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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 23. September 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode        Mittwoch, 23. September 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 23. September 2020: 9.05 – 22.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert werden

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird

4. Punkt: Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geän­dert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 430/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-An­passungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 427/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderpflegeurlaub für Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 547/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kurzarbeit für alle Arbeitnehmer_innen in Öster­reich ermöglichen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

12. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und


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Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investi­tionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird

13. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 600/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung

15. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geän­dert wird (832/A)

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bun­desgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Jus­tiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG) geändert wird (831/A)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversi­cherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird

18. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 4 und 10 sowie über die Bürgerinitia­tiven Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Aus­tria GmbH – Reihe BUND 2018/30

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Bundessportförderung – Reihe BUND 2019/14

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Disziplinarwesen der Bundesbe­diensteten – Reihe BUND 2019/48

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 26

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  82, 82

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 2511/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 75

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ................................. 128

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 128

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 130

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 131

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 132

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................... 133

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 135

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 136


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Antrag der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Christian Hafenecker, MA, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnis­nahme der Anfragebeantwortung 2511/AB – Ablehnung .....................................................  138, 138

Antrag der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kai Jan Krainer, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Geschäftsordnungs­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A der Abgeordneten Dr. Pa­mela Rendi-Wagner, MSc, Herbert Kickl, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 29. September 2020 zu setzen – Ablehnung .......................................................  75, 267

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 75

Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abgeordne­ten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  126, 126

Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen auf Durchfüh­rung einer Volksabstimmung gemäß Artikel 43 B-VG in Verbindung mit § 84 GOG zum Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiege­setz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert werden – Ablehnung ...........................................  105, 127

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ........................................................................... 267

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 268

Aktuelle Stunde (12.)

Thema: „Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermei­dung“   26

RednerInnen:

Dr. Astrid Rössler ......................................................................................................... 26

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ........................................................  29, 43

Johannes Schmuckenschlager .................................................................................. 31

Julia Elisabeth Herr ...................................................................................................... 33

Walter Rauch ................................................................................................................ 34

Lukas Hammer .............................................................................................................. 35

Michael Bernhard ......................................................................................................... 37

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................... 38

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 40

Erwin Angerer ............................................................................................................... 42

Dipl.-Ing. Olga Voglauer .............................................................................................. 44

Yannick Shetty .............................................................................................................. 45

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (13.)

Thema: „Unterstützen Sie ein Europäisches Asylsystem und retten Sie die Kinder aus Moria, Herr Bundeskanzler!“ ........................................................................................................... 47


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RednerInnen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 47

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 49

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 52

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 53

MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG ...................................................................... 55

Michel Reimon, MBA .................................................................................................... 56

MEP Claudia Gamon, MSc (WU) ................................................................................. 58

Karl Mahrer ................................................................................................................... 59

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 61

Petra Steger .................................................................................................................. 62

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ................................................................................................ 64

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 65

MEP Dr. Angelika Winzig ............................................................................................. 67

MEP Mag. Dr. Günther Sidl ......................................................................................... 68

Michael Schnedlitz ....................................................................................................... 69

MEP Dr. Monika Vana .................................................................................................. 71

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................... 72

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 26

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 74

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abge­ordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosege­setz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.) ........................................................................................................................ 76

2. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf ei­nes Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (371 d.B.) ........................................................................................................... 76

RednerInnen:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 76

Sigrid Maurer, BA ......................................................................................................... 82

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 85

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 87

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 89

Gabriela Schwarz ......................................................................................................... 91

Bundesminister Rudolf Anschober ........................................................................... 92

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 96

Ralph Schallmeiner ...................................................................................................... 99

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 103

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 106

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 108

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 109

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 110

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 111


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Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 112

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 114

Hermann Brückl, MA .................................................................................................. 116

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................... 117

Dietmar Keck .............................................................................................................. 119

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 120

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 121

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 122

Franz Hörl .................................................................................................................... 122

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 123

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................... 124

Philip Kucher .............................................................................................................. 124

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ableh­nung ...............................  81, 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Maskenpause“ – Ablehnung ..................................................  115, 127

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 370 und 371 d.B. ........................................ 126

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (232 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geän­dert wird (291 d.B.) .................. 138

RednerInnen:

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 139

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 139

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 140

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................... 141

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 143

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 143

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................... 144

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 145

Annahme des Gesetzentwurfes in 291 d.B. ................................................................ 146

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz (III­77/260 d.B.)     ............................................................................................................................. 146

RednerInnen:

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................... 146

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 148

Kira Grünberg ............................................................................................................. 149

Peter Wurm ................................................................................................................. 150

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 151

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 154

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 156

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 157

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Mo­ria“ – Ablehnung  152, 159


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung ge­ben“ – Ablehnung .......  155, 159

Kenntnisnahme des Berichtes III-77 d.B. .................................................................... 159

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (356 d.B.) ...................................... 160

RednerInnen:

Lukas Hammer ............................................................................................................ 160

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 164

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ....................................................  166, 173

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 168

Walter Rauch .............................................................................................................. 169

Michael Bernhard ....................................................................................................... 170

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 171

Andreas Kollross ........................................................................................................ 172

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 174

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 174

Annahme des Gesetzentwurfes in 356 d.B. ................................................................ 175

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (351 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetz geändert wird (361 d.B.)              ............................................................................................................................. 176

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 430/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (362 d.B.) ........................... 177

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 427/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderpflegeurlaub für Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten (363 d.B.) .................................................................................... 177

RednerInnen:

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 177

August Wöginger ....................................................................................................... 180

Peter Wurm ................................................................................................................. 180

Barbara Neßler ............................................................................................................ 181

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 182

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................... 183

Mag. Dr. Rudolf Taschner (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 184

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 185

Annahme des Gesetzentwurfes in 361 d.B. ................................................................ 186

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 362 und 363 d.B. ............................. 186

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (352 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977 geändert wird (364 d.B.)    ............................................................................................................................. 186


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10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 547/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Kurzarbeit für alle Arbeitnehmer_innen in Österreich ermöglichen (365 d.B.) ............................................................................... 187

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 187

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 190

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 191

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 191

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 193

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 193

Johann Höfinger ......................................................................................................... 195

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 196

Annahme des Gesetzentwurfes in 364 d.B. ................................................................ 197

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 365 d.B. ..................................................... 197

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungs­vorlage (353 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert wird (366 d.B.)      ............................................................................................................................. 198

12. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unterneh­men (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (367 d.B.)      ............................................................................................................................. 198

13. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geän­dert wird (368 d.B.)     198

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 600/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung (369 d.B.) ......................................... 198

RednerInnen:

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 198

Norbert Sieber ............................................................................................................ 199

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 200

Petra Wimmer ............................................................................................................. 201

Barbara Neßler ............................................................................................................ 203

Michael Bernhard ....................................................................................................... 204

Peter Haubner ............................................................................................................. 207

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 208

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 209

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 212

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 213

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................................... 214

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 215

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“ – Ablehnung            202, 217


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familienhärtefallfonds 2.0“ – Ablehnung ...........................................................  206, 217

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen Kinderarmut“ – Ablehnung                                        210, 217

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 366, 367 und 368 d.B. ..................................... 217

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 369 d.B. ..................................................... 217

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungs­gesetz geändert wird (832/A)        ............................................................................................................................. 218

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG) geändert wird (831/A)                                                                                                                             218

RednerInnen:

Süleyman Zorba ......................................................................................................... 218

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 219

Peter Haubner ............................................................................................................. 220

Erwin Angerer ............................................................................................................. 220

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 223

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 223

Klaus Köchl ................................................................................................................. 224

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 226

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 227

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 228

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 229

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Coro­na“ – Ablehnung 221, 230

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klaus Köchl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“ – Ablehnung....................................... 225, 230

Annahme des im Antrag 832/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................... 230

Annahme des im Antrag 831/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................... 230

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (354 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geän­dert wird (372 d.B.) ...................... 231

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 231

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 232

Maria Großbauer ......................................................................................................... 232

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 234

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 234


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 9

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................................... 236

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 237

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................... 238

Annahme des Gesetzentwurfes in 372 d.B. ................................................................ 239

18. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 (307 d.B.)           239

RednerInnen:

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 239

Andreas Kollross ........................................................................................................ 241

Christian Ries ............................................................................................................. 242

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 242

Michael Bernhard ....................................................................................................... 244

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 245

Petra Wimmer ............................................................................................................. 245

Andreas Minnich ........................................................................................................ 246

Robert Laimer ............................................................................................................. 247

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 247

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 248

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 307 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 4 und 10 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 ........................................................ 249

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH – Reihe BUND 2018/30 (III­6/357 d.B.)     249

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend System der Bundessportförderung – Reihe BUND 2019/14 (III-29/358 d.B.) ............ 249

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 249

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 250

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 251

David Stögmüller ........................................................................................................ 252

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 253

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 255

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 255

Alois Kainz .................................................................................................................. 256

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 257

Yannick Shetty ............................................................................................................ 258

Christoph Zarits .......................................................................................................... 260

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 261

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-6 und III-29 d.B. ............................................ 263

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Disziplinarwesen der Bundesbediensteten – Reihe BUND 2019/48 (III­73/359 d.B.)         263

RednerInnen:

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 263


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 10

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 264

Christian Lausch ........................................................................................................ 265

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 265

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 266

Kenntnisnahme des Berichtes III-73 d.B. .................................................................... 266

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 74

Petition betreffend „Rechtssicherheit von konkurrenzlosen Dorfläden im ruralen Raum“ (Ordnungsnummer 37) (überreicht vom Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer)

Petition betreffend „Öffnung Engelstor als Eingang in den Schlosspark Schön­brunn“ (Ordnungsnummer 38) (überreicht von der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr)

Petition betreffend „umfangreiche Selbstversorgung mit heimischen Lebensmitteln sichern“ (Ordnungsnummer 39) (überreicht vom Abgeordneten Peter Schmied­lechner)

Bürgerinitiative ............................................................................................................. 74

Bürgerinitiative betreffend „ohne Kunst wird’s still – Forderungen: Schweige­marsch 2020“ (Ordnungsnummer 30)

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 74

360: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schusswaffen­kennzeichnungsgesetz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert wird

Berichte ......................................................................................................................... 74

Vorlage 32 BA: Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für Juli 2020 und August 2020; BM f. Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

III-169: Bericht betreffend Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel – Reihe BUND 2020/29; Rechnungshof

III-172: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2018; BM f. Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

III-174: Kunst- und Kulturbericht 2019; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Lehr­linge der Tourismusbranche in den Tourismusbetrieben (833/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende Budget­mittel für den Fernwärmeausbau (834/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Abwälzung der EU-Plastikabgabe auf SteuerzahlerInnen statt Plastikhersteller (835/A)(E)


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Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Frauengesundheit: Brustkrebsfrüherkennung während der Corona-Krise (836/A)(E)

Mag. Meri Disoski, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung von Informationsbroschüren in Leichter Sprache zu gynäkologischen Vorsorgeuntersuchun­gen für Frauen mit Behinderungen (837/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung der Aufnah­me von schutzbedürftigen Kindern durch Länder, Städte, Gemeinden und Zivilgesell­schaft (838/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schnellstmögliche Einberufung der Arbeitsgruppe zur diskriminierungsfreien Blutspende (839/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“ – einstimmige Entschließung aus 2019 endlich umsetzen (840/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung des massiven Inter­essenkonflikts der Fördernehmer_innen in Entscheidungsgremien der Sportförderung (841/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Sanieren statt Schließen – auf Chance setzen, statt Know-How und Arbeitsplätze vernichten (842/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umweltschädliche Taxi-Leerfahrten (843/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Korridormaut für die Brennerstrecke (844/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend fahrradfreundliche StVO-Reform (845/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Reform­vorschlag für treffsichere und sparsame Kurzarbeit (846/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Neue Ar­beitsplätze ermöglichen (847/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der telefoni­schen Krankschreibung für alle (848/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Bilanz des SWF (849/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Forschungsda­tensatz der COVID-19-Hospitalisierten (850/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus 2020 (851/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus (852/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Individuelle För­derung im Kindergarten (853/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 12

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chancenindex (854/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz in der Berichterstattung zum Fixkostenzuschuss (855/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der landwirtschaftlichen und klimapolitischen Potentiale von künstlichen Witterungsprozes­sen (856/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhärtefallfonds 2.0 (857/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Handlungsfähig­keit und der Führungspraxis der Geschäftsführung des Umweltbundesamts (858/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Masterplans für CO2 Speicherung (859/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Langfristige Perspektiven für EZA (860/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: KMU Equity Fonds – Eigenkapital als Antikörper der Wirtschaftskrise (861/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Unbürokratisch entlasten – Verlustrücktrag ausweiten (862/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eingliederung von biologischen CO2-Sequestierungsleistungen der Landwirtschaft in die geplante Ökologi­sierung des Steuer- und Abgabensystems sowie die Umsetzung der GAP Neuausrich­tung (863/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend unbedingt erforderliche Neuko­difikation des gesamten Fremdenrechts (864/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Nichtaufnahme von „Moria-Migranten“ (865/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenzbe­richt über sämtliche Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte (866/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eigenkapitalstärkung zur Wiederbelebung der Tourismuswirtschaft (867/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz bei Straftaten gegen die Exekutive (868/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrstellen schaffen durch Einfüh­rung des Blum-Bonus-Corona (869/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer transparenten Preisstruktur bei der ÖBB-„Vorteilscard“ (870/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (871/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Maskenpausen-Gesetz erlassen wird (872/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 13

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung für die mittel- bis langfristige Erforschung der psychosozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesellschaft (873/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (874/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorüberge­hendes Aussetzen der Steuer auf Einnahmen aus Onlinewerbung („Digitalsteuer“) (875/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot des Tötens männlicher Küken (876/A)(E)

Karl Mahrer, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements (877/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Fa­milienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“ (878/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartgeld er­höhen für langfristige, planbare Unterstützung (879/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Kinderarmut (880/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Reparatur des unsozialen ÖVP-Familienbonus (881/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Einführung eines Abbiegeassistenten für LKW (882/A)(E)

Martina Kaufmann, MMSc BA, Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Lehrausbildung mit Schwerpunkt in der digitalen Fertigung (883/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sockelförderbetrag für Ar­beitsplätze am Bauernhof (884/A)(E)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend 360.- Euro Sonderzahlung für alle Familien, die im Jahr 2020 familienbeihilfenanspruchsberechtigt waren (885/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzpolitik muss wei­terhin Priorität haben (886/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücklagen auflösen und Kammer­umlagen aussetzen (887/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Landschaftsschützer-Bo­nus für die Pfleger unserer Kulturlandschaft (888/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Kompen­sation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus in Folge der jüngst ver­ordneten Einschränkungen (889/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altlastenbeitragsbefreiung für mehr Flächenrecycling (890/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket (891/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 14

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betreuung von Tieren bei Grenzschließungen (892/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines Büros für Zeit­genössisches (893/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend soziale Treffsicherheit bei Thermischer Sanierung und Heizungstausch garantieren (894/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Diszi­plinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (895/A)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) samt Anlage 1, Verfahrensordnung für parlamentari­sche Untersuchungsausschüsse (VO-UA), geändert wird (896/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die vergleichsweise hohen Inhaftierungsraten Jugendlicher in Österreich und die Suche nach sinnvollen Alternati­ven (897/A)(E)

Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland) (898/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Franz Leonhard Eßl, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung und Ermöglichung von regionalen und (teil‑)mo­bilen Schlachthöfen und Schlachtung im gewohnten Lebensumfeld der Tiere (899/A)(E)

Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mitt­leren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (900/A)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ini­tiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedrigen Strafmündig­keitsalters in zahlreichen Staaten außerhalb Europas (901/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zahlungen für Klimaschutzmaßnah­men im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschaftskrise streichen (902/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des öffentlichen Nahver­kehrs – Umsetzung „Nahverkehrsmilliarde“ jetzt! (903/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Causa Jan Marsalek und die Finanzierung seines Libyen Projekts (3330/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Causa Jan Marsalek und die mutmaßlichen Verbindungen in das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) (3331/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Korruption im Gesundheitswe­sen ab dem Jahr 2012“ (3332/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 15

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Libyen Aufbauprojekt und mutmaßliche Projektfinan­zierung (3333/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3334/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3335/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3336/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Corona-Stress für Eltern – falsche In­formationen bezüglich Betreuungsfreistellung (3337/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Corona-Stress für Eltern – falsche Informationen bezüglich Betreuungsfreistellung (3338/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Folgeanfrage Versäumnisse im Be­reich Digitalisierung und Schuljahr 2019/20 (3339/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Beitragsrückstände der DienstgeberInnen bei den Gebietskran­kenkassen im Jahr 2019 (3340/J)

Norbert Sieber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Aktualisierung der Mach­barkeitsstudie 2003 der ÖBB zu Trassenvarianten für den Großraum Bregenz (3341/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Corona-Virus-Ausbruch in Ischgl und die Reaktion der Zuständigen Behörden (3342/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Hin und Her bei Einstufung Süd­tirols als Corona-Risikogebiet (3343/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Korruption im Gesundheitswesen 2012-2019“ (3344/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Oberösterreich (3345/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Salzburg (3346/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 16

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Wien (3347/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Tirol (3348/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Niederösterreich (3349/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Kärnten (3350/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen im Burgenland (3351/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Vorarlberg (3352/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Vorarlberg (3353/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Tirol (3354/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Salzburg (3355/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Oberösterreich (3356/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Niederösterreich (3357/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Kärnten (3358/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen im Burgenland (3359/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Wien (3360/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die McKinsey-Affäre (3361/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend dauerhafter Ausbau des Fachkräftestipendiums mit Schwerpunkt Gesundheits- und Pflegebereich (3362/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zeitraum von Quarantäne bei COVID-19-Verdacht (3363/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Trickbetrügereien gegen Senioren (3364/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend 360 Euro zusätzliche Familienbeihilfe – Folgeanfrage (3365/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend sexueller, physischer und psychischer Gewalt gegenüber Senioren (3366/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 17

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend COVID-19 – Ungleichbehandlung trotz ärztlichem Attest (3367/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Corona-Bürokratie im Gesundheitsmi­nisterium (3368/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Steuergutschrift für Pen­sionisten (3369/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Familie und Jugend betreffend Arbeitsrecht am Heimarbeitsplatz (3370/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Familie und Jugend betreffend 450 Euro Almosen an Arbeitslose und Notstandshil­febezieher (3371/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Leerfahrten bei Krankentrans­porten (3372/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Schutzstatus des Wolfes in der FFH-Richtlinie (3373/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKin­sey (3374/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunterneh­men wie McKinsey (3375/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunterneh­men wie McKinsey (3376/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsun­ternehmen wie McKinsey (3377/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3378/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3379/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Zusammenar­beit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3380/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3381/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 18

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zusammenarbeit mit Beratungs­unternehmen wie McKinsey (3382/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3383/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3384/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3385/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zu­sammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3386/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3387/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3388/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Be­rater verdienen Millionen an der Corona-Krise (3389/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Neuordnung des Forschungs- bzw. Wissen­schaftsrats (3390/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Gender Report Film (3391/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Novomatic-Million für Dorfclub? (3392/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Verbot von Kryptowährungen (3393/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Verbot von Kryptowährungen (3394/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort (3395/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Inneres (3396/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Fuhrparkma­nagement des Bundeskanzleramtes (3397/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Landesverteidigung (3398/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Immobilien und Liegenschaften des Bundes in der Steiermark (3399/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 19

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Qatar Papers“ dokumentieren ausländische Finanzierung des Radi­kalislam (3400/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend bedenkliche Stimmungsmache gegen die Polizei durch die KJÖ (3401/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anzeigen wegen Zwangsheirat (3402/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die Eigenversorgung mit Martinigänsen (3403/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Eigenversorgung mit Marti­nigänsen (3404/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Reisebüros unter Druck (3405/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend AstraZeneca stoppt Impfstoff­tests (3406/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend medizinische Studien an Perso­nen in COVID-19-Quarantäne (3407/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Genauigkeit der Ergebnisse von PCR-Tests bei COVID-19 (3408/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Streckenführung der Schnellstraße von Slovenj Gradec nach Kärnten (3409/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Hubschrauberflüge von Regierungsmitgliedern des Kabi­netts Kurz II im Allgemeinen und der FBM Mag. Klaudia Tanner im Speziellen (3410/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Beschäftigung der Mitarbeiter der Fluggastdatenzentralstelle (3411/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Effizienz der handelsüblichen Kraftfahrzeuge (hüPKW) des Österreichischen Bundesheeres (3412/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Konsequenzen fehlender Airbuskontakte (3413/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Falsche Informationen von Ministerin Tanner (3414/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 20

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sozialversicherung: Offenle­gung der Gebarungsvorschaurechnungen (Folgeanfrage 09/2020) (3415/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beitragsforderungen der Sozial­versicherungsträger (3416/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3417/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3418/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3419/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Import von Haifischprodukten follow-up (3420/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Lärm­schutzmaßnahmen in Langenwang entlang Südbahnstrecke (3421/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ver­schlechterung des Angebots und Imageschaden für öffentliche Verkehrsmittel durch An­ti-Corona-Maßnahmen der Bundesregierung (3422/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Bestellung von Mag. Karin Tausz in den Aufsichtsrat der Austro Control und mögliche Interessens­konflikte durch gleichzeitige Leitungstätigkeit bei den ÖBB (3423/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend zuneh­mende Einschränkungen im Individualverkehr – Willkürliche Fahrverbote für Motorräder (3424/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Koopera­tion mit der „Zukunftsoffensive Verkehr & Infrastruktur“ (3425/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Abwicklung des mit der Lufthansa AG geschlossenen Vertrages zum Fortbestand der AUA durch COFAG und ÖBAG (3426/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Weisungen hinsichtlich der ausständigen Übermittlung des „Ibiza-Videos“ an den Untersuchungsausschuss (3427/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Weisungen hinsichtlich der ausständigen Übermittlung des „Ibiza-Videos“ an den Untersuchungsausschuss (3428/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 21

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend bisherige Tätigkeitsbilanz der Bundesministerin (3429/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend 1-2-3-Ti­cket (3430/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Demonstration der rechtsextremen „Kahlenberg Allianz 1683“ im September 2020 (3431/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Entwicklungen bei der „ab­schlagsfreien Frühpension“ (Folgeanfrage 09/2020) (3432/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Austrocknung des Neusiedlersees (3433/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Förderungen Zivilschutzverband (3434/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ablöse des OMV Präsidenten wegen Borealis Deal (3435/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Ablöse des OMV Präsidenten wegen Borealis Deal (3436/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Schutz der Zuckerproduktion in Österreich (3437/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/09 bzgl. der Koordinierung von Qualitäts­zeichen im Lebensmittelbereich (3438/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/08 bzgl. Pflege in Österreich (3439/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die horrenden Bearbeitungsgebühren bei Online-Reiseportalen (3440/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungs­hofes aus dem Bericht Bund 2020/22 bzgl. der Zentralmatura (3441/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Bericht des Rechnungshofes, Truppenübungsplatz Allentsteig, Follow-up-Überprüfung (3442/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/09 bzgl. der Koordinierung von Qua­litätszeichen im Lebensmittelbereich (3443/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/12 bzgl. Unternehmen des Bundes (3444/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 22

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Gesichtserkennungssoftware (3445/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Liebhaberei in der Vermietung (3446/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fachkräftemangel BIM (3447/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verdacht der Selbstbereiche­rung durch einen ÖGK-Funktionär (3448/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend Lukaschenkos Luxusurlaub im Jahr 2002 auf Kos­ten des ÖOC? (3449/J)

Zurückgezogen wurde die Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die McKinsey-Affäre (3361/J) (Zu 3361/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2872/AB zu 2864/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2873/AB zu 2865/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2874/AB zu 2873/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2875/AB zu 2889/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2876/AB zu 2871/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2877/AB zu 2860/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2878/AB zu 2875/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2879/AB zu 2874/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2880/AB zu 2878/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (2881/AB zu 2887/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 23

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2882/AB zu 2877/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2883/AB zu 2888/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen (2884/AB zu 2885/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen (2885/AB zu 2886/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2886/AB zu 2876/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2887/AB zu 2880/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2888/AB zu 2881/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (2889/AB zu 2884/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2890/AB zu 2879/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2891/AB zu 2882/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafen­ecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2892/AB zu 2883/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2893/AB zu 2894/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2894/AB zu 2899/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolle­ginnen und Kollegen (2895/AB zu 2895/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Bern­hard, Kolleginnen und Kollegen (2896/AB zu 2896/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (2897/AB zu 2892/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2898/AB zu 2898/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2899/AB zu 2891/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2900/AB zu 2893/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2901/AB zu 2897/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 24

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (2902/AB zu 2890/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen (2903/AB zu 2904/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2904/AB zu 2903/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen (2905/AB zu 2900/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2906/AB zu 2902/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2907/AB zu 2913/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (2908/AB zu 2901/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (2909/AB zu 2905/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, di­plômé, Kolleginnen und Kollegen (2910/AB zu 2906/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2911/AB zu 2911/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2912/AB zu 2914/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2913/AB zu 2932/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2914/AB zu 2920/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (2915/AB zu 2910/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Mar­greiter, Kolleginnen und Kollegen (2916/AB zu 2907/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2917/AB zu 2912/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (2918/AB zu 2909/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Chris­tian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2919/AB zu 2925/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (2920/AB zu 2944/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafen­ecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2921/AB zu 2922/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2922/AB zu 2916/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2923/AB zu 2942/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 25

09.05.44Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.45*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­nete! Ich darf die 51. Sitzung des Nationalrates eröffnen und Sie recht herzlich begrü­ßen. Ich begrüße unsere – noch spärlich erschienenen – Gäste auf der Galerie, die Jour­nalisten und vor allem auch unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fern­sehgeräten.

Ich darf auch für Sie zu Hause erklären, warum die Veränderungen im Saal (auf die Reihen der Abgeordneten weisend, wo jeweils zwischen zwei Sitzplätzen auf den Pulten eine Glaswand montiert ist) stattgefunden haben. Es war ein großer Wunsch aller Abge­ordneten, wieder in der normalen Sitzungsordnung (Abg. Belakowitsch: Nein! Das ist nicht normal ...!), das heißt, nicht mehr dezentral, sondern alle unten im Redoutensaal, zu sitzen.

Die Problematik, die sich daraus ergeben hat, ist die Frage, wie wir gewährleisten kön­nen, dass wir die nötigen Abstände einhalten. Ich habe mich über den Sommer mit den Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, Tschechien, der Slowakei und Slowenien un­terhalten und gefragt, welche Lösungen diese vorantreiben. Im Deutschen Bundestag sowie in Tschechien und in der Slowakei sitzen die Mandatare weiterhin ausgedünnt und es herrscht Maskenpflicht; dort wurden die Abstandsregeln so organisiert, das muss von allen Parteien eingehalten werden. In Slowenien hat man in der Geschäftsordnung neu geregelt, dass auch digitales Abstimmen von außerhalb des Raumes möglich ist.

Die Schweiz hat, weil der Nationalrat ähnlich eng sitzt wie wir, ein System mit Glaswän­den und Trennwänden eingeführt – und dem haben wir uns angeschlossen. In der Prä­sidiale ist das mehrheitlich befürwortet worden und daher sitzen wir so, wie wir uns jetzt einrichten. Sie können natürlich am Platz, da der Abstand zum Vordermann mehr als 1,3 Meter beträgt, die Maske auch abnehmen.

Wir bleiben aber dabei, dass die Parlamentssitzung für die Abgeordneten weiterhin in das Dachfoyer übertragen wird, weil es natürlich auch nicht sehr angenehm ist, so lange hier zu sitzen.

Die Galerie ist heute das erste Mal wieder offen, auch Fotografen können sie nutzen und damit ihrer Arbeit bestmöglich nachgehen. Es bleibt aber bitte die Empfehlung, Abstand zu halten, Maske zu tragen, die Hände zu desinfizieren und so den derzeitigen Umstän­den gerecht zu werden. Ich bitte Sie darum, und wir werden auch in der Präsidiale darü­ber beraten, wie wir weiter vorgehen.

*****

Heute ist ein besonderer Tag, ich darf das am Anfang noch anmerken. Sie sind leider nicht im Plenarsaal anwesend, aber in den Kabinen auf der Galerie: Heute ist der Tag der Gebärdensprache, und ich darf mich ganz, ganz herzlich bei den Damen bedanken, die das Gebärdensprachdolmetschen hier übernommen haben. Seit 2009 begleiten sie alle Sitzungen des Nationalrates und darüber hinaus auch Veranstaltungen des Natio­nalrates. Ich bedanke mich insbesondere bei Frau Sabine Zeller, die als Koordinatorin dafür sorgt, dass lückenlos in Gebärdensprache übersetzt wird. – Ein herzliches Danke­schön unseren Begleitern in dieser Form! (Allgemeiner Beifall. – Präsident Sobotka,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 26

Bundesministerin Gewessler sowie Abgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS bringen den Beifall in Gebärdensprache dar.)

Die Barrierefreiheit ist mir und, so glaube ich, uns allen ein ganz großes Anliegen. Wenn wir in unser Stammhaus zurückkehren, werden wir diese Barrierefreiheit dort wirklich in allen Dimensionen gewährleisten können. Unsere Sprecher in Behindertenangelegen­heiten haben vereinbart, dass sie im November in den Foyers des Plenarsaales eine Ausstellung zu diesem Thema machen werden. Dazu werde ich im Oktober dann noch mehr ausführen dürfen.

*****

Die Amtlichen Protokolle der 49. und der 50. Sitzung vom 14. September 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Friedrich Ofenauer, Alois Schroll, Petra Vorderwinkler und Bedrana Ribo, MA.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bundes­ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF die Sitzung heute bis 13 Uhr in ORF 2 übertragen wird. ORF III überträgt die Sitzung von 13 Uhr bis 19.15 Uhr; anschließend wird sie in der TVthek kommentiert übertragen.

09.10.27Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermeidung“

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. Ich darf sie darauf aufmerksam ma­chen, dass ihre Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.10.46

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte KollegInnen, liebe Abgeordnete! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher hier im Plenarsaal und zu Hause vor den Bildschirmen! Vielleicht ist es Ihnen immer wieder einmal so gegangen, dass das erste Geräusch in der Früh nicht der Wecker, sondern eine Müllabfuhr war – das vertraute Klappern und Scheppern von Müllwägen in der Früh, sodass man weiß, die Müllabfuhr im Lande funktioniert. Vielleicht haben Sie sich gefragt: Ist denn das jetzt ein so vorrangiges Thema, dass man es in einer Krisenzeit behandelt? – Ich behaupte: Ja. Das Thema Wegwerfen, das The­ma Abfälle, das Thema Ressourcen passt ganz genau in diese Krisenzeit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 27

Österreich nahm in Sachen Abfalltrennung lange Jahre die Vorreiterrolle ein, hat sie in gewisser Weise noch immer. Allen ist vertraut, dass man Papier sammelt, dass man Glas sammelt – was sind Problemstoffe? –, und Österreich war vor allem auch Vorreiter bei der Biotonne. Österreich war eines der Länder, das die Biotonne flächendeckend eingeführt hat und diese bis heute behält.

Es gibt in so gut wie allen Gemeinden vorbildliche Recyclinghöfe mit sehr professionel­lem Personal, das unterstützt. Wir haben einen großen Schritt in Richtung Kreislaufwirt­schaft geschafft. Das ist Anlass genug, um heute auch einmal dem Personal, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, stellvertretend für Wien der MA 48, aber auch jenen in vielen Abfallwirtschaftshöfen, in den Entsorgungsbetrieben, in den Sam­meleinrichtungen, denn das ist viel Arbeit. Es ist nicht die angenehmste und die beson­ders geschätzte Arbeit, aber sie ist extrem wertvoll für unser Land. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Also alles in Ordnung? – Nicht ganz. Die Abfallmengen steigen weiter, wir sind mittler­weile bei etwa 500 Kilogramm Haushaltsabfällen pro Person und Jahr. Das ist zu viel. Es ist eine Verpackungsflut, es ist eine Einwegprodukteflut, wie es viele beschreiben. Viele von Ihnen, wenn einmal eine Sperrmüllsammlung in der Straße stattfindet, werden wahrscheinlich im Vorbeigehen auch gedacht haben: Schade, was da alles weggewor­fen wird. Da sind viele Dinge dabei, die man noch brauchen könnte, die sind eigentlich zu schade, um weggeworfen zu werden.

Was heißt wegwerfen? – Abfall wird vernichtet, verbrannt, die Reste werden deponiert; mit ihnen alle Inhaltsstoffe, mit ihnen alle Rohstoffe, viel Energie. Natürlich sind auch oft Transportwege für die Materialien und viel Arbeitszeit enthalten. Es gibt Gebrauchtläden, es gibt Caritasläden, aber das ändert nichts daran, dass wir in einem steigenden Abfall­strom sind.

Gerade in Krisenzeiten daher die Frage: Können wir es uns leisten, angesichts steigen­der Arbeitslosigkeit, geringerer Haushaltseinkommen und Betrieben, die ums Überleben kämpfen, so viele Ressourcen einfach wegzuwerfen, zu vernichten, oder wäre gerade jetzt der Zeitpunkt, zu fragen: Wie können wir das Vorhandene gemeinsam besser nut­zen, besser verteilen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte das an drei Beispielen kurz skizzieren. Elektrogeräte, Elektronikschrott: stark, stark steigende Mengen. Im Vergleich zu anderen Abfallströmen sind sie ein Sorgenkind, weil die richtige Entsorgung noch nicht in dem Ausmaß funktioniert. Nur jede zweite Batterie landet überhaupt in einer richtigen Entsorgung, mehr als die Hälfte der Batterien landen im Restmüll.

Eine besonders kurze Lebenszeit haben unsere Handys. Nicht einmal zwei Jahre ist ein Handy in Betrieb. Von den drei Millionen Handys, die jedes Jahr gekauft werden, landet gerade einmal jedes sechste in einer Entsorgung, der Rest irgendwo in Schubladen oder im Restmüll. Wir haben da kleine Schatzkästchen in der Hand. Jedes Handy enthält Gold, Silber, Platin, Kupfer. Das sind wertvollste Rohstoffe, die wir eigentlich sammeln, verwerten, wiederverwerten sollten. Wir brauchen daher dringend Reparatursysteme, wir brauchen längerlebige Produkte, wir brauchen den Aufbau von Reparaturdiensten, langlebige Produkte, den Zugang zu Ersatzteilen, den Zugang zu Anleitungen. Wer kennt das nicht? Ein Gerät geht kaputt und man muss nachdenken: Gibt es überhaupt die Chance, es reparieren zu lassen? Es ist oft billiger, neu zu kaufen.

Da müssen wir gegensteuern. Im Regierungsprogramm ist ein großes Kreislaufwirt­schaftspaket, ein großes Abfallpolitikpaket enthalten, das derzeit schrittweise in Umset­zung ist, in der Vorbereitung für eine neue Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, mit dem Vorhandenen besser zu wirtschaften, sorgfältiger


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 28

umzugehen – nicht nur im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch im Sinne von Kreis­laufwirtschaft und Arbeitsplätzen. Das AWG, das Abfallwirtschaftsgesetz, soll da wichti­ge Weichen stellen.

Zweites Beispiel: Lebensmittel im Abfall. Österreich ist Vorreiter bei der Biotonne, aber wir erkennen, dass ein unglaublich großer Teil an genusstauglichen Lebensmitteln im Restmüll landet. Das ist so erschreckend, dass es längere Zeit gebraucht hat, um dazu überhaupt Daten zu beschaffen. 30 Prozent in der schwarzen Restmülltonne sind Bioab­fälle, die Hälfte davon sind genusstaugliche Lebensmittel. 16 Prozent unseres Restmülls sind genusstaugliche Lebensmittel, die dort überhaupt nichts verloren hätten.

Die Frage ist: Wie kann man da gegensteuern? – Das Wichtigste ist natürlich Informa­tion, Bewusstsein schaffen und bereits in den Schulen und auf allen Ebenen Bildungsar­beit leisten, auch die Kooperation mit dem Handel suchen. Auch aus dem Handel kommt ein erheblicher Teil an Lebensmitteln in den Abfall. Ganz wichtig aber ist – davon wäre ich ein Fan –, Ernährungslehre und Kochen wieder als Fächer in die Pflichtschulen auf­zunehmen. Es wäre so wichtig, dass jedes Kind in der Schule die Gelegenheit hat, etwas über Ernährungslehre und auch über das Kochen zu lernen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Eine Menge, die besonders betroffen macht – und das genau in Zeiten, in denen es einigen nicht gut geht –, ist: Wir leisten uns in Österreich 60 000 Tonnen – das sind 60 Millionen Kilogramm – Brot im Abfall. 60 Millionen Kilogramm Brot im Abfall darf es eigentlich nicht geben. Daher auch da der Appell, das zu thematisieren, gegenzusteuern und es nicht zuzulassen, dass Geschäfte 5 Minuten vor Ladenschluss noch volle Brotre­gale anbieten! Das muss eine Konsumentin, ein Konsument ansprechen und auch sa­gen, dass man das nicht will. Es ist nicht notwendig. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittes Beispiel – jetzt geht es richtig zum Kern des Themas Wegwerfgesellschaft –: Was landet denn alles in der Landschaft? Was landet neben den Wegen, in der Natur? Man ist unterwegs und findet links und rechts des Weges das ganze Sortiment von diversen Getränken. Man findet ein Sortiment von gewissen Take-away-Packungen. Man kann da die Menüs ablesen, die im Umkreis dieser Ausgabestellen verkauft wurden, und dann kann man sich ausrechnen: Wie lange isst jemand, bevor das Autofenster aufgeht und die Sachen neben der Straße landen?

Die Abfälle in der Landschaft, im öffentlichen Raum belaufen sich bereits auf ein Ausmaß von 4 500 Tonnen jährlich, die mühseligst aufgeklaubt werden müssen. Es gibt dazu ei­ne Studie des Umweltbundesamtes, weil man sich dieses Phänomen, dieses wachsen­de Phänomen, anschauen wollte. Es gibt so gut wie in jeder Gemeinde mindestens eine Flurreinigungsaktion pro Jahr. Wir sind bei knapp 2 800 Flurreinigungsaktionen mit Frei­willigen. 160 000 Freiwillige gehen herum und klauben das auf, was andere einfach aus Achtlosigkeit, aus Ignoranz oder aus Bequemlichkeit fallen lassen. Es sind großteils Ge­tränkeverpackungen. Es gibt genaue Analysen dazu, die das abdecken. Das ist ein uner­messlicher Arbeitsaufwand, der da zu leisten ist. Auch da ein Dank an alle, die aufklau­ben gehen, an die Freiwilligen, aber auch an die Asfinag, an alle Straßenmeistereien. Es wird unglaublich viel geleistet, damit der öffentliche Raum, damit die Natur von diesen Abfällen verschont bleibt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Der Abfall ist leider auch zu einem ziemlichen Gefahrenpotenzial für die Futterwiesen geworden. Jeder Landwirt, der weiß, was eine geschredderte Futterdose an Tierarztkos­ten und Leid verursacht, weiß, dass dieses Material nicht in die Umwelt gehört. Wir müs­sen sorgfältiger werden und brauchen daher gerade in diesem Bereich, in dem so viel weggeworfen wird und den wir genau beschreiben können – es ist der Getränkebereich,


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der ganz groß ist –, wirksame Maßnahmen gegen die Plastikflut wie das Dreipunktepro­gramm, das kürzlich von Umweltministerin Gewessler vorgestellt wurde, um die Plastik­flut einzudämmen.

Wir haben da die Bevölkerung auf unserer Seite. Die Bevölkerung wünscht sich wieder mehr Mehrwegverpackungen und ein faires Angebot im Handel. Sie wünscht sich Maß­nahmen und Anreize zur Rücknahme dieser Getränkeverpackungen, sie wünscht sich, dass die Politik Maßnahmen setzt, um Mehrweg eine größere Chance zu geben und die Quoten natürlich auch hinaufzusetzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (fortsetzend): Bitte, unterstützen nicht nur Sie in der Bevölkerung uns, sondern besonders auch Sie hier im Hohen Haus, unterstützen Sie uns als Regierung dabei! Wir haben vieles in unser Regierungsprogramm aufgenom­men, unterstützen Sie uns mit der kommenden Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz bei der Umsetzung! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr.)

9.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße – ich habe sie zuerst nicht gesehen – sehr herzlich Frau Ministerin Leonore Gewessler und darf ihr gleich das Wort erteilen. – Bitte.


9.21.24

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, Sie möchte ich natürlich auch noch sehr herzlich begrüßen! Geschätztes Hohes Haus! Ich darf mich sehr herzlich dafür be­danken, dass wir hier heute zum Thema „Raus aus der Wegwerfgesellschaft“ diskutieren und ich dazu sprechen darf.

Es soll dabei um neue Wege zur Abfallvermeidung gehen und ich glaube, das ist ein gemeinsames Anliegen. Ich danke Abgeordneter Rössler wirklich sehr herzlich für die umfassende Einführung in das Thema und möchte auf die drei Punkte, an denen sie das Thema jetzt aufgezeigt hat, kurz reagieren: Was braucht es und was wird gerade erar­beitet?

Was mir ein besonderes Anliegen ist – und deswegen der Konnex zu dieser Krisensitua­tion –, ist Folgendes: Wir leben in einer Zeit, in der es viele Menschen gibt, die die Dinge, die derzeit am Müll landen, die derzeit gut produziert werden – frische Lebensmittel, funktionsfähige Geräte –, dringend brauchen. Das ist nicht nur, aber auch eine ökologi­sche Frage: Es ist eine ökologische Frage, denn der Zusammenhang zwischen Kreis­laufwirtschaft und Klimaschutz ist ein großer, und es liegt an uns, diesen Zusammen­hang auch immer wieder herzustellen. Es ist aber nicht nur eine ökologische Frage, nicht nur eine moralische Frage, wenn man Lebensmittel auf den Müll wirft, sondern es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist schlicht unfair, wenn Menschen, die sie brau­chen, in einer Zeit, die schwierig ist, die Lebensmittel nicht bekommen, die bei uns im Müll landen, und deswegen ist mir das wirklich ein Anliegen, das auch und gerade in dieser Zeit zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich darf kurz auf die drei aufgeworfenen Punkte eingehen. Ein Thema ist die Frage des Elektronikmülls, funktionsfähiger Geräte, das Problem der geplanten Obsoleszenz, also dass Geräte, die an sich – und wir erinnern uns an die Zeiten unserer Großeltern – über Jahrzehnte halten, plötzlich nur noch Jahre halten. Da passiert gerade auf EU-Ebene sehr, sehr viel, da wird mit dem Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft gerade ein Meilen­stein gesetzt, was wir aus Österreich natürlich sehr intensiv unterstützen.


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Ein Thema, das mir dabei ein besonderes Anliegen ist, ist das right to repair, also dass Konsumenten und Konsumentinnen wirklich ein Recht darauf haben, dass Produkte re­paraturfähig sind, man sie also zumindest reparieren kann. Da geschieht auf EU-Ebene gerade wirklich ein Meilenstein betreffend eine Produktpolitik, die wichtig ist, die wir un­terstützen und die wir auch – das ganze Thema Reparatur – aus dem Ministerium heraus mit Plattformen unterstützen, mit Vernetzung unterstützen, damit wir in Österreich diese Reparaturwirtschaft, die wir brauchen, die eine Wirtschaft ist, die klein- und mittelbetrieb­lich organisiert ist, die Arbeitsplätze vor Ort schafft, Wertschöpfung vor Ort schafft und zum Klimaschutz beiträgt, besser aufbauen können.

Das Thema Lebensmittelverschwendung ist eines, das im Ministerium seit vielen, vielen Jahren sehr engagiert vorangetrieben wird. Ich glaube, das eint uns wirklich, ist ein ge­meinsames Anliegen, dass das ein großes Thema ist, das wir nicht einfach so hinneh­men sollen, daher haben wir uns auch im Regierungsprogramm viel dazu vorgenommen und werden das engagiert weiterbetreiben.

Ich war – ich darf die Geschichte vielleicht kurz erzählen – vor wenigen Wochen bei der Eröffnung eines neuen Tafelhauses in Wien. Wenn man sieht, welche Mengen an Le­bensmitteln dort durchgehen, verteilt werden, dann wird klar, dass das ein großartiger Beitrag der Tafeln dazu ist, dass Lebensmittel nicht im Müll landen, sondern wirklich die Menschen erreichen, die sie brauchen, es zeigt aber auch den Irrsinn auf, den wir derzeit betreiben. Deswegen ist es einfach so wichtig, dass wir dieses Thema engagiert ange­hen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Das dritte Thema, das Frau Rössler aufgeworfen hat, ist die Plastikflut. Österreich ist leider nicht nur ein Land der Berge, sondern auch ein Land der Plastikmüllberge. Wir produzieren in Österreich derzeit 900 000 Tonnen Plastikmüll pro Jahr. Jeder von uns, jede von uns kennt das: Wenn man am Wochenende spazieren geht – so wie ich vor zwei Wochen in der Steiermark –, dauert es keine 5 Minuten, keine 10 Minuten und man findet Müll in der Natur. Das ist ein Problem, das wir in ganz Österreich haben, das ist ein Problem, das bis zu den höchsten Berggipfeln reicht. Der Alpenverein organisiert Flurreinigungsaktionen in unseren Bergen, das heißt, es gibt da wirklich ein manifestes Problem. Ich glaube, vielen von uns blutet das Herz, wenn wir sehen, wie Müll in der Natur landet, und ich glaube, vielen Menschen in Österreich blutet das Herz, wenn wir unsere schöne Natur – und ich denke, das ist etwas, worauf wir in Österreich wirklich stolz sein können – derartig vermüllen.

Wir haben als Bundesregierung mit dem Beitritt zum EU-Plastikpakt jetzt einen ersten Schritt gemacht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt. Das ist ein Pakt, in dem sich europäische Länder, gemeinsam mit der Industrie, gemeinsam mit der Wirtschaft, mit der Zivilgesellschaft dazu verpflichten, des Problems Plastikmüll Herr zu werden – mit konkreten Zielen, mit ambitionierten Zielen zur Vermeidung von Plastikmüll. Das ist ein wichtiger Schritt, ich denke aber, wir sollten auch bereit sein, die nächsten Schritte zu gehen. Aus diesem Grund habe ich den Dreipunkteplan gegen die Plastikflut vorgeschla­gen und ich bin davon überzeugt, dass man mit diesen drei Maßnahmen, die wir vor­schlagen – Mehrwegquoten, Pfandsystem und eine Herstellerabgabe –, im Kampf ge­gen den Plastikmüll, im Kampf gegen den Müll in der Natur wirklich etwas bewegen kann.

Vielleicht noch ganz kurz zu den Inhalten – Mehrwegquote im Einzelhandel: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, mich hat es sehr gefreut, als die Mehrwegmilchflasche wieder aufgetaucht ist. Das ist etwas ganz Einfaches. Für diejenigen, die es wollen, soll es Wahlfreiheit geben. Das können wir erreichen, indem wir das, was wir in Österreich schon einmal gut gekonnt haben – wir hatten nämlich einen sehr hohen Mehrweganteil ‑, auch wieder fördern, wenn wir den Mehrweganteil mit Mehrwegquoten, wie wir sie im Regierungsprogramm vorgesehen haben, unterstützen.


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Genau dazu möchte ich auch wieder zurückkommen. Das hat in den Neunzigerjahren gut funktioniert, viele von uns wissen das, beim Bier funktioniert es auch sehr gut. Das heißt, das schaffen wir auch in der Breite des Getränkesortiments, um damit den Kundin­nen und Kunden Wahlfreiheit zu ermöglichen. Jede Mehrwegflasche ersetzt eine Ein­wegflasche und jede Mehrwegflasche führt dazu, dass wir weniger Müll in der Natur ha­ben, und das ist das Ziel. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben natürlich auch Getränkeverpackungen, die nur einmal verwendet werden können. Dazu gibt es auf EU-Ebene zur getrennten Sammlung strenge Ziele, die wir erreichen müssen. Meine Vorgängerin Eli Köstinger hat deshalb ja eine Studie dazu in Auftrag gegeben, wie wir diese Ziele erreichen können. Zur Zielerreichung lautet da der Vorschlag, ein Pfand auf Einwegflaschen, ein Pfand auf Einwegverpackungen einzufüh­ren. Wie Sie wissen, arbeiten wir im Ministerium derzeit gemeinsam mit allen Stakehol­dern – den Abfüllern, der Wirtschaft, also allen, die in dieser Kette dabei sind – an dem System, wie das für Österreich ausschauen könnte. Auch heute, gerade jetzt, findet im Ministerium wieder ein Arbeitskreis statt. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ende des Jahres über ein konkretes Modell und ein Ergebnis berichten können, denn auch das wird dazu beitragen, vor allem das Problem Littering – unvorsichtiges Wegwerfen von Verpackun­gen in der Natur – in den Griff zu bekommen. Das ist ja das Kernanliegen und das Kern­ziel, das uns, glaube ich, alle eint.

Der dritte Punkt – eine Herstellerabgabe auf Plastikverpackungen – ist neu. Sie wissen, die EU-Plastiksteuer steht uns ins Haus. Ich glaube, wir müssen uns wirklich zweimal überlegen, wie sich die Steuerungswirkung dieser Plastikabgabe in Österreich bestmög­lich umsetzen lässt, sodass es mehr recycelfähige Materialien gibt, dass es besser recycelbare Verpackungen gibt, und dass – das ist der Sinn und Zweck der Plastikabga­be – weniger Plastikmüll produziert wird. Deswegen streben wir ein Modell nach dem Verursacherprinzip an: in Zukunft eine Abgabe einzuheben, damit wir diejenigen, die besser recycelbares und mehr recycliertes Material einsetzen und damit auch einen gro­ßen Beitrag zur Reduzierung der Plastikflut leisten, auch belohnen.

Das sind drei simple Punkte zu einem großen Problem, einem vielfältigen Problem – dem großen Thema Abfallvermeidung, das viele verschiedene Aspekte hat. Ich freue mich auf die weitere Debatte – in der ganzen Breite, die dieses Thema verdient, und ich glaube, auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft.

Das ist es, was uns einen muss: Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft in Österreich können wir nicht nur einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch einen großen Beitrag dazu, dass unser Österreich ein Stück gerechter wird. Ich glaube, das ist ein schönes Ziel, an dem man sieht, wie Ökologie mit ganz vielen anderen Themen zu­sammenhängt. – In diesem Sinn ein herzliches Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Drobits und Herr.)

9.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. Ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit nun 5 Minuten beträgt. – Bitte.


9.31.35

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, ich glaube, es gibt ein großes Problem mit dem Plastikmüll. Wir müssen dem begegnen, aber wir müssen auch differenzieren. Ich habe mir heute in unserer Kantine eine Plastikflasche besorgt (eine leere PET-Flasche in die Höhe haltend), und Flaschen sind momentan, in einer Zeit von Ansteckungskrankheiten, eigentlich eine sehr praktische und hygienische Möglichkeit – auch das muss man erwähnen. Auch unsere Schutzvorrichtungen hier im


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Parlament sind zum Teil aus Plastik, und das hat einen guten Grund. Das heißt, wir dürfen diesen Werkstoff nicht alleine verteufeln, sondern wir müssen massiv differen­zieren.

Ich glaube, wir sollten aber auch darauf achten, wo wir wirklich ansetzen und Lösungsan­sätze bringen können. Wenn wir wissen, dass die PET-Flasche beim gesamten Kunst­stoffmüll 8 Prozent ausmacht – betreffend unsere Ziele –, dann ist das vom Gewichtsver­hältnis her circa der Anteil dieses Stöpsels (den Stöpsel der PET-Flasche in die Höhe haltend) an der ganzen Flasche. Da stellt sich wirklich die Frage, ob es die Maßgabe ist, auf diesen Teil eine Gebühr zu erheben, um das Gesamtziel zu erreichen, oder ob das Ziel der Sammelquoten nicht eher mit besseren Sammlungen erreicht werden kann.

