das heißt, seit 1. Mai 2018 haben wir das strengste Nichtraucherschutzgesetz weltweit – das strengste! Wir als Regierung haben jetzt noch einmal den Kinder- und Jugendschutz verstärkt. Sie wissen, es ist mittlerweile verbo­ten, im Auto zu rauchen, wenn Kinder und Jugendliche mitfahren. Es ist mittlerweile auch verboten, in Lokalen zu rauchen, wo Kinder und Jugendliche verkehren.

Sie werden auch gemerkt haben – ich glaube, dass das in der Bevölkerung jetzt lang­sam durchsickert –, dass sehr, sehr viele Gastronomiebetriebe mittlerweile freiwillig, in Eigenentscheidung, beschlossen haben, ihren Gastronomiebetrieb, auch wenn sie rechtlich anders könnten, als kompletten Nichtraucherbetrieb zu führen. Das ist okay, eine freie Entscheidung von Unternehmern, und so wollten wir das auch.

Wir wollten aber auch, dass zumindest die Kleinstunternehmen in der Gastronomie – wir sprechen von der Ausnahme, immer von der Ausnahme in der Gastronomie, das sind im Prinzip Betriebe in der Größenordnung von bis zu 50 Quadratmetern – nach wie vor die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, ob sie ein Raucher- oder Nicht­raucherlokal führen wollen. Viele haben umgestellt auf Nichtraucher, einige sind ein Raucherlokal geblieben. Die Bevölkerung, der Bürger hat die freie Entscheidung, ob er dieses kleine Lokal besucht, weil es ein Nichtraucherlokal oder eben ein Raucherlokal ist. Auch das verstehen wir Freiheitliche unter Bürgerbeteiligung.

Summa summarum bin ich gespannt, was der Gesundheitsausschuss mit dieser Peti­tion macht. Wir werden das Thema Rauchen/Nichtrauchen in der Gastronomie vermut­lich noch länger diskutieren. Ich bin schon der Meinung, dass mittlerweile eine Ent­wicklung eingesetzt hat, die das Problem in Wahrheit eigentlich kaum noch existent macht, weil es kaum noch Betriebe, Gastronomiebetriebe, gibt, wo geraucht wird. An­sonsten ist Österreich seit mehr als zehn Jahren ein generelles Nichtraucherland. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie Bravoruf des Abg. Lausch.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fich­tinger. – Bitte.


21.39.42

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen beschäftigt sich wahrlich immer mit sehr vielen Anliegen der Bürger und bekommt immer wieder Anliegen, Be­schwerden aus vielen unterschiedlichen Bereichen. Das ist ein Instrument, das dem Bürger das Recht verschafft, dass er sich einbringen kann.

Kollege Bernhard hat es eigentlich schon angesprochen, aber speziell möchte ich jetzt noch einmal die Bürgerinitiativen Nummer 40 und Nummer 41 ansprechen, in denen es um die Änderung des Postmarktgesetzes und um die Umweltverträglichkeitsprüfung geht. Es geht ganz genau – weil man sich darunter eigentlich nichts vorstellen kann – um das Paketverteilzentrum in Korneuburg. Es war verkehrstechnisch gut geplant, so, dass es für das Unternehmen gepasst hätte, leider ist es in der Nähe einer Wohnsied­lung geplant worden; wahrscheinlich ist zu wenig darauf Rücksicht genommen worden. Die Bürger haben sich intensiv eingebracht, und das ist auch gut so. Sie haben das Recht, Ihre Meinung kundzutun. Es haben immerhin 1 304 Bürger für die Änderung des Postmarktgesetzes unterschrieben; für die Umweltverträglichkeitsprüfung 957 Bürger. Das ist schon eine ganz schöne Summe. Das gesamte Projekt ist im Sinne der Bürger geregelt worden, ist somit erledigt und es wird nicht gebaut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass nicht nur wir nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger handeln – in die­sem Fall haben natürlich auch die Post und deren Partner, aber auch das Land Nie-


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derösterreich entsprechend reagiert. Ich glaube, dass die Bürger wieder zufrieden sein können. – In diesem Sinne: Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Era­sim. – Bitte.


21.41.51

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Hohes Haus! Ich möchte mich gleich den Ausführungen der Kollegin Fichtinger anschließen, nämlich betreffend die beiden Bür­gerinitiativen Nummer 40 und Nummer 41. Ich möchte noch einmal kurz wiederholen, was das Ansinnen dieser beiden BürgerInneninitiativen ist.