Dies sind die zwei Hauptprobleme rund um den Plastikmüll: Sammelquote und Littering. Wir sehen das im Vergleich der Bundesländer relativ gut: Unser Ziel muss es sein, 90 Pro­zent Sammelquote zu erreichen. Es gibt drei Bundesländer in Österreich, die das bereits erreichen (eine entsprechende Grafik in die Höhe haltend), und zwar das Burgenland, Tirol und Vorarlberg. Eines befindet sich ganz unten, das ist das Bundesland Wien. Wenn wir also eine gesamte bundesweite Quote von 90 Prozent erreichen wollen, müs­sen wir auch Wien entsprechend motivieren, da voranzugehen.

Sie wissen alle, wenn diese Flasche heute im Müll landet, dann landet sie in einer Rest­mülltonne, weil Wien in der getrennten Sammlung leider nicht weit genug ist. Ich habe damit auch kein Problem, das kann sich jedes Bundesland aussuchen – der Bürgermeis­ter war ja selbst als Müllmann unterwegs, um sich ein Bild davon zu machen –, ich habe aber dann ein Problem, wenn wir der gesamten Bevölkerung Österreichs eine Gebühr aufdrücken wollen, nur um das Problem eines Bundeslandes zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke aber, wir werden Wege finden, dass das möglich ist, denn wenn es in anderen Bundesländern möglich ist, denke ich, sind auch die Wiener bereit dazu, wir müssen ihnen nur die entsprechenden Möglichkeiten anbieten.

Wichtig ist, dass wir uns dem Thema Littering entsprechend annehmen – und auch dies­bezüglich bitte ich, das gesamthaft zu betrachten, denn Littering bedeutet nicht nur die Plastikflasche, sondern Littering ist Bauschutt, Littering sind alte Autoreifen, das ist ge­nauso auch der Eiskasten, der da oder dort einmal im Wald landet. Das sind enorme Verschmutzungen und da geht es um ein Bewusstseinsthema. Gott sei Dank – und dafür möchte ich mich bei allen Abfallverbänden, bei den Kommunen und Vereinen recht herz­lich bedanken – gibt es Flurreinigungsaktionen; und jeder, der schon daran teilgenom­men hat, weiß, wie breit das Feld der Verunreinigungen ist.

Es ist mir als Landwirtschaftsvertreter auch nicht entgangen – und es gibt viele persönli­che Betroffenheiten –, dass es zu verheerenden Folgen im Tierbestand führt, wenn Müll im Futter landet, bis hin zu tödlichen Folgen. Auch dort ist es nicht nur die Plastikflasche, sondern dort sind es auch weitere Verschmutzungen, ob es Dosen oder anderes sind.

Das heißt, wir dürfen da nicht die Verantwortung durch eine Entpflichtung wegschieben, sondern wir müssen die Verantwortung stärken, und ich bitte auch die Bundesregierung, innerhalb der Ressorts, auch mit dem Justizressort, zu sprechen, denn am Ende des Tages geht es schon um die Frage, wie der Strafenkatalog, auch für kleine Umweltverge­hen, aussieht – denn es sind gerade die kleinen Vergehen, die oft große Umweltschäden anrichten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir dürfen die Folgen des Fehlverhaltens Einzelner – das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig – nicht sozialisieren und der gesamten Bevölkerung Gebühren auferlegen. Eine Systemevaluierung für ein einheitliches bundesweites Sammelsystem ist längst fällig. Da sind auch die Vorgängerregierungen bemüht gewesen, und ich glaube, wir können das erreichen. Diesbezüglich sind die Bundesländer auch sehr, sehr willig.


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Zum Thema Littering muss ich ganz klar festhalten: Das ist ein Eigentumsdelikt, und wer heute Umwelt- und Natursünden begeht, vergeht sich letztendlich an der Zukunft unserer Kinder. In diesem Fall brauchen wir nachhaltiges Müllmanagement statt einzelner plaka­tiver Aktionen, um diese Probleme auch restlos zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


9.36.22

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Das The­ma der heutigen Aktuellen Stunde lautet Abfallvermeidung, und dazu will ich zu Beginn etwas Grundsätzliches sagen: Ich will über die Art und Weise sprechen, wie wir wirt­schaften: Wir produzieren, dann verkaufen wir, dann gibt es eine ganz kurze Nutzungs­dauer, dann werfen wir weg – und dann produzieren wir wieder von Neuem und es wird neu gekauft.

Es steht nicht mehr im Mittelpunkt, dass das Produkt für die Umwelt und für die Konsu­menten und Konsumentinnen möglichst nachhaltig ist, es steht nicht im Mittelpunkt, dass es möglichst lang hält und gute Qualität hat, sondern dass wir kaufen (mit den Fingern schnipsend) und wieder kaufen (erneut mit den Fingern schnipsend). Und warum? – Weil natürlich auch jemand an diesem Einkauf verdient.

Dabei erleben wir eine unglaubliche Ressourcenverschwendung und unsere Müllberge wachsen ständig. Das müssen wir ganz einfach klar benennen. Es findet eine systemati­sche Ausbeutung unserer Umwelt aufgrund von Profitinteressen statt (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen) und in so einer Gesellschaft wollen wir nicht leben – in einer Wegwerfgesellschaft, in der wir nur kaufen, um zu kaufen. Dafür ist das Leben zu kurz.

Wenn wir über Müllvermeidung sprechen, könnten wir ganz viele Themen ansprechen – Kollegin Rössler hat aus meiner Sicht viele sehr gut aufgezählt –, ich will jetzt aber über jenes Thema sprechen, über das auch die Regierung gerade spricht und sich nicht einig ist, nämlich Plastikmüll.

In Österreich gibt es extrem viel Plastikmüll – auch da im Übrigen Plastik, das einmal verwendet und dann weggeworfen wird, anstatt die Mehrwegvariante zu wählen. Auf EU-Ebene gibt es jetzt aber den Vorschlag der Plastiksteuer. Die Idee dahinter: Dort, wo viel Plastik erzeugt wird, fallen hohe Steuern an, sodass die Betroffenen ein Interesse daran haben, weniger Plastik zu erzeugen, um weniger Steuern zu zahlen – das macht man nämlich normalerweise nicht himmelhoch jauchzend. Dahin gehend funktioniert diese Logik.

Nun gab es in Österreich die Frage: Wer zahlt diese Plastiksteuer? – Die Zuschauerin­nen und Zuschauer zu Hause werden sich jetzt wahrscheinlich denken: Na ja, die, die es verursachen, die Plastikhersteller und -herstellerinnen, weil diese Plastikabgabe, wenn sie wirklich zu einer Reduktion von Plastik führen soll, ja von jenen bezahlt werden muss, die das Plastik erzeugen und die es auch in der Hand haben, da zu reduzieren. – So weit, so logisch.

Anders denkt sich das unser Finanzminister Blümel, der wieder besonders positiv auf­gefallen ist. Er und die ÖVP sagen nämlich: Die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sollen die Plastiksteuer zahlen. – Da wissen wir eh schon, wen es trifft: 80 Prozent des gesamten Steuereinkommens wird von arbeitenden Menschen entrichtet. Das sind Steu­ern auf Arbeit, das sind Steuern auf Konsum, nicht Steuern auf Vermögen oder Steuern auf Besitz und Reichtum. 80 Prozent der Steuern stammen von den arbeitenden Men­schen, und genau aus diesem Topf soll nun auch noch die Plastiksteuer gezahlt werden. Es geht um 142 Millionen Euro – und ich frage Sie: Wenn eh wir alle die Plastikabgabe


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zahlen, was haben dann diejenigen, die das Plastik erzeugen, für einen Anreiz, zu redu­zieren? – Sie haben gar keinen Anreiz mehr! Das führt das Ganze ad absurdum, und das ist die Logik des Herrn Blümel! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Da hier der Wienwahlkampf ja schon eröffnet und bereits mit Wienbashing vorangetrie­ben wurde (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller): Ich meine, Herr Blümel steht ja wirklich konsequent nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen und will Wiener Bürgermeis­ter werden. Das geht sich auch irgendwie nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammengefasst: Die grüne Umweltministerin hat sich ja ebenfalls dafür ausgespro­chen, dass die Erzeuger diese Steuer zu zahlen haben – das begrüßen wir natürlich, da unterstützen wir sie natürlich –, aber der zuständige Finanzminister sagt weiterhin Nein. Dahin gehend: Vielleicht können wir das heute klären, um die Steuerzahler und Steuer­zahlerinnen da nicht unnötig zu belasten.

Unterm Strich: Wir müssen handeln! Die Richtigen müssen zur Kasse gebeten werden, zweitens müssen wir weg von diesem Kaufen, Wegwerfen, neu Kaufen – es braucht Mehrweg statt Einweg, ganz klar –, und drittens brauchen wir ein kluges Pfandsystem, dort, wo es notwendig ist, damit der Müll dort landet, wo er wirklich hingehört, nämlich im Recycling und nicht in der Natur.

All das brauchen wir, all das ist notwendig. Bitte geben Sie die Blockadehaltung auf, es wäre tatsächlich im Sinne von uns allen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


9.41.28

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Das Thema der Aktuellen Stunde: „Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermeidung“ ist, glaube ich, nicht ganz so aktuell aufgrund der Krise, die wir jetzt gerade angesichts des Coronawahnsinns haben, im Sinne einer So­zialkrise, im Sinne einer Wirtschaftskrise, und vor allem heute, an diesem Tag, an dem wir – also nicht wir, sondern die Regierungsparteien – entsprechende Gesetze beschlie­ßen, durch die es Einschränkungen in Grund- und Freiheitsrechten gibt. Dass Sie hier also eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema einbringen, ist relativ müßig. (Beifall bei der FPÖ.)

Bemerkenswert ist vor allem, wie seicht Sie, Frau Kollegin Rössler, dieses Thema heute hier vorgetragen haben, denn im Endeffekt brauchen Sie eine Mediationsstunde oder vielleicht sogar eine Gruppentherapiestunde mit Ihrem Koalitionspartner, der ÖVP, weil trotz all dem, was Sie heute hier vorgetragen haben – ich kann viele, sehr, sehr viele Punkte unterschreiben –, der Vertreter Ihres Koalitionspartners, Kollege Schmucken­schlager, hier ja auch demonstrativ gezeigt hat, wie die Haltung der ÖVP bezüglich Plas­tik, bezüglich Umweltschutz und, und, und ist. Ich bitte Sie also schon, sich diesbezüg­lich, bevor Sie sich hierherstellen, mit Ihrem Koalitionspartner zu einigen – Kollege Kopf (in Richtung Abg. Kopf, der den Sitzungssaal verlässt) geht gerade, weil das Plastikthe­ma nicht seines ist. Das findet er nicht so witzig.

Frau Bundesminister, Sie sind mittlerweile zehn Monate im Amt. Sie haben sehr, sehr viel angekündigt: Plastik, 1-2-3-Ticket. Man merkt, Sie kommen nicht ganz in die Gänge, es funktioniert nicht so, es läuft nicht so rund, denn im Endeffekt hat es außer Marketing­blasen und Überschriften bis jetzt noch nichts gegeben. Sie haben in uns betreffend die Plastikthematik einen Verbündeten gefunden, zwar nicht bei der Plastikabgabe, die der Herr Finanzminister und jetzige Spitzenkandidat in Wien dem Steuerzahler in Österreich mit 200 Millionen Euro aufs Auge drücken möchte – in diesem Bereich wird es von uns also keine Zustimmung geben –, aber dann, wenn Sie einen Verbündeten beim Thema


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Plastik brauchen, wenn es heißt, keine Quote, aber zumindest ein Pfandsystem, ein auf­kommensneutrales System zu machen, durch das der Bürger nicht belastet wird, aber die Rücklaufquote dort hinkommt, dass wir auch keine Strafsteuern zahlen. Das ist unser Weg und das ist auch das Thema, bei dem Sie in uns einen Verbündeten gefunden haben.

Auch das Thema Mehrwegquote – ein sehr guter Ansatz; das hat es, wie Sie gesagt haben, schon in den Neunzigerjahren gegeben – wäre aber natürlich entsprechend zu diskutieren und diese wieder ins Leben zu rufen. Was passiert mit Ihrem Koalitionspart­ner? – Der steht auf der Bremse – „steht auf der Bremse“ ist vielleicht der falsche Aus­druck; er hat das Gaspedal voll durchgedrückt, hat aber die Handbremse angezogen und steht auf der Fußbremse, weil im Endeffekt da sehr, sehr wenig Konstruktives kommt. Es gibt eher eine Blockadehaltung und weniger Umweltschutz sowie Klima­schutz in diesem Bereich.

Frau Kollegin Rössler, ich muss noch einmal auf Sie zurückkommen, weil Wien heute schon Thema war. In Wien haben wir 290 Kilo Restmüll pro Kopf; in Österreich sind es im Durchschnitt 166 Kilo. Da bitte ich Sie schon, so ehrlich zu sein, sich hierherzustellen und auch vor der eigenen Haustüre zu kehren und zu versuchen, die Probleme auch dort zu lösen, wo Sie in Verantwortung sind, und das ist in Wien. (Zwischenruf der Abg. Rössler.) Ich bitte also schon, das Thema, wenn Sie es ernst nehmen, dann auch so seriös zu verkaufen, wenn Sie sich hierherstellen.

Nichtsdestotrotz ist der Klima- und Umweltbereich ein sehr, sehr gutes und wichtiges Thema, bei dem wir natürlich nachhaltig wirksame Aktionen setzen müssen, auch im Zusammenhang mit allem, was erneuerbare Energie, was die Verkehrsthematik anlangt, indem man beispielsweise –ich schaue da Kollegen Hofer, den Dritten Präsidenten, an – die Nahverkehrsmilliarde auch im Bereich Umweltschutz und Klimaschutz einsetzt.

All das sind Themen, die uns wichtig sind, und wir erwarten uns mehr Akzente, mehr Aktionen und auch einen Umsetzungsmotor, der sich wirklich einmal entsprechend se­hen lässt, damit wir in diesem Bereich vorankommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


09.46.23

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viele Probleme, die unser Wirt­schaftssystem schon vorher hatte, sind jetzt, in der Coronakrise, so richtig sichtbar ge­worden. Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem, das von globalen Lieferketten abhängt, ist.

Plötzlich ist uns bewusst geworden, dass wir, wenn irgendwo auf der Welt eine Krise ausbricht, keine Medikamente mehr bekommen, keine Schutzausrüstung, oder dass in Fabriken die Räder stillstehen, weil einfach keine Ersatzteile mehr geliefert werden kön­nen.

Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem ist, auch, weil es immer noch wie eine Einbahnstraße funktioniert: Es kommen Ressourcen hinein, diese werden zu Müll, es kommen noch mehr Ressourcen hinein, diese werden zu noch mehr Müll – Ressourcen, Müll. Die Frage ist: Warum kann unser Wirtschaftssystem nicht in einem Kreislauf funktionieren, in dem wir das Material im Wirtschaftssystem halten, um so resi­lienter und widerstandsfähiger gegen Krisen zu werden? (Beifall bei den Grünen.)

In unserem System verwenden wir jeden Tag immer mehr endliche Ressourcen wie Erdöl oder Edelmetalle, und wir sind in einem solchen Maße von diesen Ressourcen


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abhängig, dass unser gesamtes Wirtschaftssystem unglaublich verwundbar ist. Am Bei­spiel Plastik kann man gut sehen, wie schlecht es uns noch gelingt, das Material im Kreislauf zu halten: Nur 23 Prozent der Plastikverpackungen werden in Österreich – und wir sind nicht schlecht im Recycling! – tatsächlich recycelt, nur 23 Prozent, der Rest wird verbrannt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Plastik ist eine ausgesprochen wertvolle Res­source, aber wir gehen sehr verschwenderisch damit um. Plastik ist ein sehr haltbares Produkt und sollte nicht für Wegwerfprodukte verwendet werden, so wie wir es derzeit tun. (Beifall bei den Grünen.)

Man stelle sich vor (ein Wasserglas in die Höhe haltend), ich trinke zu Hause ein Glas Wasser, trinke es aus und werfe es dann in den Müll. Das würde niemand machen, oder? Genau das aber machen wir mit den Plastikflaschen (eine Plastikflasche in die Höhe haltend): Wir kaufen sie, trinken sie aus, und dann gehen sie in den Müll. Ich muss schon sagen, Herr Schmuckenschlager: Wir sollten, wir dürfen dieses Problem nicht kleinre­den. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Es gibt 1,6 Milliarden – nicht Millionen, 1,6 Milliarden! – dieser Plastikflaschen, die jedes Jahr allein in Österreich im Müll landen – das sind 45 000 Tonnen. Noch vor 30 Jahren, wenn wir uns zurückerinnern – auch ich kann mich noch daran erinnern –, gab es alle Getränkesorten – Limonaden, Milch, Bier, Wein, sämtliches Wasser – in Mehrwegfla­schen. Wir konnten sie zurückbringen, haben unser Pfand bekommen, diese Flaschen konnten 50-mal wiederbefüllt und am Schluss auch noch recycelt werden. Diese – meis­tens waren es Glasflaschen, es gab aber auch PET-Mehrwegflaschen – konnten so in einem Kreislauf gehalten werden. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten haben wir zu­schauen können, wie diese Mehrwegflaschen immer weiter aus unseren Regalen ver­schwunden sind. Heute liegt der Mehrweganteil bei nur noch 19 Prozent.

Anstatt dieses Problem politisch anzugehen, hat sich die Politik auf freiwillige Vereinba­rungen verlassen. Na und was ist mit diesen freiwilligen Vereinbarungen passiert? – Wie so oft, haben sie nicht funktioniert.

Einige Getränkehersteller haben in den letzten ein, zwei Jahren gerade wieder umge­dacht. Die Ministerin hat es erwähnt: Wir haben jetzt wieder Mehrwegflaschen bei der Milch. Ich war selber damals mit Greenpeace dabei, als wir dieses Projekt gemeinsam mit der Molkerei umgesetzt haben. Es wird ja immer gesagt, die KonsumentInnen neh­men das nicht an, was aber ist passiert? – Die gehen weg wie die warmen Semmeln, die Mehrwegflaschen!

Das Problem ist aber, es gibt mittlerweile einige Diskonter, die überhaupt keine Pfand­rücknahmesysteme mehr haben. Das heißt, die können gar keine Mehrwegflaschen an­bieten. Deswegen brauchen wir politische Rahmenbedingungen, wir brauchen konkrete, verbindliche Ziele, auf die wir uns im Übrigen auch im Regierungsprogramm geeinigt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Genau dafür hat die Ministerin einen konkreten Plan vorgelegt, wonach der Mehrweg­anteil in den nächsten zehn Jahren von derzeit 19 Prozent auf 55 Prozent gesteigert werden soll. Es wird jetzt an uns liegen – für Mehrweg und für Kreislaufwirtschaft sind ja eh alle –, dass wir unseren Worten auch politische Taten folgen lassen.

Weil Wien angesprochen wurde, was erwartbar war: Ich weiß nicht, ob es Ihnen allen schon aufgefallen ist, aber Wien ist eine Großstadt. Wien ist eine Metropole, und da funktionieren Dinge vielleicht ein bisschen anders als in Kleinstädten oder am Land. Ich finde, gerade beim Thema Abfallvermeidung ist Wien in den letzten Jahren sehr vorbild­lich gewesen. Das könnten sich auch andere Bundesländer als Vorbild nehmen. Im Wie­ner Abfallwirtschaftsgesetz ist zum Beispiel eine Mehrwegverpflichtung für Veranstaltun­gen vorgeschrieben, das würde ich mir in allen Bundesländern wünschen. Kollegin Röss­ler hat das während ihrer Regierungszeit auch in Salzburg umgesetzt. Das sind sinnvolle


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Schritte, die auch die Bundesländer setzen können, aber jetzt sind wir hier im Bund am Zug. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


09.52.28

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Wir sprechen heute über die Wegwerfgesellschaft, und wie Sie alle wissen, bin ich tatsächlich ein sehr leidenschaftlicher Umweltschützer. Trotz dieser Leidenschaft habe ich mich aber über die Themenwahl der Aktuellen Stunde etwas gewundert. Ich habe mir gedacht, es gibt im Umweltbereich, im Bereich der Klimapolitik so viele Themenbe­reiche, zu denen wir in der aktuellen Krise sehr konkrete und auch hilfreiche Antworten finden könnten. Die Frage der Wegwerfgesellschaft könnte ein Bereich sein, die Frage der Einwegplastikrichtlinie ist, glaube ich, keiner.

Darauf möchte ich jetzt etwas eingehen. Das Erste: Worüber reden wir denn eigent­lich? – Wir reden darüber, dass es eine Einwegplastikrichtlinie der Europäischen Union gibt. Die ist vereinbart, die wird in Kraft treten, und Österreich erreicht die darin vereinbar­ten Ziele schlicht nicht. Wenn wir die Ziele nicht erreichen, müssen wir 142 Millionen Euro Strafe pro Jahr zahlen. Finanzminister Blümel hat gesagt: Das ist kein Problem, das zahlen wir aus dem allgemeinen Budget.

Wir haben im Umweltausschuss weiters über den Vorschlag eines Pfandsystems debat­tiert, mit dem die Recyclingquoten und Reduktionsraten so erreicht werden, dass – wir sehen es in anderen Ländern – diese Strafzahlungen von 142 Millionen Euro nicht an­fallen.

Das ist die aktuelle Debatte. Da sind aber die Grünen keine Helden, denn das hat tat­sächlich die Europäische Union in Vorleistung erbracht. Wir in Österreich haben da aber bis jetzt relativ wenig an herzeigbaren Ergebnissen.

Dazu, dass Wien deutlich schlechter liegt als alle anderen Bundesländer, sage ich auch wie die Kollegen von der ÖVP – das ist kein Wienbashing, das ist Fakt –: Wenn man sich das österreichweit anschaut, stellt man fest, dass neun von zehn Plastikflaschen im Recycling landen – in Wien sind es nur sechs von zehn. Das ist einfach so. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Manchmal kriegt man den Applaus von der falschen Seite, aber gut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Red­ners.)

Jedenfalls würde ich gerne über die Wegwerfgesellschaft ein bisschen anders diskutie­ren. Worum geht es denn beim Problem Wegwerfgesellschaft, abgesehen von der Plas­tikflasche? – Es geht im Wesentlichen darum, dass wir in Österreich in der Situation sind, dass viele Produkte, die wir kaufen, nicht in einer österreichischen Produktion hergestellt werden. Der Grund dafür ist nicht das Einwegplastik, sondern dass wir eine viel zu hohe Steuer- und Abgabenlast haben. Das ist das wesentliche Element. Wenn wir die Lohnne­benkosten in einem solchen Ausmaß senken würden, dass die Produkte in Österreich hergestellt und dann auch in Österreich erworben werden können, wäre das ein Riesen­schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den NEOS.)

Gleiches gilt im Übrigen auch, was die Besteuerung der Produkte danach betrifft, denn es ist ja nicht nur die Produktion zu teuer, sondern es schlägt dann auch der Staat reich­lich etwas drauf.

Dazu kommt aber ein zweites Element, nämlich: Wir produzieren mit den höchsten Um­weltstandards, wir produzieren in vielen Bereichen schon CO2-frei oder -arm. Das ma­chen natürlich die Länder in Fernost großteils nicht. Die richtige Antwort darauf wäre –


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und da sind wir sogar auf einer Linie mit dem Regierungsprogramm, wenn es gescheit gemacht wird – eine CO2-Besteuerung und gleichzeitig ein CO2-Grenzausgleich. Das würde bedeuten, dass Produkte, die in Österreich unter höheren Umweltstandards her­gestellt werden, natürlich bei einer niedrigeren Besteuerung und niedrigeren Lohnneben­kosten, für die Menschen nicht teurer, aber dann – so die Annahme – in der Qualität höher werden würden. Das muss das Ziel sein und das wäre auch eine Debatte, die wir heute führen könnten, denn das schafft auch regionale Arbeitsplätze – ein zentrales Ele­ment, das wir in der Krise dringend benötigen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit möchte ich zu meinem letzten Punkt kommen, an die grüne Fraktion und auch an Sie, Frau Ministerin, gerichtet: Ich weiß, dass Sie im Umweltbereich deutlich mehr ma­chen als Ihre VorgängerInnen, das muss man auch anerkennen; das ist aber ehrlich gesagt auch nicht schwer, die Latte lag nicht recht hoch. Ich glaube jedoch, dass wir in der Krise andere Formate finden müssen.

Wir haben die größte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik. Wir wissen von Ökonomen, dass wir pro Monat 10 000 bis 15 000 neue Jobs schaffen müs­sen, damit wir nicht dort landen, wo wir nicht landen wollen: in einem großen Wohlstands­verlust, in einer großen Arbeitslosigkeit, in einer langen Kurzarbeit. Das ist heute die Angst von vielen Menschen. Umwelt- und Klimapolitik könnten dazu einen Beitrag leis­ten. Wir brauchen Formate, bei denen es darum geht: Wie schaffen wir im Bereich der erneuerbaren Energie, im Bereich der Abfallwirtschaft, im Bereich der Mobilität, im Be­reich der Gebäudesanierung und in vielen anderen Bereichen, die uns betreffen, jedes Monat 10 000 oder 15 000 neue Jobs? – Jobs, die es auch in Zukunft geben wird, Jobs, die jetzt vielleicht in der Automobilindustrie verloren gehen und dort auch nicht wieder zurückkommen werden.

All diese Antworten hätten Sie in einer Aktuellen Stunde geben können, haben Sie aber nicht gegeben, und das ist eine wirklich verpasste Chance. (Beifall bei den NEOS.)

9.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cin­celli. – Bitte.


09.57.59

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir wollen nun die entstehenden Herausforderungen im Bereich der Klimapolitik gemeinsam meistern, und Green Deal und Kreislaufwirtschaft sollen mehr sein als bloße Worthülsen, Schlagworte. Unsere Bestrebungen müssen natürlich weit darüber hinausgehen und ein neues Design von Zirkularität sollte entstehen. Wenn wir aber so denken, müssen wir von Anfang an überlegen, was mit einem Produkt am Lebensende passiert. Gemeinsam haben wir da eine sehr große Aufgabe vor uns.

Zum Plastik – weil das die Debatte dominiert, werde ich mich jetzt auf das Plastik kon­zentrieren –: Es braucht Lösungen mit Leidenschaft und hohen Ansprüchen, und genau das schätze ich, offen gesagt, an der gemeinsamen Arbeit in der Koalition. Dafür braucht es aber viele Komponenten: Produktdesigner, es braucht dafür die Forschung im Bereich der Verpackungsinnovation, die Lebensmittelindustrie, da gibt es ganz viele, die da rein­spielen und mitwirken müssen.

Wir alle zusammen können Maßnahmen setzen, um die EU-Ziele zu erreichen. Jetzt wurde aber schon wieder das PET-Thema diskutiert, was meiner Meinung nach viel zu kurz gegriffen ist. Das ist ein ganz minimaler Bereich, mit dem in keiner Weise diese Quoten, die wir bis 2025, bis 2030 erfüllen müssen, zu erfüllen sind. Es gibt da lei­der viele Missverständnisse und auch Fehlinformationen. Unser dringlichstes Ziel wä­ren 90 000 Tonnen mehr bis 2030. Die PET-Flaschen würden maximal 8 000 Ton­nen ausmachen, die wir damit zusätzlich schaffen würden. Das ist eine ganz leichte


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Milchmädchenrechnung: Wir brauchen weitere 82 000 Tonnen Plastikmüll, die uns trotzdem noch fehlen würden.

Das heißt, es ist einfach zu kurz gegriffen, uns jetzt nur mit diesen PET-Flaschen ausein­anderzusetzen. Die Erfüllung wäre meiner Meinung nach ein Nebeneffekt. Wenn wir eine einheitliche gelbe Sammlung hätten, einheitliche gelbe Tonnen in ganz Österreich, dann ließe sich das PET-Thema automatisch mitlösen.

Wir haben bereits jetzt unglaublich gute Ergebnisse: 70 Prozent aller PET-Flaschen wer­den bereits jetzt gesammelt. In manchen Bundesländern – und deswegen wundert es mich; in den Bergen in Tirol und in Vorarlberg kann es zum Beispiel nicht sein – werden bereits neun von zehn Flaschen ganz ohne Gebühr, ganz ohne Pfandsystem gesam­melt, auch im Burgenland zum Beispiel; und auch andere Länder sind schon ganz weit vorne. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur Wien ist wirklich in der Steinzeit, da werden – es tut mir leid, dass ich es sagen muss – drei von zehn dieser Flaschen gesammelt – drei Stück von zehn! –, der Rest wird gemeinsam mit dem Restmüll verbrannt, das ist einfach ein Faktum. Ich finde es schade, dass argumentbasierte Debatten in einem solchen Fall immer daran scheitern, dass es heißt, das wäre alles Wienbashing. Egal, worüber man redet – ob es um Brennpunkts­chulen geht oder um irgendwelche Themen, die man ansprechen sollte –, es heißt, das wäre Wienbashing. – Das stimmt nicht! Wir müssen aber über Fakten reden, denn Fak­ten verschwinden nicht allein dadurch, dass man sie ignoriert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir brauchen ein flächendeckendes Abholsystem. Gerade in der aktuellen Situation möchten wir als ÖVP auf keinen Fall die Unternehmer weiter belasten, aber auch nicht die Menschen in Österreich. Es wird schon von 30 Cent pro Flasche – zusätzlich – ge­redet. Die Leute, die bereits jetzt ihre Flaschen zu Hause brav in den gelben Sack, in die gelbe Tonne werfen, sollten und dürften die Flaschen dann nicht mehr zusammendrü­cken, denn sie müssten dann für den Automaten gerade bleiben. Sie sollten das mit einem Mörderaufwand irgendwohin bringen – das ist unserer Meinung nach ein Büro­kratieaufwand, der entsteht. Der kleine Trafikant, der Tankstellenbetreiber, aber auch die Kioskbetreiberin, der kleine Greißler am Land, die hätten plötzlich einen Mörderauf­wand damit. Ich glaube, die Leute haben heute andere Probleme, um die wir uns küm­mern müssen, es kann nicht sein, dass wir sie noch zusätzlich belasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen eine ökologische Lösung, ja, und PET ist kein Mehrwegsystem. Es ist oft wirklich ein Irrglaube, habe ich das Gefühl, ein Missverständnis, dass man glaubt, dass das ein Mehrwegsystem ist. Diese Flasche, Herr Kollege Hammer, die Sie vorhin hier heraußen gehabt haben, ist übrigens – ich glaube, das war eine Vöslauer-Flasche – zu 100 Prozent aus Rezyklaten hergestellt. Das ist eigentlich eine von den guten Flaschen, wenn man es so nimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, in diesem Zusammenhang gibt es sehr viel Unwissenheit, auch beim Kon­sumenten, denn der Rohölpreis ist im Moment auch so im Keller, dass diese Rezyklate kaum verkaufbar sind; das wäre aber Stoff für eine eigene Rede, darauf einzugehen habe ich jetzt keine Zeit mehr.

Wir brauchen ehrliche ökologische Lösungen und müssen das Mehrwegsystem ausbau­en – das steht auch im Regierungsprogramm und dazu stehen wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens – das ist jetzt mein Abschluss – ist es auch eine Gerechtigkeitsfrage. Alle Bun­desländer haben ambitionierte Programme, bis auf Wien. Frau Bundesministerin, viel­leicht können Sie mit Frau Hebein reden, denn es kann nicht sein, dass man die Wie­nerinnen und Wiener eigentlich diskriminiert, die zahlen nämlich zusätzlich, weil sie den Restmüll bezahlen müssen. Durch die Abgeltungsverordnung bekommt die Stadt Wien


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von der ARA Millionenbeträge und zusätzlich casht die Stadt Wien noch durch den Heiz­wert, der durch die Müllverbrennung entsteht, ab, also doppelt und dreifach. Das ist ein­fach nur dreist, ganz ehrlich. Dann soll, wenn wir EU-Strafzahlungen haben, das bitte schön auch die Stadt Wien in Zukunft finanzieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Kurz zusammengefasst: 2030 brauchen wir 90 000 Tonnen mehr Plastikmüll. Es ist eine einfache Milchmädchenrechnung: Das geht sich niemals mit Extra-PETs von maximal 8 000 Tonnen aus, die wir da holen können. Das heißt, wir brauchen ein einheitliches Trennsystem für ganz Österreich. Wir brauchen eine Haushaltsabholung direkt von den Haushalten, auch in Wien, gelbe Tonnen in Wien in den Haushalten, im öffentlichen Raum, im Park, an der Bushaltestelle, am Spielplatz. Das geht bei den ÖBB genauso. So werden wir die Ziele in Österreich und in Europa gemeinsam erreichen, und wir wer­den alles noch ökologischer gestalten können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bayr. – Bitte.


10.04.05

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Mi­nisterin! Ja, zugegeben, in zweieinhalb Wochen sind Wahlen in Wien, aber das ist kein Grund, um hier völlig faktenbefreit zu agieren. Vielleicht einigen Sie sich innerhalb der ÖVP-Fraktion einmal darüber, wie viele von zehn PET-Flaschen jetzt wo zurückkommen oder nicht – Sie selber agieren mit völlig unterschiedlichen Zahlen, es ist ein bisschen peinlich. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

In Wien gibt es ein jährliches Restmüllaufkommen von 1 Million Tonnen – und da sind die PET-Flaschen, die zum Beispiel Pendler wie Herr Schmuckenschlager mit nach Wien nehmen, hier herzeigen, dann aber wahrscheinlich nicht wieder mit nach Hause nehmen und – in diesem Fall in Klosterneuburg – entsorgen, sondern hierlassen, schon mitge­rechnet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es gibt in Wien 4 500 Altstoffsammelstellen. Es gibt 455 000 Sammelcontainer für alle möglichen Müllfraktionen. Es gibt 16 Mistplätze, die zum Teil auch am Wochenende of­fen haben. Im Durchschnitt haben ein Wiener und eine Wienerin 165 Meter zur nächsten Altglassammelstelle – ich schaue mir an, wo das sonst noch der Fall ist. Und seit 30 Jah­ren gibt es in Wien eine systematische, immer weiter ausgebaute getrennte Müllsamm­lung. Es kommt aber ab und zu vor, dass bei der ÖVP ein paar Jahrzehnte verloren gehen, das ist mir schon klar. Sie (in Richtung ÖVP) sind in einigen Fragen relativ zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

350 Tonnen pro Jahr werden recycelt, und jedes Jahr sind 2 000 internationale Besu­cherinnen und Besucher in Wien, die sich das Altstoffsammelsystem, das Mülltrennungs­system anschauen. Es vergeht kein Monat, in dem sich nicht bei mir als der Vorsitzenden der Österreichisch-Südamerikanischen Freundschaftsgruppe wenigstens ein Botschaf­ter, eine Botschafterin am Telefon meldet und sagt: Du, ich würde so gerne meinen Mi­nister/meine Ministerin nach Wien bringen, dass er/sie sich das anschaut, wie ihr das in Wien macht. Kannst du mir da etwas organisieren? – Ja, natürlich kann ich es organi­sieren.

Wien gewinnt Preise, aber nein, Wien ist furchtbar und schlecht und ganz, ganz schlimm.

Ich nehme Sie gerne einmal mit, zeige Ihnen diese großen Container – aber Sie dürfen sich nicht fürchten. Wenn man in Wien in einem Park auf Menschen trifft, die blaue Wes­ten anhaben, dann sind das – auch wenn der Innenminister und die Integrationsminis­terin versuchen, Ihnen etwas anderes weiszumachen – keine Islamisten, sondern Waste­watcher. Das sind Leute, die versuchen, die BewohnerInnen, die BenutzerInnen der


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Parks dazu zu erziehen, mit Müll verantwortungsvoll umzugehen; aber ich sehe schon: Davon haben Sie noch nie etwas gehört. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wien hat auch noch große Ziele. Wien, allen voran Ulli Sima als Umweltstadträtin, hat das Ziel, dass Wien bis 2050 zu einer Zero-Waste-, zu einer Null-Müll-Stadt wird. Durch mannigfaltige Maßnahmen soll es unterm Strich keinen Abfall mehr geben, etwa indem aktiv Abfallvermeidung betrieben wird. Ich habe jetzt vergessen, meine Metallflasche mitzunehmen – ich trinke hier im Haus mein Wasser nur aus einer immer wieder befüll­baren Metallflasche, woraus auch sonst? Wiener Wasser ist super.

Es geht darum, dass man Mehrweg- und Pfandsysteme besser umsetzt. Es ist schon gesagt worden: Ja, in Wien haben wir nicht so viele rechtliche Möglichkeiten. Dort, wo wir die Möglichkeit haben, zum Beispiel bei Veranstaltungen, können wir das auch vor­schreiben. Es würde mich, Frau Ministerin, sehr, sehr freuen, wenn es da auch auf Bun­desebene Regelungen gäbe, wodurch den Ländern in vielen dieser Fälle bessere Hand­haben zugestanden werden würden. Und ja, wir haben in Wien auch vor, dass Verbren­nungsrückstände und Abgase noch weiter verwendet werden, als das jetzt schon der Fall ist. Die Kompetenz der Stadt ist da also sehr groß und wir machen wirklich das Beste daraus.

Lassen Sie mich noch kurz etwas als Reminiszenz an meine Zeit als Umweltsprecherin der SPÖ erzählen: Ich habe damals die Frage von Abfallvermeidung als eine meiner Prioritäten gehabt, und der Umweltminister war damals, glaube ich, Herr Pröll. Auch er hat damals gemeint, dass mit freiwilliger Selbstverpflichtung alles wunderbar funktionie­re. – Nein, es funktioniert natürlich nicht mit freiwilliger Selbstverpflichtung, wir brauchen gesetzliche Quoten für Mehrweg, für Pfand. Was in der Gastronomie sehr gut funktio­niert – dort haben wir nämlich relativ hohe Quoten –, funktioniert im Einzelhandel über­haupt nicht mehr. Gehen Sie einmal irgendwohin – und sei es in eine noch so große Supermarktkette – und suchen Sie Wasser in einer Pfandflasche! Sie werden in 95 Pro­zent der Fälle scheitern, weil es die schlicht nicht mehr gibt. Das ist den Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber, die absichtlich und bewusst umweltbewusst leben wollen, unfair. Es geht einfach nicht mehr, und daran muss man etwas ändern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wissen Sie, die Wirtschaftskammer war damals – vielleicht ist sie das heute immer noch – sehr einfach gestrickt und hat sich gedacht, wenn sie mir als Sozialdemokratin einen Betriebsrat schickt – damals war es der Betriebsrat von Amatil, dem Coca-Cola-Abfüller am Wienerberg in Favoriten –, dann gehe ich quasi ein und dann ist klar - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (fortsetzend): - -, ich erstarre vor der Androhung, dass, wenn man eine neue Abfüllanlage braucht, die Firma absiedelt. Und was ist pas­siert? – Nichts ist passiert. Es gab keine gesetzlichen Mehrwegquoten und die Firma war nach zwei Jahren aus Österreich weg, weil es ihr einfach darum ging, Profite zu maximie­ren, und nicht darum, irgendwelche Umweltgedanken zu verfolgen.

So schaut es aus, und darum ist das, was Sie da vorhaben, Frau Ministerin, sehr gut, und wir unterstützen Sie bei Ihrem Dreipunkteplan allemal. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Präsidenten des Oberösterreichi­schen Landtages, Wolfgang Stanek, herzlich auf der Galerie begrüßen. – Herzlich will­kommen bei uns! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.



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10.10.17

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren! Herr Präsident, ich würde mir nur wünschen, Sie würden bei den ÖVP-Rednern auch so genau auf die Redezeit achten wie bei den anderen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

„Raus aus der Wegwerfgesellschaft [...]“ haben die Grünen als Thema der Aktuellen Stunde gewählt. Ich weiß nicht, ob es nicht ein aktuelleres Thema als die Wegwerfge­sellschaft gäbe, aber ich will den Bogen zur Wegwerfkoalition, zur grün-schwarzen Koali­tion, die hier im Haus sitzt, spannen.

Frau Rössler, Sie haben uns die Frage gestellt: Können wir es uns bei 800 000 Arbeits­losen leisten, alles wegzuwerfen? Ich frage Sie: Können wir es uns bei 800 000 arbeits­losen und in Kurzarbeit befindlichen Menschen leisten, unsere Grund- und Freiheitsrech­te über Bord zu werfen? Können wir es uns leisten, unsere Verfassung über Bord zu werfen und zu missachten? Können wir es uns leisten, Volksvermögen zu vernichten und Privatvermögen zu vernichten? – Sie leisten es sich offensichtlich in dieser Weg­werfkoalition von Grün und Schwarz, denn Sie wollen heute entsprechende Gesetze beschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

Alles, wofür Generationen gekämpft haben, was sie aufgebaut haben, wird von Ihnen über Bord geworfen. Sie sitzen jetzt ja aber an den Trögen der Macht, und die Tröge der Macht werden immer wieder neu gefüllt, mit neuen Fonds, und da wird dann schamlos hineingegriffen – und Sie unterstützen das auch. (Abg. Stögmüller: Sagen Sie!) Sie un­terstützen das auch.

Ich sage Ihnen jetzt ein Beispiel: Wir nehmen die Wirtschaftskammer. Die Wirtschafts­kammer hat uns noch im Frühjahr erklärt, dass sie die Ressourcen hat, den Härtefall­fonds völlig problemlos abzuwickeln, dass sie die Grundumlage für ihre Unternehmen aussetzen wird, dass sie auf die Grundumlage verzichten wird. – Jetzt schaut die Welt ganz anders aus! Unsere Forderung, Rücklagen dafür aufzulösen, Rücklagen herzuneh­men, wurde natürlich abgelehnt. Wir setzen die Grundumlage aus? – Jetzt schaut die Welt anders aus. Jetzt kommt die Wirtschaftskammer und argumentiert: Wir haben durch die Abwicklung dieses Härtefallfonds einen so großen Aufwand gehabt, wir müssen die Grundumlage vorschreiben.

Und was passiert parallel dazu, und Sie decken das? – Der Herr Finanzminister infor­miert gleichzeitig die Unternehmer, dass man sich diese Grundumlage über den Fixkos­tenzuschuss zurückholen kann. Das heißt, der Steuerzahler bezahlt jetzt die Wirtschafts­kammer – Querfinanzierung der Wirtschaftskammer über Steuergeld.

Es ist ein Skandal, und diesen Skandal deckt nicht nur Herr Erwin Angerer von den Freiheitlichen auf, sondern auch Frau Jungwirth. Ich weiß nicht, ob Sie die Dame ken­nen, meines Wissens ist sie die Frau Vizekanzler. Sie sagt: „,Ich bin wirklich fassungslos, mit welcher Unverfrorenheit der türkise Finanzminister seine Parteifreunde in der Wirt­schaftskammer bedient! Die Quersubventionierung der WK‘“ – Wirtschaftskammer – „,über Steuermittel ist ein starkes Stück!‘, so Sabine Jungwirth abschließend.“ Und Sie decken das! (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb werden wir natürlich in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses nächste Woche wieder einen Antrag auf Auflösung der Rücklagen der Wirtschaftskam­mer einbringen.

Mir ist noch etwas zugespielt worden, nämlich dass offensichtlich in der Bilanz der Wirt­schaftskammer auch noch andere Rücklagen versteckt werden. Die Bilanz der Wirt­schaftskammer ist offensichtlich das geheimste Dokument dieser Republik, denn es ist nicht möglich, in die Bilanz der Wirtschaftskammer Einsicht zu nehmen. Herr Kopf, legen


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Sie die Bilanz der Wirtschaftskammer offen! Ihre Mitglieder wollen wissen, ob Sie in der Wirtschaftskammer für Werbung und Schulung, für fachspezifische Bereiche zusätzlich zu den entsprechenden gesetzlichen Rücklagen noch weitere Rücklagen geparkt haben.

Oder Herr Matznetter von der SPÖ – er ist zwar jetzt nicht da; er ist ja Vizepräsident, er müsste das auch haben –: Legen Sie die Dinge offen! Wir wollen das sehen! Wir wollen diese Dinge sehen, was da wirklich in der Wirtschaftskammer abgeht und wie mit Steu­ergeld querfinanziert, wie es in Ihre Konstrukte verschoben wird.

Das sind die aktuellen Themen, über die wir reden sollten, anstatt eine Pappendeckel- oder Plastikflaschendiskussion zu führen, die zurzeit wirklich niemanden von den 800 000 Menschen, die um ihre Existenz fürchten, interessiert.

Vielleicht noch abschließend, liebe Grünen und Grüninnen, eine Frage zu den Millionen Masken, die Sie in China gekauft haben und die irgendwo geparkt sind: Werden die recycelt oder werden die weggeworfen? – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, der guten Ordnung halber: Ich habe Kollegin Bayr auch darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Schlusssatz zu sprechen hat, und ich habe auch Sie – weil Sie grundsätzlich nicht zum Thema gespro­chen haben – nicht mit dem Ruf zur Sache unterbrochen. Darauf darf ich aufmerksam machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Gewessler. Sie hat jetzt auch eine absolute Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.


10.15.11

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Es wird kürzer sein; ganz kurz drei Punkte.

Auf die Ausführungen des Abgeordneten Bernhard und vielleicht ein bisschen auch auf die des Abgeordneten Rauch davor als Replik: Wir werden heute bei einem späteren Tagesordnungspunkt eine Novelle des Umweltförderungsgesetzes auf den Weg brin­gen, die mit einer der vielen Maßnahmen, die darin enthalten sind, nämlich im Bereich der thermischen Sanierung und der Heizkesselförderung, in den nächsten Jahren 45 000 Jobs in Österreich sichern und schaffen wird. Das wird also heute ein großes Thema hier in diesem Haus sein, und ich hoffe, es wird auch entsprechend ein Thema sein, denn diese Novelle ist tatsächlich ein Meilenstein. Dazu sage ich später gerne mehr.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – ich weiß nicht, wo Herr Kollege Rauch gerade ist – machen wir genau dasselbe: Investitionssicherheit für die nächsten Jahre, Jahr­zehnte. Das ist ein Schub an Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch eine Planungssicherheit für viele Betriebe. Das sind Aufträge, das sind Jobs, das sind zukunftsfähige Jobs, die auch nachhaltig sind. Das wird heute also noch ein großes Thema hier in diesem Haus sein.

In der Klimapolitik wie in der Abfallvermeidungspolitik sind wir aber, glaube ich – und das hängt zusammen, Kreislaufwirtschaft und Klimapolitik: große Synergie –, in der Debatte und in der Dringlichkeit des Themas an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Wir diskutieren es im Kreis, machen wir zuerst das und dann das, eines wartet auf das andere! – Wir müssen wirklich ganz viele Hebel gleichzeitig bewegen.

Zur Versachlichung der Debatte vielleicht noch drei Punkte: Das Erste – das ist auch schon in mehreren Redebeiträgen vorgekommen – ist das Zahlenthema. Wir hatten letzte Woche die Abfallwirtschaftsverbände sowohl aus Tirol, aus Vorarlberg als auch aus dem Burgenland – also die, die es wissen müssen und die nicht wissen, wie diese Zahlen zustande kommen – gehört und wissen, dass wir in diesen Ländern das Ziel be­reits erreichen. Das heißt, wir werden aus der heutigen Debatte auch mitnehmen: Es


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gibt offensichtlich Bedarf an einer noch valideren Datenbasis, weil die Zahlen, die derzeit in Diskussion sind, von den Experten/Expertinnen nicht nachvollzogen werden können. Wir werden daher im Ministerium dafür sorgen, dass wir das auch liefern.

Zweiter Punkt, zur Frage: Sind nicht andere Ziele wichtiger? Höhere Rezyklatanteile, die Frage nach getrennter Sammlung et cetera? – Auch dazu: Diskutieren wir es bitte in den Zusammenhängen, die das Thema auch hat! Ein Pfandsystem führt dazu, dass man in besserer Qualität sammelt, somit gerade für den Einsatz im Lebensmittelbereich – wir haben vorhin die PET-Flasche diskutiert – auch besseres Material als Grundlage zur Verfügung hat. So gilt also auch da: Es gibt Querverbindungen, Zusammenhänge, das ist nicht ein Entweder-oder, sondern wir müssen für ganz viele dieser Maßnahmen mitt­lerweile ein Und denken, weil wir einfach einen Handlungsdruck und einen Zeitdruck haben.

Dementsprechend ist das auch das Ziel des Dreipunkteplans – und damit möchte ich dieses Thema abschließen –, denn im Haushaltsbereich sind ein Viertel des Abfalls Plastikverpackungen und Kunststoffverpackungen; also genau der Bereich, den das be­trifft.

Das heißt, wir haben da wirklich gerade für die Menschen in Österreich ein Thema, das einen gewichtigen Teil ausmacht, und, wie gesagt, es ist nicht das Einzige, was wir tun, nicht das Einzige, was wir tun müssen. Abfallvermeidung ist ein großes Thema, braucht viele Maßnahmen auf vielen verschiedenen Ebenen, aber man muss auch einmal ir­gendwo beginnen, und das machen wir. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


10.19.09

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehr­ter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte ZuseherInnen hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Lassen Sie es mich einfach mit einer persönlichen Erfahrung, die ich bei mir zu Hause auf mei­nem Bauernhof gemacht habe, zusammenfassen! Wir beschäftigen uns mit der Direkt­vermarktung von Frischmilch. Vor zehn Jahren haben wir begonnen, unsere Milch in Milchflaschen abzufüllen und bis vor die Haustüre zu liefern. Das war vor zehn Jahren etwas Besonderes, das gab es in meiner Heimatregion in Südkärnten nicht. Nach einem Jahr haben wir die Milchzustellung in Flaschen einmal evaluiert.

Fakt war: Wir haben an 200 Haushalte zweimal in der Woche Milchflaschen zugestellt. Das waren circa 1 000 Flaschen pro Woche, und wir haben unsere Kunden dann gefragt: Liebe Leute, wie seid ihr mit diesem Service zufrieden? – Die erste Antwort galt nicht dem Geschmack und lautete nicht: Toll, dass es Heumilch ist! Vielmehr war die erste Antwort: Endlich weniger Müll! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Ihnen auch sagen, wie viel Müll wir eingespart haben: Es waren circa 55 000 Tetra­pak-Packerln, die somit nicht in Umlauf gelangt sind. Dazu werden meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP dann wahrscheinlich sagen: Toll, ein perfektes Beispiel für die Selbstverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten!

Geht man aber an meinem Hof vorbei nur ein paar Schritte weiter, kommt man zur ersten Wiese neben der Straße. Wenn ich dort das ganze Jahr über entlangspaziere, kommt mir eines entgegen, nämlich solche Flaschen in unterschiedlichsten Formen der Zerset­zung. (Die Rednerin hält eine zerdrückte PET-Flasche in die Höhe.) Und am Ende lan­den diese Flaschen sehr oft trotzdem im Futter unserer Tiere, obwohl wir sehr oft durch


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unsere Wiesen spazieren und Plastik einsammeln. Da ist mein Betrieb nicht der einzige, sondern es haben ganz viele Betriebe mit einer solchen Verschmutzung zu kämpfen, und da hört die Selbstverantwortung auf!

Deshalb ist es nur wichtig und richtig, dass unsere Bundesministerin, Frau Leonore Ge­wessler, diesen Dreipunkteplan ausgerufen hat, damit wir jetzt dorthin kommen, dass wir auf Einwegverpackung Pfand einheben, damit es eine Herstellerabgabe für Plastik gibt und damit wir die Mehrwegflasche in Österreich wieder etablieren und von den 19 Pro­zent auf 80 Prozent hinaufkommen, wo wir schon einmal waren. Auch in diesem Haus könnten wir mit gutem Beispiel vorangehen und statt solcher Flaschen (die PET-Flasche in die Höhe haltend) in unserer Kantine einfach auf Mehrwegglasflaschen umstellen. So würden wir den Anteil – diese 19 Prozent – sofort erhöhen. (Beifall bei den Grünen.)

Weil heute so viel über Littering gesprochen wurde: Ja, 4 500 Tonnen Abfall landen ent­lang der Wege einfach so in der Natur und in der Landschaft. 4 500 Tonnen, das sind 4,5 Millionen Kilogramm! Wissen Sie, wie viele Plastikflaschen und anderen Abfall Sie sammeln müssen, damit Sie auf eine solche Tonnage kommen? Von diesen 4 500 Ton­nen werden jährlich lediglich 1 000 Tonnen durch freiwillige Flurreinigungsaktionen ein­gesammelt, der Rest bleibt draußen. Es ist also stark verkürzt, zu sagen: Es reicht, mit Flurreinigungsaktionen durch unsere Landschaft zu ziehen. – So kann es nicht sein! Das ist ein wesentlicher Beitrag von uns allen – vielen Dank dafür, dass wir das tun! –, aber das kann nicht der Schluss der Rechnung sein.

Der Schluss der Rechnung muss sein, dass auf diesen Flaschen nicht steht: Bitte recycle mich!, sondern vielmehr, Herr Kollege Schmuckenschlager: Hol dir dein Pfand zurück! Mit dem Dreipunkteplan wird uns das gelingen. Wir holen uns das Plastikpfand. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.


10.23.23

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Kolleginnen und Kollegen! Ich kann an Kollegen Michi Bernhard anschließen, der schon ausgeführt hat, wie unsere grundsätzliche Haltung zu dem Pfandsystem ist und dass es vielleicht für die Aktuelle Stunde eine bessere Wahl des Themas gegeben hätte. Das hat nichts mit der Dringlichkeit des Themas zu tun, aber dass wir zurzeit viel­leicht ganz andere brennende Themen haben, hat unser Kollege ja schon ausgeführt.

Ich möchte ein bisschen grundsätzlicher anfangen und die Gelegenheit für einen Rück­blick auf das letzte Jahr und vor allem den Beginn dieser Gesetzgebungsperiode nutzen. Ich habe etwas noch sehr gut im Ohr, weil das für mich natürlich ein aufregender Moment war, nämlich meine erste Rede, und zwar zum Thema Klimaschutz und Umweltschutz: Ich habe in dieser Rede eindringlich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir, die Verantwortungsträger unseres Landes, ein Bewusstsein für die Dramatik des Klimawan­dels und der Umweltzerstörung haben.

Ich habe damals am Beispiel des Worst-Case-Szenarios des internationalen Klimako­mitees aufgezeigt, wie ein Europa im Jahr 2070 aussehen wird, wenn wir jetzt nicht ra­dikal umlenken: Die Wasserversorgung in Italien, Spanien und Griechenland wird bis dahin zusammengebrochen sein. Die Landwirtschaft wird vor dem Kollaps stehen. Die Niederlande, Belgien, das Vereinigte Königreich und Norditalien werden ernsthafte Pro­bleme mit dem Meeresspiegel haben. In Österreich wird die Versteppung der Donau­ebene und des Burgenlands voll im Gange sein. Die Alpen werden bis dahin eis- und schneefrei sein. Außerdem wird für alte und schwache Menschen mittlerweile jeder Sommer lebensbedrohlich sein. – Das ist unsere Zukunft, die Zukunft der nächsten Ge­neration, um die es dabei geht. Es ist also notwendig, dass wir heute handeln, nicht


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morgen, nicht übermorgen, und dafür wird mehr notwendig sein als eine Aktuelle Stunde zur Wegwerfgesellschaft, liebe Grüne!

Ein Jahr nach Beginn der Legislaturperiode vermissen wir nämlich die großen Würfe, die großen Reformen und auch schon die Ansätze für überhaupt Großes. Ich sage Ihnen auch: Mir wurde von den Grünen bei anderen Themen immer signalisiert: Wir können nicht bei Moria mitgehen, wir können nicht für LGBT-Rechte stimmen, wir können in Menschenrechtsfragen nicht mit euch stimmen, wir können nicht für ein Verbot von Kü­kenschreddern stimmen, weil wir uns im Klimaschutz durchgesetzt haben. – Liebe Grü­ne! Eine Botschaft in diese Richtung: Dafür, dass in allen anderen Fragen alle Über­zeugungen über Bord geworfen wurden, passiert einfach viel zu wenig! (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht noch ein kurzer Sidestep zu einem aktuellen Thema, da die türkis-grüne Bun­desregierung ja schon mit 100 Geflüchteten aus Moria überfordert ist: Bis 2070 – wenn wir bei diesem Worst-Case-Szenario bleiben – rechnet die UNO mit Hunderten Millionen Klimaflüchtlingen. Diese werden sich dann nicht mehr auf Inseln wegsperren und fern­halten lassen, wie wir das jetzt tun. Führen Sie sich das, vielleicht auch die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, vor Augen!

Mir ist klar – das habe ich eingangs gemeint –, dass wir in den vergangenen Monaten eine ganz andere große Krise durchlebt haben und noch durchleben. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die eine Krise gegen die andere auszuspielen. Wir wissen nämlich, dass insbesondere die Klimakrise zu einer wahrscheinlich noch viel größeren Krise zu werden droht. Deswegen müssen wir heute handeln.

Ich wünsche Ihnen, Frau Bundesministerin – ich habe das auch im Ausschuss schon mehrfach gesagt –, viel Erfolg beim Kampf gegen die zahlreichen Widerstände, vor allem vonseiten des Koalitionspartners. Ich fordere Sie aber schon auf, dass von Ihrer Seite mehr kommt als PR- und Showmaßnahmen! Fahrradwege, Pfandsystem: All das ist gut, wir dürfen aber den Blick auf das große Ganze nicht verlieren.

Ich möchte auch betonen, dass Sie vor allem auch die Unterstützung der jungen Men­schen in Österreich haben. Sie werden die Zahlen aus der Studie kennen, die letzte Woche veröffentlicht wurden: 80 Prozent der Elf- bis 18‑Jährigen geben an, dass sie die Umwelt- und Klimazerstörung für das größte Problem halten. Womöglich haben Sie auch von den Berechnungen gehört, die besagen, dass wir 2050 möglicherweise mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren haben werden, wenn wir so weitermachen. – Ich weiß, dass all das sehr dramatisch klingt, aber die Realität ist dramatisch, und deswegen müs­sen wir uns das vor Augen führen und deswegen müssen wir auch handeln.

Ich habe vor etwas weniger als einem Jahr bei meiner ersten Rede im Nationalrat aufge­zeigt, was das Klimakomitee sagt und was dieses Worst-Case-Szenario ist. Dabei lege ich immer auch einen Schwerpunkt auf die Generationengerechtigkeit und auf die Aus­wirkungen für die nächste Generation, weil wir es sind, die diese Auswirkungen spüren werden, und zwar mit voller Wucht, und weil wir die Rechnung werden begleichen müs­sen. Dabei wird egal sein, ob etwas den Blockierern zu schnell ging, ob es Sachzwänge gab oder ob das bei den Wählerinnen und Wählern im Bezirk gerade nicht so gut ankam. Die kommenden Generationen werden die Regierungen und vor allem diese Regierung daran messen, ob sie die großen, mutigen Reformen endlich gesetzt hat, um die kom­mende existenzbedrohende Katastrophe abzuwenden. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht noch ein Letztes, um meine Rede nicht ganz so negativ abzuschließen, auch an die KollegInnen von den Grünen und Sie, Frau Ministerin: Es hat seit Jänner Schritte in die richtige Richtung gegeben. Ich glaube, das muss man auch anerkennen. So zählen die Regierungsvorlage heute und der Entwurf fürs EAG zu den guten Schritten, aber das


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Ruder ist noch lange nicht herumgerissen, weder bei den Emissionen noch beim Ener­gieverbrauch noch bei der Bodenversiegelung noch beim Biodiversitätsverlust oder in der Verkehrspolitik.

Daher mein Schlusssatz: 2050 oder 2070 wird es niemanden interessieren, dass es mit Türkis-Grün ein bisschen besser war als mit den Blauen. Es muss fundamental besser geworden sein, und das ist, glaube ich, der Auftrag an Sie. (Beifall bei den NEOS.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

10.29.01Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Unterstützen Sie ein europäisches Asylsystem
und retten Sie die Kinder aus Moria, Herr Bundeskanzler!“

Ich darf folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments, die nominiert worden sind, herzlich begrüßen: Ich sehe Frau Abgeordnete Winzig, Herrn Abgeordneten Sidl, Herrn Abgeordneten Mayer, Frau Abgeordnete Vana und jetzt auch schon Frau Abgeordnete Gamon und heiße sie herzlich willkommen.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger, ich darf ihr das Wort erteilen. Sie weiß: 10 Minuten Redezeit. – Bitte.


10.29.51

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Schaut so Europa aus? „Ist das Europa?“ – Das sind die Worte von Milad aus der Kurz­dokumentation “A Short Story of Moria” von Joko und Klaas. Ich habe mir gestern diese Dokumentation angeschaut und ich habe es kaum ertragen. Es ist unerträglich, was Sie dort sehen. Das ist vor wenigen Tagen ausgestrahlt worden.

In diesen 15 Minuten des Films sehen Sie Bilder, die Sie jedenfalls nicht mit Kindern anschauen sollten. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie, wenn Sie es vielleicht bis jetzt geschafft haben, die Augen vor dem, was dort in Moria passiert, zu verschließen, danach nicht mehr die Möglichkeit haben, die Augen zuzumachen. Es wird sichtbar und spürbar, was Tausende Menschen dort tagtäglich erleben, und natürlich ist es durch den Brand noch einmal deutlich verschärft worden.

Man sieht in dem Film, wie Frauen, Männer, Kinder in Booten von der griechischen Küs­tenwache abgedrängt werden, der Motor ruiniert wird und sie hinaus aufs offene Meer geschleppt und dort dann sich selbst überlassen werden. Sie werden dann von der tür­kischen Seewache gerettet, aber da sind die Kinder bereits drei Tage lang ohne Wasser auf dem Boot.

Man sieht Frauen, Männer und Kinder in Plastikplanen auf der Erde – die Plastikplanen werden behelfsmäßig zusammengehalten – und völlig kaputte Sanitäranlagen. Dieses Lager ist für 3 000 Menschen ausgerichtet – 13 000 Menschen sind dort. Man sieht dann auch den Brand und man sieht, wie die Menschen fliehen. Man sieht, wie die Polizei auf einmal mit Tränengas auf die Menschen schießt, sie bekämpft und wie auch Kinder das Tränengas abbekommen.

Ist das Europa? Schaut so Europa aus? – Herr Bundeskanzler, Sie haben in einem Vi­deo gesagt, dass diese schrecklichen Bilder niemanden kaltlassen, aber dass sie an


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andere Flüchtlingslager in anderen Teilen der Welt erinnerten. Dieses Lager aber ist nicht in anderen Teilen der Welt, dieses Lager ist in Europa. Es ist mitten in Europa, in dem Kontinent, der eine Wertegemeinschaft ist, in dem wir uns der Menschenwürde und den Menschenrechten verschrieben haben. Das ist unser europäischer Boden! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Sie sagten in dem Video, wenn man jetzt helfe, dann würde eine neue Welle wie 2015 entstehen. – Das ist unredlich. Vor allem aber sagt das ja eines, nämlich dass Sie diese Menschen dort ganz bewusst als quasi menschliche Schutzschilde, als Abschreckungs­szenario einsetzen, damit andere Menschen nicht kommen, weil sonst ja dieser Pullef­fekt eintreten würde – von Pusheffekten reden Sie ja nicht.

Das heißt, im Europa des Jahres 2020 benützen wir Menschen, darunter Kinder, und ihre Schicksale als Abschreckungsszenario für andere Menschen. Was hat das mit Men­schenwürde und unserem Verständnis von Menschenwürde zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Heute wird die Kommission einen Vorschlag, einen Vorstoß dahin gehend machen – getragen auch gerade von der deutschen Ratspräsidentschaft –, dass es eine neue Lö­sung für ein gemeinsames europäisches Asylsystem gibt, das Sie ja angeblich auch wollen. Was aber machen Sie? – Sie richten jetzt schon aus: Die EU-Politik ist geschei­tert! – Ja, an Ihnen, an Ihrer Blockade. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Götze.)

Sie richten aus, es müssten sich jetzt einmal die kleinen Länder gegen die Dominanz der großen durchsetzen, und erwähnen – was richtig ist –, dass Österreich in der Flücht­lingskrise 2015 einen sehr großen Beitrag geleistet hat. Was ist das für ein Argument? Liegt es nicht gerade dann im Interesse der kleinen Länder, die einen solchen Beitrag geleistet haben, dass alle solidarisch agieren, dass man sich dafür einsetzt, dass alle Länder auch Lasten und Bürden übernehmen und nicht nur ein Cherrypicking erfolgt? – Das ist kein Argument, Herr Kanzler, das ist ein Scheinargument, und es ist untragbar, wenn Sie weiterhin eine europäische Flüchtlingspolitik blockieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Blimlinger.)

Nein, so schaut Europa nicht aus – nicht mein Europa! Das ist eine Schande, und wir weisen seit vielen, vielen Monaten darauf hin. Das ist mir jetzt ganz besonders wichtig: Wir als NEOS weisen seit März, aber schon davor, jedenfalls ganz massiv seit dem Aus­bruch von Corona Woche für Woche darauf hin, welche Zustände dort herrschen und was dort passieren wird. Eine gute Politik, eine vorausschauende Politik agiert oder re­agiert nicht dann, wenn etwas passiert, sondern sie schaut, dass nichts passiert. Sie haben monatelang weggeschaut, monatelang die Augen verschlossen, den Kopf im Sin­ne von: Wenn es nicht in unseren Zeitungen ist, dann existiert es vielleicht auch gar nicht!, in den Sand gesteckt. Das Problem ist aber da, dieses Problem muss gelöst wer­den, und es wird definitiv nicht gelöst, wenn man einen gemeinsamen europäischen Weg weiterhin blockiert.

Das hat auch mit Leadership zu tun – Leadership ist das Thema, das zunehmend in Zweifel gerät, auch in dieser Coronakrise –, es hat aber auch damit zu tun, wie Öster­reich sich in Europa positioniert. Stattdessen hat man Sätze wie den des Herrn Außen­minister Schallenberg gehört: Immer wenn etwas passiert, gibt es ein „Geschrei nach Verteilung“. – Das ist Zynismus und in meinen Augen eine ungeheure Präpotenz, wenn man andere Ansichten, andere politische Meinungen als „Geschrei“ abtut. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Man kann nicht alle retten – nein, das können wir nicht –, es sei ja nur eine „Symbolpoli­tik“. – Die Antwort des grünen Regierungspartners war, dass das zynisch sei, aber weiter ist nichts passiert. Man könnte da durchaus darüber reden, wie sehr die Grünen schon in vielen Bereichen zum Steigbügelhalter geworden sind. Ich danke auch meinem Kol­legen Yannick Shetty, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass bis jetzt so wenig im


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Klimaschutz passiert ist, dass man damit nicht rechtfertigen kann, dass man ansonsten alle Werte über Bord geworfen hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte jetzt aber nicht dieses Grünenbashing fortsetzen, sondern ich richte mich ganz bewusst an die ÖVP: Dieses „Geschrei nach Verteilung“, nach einem gemeinsa­men europäischen Weg, der auch eine solidarische Komponente beinhaltet, das kommt nicht von linkslinken Gutmenschen, das kommt aus der Mitte der Politik, aus der Mitte der Gesellschaft. Es ist Ihr CSU-Kollege Horst Seehofer, der gesagt hat, er sei von Ös­terreich enttäuscht: „Ich bin von der Haltung unserer österreichischen Nachbarn ent­täuscht, sich an der Aufnahme einer überschaubaren Zahl von Schutzbedürftigen“ – es geht um Kinder, es geht um Familien – „aus Griechenland nicht zu beteiligen.“ – Er sagt auch weiter: „In einer solchen Situation muss Europa Geschlossenheit zeigen. Wenn wir nichts tun, stärken wir die politischen Ränder.“

Ich bin davon überzeugt, dass er recht hat. Das ist eine Politik der Mitte, die nach Lö­sungen sucht und nicht ständig die Probleme groß hält. Es ist eine Politik der Mitte, die Menschlichkeit und Empathie in den Vordergrund stellt. Es ist eine Politik der Mitte, die sagt: Wir können etwas tun. – Es ist eine Politik der Mitte, die Aussagen, denen zufolge es sich um reine Symbolpolitik handelt, eine Absage erteilt, weil das – und ich sage Ihnen das noch einmal mit Blick auf dieses Video „A Short Story of Moria“ – für diese 100 Kin­der oder Familien, die wir dort gesehen haben, denen wir helfen können, für die auch viele Menschen in Österreich bereit sind, einen Beitrag zu leisten, keine Symbolpolitik ist. Es geht um deren Leben, es geht um deren Zukunft und es geht um deren Chancen. Nehmen Sie sich ein Herz, geben Sie sich einen Ruck und holen wir diese Kinder und Familien aus Moria! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

10.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


10.38.39

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Innenminister! Frau Infrastruktur-, Klima- und Umweltministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Ich hätte eigentlich eine vorbereitete Rede gehabt, um noch einmal aus unserer Sicht die Situation in Europa die Migration und das Asylwesen betreffend zu schildern, aber, Frau Meinl-Reisinger, vielleicht erlauben Sie mir nach dieser Rede, auf ein paar Punkte einzugehen (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), die Sie angesprochen ha­ben, ganz abseits von dem, was ich an grundsätzlichen Erklärungen vielleicht gern ge­sagt hätte.

Ich möchte bei einem allgemeinen Punkt beginnen: Ich glaube, es ist vollkommen ange­bracht, emotional zu sein, wenn man das Leid der Menschen in Moria, in Griechenland, auf Lesbos sieht, es ist vollkommen richtig, gegenüber diesen Menschen, die unglaublich leiden, Emotionen zu haben, aber ich würde mir schon wünschen, dass wir trotz dieser zu Recht bestehenden Emotionen in der Diskussion dieser politischen Frage in Öster­reich einen sachlichen und respektvollen Umgang untereinander finden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich glaube nicht, dass das ständige Arbeiten mit Emotionen, ohne Fakten, dass der ständige Versuch, in Gut und Böse, in richtig und falsch, in menschlich und unmenschlich einzuteilen, zu schubladisieren, einen positiven Beitrag zu unserer Debattenkultur in Ös­terreich leistet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kucharowits: Immer dieselbe Masche! Im­mer! – Abg. Meinl-Reisinger: Unfassbar ...!)


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Ich kann Ihnen nur sagen, ich respektiere Ihre Sicht der Dinge zu 100 Prozent. Wir leben in einer pluralistischen Demokratie. Wir leben in einem vielfältigen Europa unter dem Motto: „In Vielfalt geeint“.

Wenn ich darf, würde ich Ihnen jetzt gerne zu einigen Punkten, die Sie angesprochen haben, in aller Sachlichkeit meine Sicht der Dinge skizzieren:

Das Erste ist, Sie haben vollkommen recht, dass es unglaubliches Leid auf Lesbos, kon­kret im Flüchtlingslager Moria, gibt, und Sie haben vollkommen recht, dass diese Bilder, wenn man sie sieht, niemanden kaltlassen. Ich kann Ihnen nur sagen, noch schlimmer ist es, wenn man es nicht im Fernsehen oder in der Zeitung sieht, sondern wenn man es persönlich erlebt. Ich habe als Außenminister auf verschiedenen Reisen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, unzählige Menschen und unfass­bares Leid gesehen.

Wir haben nicht nur 13 000 Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria, wir haben unge­fähr 50 000 Menschen in Griechenland, wir haben ungefähr 50 000 Menschen in den Balkanstaaten, wir haben 3,5 Millionen Flüchtlinge in der Türkei und wir haben noch ein­mal eine deutlich größere Zahl in Syrien, im Irak und in deren Nachbarländern. Wir haben weltweit, je nach Berechnungen, zwischen 70 und 100 Millionen Flüchtlinge.

Ich erspare Ihnen Geschichten über Straßenkinder in Bukarest, die zum Beispiel Kleb­stoff schnüffeln und teilweise in der Kanalisation leben. (Abg. Meinl-Reisinger: Das haben Sie eh schon ein paar Mal erzählt! Das ist ja nichts Neues!) Was tun wir dort? – Wir nehmen sie auch nicht alle auf, sondern Österreich hat ein höchst erfolgreiches Pro­jekt, nämlich Concordia, ins Leben gerufen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe im Irak, in Jordanien, im Libanon, in Afrika unzähliges Leid bei syrischen Flüchtlin­gen erlebt. Kommen Sie einmal mit mir ins Somaliland oder anderswohin: Tausende Men­schen in unfassbarer Armut, teilweise unterernährt, furchtbare hygienische Bedingun­gen. Wenn man das sieht, Frau Abgeordnete, dann ist eines klar: Wir können definitiv nicht alle Menschen aufnehmen! Wir wollen aber helfen, und die richtige Antwort ist aus meiner Sicht die Hilfe vor Ort. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich bin dem Koalitionspartner in diesem Zusammenhang auch dankbar für das gemein­same Vorgehen beim Auslandskatastrophenfonds. Als ich Außenminister war, haben wir noch gekämpft, dass der Auslandskatastrophenfonds von 5 Millionen Euro auf 10 Mil­lionen Euro erhöht wird. Heute ist der Auslandskatastrophenfonds mit 50 Millionen Euro dotiert.

Ich bin auch stolz darauf, dass Österreich als eines der ersten Länder Hilfsgüter nach Griechenland geliefert hat, nämlich Quartiere für 2 000 Menschen. Sie können dort win­terfest untergebracht und ordentlich, menschenwürdig versorgt werden. Vielen Dank an den Innenminister, der als einer der Ersten eine solche Aktion gestartet hat und auch die Hilfsgüter geliefert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt: Sie haben gesagt, Österreich tut da zu wenig. Andere haben in den letzten Tagen Worte wie: Österreich tut gar nichts!, Österreich nimmt niemanden auf!, verwendet. Auch da würde ich gerne auf die Zahlen hinweisen: In den letzten fünf Jahren hat Österreich über 200 000 Menschen aufgenommen. Wir sind das Land in Europa, das am drittmeisten belastet ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Genau deswegen liegt es im Inter­esse Österreichs, dass wir europäisch vorgehen!) Wir sind das Land in Europa, das, nach Schweden, die zweitmeisten Kinder aufgenommen hat. Wir haben alleine in diesem Jahr, alleine in den ersten acht Monaten dieses Jahres 3 700 Kindern einen positiven Bescheid ausgestellt. Das bedeutet, 3 700 Kinder haben alleine in diesem Jahr in Öster­reich Schutz gefunden. (Abg. Kucharowits: Die seit Jahren auf die Entscheidungen ge­wartet haben! Seit Jahren!)


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Bitte verzeihen Sie, wenn ich mir, wenn ich von anderen Ländern höre, dass sie zwei, vier oder 16 Kinder aufnehmen, nicht denke: Unglaublich, was die leisten! – Österreich hat da deutlich mehr getan als die Masse aller anderen Länder (Abg. Meinl-Reisinger: Habe ich gesagt!), und wir sollten zunächst einmal diejenigen integrieren, die schon hier sind, bevor wir über Neuaufnahmen diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mich in dem Zusammenhang auch ein Stück weit irritiert, ist der Versuch, es so darzustellen, als würde Österreich die europäische Linie blockieren. Sie haben gesagt, wir sind schuld am Scheitern der europäischen Politik, wir stellen uns gegen eine euro­päische Lösung. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Kennen Sie das, wenn man den Ein­druck hat, dass eine Debatte sich in Österreich anders abspielt als im Rest der Welt und im Rest Europas? Sie zitieren vollkommen zu Recht, was Deutschland tut, aber ich gebe Ihnen hier vielleicht einen größeren europäischen Überblick: Es ist vollkommen richtig, dass Deutschland sich bereit erklärt hat, in einem ersten Schritt gemeinsam mit anderen Ländern 400 Kinder aufzunehmen, und dann auf 1 500 Flüchtlinge – die in Deutschland aufgenommen werden sollen – erhöht hat.

Bei diesem ersten Schritt, der Aufnahme von 400 – einer meiner Meinung nach relativ kleinen Zahl, wenn man vergleicht, was Österreich geleistet hat –, haben sich neun an­dere Länder bereit erklärt, mitzumachen. 17 Länder haben gesagt, sie machen da nicht mit, darunter auch sozialdemokratisch geführte Länder wie Dänemark und Schweden – das Land, das bisher immer für die unbeschränkte Aufnahme in Europa gestanden ist, hat sich an diesem deutschen Programm nicht beteiligt –; 17 Länder, die nicht mitge­macht haben, und zehn Länder, die mitmachen

In einem zweiten Schritt hat Deutschland erklärt, man erhöht auf 1 500 Flüchtlinge, die man aufnimmt. Wissen Sie, wie viele andere Länder sich bereit erklärt haben, auch die­sem Weg zu folgen und zu erhöhen? – Ich kenne kein einziges. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist das für ein Argument?) Vielleicht haben Sie andere Informationen, aber meinen Informationen nach haben 26 Länder in der Europäischen Union gesagt, nein, sie sto­cken nicht auf, sie werden nicht in ähnlich großer Zahl wie Deutschland Menschen auf­nehmen.

Das bedeutet, dass wir hier, glaube ich, nicht davon sprechen sollten, dass Österreich isoliert ist. Wir sind mit unserer Linie Teil der absoluten Mehrheit in der Europäischen Union. Was mich stört, ist, dass die innereuropäische Debatte in Österreich nicht er­wähnt wird. Was mich in Österreich, auf nationaler Ebene, ein Stück weit irritiert, ist, wie sehr hier Politiker der Volkspartei für ihre Linie beschimpft werden, mit wie viel Hass wir im Internet zu kämpfen haben, welche Aussagen es da von manchen Politikern gibt.

Die Sozialdemokratie hat gesagt, unser Vorgehen sei menschenunwürdig. (Abg. Sche­rak: Eure eigenen Leute!) Prof. Taschner ist gestern in einer Ausschusssitzung angegrif­fen worden, und es wurde gesagt, man sei persönlich enttäuscht von ihm. Als Landes­hauptmann Doskozil sich dafür ausgesprochen hat, keine Flüchtlinge aufnehmen, als er gesagt hat, keine Menschen aus Moria übernehmen zu wollen, gab es diese Wortmel­dungen vonseiten der Sozialdemokratie auf einmal nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt ein letzter, aber, so glaube ich, langfristig wichtiger Punkt, nämlich zur Frage, wie das europäische Asylsystem, wie dieser gemeinsame europäische Weg, den wir wollen, aussehen soll – das ist ein Punkt, der, glaube ich, nachdenklich machen sollte –: Im Jahr 2015 sind nicht nur über eine Million Menschen nach Europa gekommen und es gab eine Überforderung in Mitteleuropa, im Jahr 2015 sind auch Tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken. Wir haben dieses System stets bekämpft und haben Gott sei Dank irgendwann auch die Mehrheit in der Europäischen Union davon überzeugt, dass es unwürdig ist, wenn Europa einen Weg geht, der dazu führt, dass das Mittelmeer zum


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Massengrab wird. Die europäische Politik hat sich geändert: in Richtung Außengrenz­schutz, in Richtung Kampf gegen die Schlepper, in Richtung Hilfe vor Ort statt unbe­schränkter Aufnahme in Mitteleuropa.

Es sollte einem schon zu denken geben, Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger, wenn grie­chische Behörden und griechische Verantwortliche immer wieder sagen: Wenn ihr Men­schen aufnehmt, dann überlegt doch, von wo!

Ist es richtig, Menschen aus Lesbos aufzunehmen, oder löst das nur aus, dass diejeni­gen, die auf Lesbos weiter zurückbleiben, dort einen unglaublichen Frust entwickeln und teilweise auch gewaltsam versuchen, nach Mitteleuropa durchzubrechen? (Abg. Meinl-Reisinger: Das verstehe ich ja! Ich verstehe das total!) Löst das nicht aus, dass sich noch mehr Menschen aus der Türkei und anderen Ländern auf den Weg nach Lesbos machen und dann auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken?

Ich kann Ihnen nur sagen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete: Ich unterstütze einen europäischen Weg, aber was ich in diesem Leben sicher nicht unterstützen werde, ist ein europäischer Weg, der dazu führt, dass Menschen unter falschen Vorstellungen nach Europa gelockt werden, die Schlepper immer mehr verdienen und Unzählige auf ihrem Weg nach Mitteleuropa ertrinken. Das ist ein Weg, den wir definitiv nicht unterstüt­zen werden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. (Der Beifall hält nach wie vor an.) – Abgeordneter Lopatka ist am Wort. – Bitte.


10.51.07

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mei­ne sehr geehrten Herren Bundesminister! Ich danke dem Herrn Bundeskanzler sehr für diese klare Haltung. (Ruf bei der FPÖ: Wir auch!) In diesen unsicheren Zeiten, in denen wir leben, brauchen Menschen klare Positionierungen. Die österreichische Bundesregie­rung hat da eine Linie, und es ist ganz, ganz wichtig, in dieser Frage nicht sofort aus der Emotion heraus an die Sache heranzugehen (Zwischenruf bei der SPÖ) – denn dann kommt man zu einer Symbolpolitik –, sondern klar und langfristig im Interesse aller Be­troffenen, der Flüchtlinge, aber auch der Menschen, die hier leben, die Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die NEOS haben gefordert: „Unterstützen Sie ein Europäi­sches Asylsystem [...], Herr Bundeskanzler!“ – Meine Damen und Herren, wir haben ein europäisches Asylsystem, das sogenannte Dublin-III-Verfahren. Spätestens seit 2015 aber wissen wir, dass das nicht funktioniert – und Kollegin Dziedzic war dabei, als wir mit der zuständigen Kommissarin schon vor geraumer Zeit ein Gespräch hatten ‑: Es ist seitens der Europäischen Kommission meines Erachtens viel zu wenig mit Nachdruck daran gearbeitet worden – fünf Jahre sind inzwischen vergangen –, zu einer besseren Lösung zu kommen. Dafür kann man aber nicht die österreichische Bundesregierung, unseren Innenminister oder unseren Bundeskanzler verantwortlich machen. Es gibt eine klare Aufgabenteilung – und für europäische Lösungen ist vorrangig die Kommission zu­ständig. Deren Aufgabe ist es auch, in dieser Frage – gemeinsam mit den Nationalstaa­ten – zu einer besseren Lösung zu kommen. Das ist nicht Aufgabe der österreichischen Bundesregierung. (Ruf bei der FPÖ: Was hat der Herr Karas gemacht?)

Zweiter Punkt: Ihr Vorwurf, meine Damen und Herren von den NEOS, geht wirklich ins Leere. Sie sprechen von Blockade. Wir sind – der Herr Bundeskanzler hat es angespro­chen – europaweit am drittstärksten belastet! Nur Schweden und Deutschland haben diesbezüglich mehr gemacht. Und weil jetzt, im Zusammenhang mit Moria, die Minder­jährigen, Kinder im Vordergrund gestanden sind: Da hat Österreich in den letzten Jahren weit, weit mehr geleistet als Deutschland! Das muss man in diesem Zusammenhang


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schon sagen, und da verstehe ich diese Selbstgeißelung der NEOS nicht. (Abg. Loa­cker: ... nachweisen? – Abg. Scherak: „Selbstgeißelung“ ...?!) – Na ja, die Selbstgeiße­lung, was Österreich betrifft. Sie geißeln Österreich! Wir alle sollten auf die Leistungen von Österreich hinweisen! Das würde den NEOS auch nicht schlecht anstehen, Kollege Scherak. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Hilfe vor Ort zu leisten – neben dem, was wir hier im Land machen –, und zwar rascher und in einem größeren Umfang als die anderen, das ist für mich christlich-soziale Politik! Das, was wir machen, ist christlich-soziale Politik: vor Ort rasch und schnell helfen; Grie­chenland helfen, aber auch den Flüchtlingen, die auf Lesbos sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir reden nur von Moria. Moria hat vor 14 Tagen gebrannt. Letztes Wochenende ist das zweite Mal versucht worden, einen Brand im Flüchtlingslager Vathy auf Samos zu legen. Wenn das Schule macht, dann werden andere versuchen, auch in Vial auf Chios so vorzugehen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Auch dort leben Tau­sende Flüchtlinge. Man darf daher einem solchen Vorgehen nicht folgen.

Was meine ich damit? – Der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen: 16 der EU-Mit­gliedstaaten haben bis zum heutigen Tag in dieser Frage den Weg Österreichs gewählt. Der Herr Bundeskanzler hat Schweden und Dänemark erwähnt, und auch in Spanien, wo Sozialdemokraten regieren, ist genauso vorgegangen worden, dass man Deutsch­land nicht gefolgt ist. Auch die NEOS – ich hoffe, Sie haben es nicht vergessen – haben Schwesterparteien innerhalb der ALDE: In Tschechien regiert eine Schwesterpartei von Ihnen (Abg. Meinl-Reisinger: Leider! – weitere Rufe bei den NEOS: Leider!), in Estland. Auch hier ist der Weg, den Sie wollen, nicht gegangen worden.

Auch in Österreich unterstützen sieben der neun Landeshauptleute die Haltung der Bun­desregierung, und nach mir kommt ja die SPÖ-Vorsitzende zu Wort! Der erfolgreichste sozialdemokratische Politiker auf Landesebene, und das ist Hans Peter Doskozil, hat ganz klar gesagt, dass er die Linie der Bundesregierung unterstützt.

Selbst Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in ihrer Rede letzte Woche in Straß­burg gewarnt, sie hat gemeint: „Wie wir alle wissen, hat die Migrationskrise von 2015 zu schweren Verwerfungen zwischen den Mitgliedstaaten geführt – manche Wunden sind bis heute nicht verheilt.“

Tun wir alles, damit wir den Fehler von 2015 nicht nochmals machen! Wir wollen starken EU-Außengrenzschutz, effektiven Kampf gegen die Schlepperkriminalität. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir auch! Wir fordern das auch!) Das ist genauso wichtig wie die Integration der Menschen, die zu uns gekommen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir fordern das auch!)

Das ist keine Symbolpolitik mit der großen Moralkeule, mit der Sie immer unterwegs sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Wir nehmen nicht die Moralkeule in die Hand, wir machen verantwortungsvolle Politik, so wie es Bundeskanzler Kurz skiz­ziert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Abgeordnete Rendi-Wagner. – Bitte.


10.57.04

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Sehr geehrtes Hohes Haus und sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen vor zwei Wochen zugeschaut, zuge­hört, ich habe das Video gesehen, und ich frage mich: Wie überheblich, wie arrogant


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kann man sein (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten El-Nagashi und Brand­stätter), uns zu belehren, uns Europa zu erklären, uns zu erklären und zu suggerieren, dass Emotionalität das Gegenteil von Sachlichkeit ist? – Ich kann Ihnen eines sagen: Ich bin stolz, Emotionen und Werte zu haben, denn das macht uns zu Menschen, und Menschlichkeit und Humanität sind die Basis unseres europäischen Wertesystems. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Die Klubobfrau der NEOS hat die Situation auf Moria sehr eindrücklich beschrieben. Zwei Wochen nach dem Brand ist die Situation dort nicht viel besser, noch immer sind die Zustände verheerend: Kinder schlafen, liegen im Dreck. Ja, und das alles spielt sich mitten in unserem Europa, wenige Flugstunden von Wien entfernt, ab. Die Brände von Moria machen eines deutlich – das ist klar –, sie sind dafür ein Vergrößerungsglas: das Versagen Europas in der Flüchtlingspolitik. Nur – so ehrlich müssen wir sein –: Zu Euro­pa gehört Österreich, und damit ist es auch ein Versagen der österreichischen Bundes­regierung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter. – Bundeskanzler Kurz: Was sagt Doskozil?)

Denn was konkret, Herr Bundeskanzler, hat die österreichische Bundesregierung unter Ihrer Leitung in den letzten drei Jahren tatsächlich getan, um die Situation zu verbes­sern? Was haben Sie getan, um ein einheitliches, gut funktionierendes europäisches Asylsystem zu entwickeln, Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen mit UNHCR-Standards zu etablieren? Was haben Sie getan, um die Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen – das wäre ja der Schüssel? – Nichts, sehr geehrte Damen und Herren, nichts! (Abg. Wöginger: Der Doskozil sieht das anders! – Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Und warum nicht? – Deswegen nicht, weil es manchen europäischen politischen Bewe­gungen wohl den politischen Nährboden entziehen würde, wenn Fluchtursachen be­kämpft werden, wenn das System gut und besser funktionieren würde – denn dann kann man Flüchtlinge nicht mehr in der täglichen politischen Debatte zum Feindbild machen, denn dann kann man aus dem Leid von Kindern kein politisches Kapital mehr schlagen. Ja, und das, sehr geehrte Damen und Herren, passiert gerade, mitten in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter. – Abg. Wöginger: Was sagt der Dos­kozil dazu? – Abg. Kickl: Eine sozialistische Weltrevolution hat noch selten was Gutes ausgelöst!)

Man könnte jetzt als österreichische Bundesregierung hergehen und sagen: Ja, wir leis­ten unseren Beitrag zu einem funktionierenden EU-Migrationssystem, ja, jetzt braucht es das, spätestens jetzt, aber gleichzeitig – und das eine schließt das andere nicht aus (Zwischenruf des Abg. Wöginger) – leisten wir unseren Beitrag auf humanitärer Ebene, indem wir eine Notaktion für die Schwächsten der Schwachen unterstützen und gemein­sam mit anderen europäischen Ländern 100, 200, seien es 500 Kinder aus diesem Elend befreien! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind nicht wir alleine, es sind nicht nur die NEOS und die SPÖ, die diese Auffassung vertreten, es sind auch Hunderte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, viele aus der ÖVP (Abg. Wöginger: Was sagt denn der Doskozil dazu? Was sagt denn der Landes­hauptmann im Burgenland?), Herr Wöginger, die Kinder aus Moria aufnehmen würden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

All diese Menschen betreiben keine Symbolpolitik, denn Kinder zu retten ist niemals Symbolpolitik. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist vielmehr feige von der Bundesregierung (Abg. Wöginger: Doskozil ist feige?!), sich hinter Floskeln wie Pullfaktoren zu verstecken, Kin­der zu entmenschlichen, das Thema zu entemotionalisieren. (Abg. Wöginger: Im Bur­genland sind die Kinder entmenschlicht!) Das ist beschämend und das ist unwürdig, sehr geehrte Damen und Herren!


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Herr Bundeskanzler, ich kann mich erinnern, Sie haben vor zwei Jahren von einem Be­such in Israel berichtet. Sie haben damals sehr berührende Gespräche mit Überleben­den des Holocaust, Österreicherinnen und Österreichern, heute 90 Jahre alt, geschil­dert. Man kann die Situation in Moria nicht mit dem Holocaust vergleichen (Ruf bei der ÖVP: Das glaube ich auch! – Bundeskanzler Kurz: Das glaube ich auch! – weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP), nichts ist vergleichbar, aber: Wissen Sie, wie alt diese Überle­benden 1939 waren? – Sie waren Kinder und Jugendliche, und damals wie heute gilt: Kinder sind Kinder sind Kinder, Herr Bundeskanzler! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Hätten alle Regierungschefs 1939 so gedacht wie Sie heute, hätten Sie diese Gespräche vor zwei Jahren in Tel Aviv nicht mehr führen können. (Abg. Haubner: Das ist ja ab­surd! – Abg. Martin Graf: ... ja verharmlosend! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie haben damals Verantwortung für Gegenwart und Zukunft versprochen. Herr Bundeskanzler, die Gegenwart heißt Moria. (Abg. Wöginger: Erklären Sie das dem Dos­kozil!) Halten Sie Ihre Versprechen! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Tomaselli.)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist das Mitglied des Europäischen Par­laments Georg Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Kickl. Abg. Haubner: Ein Skandal ist das!)


11.02.53

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätztes Hohes Haus! Werte Regierungsmitglieder! Die Bilder, die wir alle gesehen haben, sind natürlich tragisch, und die Bilder sind natürlich erschre­ckend. Frau Kollegin Rendi-Wagner, diese Europastunde kommt ja von Ihnen, und Sie haben ein Video erwähnt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ich könnte Ihnen auch von Videos erzählen, die ich gesehen habe, aber das mache ich nicht, denn dann würden Sie mich zum Schluss auch noch einen Populisten nennen, und das wollen wir ja nicht. (Abg. Meinl-Reisinger – die Hand hebend –: Hallo, ich war’s! Ich bin nicht Ren­di-Wagner!) – Wo sind Sie? – Ah, hier, Entschuldigung, Frau Meinl-Reisinger! Da gibt es also, Frau Kollegin, auch noch andere Videos, die ich Ihnen jetzt nicht vorspielen werde. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wer auch immer dieser Brandteufel in Griechenland war, hat zumindest diese menschli­che Tragödie – ich glaube, auf diesen gemeinsamen Nenner können wir uns einigen – auch sachlich zu verantworten. Geschätzte Kollegen, es gibt aber auch eine politische Verantwortung. Böse Zungen behaupten ja schon, dass dieser Brandanschlag vielleicht auch etwas mit dem heute zu präsentierenden neuen Migrationspakt zu tun hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Ah, die CDU war’s?! Die CDU war’s!) Da könnte man ja natürlich ver­muten, dass eine gewisse Einflussnahme genommen werden sollte. Vielleicht denken Sie darüber auch einmal nach. (Abg. Meinl-Reisinger: Die CDU war’s!) Ich beschuldige hier niemanden. Ich weiß nicht, wer dieses Lager angezündet hat, genauso wenig wie Sie das wissen, aber es gehen schon gewisse Beweisketten in eine gewisse Richtung.

Die Lösung des Problems, Frau Kollegin, kann und wird aber nicht die Aufnahme einiger weniger sein, wie das von Ihnen verlangt wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Eh nicht!) Das ist wohl eher absichtlich naiv und sogar noch rechtswidrig, Frau Kollegin.

Die Flüchtlingsthematik ist seit 2015 in Diskussion. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie hier darüber diskutieren, es ist nicht das erste Mal, dass wir im Europaparlament darüber diskutieren. Es gibt geltende gesetzliche Regelungen, geschätzte Kollegen. Kollege Lo­patka hat es gesagt: Es gilt Dublin III. Das ist gültiges EU-Recht, das aber seit 2015 mit Füßen getreten wird, das seit 2015 schlicht nicht umgesetzt wird. Was ist denn das für eine Art des willkürlichen Handelns?


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Dazu passt aber auch Ihre sehr polemische und populistische Formulierung, das Thema dieser Europastunde, da steht nämlich: „retten Sie die Kinder [...], Herr Bundeskanzler!“

„Kinder sind Kinder sind Kinder“, haben wir jetzt dreimal gehört. (Abg. Leichtfried: Das ist auch so!) Es geht Ihnen aber, glaube ich, weniger um diese 350 Kinder, die betroffen sind, sondern es geht Ihnen – und das behaupte ich jetzt einmal und das unterstelle ich Ihnen (Abg. Meinl-Reisinger: Super!) – um diese konzertierte Aktion in ganz Westeu­ropa: Wir haben Platz! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Jetzt klatscht nicht ein­mal die ÖVP!)

Wir haben Platz! – Das ist eine durchgespielte Aktion, die vom Deutschen Bundestag in ganz Westeuropa im Zusammenhang mit diesen fürchterlichen Bränden in Griechenland gespielt wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist so wirr, was Sie reden!) Was soll das – wir haben Platz – denn heißen? Was soll das – wir haben Platz – heißen, geschätzte Kolle­gen? Wer sagt denn, dass wir Platz haben? Sagen Sie, dass wir Platz haben? Sagen ein paar grüne Hanseln, dass wir in Europa Platz haben, geschätzte Kollegen? Also das ist wohl ein sehr arroganter Zugang. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, im österreichischen Parlament solche Ausdrucksweisen nicht zu verwenden. Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: ... versteht man’s! – Zwischenruf des Abg. Zanger.) Sie können jetzt fortfahren.


Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (fortset­zend): Es ist jedenfalls ein fatales Zeichen, das damit ausgesendet wird. Am Ende tragen Sie die politische Verantwortung für diese griechische Tragödie, haben Sie diese griechi­schen Feuer zu verantworten, durch diese Zeichen, die Sie aussenden.

Sagen Sie das einfach so deutlich! Sagen Sie, wie Sie es eigentlich wollen! Wir wollen jeden nehmen, egal ob Asylrecht dagegenspricht oder nicht, egal ob geltendes EU-Recht dagegenspricht (Abg. Meinl-Reisinger: Oijoijoijoij! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), Regeln sind uns dabei egal. – Regeln sind Ihnen egal, Frau Kollegin (Abg. Meinl-Reisinger: Pfuuuh!), das tritt deutlich zutage.

Nur ein echter Schutz der EU-Außengrenzen ist ein wirksames Signal und ein politisches Signal. Am Ende sind 60 Prozent der Menschen in Österreich gegen eine Aufnahme dieser Flüchtlinge aus Moria, weil sie wissen, dass das das Problem schlicht nicht lösen wird, die Lage verschärft sich nur weiter.

Die Situation auf Lesbos ist seit Jahren bekannt. 3 Milliarden Euro sind nach Griechen­land geflossen und versickert, ohne dort irgendjemandem zu helfen. Jetzt wird es na­türlich für Schlepper wieder einfach, jetzt ist für sie und die NGOs, die ihnen helfen, für neues Geschäft gesorgt, denn jetzt werden sich zahlreiche neue Flüchtlinge auf den Weg machen. Die politische Verantwortung dafür liegt bei denen, die sagen: Wir haben Platz! (Beifall bei der FPÖ. – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Die politische Verantwortung für die nächsten Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, liegt auch bei denen, die ständig sagen: Wir haben Platz!, ohne an die realen Folgen zu denken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


11.08.19

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmit­glieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mayer, das ist eine Aktuelle Euro­pastunde der NEOS und nicht der SPÖ. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Doppelnamen!) Sie


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verwechseln die Kolleginnen Meinl-Reisinger und Rendi-Wagner. Ich weiß schon, sie sind beide Frauen mit Doppelnamen, aber wenn Sie aus Brüssel herkommen, um uns die österreichische Position zu erklären (Abg. Kickl: Na Sie haben Sorgen!), dann sollten Sie sich in der österreichischen Politik zumindest so weit auskennen, dass Sie die Op­positionsspitzen kennen, bevor Sie uns etwas erzählen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Innenkommissarin Johansson wird heute einen Asyl- und Migrationspakt vorstellen. Sie hat gesagt: „Moria ist nicht normal, aber Migration ist normal.“ – Ich wünschte, sie hätte recht mit diesem Satz, aber Moria ist in der Europäischen Union seit Jahren, seit vielen Jahren normal. Es ist auch bekannt, was dort abgegangen ist, und zwar nicht erst seit den Flammen, nicht erst seit den Feuern. Wir haben das im Europaparlament in den letzten Jahren oft diskutiert.

Es war ein Skandal, es ist ein Skandal, und es gibt mehrere Schuldige. Man muss auch sagen, dass dort in einem Lager für 3 000 Menschen 13 000 gesessen sind. Es ist nicht am schnellen Wachstum des Lagers gelegen; das war auch Absicht der griechischen Regierung, die damit die anderen europäischen Regierungen unter Druck setzen wollte. In diesem Spiel zwischen diesen Regierungen ist diese Not entstanden, und über Jahre ist nichts dagegen getan worden. (Abg. Kickl: Und was machen Sie jetzt?) Es wird jetzt notwendig sein, das zu ändern. Es gibt jetzt hoffentlich den nötigen Druck.

Es ist uns deswegen bei der Soforthilfe, die wir als Koalition beschlossen haben, wichtig, dass das kein Wiederaufbau desselben Lagers sein kann. Wir schicken jetzt Hilfe runter, um Obdachlosen zu helfen, um das schnell zu machen, um die Leute aus dieser ärgsten Not zu holen, aber es kann keinen Wiederaufbau des Lagers Moria geben, dafür kann es keine europäische Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte einen Aspekt aus dem Paket, das wir beschlossen haben, besonders her­vorstreichen, damit er nicht ganz untergeht: Wir haben den Auslandskatastrophenfonds auf 50 Millionen Euro erhöht. Dieser belief sich ursprünglich auf 5 Millionen Euro und auf 15 Millionen Euro, als wir Grüne mit den Regierungsverhandlungen begonnen haben. Das hilft auf der ganzen Welt. Wir sollten die Augen auch vor der Not im Jemen, vor der Not im Libanon, vor der Not in Syrien nicht verschließen. Auch dort werden wir ein Mehrfaches von dem helfen, was Österreich in den letzten Jahren gemacht hat, aber: Das kann man nicht gegeneinander aufrechnen. Man kann nicht sagen: Wir helfen jetzt im Jemen oder im Libanon und verschließen die Augen vor Moria. Man kann Kinder, man kann Schicksale nicht gegeneinander aufrechnen, und das werden wir nicht tun.

Wir haben einen Dissens in dieser Koalition darüber, wie wir mit Moria, mit den Kindern umgehen. Wir als Grüne sind eindeutig dafür, Menschen von dort zu retten, und ich will mich jetzt gar nicht auf eine Zahl festlegen und auch nicht nur auf Kinder. (Beifall bei den Grünen.)

Ich mag Metaphern in der Politik nicht wahnsinnig gern, aber es gibt eine, die mich in dieser Diskussion sehr berührt hat. An einem Strand, abends, werden Millionen Seester­ne angespült, eine Familie geht da spazieren. Das kleine Kind, die Tochter, läuft zu ei­nem Seestern, trägt ihn ins Wasser, und der Vater sagt: Aber es nützt doch nichts, es sind Millionen und das ist nur der eine! – Das Kind sagt: Aber dem schon.

Ich stelle mir bei diesem Argument: Wir können nicht alle nehmen, und es nützt nichts, 100 zu nehmen!, vor, einem dieser Kinder in die Augen zu schauen und zu sagen: Ich helfe dir nicht, denn ich kann nicht allen helfen! – Das macht doch kein Mensch (Abg. Kickl: Das macht ja Ihre Fraktion jetzt laufend!), wenn er davorsteht! Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn wir nur 100 retten können, dann retten wir eben nur 100.

Ich möchte auch ganz deutlich sagen, was aus meiner Sicht nicht geht, nämlich so zu tun, als wäre das nur eine rein sachliche Debatte, in der zwei gleichwertige Positionen


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nebeneinanderstehen, die man sachlich abwägen kann. Das kann man bei der Gestal­tung eines 1-2-3-Tickets machen, das kann man bei der Gestaltung einer Plastiksteuer machen, bei der Frage Vermögensteuer ja oder nein. Ob man aber Kinder rettet oder nicht rettet, ist eine Grundsatzfrage, und da sind nicht beide Positionen moralisch gleich­wertig, charakterlich gleichwertig oder in irgendeiner anderen Form politisch gleichwer­tig. Auf diese Diskussion kann man in dieser Form nicht einsteigen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist eine Wert- und eine Grundsatzfrage. Wir finden vielleicht einen Ausweg auf der europäischen Ebene; es wird heute um 12 Uhr ein neuer Pakt präsentiert. Es wird eine gemeinsame europäische Lösung angestrebt werden. Ich bin mir heute schon sehr sicher, dass diese nicht grün sein wird, nicht zu 100 Prozent im grünen Programm ent­halten sein wird, aber wir werden dafür kämpfen, dass es eine pragmatische Lösung gibt, die etwas ändert und etwas besser macht. Dafür sind wir da und dafür stehen wird da, dafür kämpfen wir jetzt in dieser Situation. Es muss am Schluss bei diesem Migra­tionspakt etwas besser sein, es muss legale Wege nach Europa geben, es muss Hilfe vor Ort geben, es muss Hilfe hier geben und es muss sich die Not der allerärgsten Situa­tionen dort bessern.

„Moria ist nicht normal, aber Migration ist normal“: Dort sollten wir in zwei, drei Jahren stehen, ohne dass Menschen darunter leiden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


11.13.32

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon viele gesagt ha­ben, wissen wir seit Jahren Bescheid, wie die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern sind. Jetzt wissen wir seit zwei Wochen Bescheid, wie die aktuelle Situation in Moria ist, und manche schauen ungerührt dabei zu, wie Familien, Menschen, Kinder in den Wäl­dern, im Dreck, auf der Straße hausen und schlafen.