Letztes Jahr gab es Pläne, in der Nachbarschaft des Bisamberges, in unmittelbarer Nähe eines Natura-2000-Gebietes, in der naturbelassenen Region Langenzersdorf, Bi­samberg, Korneuburg, ein riesiges Postverteilzentrum zu errichten, wie eben schon die Kollegen ausgeführt haben. Sehr schnell wurde der Widerstand der Bevölkerung groß, weil man eben auch gemerkt hat, dass die Versprechen und die Vorinformationen, vor allem was Verkehrslösungen betrifft, nicht dem entsprochen haben, was ursprünglich versprochen wurde. 2 000 zusätzliche Lkw-Fahrten, Lichtsmog sowie Lärm- und Fein­staubbelästigung hätten die Region nachhaltig zerstört. Die SPÖ und die Bürgerinitia­tive haben sich deshalb sehr früh gegen dieses geplante Monsterprojekt gestellt. Man hat sich aber nicht nur dagegengestellt, man hat auch sofort Ersatzplätze gefunden und Vorschläge unterbreitet, wo dieses hätte gebaut werden sollen. Da dieses Thema medial große Aufmerksamkeit bekommen hat, bis hin zum Bürgeranwalt, und der nie­derösterreichische Landtagswahlkampf begonnen hat, hat man anlässlich des ÖVP-Wahlkampfauftaktes eingelenkt und versprochen, dass dieses Verteilzentrum nicht ge­baut wird. Schriftlich gibt es dazu bis zum heutigen Tag aber leider nichts.

Warum rede ich jetzt heute hier noch einmal über dieses Thema? – Es geht mir als Weinviertler Abgeordnete und als Demokratin auch darum, wie hier mit Bürgerinitia­tiven umgegangen wird; denn die Initiatoren haben sich gewünscht, dass seitens des Ausschusses eine Stellungnahme von der Niederösterreichischen Landesregierung eingefordert wird, um auch abseits des Wahlkampfkalküls etwas in schriftlicher Form in die Hände zu bekommen. Umso erstaunlicher war es für uns als SPÖ und für die ge­samte Opposition, mitzubekommen, wie seitens der Regierungsparteien, gegen den ausdrücklichen Wunsch der Bürgerinitiative, gegen das Einholen dieser Stellungnahme gestimmt wurde.

Ich finde diese Vorgehensweise äußerst befremdlich, denn wenn es seitens Türkis-Blau nicht einmal mehr im Ausschuss für Bürgerinitiativen und Petitionen um die Anlie­gen der BürgerInnen geht, dann finde ich das demokratiepolitisch schwerst bedenklich. Ich halte das für einen Schlag ins Gesicht aller engagierten Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann all jenen, die sich noch Sorgen machen, nur versprechen, dass wir als sozial­demokratische Parlamentsfraktion dranbleiben werden, und zwar im Sinne der Bürger­initiative und im Sinne der betroffenen Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kirch­baumer. – Bitte.


21.45.16

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Geschätztes Plenum! Werte Zuhörer! Diese Begrüßung war jetzt nicht einfach. Die männliche und die weibliche Form einer Anrede auszusprechen, das Gendern, wie


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man es nennt, liegt einem, sagen wir einmal, schon fast im Blut. Das ist mir bewusst geworden, als ich mich mit der Bürgerinitiative: Wissenschaftliche Arbeiten genderfrei! beschäftigt habe. Es wurden Stellungnahmen dazu abgegeben, und auch vom Öster­reichischen Wissenschaftsrat wurde eine Stellungnahme eingeholt, aus der ich später noch zitieren werde. Heute werden wir diese Bürgerinitiative dem Wissenschaftsaus­schuss zuweisen.

Bei diesem Thema, bei gendergerechtem Schreiben, gibt es kein richtig oder falsch. Es gibt verschiedene Ansichten und Positionen, und diese Positionen sind bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar und plausibel. Tatsächlich brauchen wir noch Anstren­gungen, um die faktische Gleichstellung von Mann und Frau zu realisieren. Ist die Sprache ein geeignetes Mittel dafür? – Sie schafft jedenfalls ein Bewusstsein. Die gen­dergerechte Sprache mit ihren Formulierungen unterstützt jedenfalls diesen gesell­schaftlichen Wandel, sie hilft, das Bewusstsein und ein Gefühl dafür zu stärken.