Seit heute haben wir die Chance, diese Geschichte für die Zukunft neu zu schreiben, anstatt sie fortzuschreiben. Wir haben die Chance, etwas in der europäischen Politik zu ändern. Das, was man bisher darüber lesen konnte, was die Kommission heute hinsicht­lich einer Reform für das europäische Asylwesen vorstellen wird, ist der Versuch, ein Moria in Zukunft zu verhindern. Es ist ganz sicher nicht genau das, was wir NEOS uns vorstellen, nämlich einen ganzheitlichen Zugang, aber es ist ein Anfang. Wir haben die Verpflichtung, jetzt konstruktiv auch mit der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, wie wir diese Herausforderung wirklich so angehen können, dass wir ein Moria in Zukunft verhin­dern können.

Hinsichtlich dessen, was Klubobfrau Meinl-Reisinger angesprochen hat, was Österreich verhindert, ist es nicht nur darum gegangen, dass wir jetzt verhindern, Kinder aus Moria zu retten, sondern es ist auch darum gegangen, dass wir eben nicht dabei sind, wenn es darum geht, ein europäisches Migrations- und Asylsystem auf gute Beine zu stellen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Einzige nämlich, das heute schon in den österreichischen Medien zu vernehmen war, war, dass die Bundesregierung – der Innenminister und der Bundeskanzler – sagt: Verteilung ist gescheitert! – Das ist es! Das ist das Einzige, was wir bisher gehört haben. Was soll das bitte? Das ist doch politische Selbstaufgabe, das ist Kapitulation vor der Realität. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eine Frechheit, es ist innenpolitische, zynische Spielerei, es ist eine Spielerei mit dem Schicksal, mit dem Leben von Menschen, die davon abhängig sind, dass wir uns


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zusammenreißen und zu einer ordentlichen Reform des europäischen Migrations- und Asylsystems kommen. Das ist es! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.) Sich hinzustellen, als wäre Migration, als wäre Flucht etwas, das man aussitzen kann, das ist Realitätsverweigerung! (Beifall bei den NEOS.)

Die ÖVP hat ja in der Vergangenheit schon viele Dinge erfolgreich ausgesessen und gibt auch jetzt das Versprechen: Das werden wir schon irgendwie hinkriegen, wir bleiben sitzen! – Das ist aber nicht unsere Verantwortung in der Politik!

Die Realität ist folgende: Migration wird uns, die Generation nach uns, die Generationen nach ihnen begleiten. Flucht wird uns begleiten, Krieg, Klimawandel, Umweltkatastro­phen. Das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir müssen einen Weg finden, akut Krisen begegnen zu können, wir müssen aber auch einen Weg finden, langfristig mit dem Thema Migration normal umgehen zu können. Wir können nicht so tun, als würde das an uns vorbeiziehen. Damit verweigern wir uns einer wichtigen Aufga­be in der Politik, nämlich uns mit der Realität zu beschäftigen.

Ich möchte schon auch noch darüber reden, wie es jungen Menschen, vielen, die mir schreiben, damit geht, dass Österreich sich jetzt in dieser Situation nicht daran beteiligt, Menschen von griechischen Inseln zu holen, sie zu retten, Kinder zu retten. Sie sind entsetzt darüber, dass das die europäischen Werte sind, die hier hochgehalten werden, auch gerade hier in diesem Haus, wo oft darüber geredet wird: Was ist Anstand? Was sollten wir als Europäerinnen und Europäer tun? Was sind unsere Werte? Wenn wir auch oft mit dem erhobenen Zeigefinger über andere Länder sprechen und feststellen, dass sie mit Werten nicht ordentlich umgehen, dann müssen wir auch darüber reden, wie wir mit unseren Werten umgehen.

Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen zu helfen. Ich bin mit der Dauerschleife von Nachbar in Not im Fernsehen aufgewachsen. Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen aus dem Krieg eine Chance auf ein anderes Leben zu geben, Kindern eine Perspektive auf ein Leben zu geben. Wir waren als Nation stolz darauf, anderen die Chance zu geben, auch Österreicherinnen und Österreicher zu werden. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Wir waren als Nation einmal stolz darauf, Vielfalt zu leben. Jedenfalls waren wir in der Vergangenheit aber immer stolz darauf, Kinder zu retten. So bin ich aufgewachsen, und viele junge Menschen fragen sich: Wo ist dieses Österreich bei der ÖVP hin? (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es darf in Zukunft kein Moria mehr geben, es darf keine Elendslager mehr geben und es darf keine Selbstaufgabe der europäischen Werte mehr geben! Wir müssen uns für ein europäisches Asyl- und Migrationssystem einsetzen, das diesen Werten eine Chance gibt und das den Kindern aus Moria eine Chance gibt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Oje!)


11.19.02

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Die Herren Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich be­ginne einmal mit Betroffenheit (Zwischenrufe bei der SPÖ): Ich bin sehr betroffen über die Aussagen von Klubobfrau Rendi-Wagner. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Ich glaube, das wird nix mehr!)

Frau Klubobfrau, ich schätze Sie persönlich wirklich sehr (Abg. Leichtfried: Wieso kommt diese Betroffenheit überhaupt nicht rüber?), aber ich glaube, da ist bei Ihnen jetzt eine rote Linie überschritten worden, denn wenn Sie dieser Bundesregierung und Bun­deskanzler Sebastian Kurz eine Nähe oder eine Verbindung zum Jahr 1939 und zu den


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Zeiten des Holocaust unterstellen (Rufe bei der SPÖ: Hat sie nicht! – Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner), dann halte ich das für eine Klubobfrau für unwürdig und ich halte das für das österreichische Parlament für unwürdig! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich frage mich: Was tut jetzt eigentlich Landeshauptmann Doskozil – den ich herzlich begrüße, falls er zuschaut – im Burgenland? (Abg. Leichtfried: Was ist das für eine schlechte Rede?) Landeshauptmann Doskozil wird sich wundern! Und wissen Sie, wa­rum er sich wundert? – Weil er das denkt und meint, was die Mehrheit der Österreiche­rinnen und Österreicher denkt und meint, weil er unseren Weg, keine Flüchtlingsvertei­lung vorzunehmen, sondern Maßnahmen zu setzen, die wirklich helfen, versteht und auch mitträgt. Wissen Sie, warum er das tut? – Weil er so wie ich im Jahr 2015 direkt dabei war, als an unseren Grenzen Bilder entstanden sind, die wir unser Leben lang nicht mehr sehen wollen. Deshalb tut er es, und deshalb verstehe ich ihn auch sehr gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es eint uns natürlich auch einiges: Es eint uns zum Beispiel, dass wir alle über die Bilder aus Lesbos, die wir gesehen haben, betroffen sind – da sind wir uns völlig einig. (Abg. Leichtfried: Wieso glaube ich das nicht?) Wir sind uns auch einig, dass wir alle den Menschen helfen wollen. Die Frage ist nur, wie wir das tun. – Dazu gibt es von unserer Seite einen klaren Plan (Abg. Leicht­fried: Das glaube ich schon gar nicht!), nämlich: keine Verteilung von Menschen, die auf der Flucht sind oder ihre Lebensbedingungen verbessern wollen, quer durch Europa, sondern ein klares System, das das sicherstellt, was wir wirklich und langfristig brau­chen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und was brauchen wir langfristig? (Ruf: Ja, was?) Wenn wir den Menschen eine Perspektive geben wollen, dann brauchen wir langfristig drei Punkte:

Wir brauchen die Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse in den Herkunftsländern; und damit meine ich eine völlig neu gedachte Entwicklungshilfe mit Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik und Gesundheitspolitik. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweitens brauchen wir Hilfe vor Ort, aber nicht nur, indem man darüber redet, sondern, wie es diese Bundesregierung jetzt getan und Innenminister Karl Nehammer selbst um­gesetzt hat, indem man binnen weniger Tage 55 Tonnen Hilfsgüter nach Griechenland bringt. – Danke unserer Bundesregierung und Innenminister Nehammer! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Drittens, meine Damen und Herren, brauchen wir einen möglichst wirksamen europäi­schen Grenzschutz, und das sehr rasch – wesentlich rascher, als dies bis jetzt getan worden ist. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in Europa dicke Bretter gebohrt (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger), aber ich erwarte und er­hoffe mir von den Aussagen der Europäischen Kommission heute einen Durchbruch in die richtige Richtung.

Eines ist nämlich klar, meine Damen und Herren: Erst, wenn wir es schaffen, diese Punk­te, von denen ich gesprochen habe, umzusetzen, nämlich menschenwürdige Verhältnis­se in den Herkunftsstaaten, tatsächliche rasche Hilfe vor Ort, wirksamer europäischer Grenzschutz und dazu auch kontrollierte Zuwanderung nach den Bedürfnissen der Re­publik Österreich, nur, wenn wir das schaffen, meine Damen und Herren, verhindern wir solche Bilder, die uns allen wehtun: die Bilder flüchtender Menschen und verzweifelter Kinder, und dann geben wir auch Millionen Menschen die Chance, in ihren Herkunftslän­dern etwas aufzubauen und dort zufrieden leben zu können.

Meine Damen und Herren! Unser Ziel sollte nicht eine kurzsichtige Symbolpolitik sein, sondern eine langfristige Hilfe für die Menschen auf der Welt – und das sind viele Mil­lionen, die auf eine neue Zukunft hoffen und bangen; das müssen wir erreichen. – Vielen


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herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Leichtfried: Also diese Rede war noch schlechter als die vom Kollegen Mayer! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


11.24.02

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Wir diskutieren hier eine humanitäre Katastrophe. Alle Menschen im Lager Moria haben nach dem Brand ihr Heim, ihre ganz bescheidene Bleibe, ihre primitive Baracke oder ihr kleines Zelt verloren – 13 000 Men­schen hausen im Wald, schlafen auf dem feuchten Boden.

Die SPÖ fordert hier klare und rasche Hilfe! (Abg. Kickl: Die ganze SPÖ?) Wenn nun Maßnahmen anlaufen, so hätte das schon vor zwei bis drei Jahren passieren müssen, nicht erst jetzt. Beim diesbezüglichen Antrag von Kollegin Pamela Rendi-Wagner ist die Fristsetzung abgelehnt worden – so schaut keine Sofortmaßnahme aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen, wir können nicht alle aufnehmen. Sie verschanzen sich hinter Stehsätzen, Herr Bundeskanzler. 100 Prozent der Österreicher werden Ihnen zu­stimmen, wenn Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Sie sagen: Ich habe die Balkanroute geschlossen. – Das ist ein Stehsatz, Herr Bundeskanzler. Diese Sätze helfen uns in der konkreten Situation nicht weiter. Ich würde sogar sagen, Herr Bundes­kanzler, das ist kaltschnäuzig, das ist überheblich, es ist nicht menschlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Da geht es nicht um alle! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht nicht um eine Flüchtlingspolitik, es geht um eine ganz konkrete humanitäre Hilfe für zum Beispiel 100 Kinder, wie es der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig erklärt hat, der auch bereit ist, da etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Kickl: ... aber ... sagt was anderes!)

Wir sagen: Holen wir Kinder aus Moria, aus diesem Inferno, aus dieser Hölle raus! Und Sie sagen darauf: Wir können nicht alle aufnehmen. Das ist ein Armutszeugnis. (Ruf bei der ÖVP: ... die nimmt das Burgenland auf?) Die Grünen und die ÖVP verschleppten den Fristsetzungsantrag – so schaut konkrete Hilfe, so schaut humanitäre Hilfe sicher nicht aus.

Die Frage ist: Macht die EU genug? Sind die Maßnahmen der Europäischen Union effi­zient? Herr Bundeskanzler, Sie waren ja auch während der EU-Ratspräsidentschaft aktiv oder agierend, haben eine bestimmte Verantwortung gehabt. Hat es damals konkrete Vorschläge gegeben, die Lage der 13 000 Verzweifelten in Moria spürbar und nachhaltig zu verbessern? Nein, es hat nichts gegeben.

Ganz, ganz wichtig, sichere Außengrenzen in Europa: Hat es während Ihrer EU-Ratsprä­sidentschaft konkrete Maßnahmen für sichere Außengrenzen in Europa gegeben, dass diese besser geschützt sind, besser kontrolliert werden? (Rufe: Nein!) Nein. De facto wurde das Thema der sicheren Außengrenzen in Europa auf 2024 verschleppt. Die ös­terreichische Ratspräsidentschaft hat da unentschlossen und unfähig agiert.

Schauen wir doch einmal über den österreichischen Tellerrand hinaus; manchmal lohnt sich ein Blick nach München, nach Bayern! Dort sitzt die CSU, und Bundeskanzler Kurz hat ja die CSU zu besonders engen Freunden von Österreich und der ÖVP erklärt. (Ruf bei der ÖVP: Was du alles weißt!) Nun, wie sehen diese Freunde der CSU die starre Haltung der ÖVP und der Grünen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der CSU-Chef Markus Söder erwartet sich von der österreichischen Regierung (Ruf bei der ÖVP: Was erwartet er sich?) „etwas mehr Herzlichkeit”. Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr


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Menschlichkeit, Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr Nächstenliebe. (Abg. Hörl: ... ist auch charmant! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganz konkret: Innenminister Seehofer macht ganz konkrete Angebote, wie viele Fami­lien und Kinder man nach Deutschland holen kann. (Abg. Kickl: Das ist nur ein abge­kartetes Spiel!) Dass die Kurz-ÖVP die CSU rechts überholt, wundert mich nicht. Die ÖVP war nie sozial. Sie war einmal christlich, jetzt ist die ÖVP auch nicht mehr christlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Ottenschläger.)

Jetzt überholen aber die Grünen die CSU rechts. Die Grünen waren nie explizit christlich, aber jetzt sind sie auch nicht mehr sozial und nicht mehr humanitär.

Zum Thema Nächstenliebe: Die Nächstenliebe ist eine schöne, vielleicht die schönste christliche Tugend. Die Nächstenliebe ist aber mehr als eine christliche Tugend – die Nächstenliebe ist eigentlich das Fundament des Christseins. Die Österreichische Bi­schofskonferenz sagt, dass die Maßnahmen, die jetzt vor Ort gesetzt werden, zu wenig sind. Das sagt die Österreichische – die katholische – Bischofskonferenz. Und die evan­gelische Diakonie meint, dass Moria zum Inbegriff des Scheiterns der europäischen Flüchtlingspolitik geworden ist. (Abg. Gabriela Schwarz: Und was hat ...?!)


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Herr Abgeord­neter!


Abgeordneter Dr. Harald Troch (fortsetzend): Die SPÖ hat hier eine klare Haltung, eine Haltung der Menschlichkeit, der Nächstenliebe. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch, unter anderen des Wiener Bürgermeisters: Holen wir 100 Kinder aus Moria, aus dem Schlamm, aus dem Inferno nach Wien! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


11.29.50

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte bleibt wohl kein anderer Schluss, als dass die meisten von Ihnen anscheinend noch immer nichts aus der Migrationskrise 2015 gelernt haben. Damals hat die rot-schwarze Bundesregierung gemeinsam mit den Linken und auch, das darf man nicht vergessen, mit dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz in wesentlicher Rolle, vollkommen ver­sagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Man erinnere sich nur an Aussagen wie „Wir schaffen das“ und: Der durchschnittliche Zuwanderer ist intelligenter als der durchschnittliche Österreicher. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Auch diesen Satz, sehr geehrter Herr Kurz, werden wir nicht vergessen. Ich habe gedacht, Sie hätten verstanden, was für einen Schaden Sie damals angerichtet haben, und hätten kapiert, dass wir eben leider nur beschränkte Ressourcen und Möglichkeiten haben und eben leider nicht jedem Menschen helfen können – insbesondere nicht, sehr geehrte Damen und Herren, in der schlimmsten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Können Sie sich nicht wenigstens jetzt einmal, wenn der Zustand so schrecklich ist, um die Interessen der eigenen Bevölkerung kümmern anstatt um jene der ganzen Welt? (Beifall bei der FPÖ.)

Nein, sehr geehrte Damen und Herren, offenbar können Sie es nicht. Die meisten haben nichts dazugelernt. Sie stellen sich auch heute wieder hierher und kommen mit der mora­lischen Totschlagkeule, dass doch nur Kinder aus Moria aufgenommen werden sollen – wohl wissend, dass es fraglich ist, ob es überhaupt Kinder sind, weil viele etwas Falsches


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angeben (Zwischenrufe bei der SPÖ); wohl wissend, dass es fraglich ist, ob es über­haupt Flüchtlinge sind, weil die Verfahren noch nicht abgeschlossen sind; wohl wissend, dass Sie damit nicht nur ein paar Kinder hereinlassen, sondern dann dank der EMRK die ganze Familie auch noch gleich mit; wohl wissend, dass Sie damit einen gewaltigen Pulleffekt erzeugen; und wohl wissend, dass es die Betroffenen selber waren, die ihre Zelte abgefackelt haben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss alle, die das hier fordern, wirklich fragen: Ist das jetzt Ihre Form der Politik? Ist das jetzt die neue Methode, dass man sich erpressen lässt, dass man sich den Weg nach Österreich mit Straftaten erzwingen kann? Was setzen Sie da eigentlich für ein Exempel? Zündet eure Lager an, und ihr könnt alle nach Deutschland und Österreich weiter, oder, wie es die ÖVP gemacht hat, dann überweisen wir halt noch mehr Geld?! – Wir haben bereits gesehen, was die Folgen sind. Merkel hat sich nach dem Brand hinge­stellt und gesagt: Wir nehmen Flüchtlinge auf; und als Nächstes hat schon das nächste Flüchtlingslager auf Samos gebrannt. Der Brand konnte Gott sei Dank schnell wieder gelöscht werden.

Aber wenn Sie schon nicht auf uns hören, dann hören Sie wenigstens auf Griechenland, das selbst darum gebeten hat, dass man keine Flüchtlinge aus Moria aufnehmen soll. Wir sagen klar und deutlich: Gewalt darf nicht belohnt werden! Wenn Sie dem jetzt nach­geben, werden die nächsten Flüchtlingslager brennen, und dann sind Sie dafür verant­wortlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich fände es ehrlich gesagt auch schön, wenn es endlich einmal eine ein bisschen sach­lichere Diskussion gäbe. Sie stellen sich her und behaupten immer, jeder, der gegen die Aufnahme von Flüchtlingen oder jetzt Kindern von Moria ist, ist ein Unmensch, ist grau­sam oder vielleicht noch Schlimmeres. Wir haben heute schon Vergleiche mit dem Natio­nalsozialismus gehört. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In einer idealen Welt gibt es unbegrenzte Ressourcen, ja, dann kann man jedem helfen. Ja, dann ist alles möglich. Aber das haben wir eben nicht. Sie müssen endlich lernen, Ihren Idealismus und Ihr Gutmenschentum mit der Realität in Einklang zu bringen, sonst wird das nicht funktionieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie reden immer von Solidarität. Ich muss Sie fragen: Was ist mit der Solidarität gegen­über der eigenen Bevölkerung? Wir haben eine Covid-Krise. In der größten Gesund­heits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik, in der viele Menschen ohne Arbeit sind, vor dem Nichts stehen, um ihre Existenz fürchten, brauchen wir alle Ressourcen im eige­nen Land. Es müsste eigentlich heißen: No way! Wenn alle überall Grenzen dichtma­chen, Freiheiten beschränken, dann müsste logischerweise in dieser Zeit auch das Asyl­system temporär ausgesetzt werden, denn es ist unverantwortlich, in so einer Krise Ös­terreich und die Europäische Union noch mehr zu belasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Problem in Moria ist nicht die Verteilung, wie sie die EU auch in der aktuellen Migrationsdebatte wieder fordert, sondern die Rückführung. 87 Prozent der Migranten in Griechenland sind nämlich illegal dort. (Abg. Ernst-Dzie­dzic: Woher wissen Sie das?) Es ist also höchste Zeit, dass sich die EU endlich nicht mehr um die Verteilung von Flüchtlingen kümmert, sondern um die Rückführung illegaler Migranten und um einen effektiven Außengrenzschutz. Dann gäbe es auch Zustände wie in Moria nicht, sehr geehrte Damen und Herren.

Jetzt kommen wir zum EU-Migrationspakt, der auf Ebene der Europäischen Union dis­kutiert wird. Jetzt geht es dort um Flüchtlingsverteilung. Dort heißt es jetzt natürlich fle­xible Solidarität, weil halt in Zukunft die bestraft werden sollen, die sich weigern, Flücht­linge aufzunehmen. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Pulleffekt weiter ver­stärkt wird. Im Kern geht es auch darum, dass die EU ihre Kompetenzen immer mehr


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ausweiten will. Wir sagen dazu ein klares Nein, und den ÖVP-Umfaller kann ich jetzt schon hören. (Beifall bei der FPÖ.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordneter Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


11.35.19

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Kollegen und Kolleginnen! Soll Österreich Menschen aus Moria aufnehmen? – Ja. Gibt es hier im Hohen Haus eine Mehrheit dafür? – Nein. (Abg. Kickl: Da kann man halt nichts machen! – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer. – Wei­tere Zwischenrufe des Abg. Kickl.) Werden, ja müssen wir um diese Mehrheit kämp­fen? – Ja. Und wieso? Weil ich davon überzeugt bin, dass es diese Mehrheit in der Be­völkerung gibt, diese aber aktuell keinen Niederschlag bei den Volksvertretern hier im Hohen Haus findet. (Beifall bei den Grünen.)

Fakt ist: Moria, stellvertretend für viele Elendslager an den Außengrenzen, ist ja die Kon­sequenz einer verfehlten, dysfunktionalen EU-Asylpolitik der Abschottung und der Ab­grenzung. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Was liegt, neben der Beschaffung einer Mehrheit für eine Aufnahme von Menschen und neben akuter humanitärer Hilfe, in der Verantwortung einer verantwortungsvollen Politik? – Der Einsatz für eine gesamteuro­päische, solidarische und menschenwürdige Lösung, die die Genfer Flüchtlingskonven­tion achtet, statt sie noch mehr nach dem Motto: Nach mir die Sintflut!, auszuhebeln.(Abg. Kickl: Autosuggestiv ist das!)

Was wir auch tun müssen, ist, Fakten schaffen, gerade hier im Parlament bei den Fakten bleiben, nicht zulassen, dass durch Verkürzung und Verdrehung von Tatsachen eine Verrohung unserer gesamten Gesellschaft zum Sinnbild unserer europäischen Flücht­lingspolitik wird. (Ruf: ... Genfer Konvention ...! – Abg. Kickl: Also ich finde das gut, dass Sie freiheitliche Politik unterstützen!) Und dazu muss ich mir keine Dokus anschauen, ich habe nämlich mit den Betroffenen vor Ort gesprochen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jasar ist 16 Jahre alt. Als Kind wurde er von islamistischen Terrorgruppen in Afghanistan gefoltert, weil sein Vater für den UNHCR tätig war. Sein Haus brannte nieder, und die Familie machte sich auf einen langen Weg über den Iran, über das Mittelmeer nach Europa. Elf Mal, sagt Jasar, saß er in einem kaputten Boot und sah Menschen um sich herum ertrinken. Er sagt zu mir: Keinen Augenblick habe ich daran gezweifelt, dass wir es noch einmal versuchen wollen. – Nicht in Erwartung eines fairen Asylverfahrens, sondern schlicht, um zu überleben.

Seien wir doch froh, dass wir in einem Europa leben, wo wir dieses Überleben sichern können! Hören wir doch auf, Kriegszustände als Abschreckung zu produzieren, denn erst, wenn wir den Frieden, die Demokratie, den Rechtsstaat, die Menschenrechte in Europa abschaffen würden, erst dann würden einige von euch sagen können, es gibt diesen Pulleffekt nicht. – Und nein, da wollen wir Grüne nicht hin, und nein, da will die Mehrheit der Bevölkerung nicht hin. (Beifall bei den Grünen.)

Enisa ist acht Jahre alt. Diese Kinder dürfen in Griechenland keine reguläre Schule be­suchen, und eine andere gibt es schlicht nicht. Als ich im März in Moria war, haben ge­rade Rechtsradikale das einzige Familienzentrum, das Unterricht angeboten hat, nieder­gebrannt. – So viel zum Zündeln. Ja, auf allen Seiten wird gezündelt, aber schieben wir das nicht nur einer Gruppe zu! Empören wir uns doch lieber über die Schulbuchver­brennung, die dort stattgefunden hat, denn es geht um die Generationen, die hier auf europäischem Boden sind! Es sind unsere Kinder, die hier auf eine Lösung warten, wäh­rend wir uns weiter streiten! (Beifall bei den Grünen.)


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Dann ist eine Frau vor meinen Augen kollabiert, mit Schaum vor dem Mund. Ich stehe zwischen ihr und den Sicherheitskräften und schreie den einen an: Sie braucht medizini­sche Versorgung! – Also das, was wir alle fordern. Wisst ihr, was er zu mir sagt? – She should die.

Mehr gibt es, glaube ich, dazu nicht zu sagen, außer dass bei diesen Beispielen von Erpressung zu sprechen ja nicht nur freiheitliches Kalkül ist, sondern das ist eine Bank­rotterklärung an die Menschlichkeit. Also schämen Sie sich! (Abg. Kickl: Schämen soll­ten Sie sich!) Schämen Sie sich dafür, dass Sie da die Fakten verdrehen (Abg. Kickl: Sie sollten sich genieren!), um politisches Kleingeld daraus zu schlagen! (Abg. Kickl: ... den Leuten auch erklären, wie ... durchsetzen können! Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Und noch eines: Moria gehört evakuiert. Die Zustände dort werden bewusst nicht besser gemacht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das Geld versickert, die griechische Regierung fühlt sich von Europa nicht nur alleine gelassen, sondern sie ist  ja, das muss man sagen  auch von rechtsextremem Gedankengut durchdrungen. (Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Das spiegelt sich bei den Behörden wider, das spiegelt sich bei jenen wider, die eigentlich vor Ort für die entrechteten, entmachteten Menschen (Zwi­schenruf der Abg. Steger) und für ihren Schutz zuständig sein sollten, deswegen sage ich hier bei dieser Aktuellen Europastunde Grundsätzliches: Flucht war und ist kein Ver­brechen und wird keines sein.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): Vom Schicksal der Menschen in Moria trennt uns lediglich das Privileg des Geburtsortes. Wir sollten deshalb Menschen nicht abschrecken, sondern uns selber schrecken, ja, wir sollten Angst bekommen.


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft. Ich habe Sie ersucht, den Schlusssatz zu formulieren. Ich gebe Ihnen ganz kurz Zeit, das jetzt zu tun.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): Österreich ist ein kleines Land, aber mit großem Herzen. Unser politisches Credo, unsere tiefste Überzeugung ist des­halb klar: Wenn sich Menschen in Not befinden, dann helfen wir mit allen Mitteln. (Beifall bei den Grünen. Abg. Martin Graf: Da schaut der Hass aus den Augen!)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper ist die Nächste, die zu Wort gelangt. – Bitte.


11.41.48

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Herr Kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Warum gerade Kinder aus den Lagern aus Moria nach Österreich evakuieren? – Es geht um eine humanitäre Katastrophe auf EU-Boden, für die wir Verantwortung tragen, eine humanitäre Katastrophe, ja: Das Leben der Betroffenen vor Ort ist gefährdet, ist am Weg, zerstört zu werden.

Es ist unfassbar, dass seit Jahren auf EU-Boden Zustände herrschen, die auch Kinder in Suizidversuche treiben. Moria liegt in Griechenland, Herr Kanzler, wo man nicht gön­nerhaft von Hilfe vor Ort sprechen kann – Sie missbrauchen einen Begriff für eine Leis­tung, die es in Europa nie geben müsste, und verwirren die Menschen –, diese ist vor Ort in den Herkunftsländern zu leisten.

In Moria sind wir nicht gönnerhaft zur Hilfe vor Ort verpflichtet, sondern dazu, unsere Werte, für die die Europäische Union gegründet wurde, zu verteidigen: Demokratie und Menschenrechte. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Hierauf fußt


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auch unsere Glaubwürdigkeit, die in den letzten Jahren an jedem Tag, an dem die Kinder dort im Dreck unter Planen schlafen, ohne medizinische Versorgung sind, nicht wissen, ob sie etwas zu essen bekommen, erodiert. Die haben wir schon verloren. In Wahrheit geht es jetzt darum, Verantwortung zu übernehmen, und die Verantwortung für diese Zustände in Österreich tragen Sebastian Kurz und die ÖVP, von der Spitze – von ihm – hinunter.

Herr Kanzler, Sie sind gut im Predigen, aber – aus meiner Perspektive – nicht in Sach­lichkeit, sondern im eiskalten Nichtstun, und das aus Kalkül. Was geschah nach 2015? – Wir erinnern uns, dass Sie nicht an menschlichen und gleichzeitig effizienten Lösungen interessiert waren, sondern am australischen Modell. Sie haben es auch die Jahre da­nach, bis 2017, kolportiert, sogar als klar wurde, dass dort Lager geschlossen werden mussten, da sie nicht menschenwürdig waren. Das ist Ihr Kalkül, um so Menschen, Asyl­werber vom eigenen Hoheitsgebiet fernzuhalten.

Das ist sinnvoll für Ihre Zwecke, und Sie haben geschafft, das in Europa durchzusetzen. Sie schlugen sich damit auf die Seite der Nationalisten, die verhindern, dass es in Europa möglich wird, ein effizientes, gemeinsames Asylverfahren aufzubauen. (Bundeskanzler Kurz nickt.) – Sie nicken, Sie geben mir anscheinend recht in Bezug darauf, mit den Nationalisten in einem Boot zu sitzen. (Beifall bei den NEOS.)

Was verstehen Sie nämlich unter Außengrenzschutz? – Lager mit leidenden Menschen, deren Schicksal abschreckend wirkt. Dieses unsägliche Agieren der Regierung schafft in Wahrheit aber nur Chaos und Unmenschlichkeit. Was Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit gleichzeitig bedeuten würde, wäre, wenn man an den Außengrenzen kontrolliert, registriert, die Asylwerber aufteilt, schnelle Verfahren hat, jene zurückschickt, die keinen Schutz verdienen, und jene schnellstmöglich integriert, die Schutz verdienen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit wäre tatsächlich effiziente Abschreckung, die Sie ja wollen, rechtsstaatlich mög­lich, nämlich durch effiziente Abschiebungen. Was aber wollen Sie mit Ihrer destruktiven Art? – Sie wollen weiterhin das schwelende Chaos an den Grenzen für Angstmache be­nutzen. Angst macht mir da etwas ganz anderes, Angst macht mir nämlich, dass wir wegen Ihrer zynischen Politik wieder Menschen leiden sehen, weiterhin leiden sehen und nichts machen können, denn jetzt droht Moria zwei. Laut Ärzte ohne Grenzen vege­tieren im Moment fast 10 000 Menschen im provisorischen neuen Lager Kara Tepe, das in den vergangenen Tagen auf einer aufgelassenen Truppenübungsstelle eingerichtet wurde. Sie wissen nicht, ob sie etwas zu essen bekommen oder Duschen und Toiletten haben werden, aber sie wissen, dass eine Gefahr durch Minen besteht.

Wir NEOS – nicht die ÖVP und nicht die FPÖ – werden nicht müde, uns dafür einzuset­zen, dass durch effiziente, schnelle Verfahren Sicherheit und Ordnung einkehren und dass wir – als Österreich dabei in einer Koalition der Entschlossenen vorangehen.

Damit das umsetzbar wird, brauchen wir aber eine Entlastung der EU-Außenländer, und deswegen haben wir schon im April, als Corona ausbrach, gefordert, dass wir evakuie­ren. Schon damals war nicht nur die ÖVP dagegen, sondern auch die Grünen haben unseren Antrag abgelehnt. Jetzt, nach dem Brand, braucht es umso mehr eine rasche Evakuierung. Es muss verhindert werden, wie Ärzte ohne Grenzen sagt, dass aus der Asche Morias auch mit österreichischer Unterstützung das nächste Elendslager ent­steht. – Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wir haben in Österreich die Kapazitäten, zu helfen. Asylquartiere, für die wir aber dank eines Kündigungsverzichts – damals von Innenministerin Mikl-Leitner  Miete zahlen, stehen leer, und es gibt in Österreich viele Menschen, die den Wunsch haben, zu helfen. Sie ignorieren die vermehrten Rufe der Zivilgesellschaft, der Kirchengemeinschaft in Ös­terreich, von Kinder- und Jugendpsychiatern, von der Initiative Courage – Mut zur Menschlichkeit, hinter denen immer mehr Menschen stehen, die helfen wollen.


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Sie nehmen nicht nur die Grünen in Geiselhaft, die dafür auch selbst verantwortlich sind, weil sie bei den Regierungsverhandlungen viele ihrer Grundsätze einfach über Bord ge­worfen haben, sondern Sie nehmen auch alle Menschen in Geiselhaft, die Sie nicht hel­fen lassen. Nehmen Sie diese nicht in Geiselhaft, lassen Sie sie helfen, lassen Sie diese Menschen, die Verantwortung spüren, etwas tun, wenn Sie schon nichts spüren!

Daher stellen wir heute den Antrag, dass die Bundesregierung die vielen Hilfsangebote der Menschen in Österreich, die helfen wollen, auf Validität prüft, und ihnen ermöglicht, nach einer Einreise von unbegleiteten Minderjährigen für die Versorgung und/oder die Patenschaft dieser Kinder zu sorgen. ÖVP ...

11.47


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Frau Abge­ordnete!

(Beifall bei den NEOS für die das Rednerpult verlassende Abg. Krisper.)

Die nächste Rednerin ist Mitglied des Europäischen Parlaments Frau Abgeordnete An­gelika Winzig. – Bitte.


11.47.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute zeigen die NEOS wieder einmal ihr wahres Gesicht, nämlich dass sie absolut kein Interesse an einer lösungsorientierten Diskussion haben, denn wie kommt man sonst auf die glorreiche Idee, heute den Herrn Bundes­kanzler aufzufordern, ein europäisches Asylsystem zu unterstützen, das jetzt um 12 Uhr erst einmal vorgestellt wird (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), das keiner kennt, das keiner durchgearbeitet hat. (Abg. Meinl-Reisinger: ... medial ..., mehr Zeit ...!)

Österreich hilft 365 Tage im Jahr, weil wir uns unserer humanitären Verantwortung be­wusst sind. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind EU-weit an dritter Stelle bei den Schutzge­währungen für Flüchtlinge, an zweiter Stelle bei der Aufnahme von Kindern. Ja, dafür werden wir von der Kommission gelobt, aber das sollen bitte erst einmal alle anderen Mitgliedstaaten erfüllen (Abg. Meinl-Reisinger: Genau! Das nennt man Solidarität! ... ha­ben es verstanden!), was wir seit 2015 geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, geschätzte Frau Kollegin Meinl-Reisinger, verweigern Sie nicht die Realität! (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Tun Sie doch bitte nicht so, als würden wir seit 2015 niemanden aufnehmen! Es werden auch heuer wieder 10 000 bis 12 000 Asylbe­scheide positiv ausgestellt. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Vorletzte Woche hatten wir 367 Asylwerber, und wir haben in diesem Jahr bereits 700 unbegleitete minderjährige Jugendliche in die Grundversorgung übernommen. (Abg. Kickl: No schau!)

Fakt ist aber, dass uns Hilfe vor Ort wichtig ist. Wir waren bereits vor Ort in Moria, noch bevor der Brand gelegt wurde. Wir haben mit finanziellen Mitteln unterstützt und wir ha­ben schon im Frühjahr Hilfslieferungen gebracht, das war unserem Innenminister beson­ders wichtig, und auch da waren wir EU-weit wieder die Ersten, die mit 55 Tonnen gehol­fen haben.

Ja, ich habe meine Lehre aus 2015 gezogen, und zwar, dass bei diesem Migrations­thema die veröffentlichte Meinung nie mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt.

Wir waren damals im oberösterreichischen Landtagswahlkampf. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Es gab einerseits hilfsbereite Menschen und andererseits enorme Aggressivi­tät quer durch alle Bevölkerungsgruppen, alle Berufe, quer durch alle Parteien. Diese Überforderung, die darf in diesem Land nie wieder passieren.

Das Negativbeispiel ist Schweden. Der sozialistische Premierminister beklagt, dass ho­he Kriminalität von Migranten herrührt, und die schwedische Polizeichefin kritisiert, dass


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migrantische Großfamilien einen Staat im Staat bilden, und jetzt mussten sie sich noch einen dänischen rechtspopulistischen Ex-Minister holen, der das Ganze als Berater lö­sen soll.

Es ist traurig, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind, aber Europa kann nur einen Bruchteil davon aufnehmen. Daher ist es doch wesentlich gerechter, das blutige Milliar­dengeschäft der Schlepper zu stoppen, und das können wir nur mit Hilfe vor Ort.

Was machen Sie? – Mit Ihren Vorstellungen befeuern Sie die Schlepper. Wie naiv sind Sie, bitte? Glauben Sie, Schlepper sind junge Männer, die einzeln Boote aufs Wasser lassen? – Das sind Großorganisationen, Profiorganisationen.

Wenn man 1 500 Flüchtlinge nach Deutschland schickt, stehen die nächsten 1 500 schon vor den Toren Europas, und der Schlepper kann sich ausrechnen, dass er wahr­scheinlich in einer Viertelstunde 3 Millionen Euro verdient. Denen muss man die Luft zum Atmen nehmen!

Für mich ist der richtige Zugang eine perfekte Abstimmung mit den Drittstaaten, Anreize, aber auch Kontrollsysteme und vor allem Ausbildung, Arbeitsplätze vor Ort. (Beifall bei der ÖVP.) Das muss ein nachhaltiges, visionäres Migrationsabkommen der Europäi­schen Union enthalten, dann werden wir diesem auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Mitglied des Europäischen Parlaments Günther Sidl. – Bitte.


11.52.12

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Günther Sidl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Bilder aus dem Flüchtlingslager Moria haben die meisten von uns tief berührt, und zwar waren es nicht nur die schockierenden Bilder des Brandes, sondern es wurde uns dramatisch vor Augen geführt, wie wir als Europa Menschen auf der Flucht dort leben lassen.

Man muss es ganz offen ansprechen: Wir haben es als eine der reichsten Regionen dieser Welt nicht einmal geschafft, dass wir diesen Menschen ordentliche Toiletten hin­stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ein Ar­mutszeugnis für unser Europa, ein Armutszeugnis aber vor allem für die Verantwortli­chen in den Mitgliedstaaten, die das zugelassen haben, und es ist jetzt ein Armutszeug­nis für unsere Bundesregierung, wenn man sich gegen die Aufnahme von Kindern stellt und sich sogar dagegen ausspricht, wenn andere, wie etwa die Bundeshauptstadt Wien, helfen wollen.

Ich war im brisanten Jahr 2015 Integrationssprecher meiner Fraktion im Niederösterrei­chischen Landtag, und ich war in sehr vielen Gemeinden und Städten bei Diskussions­veranstaltungen, bei denen es um die Aufnahme von Flüchtlingen gegangen ist. Ich kenne diese Diskussionen, ich kenne die Emotionen. (Abg. Kickl: Dann sind Sie nach Brüssel geflüchtet!) Bei einer dieser Veranstaltungen hat ein Mitglied einer Rettungsor­ganisation – hören Sie gut zu, Herr Kickl! – gesagt: Wenn man jemanden im Straßengra­ben liegen sieht, fragt man nicht zuerst, woher er kommt, sondern man hilft. (Beifall bei der SPÖ.) Man hilft, und das ist auch jetzt die einzige Handlungsoption, die mit unseren Grundwerten vereinbar ist. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Darüber hinaus brauchen wir aber endlich auch eine europäische Antwort auf die Frage, wie wir mit Menschen auf der Flucht umgehen, ein gemeinsames Bestreben, ab dem ersten Tag Integration zu fördern, und wir müssen uns auch endlich überlegen, wie wir es schaffen können, Menschen Sicherheit und vor allem Perspektiven in ihren Ländern zu geben.


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Das ist eine Herausforderung, die nur eine Union meistern kann, in der alle an einem Strang ziehen, doch was wir gerade erleben, ist der Rückfall in eine Kleinstaaterei, in ein Gegeneinander der Mitgliedstaaten. All das schwächt Europa massiv. Ganz vorne mit dabei ist da leider die gesamte österreichische Bundesregierung – ich sage bewusst: die gesamte Bundesregierung. Da kann man sich nicht auf den Kanzler oder auf den Koali­tionspartner ausreden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei ist das Spiel, das da getrieben wird, hochgefährlich, denn die Europäische Union ist immer dann schwach, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht auf einen Kurs einigen können oder gar nicht einigen wollen. Es ist zynisch, nach einer europäischen Antwort zu rufen, die man gleichzeitig durch die Hintertür ständig torpediert.

Wer in Österreich die Idee eines vereinigten Europas ernst nimmt und nicht an dessen Zerstörung mitarbeiten will, der muss seinen Teil einer gemeinsamen Verantwortung tra­gen, denn wir brauchen gerade jetzt ein starkes Europa (Beifall bei der SPÖ): ein starkes Europa, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronapan­demie zu bewältigen, ein starkes Europa für eine europäische Gesundheitsunion mit funktionierenden öffentlichen Gesundheitssystemen, ein starkes Europa für nachhaltige Lösungen, um die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, und ein starkes Europa für die Verteidigung unserer demokratischen Grundrechte, auch in Europa, mei­ne sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete. Und schließlich brauchen wir jetzt ein starkes Europa, das Verantwortung übernimmt und Lösungen bei der ganz wesentli­chen Frage der geordneten Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen auf unserem Kontinent schafft.

Die EU-Kommission wird heute ihr neues Paket zur Migrations- und Asylpolitik in der EU vorstellen. Das EU-Parlament hat dazu seine Haltung bereits 2016 klargestellt: Wir wol­len ein gemeinsames Asylsystem, basierend auf Verteilung und Solidarität.

Weil heute schon angesprochen worden ist, Fakten zu bringen: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Bundesregierung! Genau das ist Ihr Job. Herr Bundeskanzler, das war auch Ihr Job als Außenminister!

Noch etwas: Niemand ist darüber hinaus gehindert, in der größten Not zu helfen und den Schwächsten in Moria, den Kindern und Minderjährigen, schon jetzt Schutz zu gewäh­ren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


11.56.49

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Minister! Hohes Haus! Weil mein Vorredner gerade von Bildern und Fakten gesprochen hat, denke ich, müssen wir auch ein Bild in dieser gesamten Debatte, wie sie heute hier stattfindet, aber auch, wie sie bereits die letzten Tage in den Medien stattfindet, zurecht­rücken.

Sie sprechen die ganze Zeit von Kindern und zeichnen für die österreichische Bevölke­rung ein Bild von kleinen, vier-, fünf-, sechs-, siebenjährigen Kindern. Ich zeige Ihnen das wahre Bild der Kindern, die Sie aus Moria holen wollen, wie Sie es auch in der internationalen Presse bereits finden. Die österreichische Presse hat diese Bilder noch nicht so umfangreich veröffentlicht. (Der Redner zeigt ein Foto, auf dem eine Gruppe von Männern vor einem dunklen Hintergrund zu sehen ist.) Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die ersten Kinder, die aus Moria herausgeholt wurden: 1,90 Meter groß, Bart, jeder zweite wahrscheinlich am 1.1. geboren. Es sind genau diese Kinder, die eini­ges am Kerbholz haben, diese Kinder, die Sie bereits zu uns ins Land geholt haben und die auch schon einiges bei uns angerichtet haben. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wann werden Sie endlich in der Realität ankommen und verstehen, dass wir uns jetzt, in der Gegenwart, mitten in Österreich in einer Krise befinden, einer Krise, in der es Millionen Opfer in unserem Land gibt? Wann werden Sie verstehen, dass wir mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher nicht die gesamte Welt retten kön­nen? (Beifall bei der FPÖ.) Wann werden Sie in der Gegenwart ankommen und verste­hen, dass wir unter dem Deckmantel der Hilfe nicht weitere Kriminalität und weitere Pro­bleme importieren dürfen, die wir in unserem Bildungssystem, an den Schulen und so weiter zur Genüge haben?

Die Kernfrage ist: Wann wird die österreichische Bundesregierung endlich verstehen, dass es die Aufgabe der österreichischen Bundesregierung ist, vor allem in Österreich zu helfen und sich erst dann um den Rest der Welt zu kümmern? (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Da bekommt Hilfe vor Ort eine gute Bedeutung und ist das Stichwort. Es gibt in Österreich über eine Million Menschen, die armutsgefährdet sind, Hunderttausende Arbeitslose, Hunderttausende in Kurzarbeit, Unternehmer, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen, Senioren und Pensionisten, die mit ihrem Ein­kommen und ihrer Pension kein Auskommen finden, und über 300 000 Kinder, die in Österreich, vor unserer eigenen Haustür, armutsgefährdet sind.

Unsere freiheitliche Haltung, sehr geehrte Damen und Herren, ist klar: Solange es in Österreich auch nur ein einziges armutsgefährdetes Kind gibt, dürfen wir keinen einzigen Cent Steuergeld ins Ausland schicken und brauchen auch keine Zuwanderung. (Beifall bei der FPÖ.) Das Motto muss vielmehr lauten: Volle Kraft für unser Land! Das ist die Hilfe vor Ort, die wir in der Gegenwart dringend brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der schwarz-grüne Weg sieht aber etwas anderes vor. Da werden aus der Hüfte Zig­millionen zusätzlich ins Ausland geschickt, und selbst, wenn Ihnen Ihre PR-Berater sa­gen, Sie sollen ein bisschen Härte bei 200 Kindern, die ich Ihnen gerade gezeigt habe, zeigen, dann sieht auch da die Realität anders aus. Sie holen Zuwanderer und Asylanten zu Tausenden in unser Land: letzten Freitag 59 (Zwischenruf des Abg. Hörl), am Sams­tag 29, am Sonntag 32, am Montag 41 und gestern 36 illegale Zuwanderer, Tausende in den letzten Wochen und Monaten, und während Sie der eigenen Bevölkerung eine Grenze ziehen, stehen die Grenzen meilenweit für illegale Zuwanderung und Migration offen. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil auch Sie, Herr Innenminister, gerade hier sind und großspurig ankündigen, dass ohne Coronatest kein Asyl gewährt wird, frage ich Sie: Wissen Sie, wie viele von den Tausenden einen negativen Coronatest mitgebracht haben? – Null, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist der Sand, den die Regierung und vor allem die ÖVP versucht, der Bevölkerung in die Augen zu streuen.

Dieses Schauspiel mit Herrn Kollegen Seehofer, unter Parteifreunden, können Sie sich auch sparen. Das ist relativ leicht durchschaubar, weil Sie beide versuchen, politisch davon zu profitieren und Ihr Herr Innenminister als Dankeschön dann noch über 1 000 Mi­granten aus Deutschland zurücknimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn jetzt die EU den Vorstoß macht, Dublin abzu­schaffen und eine Umverteilung über die Nationalstaaten sicherzustellen, dann ist das eine gefährliche Drohung, und ich erwarte mir von der österreichischen Bundesregie­rung, dass sie nicht auf den Knien nach Brüssel rutscht, sondern dass sie unsere öster­reichischen Interessen vertritt. Die Botschaft muss lauten: Wir sind von Brandstiftern nicht erpressbar! Die Botschaft in Richtung illegale Migranten und Schlepper muss lau­ten: Ihr habt gar keine Chance, no way, versucht es erst gar nicht, die Grenzen sind dicht! Gerade in Zeiten wie diesen muss die Botschaft lauten: Österreich zuerst, Österrei­cher zuerst!


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Die Gegenwart, Frau Kollegin (in Richtung Abg. Rendi-Wagner), ist nicht Moria, die Ge­genwart ist Österreich, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Die Rede vom Kollegen Mahrer war doch nicht die schlechteste! – Abg. Kickl: Kommst ja noch dran! – Abg. Lausch: Einreiseverbot ins Burgenland!)

12.01


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Monika Vana, Mitglied des Europäischen Parlaments. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.02.06

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte KollegInnen! Ich möchte diese menschenverachtenden und letztklassigen Aussagen meines Vorredners gar nicht lange kommentieren. Ich möchte mich für diese heutige so wichtige Europa­stunde, die auch zeigt, wie wichtig die sachliche Auseinandersetzung betreffend dieses Thema ist, herzlich bedanken! (Beifall bei den Grünen.)

Der Brand im Flüchtlingslager Moria hat uns dramatisch und endgültig vor Augen geführt: Die Flüchtlingsfrage lodert seit Jahren im gesamten gemeinsamen Haus Europa und allein mit einer Festungs- und Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas wer­den wir diesen Brand nicht löschen – das ist Fakt. Das Flüchtlingsleid ist unerträglich und einer Friedensnobelpreisträgerin EU unwürdig. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Seit Jahren – das kann ich auch für mich selbst in Anspruch nehmen – fordern wir Grü­nen, dass die Europäische Union ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen muss, das Grundrecht auf Asyl sicherzustellen und Verfahren zügig und vor allem menschen­rechtskonform durchzuführen. Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen, ist Schutz zu gewähren!

Dazu braucht es legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten, faire Verfahren für Asylsuchende und die Entkriminalisierung von Seenotrettung, um dem Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende zu bereiten. Das alles ist aber mit dem derzeitigen Dublin­system nicht zu schaffen, und – es wurde schon angesprochen – gerade jetzt in diesen Minuten präsentiert die Kommission ihre Pläne für einen sogenannten Migrationspakt der Mitgliedstaaten. Das ist ein längst überfälliger Schritt, denn viel zu lange hat sich die Europäische Union von der Totalopposition einiger Mitgliedstaaten bremsen lassen. Ich darf Ihnen sagen: Im Europaparlament haben wir längst einen Kompromiss, eine Eini­gung für einen Verteilungsmechanismus in der Flüchtlingsfrage gefunden, allein die Mit­gliedstaaten blockieren.

Europa braucht dringend einen Migrationspakt und eine gemeinsame, solidarische Asyl­politik, die im EU-Vertrag übrigens auch klar als Ziel verankert ist, zum einen, um eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen, aber auch – und das ist sehr wichtig –, um ihren eigenen Grundwerten und Grundrechten gerecht zu werden.

Soweit wir bisher gehört haben, wird der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission das Elend an den Außengrenzen leider nicht beseitigen. Wir hören von beschleunigten Asyl­verfahren in Großlagern, die das Problem nicht grundlegend ändern. Wir hören davon, dass die Dublinregelung nicht außer Kraft gesetzt werden soll – ich denke, da wird es harte Verhandlungen brauchen. Wir müssen die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten und wir dürfen die südlichen EU-Mitgliedstaaten nicht mit der Abwicklung der Asylver­fahren alleine lassen – ich denke, in Massenlagern scheinen faire, rechtsstaatliche Asyl­verfahren nicht möglich.

Im Europaparlament setzen wir Grüne uns seit Jahren ganz klar für folgende Ziele ein: für einen Stopp der jahrelangen Masseninternierungen an den Außengrenzen, die


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Schaffung von offenen Registrierungszentren, von wo aus Flüchtlinge sich dann nach einem fairen und solidarischen System auf die Mitgliedstaaten verteilen können, sowie auf Motivation und Unterstützung. Das ist gerade jetzt ganz, ganz wichtig für Regionen, Städte und Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen wollen – es ist beeindruckend, was da von immer mehr Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen europaweit geleistet wird. Die EU-Strukturfonds unterstützen dabei übrigens seit Jahren großzügig mit Geld, allein viel Geld bleibt in Brüssel immer noch liegen.

Es ist ganz klar: Alle Mitgliedstaaten müssen sich ausnahmslos zu einem europäischen Asylsystem bekennen! Ein Versagen der EU in dieser Frage ist keine Option! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb auch heute anlässlich des Titels der Europastunde, der sich an den Herrn Bun­deskanzler richtet, mein persönlicher Appell an den Herrn Bundeskanzler, wie aber na­türlich darüber hinaus an alle politischen VerantwortungsträgerInnen in Österreich: Neh­men wir unsere Verantwortung ernst! Unterstützen wir ein gemeinsames und solidari­sches europäisches Asylsystem! Österreich kann und soll Flüchtlinge aufnehmen, zahl­reiche andere Mitgliedstaaten zeigen es vor, das ist Fakt! Retten wir Flüchtlinge aus der aktuellen Notlage in Moria! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Kucharowits.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


12.07.06

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Herr Bundes­kanzler, ich habe Sie im EU-Hauptausschuss gebeten, den Begriff von den schreckli­chen Bildern nicht mehr zu verwenden. Ich bin sehr dankbar, dass Sie es nicht mehr machen, denn es geht nicht um Bilder. Ich glaube, das haben wir heute alle aus diesen 2 Stunden mitgenommen: Es geht um Menschen, und ich möchte hinzufügen, es geht um die Würde des Menschen, verankert im deutschen Grundgesetz, aber auch – Sie werden sich nicht wundern, ich habe dazu ein Buch mitgebracht – in der katholischen und christlichen Soziallehre: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. (Der Redner hält das Buch „,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ Zur Anwendung der Katho­lischen Soziallehre“ in die Höhe.)

Herr Professor Sedmak hat es da zum Teil ein bisschen kompliziert ausgeführt, er hat aber auch einen sehr einfachen Satz geschrieben: Wenn es darum geht, die Würde des Menschen zu achten, ist der „erste Schritt dieses Prozesses [...] jene soziale Wachheit und Aufmerksamkeit, die die Katholische Soziallehre einmahnt und ausmacht; die Nöte der Welt gehen die Menschen an. Das große Hindernis auf dem Weg zur Anwendung der Soziallehre ist Indifferenz“, sagt der Herr Professor. Ich sage, es ist die Wurschtig­keit, ist das Wegschauen, ist, zu sagen: Das geht uns nichts an! – Nein, es geht uns etwas an, und noch einmal: Was wir in Moria sehen, das ist nicht vor Ort, wie es immer so gar nicht schön heißt, das ist mitten in Europa. Da liegen mitten in Europa die Kinder auf der Straße, und wer wegschaut, macht sich mitschuldig! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Auch von ÖVP-Seite ist heute schon das Wort lösungsorientiert gefallen. Ja, und ich habe auch noch einmal nachgeschaut, es gibt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der ÖVP, die gesagt haben: Ja, wir nehmen gerne ein paar Familien auf! Das heißt, in Ihrer Partei gibt es Menschen, die nach dieser christlichen Soziallehre leben wollen und sagen: Wir nehmen ein paar Familien auf!, Bürgermeister Linhart aus Bregenz, Bürger­meisterin Karelly aus Fischbach, Bürgermeister Brunsteiner aus Vöcklabruck, um nur einige wenige zu nennen – es sind viel mehr, und ich frage mich wirklich: Wo ist denn noch das Problem?


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Wo ist das Problem? Es gibt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – auch anderer Par­teien –, die sagen: Wir nehmen auf! Wir wissen, dass dort die Kinder auf der Straße liegen!, und wir verhindern das. – Was ist denn daran lösungsorientiert?

Noch etwas zur Hilfe vor Ort: Hilfe vor Ort bedeutet nicht in Europa. Europa, das sind wir! Hilfe vor Ort heißt – und, Herr Bundeskanzler, Sie haben es ja richtig gesagt, 80, 90, 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht –, dort zu helfen. Da gibt es das wunderbare UNHCR, das UNO-Flüchtlingshilfswerk, und auch da habe ich mir die Zah­len angeschaut.

Ganz schlimm war das Jahr 2018, da sind wir auf 3,6 Millionen Euro heruntergefallen. Jetzt zahlen wir ein bisschen mehr ein – ich glaube, 5 Millionen Euro; vergleichbare Staaten wie Dänemark und Schweden zahlen 90 Millionen Euro ein. Das heißt, wenn wir Hilfe vor Ort sagen, müssen wir aber auch mehr für das UNHCR einzahlen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich würde Sie außerdem darum bitten, dass wir doch zwischen Flucht und Migration unterscheiden. Migration ist das eine – selbstverständlich muss es auch dafür eine euro­päische Lösung geben, aber erst recht für Flüchtlinge. Dabei fand ich eines schon ent­täuschend: Die EU-Kommission bemüht sich jetzt um ein gemeinsames Vorgehen, und noch bevor wir überhaupt wissen, was in dem Vorschlag drinnen steht, kommt von Ös­terreich eine Absage. Das kann es doch wirklich nicht sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Schluss dieser Stunde möchte ich noch auf etwas kommen, was mich so stark bewegt, nämlich auf diese europäische Identität. Was macht denn die europäische Iden­tität aus? Dass wir – noch – ein bisschen bessere Maschinen als andere erzeugen, dass wir ein bisschen schnellere Autos oder ein bisschen schönere Häuser haben als anders­wo? – Nein! Die europäische Identität macht dieser Humanismus aus. Dazu muss man ja nicht religiös sein – die einen sind religiös, die anderen nicht. Übrigens heißt die Men­schenwürde ja auch immer: das christlich-jüdische Erbe. Was die Christen mit den Juden gemacht haben, wissen wir auch aus der Geschichte, aber wenn wir schon das christlich-jüdische Erbe hernehmen, dann ist es das jüdische Erbe, dass der Mensch quasi als Ebenbild Gottes da ist und deswegen die Würde jedes Menschen unverletzlich sein muss.

Bitte: Daran müssen wir uns orientieren, das macht Europa aus – der Rechtsstaat, die Demokratie, aber auch das soziale Mitgefühl. Wir merken, dass die europäische Art zu leben – und wie gesagt, das ist nicht Wohlstand, sondern das ist Mitgefühl, das ist Soli­darität und das sind Demokratie und Rechtsstaat – weltweit gefährdet ist. Heute steht in der „Neuen Zürcher Zeitung“, lesen Sie nach: Die Amerikaner ziehen sich aus der UNO als wichtiger Institution eher zurück, und was machen die Chinesen? – Sie dringen im­mer mehr vor. Und was machen sie auch? – Überall, wo es um Menschenrechte geht, sagen sie: Nein, das wollen wir nicht, dafür zahlen wir nicht. – Sie wollen das Thema Menschenrechte auch aus der UNO hinausdrängen.

Wenn wir Europäer nicht für Menschlichkeit, für Menschenrechte stehen, wird es nie­mand mehr tun, und wenn wir es nicht tun, wird unsere Art zu leben verloren gehen. Deswegen – und das glaube ich – ist das ein Weckruf.

Ich bewerbe gern fremde Bücher, mein eigenes Buch werde ich nicht bewerben, aber, Herr Bundeskanzler, ich habe dieses Buch für meine Kinder und für Ihre Generation geschrieben. Von Emotionen war auch schon die Rede – Emotion sei nichts Gutes. Wenn wir emotional nicht Europäer sind, werden wir Europa verlieren, und deswegen habe ich mit großer Begeisterung und auch Emotion etwas über Europa geschrieben, und ich möchte es Ihnen gerne schenken. Es ist unterhalb jeder Korruptionsgrenze, aber


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Sie haben heute schon Concordia erwähnt: Wenn Sie dafür etwas für Concordia spen­den, freue ich mich doppelt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Brandstätter überreicht Bundeskanzler Kurz das Buch „Letzter Weckruf für Europa“. – Abg. Wöginger: Das ist ja nett ...! – Abg. Kickl: Ein E-Book wä­re ...!)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.13.17Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3330/J bis 3449/J

Zurückziehung: 3361/J

2. Anfragebeantwortungen: 2872/AB bis 2923/AB

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schusswaffenkennzeichnungsge­setz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert wird (360 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs.4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Orga­nisationen Unterstützungsfonds für Juli 2020 und August 2020, vorgelegt vom Bundes­minister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (Vorlage 32 BA)

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 37 betreffend Rechtssicherheit von konkurrenzlosen Dorfläden im ruralen Raum", überreicht vom Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer

Petition Nr. 38 betreffend "Öffnung Engelstor als Eingang in den Schlosspark Schön­brunn", überreicht von der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr

Petition Nr. 39 betreffend "umfangreiche Selbstversorgung mit heimischen Lebensmit­teln sichern", überreicht vom Abgeordneten Peter Schmiedlechner

Bürgerinitiative Nr. 30 betreffend "ohne Kunst wird´s still – Forderungen: Schweige­marsch 2020"

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel – Rei­he BUND 2020/29 (III-169 d.B.)


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):

Kulturausschuss:

Kunst- und Kulturbericht 2019 der Bundesregierung (III-174 d.B.)

Verkehrsausschuss:

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-172 d.B.)

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2511/AB


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2511/AB der Anfrage 2509/J der Abgeordneten Drobits, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Projekt ‚Edelstein‘ – geplante (Teil)Privatisierung des Bun­desrechenzentrums“ durch den Herrn Bundesminister für Finanzen Blümel abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten DDr. Mag. Hu­bert Fuchs, Kai Jan Krainer und Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer beantragt haben, dem Ge­schäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis zum 29. September zu setzen. Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäfts­ordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung ge­bracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 6 bis 8, 9 und 10, 11 bis 14, 15 und 16 sowie 19 und 20 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 156, SPÖ 108, FPÖ 88, Grüne 80 sowie NEOS 64 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten, darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.


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12.16.131. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (371 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Klubobmann Herbert Kickl. – Bitte.


12.17.11

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir diskutieren heute mit den vorgelegten Novellen zum Epidemiegesetz und zum COVID-19-Maßnahmengesetz viel, viel mehr als gesund­heitspolitische Fragen – viel, viel mehr. Ich möchte sagen, dass es in Wahrheit in vielen Bereichen der Debatte in den folgenden Minuten um das Eingemachte geht. Wir disku­tieren über so etwas Ähnliches wie das Herz-Kreislauf-System und das Nervensystem dieser Republik, denn beiden Systemen will diese schwarz-grüne Bundesregierung mit ihrem parlamentarischen Rollkommando, das sie fortgesetzt seit vielen Monaten be­treibt, in Wahrheit an den Kragen. Das ist die Wahrheit hinter dieser Gesetzgebung, über die wir jetzt diskutieren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich finde, dass es dafür einen wunderbaren Begriff gibt: Feschismus. Das gefällt mir sehr, sehr gut. Feschismus würde ich so zu definieren versuchen, dass man eine X-large-Zerstörungspolitik made by Regierungsmitgliedern im Slimfitoutfit durchführt. (Hei­terkeit des Abg. Loacker.) Das ist der Feschismus 2020 in Österreich, und jetzt disku­tieren wir über die Gesetze, die die Grundlage dafür schaffen.

Die Damen und Herren zu meiner Linken – die zu meiner Rechten haben sich gerade verabschiedet –, also Sie (in Richtung Bundesminister Anschober, Bundesministerin Aschbacher und Bundesministerin Gewessler), bilden ja zusammen – schönfärberisch formuliert – das, was man eine Bundesregierung nennt; der Sache nach ist es eher so etwas Ähnliches wie ein Chaosklub. Auf jeden Fall hat diese Bundesregierung in den letzten Monaten tatsächlich so etwas Ähnliches wie eine Spur der Verwüstung durch das ganze Land gezogen. All die Fakten, die ich jetzt nenne, sind messbar, sie sind objek­tivierbar, sie sind exakt, sie stehen fest – im Unterschied zu Ihren Covid-Infektionszah­len, die Sie in der Weltgeschichte herumschleudern, mit denen Sie die gesamte Bevölke­rung verunsichern und mit denen Sie die zweite Welle herbeitesten.

Wovon rede ich? Was ist exakt, und was ist messbar? – Die Massenarbeitslosigkeit, die Pleitewelle, die durch das Land rollt, die zerstörten Existenzen, in kürzester Zeit die Ver­nichtung und die Gefährdung eines Wohlstands, der von Generationen vor Ihnen in die­sem Land aufgebaut wurde, die Krankheitsfälle, die Todesfälle jenseits von Covid, und da fehlt ja dann noch zum Drüberstreuen der Großangriff auf die Grund- und Freiheits­rechte, den Sie reiten: Freiheitsberaubung der eigenen Bevölkerung inklusive Strafen ohne jede gesetzliche Deckung.


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Das ist alles messbar und objektivierbar. Das ist das Beste aus beiden Welten, das uns versprochen worden ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist die vorüberge­hende Bilanz nach einigen Monaten Regieren Marke Schwarz-Grün. Sie machen nichts anderes, als das Land in einen Notstandsmodus zu versetzen, um die Volksgesundheit vor etwas zu retten, das nicht einmal ansatzweise die Bedrohungsdimension hat, die Sie der Bevölkerung permanent einreden wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vor diesem Hintergrund ist es für jeden Freiheitlichen eine Pflicht, möchte ich sagen – und es ist eigentlich auch ein notwendiger Akt der Notwehr, vollzogen im Interesse einer immer größer werdenden Gruppe der Bevölkerung –, nicht nur heute diese beiden Ge­setzesmaterien abzulehnen, sondern selbstverständlich auch der gesamten Bundesre­gierung das Misstrauen auszusprechen.

Ich bringe hiermit auch den entsprechenden Antrag ein:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art 74 Abs 1 iVm Art 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß natürlich, dass dieser Antrag heute keine Mehrheit bekommen wird – noch nicht, sage ich dazu, noch nicht! –, unter ande­rem deshalb, weil die Sozialdemokratie jetzt binnen kürzester Zeit das zweite Mal umfällt.

Ich weiß nicht, was mit Ihnen (in Richtung SPÖ) los ist. Sie kennen wahrscheinlich das berühmte Zitat von Grillparzer, der so schön formuliert hat: Das Schöne an einem Fehler ist, dass man ihn nicht zweimal machen muss. – Zitatende.

Was reitet Sie denn, dass Sie dieses Zitat unbedingt widerlegen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei der FPÖ.) Es ist ja überhaupt nicht notwendig. Sie machen dieser schwarz-grünen Dampfwalze noch den Weg frei, anstatt sich, so wie die Freiheitlichen es tun, ihr in den Weg zu stellen.

Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie sind ja auch – noch, sage ich dazu – Parteivorsitzende Ihrer Partei. Ich hätte eine große Bitte an Sie oder einen Tipp für Sie, es wäre wegen der Ehrlichkeit und um sozusagen nicht das Andenken verdienter Sozialdemokraten post­hum zu schänden: Bitte reden Sie einander in Ihrer Fraktion nicht mehr als Genossinnen und Genossen an – Komplizinnen und Komplizen, das würde passen, Komplizinnen und Komplizen dieser schwarz-grünen Bundesregierung! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wir setzen mit diesem Antrag ein Zeichen und Sie (in Richtung ÖVP) freuen sich natür­lich darüber, dass das heute nicht durchgeht, aber freuen Sie sich nicht zu früh! Wissen Sie, die Bonzen in der SED haben auch darüber gelacht, als sich landauf, landab Bürger gefunden haben, die sich dann in Windeseile unter dem Motto: Wir sind das Volk!, mehr und mehr organisiert haben. – Das Ende der Geschichte kennen Sie genauso gut wie ich.


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Mit dem heutigen Antrag sagen wir Ihnen klipp und klar, dass wir bei Ihrem Corona­wahnsinn nicht mit dabei sind, dass wir Ihre neue Normalität, die nichts anderes als eine Verordnungsdemokratur ist, ablehnen, und dass wir vor allem auch Ihrem gesundheits­politischen Zugang überhaupt nichts abgewinnen können, bei dem Sie das Kind mit dem Bad ausschütten, mit Kanonen auf Spatzen schießen oder, wie es der schwedische Chefepidemiologe so treffend formuliert hat, mit einem Hammer versuchen, eine Fliege zu erschlagen und in Wahrheit nur das ganze Mobiliar zertrümmern. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Mobiliar, das ist die Wirtschaft Österreichs, das ist unser Sozialsystem und alles, was dazugehört. Denken Sie jetzt einmal darüber nach, wie logisch es ist, herzugehen und zu sagen, Sie wollen unser Gesundheitssystem retten und vor Überlastung schüt­zen, und gleichzeitig ruinieren Sie alle Rahmenbedingungen, die es braucht, um dieses Gesundheitssystem zu erhalten! Das passt nicht zusammen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind Gefangene Ihrer eigenen Angststrategie. Sie stecken in Ihren Scheuklappen und bekommen sie nicht runter, und das Schlimme ist, dass Sie die österreichische Be­völkerung in Geiselhaft genommen haben. Wir Freiheitliche treten an, um die Bevölke­rung aus dieser Geiselhaft zu befreien und Ihre Strategie der Angst durch eine Strategie des Muts, der Zuversicht und vor allem der Freiheit zu ersetzen – das ist nämlich ein Begriff, den Sie schon längst aus Ihrem Vokabular gestrichen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Gesundheit und Freiheit, Gesundheit und Arbeitsplätze, Gesundheit und Wirtschaft muss es heißen. Sie haben zwischen diesen jeweiligen Begriffen immer oder stehen, und das ist der falsche Weg. Wenn ich dieses Und so sehr herausstreiche, dann ist das keine Oppositionsfantasterei, sondern es gibt Länder, die das praktizieren – und jetzt bin ich in Schweden. Ich weiß, Sie hören es nicht gerne, aber es ist halt einmal so: Die schwedischen Aktien steigen, während Ihre in den Keller gehen.

Ich habe immer gesagt: Schauen wir uns das Ganze an und messen wir dann am Ende, nach einer etwas längeren Entwicklung, wie es tatsächlich ausschaut! Ich weiß gar nicht, was Sie gegen die Schweden haben, bei Greta sind Sie doch auch alle einer Schwedin hinterhergelaufen und haben keine Sekunde auch nur irgendeinen Skrupel gehabt. (Hei­terkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt mache ich noch etwas, was Sie nicht so gerne mögen: Ich vergleiche, weil ich nämlich glaube, dass man vergleichen muss, um Relationen herzustellen. Denjenigen, die sich gleich wieder aufregen, sage ich: Ein Ver­gleich ist keine Gleichsetzung – also nur zum Nachdenken, aber ich vergleiche.

Vergleichen wir die gegenwärtige Situation mit einer Grippewelle, wie sie Österreich Jahr für Jahr erlebt! Da haben wir mitunter 1 000 Tote zu beklagen, es hat aber auch schon Jahre mit 3 000 bis 4 000 Toten gegeben. Das ist deutlich mehr als das, was wir jetzt zu beklagen haben. Jetzt frage ich Sie: Fahren wir deshalb die gesamte Wirtschaft runter? – Nein. Sperren wir deshalb dem Unternehmer die Türe seines eigenen Unternehmens zu? – Nein. Produzieren wir deshalb einen Lockdown? – Nein. Verursachen wir deshalb Chaos in den Schulen und an den Universitäten? – Nein. Verbieten wir deshalb soziale Kontakte? – Nein, nein und nochmals nein! Wir tun das alles nicht, und wir tun das alles aus einem guten Grund nicht.

Man könnte hergehen und sagen: Ja, selbstverständlich ist es so, dass die von Ihnen ver­ordnete Ganzjahresmaskerade – der einzige Maskenball, der das ganze Jahr noch statt­findet (Heiterkeit der Abgeordneten Hauser und Mühlberghuber) – natürlich auch dazu beiträgt, diese Grippeepidemie einzudämmen; dass ein Lockdown natürlich diese Zahl von 1 000, 4 000 Toten auch reduzieren würde. – Wir tun es aber nicht, einfach deshalb, weil wir uns fragen, ob diese Maßnahmen verhältnismäßig sind. (Beifall bei der FPÖ.)


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Bei dieser Beurteilung der Verhältnismäßigkeit kommen wir drauf, dass es eben nicht verhältnismäßig ist, das ganze Land zu ruinieren und einer großen Gefahr auszusetzen, und deswegen reagieren wir anders. Wir reagieren mit dem Appell an die Eigenverant­wortung, mit dem Appell an den Hausverstand, und wir tun gut daran, darauf zu setzen, dass die Leute selbst ein Interesse an ihrer eigenen Gesundheit haben. So überstehen wir das Jahr für Jahr relativ unbeschadet, ohne diese Maßnahmen, die Sie jetzt zum Einsatz bringen und mit denen Sie das ganze Land in Wahrheit an den Rand des Ruins und teilweise schon darüber hinaus geführt haben.

Das ist es, was ich nicht verstehen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn dieser Appell an den Hausverstand, an die Eigenverantwortung ist im Großen das schwedische Modell, von dem wir immer reden. Dass Sie nicht hergegangen sind und diesen Vergleich im Zusammenhang mit Ihrer Rechtsgüterabwägung gemacht haben, das kann ich nicht verstehen.

Sie können aber heute hier hergehen und die Chance nutzen und uns erklären, was wir alle noch nicht wissen, was Sie zu diesen Maßnahmen bringt. Nach all dem, was bisher bekannt ist, ist es schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich rechne nicht damit, dass Sie sich heute diesbezüglich erklären, denn Sie haben diese ganze Angelegenheit längst zu einer Glaubensfrage erhoben. – Glaub daran oder glaub nicht daran! – Das ist keine Glaubensfrage! Im Übrigen sollten Sie daran denken, dass es immer die Skeptiker gewesen sind, die für den Fortschritt auf dieser Welt gesorgt haben, und nicht die Dogmatiker. Sie aber haben alles zu einer Glaubensfrage erklärt, und Sie sind unglaublich borniert und unglaublich ignorant bei allen Meinungen, die nur einen Nachteil haben, nämlich den, nicht die Ihren zu sein – ansonsten können sie fun­diert sein, wie sie wollen.

Nehmen Sie die Maskenfrage: Es ist doch überhaupt nicht unbestritten, dass das Tragen von Masken einen wirklichen Schutzbeitrag liefert. Nein, darüber gibt es eine wissen­schaftliche Kontroverse. Unbestritten ist, dass das lange Tragen für die Gesundheit schädlich ist. Das ist unbestritten, und ich verstehe Ihren Herrn vom Roten Kreuz, Herrn Foitik, wirklich nicht, wenn er dann auch noch empfiehlt, die Maske auch im Büro die ganze Zeit zu tragen. Das ist unverantwortlich.

Die Verläufe der Krankheit: Na ja, Gott sei Dank ist es so, dass der Großteil, die über­wiegende Mehrzahl der Verläufe eigentlich ohne nennenswerte Krankheitssymptome vonstattengeht und dass nur eine sehr, sehr kleine Zahl von Leuten wirklich schwer er­krankt. Die Politik, die Sie betreiben, tut so, als ob es umgekehrt wäre. Sie tun so, als ob es umgekehrt wäre, und Ihre Maßnahmen bekämpfen etwas, das es in der Form in Wahrheit nicht gibt.

Ganz übel wird mir, wenn ich zum Thema Impfen komme. Sie wissen genau, dass ein Impfstoff nach dieser Zeit in Wahrheit keinerlei Erprobung haben kann, die mit jener ir­gendwelcher anderen Impfstoffe vergleichbar wäre. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein verantwortungsloses Experiment an der österreichischen Bevölkerung, das Sie da mit Ihrem Großeinkauf von Impfstoff planen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir richten den Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung, weil es ein multiples Regierungsversagen ist. Das sind nicht einzelne Regierungsmitglieder, sondern alles, was Sie produzieren, geht ja durch den Ministerrat. Es sind ja alle mit dabei, das ist ja alles einstimmig. Ich darf daran erinnern, dass Werner Kogler so überlastet gewesen ist, dass er eine eigene Staatssekretärin braucht, weil er ja so viel koordinieren muss. Er muss das alles mit Herrn Blümel koordi­nieren. Das sind alles Koproduktionen, auch wenn die ÖVP bei dem einen oder anderen Bauchfleck – und das waren sehr viele – nichts mehr davon wissen will.

Deshalb umfasst es alle, aber wir können natürlich auch die Minister im Einzelnen durch­gehen. Einer hat da schon eine besondere negative Exzellenz, möchte ich sagen, das


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ist der Gesundheitsminister. Natürlich, der sticht ein wenig hervor. Für mich ist er so etwas Ähnliches wie die männliche Ausgabe von Ulrike Lunacek. (Heiterkeit des Abg. Hörl.) Man muss aber Frau Lunacek zugutehalten, dass sie wenigstens gewusst hat, dass sie die falsche Person zur falschen Zeit am falschen Ort ist. – Sie sind noch nicht so weit, Herr Minister. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir können alle durchgehen. Herr Faßmann: Chaos in den Schulen, das ist die Bildungs­politik des Herrn Faßmann. Er produziert gerade eine verlorene Bildungsgeneration. Herr Nehammer ist auf der Jagd nach Lebensgefährdern. Da meint er nur die eigene Bevölkerung, die Harmlosesten von allen, während diejenigen, die nach wie vor zuhauf illegal in unser Land kommen, ohne jede Testung kreuz und quer durch das Land trans­portiert werden. (Abg. Hörl: Na geh!) Das ist Herr Nehammer und sein Beitrag zur Coro­napolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben die Frau Arbeitsminister, die nicht in der Lage ist, den heimischen Arbeits­markt vor den Arbeitsplatzgefährdern aus der Europäischen Union und aus Drittstaaten zu schützen. Dafür bastelt sie an einem Heimarbeitsgesetz, das dann Ende März da­herkommen soll. Das ist übrigens dann, wenn alle sagen, dass die Krise schon vorbei sein soll. Das ist der Beitrag der Frau Arbeitsminister.

Frau Schramböck ruiniert gerade gemeinsam mit Frau Köstinger die Wintersaison. Frau Zadić will als Justizministerin nichts davon wissen, dass es eine Riesensauerei ist, die eigenen Leute für etwas zu strafen, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt, und so weiter, und so weiter.


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, ich würde Sie ersuchen, auch wenn es schwierig ist, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Das sind Tatsachen!)  Ich kann es Ihnen genau sagen: Der Ausdruck „Sauerei“ verletzt die Wür­de des Hauses. Ich würde Sie ersuchen, diesen zurückzunehmen und sich in der weite­ren Rede an der Würde des Hauses zu orientieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Und dann habe ich Herrn Blümel noch gar nicht erwähnt! Das ist derjenige, der kein Budget zusammenbringt, weil er den ganzen Tag damit zu tun hat, wie er eine Finanzkonstruktion finden kann, mit der man ohne die Kontrolle des Parlaments Milliarden verschieben kann.

Dann gibt es noch ein paar andere, die ich nicht erwähnt habe. Sofern sie nichts mit Corona zu tun haben, beschäftigen sie sich mit irgendwelchen Zensurideen oder betrei­ben Orchideenthemen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht ist dieser Misstrauensantrag mehr als gerechtfertigt. Sie haben ihn sich ehrlich verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend noch ein Wort zur SPÖ oder eigentlich eher zu den kümmerlichen Resten einer ehemals stolzen sozialdemokratischen Bewegung (Abg. Hörl: Da hat er recht!): Liebe Komplizinnen und Komplizen! Ich weiß gar nicht, was mit Ihnen los ist. Am 14. Sep­tember sind Sie hier gestanden und haben eine eigens veranstaltete Sondersitzung durchgeführt, in der Sie vollkommen zu Recht die Tragödie am Arbeitsmarkt bejammert haben (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), in der Sie die Verantwortung für die höchste Arbeitslosigkeit aller Zeiten in Österreich in der Zweiten Republik als Folge einer ver­fehlten Coronapolitik bei dieser Bundesregierung festgemacht haben. Und jetzt? – Frau Klubobfrau! Herschauen, bitte, und nicht wegschauen! Ist es seit dem 14. September besser geworden oder ist es schlechter geworden? (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Ist es besser oder schlechter geworden? – Es ist schlechter geworden, denn jeden Tag erreichen uns neue Nachrichten von irgendwelchen Personalfreisetzungen. Da verstehe


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ich Sie dann wirklich nicht mehr, wenn Sie jetzt der Regierung die Mauer machen. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Verhand­lungserfolge sind ein Witz. Alle wissen es, Sie wissen es auch, Sie geben es nur nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Wöginger hat heute Muskelkater, er hat sich gestern den ganzen Abend vor lauter Lachen den Bauch gehalten und heute hat er Muskelkater. So leicht sind Sie über den Tisch zu ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten: Die Regierung hat Sie über den Tisch gezogen, oder aber Sie haben irgendeinen Judaslohn für etwas erhalten, wovon wir noch nicht genau wissen, was es ist. Auf jeden Fall waren Sie dafür bereit, wenn es so ist, die Interessen der Arbeitnehmer, die Interessen der Arbeitslosen und die Grund- und Frei­heitsrechte zu verraten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kassegger: Die werden wir jetzt wieder übernehmen!)

Die Strafe wird kommen, die Strafe wird Sie ereilen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der erste Teil davon schon heute, und zwar in Form der Schmach, die Sie er­dulden müssen, wenn die Redner der Regierung Sie für diesen Verrat loben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Dr. Susanne Fürst, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatsse­kretären

eingebracht in der 51. Sitzung des Nationalrates am 23. September 2020 im Zuge der Debatte zu Top 1) Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Ab­geordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden ( 370 d.B.)

Seit März 2020 wird durch sogenannte Corona-Gesetze und -Verordnungen der schwarz-grünen Bundesregierung massiv in die österreichische Gesellschaft, die Wirtschaft und den Rechtsstaat eingegriffen. Die Grund- und Freiheitsrechte sind seither in fortgesetz­tem Maße eingeschränkt und bedroht.

Diese dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechenden COVID-19-Maßnahmen ha­ben durch Betretungsverbote und Ausgangssperren die österreichische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt schwer getroffen. Das Resultat sind derzeit fast 900.000 Personen, die sich in der Arbeitslosigkeit, in AMS-Schulungen und in Kurzarbeit befinden. Für den Herbst und Winter 2020 ist ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit zu erwarten, sodass mit weit mehr als einer Million Betroffenen zu rechnen ist. Kommt ein neuer Lockdown, dann könnte sogar die Zahl von zwei Millionen Betroffenen erreicht werden.

Viele Verordnungen und Maßnahmen wurden durch den österreichischen Verfassungs­gerichtshof Mitte Juli 2020 wegen Verfassungswidrigkeit außer Kraft gesetzt. Die öster­reichische Bundesregierung war aber seitdem nicht willens und in der Lage, hier Rege­lungen zu schaffen, die den Grund- und Freiheitsrechten, dem Rechtsstaat und der


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Demokratie entsprechen. Ganz im Gegenteil – die mangelhaften und rechtsstaatswid­rigen Vorschläge führen zu einer weiteren Verfestigung des Grundrechtsabbaus und der Bedrohung demokratiepolitischer Standards.

Weitreichende Verordnungsermächtigungen ermöglichen es der gesamten österreichi­schen Bundesregierung und einzelnen Ressortministern, einen neuen Lockdown unmit­telbar umzusetzen, in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, Gewerbetreibenden, Freiberufler und Vereinsmitglieder „polizeistaatlich“ einzugreifen und Gesetze nach Be­lieben per Verordnung zu verlängern.

Da nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober, sondern alle Regierungsmitglieder und die Staatssekretäre hier durch Tun und Unterlas­sen eine Mitverantwortung tragen, ist das Vertrauen in die gesamte Bundesregierung nicht mehr gegeben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art 74 Abs 1 iVm Art 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

12.35.12*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, da „Rollkommandos“ in der NS-Zeit eingesetzt wurden, um die Bevölkerung zu terrorisieren und zu ermorden, erteile ich Ihnen für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf, und ich erteile Ihnen für den Ausdruck „Judaslohn“ ebenfalls einen Ordnungsruf. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist ein Bibelbegriff! Ich meine, ich bin nicht so bibelfest, aber - -!)

*****

Ihr Misstrauensantrag ist eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer. – Bitte.


12.36.09

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie! (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Ich bin sehr froh, dass wir jetzt aufgrund der Konstruktion mit den Plexiglasvorrichtungen hier im Plenum auch endlich wieder BesucherInnen empfangen können (Abg. Hafenecker: Jetzt habt ihr gerade gegen Plastik geredet!), und auch darüber, dass die Fotografinnen und Foto­grafen wieder mehr Möglichkeiten haben, das Geschehen hier zu beobachten und zu begleiten. (Abg. Martin Graf: Das ist aber fein!)

Leider ist das Geschehen, das hier zu beobachten und zu begleiten ist, ein bisschen ein Trauerspiel. Ich habe jetzt versucht, mich während der Rede des Herrn Kickl in eine emotionale Stimmung zu bringen, um dem, was hier vorgebracht wird, gerecht zu wer­den. Ich muss ehrlich sagen, ich tue mir schwer. Wir haben seit Beginn dieser Krise, die die größte Krise ist, mit der dieses Land seit dem Zweiten Weltkrieg als Ausnahmesitua­tion konfrontiert ist (Abg. Martin Graf: Von euch gemacht!), die auch dieses Parlament


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in ganz vielen Facetten massiv gefordert hat, als gewählte Vertreterinnen und Vertreter eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, für die Gesundheit, das Wirtschaftssys­tem (Abg. Kickl: Wenn es recht furchtbar ist, waren es eh immer die Leute!), für die ArbeitnehmerInnen des Landes dafür zu sorgen, dass wir über diese Krise so gut wie möglich in all ihren Facetten drüberkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Wir hatten im März eine Situation, in der dieses Haus gemeinsam Gesetze beschlossen hat – auch die FPÖ hat mitgestimmt –, die im Kern dem entsprechen, was wir heute wieder beschließen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Herr Kickl, Sie haben im März, ein paar Tage bevor die eigentlichen Ausgangsbeschränkungen gekommen sind, selber gefordert, dass es der radikale Lockdown sein muss. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Es war Ihnen zu wenig. Sie wollten viel radikalere Maßnahmen als die, die wir eingeführt haben, die letztlich dafür da waren, eine ausgewogene Mischung zwischen Schutz für die Bevölkerung und ausreichend Freiheit, ausreichend Bewegung, ausrei­chend Einhaltung der Grundrechte zu gewährleisten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Aber nicht für acht Monate! – Abg. Belako­witsch: Was haben Sie die letzten sechs Monate gemacht?)

Das haben wir hier alle gemeinsam mit allen Fraktionen inklusive der FPÖ beschlossen, aber Sie fahren seither einen Zickzackkurs, der atemberaubender nicht sein könnte. (Abg. Amesbauer: Geh bitte!) Sie wissen ja selber nicht, was Sie eigentlich wollen. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, ich weiß oft nicht: Glauben Sie und Ihre Mitglieder jetzt an die Existenz des Virus? Ja oder nein? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Kickl: Ist das eine Glaubensfrage?) – So wie Sie sich hier regel­mäßig aufführen, auch in der Präsidiale, zum Beispiel mit der Missachtung sämtlicher Schutzvorkehrungen, ist das auch eine Frechheit gegenüber allen anderen Abgeordne­ten hier im Parlament. Das möchte ich auch sagen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sie verhalten sich uns gegenüber absolut verantwortungslos (Abg. Amesbauer: Sie mit Ihren Gesetzen!) und auch verantwortungslos gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern und allen Menschen, die hier leben. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie tragen dazu bei, dass es in einer Zeit, in der genau das Gegenteil notwendig ist, eine massive Verunsicherung gibt. (An­haltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, ich kann schon verstehen, dass Sie traurig darüber sind, dass Sie nicht mehr Teil dieser Regierung sind – aus guten Gründen. Ich finde es übrigens ganz lustig, dass ausgerechnet Sie in Richtung SPÖ von Komplizinnen und Komplizen sprechen, während gerade Ihre Partei am meisten Verfahren anhängig hat, in denen es tatsächlich um die Frage von Komplizenschaft im kriminaltechnischen Sinn geht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Die Abgeordneten Kainz, Lausch und Schmied­lechner halten auf der Galerie ein Transparent mit der Aufschrift: „Stoppt den türkis-grünen www.Coronawahnsinn.at“ in die Höhe.)

Wir sind hier im Parlament. Wir haben hier die Aufgabe, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass diese Krise gut bewältigt werden kann. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, es ist eine extrem herausfordernde Situation gewesen und es ist auch nicht alles rund gelaufen. Und ja: Es wurde vom Verfassungsgerichtshof ein Teil des Gesetzes auf­gehoben. Wir holen heute nach, nach über 16 000 Stellungnahmen, die eingebracht wor­den sind, nach zwei Phasen ...


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende, entschuldigen Sie vielmals, ich muss Sie kurz unterbrechen.


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Ich glaube, es haben jetzt alle das Transparent gesehen. Es hat auf der Galerie natürlich nichts verloren. (Zwischenruf des Abg. Hörl. – Abg. Hafenecker: Wir schmeißen näm­lich keine Zettel runter, wie Sie früher! – Ruf bei der FPÖ: Ihr habt Zettel runtergeschmis­sen, wir haben nur ein Transparent ...! – Ruf: ... Hausverbot!) Ich ersuche daher, es wie­der einzurollen. Dürfte ich die Beschäftigten der Parlamentsdirektion darum ersuchen, dafür zu sorgen, dass die Aktionen auf der Galerie beendet werden? – So.

Entschuldigen Sie bitte, Sie sind am Wort.


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Wir schaffen heute nach über 16 000 Stel­lungnahmen – das Interesse war sehr groß, wir haben viel darüber diskutiert – eine neue gesetzliche Regelung. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.) Es ist keine einfache Materie, aber Rudi Anschober hat im Zusammenhang mit der Bear­beitung dieser Krise – eine solche Krise war noch nie da, ist noch niemals zu bewältigen gewesen – von Beginn an Fehlerkultur bewiesen. Er hat von Beginn an Verfassungsju­ristinnen und -juristen eingebunden und hat auch von Beginn an den offenen Dialog ge­sucht.

Ich bin sehr froh, dass der Großteil der Fraktionen hier im Hohen Haus zur kooperativen Zusammenarbeit bereit ist. Das gilt für alle Fraktionen außer für die FPÖ. Dabei stellt die FPÖ – und das möchte ich noch einmal sagen – den Vorsitzenden des Gesundheitsaus­schusses. (Abg. Wurm: Schwache Rede, sehr schwache Rede!) Die FPÖ ist diejenige Fraktion, die die Einberufung eines solchen Ausschusses letzte Woche verhindert hat, obwohl wir eigentlich vereinbart hatten, eine Ausschussbegutachtung vorzunehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Den Parlamentarismus einzufordern ist gut (Abg. Kickl: Ich glaube, Sie kennen sich im Parlamentarismus nicht aus!), aber Ausschüsse zu blockieren ist aus meiner Sicht ab­solut nicht kompatibel damit. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir beschließen heute ein Gesetz, das auf viele, viele Bedenken, die geäußert wurden, umfänglich eingeht und das jetzt in einer solchen Form verfasst ist, dass die sozialdemo­kratische Fraktion hier heute mitgehen wird, und dafür bin ich sehr dankbar. (Abg. Wurm: Sehr schwache Rede!) Es ist notwendig. Wir brauchen eine breite Basis für diese Gesetze und wir brauchen auch die Sicherheit für die Bevölkerung. (Abg. Kickl: Zu­sätzliche ...!)

Zum Gesetz möchte ich ein paar Punkte aufzählen: Wir schaffen zusätzliche Klarheit. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja lächerlich!) Wir binden in Zukunft bei gravierenden Maß­nahmen den Hauptausschuss, das Parlament ein (Zwischenrufe bei der FPÖ), nämlich zum Beispiel, falls es notwendig werden sollte, neuerlich Ausgangsbeschränkungen zu verhängen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Niki Scherak kritisiert hier den österrei­chischen Föderalismus und die verfassungsmäßig vorgesehene mittelbare Bundesver­waltung. (Weitere Zwischenrufe bei NEOS und FPÖ.) – Das ist originell. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das ist wirklich originell! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir schaffen mit diesem Gesetz die Balance zwischen den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und größtmöglicher persönlicher Freiheit. (Abg. Belako­witsch: Frau Kollegin, Sie reden sich ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir stel­len klar: Der Privatbereich ist privat. Wir schaffen die Basis für die Coronaampel und wir schaffen die Möglichkeit für eine Regionalisierung der Maßnahmen, die dringend not­wendig ist, mit präziseren Zuständigkeiten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hauser: Sperr­stunde! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Verharmlosung, die hier von Ihnen, Herr Kickl, vorgenommen wird, möchte ich nur sagen: Mit heutigem Tag sind es 971 000 Tote weltweit. Von gestern auf heute gab es weitere Tote in den USA, insgesamt sind es dort 200 000 Tote. (Abg. Kickl: Das geht


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munter weiter! Es geht munter weiter!) Und Sie stellen sich hierher und sagen: Das ist alles egal, es ist nicht weiter tragisch!, und wollen dieser Regierung das Misstrauen aus­sprechen.

Der Gesundheitsminister ist derzeit der beliebteste Politiker Österreichs (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und Sie stehen alleine auf weiter Flur mit Ihrer Einschätzung, dass er in dieser Krise keine gute Arbeit machen würde. Das Gegenteil ist der Fall. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Das ist eine ... Dro­hung!)

So schwierig die Ausgangsvoraussetzungen auch sind, diese Regierung hat es bis hierher geschafft und wird es auch weiterhin schaffen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich die Menschen in Österreich wie­der an die Maßnahmen halten werden – den Abstand einhalten, Hände waschen et ce­tera. Die Eigenverantwortung ist ein ganz wichtiges Thema (Abg. Wurm: Sehr schwache Rede, Frau Kollegin!), aber natürlich brauchen wir auch die rechtlichen Rahmenbedin­gungen, um Maßnahmen setzen zu können, um die Epidemie weiter im Griff zu halten.

Auch was die anderen Dinge betrifft: Wir schaffen eine Arbeitsstiftung mit einem Volu­men von 700 Millionen Euro. So etwas war noch nie da, auch nicht nach der Wirtschafts­krise 2008. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) In ganz vielen Bereichen setzen wir die Maß­nahmen, die notwendig sind, damit die zwangsläufigen Begleiterscheinungen einer Pan­demie bestmöglich bekämpft werden können. (Abg. Stefan: Noch nie ... Betriebe zu­gesperrt! – Ruf bei der FPÖ: ... Betrieben verboten, zu arbeiten! – Zwischenruf des Abg. Graf.)

Ich glaube, das Vertrauen der Bevölkerung liegt auf der Seite der Regierung und zum Glück nicht auf Ihrer Seite. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das werden Sie auch in den nächsten Wochen und Monaten erleben, denke ich. Ich finde es hoch unverantwortlich, wie Sie mit dieser Situation umgehen. Ich bin, auch wenn es die FPÖ ist, immer noch enttäuscht darüber, wie tief man auch hier im Parlament sinkt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


12.46.18

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich glaube, die Zuschauer haben der Klubobfrau Maurer angese­hen, wie sie körperlich mit sich ringt, wenn sie dieses ganze Konvolut schönreden muss, das uns da vorgelegt wird. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja!)

Die Bevölkerung in Österreich, die Erwerbstätigen, aber auch die Schülerinnen, Schüler und die Studenten leiden nämlich seit Monaten unter dieser Ungewissheit. Niemand weiß, was nächste Woche ist. Die Leute fragen sich: Kann ich meiner Arbeit nachgehen? Kann ich studieren gehen? Hat meine Schule morgen offen? (Abg. Martin Graf: Aber schuld ist die FPÖ!) Eltern wissen nicht, ob ihre Kinder nächste Woche noch betreut werden.

Was die Menschen gebraucht hätten, wäre eine alltagstaugliche Lösung, wie wir weiter miteinander leben, arbeiten und lernen können. Was Sie jetzt vorlegen, ist aber ein Ge­setz fürs Zusperren, fürs Absperren und fürs Wegsperren. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Machen wir uns keine Illusionen: Niemand schreibt ein Gesetz, das Ausgangssperren regelt, wenn er nicht Ausgangssperren plant. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Wissen Sie,


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kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Feuerwehrvergleich, Herr Minister! Der Feuerwehr­mann kommt mit dem Schlauch und behält das Wasser in Reserve, aber der Feuerwehr­mann kommt nicht mit dem Brennholz daher, und das tun Sie gerade. (Neuerliche Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Verordnungsermächtigungen werden da erteilt. Das Parlament geht her und gibt diesem Minister, der ein halbes Jahr lang bewiesen hat, dass er keine Verordnung gescheit auf die Reihe kriegt, so gigantische Verordnungsermächtigungen, dass er jetzt Betretungs­verbote verhängen kann, die so weit gehen, dass die Bürger nicht einmal mehr ihren privaten Pkw benutzen dürfen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wir müssen uns ja schon dafür bedanken, dass im Gesetz steht, dass der private Wohnraum von den Maßnahmen ausgenommen ist. – Oh, danke sehr, Sie kommen nicht in meine Wohnung! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Straßensperren können Sie verhängen. Da muss man sich fragen: Stimmt die Verhält­nismäßigkeit noch? Ja, Covid-19 ist eine Krankheit, die ein ernst zu nehmendes Risiko mit sich bringt, das muss man sagen; aber inzwischen haben wir, hat das österreichische Gesundheitssystem viel dazugelernt und es ist ein gut bewältigbares Risiko geworden. Das ist der Unterschied zum März. Wir haben es mit einem gut bewältigbaren Risiko zu tun, das eben nicht Betretungsverbote, Ausgangssperren, Straßensperren rechtfertigt.

Wir haben uns aber schon daran gewöhnt, nicht? Die Österreicher haben sich in den letzten sechs Monaten an vieles gewöhnt, und dieses Parlament hat sich auch an vieles gewöhnt, an einen Wust von Verordnungen, durch den niemand mehr durchblickt. Das führt jetzt dazu, dass wir hier ein Gesetz bekommen, bei diesem gut bewältigbaren Ge­sundheitsrisiko, das es dem Minister ermöglicht, die ganze Bevölkerung in der Privat­wohnung einzusperren. Das ist nicht mehr verhältnismäßig! Es hat auch im Experten­hearing am Montag ein Experte gesagt: Wir müssen aufpassen, woran wir uns gewöh­nen.

Klubobfrau Maurer hat gelobt, wie toll die Begutachtung dieses Gesetzes war. Wir haben zum Beispiel den ersten Entwurf nach der Begutachtung am Sonntag um 23.30 Uhr zugestellt bekommen und durften den dann mit dem Minister am Montag um 10.30 Uhr besprechen.

Ja, man gewöhnt sich daran – und man gewöhnt sich so daran, dass man, wenn in der nächsten Woche der nächste Entwurf am Sonntag um 14.30 Uhr kommt, schon dankbar sein muss, dass er am Sonntagnachmittag gekommen ist und nicht Sonntagnacht. Die Experten, die am Montag im Expertenhearing waren, hatten gar nicht alle die Letztver­sion dieses Gesetzes. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Was ist denn das für ein Ex­pertenhearing? Das ist eine Verhöhnung des Parlaments und eine Verhöhnung der Ex­perten, die eingeladen worden sind. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wir gewöhnen uns aber auch daran, dass das Parlament verhöhnt wird, nicht? Das Par­lament ist inzwischen nur noch ein Ausführungsorgan dieser Regierung geworden. Für wen spielt schon die Machtbalance zwischen Parlament und Regierung eine Rolle? Die Zeiten der selbstbewussten Abgeordneten in der ÖVP – wir erinnern uns an Karlheinz Töchterle oder an Erwin Rasinger – sind vorbei. (Abg. Hörl: Net stänkern da!) Jetzt haben wir nur noch die Mitschwimmer, die auf der Kurz-Welle hier hereingespült worden sind – und die anderen, die schon länger da sind, wissen, dass sie still sein müssen, weil sie sonst weg sind –, und wir haben einen Parlamentspräsidenten, der sich auch nicht als Gegenüber der Regierung versteht (Abg. Salzmann: Das ist eine Beleidigung!), son­dern der im März sogar vorgeschlagen hat, dass die Sitzung vom 18.3. entfallen und das Parlament bis auf Weiteres nicht mehr tagen soll. Das ist normal (Zwischenruf bei der FPÖ), daran gewöhnen wir uns, und nur auf Druck der Opposition wurde dann doch am 15.3. eine Sitzung abgehalten.


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Wir gewöhnen uns an sehr viel. Am Montag war das Expertenhearing im Ausschuss, und der Minister hat es nicht einmal für notwendig befunden, einen Satz dazu zu sagen, was an Ermächtigungsgesetz (neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ) vorgelegt wurde, mit dem Sie in Zukunft die Republik wegsperren können und wollen. Ich sage Ihnen eines: Wir gewöhnen uns da an zu viel.

Erich Kästner hat darauf aufmerksam gemacht: Das, was 1938 passiert ist, konnte man nicht 1938 oder 1937 verhindern, das hätte man zehn Jahre früher zu verhindern begin­nen müssen. – Ich bitte Sie: Gewöhnen wir uns nicht an das alles, was hier passiert! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Wurm: Die Frau Komplizin spricht!)


12.52.21

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne auch eher kritisch: Vergangene Woche hat die Bundesregierung wieder bundesweite Coronaver­schärfungen eingeführt. Der Grund dafür ist ein viel zu früher, viel zu hoher Anstieg an Neuinfektionen in Österreich. Mittlerweile ist es so, dass wir in Österreich umgerechnet auf die Bevölkerungsgröße fast viermal so viele Neuinfektionen haben wie Italien (Zwi­schenruf bei der FPÖ) – Italien, das ehemalige europäische Sorgenkind, der ehemalige Hotspot in Europa. Ich kann mich noch gut erinnern, als die Bundesregierung zu Beginn der Pandemie davon gesprochen hat, dass wir alles daran setzen müssen, um italieni­sche Verhältnisse verhindern zu können. (Abg. Belakowitsch: ... das wird nix ...!) Ja, aber es geht ja nicht nur um Italien. Es gibt 20 Länder in der EU, die derzeit alle eine wesentlich niedrigere Neuinfektionsrate haben als wir in Österreich. Es läuft nicht gut, da gebe ich Ihnen in Ihren Stellungnahmen, die Sie hier schon abgegeben haben, völlig recht.

Die Frage ist aber: Wie konnte es so weit kommen? – Da müssen wir in den April und Mai dieses Jahres zurückschauen, als die Lockerungen vollzogen wurden, als die Mas­ken, als jegliche Maskenpflicht im Supermarkt, in den Geschäften und wo auch immer ohne Plan fallengelassen wurden. Es wurde damals ein Signal ausgesendet, nach dem Motto: Das Virus ist eigentlich sehr gut zurückgedrängt, alles ist gut! Die Leute haben sich entspannt zurückgelehnt. Planlosigkeit war die Folge, und die Regierung hat den Vorsprung, den wir im April gegenüber vielen, vielen europäischen Ländern hatten, fahr­lässig verspielt. – So ehrlich muss man sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierung hat den Vorsprung verspielt, oder wie in einer Tageszeitung am Sonntag zu lesen war: „Die Regierung hat den Sommer verschlafen“. Ich glaube, es ist höchste Zeit aufzuwachen – oder wie manche sagen würden: Reißt euch endlich zusammen! Andere Länder haben das über den Sommer nämlich anders geschafft: In Deutschland gab es in den meisten Bundesländern eine generelle Maskenpflicht, zum Beispiel in Ge­schäften. In Italien: generelle Maskenpflicht in Geschäften und in Restaurants. In Schwe­den ist es nicht nur die berühmte Eigenverantwortung gewesen (Abg. Wurm: Das ist keine gute Rede, Frau Kollegin!), nein, auch dort gab es im Sommer viel schärfere Maß­nahmen im Bereich der Nachtgastronomie, in Bars und bei Veranstaltungen: 50 Perso­nen waren in Schweden maximal für Veranstaltungen zugelassen. Man hatte eine Idee, man hatte einen Plan – und es hat gewirkt: Alle liegen (Abg. Wurm: Ha, Frau Kollegin, das ist schwer zu argumentieren!) bei einem Fünftel der österreichischen Fälle.