Ich zitiere: Sprache dient nicht nur der Verständigung, sie „stiftet auch soziale Identität: sie vermag einzuschließen, aber auch auszugrenzen. Geschlechtsneutrale Sprache macht die Präsenz von Frauen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben sichtbar. [...] Dort, wo sie linguistisch möglich ist, ist sie daher ein begrüßenswerter Ausdruck der Gleichbehandlung der Geschlechter und ein Mittel, den gesellschaftli­chen Zusammenhalt zu fördern. Die deutsche Sprache verfügt über einen Reichtum an Mitteln, um geschlechtsneutral zu formulieren.“

Hierzu gibt es auch noch einen juristischen Aspekt. Das Universitätsgesetz und die da­rin garantierte Weisungs- und Satzungsfreiheit unserer Universitäten stellt den Univer­sitäten Mittel zur Regelung des Genderns in wissenschaftlichen Arbeiten zur Verfü­gung.

Ich denke, in einem hoch demokratischen Staat wie Österreich mit demokratisch ge­wählten Gremien, die es auch auf universitärer Ebene gibt, kann man sich diesem The­ma widmen. – Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.47

21.47.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 224 der Beilagen hinsichtlich der Petition Nr. 1 so­wie der Bürgerinitiativen Nr. 22, 30, 40 und 41 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein dem­entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

21.48.2922. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (211/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nunmehr zum 22. Punkt der Ta­gesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zuerst darf ich der Antragstellerin, Frau Abgeordneter Heinisch-Hosek, das Wort ertei­len. – Bitte.



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21.48.58

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frauen verdienen für gleiche und gleichwertige Arbeit noch immer ein bisschen mehr als 20 Prozent weniger als Männer. Das wirkt sich auch bei den Pensionen aus – bis zu 40 Prozent weniger Pension für Frauen als für die Männer – wie auch die unterschiedlichen Verläufe eines Berufslebens. Die vorige Regierung hat einen Beschluss gefasst, sodass nach 30 Bei­tragsjahren die Ausgleichszulage, oder nennen wir es auch Mindestpension, auf 1 022 Euro für Alleinstehende angehoben werden konnte.

Wir kennen Aussagen des Herrn Vizekanzlers Strache, der sagt, nach 40 Arbeitsjah­ren, nach 40 Beitragsjahren sollen alleinstehende Frauen und Männer zumindest 1 200 Euro Pension erhalten. Wir wissen aber – und ich glaube, da sind wir uns einig –, dass es für Frauen fast unmöglich ist, diese 40 Beitragsjahre zusammenzubringen. Da darf es kaum eine Unterbrechung durch Kinderbetreuungszeiten geben, und da darf wenig bis gar nicht Teilzeit gearbeitet worden sein.

Wir haben daher diesen Antrag, den wir im Sozialausschuss diskutieren werden, ein­gebracht, damit auch Kindererziehungszeiten und Zeiten von Teilzeitbeschäftigung als Versicherungszeiten gewertet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

21.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


21.50.31

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Für alle Zuseher, denen die Geschäftsordnung nicht so ge­läufig ist, darf ich kurz erklären: Wir befinden uns bei der Debatte zu diesem Tages­ordnungspunkt in der sogenannten ersten Lesung. Das heißt, über diesen Antrag wird jetzt nicht abgestimmt, dieser langt mehr oder weniger jetzt offiziell im Parlament ein und wird dann dem Ausschuss zugewiesen, wo dann die Detaildebatte darüber erfolgt; und gegebenenfalls wandert er anschließend wieder hierher zurück in das Plenum, wo dann eben darüber abgestimmt wird und dieser Antrag angenommen oder abgelehnt wird.

Momentan ist es daher fast zu früh, um in die Detaildebatte einzusteigen, aber viel­leicht ganz kurz Folgendes zur Übersicht: Die gedanklichen Ansätze sind natürlich wichtig und gut, aber man muss auch sagen, dass darin einige Fußangeln verankert sind. Es geht in diesem Antrag nämlich darum, dass in die Versicherungszeiten auch Zeiten hineinzurechnen wären, für die man im Laufe des Lebens schon eine Leistung erhalten hat. Da geht es um den Krankengeldbezug, die Kinderbetreuung, das Arbeits­losengeld, das vielleicht ausbezahlt wurde. Das heißt, es würde zu einer Doppelbe­zahlung kommen. Ob das möglich ist, muss man sich im Gesetz anschauen.