Was hat die österreichische Bundesregierung gemacht? – Sie ist unvorbereitet in den Sommertourismus gegangen. (Zwischenruf des Abg. Wimmer.) Sie ist unvorbereitet – das wurde heute schon erwähnt – in den Schulstart gegangen, und es herrscht Chaos


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an den österreichischen Schulen, das wissen wir alle. (Abg. Belakowitsch: Das unter­stützen Sie? Das unterstützen Sie?) Ich habe selbst Kinder, ich weiß, wie schlimm es ist, Klassen tagelang zuzusperren, weil Testergebnisse ausstehen. Viele fragen sich auch, wie Leute, die aus Risikogebieten wie Brasilien anreisen, einfach unbehelligt, ohne Kontrolle am Flughafen landen können, nicht gefragt werden, nicht kontrolliert werden. (Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Für das gibt es die Wiener Li­nien, … punktuell!) Niemand wird kontrolliert. Das ist Laissez-faire! Laissez-faire ist ganz angenehm und gibt entspannende Signale. Man darf sich nicht wundern, dass die Bevöl­kerung da in den letzten Wochen und Monaten auch ein bisschen Laissez-faire gemacht hat. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit, vom Reagieren ins Agieren zu kommen, und was es jetzt dringend braucht, ist ein Plan für den Wintertourismus. Da geht es nicht nur um die Gesundheit, sondern da geht es um Hunderttausende Arbeitsplätze, sehr geehrte Frau Ministerin, und deswegen passen diese zwei Dinge natürlich zusammen. Es braucht eine kluge, durchdachte Teststrategie, die über die reine PCR-Logik hinausgeht, mit Schnelltests, die mittlerweile sehr gut sind. Es braucht einen Plan für unsere Schulen, weil man sich all das nicht mehr länger anschauen kann. All das wäre grundvernünftig und es ist überfällig.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch überfällig und grundvernünftig ist, das jetzt be­stehende COVID-19-Maßnahmengesetz endlich zu reparieren, endlich diese seit vielen Monaten bestehenden Schwachstellen zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Jakob Schwarz.) Dieses alte Coronagesetz ist schlecht. Wir haben es alle einstim­mig im März beschlossen – ich erinnere auch die blaue und die pinke Fraktion hier im Haus daran! Ja, für dieses Gesetz haben wir alle auch Mitverantwortung und deswegen haben wir auch jetzt Verantwortung, es so schnell wie möglich zu reparieren. (Abg. Kickl: Das ist nicht die Reparatur!) Genau dort stehen wir jetzt.

Wir hätten es uns leicht machen können, wir sitzen in der Opposition. Ja, die SPÖ hätte es sich ganz leicht machen können (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), aber dennoch haben wir eines gemacht: Wir haben Verantwortung übernommen. Wir haben jetzt Ver­antwortung übernommen, dieses Gesetz, das seit sieben Monaten wirksam ist, so schnell wie möglich zu reparieren (Abg. Kickl: Das ist keine Reparatur!) und so gut wie möglich zu reparieren, um ein ordentliches (Abg. Belakowitsch: Sie geben ihnen jetzt viel mehr Kompetenz!), ein verfassungskonformes Gesetz zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum? – Weil es ernst ist, sehr geehrte Damen und Herren. Es ist wirklich ernst, und es war wichtig, die Begutachtung einzuhalten und all diese Tausenden Stellungnahmen abzuwarten und auch zu lesen und zu berücksichtigen. Es war wichtig, dass Verfas­sungsexperten und der VfGH sich diesbezüglich geäußert haben und dass diese Kritik ernst genommen wurde. So – und nur so – konnten notwendige Verbesserungen, die dringend notwendig waren, erreicht werden, in langen, intensiven Gesprächen, die die Sozialdemokratie auch in den letzten Tagen und letzte Woche mit den Experten und Expertinnen des Gesundheitsministeriums geführt hat. An dieser Stelle möchte ich mich explizit auch bei Ihnen, Herr Gesundheitsminister, für diese gute Gesprächsbasis und Kooperation bedanken, und auch bei Ihren Beamtinnen und Beamten, die da wirklich Gutes geleistet haben. (Abg. Loacker: Was kriegt ihr dafür? Was kriegt ihr für diese Unterwürfigkeit?)

Ja, es wäre leicht gewesen, Herr Loacker, sich noch vor Begutachtungsende – vor Be­gutachtungsende, vor dem Vorliegen eines Entwurfs –, so wie die NEOS das gemacht haben – und das ist der einfachste Weg –, dagegen zu äußern. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Loacker und Scherak.) Das ist der einfachste Weg. (Beifall bei der SPÖ.)


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Dazu sage ich Ihnen: Nur das zu tun – nicht zu warten, bis ein Entwurf vorliegt, und Fundamentalopposition zu machen (Abg. Loacker: Hochmut kommt vor dem Fall! … bei der eigenen Partei!) – kennt man von der FPÖ, da habe ich nichts anderes erwartet, aber nicht von den NEOS, der Partei, die einst mit Matthias Strolz angetreten ist, um eine andere Oppositionspartei zu sein (Ruf: Hier können wir …!), nämlich die der Kons­truktivität. (Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Ja, von diesem Gedanken sind die NEOS heute weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: In der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren, die Österreich derzeit durchmacht, ist es unsere Verantwortung, Parteitaktik zur Seite zu stellen (Ruf: Haha­ha!), ist es unsere Verantwortung, Wahlkampfgetöse zur Seite zu stellen, ist es unsere Verantwortung, konstruktiv unseren Beitrag zu leisten, damit das schlechte, verfas­sungswidrige Gesetz so schnell wie möglich und so gut wie möglich repariert wird. (Prä­sident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben uns dieser Verantwortung, liebe NEOS, nicht entzogen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es sind wesentliche Verbesserungen erreicht worden. (Abg. Scherak: Der Regierung den roten Teppich ausgerollt ...!) Ich habe nicht viel über das Gesetz gehört, Herr Loacker – sehr seltsam –, weil es offenbar nicht mehr viel zu kritisieren gibt, weil wir die wesent­lichsten Verbesserungen erzielt haben. (Abg. Wurm: Ich sage nur ein Wort: Burgenland!)

Das Gesetz wurde zeitlich verkürzt, es läuft nun bis Mitte 2021. (Abg. Kickl: Kann es verlängert werden?) Das Parlament ist wesentlich besser eingebunden. Es ist betreffend Maßnahmen klar zeitlich begrenzt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Überschießende Kontrollbefugnisse, die wir im Moment haben und die alle wir­ken, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen (Zwischenrufe bei der FPÖ), wurden herausverhandelt. Der private Wohnbereich ist wesentlich besser geschützt, als es zur­zeit der Fall ist. (Abg. Scherak: Der war immer geschützt! Ihr müsst euch mal ...!)

Abschließend lassen Sie es sich ganz einfach sagen: Wenn Sie der Meinung sind, dass das derzeitige Gesetz, das auch laut VfGH verfassungswidrig ist, als gesetzliche Basis zur Bekämpfung dieser Krise das bessere ist, dann stimmen Sie heute ruhigen Gewis­sens dagegen. (Abg. Kickl: Die Regierung hätte Sie nicht gebraucht, um eine Mehrheit zu haben!) Ich sage Ihnen: Das ist eine solide, verbesserte Gesetzesbasis (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl), das brauchen wir zur Bewältigung dieser Gesundheitskri­se. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.01.31

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Geschätztes Hohes Haus! Ich wollte heute eigentlich sachlich auf die Inhalte des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes eingehen, aber wenn ich mir die Redebeiträge meiner beiden Vorrednerinnen, von Kollegin Rendi-Wagner und Kollegin Maurer, anhöre, dann muss ich sagen: Ich muss doch einiges klarstellen, bevor wir in die Sache eingehen.

Im März, zu Beginn dieser Krise, beziehungsweise eigentlich schon davor, im Februar, hat die Freiheitliche Partei ganz klar Stellung bezogen und konkrete Maßnahmen zur Verhinderung einer Einschleppung der Sars-Cov-2-Epidemie zum Schutz der österrei­chischen Bevölkerung gefordert. Das wurde damals belächelt und abgelehnt. Die Maß­nahmen, die wir für die Einreisebeschränkungen vorgeschlagen haben, wurden in Bausch und Bogen abgelehnt, und man hat sich mit Placebofiebermessungen am Flughafen begnügt, ohne eine tatsächliche Rückverfolgung zu machen, wer aller aus einem Risiko­gebiet einreist.


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Als es dann tatsächlich so weit war, dass die Epidemie in Österreich angekommen war, wir den Ischglcluster hatten und offensichtlich niemand von uns gewusst hat, wie schlimm die ganze Sache wird – es gab damals einfach noch keine verlässlichen Da­ten –, wurden wir mehr oder weniger genötigt, mit Sammelgesetzen zu agieren, die wir damals heftigst kritisiert haben, zu denen ich selber vorab in den Expertenrunden, in den Ausschüssen sowie in den anschließenden Plenarsitzungen klargestellt habe, dass wir diese Junktimierung aus teilweise vernünftigen und teilweise massiv überschießenden Maßnahmen ablehnen. Im Sinne eines nationalen Schulterschlusses haben wir damals diese Maßnahmen mitgetragen, aber nicht ohne auf all die Wahnwitzigkeiten, die darin enthalten waren, hinzuweisen. Das haben wir gemacht, es wurde nur einfach nicht be­rücksichtigt. Uns nun so hinzustellen, als ob wir das alles mitgetragen hätten, ist eine Verkehrung der Tatsachen, die wir uns nicht gefallen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir schon bei Vertrauen und Transparenz sind, Frau Kollegin Maurer – die Sie so angesprochen haben –, dann frage ich Sie: Was haben Sie denn aus dem Informations­vorsprung gemacht, den es im Krisenstab des Kanzleramtes gegeben hat? Man wusste schon Ende März, dass die Infektionsrate von selber abgeflacht ist – allein durch die Disziplin der österreichischen Bevölkerung – und es in Österreich gar keinen Lockdown gebraucht hätte, es vor allem diese lange wirkenden Maßnahmen gar nicht gebraucht hätte.

Was sagen Sie zu den mittlerweile vorhandenen Studien, die zeigen, dass vollkommen unabhängig davon, welche behördlichen Maßnahmen die verschiedenen Regierungen weltweit getroffen haben (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die Epidemie in all die­sen untersuchten Ländern innerhalb eines gewissen Zeitraums von selbst wieder abge­flacht ist und sich im Endeffekt die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen – rückblickend auf den Frühling betrachtet – als absolut nicht gegeben herausstellt? – Da sagen Sie nichts mehr, scheint mir.

Nun zu Ihren Vorwürfen, ich hätte als Obmann des Gesundheitsausschusses einen Aus­schusstermin verhindert (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Ich sage Ih­nen, was eine Abenteuerlichkeit ist, nämlich wenn Sie nach mehrmaliger kurzfristiger Änderung einen neuen Gesetzesvorschlag binnen zwei Tagen in einen - - (Abg. Mau­rer: ... ausgemacht, was den Zeitablauf betrifft!) – Am Sonntag ist der Vorschlag dage­wesen, der am Montag von einem Pseudogesundheitsausschuss hätte behandelt wer­den sollen, ohne Anwesenheit des Ministers, ohne eine vernünftige Tagesordnung, bei dem es nur darum gegangen wäre, dem Kind ein Mascherl für eine Zweitagesbegutach­tung umzuhängen. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Nicht einmal der hauseigene Verfas­sungsdienst, der den vorausgegangenen Entwurf, an dessen Erstellung er angeblich beteiligt war, mit einer zwölfseitigen Kritik in der Luft zerrissen hat, hat es geschafft (Abg. Maurer: Montag bis Freitag sind genügend Tage!), innerhalb dieser Frist eine Stellung­nahme abzugeben. Ja Entschuldigung, dass sich der Gesundheitsausschuss für so eine Instrumentalisierung nicht hergegeben hat! (Beifall bei der FPÖ.) Mit Ihrem Verständnis von Demokratie können Sie sich vielleicht in Nordkorea als Demokratin bezeichnen, aber nicht in diesem Hohen Haus.

Nun zum Expertenhearing: Wir haben – so wie es der Nationalrat beschlossen hat, der einer Fristsetzung zugestimmt hat – am vergangenen Montag einen Gesundheitsaus­schuss abgehalten, in den wir fünf hochkarätige Experten geladen haben, die sich mit der vorliegenden Materie auseinandergesetzt haben. Sie hatten das professionell aufbe­reitet und sind wiederum von einer kurzfristigen, massiven Überarbeitung der vorliegen­den Gesetzesnovelle überrascht worden. Sie haben diese Änderungen teilweise gar nicht bekommen, haben sich aber trotzdem nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, auch zu diesen neuen Änderungen ihre Stellungnahmen abzugeben, und da waren un­zählige kritische, aber auch konstruktive Beiträge sowie Forderungen, die die Experten auch aufgestellt haben, vorhanden.


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Was ist daraus geworden, Herr Minister? (Abg. Belakowitsch: Nix!) – Die heute vorge­legten Abänderungen – Sie haben im Ausschuss selber gesagt, man werde das berück­sichtigen – betreffen keinen einzigen der zusätzlich angesprochenen Bereiche.

Das ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt worden ist (ein Schriftstück in die Höhe haltend und es zerreißend), das ist kein Ernstnehmen der Expertenvorschläge ge­wesen. Das ist nicht das, was wir unter einer demokratisch verantwortungsvollen Geset­zeswerdung verstehen. Der Gesetzentwurf ist in dieser Form von uns abzulehnen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.06.32

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregie­rung! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Ich habe auch eine andere Rede vorbereitet, aber aufgrund der Redebeiträge vor mir habe ich mir eine Reihe von Stichworten notiert.

Nur ganz kurz, um es noch einmal klarzustellen: Wir schaffen heute die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um einer weltweiten Pandemie besser begegnen zu können. Die Pandemie haben wir uns nicht herbeigewünscht, wie das offensichtlich einige von der FPÖ behaupten, sondern die ist passiert (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die ist weltweit passiert. Die Johns Hopkins University hat die letzten Zahlen eben veröffent­licht – Kollegin Maurer hat es schon erwähnt –, wir reden da schon von über 30 Millionen Infektionen weltweit. Die Zahlen sind alarmierend.

Herr Kollege Kickl, das mit Schweden: Ich halte es ein bissel für zynisch, angesichts der Tatsache, dass es dort über 6 000 Todesopfer zu beklagen gibt, davon zu reden, dass Schweden besser durchgekommen ist. – Ad eins.

Ad zwei (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Wenn Sie den Newsticker­eintrag lesen, der gerade gekommen ist, sehen Sie, dass in Schweden die Infektionszah­len dermaßen ansteigen, dass Schweden wieder über schärfere Maßnahmen nach­denkt. – So viel einmal dazu. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich halte es übrigens in einer Situation wie dieser für ziemlich verzichtbar, in der Wort­wahl derartig untergriffig zu sein, dass man zum Beispiel von Coronablockwarten spricht. Das haben wir nicht nötig – das haben Sie offensichtlich nötig (Abg. Belakowitsch: Das ist aber Tatsache, Ihre Politik macht das!) –, weil es darum geht, dass wir eine Politik für Menschen machen wollen. Wir sind alles, nur keine Coronablockwarte, uns geht es um die Gesundheit. (Abg. Belakowitsch: Na selbstverständlich! – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Sie wissen ganz genau wie wir, dass Gesundheit ohne Wirtschaft nicht geht und Wirt­schaft aber auch nicht ohne Gesundheit geht. (Abg. Belakowitsch: Sie teilen in Gut und Böse!) Alle Maßnahmen, die wir treffen, die die Bundesregierung trifft, die Verordnungen, die in Kraft gesetzt werden, das Covid-19-Maßnahmengesetz, sind dazu angetan (Zwi­schenruf des Abg. Loacker), genau dieses Gleichgewicht zu halten. Ich halte es für äu­ßerst vernünftig, rechtzeitig Schritte zu setzen, um zum Beispiel den Wintertourismus möglich zu machen. Ich begrüße es, wenn Bundesländer vernünftig agieren. Das ist un­ser Anliegen.

Die Pandemie wird weiter grassieren. Unsere Hoffnungen ruhen selbstverständlich auf der Möglichkeit, dass möglichst rasch ein Impfstoff entwickelt wird. Sie können sich si­cher sein, meine Damen und Herren, es wird nicht ungeprüft geimpft und es wird auch – mehrmals wurde das Gegenteil behauptet – keinen Impfzwang geben, das haben der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister mehrmals klargestellt; auch da bedarf es


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wirklich keiner zusätzlichen Erklärung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Was mir an dieser Stelle ganz wichtig ist, sind einerseits die gesetzlichen Maßnahmen und andererseits das, worauf ich mich schon nach wie vor verlasse. Dr. Burgmann, der Leiter der Virologie des AKH, hat diese Woche wieder einmal etwas in Bezug auf diesen Vergleich von Grippe und Corona betont – wir wissen es alle und das sagen alle Ex­perten (Abg. Belakowitsch: Sie haben recht, die Grippe ist gefährlicher!) –: Erstens ein­mal gibt es gegen die Grippe einen Impfstoff und zweitens ist Corona (Abg. Belako­witsch: Das stimmt nicht!) tatsächlich zehnmal so tödlich wie die Grippe, das dürfen wir nie vergessen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich verlasse mich auf die Österreicherinnen und Österreicher, auf die Menschen, die hier leben – da können Sie noch so laut schreien –, mein Vertrauen gilt ihnen. Wir wissen, wenn wir weiterhin die Grundregeln beachten, Masken tragen, Abstand halten (Abg. Dei­mek: Wenn Politiker gescheiter sind als ...!) und noch dazu die Vernunft wirklich agieren lassen, kommen wir besser durch die Krise.

Wissen Sie, Kollege Engelberg ist heute Gott sei Dank wieder da; ihn hatte es schwer erwischt. Sie sagen, Sie kennen niemanden, der daran gestorben ist: ich schon, und der war 32, war Sportler und war nicht vorerkrankt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Verharmlosen wir das also bitte nicht! Hängen wir nicht irgendwelchen Verschwörungs­theorien an, sondern halten wir uns an Daten und an Fakten!

Faktum ist, wir haben es mit einer Pandemie zu tun. (Ruf: Faktum ist, dass ihr die Frei­heit ...!) Ich setze auf die Vernunft der Österreicherinnen und Österreicher, und – ich muss Ihnen das sagen; ich habe das schon einmal an dieser Stelle gesagt – ich bin lieber auf der Seite jener, die nach Lösungen suchen, als auf der Seite derer, die perma­nent nur raunzen.

Eine Frau, eine Vorarlbergerin, hat diese Woche im Ö3-Wecker gesagt, dass sie durch den Schlosspark in Schönbrunn gegangen ist, gesehen hat, wie für das Sommernachts­konzert aufgebaut wurde und sich darüber gefreut hat, dass das wieder möglich ist. Sie hat dann wortwörtlich gesagt: Hören wir doch auf zu raunzen! Tragen wir die Masken, halten wir Abstand, wir alle gemeinsam schaffen das!

Darauf verlasse ich mich. Seien Sie mit dabei, wenn wir die gesetzlichen Rahmenbedin­gungen schaffen (Abg. Belakowitsch: ... der Kinder, Sie ruinieren die Wirtschaft!), und helfen Sie weiterhin mit, wenn Sie draußen sind, behalten Sie einfach das alles im Hin­terkopf! Seien Sie mit uns mit dabei! Darauf verlasse ich mich, und ich wünsche uns allen Gesundheit und dass wir das wirklich gut durchstehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.11.20

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren hier im Haus und auch zu Hause! Ich persönlich bin ja ein sehr, sehr großer Freund einer lebendigen Debatte in diesem Haus, von daher war das jetzt auch eine sehr spannende Phase. Worüber ich mir aber schon sicher bin, ist, dass sich in dieser Phase die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, aller Be­wohner und Bewohnerinnen dieses Landes so etwas wie einen Grundkonsens erwarten würden, bei dem es nicht um Parteispektakel wie dieses geht (Abg. Belakowitsch: Das Spektakel ...!), sondern bei dem der Gesundheitsschutz der Österreicherinnen und Ös­terreicher, der Bevölkerung im Mittelpunkt steht, und zwar zentral im Mittelpunkt. (Beifall


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bei Grünen und ÖVP. – Die Abgeordneten der FPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift „Stoppt den türkis-grünen www.Coronawahnsinn.at“ und Tafeln mit den Aufschriften „Ihr zerstört Österreich“ beziehungsweise „Es reicht!“, auf denen Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober abgebildet sind, in die Höhe. – Abg. Kickl: Das Spektakel ...!)

Es ist nämlich keine herkömmliche Situation! Es ist keine herkömmliche Situation, in der wir jetzt diskutieren, in der wir leben. Wir alle miteinander wissen, wir erleben die schwerste Pandemie auf diesem Planeten seit 100 Jahren, auch hier bei uns in Österreich: Wir sind keine Insel, die davon ausgenommen ist. Wir wissen, diese Pandemie hat zur Folge, dass wir weltweit die schwerste Rezession seit 90 Jahren haben, und wir wissen, dass wir auch bei uns in Österreich wegen dieser Pandemie den größten Beschäftigungsrück­gang seit den Fünfzigerjahren haben. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleichgültig, wohin auf der Welt Sie sehen, die Probleme in dieser Situation, in dieser Pandemie sind überall dieselben, und auch die Antworten, die Antwortversuche, das Ringen um Lösungen ist überall dasselbe, von Neuseeland bis zu den Philippinen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), von Australien bis zum Beispiel zu unseren Nachbarn in Tschechien. (Abg. Deimek: Da ist ja auch ...!)

In Wirklichkeit gibt es, wie bei jeder Pandemie, drei Grundmaßnahmen, die uns schützen können, nämlich: Die eine ist der Abstand, die zweite sind die Hygienemaßnahmen und die dritte ist der Mund-Nasen-Schutz, und gleichgültig, wo wir leben, werden überall die­selben Maßnahmen praktiziert.

Jetzt weiß möglicherweise Herr Primar Kickl das in der Situation besser. (Abg. Kickl: ... der Herr Dr. Anschober! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ah, jetzt sind Sie doch wieder aufgewacht. Ich bin froh, dass Sie wieder bei uns sind. Sie haben eine so schöne, spannende, unterhaltsame Rede gehalten. Gut, dass Sie jetzt wieder bei uns sind! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist fein! Wie auf Knopfdruck: Wenn er seinen Namen hört, ist er wieder in Kampf­stimmung, das ist gut. Sie sind die letzten paar Minuten ziemlich abgetaucht gewesen, aber okay. Also die schwerste - - (Abg. Kickl: Sie haben es gerade notwendig als Volks­schullehrer, als ungelernter! Also bitte!) Sie qualifizieren sich mit jedem Zwischenruf mehr, das ist ausgezeichnet. Gut! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: ...! Das ist ja unfassbar! – Abg. Stefan: ... von der Regierungsbank!)

Das, wovon ich denke, dass es wichtig ist – und das wurde von mehreren Rednerinnen und Rednern schon sehr treffend herausgearbeitet –, ist, dass es einerseits natürlich um diese schwerste Gesundheitskrise geht (Abg. Belakowitsch: Es geht um die Überwa­chung! Um die Überwachung!), dass die Lösung dieser Gesundheitskrise aber auch die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir uns wirtschaftlich wieder gut entwickeln (Abg. Belakowitsch: Ja, eh, aber ...!) und dass wir die sozialen Schwierigkeiten gut bewälti­gen. (Ruf bei der FPÖ: Die haben Sie herbeigeführt!) Das steht in einem engen Zusam­menhang und das kann man nicht gegeneinander ausspielen. Das ist die Grundvoraus­setzung dafür und daran arbeiten wir sehr, sehr intensiv, dessen können Sie sich sicher sein. (Abg. Kickl: Sie dilettieren durch die ...!) Die Dinge hängen zusammen.

Wir wissen – und das zeigen eigentlich alle internationalen Bewertungen –, Österreich ist im Vergleich sehr, sehr gut durch den ersten Teil der Krise gekommen. Nennen Sie mir eine Industrienation auf der Welt, die weniger Todesfälle zu verzeichnen hatte (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), die weniger schwere Erkrankungen zu verzeichnen hatte! Das sind die Parameter, an denen wir uns messen lassen, das ist nämlich das Entscheidende. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Unglücklicherweise ist es so – und da sind wir leider nicht alleine –, dass sich diese Pan­demie weltweit massiv weiter ausbreitet. Wir haben ihren Höhepunkt leider noch nicht erreicht. Gerade gestern hat die Weltgesundheitsorganisation gemeldet, dass alleine in


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der letzten Woche weltweit zwei Millionen Neuinfektionen zu verzeichnen waren. Also: Wer das verharmlost, wer das in Abrede stellt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen!

Über den Sommer war die Lage in Österreich trotz der Öffnungsschritte stabil. Ja, wir haben viele Öffnungsschritte realisiert, und ich glaube, dass das auch verantwortungs­voll war. Mittlerweile sind wir allerdings in der Situation – und das muss man sehr ehrlich sagen –, dass es in Österreich etwa seit dem 8. September wieder deutliche Steigerun­gen gibt. Damit Sie das schön nachvollziehen können (der Redner hält ein Kurvendia­gramm in die Höhe, mit dem er in der Folge seine Ausführungen illustriert), habe ich das auch grafisch dargestellt und mitgebracht. (Ruf: Das kann man nicht lesen! – Abg. Bela­kowitsch: Ist eh wurscht!)

Das war die Situation des großen Höhepunktes unserer Krise, den wir Mitte März hatten. Dann ist die Situation sehr, sehr stabil gewesen – das sind die Zahlen der aktiv Erkrank­ten –, und dann haben wir ab dem 8. September einen deutlichen Zuwachs erlebt. (Der Redner hält ein anderes Kurvendiagramm in die Höhe.) Was Sie hier am Schluss, in den letzten Tagen sehen (Abg. Stefan: Ist jetzt eine exponentielle Kurve, oder?), das ist jetzt der September, der hier herausgeholt ist, und das zeigt, dass wir es geschafft haben – und zwar alle miteinander: ein starkes Gesundheitssystem, alle, die sich in vielen Berei­chen darum bemühen, viele, viele Menschen, die es leben, die die Umsetzung leben –, dass wir in den letzten Tagen wieder eine Stabilisierung und ein Ende dieses starken Wachstums erreicht haben (Beifall bei den Grünen – Abg. Belakowitsch: Jetzt können Sie ...!) – und das ist gut so. Das ist wieder ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Was haben wir heute an Zahlen? – Das geht an alle, die es interessiert, und ich glaube, das ist doch ein erheblicher Teil: Wir stehen heute bei 681 Neuinfektionen, also diese Stabilisierung, allerdings auf einem hohen Niveau, setzt sich fort. Wir hatten gleichzeitig 637 Neugenesene in den letzten 24 Stunden und liegen damit im Augenblick bei 8 258 aktiv Erkrankten. (Abg. Stefan: Erkrankte oder Infizierte? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Durchgeführt und eingemeldet wurden 16 617 Tests. Das ist ein Vielfa­ches mehr als die Zahl der Tests, die wir im Frühling in Österreich durchgeführt haben, und auch so ist zum Teil die steigende Zahl mit zu erklären. (Abg. Stefan: Herr Gesund­heitsminister, Erkrankte oder Infizierte?)

Das Entscheidende ist allerdings, dass die Hospitalisierungszahlen nun auch wieder deutlich zu steigen beginnen, und das ist natürlich eine sehr alarmierende Entwicklung, denn im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, die Zahl dieser Hospitalisierungen möglichst stabil zu halten und zu vermeiden, dass es da zu einem deutlichen Zuwachs kommt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich habe gestern wieder eine lange Sitzung mit unserem Expertenbeirat, mit unseren Fachexpertinnen und Fachexperten aus dem Bereich der Virologie, aus dem klassisch-medizinischen Bereich, aus dem Public-Health-Bereich gehabt, und alle sind sich darü­ber einig, dass Österreich derzeit an einer Weggabelung steht: Entweder wir schaffen es durch Gemeinsamkeit, durch das Umsetzen der Maßnahmen und durch die bereits realisierten Maßnahmen, eine Stabilisierung und wieder ein schrittweises Senken der Zahlen zu schaffen – das ist möglich, das ist machbar –, oder wir kippen in eine expo­nentielle Steigerung hinein, für die es in diesen Tagen zwischen dem 8. und dem 17./18. Sep­tember auch Hinweise gegeben hat, und damit in eine zweite Welle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen parteipolitischen Unterschieden könnten wir doch einen Grundkonsens insofern schaffen, dass wir sagen: Ja, das erste Ziel von uns allen – bei allen Schwierigkeiten, die wir sonst haben, Diskursen, die wir führen – muss sein, dass es keinen zweiten Lockdown in Österreich mehr braucht, denn der wäre wirtschaftlich fatal, der wäre gesundheitspolitisch verheerend und der würde uns auch in der sozialen Lage in Österreich große, große Schwierigkeiten bereiten. Das


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heißt, es gilt, die Todeszahlen möglichst gering zu halten, das heißt, es gilt, die Zahl der aktiven Erkrankungsfälle möglichst gering zu halten.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, was bringt nun dieses Covid-Gesetz? Manche haben ja so getan, als wäre es ein völlig neues Gesetz. – Es ist eine Novellie­rung, es ist eine massive Verbesserung im Vergleich zum Status quo, eines Status quo, den wir alle gemeinsam einvernehmlich unter einem extremen Zeitdruck verwirklicht haben. Selbstverständlich kann man dann aus den Erfahrungen heraus, aus der Distanz heraus Verbesserungen verwirklichen. Ich glaube, dass das absolut gelungen ist, und ich möchte mich wirklich bei allen 14 000 bedanken, die da mitdiskutiert haben, die viel­fach konstruktive Vorschläge eingebracht haben. Viele von diesen haben wir in dieser Novelle verwirklicht, und der Beschluss dieses Gesetzes wird Österreich einen großen Schritt weiter nach vorne bringen.

Unter den 14 000 war auch eine konstruktive Stellungnahme der NEOS-Fraktion, in der sie konkrete Vorschläge eingebracht hat. Im Übrigen haben wir die allermeisten dieser Vorschläge, nämlich die substanziellen, starken, auch tatsächlich umgesetzt. Von daher ist mir euer Protest heute also wirklich ziemlich unerklärlich. Vielleicht hat das etwas mit dem Wahlkampf in Wien zu tun, aber das ist jetzt nur eine Mutmaßung. (Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS.)

Was haben wir in diesem COVID-19-Maßnahmengesetz verbessert? – Wir haben nun die rechtliche Möglichkeit, den Mindestabstand in Österreich wieder umzusetzen und einzuführen. Das ist eine sehr wichtige, eigentlich unbestrittene Maßnahme, die damit rechtlich verankerbar ist.

Es gibt zweitens mehr Möglichkeiten für die Bundesländer, Maßnahmen zu ergreifen. Ich halte es für gut, richtig und wichtig, dass die Bundesländer, die die unmittelbare Si­tuation vor Ort am besten kennen, nach diesem Gesetz unsere Bundesmaßnahmen erweitern können, verschärfen können oder zusätzliche Maßnahmen verankern können. Ich glaube, das ist wichtig.

Wir haben drittens die Ampel und die Ampelkommission jetzt gesetzlich verankert. Auch das ist wichtig, denn um dieses Instrument, die Risikosituation in Österreich bewerten zu können, beneidet uns mittlerweile halb Europa (Abg. Deimek: Mindestens!), weil es eine hochprofessionelle Analyse der Risikosituation ermöglicht. (Abg. Kickl: Das kann ich mir vorstellen!)

Ein ganz wichtiger Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dem Sie ei­gentlich am meisten Interesse haben müssten: Es gibt jetzt mit dieser Novelle mehr Kon­trollmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Gesetz. Es gibt mehr Transparenz, es gibt mehr Effizienz, und wir haben bessere demokratiepolitische Standards realisiert.

Unbestritten ist, dass diese Novelle – das haben Ihnen eigentlich alle FachexpertInnen, alle anerkannten Juristinnen und Juristen in der Expertenanhörung in diesem Haus auch gesagt – in vielen wichtigen Bereichen zu einer enormen Verbesserung des bestehen­den Gesetzes führt. Und noch einmal: Ich danke allen, die dazu einen Beitrag geleistet haben.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Grundkonsens, den es im Frühling in Österreich gab, brauchen wir wieder. Im Frühling war offensichtlich Parteipolitik nicht das Primat, sondern das Ziel war, diese schwerste Pandemie und die schwerste Rezes­sion seit 100 beziehungsweise 90 Jahren gemeinsam, als Österreich, gut zu überwin­den. Diesen Geist brauchen wir aus meiner Sicht wieder, das ist das Entscheidende, und dann werden wir – da bin ich sehr, sehr zuversichtlich – gut durch diesen zweiten Teil der Krise kommen.

Was wollen wir erreichen? – Wir wollen die Zahlen möglichst stabilisieren. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir wollen erreichen, dass es keine weitere Zuspitzung gibt,


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wir wollen erreichen, dass es möglichst wenige Todesfälle gibt, und wir wollen bis zum Vorliegen einer gesicherten Impfung die Zeit gut bewältigen.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir dann, wenn Impfungen in Europa freigegeben werden, nach einvernehmlichen Risikobewertungen, nach Kontrollen, nach allen Standards, die wir in Europa erarbeitet haben (Abg. Kickl: Im Jänner dann, oder?), ein gesichertes Produkt, wahrscheinlich sogar mehrere gesicherte Impfprodukte am Tisch haben wer­den. (Abg. Belakowitsch: ..., ob wir wollen oder nicht!)

Ich würde Sie nur ersuchen, da nicht mit den Emotionen zu spielen, wenn ich schon wieder den Zwischenruf höre: „ob wir wollen oder nicht“. Jetzt haben wir doch alle mit­einander die Garantie gegeben, dass das freiwillig ist. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Kickl: Sie haben schon so viel gesagt!) Warum spielen Sie dann trotzdem mit den Emotionen und schüren Ängste in diesem Zusammenhang? (Abg. Belakowitsch: Da redet der Richtige! Da redet der Richtige!) Jeder Mensch in Österreich wird sich frei ent­scheiden können, und unser Job in der Regierung ist es, sicherzustellen (Abg. Belako­witsch: Sie schüren Ängste seit Monaten!), dass es ausreichend Impfstoff für alle in Österreich gibt, und das werden wir schaffen. Das werden wir schaffen, und dafür wer­den wir als starke Europäische Union auch sorgen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie schüren die Ängste!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur kurz zwei Sätze zu den kritischen Stim­men, die ich heute noch gehört habe: Das eine: Herr Kickl, Sie waren ja vor wenigen Monaten noch der Vorreiter in Sachen Lockdown, mit einem Höllentempo, haben gefor­dert, gefordert, gefordert (Abg. Kickl: Die Zeit ist nicht stehen geblieben! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und heute sind Sie der Chefcoronaleugner der Republik. Ich verstehe das wirklich nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wissen Sie, ganz viele Menschen in diesem Österreich sind froh darüber, dass Sie nicht mehr in der Regierung vertreten sind, gerade in dieser Krisensituation (Abg. Belako­witsch: Und wie viele wären froh, wenn Sie nicht mehr in der Regierung wären?!), denn viele meinen, das wäre lebensgefährlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hauser: Das ist eine Frechheit! – Abg. Belakowitsch: Alles haben Sie falsch gemacht bisher! Das ist ja unglaublich!)

Dass die NEOS sich für diese eigentümliche Allianz zwischen Coronaverharmlosern und Coronaleugnern hergeben, wundert mich persönlich.

Ich bedanke mich abschließend noch einmal für die konstruktiven Stellungnahmen, und ich bin froh darüber, dass wir damit auch Anregungen bekamen, die wir in diesem Gesetz gut umsetzen konnten. – Vielen Dank für eine breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Selten peinlichere Reden gehört!)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Sche­rak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.26.29

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Bundesminister! Gleich vorweg, Herr Bundesminister: Ich weise etwas ganz entschieden zurück: erstens, dass ich Corona verharmlose, und zweitens, dass es mir um irgendeinen Wahlkampf geht. (Beifall bei den NEOS.)

Seitdem ich hier im Haus bin und seitdem ich Politik mache, geht es mir genau um zwei Dinge: Das ist erstens, dass unsere Bundesverfassung geachtet wird, und zweitens, dass unsere Grund- und Freiheitsrechte nicht über Gebühr eingeschränkt werden. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Das habe ich gemacht, als Innenminister Kickl das gemacht hat, das habe ich gemacht, als die ÖVP unsere Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt hat, das habe ich ge­macht, als SPÖ-Minister das gemacht haben, und das mache ich genauso bei Ihnen, weil Sie die ganze Zeit mit Ihren Gesetzen über Gebühr in Grund- und Freiheitsrechte eingreifen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn man sich dieses Gesetz, über das wir jetzt hier wieder diskutieren, das novelliert werden soll, und die Bilanz anschaut, dann wissen wir, dass wir bis Ende August eine Vielzahl von Vernaderungen in Österreich hatten, dass wir 30 000 Anzeigen hatten, dass 6 Millionen Euro an Strafen von der Bevölkerung gezahlt werden mussten – und das alles aufgrund einer Verordnung aus Ihrem Haus, die der Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehoben hat. Das wäre auch ohne gegangen, nämlich wenn man ein Mindestmaß an Sensibilität in verfassungsrechtlicher Hinsicht hätte. Das fehlt leider bei Ihnen, das fehlt in Ihrem Haus und das fehlt bei der ÖVP sowieso schon die ganze Zeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Problem ist – und das ist der Unterschied zwischen den Grünen und der ÖVP –, der ÖVP taugen ja diese Allmachtsfantasien. Sie wissen, von „juristischen Spitzfindigkeiten“ spricht der Herr Bundeskanzler. Ich weiß nicht, wie viele Gesetze in den letzten Jahren, die die ÖVP federführend mitverantwortet hat, vor dem Verfassungsgerichtshof gelandet sind und aufgehoben wurden. Sie wissen, dem Bundeskanzler ist es ja auch egal, ob es vor den Verfassungsgerichtshof kommt, denn er sagt ja: Dann ist es eh nicht mehr in Geltung – interessiert mich ja eigentlich nicht, soll der doch machen, was er will!

Das war bei den Grünen früher nicht so, und wir haben Sie x-mal darauf hingewiesen, dass diese ursprüngliche Verordnung nicht gesetzeskonform sein kann. Es war Ihnen nur egal.

Jetzt, nachdem Sie im Sommer verabsäumt haben, die ausreichenden Testkapazitäten zur Verfügung zu stellen, nachdem das Contacttracing in einzelnen Gebieten offensicht­lich nicht - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Okay, ich kenne mich nicht aus, Herr Bundesminister. (Abg. Kickl: Aber er ist ein begnadeter Jurist! Der Anschober ist ein begnadeter Jurist!) Ich will nicht über Ihre Ausbildung reden, ich bin gelernter Verfassungsjurist, ich kenne mich mit der österreichischen Bundesverfassung sehr gut aus, und ich werde Ihnen auch ganz genau - - (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Gut, dann kennen Sie sich bei den fehlenden Test­kapazitäten besser aus. Einigen wir uns darauf: Sie kennen sich dort aus, ich kenne mich in meinem Gebiet aus, und das ist das Verfassungsrecht, und das ist sicher nicht Ihres. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nachdem Sie eine fehlerhafte Verordnung gemacht haben, bringen Sie jetzt noch ein Gesetz, das noch mehr Allmachtsfantasien beinhaltet, das Ihnen noch mehr Kompe­tenzen gibt.

Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat gesagt, die SPÖ habe sich so konstruktiv in den Prozess eingebracht. – Frau Klubobfrau, Sie waren nicht im Hearing im Gesundheitsaus­schuss, Ihr Verfassungssprecher, Jörg Leichtfried, war nicht im Hearing im Gesundheits­ausschuss. Die SPÖ-Fraktion war nicht einmal in der Lage, eine Stellungnahme im Be­gutachtungsverfahren einzubringen (Zwischenruf des Abg. Kucher), es ist schlichtweg keine eingegangen. Die SPÖ war nicht einmal in der Lage, dem von ihr nominierten Experten den richtigen Gesetzentwurf zu schicken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kucher.) Er saß da und wusste nicht, worüber diskutiert wurde. – So viel zum Thema „konstruktiv eingebracht“. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sind noch mehr Kompetenzen für Sie, Herr Bundesminister, und Sie sagen zu Recht, wir haben eingefordert, dass der Hauptausschuss eingebunden wird, und Sie meinen, dass damit dann die gravierendsten Dinge geregelt sind. Das Problem ist allerdings: Das


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stimmt halt einfach nicht. Der Hauptausschuss wird dann eingebunden sein, wenn es um bundesweite Einschränkungen geht. Sie können mit einem Bezirkshauptmann, mit einer Bezirkshauptfrau ohne Einbindung des Hauptausschusses entsprechende Betre­tungsverbote erlassen. Sie können das Gleiche mit einem Landeshauptmann machen. Das heißt, der Hauptausschuss ist eben nicht dauerhaft eingebunden und er kann Pur­zelbäume schlagen – das ist völlig irrelevant –, Sie können weiterhin umfassende Betre­tungsverbote ohne Einbindung dieses Parlaments erlassen.

Im Übrigen, Einbindung des Hauptausschusses: Ich bin gespannt, wer Ihnen von den mutigen Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen dann im Hauptausschuss die Stirn bieten wird. Die Grünen schaffen es ja nicht einmal mehr, für die Aufnahme von Flüchtlingskindern zu stimmen. Ich warte darauf, dass sie dann im Hauptausschuss ste­hen und sagen: Nein, nein, Herr Bundesminister, wir wehren uns gegen Ihr Betretungs­verbot! – Das wird eine spannende Situation werden. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Der zweite Wahnsinn aus meiner Sicht ist, dass Sie mit diesen Betretungsverboten durch die Hintertür wiederum in diesen einzelnen Gebieten einen umfassenden Lockdown ma­chen können. Bei den Betretungsverboten in § 4 stehen nicht einmal Ausnahmen drin­nen. Da gibt es dann nicht mehr die drei, vier oder fünf Gründe, außer Haus zu gehen, laut Gesetz müssen Sie keine Ausnahmen machen. Sie können die Menschen in einzel­nen Bezirken komplett einsperren.

Im Übrigen steht dort auch nichts davon, dass das Gesundheitssystem irgendwie zusam­menbrechen muss. In § 4 steht, Sie können Betretungsverbote dann verhängen, wenn es zur Eindämmung der Ausbreitung von Covid notwendig ist. (Abg. Kickl: Was auch immer das heißt!) Sie können die gesamte Bevölkerung in einzelnen Bezirken, in ein­zelnen Bundesländern wegsperren, und das ohne Einbindung dieses Parlaments, und das halte ich für grundfalsch. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie können mir sagen, Sie haben das nicht vor. Das Problem ist aber: Wir haben Ihnen damals, als wir dieses erste Gesetz hier beschlossen haben, die Möglichkeit gegeben, bestimmte öffentliche Orte mit einem Betretungsverbot zu verse­hen. Was haben Sie gemacht? – Sie haben den gesamten öffentlichen Raum geschlos­sen. Glauben Sie mir, das Vertrauen von meiner Seite ist zumindest nicht da, dass Sie nicht auch jetzt wieder alle Kompetenzen, die dieses Gesetz vorsieht, auch entspre­chend ausnützen.

Der weitere, quasi verfassungsrechtliche Höhepunkt war ja, dass Sie ursprünglich vor­hatten, dass durch ein Gesetz, das dieses Parlament beschließt, der Bundesregierung quasi per Ermächtigung die Möglichkeit gegeben wird, dass sie das Außerkrafttretensda­tum des Gesetzes hinauszögert. Ich frage mich, ob da irgendjemand noch etwas von Gewaltenteilung mitbekommen hat! Dieses Parlament beschließt Gesetze, dieses Parla­ment beschließt, wann Gesetze außer Kraft treten – das geschieht sicher nicht über Ver­ordnungsermächtigung an die Bundesregierung, sodass die Bundesregierung das allei­ne machen kann! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Gestern um 20.56 Uhr sind dann auch die Grünen draufgekommen, dass es vielleicht nicht sonderlich gescheit ist, der Bundesregierung mittels Dekret die Möglichkeit zu ge­ben, die Gesetze zu verlängern. Um 20.56 Uhr haben dann auch die Grünen verstanden, dass das keine sinnvolle Variante ist.

Wissen Sie, man kann lange darüber diskutieren, ob es verfassungskonform gewesen wäre oder nicht. Ich bin überzeugt: Bei solch massiven Grund- und Freiheitsrechtsein­schränkungen geht es auf gar keinen Fall, dass die Bundesregierung Gesetze verlän­gert. Das ist Aufgabe dieses Parlaments, und jeder, der sich als Parlamentarier ernst nimmt, soll sich auch dieser Verantwortung stellen. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Zu dem, was Sie jetzt vorschlagen: Ja, jetzt darf der Hauptausschuss mitreden – es ist vielleicht irritierend, dass ausgerechnet ich als Angehöriger einer Fraktion, die nicht im


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Bundesrat vertreten ist, hier den Bundesrat noch einmal anspreche –, aber Sie alle las­sen den Bundesrat außen vor. Der Bundesrat wird nicht miteinbezogen bei der Verlän­gerung dieses Gesetzes; ja, der Hauptausschuss wird miteinbezogen – das sind übri­gens nicht alle Abgeordneten, sondern nur ein Teil davon –, aber der Bundesrat nicht. Ob das verfassungsrechtlich hält, wird sich auch noch zeigen.

Dass die ÖVP spätestens seit Sebastian Kurz kein großes Interesse am Parlament hat, ist nichts Neues. Dass die Grünen, seit sie in die Bundesregierung eingetreten sind, ihre Ideen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie längst abgegeben haben, ist mittlerweile auch nichts Neues mehr. Dass aber die früher einmal so stolze Sozialdemokratie – es waren Ihre Vorväter, die dafür gekämpft haben, dass es überhaupt Mitbestimmung gibt, dass es Parlamente gibt –, dass Sie jetzt den beiden die Rutsche legen und dafür kämp­fen, dass das Parlament ausgehebelt wird, halte ich für einen Wahnsinn. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Es gab in diesem Land noch nie so umfassende Kompetenzen für einen Minister ge­meinsam mit einem Bezirkshauptmann, die Menschen wegzusperren. Das ist der um­fassendste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte in diesem Land, und dem wer­den wir garantiert nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie der Abg. Strache.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ralph Schall­meiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf: Jetzt wird es schwierig!)


13.34.47

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Noch kurz auf Kollegen Kickl eingehend – er hat vorhin davon gesprochen, dass es unbestritten ist, dass die Schutzmasken im Gesicht gesundheitsschädigend sind –: Kollege Kickl, ich empfehle die Lektüre beispielsweise von Faktencheckern wie correctiv.org oder Mimikama. Dort können Sie nachlesen, wie das wirklich ist. Es ist nämlich ein bisschen anders, als Sie das dargestellt haben. Das wäre vielleicht nicht schlecht. Sie wissen ja: mehr Fakten, weniger Trumpismus. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nichtsdestotrotz: Kommen wir zum eigentlichen Thema, über das wir hier reden wollen! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen allen gegangen ist, ich habe in den letzten Wochen ziem­lich viele E-Mails, Benachrichtigungen, Briefe et cetera von Menschen, die sich an uns gewandt haben, die eben ihre Meinung zu diesem Gesetzentwurf kundgetan haben, be­kommen. Es waren mehrere Tausend Stellungnahmen, die in diesen zwei Begutachtun­gen eingebracht wurden, und wir haben eigentlich schon den Anspruch, dass wir diese Tausenden Stellungnahmen ernst nehmen, und das haben wir auch getan.

Ich kann mich übrigens an Gesetzwerdungsvorgänge erinnern, beispielsweise beim UG 2002 – ich weiß nicht, ob Kollege Graf jetzt noch hier herinnen ist, er war damals dabei –, da sind Hunderte, ich glaube, Tausende negative Stellungnahmen von den da­mals Verantwortlichen einfach weggeschmissen worden. In diesem Fall ist das eben nicht passiert, sondern wir haben uns das sehr genau angeschaut und haben das Ganze sehr genau in den Gesetzwerdungsprozess mitaufgenommen.

Warum haben wir das gemacht? – Es ist heute schon einmal erwähnt worden: Es geht dabei um einen Balanceakt zwischen einerseits notwendigen Maßnahmen bei der Be­kämpfung einer Pandemie – auch wenn es manche hier herinnen gibt, die der Meinung sind, dass es keine Pandemie mehr gibt; aber es gibt sie, sie ist real, 200 000 Tote in den USA, 5 870 Tote in Schweden, über 30 Millionen Infizierte weltweit, ich glaube, das sind eindeutige Zahlen und Fakten – auf der einen Seite und der persönlichen Freiheit


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von jedem und jeder Einzelnen hier im Haus und draußen, also in der Bevölkerung auf der anderen Seite. Ich glaube, nein, ich bin mir sogar sicher, dass wir das im Großen und Ganzen ganz gut hingebracht haben.

Was haben wir gemacht oder was steht in diesem Gesetz wirklich drinnen? – Es ist ei­nerseits eine gesetzliche Grundlage für die viel zitierte Ampel. Wir haben eine Kompe­tenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Bezirken gemacht; die Coronakommission wird verankert, damit verbunden eine evidenzbasierte Politik – das ist etwas, was man­che hier herinnen offensichtlich nicht ganz verstehen –; ein Lockdown ist nur noch zehn Tage lang möglich; weitreichende Maßnahmen wie ein Lockdown sind nur im Einverneh­men mit dem Hauptausschuss möglich; Maßnahmen sind nur dann möglich, wenn gelin­dere Mittel davor nicht ausgereicht haben; weiters, wie schon gesagt: die fünf Gründe, warum eben die Einhaltung einer Ausgangsbeschränkung nicht möglich ist – als Min­deststandards, bitte schön; in der Diskussion wird ja immer ganz gerne vergessen oder fallen gelassen, dass das ja die Mindeststandards sind. Das ist das Mindeste, was wir da drinnen festgeschrieben haben, darüber hinaus gibt es ja noch viel, viel mehr Mög­lichkeiten, eben auch Lockerungen zu machen.

Das Contacttracing ist wieder herausgefallen, weil wir auch gesehen haben: Okay, da haben wir definitiv ein datenschutzrechtliches Problem. Gut, das müssen wir halt heraus­nehmen. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Das Gesetz selbst ist zeitlich begrenzt. Ja, und die Gesundheitsbehörden werden oder können jetzt auch bei Präventionskonzepten deren Umsetzung vor Ort überprüfen beziehungsweise sich das anschauen. – Darum geht es, um nichts anderes geht es!

Es geht da nicht um ein sogenanntes „Rollkommando“, wie das eben erst gesagt worden ist. Bitte, diesen Begriff lehne ich wirklich zutiefst ab, auch aufgrund der historischen Zusammenhänge. Es geht auch nicht darum, den Polizeistaat auszurufen, wie es am Montag im Gesundheitsausschuss vonseiten der FPÖ gekommen ist, sondern es geht einfach darum, eine vernünftige Gesetzgebung bei der Bekämpfung einer Pandemie zu machen.

Weil ich es jetzt gerade angesprochen habe: Wir hatten ja am Montag auch noch das Expertenhearing. Fünf Experten waren hier, fünf Experten, die durchaus auch unter­schiedlicher Meinung waren. Vier davon waren nicht unbedingt wirklich nur negativ, drei davon waren durchaus sehr, sehr positiv, und da haben wir dann auch noch entspre­chende Verbesserungsvorschläge aufgenommen, die ich jetzt in Form eines Antrages einbringen möchte.

Es ist ein Abänderungsantrag, der in der Zwischenzeit auch hier im Haus verteilt wor­den ist, es ist der Antrag, den auch Kollege Scherak soeben angesprochen hat, der ges­tern am Abend auch an die Fraktionen ergangen ist.

Im Großen und Ganzen geht es in diesem Antrag darum, dass wir noch neue Rege­lungen zur Verlängerung einführen – Kollege Scherak hat es schon ausgeführt –, noch neue Regelungen und Konkretisierungen für Veranstaltungen einführen, zusätzlich geht es um eine nochmalige Klarstellung bei den Ausnahmen betreffend Ausgangsbeschrän­kungen, dass das einfach wirklich noch klarer ist, ein paar redaktionelle Anpassungen und mehr Transparenz bei der bereits erwähnten Coronakommission. Das sind die Fak­ten, davon reden wir.

Ich möchte abschließend Kollegen Bürstmayr, der am Montag sozusagen als juristischer Vertreter unserer Fraktion im Gesundheitsausschuss auch dabei war, noch einmal zitie­ren, der gemeint hat: Dieses Gesetz ist so etwas wie eine Sprinkleranlage, die ich mir in mein Haus einbaue; ich bin froh, wenn ich sie nie nutzen muss. Ich wäre auch froh, wenn wir eben dieses Gesetz niemals nutzen müssten, aber es ist gut zu wissen, dass wir es haben, denn wenn es darauf ankommt, wenn es brennt, schützt mich dieses Gesetz. – Zitatende.


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In diesem Sinne: Danke, ich hoffe auf breite Zustimmung; Danke an die SPÖ fürs kons­truktive Dabeisein, Danke auch an die NEOS, die – auch wenn sie heute wahrscheinlich dagegen sind – durchaus gute, konstruktive Vorschläge, von denen wir sehr, sehr viele berücksichtigt haben, gemacht haben! Vielleicht kommt ja die FPÖ irgendwann einmal drauf, was konstruktive Kooperation und Zusammenarbeit ist; heute offensichtlich nicht. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher

Kolleginnen und Kollegen,

zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d. B.) über den Antrag 826/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden,

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

a) In Artikel 1 wird nach der Z 8 folgende Z 8a eingefügt:

„8a. Dem § 15 werden folgende Abs. 6 bis 8 angefügt:

,(6) Wird aufgrund des Abs. 1 eine Verordnung erlassen oder geändert und hat dies zur Folge, dass eine Veranstaltung nicht mehr bewilligt werden könnte, darf eine bereits er­teilte Bewilligung für die Dauer der Geltung dieser Rechtslage nicht ausgeübt werden. Die Verordnung hat Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veranstaltungen zu enthalten. Diese können bei Gefahr in Verzug entfallen. In dieser Verordnung kann ab­weichend vom ersten Satz angeordnet werden, dass bestehende Bewilligungen unter Einhaltung der Anordnungen dieser Verordnung, die im Zeitpunkt der Erteilung der Be­willigung nicht gegolten haben und hinreichend bestimmt sind, ausgeübt werden dürfen. In einem solchen Fall gelten die Bewilligungen für die Dauer der Geltung der neuen Rechtslage als entsprechend der Verordnung geändert. § 68 Abs. 3 AVG bleibt unbe­rührt.

(7) Wird auf Grund des Abs. 1 eine Verordnung erlassen oder geändert und hat dies zur Folge, dass eine allfällige Bewilligung in einer für den Veranstalter günstigeren Weise erteilt werden könnte, so kann die Behörde einen neuen Antrag auf Bewilligung nicht wegen entschiedener Sache zurückweisen.

(8) Die Bewilligung einer Veranstaltung kann ab dem Zeitpunkt der Kundmachung einer Verordnung gemäß Abs. 1 erteilt werden, wenn der Zeitpunkt der Abhaltung der Veran­staltung nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung liegt. Die Bewilligung wird in diesem Fall mit Inkraftreten der Verordnung wirksam.‘“

b) In Artikel 1 Z 9 wird in § 25a Abs. 2 jeweils am Ende der Z 3 bis 5 ein Beistrich gesetzt.

c) In Artikel 1 Z 9 wird in § 25a Abs. 6 zweiter Satz der Ausdruck „gemäß Abs. 3 der“ durch den Ausdruck „der gemäß Abs. 3“ ersetzt.

d) In Artikel 1 Z 12 wird in § 50 Abs. 14 der Ausdruck „§ 15 Abs. 5“ durch den Ausdruck „§ 15 Abs. 5 bis 8“ ersetzt.

e) In Artikel 1 Z 12 wird in § 50 Abs. 16 nach der Wortfolge „für die Vollziehung gegeben sind“ ein Beistrich gesetzt.


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f) In Artikel 1 Z 13 wird in § 51 Z 1 und 2 jeweils der Ausdruck „§ 5a Abs. 5a“ durch den Ausdruck „§ 5a Abs. 5“ ersetzt.

g) In Artikel 3 Z 3 erhält § 2 die Absatzbezeichnung „(1)“, folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die Empfehlungen der Corona-Kommission sind auf der Website des für das Ge­sundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen auch die wesentlichen Begründungen dafür veröffentlicht werden.“

h) In Artikel 3 Z 7 wird in § 8 Abs. 5 und 6 jeweils nach dem Wort „Wochen“ ein Beistrich gesetzt.

i) In Artikel 3 Z 7 wird dem § 11 folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Verordnungen der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 1 bedürfen des Einverneh­mens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates.“

j) In Artikel 3 Z 10 wird in der Novellierungsanordnung der Ausdruck „Abs. 3“ durch den Ausdruck „Abs. 2“ ersetzt.

Begründung

Zu a) und d) (Artikel 1 Z 8a und Z 12 (§ 15 Abs. 6 bis 8 und § 50 Abs. 13 des Epi­demiegesetzes 1950)):

Die vorgeschlagenen Abs. 6 bis 8 enthalten Anordnungen für den Fall, dass sich die rechtlichen (durch Verordnung geregelten) Voraussetzungen für die Bewilligung von Veranstaltungen ändern.

Nach allgemeiner Dogmatik zu den Rechtswirkungen von individuellen Rechtsakten ist davon auszugehen, dass Änderungen der Rechtslage – auch ohne ausdrückliche Rege­lung, wie dies bislang der Fall ist – dazu führen können, dass von bereits erteilten Bewilli­gungen kein Gebrauch gemacht werden darf (dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Veranstaltung mit einer bestimmten Personenzahl bewilligt wurde, in der Zwischenzeit aber die zulässige Personenzahl herabgesetzt wird).

Um diese Rechtswirkungen der Änderung der Rechtslage zu vermeiden, soll angeordnet werden, dass die spätere Verordnung vorsehen kann, dass eine automatische Beendi­gung der Bewilligung nicht eintreten soll, sondern dass diese Bewilligung „ruht“. Durch die Anordnung dieses Ruhens kann auch berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsla­ge mehrfach ändert; wird auf Grund der Änderung der Rechtslage eine Veranstaltung unzulässig und ändert sich die Rechtslage abermals, sodass die Veranstaltung wieder zulässig wird, so kann die Veranstaltung dann auch abgehalten werden.

In der Verordnung wäre zu regeln, welche der „neuen“ Regeln auch für bereits erteilte Bewilligungen gelten sollen (so könnte etwa vorgesehen werden, dass eine Veranstal­tung, die für 1 200 Personen bewilligt wurde, als für 1 000 Personen bewilligt gilt, wenn generell nur noch Veranstaltungen mit bis zu 1 000 Personen zulässig sind). Dadurch soll vermieden werden, dass Veranstalter, die bereits über eine Bewilligung verfügen, einen neuerlichen Antrag auf Erteilung der Bewilligung stellen müssen. Dies dient nicht nur der Verfahrensökonomie, sondern stellt auch die Abhaltung von Veranstaltungen (wenn auch unter den geänderten Rahmenbedingungen) sicher.

Aus Gründen der Rechtssicherheit sind – außer bei Gefahr in Verzug – in einer Verord­nung gemäß Abs. 6 erster Satz Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veran­staltungen vorzusehen. In Bewilligungsbescheiden von Veranstaltungen sollten grund­sätzlich Hinweise aufgenommen werden, dass es in Folge einer Änderung der Rechtsla­ge zu einer Abänderung der Bescheide kommen kann.


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Der vorgeschlagene Abs. 7 enthält eine Regelung für den Fall, dass die Voraussetzun­gen für Veranstaltungen „gelockert“ werden. Der Veranstalter hat demnach die Möglich­keit, einen neuen Antrag auf Bewilligung zu stellen, braucht von dieser Möglichkeit je­doch keinen Gebrauch zu machen. Eine „automatische“ Anpassung der Bewilligung kann jedoch nicht erfolgen, da im Fall der bewilligungspflichtigen Veranstaltungen häufig auch ein auf die konkrete Veranstaltung bezogenes Präventionskonzept zu erstellen sein wird, das – etwa bei Erhöhung der zulässigen Personenzahl – erst angepasst wer­den muss.

Der vorgeschlagene Abs. 8 trifft eine ausdrückliche Vorkehrung für den Fall, dass eine Veranstaltung noch vor dem Inkrafttreten der geänderten Voraussetzungen bewilligt werden soll. Voraussetzung ist, dass die Verordnung bereits kundgemacht ist.

Zu b) und c) sowie e) bis g) (Artikel 1 Z 9, 12 und 13 sowie Artikel 3 Z 7 (§ 25a Abs. 2 und 6, § 50 Abs. 15, § 51 des Epidemiegesetzes 1950, § 8 Abs. 5 und 6 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Redaktionelle Anpassungen.

Zu g) (Artikel 3 Z 3 (§ 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Aus Gründen der Transparenz sollen die Empfehlungen der Corona-Kommission veröf­fentlicht werden. Dies gilt auch für wesentliche Begründungen für die Empfehlungen.

Zu i) (Artikel 3 Z 7 (§ 11 Abs. 4 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Es soll auch eine Verordnung der Bundesregierung, mit der ein anderer Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestimmt wird, des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates bedürfen.

Ergänzend zur Begründung des Gesetzesantrags wird zu § 5 Abs. 2 Z 3 und § 8 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ergänzend festgehalten:

Zu § 5 Abs. 2 Z 3:

Unter diesen Ausnahmetatbestand fallen auch Kontakte mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern sowie einzelnen engesten Angehörigen bzw. einzel­nen wichtigen Bezugspersonen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


13.40.41

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Damen, sehr geehrter Herr Gesundheitsminister auf der Regierungsbank! (Die Rednerin stellt eine Tafel, auf der Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober abgebildet sind, über die ein blauer Balken mit dem weißen Schriftzug „Es reicht!“ gezogen ist, auf das Red­nerpult.) Wir sind jetzt mittendrin in einer Debatte, die einen echten Tiefpunkt darstellt. Der erste Tiefpunkt ist einmal, dass heute ein Gesetz beschlossen wird, das massiv in die Grund- und Freiheitsrechte eingreift. Das haben Kollege Scherak, aber auch viele andere schon ausführlich dargelegt, und es wird wahrscheinlich im weiteren Verlauf noch zu dahin gehenden Darlegungen kommen.

Das Zweite, was sich hier heute abgespielt hat, waren Sie, Herr Gesundheitsminister! Diese peinliche Polemik von der Regierungsbank sucht wirklich ihresgleichen. Wissen


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Sie, dass gerade Sie sich hinstellen und andere glauben lächerlich machen zu wollen, schreit bei der Bilanz, die Sie im letzten halben Jahr vorgelegt haben, wirklich zum Him­mel! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben es auch heute wieder bewiesen: Sie wissen eigentlich gar nicht, wovon Sie sprechen. Sie stellen sich hier hin, erklären uns die Zahlen zum Tag. – Sehr nett. Dann erzählen Sie etwas von Erkrankten. – Also zunächst einmal haben Sie positiv Getestete aufgezählt, und das sind keine Erkrankten. Das sind, wenn Sie schon wollen, Infizierte, aber nicht einmal das stimmt überein, aber es sind keine Erkrankten. Wissen Sie, was Sie aber gar nicht gesagt haben? – Das hat Sie eigentlich entlarvt: Sie haben gesagt, auch die Zahl der Hospitalisierten steige wieder an. – Punkt. Sie haben aber die Zahlen nicht genannt, weil Sie ganz genau wissen, mit den 600 Hospitalisierten können Sie jetzt keine Angst und Panik verbreiten. Stattdessen versteifen Sie sich darauf, reden irgendet­was von weltweiten Zahlen und von der Panik und vom Gesundheitswesen, das Sie reparieren müssen. Sie erzählen irgendwelche Fantasiezahlen, um die Panik wieder schüren und die Angstparolen wieder verbreiten zu können, und gleichzeitig sagen Sie (auf die FPÖ weisend): Sie machen Angst!

Haben Sie eigentlich überhaupt mitgekriegt, was sich in dieser Republik seit Monaten abspielt? Als wir im Februar den Lockdown gefordert haben, als wir gefordert haben, es müsse etwas passieren, hat sich die Regierung zurückgelehnt, hat gesagt: Es ist alles gut! – Diese Regierung reagiert ja überhaupt erst, wenn irgendetwas passiert.

Dann ist der Lockdown ausgerufen worden, und was ist passiert? – Ja gar nichts! Die Leute hat man eingesperrt, aber auf dem Flughafen Schwechat sind am selben Tag, am nächsten Tag die Flieger aus China gelandet. Da haben Sie überhaupt nichts gemacht, da waren Sie im Dornröschenschloss und im Dornröschenschlaf.

Was Sie hier bieten, ist eine peinliche Politshow, meine Damen und Herren! Sie machen nichts anderes, als permanent wieder irgendwelche Zahlen von irgendwelchen Verstor­benen zu wiederholen und festzustellen, wie schlimm alles ist. Sie müssen ja diese zwei­te Welle mit aller Gewalt herbeireden, denn Sie müssen ja eine Begründung dafür haben, wenn dann eine echte Welle kommt – und die steht im Frühjahr 2021 an, nämlich die Pleitewelle und die Arbeitslosenwelle.

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Arbeitsministerin hier sitzt. Das ist wichtig – aber was haben Sie denn vorbereitet, Frau Arbeitsministerin? Man weiß überhaupt nichts. Wie werden Sie denn auf diese Arbeitslosenzahlen reagieren? – Es gibt nichts aus dem Arbeitsministerium, Schweigen, man kann eigentlich nicht sagen, was dort wirklich passiert. Das, meine Damen und Herren, ist auch ein Grund, warum wir heute diesen Misstrauensantrag hier einbringen müssen. Wir müssen ihn einbrin­gen, aufgrund dessen, was hier passiert, sehen wir uns verpflichtet, diesen Misstrauens­antrag einzubringen.

Das sind politische Schaufensterpuppen, die hier sitzen. Die haben nichts zu sagen, die tun auch nichts. Da gibt es einen Minister, der beim Budget sechs Nullen vergisst; dann gibt es einen Minister, der von den Lebensgefährdern spricht, der diese Republik in die Guten und in die Bösen, in die guten Lebensretter und in die Bösen teilt. Und Sie, Herr Gesundheitsminister – jetzt lachen Sie –, setzen sich genau da drauf, Sie stigmatisieren Leute, die sich infiziert haben. Sie sagen: Reißt euch doch zusammen! Sagen Sie das eigentlich zu HIV-Kranken auch? Reißt euch zusammen! Wissen Sie, was das bedeu­tet? – Sie stigmatisieren Leute, und das geht so weit, dass die Leute heute Angst davor haben, sich zu infizieren, aber nicht, weil sie Angst vor der Erkrankung haben (Beifall bei der FPÖ), sondern weil sie Angst davor haben, dass sie schuld sind, andere anzuste­cken, weil sie Angst davor haben, dass ihr Betrieb zusperren muss. Davor haben die Leute Angst!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 105

Ich frage Sie, Herr Minister, denn Sie waren selbst auch einmal krank, Sie waren ein halbes Jahr im Krankenstand: Haben Sie sich da nicht zusammengerissen? – Denken Sie einmal darüber nach, was Sie damit vermitteln, was Sie den Leuten sagen, Herr Bundesminister! Diese Politik, die Sie betreiben, ist schäbig. (Beifall bei der FPÖ.)

Niemand ist schuld, wenn er sich ansteckt, niemand! Krankheit kann jedem passieren, meine Damen und Herren! Da gibt es kein Zusammenreißen und da ist niemand schuld, da sind weder Urlauber schuld noch sind andere schuld. Das kann passieren und das ist auch nicht planbar. Da ist auch der nicht schuld, der jetzt hier herinnen keine Maske trägt. Im Übrigen: Mit diesen komischen Kobeln (in Anspielung auf die Glastrennwände, die auf den Abgeordnetenpulten aufgestellt worden sind) sind wir ja jetzt eh alle sicher, oder etwa nicht?

Hören Sie also auf damit, zu sagen: Das sind die Guten und das sind die Bösen! – Das hat dazu geführt, dass es Anzeigen gegeben hat. Während die Zahlen gesunken sind, haben Sie die Leute, die auf dem Parkbankerl gesessen sind, angezeigt, haben Sie Mütter, deren Kinder Ball gespielt haben, angezeigt. Das haben Sie gemacht. Es sind Autofahrer aufgehalten worden, weil sie im falschen Bezirk unterwegs waren. Das ist die Politik dieser Bundesregierung. Sie haben die Angstschraube hoch und höher ge­schraubt, und zu guter Letzt wird uns heute hier ein Gesetz vorgelegt, das die Bürger­rechte massiv einschränkt.

Meine Damen und Herren, und das geht jetzt in Richtung ÖVP: Ich kann mich noch gut an den Wahlkampf 2017 erinnern, als sich der Herr Bundeskanzler – der jetzige – hinge­stellt und gesagt hat, er sei für die direkte Demokratie. Na wenn das so ist und wenn dieses Gesetz so umwerfend gut ist, wie Sie uns alle erzählt haben, ja dann unterziehen Sie es einer Volksabstimmung! In diesem Sinne bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der aufgrund des Berichts des Gesundheitsausschusses (370 d. B) über den An­trag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulo­segesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden, zu fassende Geset­zesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie dem heute nicht zustimmen, meine Damen und Herren, möchte ich daran erinnern: Auch wenn unser heutiger Misstrauensantrag vermutlich keine Mehrheit be­kommt, hat es einen Grund gegeben, warum im Juni 2019 dieser Bundeskanzler mit seiner gesamten Regierung abgewählt worden ist, und es wird Zeit – und dieser Zeit­punkt wird kommen –, dass er das wieder wird. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube nicht!)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 106

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

des Abgeordneten KO Herbert Kickl,

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d.B) über den Antrag 826/A der Abge­ordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der aufgrund des Berichts des Gesundheitsausschusses (370 d. B) über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden, zu fassende Gesetzesbe­schluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art 42 B-VG, je­doch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.

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Name der/des Abgeordneten

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Name der/des Abgeordneten

 

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Name der/des Abgeordneten

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Name der/des Abgeordneten

 

Name der/des Abgeordneten

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.47.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es war schon ein politisch sehr denkwürdiger Sommer, den wir erlebt haben: eine Bundesregierung, die das Beste aus beiden Welten dargebracht hat – nicht im positiven Sinne, sondern an Versäumnissen, an Eifersucht, an Inszenierungssucht, an Streit, an Dauerpressekonfe­renzen und an langweiligen Reden; eine Bundesregierung, die es in derselben Zeit ge­schafft hat, relativ vernünftige Dinge wie eine Coronaapp oder eine Coronaampel kom­plett zu versemmeln; eine Bundesregierung, die in der gegenseitigen Missgunst und im gegenseitigen Neid die Vorbereitung auf diese harte Zeit, die jetzt auf uns zukommt, nicht geschafft hat und die sich dafür rühmen kann, den ganzen Sommer lang die Zeit für die weitere Coronavorbereitung versemmelt zu haben, geschätzte Damen und Her­ren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Stauchaos, die Reisewarnungen, das Reisewarnungschaos, das sich daraus entwi­ckelt hat, waren nur milde Vorboten dessen, was dann plötzlich als neues Covid-Gesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 107

auf uns zugekommen ist, das klar verfassungswidrig war, wozu wir eindeutig und klar gesagt haben, dass wir dem nie zustimmen werden, und das dann aufgrund unserer Anregungen und aufgrund des Drucks der gesamten Opposition zurück zum Start ge­gangen ist.

Wir hätten es auch so machen können, wie es beispielsweise die FPÖ gemacht hat: sich in der permanenten Waldorf- und Statler-Runde zurückzulehnen und ein bisschen zu kommentieren und nicht viel beizutragen (Abg. Belakowitsch: Wir haben eine Stellung­nahme abgegeben!) und dann in ihrer Argumentationslosigkeit persönlich angriffig zu werden, aber nicht mehr argumentieren zu können, warum jetzt auch das neue Gesetz so schlecht wäre. (Abg. Kickl: Weil es gleich ist wie das alte!) – Herr Kickl, hallo, ich hätte etwas für Sie: Im Hearing hat Ihr Experte noch einen einzigen Punkt gefunden, der gefährlich wäre: Es droht ein Polizeistaat, hat er gesagt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da müssten Sie ja mit tränenden Augen und wehenden Fahnen zustimmen, wenn der Poli­zeistaat droht, Herr Kickl! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist die Situation. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Erstaunlich ist jetzt schon auch das Verhalten der NEOS. Da übt man jetzt scheinbar Fundamentalopposition – na, geht eh schon ein bisserl, geht nicht so schlecht. (Abg. Kickl: ... schauen, welches Geschäft da gelaufen ist!) Ich weiß, das ist ein unglaublich sensibles Thema, und ich weiß, es ist auch rechtlich schwierig, und ich weiß, man kann auch einige Dinge aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus diskutieren, aber es waren schon die Herren Heinz Mayer, Karl Stöger, Clemens Jabloner, Georg Krakow, Bernd-Christian Funk, die gesagt haben, dass dieses Gesetz verfassungsrechtlich in Ordnung ist. Na ja, die werden schon auch eine Meinung dazu haben dürfen, geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen von den NEOS. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Wö­ginger. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich komme zurück zum Punkt betreffend diese Verordnungsermächtigung für die Erstre­ckung der Befristung eines Gesetzes, den Kollege Scherak angesprochen hat: Genau das haben wir hier im April einstimmig für ein anderes Gesetz beschlossen, mit den NEOS, mit den Freiheitlichen. Dazu fällt mir also nur eines ein: Die NEOS wissen nicht alles (Zwischenruf des Abg. Scherak), aber sie bemühen sich, den Eindruck zu erwe­cken, in diesem Parlament immer alles besser zu wissen, geschätzte Damen und Her­ren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Dieses billige Effektha­schen ist nicht unser Zugang (Zwischenruf des Abg. Scherak – Gegenruf der Abg. Bela­kowitsch), wir sind als Opposition verantwortungsbewusst.

Da wundert es mich jetzt nicht, dass Kollege Kickl den Begriff „Judaslohn“ erwähnt hat. (Abg. Wurm: Das tut euch weh, gell?) Wer, wenn nicht jemand aus der Ibizapartei, kommt auf einen solchen Gedanken, geschätzte Damen und Herren? – Sicherlich nicht wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb ist es gelungen, einiges zu erreichen. Es ist gelungen, recht viel zu erreichen. Es war unser Druck, der dazu geführt hat - - (Abg. Kickl: Auf den Kuhhandel bin ich neugierig, was da ans Tageslicht kommt!) – Wo waren Sie gestern Nacht, als wir noch verhandelt haben? – Zurückgelehnt haben Sie sich, es war Ihnen wurscht, was da he­rausgekommen ist, Hauptsache, Sie sind dagegen! Es sind trotzdem Dinge erreicht wor­den, viele Dinge, die gut und positiv sind. (Abg. Kickl: Ihre Realitätsverweigerung ...!)

Ich denke, es ist auch Aufgabe der Opposition, dafür zu sorgen, wenn es notwendig ist und wenn die Regierung in Wahrheit nichts zusammenbringt, dass die Österreicherinnen und Österreicher von dieser Politik insgesamt profitieren und dass wir unser Land in eine gute, sichere und auch gesunde Zukunft führen. Das ist unsere Aufgabe, und da sollten Sie sich ein Beispiel nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

13.52



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 108

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.52.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es geht jetzt um dieses Gesetz, und wie wir ja alle leidvoll erfahren haben, wurde in den vergangenen Tagen beziehungsweise gestern im Westen die neue Sperrstunde ausge­rufen. Es ist jetzt wirklich interessant zu wissen, wer es eigentlich war: Waren Sie es als Gesundheitsminister, war es der Herr Bundeskanzler oder waren es dann doch die Lan­deshauptleute? Vielleicht könnten Sie uns noch eine Antwort darauf geben, denn es ist wichtig, zu wissen, wer das jetzt ermächtigt hat, wer diese Verordnung herausgegeben hat, weil es auch nicht nachvollziehbar ist.

Den ganzen Sommer über beziehungsweise schon im Frühjahr habe ich davon gespro­chen, dass gewisse Sektoren – vielleicht die Nachtgastronomie oder sonstige – eine spezielle Behandlung brauchen – eine spezielle Behandlung, einen Schutzschirm, ir­gendetwas, um sich vor diesen Clusterbildungen zu schützen. Den ganzen Sommer über habe ich von diesem Schutzschirm gesprochen. Es sind Sommerversäumnisse, denn den ganzen Sommer über hätte man sich darauf vorbereiten können, denn den ganzen Sommer über haben auch Sie selber gesagt, es wird eine zweite Welle kommen und die Kurven werden wieder steigen.

Nur, was haben Sie gemacht? – Es ist in dieser Hinsicht nichts gemacht worden und es ist im Grunde genommen keine Hinterhernachbesserei oder Besserwisserei, weil es ein­fach den ganzen Sommer ein Showteam war. (Abg. Deimek: Der Rudi war net ...!)

Wissen Sie, was ich als Unternehmer satthabe? – Da hat man Planungen, da glaubt man, es geht wieder bergauf, vor 14 Tagen sprach noch der Bundeskanzler davon, dass Licht am Ende des Tunnels ist – und wir alle haben gewusst, es ist der Zug, der uns entgegenkommt, aber nichts anderes. Er hat noch von positiven Signalen gesprochen, und 14 Tage später ist es ganz anders.

Wo sind Ihre Mathematiker? Wo sind Ihre Rechner? Den ganzen Sommer über haben Sie gesagt: Die zweite Welle wird kommen. Jetzt haben wir sie da und jetzt müssen wir mit der Schließung von Hotels und Restaurants um 22 Uhr den Wintertourismus retten. Wie absurd ist es? Das habe ich satt! (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe es satt, von einem Showteam von Politamateuren regiert zu werden. (Abg. Obernosterer: Na, na, na!) Ich habe mir das so aufgeschrieben: Ich habe es satt, dass Menschlichkeit als Emotionalität abgeschasselt wird. Ich habe es satt, von einem Hob­byfinanzminister und einem Nebenerwerbswiener regiert und in den Wahlkampf hinein­gezogen zu werden, nämlich in den Wiener Wahlkampf. Das habe ich satt. (Beifall bei den NEOS.) Ich habe es satt, dass wir einen Kanzler haben, dessen Formel nur aus Ich besteht. Das habe ich satt. Ich habe es satt, weil das, was Sie heute tun und unterlassen, die Menschen ins Nichts drängt, Unternehmer ins Nichts drängt.

Was aber ist eigentlich das Nichts? – Das Nichts ist nicht das Leere, Herr Minister, Frau Minister, das Nichts ist zum Beispiel das zehnte Gespräch beim Bankbeamten, wenn du als Unternehmer nicht weißt, wie du ein Dreizehntes zahlen kannst. Das Nichts ist die Scham, wenn du nach Hause kommst und deiner Familie ins Gesicht schaust und weißt, es geht nicht mehr lange weiter. Das ist das Nichts. Das Nichts sind die Momente, in denen du deinen Betrieb zusperren und den Schlüssel beim Vermieter abgeben musst. Das Nichts ist zum Beispiel auch das Buckeln vor den Kammerfunktionären und Regie­renden, denn wenn etwas passiert, wenn man nicht kuscht, dann wird gequerfeldet. Da setzt man sie ein bisschen unter Druck und dann kommen sie. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 109

Das Nichts ist für mich eigentlich auch die eingeschlafene Wut auf die herrschende Klas­se, die bei dir den Daumen nach oben oder nach unten lenkt. Das passiert. Wir können gerne darüber reden, Karlheinz (in Richtung Abg. Kopf, der seinen Kopf schüttelt), und ich werde dir bald einmal ein Beispiel dafür bringen, wo das so passiert.

Das Nichts ist für mich ein großes Gefühl, und verstehen kann man das nur, wenn man nahe bei den Unternehmen ist, bei den Menschen ist, die arbeitslos sind. Diese Regie­rung ist nicht nahe dran, und das ist Fakt. (Beifall bei den NEOS.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


13.57.15

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! In dieser Gesetzesnovelle, die wir heute beschließen, geht es darum, den grundrechtskonformen Rahmen zu sichern, dass wir wohldosiert und gezielt Maß­nahmen per Verordnung setzen können, wenn es denn notwendig ist.

Ein wesentliches Merkmal dieser Gesetzesnovelle ist, dass da zahlreiche Sicherungs­schleifen eingezogen worden sind. Eine der wichtigsten ist, dass gerade bei einschnei­denden Maßnahmen der Hauptausschuss des Nationalrates zustimmen muss. Es gibt aber auch andere Sicherheitsschleifen, wie zum Beispiel die rechtliche Verankerung der Coronakommission, die dazu verpflichtet ist, evidenzbasiert vorzugehen, die dazu ver­pflichtet ist, das Ganze transparent zu machen.

Sämtliche Verordnungen, sämtliche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein – und zwar in einem doppelten Sinn: Sie müssen erstens notwendig sein, und sie müssen zweitens für die konkrete Situation geeignet/wirksam sein, und das einerseits auf Bun­desebene, andererseits aber auch mit der Möglichkeit, differenziert für einzelne Regio­nen umgesetzt zu werden.

All diese Sicherungsschleifen sind ein ganz wesentliches demokratisches Element und ein ganz positiver Aspekt dieser Gesetzesnovelle. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Das ist auch ganz wichtig, denn es geht dabei natürlich um Fragen der persönlichen Freiheit und um deren Einschränkung. Wir alle wissen, die Freiheit ist unteilbar. Das klingt jetzt wie ein Widerspruch. Die Freiheit ist unteilbar, indem sie für jeden, der in unserem Land lebt, für jeden Menschen auf der Welt zutreffend sein muss, aber möglich ist das nur, wenn jeder Einzelne, jede Einzelne von uns tagtäglich bereit ist, auf einen Teil der eigenen Freiheit zu verzichten und damit für alle das Leben in Freiheit und Ge­sundheit und Entfaltung möglich zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Genau darum geht es, und wenn wir alle bereit sind, wenn es notwendig ist, einfache, gelinde Maßnahmen zu berücksichtigen, umzusetzen, dann werden wir auch weitere einschränkende Maßnahmen gelinde gesagt und hoffentlich nicht benötigen.

Das hat bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts mit einem Polizeistaat zu tun, sondern das ist Ausdruck einer solidarischen, gefestigten, handlungsfähigen demo­kratischen Gesellschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 110

14.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.00.22

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Direktor eines Gymnasiums in Wien hat gerade seine Klassenvorstände dazu verpflichtet, an der Schule drastische Maßnahmen gegen Schüler zu setzen, die gegen die Coronaauflagen verstoßen (Abg. Deimek: ... geht schon los!): Die Maskenpflicht und das Abstandhalten seien auch in den Pausen in der Klasse ständig streng zu überwachen und zu kontrollieren. Der Direktor verlangt von den Lehrern, dass sie Schüler, welche die Auflagen verletzen, vor der Klasse verwarnen. Die Eltern erhalten dazu noch eine schriftliche Verwarnung mit der Androhung von disziplinä­ren Maßnahmen bis hin zur Disziplinarkonferenz.

Bildungsminister Faßmann fordert gerade die Eltern per Brief auf, ihre Einwilligung zu Massenscreenings zu geben. Völlig gesunde Schüler sollen einfach Tests durchführen lassen! In der Kärntner Straße müssen sich die Leute vor einem großen Handygeschäft anstellen, sie dürfen nur noch nach dem Fiebermessen – wenn sie diesen Test passie­ren – eintreten. Völlig gesunde Menschen werden massenhaft in Quarantäne gesteckt – zwei Wochen Hausarrest mit täglichem Polizeibesuch unter Androhung strengster Strafe.

Und dann wird hier davon geredet, dass die Gesellschaft nicht gespalten wird! Es soll auch keine Coronablockwarte geben, sagt Frau Abgeordnete Schwarz. Die Stadt Wien sucht aber gerade Tausende Contacttracer – das ist für mich eigentlich der moderne Name für Coronablockwarte.

Ich muss der Bundesregierung wirklich gratulieren: Innerhalb weniger Monate – Sie sind ja nicht einmal ein Jahr im Amt – ist es Ihnen gelungen, die Bevölkerung in einen Zustand der Angst und Unterdrückung zu versetzen. Sie haben ein unbarmherziges Regime hochgezogen, und Sie haben viele, viele Menschen – Unzählige! – ins Unglück gesto­ßen und hören nicht auf damit.

Der Herr Minister ist nicht hier, aber er verschafft sich mit diesem Gesetzentwurf die Grundlage für exzessive Anschläge auf die Grundrechte der Bürger: auf die persönliche Freiheit, auf die Bewegungsfreiheit, auf die körperliche Integrität und auf die Erwerbsfrei­heit. Für all das, was er mit Verordnungen im Frühjahr schon durchgesetzt hat – bis zum Lockdown, den er verhängt hat, aber nicht hätte verhängen dürfen –, verschafft er sich jetzt die gesetzliche Grundlage. Jetzt hat er sich gerade hergestellt und hat hier von Hygienemaßnahmen, von Mund-Nasen-Schutz, Händewaschen und so weiter gespro­chen, und dass das im Gesetz stehen wird. Frau Rendi-Wagner spricht von einem ver­besserten Gesetz, dem sie jetzt konstruktiv die Zustimmung geben würde.

Was aber ist denn im Gesetz bitte enthalten? – Da sind Ausgangsverbote bis zum kompletten Lockdown drinnen, da sind Betretungsverbote für den öffentlichen Raum drinnen – für einzelne, bestimmte Plätze, aber auch für den gesamten öffentlichen Raum. Da sind auch für den privaten Bereich Betretungsverbote drinnen, nämlich für private Vereine, Arbeitsstätten, Betriebe – die wird man sich ansehen, jeder kann jetzt kontrolliert und besucht werden, jeder muss mit Behördenbesuch rechnen, es kann alles verordnet werden. Die Maskenpflicht für Angestellte, das Abstandhalten: alles kann ver­ordnet und die Betriebe können willkürlich schikaniert werden. Wir dürfen jetzt auch pri­vate Pkws nicht mehr ohne Weiteres benutzen, das kann uns vollkommen untersagt werden. Wie wir wissen – das hat Bundeskanzler Kurz ja gesagt –, fährt das Virus gerne mit dem Auto. Das nennt der Herr Gesundheitsminister hier eine demokratiepolitische Verbesserung – sehr vielsagend.

Die Bundesregierung ignoriert, dass man jetzt – nach einem halben Jahr – Gott sei Dank weiß, dass das Coronavirus nicht so gefährlich ist wie befürchtet. Es wird sich im Bereich der Influenza oder leicht darüber einpendeln, aber das will man nicht wissen. Man tut mit diesem Gesetz, das heute hier beschlossen wird, so, als wäre das Coronavirus die Pest und als habe man dazu noch kein Wissen erlangt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 111

Das Gesetz ist inhaltlich vollkommen unbestimmt, es sind alle Maßnahmen unverhältnis­mäßig. Es wird lediglich an der angeblichen Überbelastung des Gesundheitssystems aufgehängt, die drohe, was überhaupt nicht stimmt. Im März betrug die Auslastung der Intensivstationen maximal 26 Prozent. Wir haben sehr viele Plätze. Und wenn Sie das schon befürchten, dann hätten Sie im Sommer einfach zusätzliche Kapazitäten geschaf­fen!

Das zweite Kriterium sind die Infektionszahlen, und da geht es bitte nicht um Kranke, da geht es rein um positive Tests. Die zweite Welle testet man sich ja gerade herbei. Es wird verzweifelt getestet, es sind trotzdem leider nur 0,08 Prozent der Österreicher posi­tiv getestet – darunter dann viele gesund und sehr wenige krank –, aber man möchte das alles nicht wahrhaben. Man will eben die zweite Welle haben. Man möchte sich die exponentielle Steigerung herbeitesten, den Katastrophenzustand. Man hat sich auch die Reisewarnungen schon herbeigetestet. – Und dann wollen Sie sich als Retter der Wirt­schaft ausgeben!

Der Herr Gesundheitsminister kommt aus meinem Bundesland, aus Oberösterreich. Dort hat sich die Ärztekammer zusammengerauft, sie hat Mut gefasst und gesagt: Es gibt keine zweite Welle!, sie hat festgestellt: Es gibt eine Testwelle, und zwar einen Testtsu­nami. – Sie ist dafür, Tests nur bei Menschen mit ernsthaften Krankheitssymptomen durchzuführen, nur dafür seien diese Tests auch geeignet. Sie pocht auf Vernunft und Eigenverantwortung und sie fordert dazu auf, dass sich die Politik aus der Medizin he­raushalten soll.

Ja, es werden im Herbst und im Winter wieder mehr Menschen ernsthaft erkranken, wieder mehr Menschen sterben, so wie jedes Jahr. Es sterben übrigens in Österreich jährlich über 80 000 Menschen, die wenigsten davon am Coronavirus; in den nächsten Jahren wird aber vielleicht ein Teil am Coronavirus sterben. Wir müssen mit dieser Infek­tionskrankheit leben, so wie auch mit anderen bereits bestehenden.

Die Maßnahmen im Gesetz sind allesamt unverhältnismäßig, nicht gerechtfertigt, und man muss der Regierung wirklich noch einmal Folgendes mitgeben: Es ist nicht das Virus, das derzeit und in den kommenden Monaten die Wirtschaft zerstört, den Arbeits­markt zerstört, unsere Grundrechte, den Wohlstand, die Gesellschaft zerstört – unsere Kinder müssen in einem solchen Klima der Angst leben –, es ist die Bundesregierung, die das zerstört, auch mithilfe dieses Gesetzes, das hier beschlossen wird, und daher ist es auch gerechtfertigt, der Bundesregierung hier das Misstrauen auszusprechen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.07.11

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin seit über 20 Jahren Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet öffentliches Recht. Ich habe etliche Gesetzwerdungsprozesse mitverfolgt. Ich habe für die Rechtsanwaltskammer in diesen 20 Jahren auch einige Gesetze begutachtet und ich muss sagen, ich hätte mir gewünscht, dass Regierungen, die damals anders zusammengesetzt waren, einen der­artig intensiven Prozess durchgeführt hätten, so intensiv auf Kritik gehört hätten und so viele Vorschläge, die im Begutachtungsprozess gemacht wurden, aufgenommen hätten, wie dies bei diesem Gesetz der Fall war. (Abg. Angerer: Da musst du zuerst so ein schlechtes Gesetz machen!)

Ich habe oft genug erlebt, dass nach einem Begutachtungsverfahren einfach drüberge­fahren wurde, ursprüngliche Gesetzentwürfe völlig unverändert durchgezogen wurden,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 112

mit dem Ergebnis, dass so manches Gesetz aus der Ära von Schwarz-Blau vor dem Verfassungsgerichtshof nicht gehalten hat. Vielleicht ist das auch ein Stück grüne Hand­schrift (Ruf bei der SPÖ: Ja, sicher!), dass Kritik gehört wird, dass Vorschläge angenom­men werden, dass mit Parteien verhandelt wird, und zwar so lange, bis es auch möglich ist, dass einmal eine Oppositionspartei bei einem solchen Gesetz mitgeht.

Was wird mit diesem Gesetz geschaffen? – Kein Unterdrückungsinstrumentarium, kei­ne – ich weiß nicht – Abschaffung der Grund- und Freiheitsrechte, wie die FPÖ behaup­tet, offensichtlich ohne das Gesetz überhaupt gelesen zu haben, und mittlerweile, zu meinem großen Bedauern, auch die NEOS insinuieren, sondern: Der Herr Gesundheits­minister bekommt einen sehr ausdifferenzierten Werkzeugkasten zum Umgang mit der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren, mit einer ausführlichen Gebrauchsanleitung, was er mit welchem Werkzeug tun darf, wann er es einsetzen darf und wann nicht. Das nennt man ein gscheites Gesetz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.10.02

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren – auch die Fernsehzuseher –, der heutige Tag ist ein trauriger Tag für die Demokratie in Österreich. Die Republik wird mit den jetzt anstehenden Beschlüssen eine andere sein. Der demokratisch-freiheitliche Rechtsstaat wird massiv angegriffen und bekommt massive totalitäre Züge. Wir haben dann den starken Staat, der in die kleinsten Lebensbereiche des Bürgers eingreifen kann und will – das sind eigentlich Tendenzen und Strömungen, die wir so in der Geschichte der Zweiten Republik bisher nicht gekannt haben –, obwohl es eigentlich einen Grundkonsens gab, dass wir solche überschießen­den Maßnahmen nicht wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Grundrechte werden massiv beschnitten, und die Gewaltenteilung wird, wie wir ge­hört haben, mit den Vollmachten, die der Herr Gesundheitsminister bekommt, auch teil­weise ausgehebelt. Anschober wird zum mächtigsten Mann dieser Republik, der mittels Verordnungen herumfuhrwerken kann, wie es ihm gefällt, und das Leben der Bürger massiv beeinträchtigen kann. Meine Damen und Herren, Bezirksverwaltungsbehörden, die BHs, können dann zur Kontrolle der Einhaltung der ganzen Coronaauflagen Betriebs­stätten, Arbeitsorte und bestimmte Orte betreten und in allen Unterlagen herumschnüf­feln – ohne richterlichen Beschluss! Das ist ein Skandal – und das wird man wohl auch noch sagen dürfen –, das ist eine Sauerei, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann es ja nicht sein! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Sauerei?! – Herr Präsi­dent!)

Den Menschen kann sogar die Benützung des eigenen Autos verboten werden. Es kön­nen generelle Ausgehverbote verfügt werden – das heißt nichts anderes, als dass die Menschen unter Hausarrest gestellt, zum Verbleib in ihren Privatwohnungen oder Häu­sern gezwungen werden können. Dazu gibt es dann großzügige Ausnahmen des groß­zügigen Herrn Ministers – fünf sind es; ich glaube, sie wurden heute noch nicht im Detail besprochen. Ich lese sie kurz vor:

Ausnahme eins – um den privaten Bereich zu verlassen, damit man also sein eigenes Haus, seine eigene Wohnung überhaupt verlassen darf –: „Abwendung einer unmittelba­ren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum“. – Danke, sehr großzügig, Herr Minister, dass die Menschen ihr Haus verlassen dürfen, wenn es brennt! Das ist ja wirklich sehr, sehr


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entgegenkommend von Ihnen: Wenn die Hütte brennt, dann darf ich das Haus verlassen, sonst nicht.

Ausnahme zwei: „Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Perso­nen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten“. – Danke, dass ich Menschen, die meine Hilfe brauchen, auch helfen darf, wenn das vielleicht die Groß­eltern sind!

Ausnahme drei: „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“. – Danke, dass ich mir etwas zu essen kaufen darf, Herr Anschober! Sehr großzügig von Ihnen!

Ausnahme vier: „berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist“. – Ja danke, dass jene Menschen, die noch arbeiten dürfen und trotz Ihrer Maßnahmen noch Arbeit haben, zur Arbeit hinfahren oder hingehen dürfen!

Und das Letzte natürlich: „Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erho­lung“. – Das ist auch ein Ausnahmegrund. Wie großzügig! Statt dass Sie als Gesund­heitsminister hergehen und den Menschen sagen: Ihr könnt euer Haus immer verlassen, ihr könnt euch immer im Freien aufhalten, auch ausgedehnte Wanderungen machen!, denn das stärkt ja bekanntlich das Immunsystem und das psychische Wohlbefinden, ist das bei Ihnen eine Ausnahme, die man begründen muss, damit man das Haus verlassen darf. Das ist nicht mehr normal, sehr geehrter Herr Minister Anschober! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Verordnungschaos geht so weit – jetzt ab­gesehen von dem, was wir heute beschließen –, dass die neue COVID-19-Maßnahmen­verordnung – so heißt sie jetzt –, die am Montag in Kraft getreten ist, auch vorsieht, dass das Vereinsleben massiv beeinträchtigt wird, dass man Vereinssitzungen nicht einmal mehr in einem Gasthaus abhalten darf, wenn mehr als zehn Personen teilnehmen. Das heißt also, dass nicht einmal ein Stammtisch eines Sparvereins stattfinden darf. – Das geht ja nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dann sagen Sie auch noch ernsthaft – das haben fast alle Rednerinnen und Redner der schwarz-grünen Koalition hier betont –: Na ja, wir wollen das ja gar nicht anwenden, wir brauchen es ja nur für den absoluten Notfall. – Na natürlich wollen Sie es anwenden, sonst würden Sie es ja nicht machen! Diese Beteuerungen: Wir machen das ja eh nicht!, erinnern mich stark an den historischen Ausspruch: „Niemand hat die Absicht, eine Mau­er zu errichten!“ – Sie werden diese Karte also sehr wohl ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Angesichts dieses Machwerks müssen ja bei jedem Demokraten, bei jedem Abgeord­neten – und ich fordere Sie auf, vom freien Mandat Gebrauch zu machen – die Alarmglo­cken schrillen. Den einzigen Applaus, den Sie dafür wirklich bekommen, ist vielleicht jener von Engelbert Dollfuß – wo auch immer dieser Herr jetzt ist, meine Damen und Herren. Das hat mit einer Demokratie nichts zu tun.

Nebenbei haben Sie dann noch die Ampel, mit der Sie herumfuhrwerken und herum­schalten und herumblinken und mit der Sie in Wien jetzt auch die Hotellerie weiter schä­digen.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist leider abgelaufen, ich möchte nur eines noch sagen: Ich möchte nicht auf uns sitzen lassen, dass Sie jetzt jeden, der eine andere Meinung vertritt, als Coronaleugner hinstellen – das ist ja keine Glaubensfrage, und nie­mand leugnet die Existenz von Sars-Cov-2 –, dass Sie uns als Verharmloser hinstellen, dass Sie die Menschen, die andere Zugänge haben – und dazu gehören hochrangige Professoren aus den Bereichen der Virologie und der Epidemiologie – als Covidioten bezeichnen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 114

Wir brauchen also endlich einen offenen, breiten Diskurs, einen wissenschaftlichen Dis­kurs – und wir sind konstruktiv; Kollegin Fürst hat auch eine Stellungnahme einge­bracht, meine Damen und Herren.

Also, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete: Bekämpfen Sie die Ausbreitung des Virus – das wollen wir alle –, aber bekämpfen Sie nicht die Menschen! Der vorliegen­de Gesetzentwurf aber ist ein Machwerk zur Bekämpfung der Menschen und zur Abschaf­fung und weitestgehenden Aufweichung unserer Grundrechte. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Deimek: Die Arbeitslosen ...!)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf bitten, das Wort „Sauerei“ in den Reden nicht mehr zu verwenden. Der Ausdruck Schweinerei ist genauso wenig erwünscht. Es gibt Möglichkeiten, das zu umschreiben. Für Ferkelei gab es meines Wissens noch keinen Ordnungsruf.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.16.45

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident, einen Ordnungsruf hätte ich mir für dieses Wort schon erwartet – aber wenn schlechtes Benehmen einen Namen hat, dann ist das Amesbauer, und mehr Zeit verwende ich dafür jetzt nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich erinnere alle, die vielleicht ein bisschen an Gedächtnisschwund leiden: Im März, als dieser Zweiseiter (ein Schriftstück in die Höhe haltend) beschlossen wurde, waren wir alle dabei. Wir haben dieses erste Covid-Gesetz hier gemeinsam beschlossen. (Abg. Kickl: Aber wir im Unterschied zu Ihnen mit viel Bauchweh!) – Auch Sie, Herr Kickl, waren dabei. (Abg. Kickl: Ja, mit viel Bauchweh!)

Dann ist natürlich einiges passiert – da bin ich jetzt bei einigen Vorrednerinnen und Vor­rednern –: diese Verordnungen, die dann teilweise erfolgt sind, ausgerufen wurden, auf Pressekonferenzen verkündet wurden, in deren Folge die Leute nicht mehr gewusst haben: Was darf ich jetzt eigentlich, was darf ich nicht? Wer bestraft mich, wer bestraft mich nicht? Wie darf ich meine Wohnung verlassen und wie nicht? Oder, wie es der Herr Bundeskanzler ausgedrückt hat: Wenn die Frauen es zu Hause gar nicht mehr aushal­ten, ist es keine Schande, die Kinder in die Schule zu bringen! – Die Schulen waren zu. Oder waren sie nicht zu? – Also niemand hat sich mehr ausgekannt.

Das heißt, dieser gemeinsame Beschluss vom März hat viele Verordnungen zur Folge gehabt, die nicht gut, nicht gut für die Leute draußen waren. Das musst sogar du, August Wöginger, zugeben.

Jetzt ist es so, dass wir gemeinsam – leider nicht alle Fraktionen, und das bedaure ich – diesen Murks von damals reparieren: in einer Novelle, in der gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die vorher nicht da waren. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Es gab also einen Wildwuchs, einen Murks an Verordnungen und kein Reglement und keine Regeln, die auf einer gesetzlichen Basis gefußt haben. Genau eine solche schaffen wir jetzt, und aus Verantwortung, aus Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, ist die Sozialdemokratie da dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist jetzt Schluss mit dieser Verwirrung, weil wir mitreden können. Auch wenn andere Fraktionen dauernd sagen, dass das nicht der Fall wäre: Ich habe es so verstanden – und ich kann das guten Gewissens mittragen –, dass das der Fall ist.

Es ist auch nicht gut, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es noch immer nicht gelungen ist, dass Menschen, die über 8 oder mehr Stunden in Berufen arbeiten, in denen sie Maske tragen müssen, eine Pause machen dürfen, in der sie die Maske ab­nehmen, und trotzdem diese Arbeitszeit bezahlt bekommen. Es ist daher ganz wichtig,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 115

dass wir heute noch einmal darüber diskutieren, und ich werde jetzt einen Antrag dazu einbringen. Ob der Handel jetzt 20 Millionen Euro Entgang hat oder nicht, ist mir völlig wurscht (Ruf bei der ÖVP: Das glaub’ ich!), es geht um die Menschen, die im Handel arbeiten, es geht um die Menschen, die in der Pflege, im Tourismus, in der Gastronomie arbeiten und die Maske tragen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir deswegen wurscht, weil es doch hieß: Koste es, was es wolle!, und diese 20 Mil­lionen Euro – wenn das überhaupt stimmt – auch noch aufzubringen sind.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein und appelliere an Sie alle:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einfüh­rung einer Maskenpause“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der geregelt wird, dass bei Arbeiten, bei denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeordnet ist, jeweils nach zweistündiger Tragedauer Kurzpausen von 15 Minuten zu gewähren sind und, dass diese Pausen als Arbeitszeit gelten.“

*****

Bitte gehen Sie da mit! (Beifall bei der SPÖ.)

14.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Gabriele Heinisch-Hosek, Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Einführung einer Maskenpause

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d.B.) über den Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tu­berkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (826/A)

Der Mund-Nasen-Schutz ist mittlerweile Teil unseres Alltags geworden. Oft brauchen wir ihn aber nur für eine kurze Zeit, sei es etwa während einer Fahrt mit der U-Bahn, im Bus oder Zug. Auf vielen Arbeitsplätzen gibt es keine Verpflichtung eine Maske zu tragen. Allerdings: Es gibt eine große Anzahl von ArbeitnehmerInnen, die acht Stunden und länger eine Maske tragen müssen – Handelsangestellte, KellnerInnen, Pflegepersonal, Personal im öffentlichen Verkehr usw., da in diesen Bereichen durch technische oder organisatorische Maßnahmen oftmals kein ausreichender Schutz zur Minimierung des Infektionsrisikos getroffen werden kann.

Wer den Mund-Nasen-Schutz den ganzen Arbeitstag tragen muss, der fühlt sich nicht wohl und kann gesundheitlich Schaden nehmen.