Wir haben überhaupt noch einen großen Aufholbedarf, wenn es um die Pensionen der Bäuerinnen geht, wenn es um die erhöhte Ausgleichszulage für die Bäuerinnen geht, denn aufgrund des Inkrafttretens der Regelungen für die Bäuerinnen erst im Jahr 1992 können viele die 30 Beitragsjahre nicht vorweisen. Ich denke, in diesem Punkt sollten wir in erster Linie einmal nachziehen, um da Gerechtigkeit zu schaffen.

Aber wie gesagt, die Detailarbeit beginnt jetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Baum­gartner. – Bitte.


21.52.23

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer sein Leben lang hart


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gearbeitet hat, muss sich darauf verlassen können, dass er in seiner Pension, im Alter finanziell abgesichert ist. Wir setzen uns daher für ein Pensionssystem ein, das jenen Menschen soziale Sicherheit garantiert, die jahrzehntelang Beiträge in unser Sozialver­sicherungssystem eingezahlt haben.

Ab 2020 werden Menschen mit 40 Beitragsjahren eine Mindestpension in der Höhe von 1 200 Euro erhalten, und Ehepaare erhalten ab 40 Beitragsjahren eines Partners mindestens 1 500 Euro. (Abg. Plessl: War das brutto oder netto?) – Darüber reden wir dann, Rudolf. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie weiß es nicht!) Diese Erhöhung wird circa 75 000 Menschen betreffen.

Es ist aber nicht nur so, dass wir den Menschen die Wertschätzung entgegenbringen, die sie wirklich verdient haben, wir wollen auch Sonderpensionsprivilegien abschaffen. (Abg. Loacker: Ja, die in der Wirtschaftskammer und in der Bauernkammer!) Eine neue Gerechtigkeit mit einer konsequenten und nachhaltigen Abschaffung dieser Son­derpensionen im staatlichen und halbstaatlichen Bereich, das schafft diese Regierung!

Wir prüfen aber auch, ob eine Erhöhung für Menschen mit 30 Beitragsjahren möglich ist. Vor allem Frauen würden dadurch bessergestellt, da sie oft nicht auf die 40 Bei­tragsjahre kommen. Wir dürfen aber auch unsere Bäuerinnen nicht vergessen, Herr Kollege Loacker. Es ist nicht gerecht, wenn Frauen ihr Leben lang im Betrieb gearbei­tet haben, aber da nicht berücksichtigt werden, weil sie rein formell gar nicht auf 40 Bei­tragsjahre kommen. Da muss es eine faire Lösung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir werden, sehr geehrte Damen und Herren, im Ausschuss die Regierungsvorlage besprechen, sobald sie vorliegt. Und ich freue mich, aus Ihrem Antrag bereits heraus­zulesen, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, dass Sie jetzt schon von unserer Idee begeis­tert sind und uns auch bei der Umsetzung des Regierungsprogramms unterstützen werden. (Abg. Heinisch-Hosek macht eine verneinende Geste.) – Danke schön. (Bei­fall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

21.54

21.54.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 211/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

21.55.1323. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 5. Ap­ril 1960, mit dem bestimmte Abzeichen verboten werden (Abzeichengesetz 1960), geändert wird (246/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 23. Punkt der Tagesordnung. (Unruhe im Saal.) – Dürfte ich Sie noch kurz um Aufmerksamkeit bitten? – Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Schatz zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Schie­der, was hast du da eingebracht? – Abg. Wöginger: Andi, was ist denn das für ein Ge­setz?)


21.55.34

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass das Abzeichen­gesetz an seine Grenzen stößt, vor allem wenn es sich um faschistische Symbole han-


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delt, die ihren Ursprung im Ausland haben. Jedes Jahr Mitte Mai treffen sich im Kärnt­ner Bleiburg an die 10 000 bis 30 000 Personen, darunter viele Rechtsextreme und Ewiggestrige, um des kroatischen NDH-Staates, seiner Wehrverbände, Ustascha-Sol­daten und Angehöriger der SS zu gedenken. (Ruf bei der FPÖ: Kommunisten!)

Beim NDH-Staat handelt es sich um den von 1941 bis 1945 bestehenden NS-Vasal­lenstaat, der das einzige Konzentrationslager in Europa betrieben hat, das nicht vom NS-Staat betrieben wurde; im KZ Jasenovac wurden ungefähr 86 000 Personen ohne NS-Beteiligung ermordet.

Veranstalter der Bleiburger Feier ist der Bleiburger Ehrenzug. Das Dokumentationsar­chiv des österreichischen Widerstandes schreibt diesem Verein eine stark revisionisti­sche und geschichtsverfälschende Tendenz zu. Die jährliche Feier in Bleiburg hat ganz klar den Charakter einer Kundgebung nach dem Versammlungsgesetz und auch einer Veranstaltung nach dem Kärntner Veranstaltungsgesetz. Angemeldet wird die Feier allerdings als kirchliche Feier mit Prozession, was für die Veranstalter viele Vorteile bringt. So können Transparente und Fahnen mit Ustascha-Botschaften transportiert werden, Ustascha-Lieder gesungen werden, und es kann der in Kroatien verbotene Ustascha-Gruß gezeigt werden, weil es eben unter dem Deckmantel einer kirchlichen Veranstaltung erfolgt. Genau darum ist unser Antrag auch so notwendig, denn offenbar müssen die Behörden zusehen, weil diese Symbole, die dort gezeigt werden, nicht ver­boten sind. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Wir brauchen deshalb eine Abänderung des Abzeichengesetzes, die explizit jene Or­ganisationen benennt, die inhaltlich und organisatorisch mit in Österreich verbotenen Organisationen zusammenarbeiten und kooperieren, und diese Symbole auch verbie­tet, damit man entsprechend dagegen vorgehen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein wichtiger Schritt in der historischen Aufar­beitung, es liegt aber auch in unserer Verantwortung den Opfern des Faschismus ge­genüber und ist, denke ich, gerade im Gedenkjahr ein wichtiges Zeichen. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Noll.)

21.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.


21.58.48

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was den Antrag zum Abzeichengesetz betrifft, darf man durchaus festhal­ten, dass da einiges verbesserungswürdig ist. Wir werden aber ausreichend Gelegen­heit haben, das im Innenausschuss zu debattieren.

Erlauben Sie mir aber, weil es durchaus zum Thema passt, nur ein paar Bemerkungen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3. Kollege Muchitsch ist jetzt leider nicht mehr da. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPÖ.) Oder doch? – Ah, super! Danke, Herr Kolle­ge! Gott sei Dank ist er da. (Abg. Schieder: Er ist immer da!) Ich wollte dir nur Fol­gendes sagen: Wenn Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ - - (Abg. Schieder: Geh bitte!) – Nicht „Geh bitte!“, Herr Klubobmann Schieder, sondern das bitte ernst nehmen, das passt durchaus zusammen. (Abg. Schieder: Zum Thema reden ein­mal!) – Ja, genau: Abzeichen und wie wir damit und mit dieser Thematik umgehen.

Wenn da jetzt vor der Haustür (Abg. Schieder: Nein, jetzt reden Sie einmal zum Abzei­chengesetz!) sozusagen ein Partezettel, ein Pflasterstein und ein Grablicht stehen, dann ist es keine Argumentation, dass das vielleicht irgendetwas mit Arbeit zu tun hat. Da interpretiere ich etwas ganz anderes hinein. (Abg. Schieder: Sie sind ein jämmer­licher Verharmloser, das sag ich Ihnen! Jämmerlich!) Das ist in Wirklichkeit sozusagen


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sehr, sehr tief, was da passiert ist. Man distanziert sich nicht – das ist zur Kenntnis zu nehmen, ich halte es nur eigentlich für unter Ihrer Würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nicht wenige von uns erinnern sich daran, wie zu Beginn des Jahres 2002, als viele Demonstrationen stattgefunden haben, so mancher Pflaster­stein mitgenommen wurde und zum Beispiel in der Lichtenfelsgasse die Fensterschei­ben eingeschossen wurden. (Abg. Deimek: Das sind die Sozialkommunisten!) Oder: Einen Kollegen, der dem Haus jetzt nicht mehr angehört, hat man anhand des Zei­tungsfotos unter den Demonstrationsteilnehmern erkannt und schön zuordnen kön­nen – anhand der roten Schuhe, obwohl er zur grünen Fraktion gehörte.

Mir ist nur eines wichtig: Wir sollten bei diesem Thema aufpassen und sollten, ob es links ist oder rechts ist, auf beiden Augen sehen und nicht blind sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Das war ein hervorragendes Schlusswort!)

22.00

22.00.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 246/A dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.00.58Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 323/A bis 336/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.01 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.01.34Schluss der Sitzung: 22.00 Uhr

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