Unter der Maske hat man das Gefühl nur schlecht Luft zu bekommen. Die Haut unter dem Stoff wird feucht, die Schleimhäute im Mund wiederum trocknen aus. Wer eine Brille


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 116

trägt, dem beschlagen die Gläser von der ausgeatmeten Luft, die hinter der Maske auf­steigt.

Die Probleme verschärfen sich noch, wenn die Maskenträger körperlich hart arbeiten müssen, zum Beispiel in der Gastronomie, im Handel oder in Pflegeberufen. Der an­strengende Job im Supermarkt wird durch das Tragen der Maske noch anstrengender. Ein Beispiel: Ein/e Supermarktangestellte/r verräumt täglich über eine Tonne Obst und Gemüse. Das sind zirka 200 Kisten. Und das mit Maske. Ohne Pause.

Studien haben ergeben, dass der Kohlendioxid-Gehalt im Blut steigt, wenn die ausgeat­mete Luft aufgrund des erhöhten Luftwiderstands in der Maske nicht ausreichend entwei­chen kann. Dann kommt es zur Übersäuerung des Blutes, Kopfschmerzen und Schwin­delgefühle sind die ersten Anzeichen.

Nach zwei Stunden Arbeit soll es daher eine Maskenpause von 15 Minuten geben, damit die Beschäftigten durchschnaufen können. Die ganze Republik hat die Corona-Heldin­nen und -Helden beklatscht. Jetzt braucht es endlich eine Erleichterung für diese.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der geregelt wird, dass bei Arbeiten, bei denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeordnet ist, jeweils nach zweistündiger Tragedauer Kurzpausen von 15 Minuten zu gewähren sind und, dass diese Pausen als Arbeitszeit gelten.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.20.39

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Pressekonferenzen, Verordnungen, Politik durch Zuruf, Interviews: Der ganze Coronawahnsinn, ausgelöst von dieser Bundesregierung, hat dazu geführt, dass sich die Menschen in unserem Land nicht mehr auskennen, dass Unsicherheit herrscht, dass Unruhe herrscht. Die Menschen kennen sich nicht mehr aus: Maskenpflicht – nein, ja? Osterbesuch erlaubt – nein, ja? Coronaampel: Ist sie gelb, ist sie grün? Wann tritt sie in Kraft?

Herr Bundesminister Faßmann hat übrigens eine eigene Coronaampel entworfen, da hat es die andere noch gar nicht gegeben. Schule auf, Schule zu, Schule auf, Schule zu – absolutes Chaos an unseren Schulen! Schuldirektoren, die mit ihren Schülern Zwangs­testungen durchführen lassen wollen, obwohl das nicht möglich ist, obwohl sie das nicht veranlassen dürfen (Abg. Kickl – in Richtung Bundesminister Anschober –: Da lacht er! Da lacht er!); Bundesminister Faßmann, der Massentests und Screenings an den Schu­len anordnet, wobei den Schülern ganz bewusst suggeriert wird, sie müssten daran teil­nehmen, obwohl das nicht stimmt! – Nein, sie müssen nicht daran teilnehmen – nur wenn die Eltern zustimmen, nur wenn es freiwillig passiert!

Bei all dem Wirrwarr, bei all diesem Chaos kann doch niemand mehr behaupten, dass das alles gewollt ist; und wenn doch, dann, sage ich Ihnen, will diese Regierung ganz einfach Bürgerrechte und Freiheitsrechte beschneiden. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 117

Wir haben in den vergangenen Wochen unzählige Schreiben, unzählige Anrufe von be­unruhigten Eltern erhalten, die sich um ihre Kinder Sorgen machen. Sie machen sich Sorgen um deren Ausbildung in unseren Schulen. Sie machen sich Sorgen um deren Fortkommen. Sie haben Angst, dass ihre Kinder durch die von der schwarz-grünen Bun­desregierung angerichtete Coronapanik seelischen, physischen und sozialen Schaden erleiden.

Hohes Haus! Kinder müssen eigene Erfahrungen machen. Sie müssen eigene Erfahrun­gen sammeln. Sie brauchen Räume, um sich zu entwickeln. Sie müssen Selbstvertrauen aufbauen, und es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, unsere Aufgabe als Eltern, sie auf diesem Weg zu begleiten. Wir müssen sie durch diesen schulischen Werdegang an der Hand führen. Natürlich wollen wir Erwachsene unsere Kinder vor Unheil schützen, aber das geht nur dann, wenn wir nicht unsere Ängste, unsere Besorgnis, unsere Unru­he, unsere Zweifel an sie weitergeben.

Wenn diese schwarz-grüne Bundesregierung durch ihre Politik, durch ihr Handeln unse­re Schüler durch Angst machende Maßnahmen einerseits verunsichert und andererseits kontrollieren und überwachen will, dann werden unsere Kinder in ihrer Psyche, in ihrem Geist, in ihrer Seele, in ihrer Lebenskraft beeinflusst und angegriffen. Sie verlieren Ener­gie, sie verlieren Mut, sie verlieren Fähigkeiten. Es muss daher eine Umkehr in dieser Denkweise geben, Hohes Haus!

Unsere Kinder brauchen Kraft. Sie brauchen Energie, sie brauchen Lebensfreude. Sie dürfen nicht zur verlorenen Bildungsgeneration werden. Unsere Kinder brauchen keine neue Normalität an unseren Schulen, unsere Kinder brauchen die gewohnte Normalität an unseren Schulen. Sie brauchen einen normalen Unterricht. Lassen Sie unsere Kin­der wieder lachen!

Herr Bundesminister, zum Abschluss noch: Sie haben einen Abgeordneten dieses Hau­ses als „Chefcoronaleugner“ bezeichnet, die Person von Klubobmann Herbert Kickl. Ich darf Ihnen schon sagen: Ich werte das als ein Zeichen der Schwäche, weil Ihnen offenbar die Argumente ausgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eines gebe ich Ihnen mit: Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, aber immer dann, wenn es für Sie schwierig ist oder wenn es für diese Regierung schwierig ist, lässt Sie Ihr Koalitionspartner und lässt Sie der Bundeskanzler gerne allein im Regen stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Dr. Werner Saxinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.25.04

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde immer wieder gefragt: Was ist denn eigentlich so gefähr­lich am Coronavirus? Warum macht man denn das alles? Und ich sage dann wohlüber­legt und faktenbasiert, wie man das von mir als Arzt und wie man das prinzipiell von einem Mitglied des Hohen Hauses erwartet: Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wir brau­chen keine Angst zu haben, aber wir müssen sehr achtsam sein.

Das Covid-19-Virus hat nämlich einige Besonderheiten und das sollten wir alle mittler­weile, nach sechs Monaten intensiver Beschäftigung, wissen: Bei Infizierten können Viren in hoher Zahl schon ein bis zwei Tage vor den ersten Symptomen anstecken; das heißt, wir sehen nicht, ob diese Person coronainfiziert ist. Es gibt bei Corona auch keine Warnsymptome, keine roten Augen und keine rinnende Nase. Das macht Covid sehr heimtückisch und die Unterdrückung der Ansteckung schwer.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 118

Was wir schon gehört haben: Die Sterblichkeit bei Covid wird gerne mit jener bei Grippe verglichen. Sie ist zehnmal höher als bei der Grippe (Abg. Stefan: Wer sagt denn das?) – alles faktenbasiert –, und wir haben im Gegensatz zur Grippe keine entsprechende Im­munität (Abg. Stefan: Wo kann man das nachlesen? Wo steht denn das? Ich würde das gerne nachlesen! – Ruf bei der FPÖ: Aus welcher Quelle zitieren Sie?), keine Impfung und nur sechs Monate Wissen. Das sind Fakten. Das ist wichtig, um zu verstehen und die Maßnahmen auch mitzutragen. (Abg. Stefan: Das ist absurd! Das stimmt ja nicht! Es ist genau das Gegenteil!) Ich kann Ihnen versichern, aus diesem Wissen heraus denken und handeln wir sehr ausgewogen und verhältnismäßig. Wir haben in den letzten Monaten auch viel dazugelernt oder sollten viel dazulernen.

Wir wissen mittlerweile, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, dass Masken schützen. Das ist durch zahlreiche Studien belegt und sollte auch den Maskenphobikern im Hohen Haus und den Wissenschaftsfeindlichen klar sein. (Abg. Kickl: Sie zitieren ja nicht einmal ordentlich! Sie nennen nicht einmal Ihre Quellen!) Masken schützen auch den Träger. Optimal ist, wenn beide Masken tragen, das reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung um 80 Prozent. (Abg. Kickl: Wo steht das?) Viele Ärzte tragen seit Jahrzehnten auch für viele Stunden bei Operationen Masken – ohne Schaden. 80 Pro­zent der Bevölkerung halten es laut neuesten Umfragen auch für notwendig und ange­messen, dass die Maske im öffentlichen geschützten Raum getragen werden muss.

Noch wirkungsvoller ist ein Maßnahmenmix bestehend aus Maske, Abstandhalten, Hy­giene, einem funktionierenden Contacttracing, also dem Nachverfolgen einer begrenz­ten Anzahl von Teilnehmern an Veranstaltungen (Abg. Kickl: ... müssten wir alle da­heimbleiben!), und auch Beschränkungen von Reisen in Länder mit hohen Infektions­zahlen. Mit diesen Maßnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hoffen wir, Corona im Griff zu behalten und einen möglichen Kollaps zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Noch etwas haben wir gelernt: Wir werden aufpassen, dass keine sogenannten Kollate­ralschäden auftreten (Abg. Brückl: Haben wir ja schon!), das heißt, dass wichtige Unter­suchungen und nötige Therapien und Operationen nicht wegen Corona verschoben wer­den und durch Nichtbehandlung kein Patient zu Schaden kommt.

Ich möchte den Zusehern auch sagen: Fürchten Sie sich nicht vor Ordinationen und Spitälern, vor einer Ansteckung dort! Das sind sichere Orte. Wir wissen dort gut, wie man mit Corona umgeht.

Eines ist mir auch noch wichtig. Es heißt immer: Passen Sie auf die Gesundheit auf und passen Sie auf die Wirtschaft auf! – Man kann das nicht trennen. Je stärker der Anstieg der Infektionen ist, desto schwerer ist auch die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Was heißt es denn, wenn viele infiziert und krank sind? – Beschäftigte sind nicht in den Betrieben, es gibt weniger Leute, die einkaufen gehen (Zwischenruf des Abg. Stefan), und es gibt auch mehr Reisewarnungen aus dem Ausland, ob wir das wollen oder nicht. Das heißt: Gesundheit und Wirtschaft sind gekoppelt, und eine schwere Gesundheits­krise ist auch unmittelbar eine Wirtschaftskrise. Wir haben also gar keine andere Wahl, als gewisse Maßnahmen zu treffen, und die ausgewogenen Inhalte im Covid-Gesetz sind die Grundlagen dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage ganz klar: Wir wollen den Lockdown mit allen Mitteln verhindern, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Wir wollen die Schu­len unbedingt offen halten, und wir bemühen uns, eine Verhältnismäßigkeit bei den Maß­nahmen an den Tag zu legen. Es heißt, achtsam zu sein und einige Regeln zu beachten; aber nur, wenn wir alle mittun, werden wir diese Krise gut meistern, und es liegt an uns allen. Also Maske auf und mittun! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 119

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön.


14.29.46

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungs­bank! Ich bin Gewerkschafter und ich bin Betriebsrat (Ruf bei der ÖVP: Das weiß ich!), und jedes Mal, wenn irgendwelche Maßnahmen vonseiten des Unternehmens oder vom Chef gesetzt werden, habe ich zwei Möglichkeiten:

Möglichkeit eins ist: Ich kann schreien, ich kann das Ganze verteufeln, mich zurückleh­nen und darauf warten, was kommt. Das geht auf, ich habe die Klatscher auf meiner Seite, momentan – wenn aber dann die Maßnahmen kommen, habe ich die Klatscher nicht mehr auf meiner Seite, dann gibt es Betroffene und dann werden sie mich dafür verantwortlich machen.

Möglichkeit zwei ist: Ich kann verhandeln. Ich kann versuchen, für die Betroffenen das Beste herauszuholen, ich kann versuchen, diese Maßnahmen massiv zu ändern. (Abg. Kickl: Was war denn das bei eurer Sondersitzung? Was war das bei der Sondersit­zung?) – Ich weiß, dass du dich aufregst, Kollege Kickl, weil es dich trifft, denn du hast nichts zu bieten! (Abg. Kickl: Was war das?) Du hast in deiner ganzen Rede, in den ganzen 10 Minuten, in denen du geredet hast, nicht einen einzigen Vorschlag gemacht. Ihr habt nichts, das ist das Problem der FPÖ, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Wir haben versucht, diesen Gesetzestext, der vorgelegt wurde, zu ändern, und wir haben viele Maßnahmen erreicht, meine Damen und Herren. Wir haben erreicht, dass es eine klare zeitliche Befristung des Gesetzes mit 30.6.2021 gibt. (Abg. Kickl: Ist das verlänger­bar?) Es war der 31. Dezember vorgesehen, und wir haben erreicht, dass es der Juni wird. (Abg. Kickl: Unglaublich!) Wir haben mit den Letztverhandlungen, die noch gestern stattgefunden haben – wo auch keiner von euch dabei war, weil euch das Ganze nicht interessiert, Kollege Kickl –, erreicht, dass da auch der Hauptausschuss mit reingenom­men werden kann. (Abg. Kickl: Wer hat denn da die Mehrheit?!) Das heißt, wir haben in den Verhandlungen wirklich erreicht, dass viel geändert wird. Wir haben erreicht, dass es im Gegensatz zum vorhandenen Entwurf eine stärkere Einbindung des Parlaments gibt. Wir haben erreicht, dass es eine deutliche Einschränkung der behördlichen Kontroll­befugnisse gibt. Wir haben erreicht, dass es eine zeitliche Maximalbegrenzung für frei­heitsbeschränkende Verordnungen gibt, meine Damen und Herren! Wir haben viel ge­macht.

Uns ist aber auch klar, Kollege Kickl, dass wir eine Pandemie haben. Und ich denke, du kennst den Unterschied zwischen Epidemie und Pandemie nicht. Du hast die Grippe angesprochen. – Die Grippe ist eine Epidemie, und eine Epidemie bewegt sich meist im regionalen Bereich mit begrenzten Zahlen. (Abg. Kaniak: Die gibt es nur in Österreich, oder was?! – Heiterkeit des Abg. Wurm.) Eine Pandemie geht laut WHO über zwei Kon­tinente. Das heißt, wir haben eine weltweite Pandemie, die wir nicht im Griff haben. Bei der Grippe hingegen, meine Damen und Herren, gibt es Mittel: Man kann sich gegen die Grippe impfen lassen und es gibt schon Medikamente, die gegen die Grippe helfen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Gegen Corona haben wir noch nichts, und daher ist es notwendig, Maßnahmen zu setzen, um dieses Virus einzudämmen, meine Damen und Herren, gleichzeitig aber auch Maßnahmen zu setzen, die auch der Bevölkerung dienen und bei denen es nicht wie im Erstentwurf zu diesen Maßnahmen kommt, wie auch ihr (in Richtung ÖVP weisend) sie vorgehabt habt – und da, glaube ich, haben wir etwas Gutes ausverhandelt.

Ein Problem, meine Damen und Herren, haben wir noch, und das sage ich als Senioren­sprecher: Es passiert schon wieder, dass in Seniorenheimen, wo ein positiver Fall auf­tritt, das komplette Heim gesperrt wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 120

Werter Herr Gesundheitsminister – ich habe dahin gehend schon wieder mehrere Mails und Anrufe erhalten –, bitte mach mit den Landeshauptleuten eine einheitliche Regelung für Österreich, sodass es nicht mehr möglich sein kann, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Alten- und Seniorenheime über Wochen weggesperrt werden, weil es einen einzigen Fall gibt! (Beifall bei der SPÖ.) Diese Verantwortung liegt bei dir, Rudi, und ich hoffe, dass du die entsprechenden Schritte auch setzen wirst. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Eva-Maria Himmelbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.33.18

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es war uns allen bewusst, dass das heute eine aufgeladene und auch eine emo­tionale Debatte werden wird, und das ist auch klar. Die letzten Monate waren für so viele Menschen in unserem Land eine sehr herausfordernde Zeit und haben uns, den Fa­milien, den Unternehmen, den Arbeitnehmern, den Landwirten – von jung bis alt – auch sehr vieles abverlangt. Wenn ich so in die Runde schaue oder zumindest an die Rede­beiträge denke, an das, was uns daraus verbindet, dann erkenne ich, dass sich jeder wünscht, glaube ich, dass die kommenden Monate besser werden, dass sich das auf einem niedrigen Niveau stabilisiert.

Leider ist es dennoch so, das sehen wir, dass die Tendenz nach oben geht, dass es mehr Infektionen gibt, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen Ländern in Europa. Das muss uns auch zu denken geben und das muss uns auch zum Handeln auffordern, und deswegen bedarf es auch der heutigen Beschlüsse, der Über­arbeitung des Epidemiegesetzes oder auch des COVID-19-Maßnahmengesetzes. Beide sind wichtige gesetzliche Grundlagen, die für uns Handlungsanleitungen für die kom­menden Monate sind, aber vor allem auch für den Ernstfall, wenn es so weit kommt.

Es geht ums Gesundheitswesen, ganz klar, und ich glaube, ich kann sagen – wie es auch meine Kollegen vorhin gesagt haben –: Natürlich haben wir in den letzten Monaten, seit dem Frühjahr dazugelernt; es wäre traurig, wenn nicht. Wenn man aber nach Spa­nien, Frankreich, Israel schaut – denn auch diese Länder haben dazugelernt –, auf die Zahlen, die dort in die Höhe gehen, und darauf, was das für das Gesundheitswesen bedeutet, dann muss uns das zu denken geben.

Es geht aber genauso auch um die Wirtschaft. Wir dürfen nicht naiv sein, sondern wir müssen auch erkennen, dass hohe Infektionszahlen auch wirtschaftlichen Schaden be­deuten, weil eben Reisebeschränkungen auf uns zukommen, weil eben auch der Touris­mus, ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, darunter leidet, weil auch Unsicherheit bei den Konsumenten herrscht.

Österreich setzt maßvolle Maßnahmen, was man erkennt, wenn man so auf die europäi­sche Lage blickt, und wir bewerten die Situation tagtäglich aufs Neue. Mit dem Epidemie­gesetz und auch mit dem COVID-19-Maßnahmengesetz, mit all dem, was im Vorfeld passiert ist, nach dem langen Weg, den wir bei diesen Gesetzen eingeschlagen haben, mit Begutachtungsphasen, Expertenhearing, Ausschussbegutachtung, Abänderungsan­trägen, können wir mit gutem Gewissen nun diesen beiden Gesetzen zustimmen. – Ich darf noch einmal dahin gehend appellieren, dass wir auch die Rechtssicherheit und die Vorbereitung für einen Ernstfall sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 121

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.36.11

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Bundesministerin und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist relativ eindrucksvoll gelungen, darzustellen, warum die­ses Gesetz, das jetzt vorliegt, nicht mehr verfassungswidrig ist. Es konnte kein einziger und keine einzige der KontrarednerInnen erklären, warum das alte Gesetz vom März noch weitere acht Wochen gescheiter wäre, als das neue zu machen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Ehrlich, damit hat sich dieser Teil der Diskussion eigentlich erledigt. (Zwi­schenruf des Abg. Kickl.) – Also Sie schon gar nicht, Herr Kickl!

Auf welcher Basis dieses Gesetz überhaupt erlassen wird, kann man auch einmal anfüh­ren: Es ist in Wahrheit die ausschließliche Bundeskompetenz, die sich aus Artikel 10 unserer Verfassung ergibt. Für Gesetzgebung und Vollziehung im Gesundheitswesen – „mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens“ – ist nämlich der Bund zuständig. Das bedeutet: In dieser Frage, ob es funktioniert oder nicht funktioniert, gibt es eine Exekutive und die heißt österreichische Bundesregierung. All die Dinge, die jetzt im Wahlkampf durchgezogen werden, vor allem vonseiten der ÖVP, die ein Wienbashing durchzieht, entbehren daher ihrer sachlichen Grundlage! (Abg. Hörl: Die Zahlen stim­men ...!) – Es ist von euch geführte Regierungsarbeit und wenn etwas nicht funktioniert, dann übt Selbstkritik, Abgeordneter Hörl (Abg. Hörl: Tun wir!), und geht nicht auf die anderen los! Sagt: Okay, tut uns leid, wir haben etwas falsch gemacht! – Das hat bisher nur Herr Minister Anschober zusammengebracht; aber von der ÖVP-Seite fehlt mir das Eingeständnis. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was im Wahlkampf aufgeführt wird (Zwischenrufe der Abg. Hafenecker und Loacker): Offensichtlich hat da Michael Häupl leider recht gehabt: „Wahlkampfzeiten sind Zeiten fokussierter Unintelligenz“. (Abg. Ottenschläger: Bei euch!) In Wien stellt sich diese Woche Frau Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec hin und sagt – in der Tradition, wie schlecht Wien nicht ist –: Wien soll sich doch gefälligst ein Beispiel an Niederösterreich nehmen! (Ruf bei der ÖVP: Ja sicher!) Am selben Tag titelt „Die Presse“ dann schon (ein Schriftstück in die Höhe haltend) – was für ein Beispiel –: „Niederösterreich überholt Wien“. – Wir brauchen mehr Coronafälle; das ist doch alles absurd, dieses Wienbashing! (Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Gabriela Schwarz.)

Wien ist eine der bestverwalteten Städte, und zum Glück hat die ÖVP nicht die Finger drin, denn dann funktioniert es wenigstens (Beifall bei der SPÖ) – nicht für die Partikular­interessen von jemandem, der etwas braucht, sondern für die gesamte Bevölkerung.

Da Sie die Hotline 1450 angesprochen haben (Abg. Wöginger: Die geht nicht in Wien!), Herr Klubobmann, wenn Sie die gemeint haben: Dort wurden 400 Leute eingesetzt und jetzt werden weitere 100 mit 1 830 Euro brutto eingestellt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ihr oberösterreichischer Landeshauptmann will gerade 1 200 Euro zah­len. Kein Wunder, dass es nicht in dem Ausmaß funktioniert. (Abg. Gabriela Schwarz: Wien würde 700 brauchen laut Empfehlung!)

Was meint die ÖVP? Wien soll anders werden? Soll Wien die Teststraßen zusperren? Soll Wien, statt eine neue Teststraße aufzumachen, die andere zusperren, damit es niedrige Zahlen gibt wie in anderen Ländern?

Wenn ihr das verhindern wollt, dann schaut – das ist für die Wählerinnen und Wähler –, dass der Pleiten-, Pech- und Pannendienst Blümel, der mit den türkisenen Socken, Spit­zenkandidat in Wien, in Wien nichts zu sagen hat! Michael Ludwig kann es besser! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 122

14.40.02

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Vertreter der Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kom­me aus Kärnten, bei uns sind die Zahlen super, auch in Klagenfurt, Gott sei Dank, wir sind sehr froh darüber.

Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, was Sie da alles gesagt haben, aber Ingrid Koro­sec ist zumindest eine der wenigen, die sich für die Senioren einsetzen, das ist einmal ganz sicher. Außer dem Seniorensprecher der SPÖ hat sonst noch niemand die Situa­tion der Senioren beleuchtet. Erlauben Sie mir daher einmal ganz kurz, dass ich darauf eingehe!

Ich bin sehr froh, dass diese heutige Gesetzesnovelle wichtige Klarstellungen bringt und auch neues Wissen und viele Erfahrungen miteinfließen lässt. Danke auch, Herr Bun­desminister, dass die Begutachtung da so ernst genommen wurde! Ich glaube, wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg. Tatsache ist, dass wir jetzt mehr wissen. Wir wissen heute, dass ein 80-Jähriger, der fit ist, weniger gefährdet ist als ein 40-Jähriger mit Vorer­krankungen. Wir wissen, dass es Infektionen und Erkrankungen in allen Altersgruppen gibt. Es ist mir daher auch sehr wichtig, dass wir in dieser Novelle ganz klar festhalten, dass die Kontakte unter Familienmitgliedern natürlich möglich sind, dass es natürlich notwendig und richtig ist, Hilfestellungen zu geben. Das wird klar festgehalten.

Ich danke an dieser Stelle auch allen Seniorengruppen quer durch Österreich, die sich da so engagieren. Die Einsamkeit, das Alleinsein der älteren Menschen ist immer ein großes Thema, das war natürlich auch jetzt ein ganz, ganz großes Thema, und dem müssen wir entgegenwirken. Es ist sehr viel getan worden: Whatsapp-Gruppen, Telefon­gespräche mit den Menschen, den Seniorinnen und Senioren, und da müssen wir wei­tertun. Ich möchte auch meinen Kollegen Dr. Saxinger unterstützen, der gesagt hat: Ge­hen Sie zum Arzt! – Ja, gerade bei den Senioren ist das ganz, ganz wichtig. Für viele Seniorinnen und Senioren ist der Hausarzt die wichtigste Kontaktperson, die wichtigste Bezugsperson, und daher ist es auch so wichtig, diesen Kontakt aufrechtzuerhalten.

Wichtig ist auch die Sicherung der Schutzbekleidung, die jetzt neu organisiert wird. Ich sage das auch im Namen des Pflegepersonals und des medizinischen Personals. Das hat nicht immer perfekt funktioniert, und ich hoffe, dass das in Zukunft besser sein wird. Auch ihnen ein großes Danke für ihre engagierte Arbeit, nicht nur für die ältere Genera­tion, in dieser schwierigen Zeit!

Meine Damen und Herren, nehmen wir Rücksicht aufeinander, gehen wir mit Hausver­stand in die nächsten Wochen! Es ist gut, dass eine große Mehrheit der Österreiche­rinnen und Österreicher den Weg von Sebastian Kurz und den Weg dieser Bundesregie­rung mitträgt. Das macht uns auch zuversichtlich, dass wir gut durch diese Pandemie kommen. Schauen wir, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP.)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


14.42.55

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Die gesamte Regierung, welche Ehre! Lieber Herr Kollege Kickl – oder soll ich Primar sa­gen? (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Du hast heute in dei­ner aufbrausenden Rede Grillparzer zitiert. Mir fällt etwas anderes ein: Robert Louis Ste­venson (Abg. Kickl: Wer?) – Robert Louis Stevenson und sein Werk (deutsch ausspre­chend) Dr. Jekyll und Mr. Hyde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Wie heißt das?) Vom Lockdownforderer bis zum Virusleugner – aber jetzt weg von der Literatur, Herr Kickl, das ist es nicht wert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Dieses Gesetz, das wir heute hier beschließen, ist eigentlich die Weiterentwicklung des bestehenden Maßnahmengesetzes, und es besteht überhaupt kein Grund, dass man sich hier so aufregt. Ich glaube, die Verfassungskonformität ist sichergestellt (Zwischen­ruf des Abg. Zanger), es werden viele Dinge klargestellt, auch die Sozialdemokratie hat mitgearbeitet. Die Privatsphäre ist gesichert. Das ist eine ganz wichtige Botschaft auch an Gäste, die in ein Lokal kommen, die wir registrieren müssen, damit wir dann auch die Coronafälle nachverfolgen können: Ihre Daten werden nach 28 Tagen gelöscht, sie brauchen keine Bedenken zu haben.

Im Westen Österreichs gibt es gerade eine riesige Diskussion, viel Enttäuschung, viel Aufregung natürlich, weil wir in einigen Bundesländern eine Sperrstunde ab 22 Uhr ein­geführt haben. Ich gebe zu, ich bin davon auch sehr berührt. Das letzte Mal, als ich eine solche Sperrstunde hatte, war ich 15 Jahre alt und im Internat in der Villa Blanka. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Dass ich das noch einmal erleben muss, ist arg. (Abg. Kickl: Zeit zum Englischlernen!) Es geht aber um die Rettung der Wintersaison, es geht um die Rettung unserer wirtschaftlichen Basis, nämlich der Wintersaison. Wenn das dazu beiträgt, dass wir die Zahl der Neuinfizierten herunterdrücken und damit vielleicht Reisewarnungen verhindern können, dann ist dieser Preis wahrscheinlich auch zu be­zahlen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte nur, Herr Bundesminister, einfordern, dass wir diese Dinge vielleicht dann auch etwas regionaler regeln können. In Osttirol und in Reutte gibt es nämlich überhaupt kein Verständnis für diese Maßnahme, die haben kaum Coronafälle, und die sind da auch mitgefangen und mitgehangen.

Die Gesundheit der Bevölkerung ist auch bei uns das höchste Gut, dazu gehören aber auch die Freude am Leben und ein wirtschaftliches Auskommen, und dafür braucht es unsere Wintersaison.

Ich habe leider keine längere Redezeit, ich möchte nur noch etwas zu den sinnlosen Tests sagen, wie Sie sie genannt haben, Herr Kickl: Ich habe den ganzen Sommer ge­testet. Als Wirt und Hotelier bedanke ich mich dafür, dass es dieses Testsystem gegeben hat. Diese Tests als sinnlos darzustellen oder den Virus zu verleugnen ist eigentlich wie den Kopf in den blauen Ibizasand zu stecken. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.45.47

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierung! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Franz Hörl! Statt auf die FPÖ-Fraktion und unsere berechtigten Einwürfe und Kritik hinzuhauen, wäre es vernünftiger gewesen, die Tiroler Landesregierung und überhaupt die westlichen Landesregierungen dafür zu kriti­sieren, dass ab Freitag die Gasthöfe, Bars und Hotels bereits um 22 Uhr Sperrstunde haben. Das ist der Druck aus Tirol (Beifall bei der FPÖ) – null Verständnis aus diesen Bundesländern für diese massiv überzogene Maßnahme.

Herr Gesundheitsminister, ich habe die Debatte verfolgt, Sie haben immer auch von Ver­hältnismäßigkeit gesprochen. Diese Maßnahme ist ein Drüberfahren, auch über all jene Bezirke und Regionen, ob in Tirol, Salzburg oder Vorarlberg – ich nehme nur das Bei­spiel Osttirol her –, wo es nahezu keine Coronafälle gibt. Wir haben – Stand gestern – in Osttirol 14 Coronafälle, das sind 0,02 Prozent der Bevölkerung, und genau eine ein­zige Person, 0,002 Prozent, ist im Krankenhaus, eine Person ist im Krankenhaus! Dieses Gesetz, das Sie heute beschließen, ermächtigt die Landespolitiker und die Landeshaupt­leute, alle Betriebe um 22 Uhr zuzusperren. Das ist ein Skandal (Beifall bei der FPÖ),


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und ich glaube nicht, dass die Bevölkerung und die Wirtschaft dies goutieren werden. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Und die SPÖ war dabei!)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.47.26

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Meine lieben Kollegin­nen und Kollegen! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Es ist noch keine 48 Stunden her, da lag ich im Spital mit Covid. (Abg. Belakowitsch: Und jetzt kommst du da her?! – Abg. Zanger: Willst du uns anstecken?!) Es war nicht lustig. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist keine angenehme Zeit, tagelang mit hohem Fieber dazuliegen und dann langsam zu merken, wie einem die Luft ausgeht. Es hat mich ziemlich demütig gemacht. (Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich sage Ihnen hier, an dieser Stelle: Ich wünsche niemandem von Ihnen, dass Ihnen das passiert. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das nicht passiert. Dabei war ich noch nicht einmal der allerschlimmste Fall. Es sind genug Leute mit mir im Spital gelegen, die mit dem Leben ringen. Das ist nicht lustig.

Es hat mich demütig gemacht, weil ich auch auf eine unglaubliche Art und Weise gut versorgt wurde. Ich möchte mit großer Dankbarkeit ausdrücklich das Team im Kaiser-Franz-Josef-Spital erwähnen (allgemeiner Beifall), mich für den Einsatz bedanken, beim ganzen Team, vom ärztlichen Leiter über die Oberärzte bis zur Hilfskraft, die in diesem Spital wirklich mit großer Aufopferung den Leuten helfen, zu überleben. Es ist eine große Demut, die mich erfüllt, und ich kann nur sagen: Es ist es wert, das jedem einzelnen Menschen zu ersparen, es ist es wert, alles zu tun, damit die Menschen das nicht durch­leiden müssen.

Ich glaube, dass wir den Menschen sehr dankbar sein müssen, die sich einsetzen, im Kaiser-Franz-Josef-Spital und in vielen anderen in der ganzen Republik. Das führt mich aber auch zur Bundesregierung.

Ich möchte mich hier bei den Mitgliedern der Bundesregierung – angefangen vom Bun­deskanzler über alle Mitglieder – für diesen unglaublichen Einsatz, den sie leisten, be­danken. Ich weiß und spüre und habe gespürt, mit welcher Hingabe darum gekämpft wird, dass Menschen in Österreich diese Krise gut überstehen. Es ist mir daher ein be­sonderes Anliegen, diese Gelegenheit einfach zu nützen, nämlich natürlich nicht nur nicht für diesen Misstrauensantrag zu sein, nein, im Gegenteil, ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich ausdrücklich bei den Mitgliedern der Bundesregierung für diese Arbeit, die sie in den letzten Wochen und Monaten für die Menschen in diesem Land tun, bedanken. – Vielen, vielen Dank! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Ab­geordneten der Grünen.)

14.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.50.52

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege En­gelberg, ich darf gleich Ihre Worte aufgreifen, gerade weil diese Coronakrise ganz, ganz dramatische Auswirkungen auf das Leben und die Existenzen von Menschen hat und wir alle, glaube ich, diese Schicksale in den letzten Monaten auch gespürt haben.

Dass es junge Menschen gibt, die nicht mehr in die Schule haben gehen können, dass es alte Menschen in Pflegeheimen gegeben hat, die ihre Angehörigen nicht mehr gese­hen haben, dass es Menschen gegeben hat, die gestorben sind, dass es Menschen


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gegeben hat, die schwer krank geworden sind und dass es Menschen gegeben hat, die buchstäblich ihre Existenz verloren haben, das war für uns der zentrale Grund, dass wir gesagt haben: Gerade weil es darum geht, dass wir diese Krise miteinander und gemein­sam bewältigen, ist es wichtig, dass wir da, wo wir Lösungen positiv mittragen können, auch gerne mit dabei sind und dass wir da, wo es Kritikpunkte gibt, alle miteinander konstruktiv Verbesserungen einfordern.

Der Grund, dass wir heute mitgehen und diesen Gesetzentwurf, bei dem es am Anfang wirklich dramatisch viele Fehler gegeben hat, heute mitunterstützen, ist, dass es 14 000 Men­schen gegeben hat, die Stellungnahmen eingebracht haben, dass wir heute eine verfas­sungskonforme Lösung zustande gebracht haben, dass dieser Gesetzespfusch des Sommers damit beendet wird (Zwischenruf des Abg. Scherak), dass wir sozusagen die Kontrollrechte des Parlaments noch einmal massiv verstärken konnten und miteinan­der – vor allem auch durch ein Expertenhearing – noch eine gute Lösung zustande ge­bracht haben. (Abg. Kickl: Ich ... du glaubst das ... wirklich!)

Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann, bei aller berechtigten Kritik: Sind wir doch ehrlich, streiten wir doch wenigstens über die Dinge, bei denen es wirklich Kritikpunkte gibt! Ich sage als Oppositionspolitiker auch ganz klar: Wir haben doch alle erlebt, dass eine Menge von Dingen in Österreich nicht funktioniert. Es gibt aber Dinge, die wir ver­bessern können, damit die Regierung dann wenigstens die Rechtsgrundlagen hat.

Ich meine, ihr müsst euch vorstellen, wir haben jetzt im Sommer wochenlang Ampeln präsentiert bekommen, heute beschließen wir erst die gesetzlichen Grundlagen. In ganz Österreich kennt sich niemand mehr aus. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir haben Am­peln aufgedreht, es hat, glaube ich, eine Lawine von Pressekonferenzen gegeben, jeder Minister hat seine eigene Ampel gemacht – es gibt die Faßmann-Ampel, es gibt die Kurz-Ampel, es gibt die Anschober-Ampel, es ampelt überall, Kurz sieht im Tunnel die Ampel blinken –, aber es kennt sich niemand mehr aus.

Heute beschließen wir das erste Mal die rechtlichen Grundlagen dieser Ampel (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), deswegen bitte ich wirklich, zu versuchen, heute mit­einander diese Verbesserungen herbeizuführen (Beifall bei der SPÖ) und nicht – wie es die NEOS und die Freiheitlichen gemacht haben – zu sagen, dass diese fünf Paragrafen, die heute die rechtliche Grundlage für das Hantieren und Herumfuhrwerken der Regie­rung sind, Weltklasse sind, wo wir doch alle miteinander zu Recht kritisiert haben, dass im Sommer so viel Pfusch passiert ist. Es geht um Existenzen von Menschen, daher – nicht, weil es eine Gaudi ist – bitte ich: Schauen wir doch, dass wir es miteinander repa­rieren!

Es wäre leicht, sich da jetzt hinzusetzen und zu sagen, das passt alles nicht. Zu den NEOS: Das ist mir heute nahegegangen, ihr erzählt dieselben Sprüche, egal, ob sich die Gesetze geändert haben, egal ob Menschen mitgearbeitet haben, egal was verbessert worden ist, immer die alte Leier: Es ist für euch ein Wahnsinn gewesen, ihr wolltet gar nicht mitgehen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

So kann man nicht arbeiten! So zu tun, als seien diese fünf Paragrafen Weltklasse und die Verbesserungen von 14 000 Menschen die Katastrophe, ist doch nicht fair. (Zwi­schenruf des Abg. Scherak.)

Ein letzter Punkt noch, und das muss ich in Richtung Minister Anschober sagen: Was nicht geht, ist, dass die Regierung ein Hickhack hat und es einen Wettkampf der Eitel­keiten gibt, weil die Umfragen scheinbar wichtiger sind und Sebastian Kurz auf dich be­leidigt ist – keine Ahnung, ist mir ja egal; die Leidtragenden sind dann doch die Men­schen in Österreich. Es kann nicht sein, wenn nicht einmal die Regierung mehr weiß, was los ist, und die Ampel völlig scheitert, dass es dann auf einmal heißt: Eigenverant­wortung. Das heißt, sobald sich in der Bundesregierung niemand mehr auskennt – man


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fragt fünf Regierungsmitglieder und kriegt acht Meinungen –, schiebt man das auf einmal auf die Bevölkerung. Dieses Spielchen, das Sebastian Kurz praktiziert – Schuld sind immer die anderen – geht so doch bitte nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bitte ich: Kritisieren wir die Punkte, die wir besser machen müssen und sagen wir nicht, wenn die Förderungen nicht funktionieren, sind die Unternehmer zu deppert, den Namen richtig zu schreiben! Das sind doch alles Dinge, die wir erlebt haben. Es funktioniert auf einmal nicht mehr, jetzt steigen leider die Fallzahlen, weil man im Som­mer einfach geschlafen hat. Faßmann ist auf einmal draufgekommen, dass im Herbst die Schule wieder losgeht – er hat nichts getan, außer seine Faßmann-Ampel geschaf­fen, aber er konnte die Fragen der Eltern nicht beantworten.

Da gibt es wirklich genug Dinge, die wir kritisieren können. Gehen wir aber heute bitte miteinander mit, schauen wir, dass wir die Gesundheit in den Vordergrund stellen und schauen wir, dass wir eine Basis haben, dass die Ampel ordentlich funktionieren kann, dass wir bessere gesetzliche Grundlagen haben! Ich lade wirklich alle Parteien ein, das ernst zu nehmen, was 14 000 Menschen miteinander, auch mit uns allen, erarbeitet ha­ben.

Ich darf also alle Parteien einladen, heute mitzugehen. Es gibt genug Punkte, die wir kritisieren können, aber heute bitte: einmal miteinander! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

14.55


14.55.43

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, stelle ich die Frage, ob die Klubs eine Unterbrechung wünschen. – Das ist logischerweise nicht der Fall, weil alle da sind. (All­gemeine Heiterkeit.)

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag des Kollegen Dr. Scherak zu TOP 1 abzustimmen.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmenge­setz geändert werden, in 370 der Beilagen, nochmals an den Gesundheitsausschuss zu verweisen, und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, in 370 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabrie­la Schwarz, Schallmeiner, Kucher, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Kucher, Kol­leginnen und Kollegen vor.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen beantragt, den gegenständlichen Gesetzentwurf nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42 Bundes-Verfassungsgesetz, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsi­denten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag sowie dem Verlagen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Sys­tematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Die Abstimmung über den Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung wird gemäß § 84 Abs. 2 der Geschäftsordnung nach der dritten Lesung erfolgen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 5 in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Teil des Gesetzentwurfes ausspre­chen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenom­men.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Schallmeiner, Kucher Kolleginnen und Kol­legen betreffend Artikel 1 und 3.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung.  Das ist ebenfalls die Mehrheit und der Entwurf somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kickl, Kol­leginnen und Kollegen gemäß § 84 der Geschäftsordnung, den gegenständlichen Ge­setzesbeschluss nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unter­ziehen.

Ich bitte jene Kollegen, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens ge­genüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensan­trag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Mas­kenpause“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken-


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und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 371 der Bei­lagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung – Das ist auch in dritter Le­sung einstimmig angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

15.00.49Kurze Debatte: Projekt Edelstein


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung des Bundesministers für Finanzen Mag. Blümel mit der Ordnungszahl 2511/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregie­rung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dau­ern.

Ich bitte nun Herrn Kollegen Mag. Christian Drobits ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


15.02.00

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Regierungsmitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich bin angetreten, um in die Politik zu gehen, und wusste, dass ich ein Gelöbnis auf die Bundesverfassung ablegen muss. Dieses Gelöbnis bezieht sich darauf, dass die Vorschriften der Bundesverfassung eingehalten werden. Dazu ste­he ich auch. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich nun erstmalig feststelle, dass die Vorschriften der Bundesverfassung nicht ein­gehalten worden sind oder werden, bin ich enttäuscht und gleichzeitig zornig.

Die heutige Anfragebesprechung resultiert aus einer Anfrage meinerseits, gerichtet an Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel, den ich zum Projekt Edelstein hinsichtlich der geplanten Teilprivatisierung des Bundesrechenzentrums gefragt habe, einer wichti­gen Angelegenheit, weil das Bundesrechenzentrum doch der Datenbunker aller Daten ist, den Datenschatz der Republik und auch das Gehirn der Republik beinhaltet. Wenn es um Eigentum und den Übergang von Eigentum an Daten geht, sollte man fragen dürfen.

Da ich die Bundesverfassung kenne und ein Gelöbnis auf sie abgelegt habe, weiß ich, dass im Artikel 52 das Interpellationsrecht geregelt ist. Das heißt, dass man den jeweili­gen Minister hinsichtlich der Geschäftsführung kontrollieren kann, prüfen kann, aber auch entsprechende einschlägige Antworten verlangen kann.

Wenn ich mir die Anfragebeantwortung anschaue, sehe ich, dass es ganz konkret heißt, Herr Minister Blümel: Bitte warten! Bitte warten! Bitte um Verständnis, dass ich keine Ant­worten geben kann! Es ist alles vertraulich, alles geheim, alles top secret, Deckname


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Projekt Edelstein. – Für mich ist das viel zu wenig. Ich fühle mich in meiner Ehre als Parlamentarier gekränkt, und ich bin auch enttäuscht, dass Sie mir mein Recht, Fragen zu stellen, nehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Da wir meinen, dass es auch allen anderen Abgeordneten hier so gehen sollte, dass sie sich in ihrem Recht der Fragestellung be­schnitten fühlen, haben wir diese Anfragebesprechung heute verlangt.

Herr Minister Blümel! Ich weiß nicht, warum Sie keine Antworten geben. Entweder wis­sen Sie es nicht, oder Sie wollen es nicht wissen. Ich bin nur enttäuscht, dass Sie mir jegliche Information verweigern.

Ich habe mir Anfragen aus dem Jahr 2018 angeschaut. Da haben Sie eine Anfrage be­antwortet und haben geschrieben: Mir ist das Interpellationsrecht wichtig, mir ist wichtig, dass Respekt und Inhalt der Beantwortung vorliegen. Der hinter mir sitzende National­ratspräsident hat 2018 im Rahmen einer Anfragebeantwortung zu parlamentarischen Anfragen klar und eindeutig geantwortet, dass das Interpellationsrecht als lebendige Säule der Demokratie, für die parlamentarische Kontrolle, für die demokratische Kontrol­le, für die Demokratie als solche ganz wichtig ist.

Das sind für mich die Pfeiler der Bundesverfassung, und deshalb sehe ich nicht ein, dass Sie mich so respektlos behandeln, indem Sie meine Anfrage zur Gänze zurückweisen und mir keine Antworten geben. (Beifall bei der SPÖ.)

So, jetzt liegt die Vermutung nahe, dass es vielleicht daran liegt, dass das Geheimprojekt Edelstein der Grund ist. Das mag sein. Ich nehme Ihnen auch nicht übel, dass Sie im
U-Ausschuss vielleicht 86 Erinnerungslücken haben. Vielleicht ist das auch eine davon. Ich nehme Ihnen auch nicht übel, dass Sie beim Budget die Nullen vergessen haben, aber was ich Ihnen übel nehme, ist, dass Sie versuchen, mein Fragerecht zu negieren und zu beschneiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen schon, Herr Bundesminister, die Fragen, die ich gestellt habe, sind klare Fra­gen, umfangreiche Fragen, auf die eigentlich klare Antworten zu geben sind. Sich da auf die Amtsverschwiegenheit zu beziehen, ist viel zu einfach, und deshalb vermute ich, Sie wollen mir nichts sagen. Sie wollen mir deshalb nichts sagen, weil Sie glauben, dass diese Veröffentlichung auf der Homepage des Parlaments einen Einfluss auf den Ibiza-U-Ausschuss nimmt, und deshalb haben Sie keine Antworten gegeben.

Deshalb fordere ich Sie auf, dass Sie wirklich klar sagen: Warum wollen Sie meine Fra­gen nicht beantworten – die Daten, die im Bundesrechenzentrum liegen, das sind Daten, die Sie betreffen und mich betreffen, Gesundheitsdaten, Steuerdaten, Strafregister, Fir­menbuch, Grundbuch, sogar die Passbilder, alles ist da drinnen –, warum wollen Sie mir nicht Antworten geben, ob über diese Daten geplante Verkaufsgeschäfte zwischen dem Bundesrechenzentrum und der Post AG, einer börsennotierten Firma, erfolgt sind? Wa­rum tun Sie das nicht? Wollen Sie da etwas verheimlichen? Wollen Sie uns im Endeffekt weismachen, Sie wüssten nichts?

Nun, der Herr Bundeskanzler weiß anscheinend mehr. Der Herr Bundeskanzler hat in den Medien, im „Profil“, im „Standard“ und auch im ORF, geantwortet, dass er sehr wohl die Kooperationsgespräche kennt, im Detail weiß er es nicht. Sie wissen anscheinend gar nichts. Herr Bonelli, der Kabinettschef des Herrn Bundeskanzlers, weiß viel mehr, aber das Interessante ist, dass sogar der Praktikant im Finanzministerium zum damali­gen Zeitpunkt mehr wusste. Er wusste, dass Gespräche gelaufen sind, durch die der Verkauf unserer Daten an die Post AG erfolgen sollte. Es ist doch traurig, dass Sie als Finanzminister im Gegensatz zum Praktikanten im Finanzministerium keine Antworten haben und mir jegliche Antwort verweigern.

Ich frage Sie deshalb nochmals: Wieso weiß der Praktikant mehr als Sie, wieso wollen Sie mir keine Antwort geben, und wieso sagen Sie im Gegensatz zu allen anderen, zum


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Herrn Bundeskanzler und so weiter, ich weiß es nicht? Haben Sie es wieder vergessen, wie im U-Ausschuss, wollen Sie es vergessen, oder ist es System, dass Sie das verges­sen müssen? Das ist die Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich bin nicht nur enttäuscht von Ihrem Mangel an Respekt gegen­über meiner Person, ich bin auch enttäuscht, dass Sie unsere Bundesverfassung an­scheinend nicht ernst nehmen. Ich weiß nicht, wie Sie das selbst sehen – Sie werden dann wahrscheinlich auch in Ihren Ausführungen dazu etwas sagen –, aber ich nehme an, Sie können dazu nur ausführen: Ich wusste davon nichts, ich war damals nicht Fi­nanzminister, und ich weiß auch heute nichts. – Wenn das die Antwort ist, ist das zu billig, und deshalb werden wir uns das auch nicht gefallen lassen.

Ich bin heute nur die Speerspitze der Abgeordneten, die aufgrund von Anfragen nicht gehörige Anfragebeantwortungen erhalten. Wir werden zukünftig alle Anfragebeantwor­tungen, die in die gleiche Richtung gehen, mit denen das Fragerecht der Abgeordneten ignoriert wird, mit denen die Bevölkerung, die Österreicherinnen und Österreicher – ich sage es jetzt vulgär – für dumm verkauft werden, mit Anfragebesprechungen, einem wei­teren Instrumentarium, behandeln.

Ihre Anfragebeantwortung, um die es heute geht, ist der Gipfel. Das ist wirklich ein Wahn­sinn.

Herr Bundesminister, ich möchte Sie wirklich bitten: Überlegen Sie sich, ob Sie in diesem Sinne die Anfrage nicht nochmals beantworten, denn auch die Nichtkenntnisnahme ei­ner Anfragebeantwortung hat Konsequenzen. Auch im Interesse des Hohen Hauses, im Interesse des Herrn Nationalratspräsidenten, der klar und eindeutig gesagt hat, dass die parlamentarische Kontrolle eine lebendige Säule der Bundesverfassung ist und das Interpellationsrecht eine Grundlage davon darstellt, ersuche ich Sie nochmals, sich gut zu überlegen, ob Sie heute im Zuge der Anfragebesprechung weitere Antworten schuldig bleiben. Wenn Sie das tun, so denke ich, gibt es einen Grund dafür – dann würde ich Sie bitten, ihn einfach auch zu nennen. Wenn Sie den Grund nicht wissen – so wie Sie vieles nicht wissen –, treten Sie einfach zurück! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Fi­nanzen Blümel. – Bitte.


15.10.57

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Betonen möchte ich eingangs, dass das Finanzministerium jede An­frage des Parlaments nach bestem Wissen und so detailliert wie möglich beantwortet. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Das ist das Problem!) Wir mussten bei den par­lamentarischen Anfragen aber regelmäßig feststellen, dass die Anfragen immer wieder Inhalte betreffen, die nicht Gegenstand des Interpellationsrechts sind. Für diese Ausnah­me gibt es auch gute Gründe.

Insbesondere ist dies der Fall, wenn es sich um Informationen handelt, die dem allge­meinen Geschäftsgeheimnis unterliegen. Da geht es um schutzwürdige unternehmens­interne Informationen, deren Veröffentlichung zu Wettbewerbsnachteilen führen könnte. Aufgrund des berechtigten Geheimhaltungsinteresses können diesbezügliche Informa­tionen nicht öffentlich gemacht werden. Zudem würde mein Ressort mit der Beantwor­tung gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen, was nicht nur strafrechtliche, son­dern auch schadenersatzrechtliche Konsequenzen mit sich bringen würde und darüber hinaus dem internationalen Ruf Österreichs schaden könnte.

Ich bitte daher gleich um Verständnis dafür, dass es uns nicht möglich ist, Fragen zu Inhalten, die der Geheimhaltung unterliegen, zu beantworten, und ich bitte auch um Nach­sicht, dass Anfragebeantwortungen objektiv und sachlich erfolgen müssen und demnach


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vielleicht nicht zwingend so aussehen, wie sich das politische Anfragesteller manchmal wünschen.

Darüber hinaus möchte ich zu der von Ihnen beanstandeten Anfragebeantwortung an­merken, dass das sogenannte Projekt Edelstein gänzlich vor meiner Amtszeit datiert. Alle diesbezüglichen Unterlagen wurden dem Untersuchungsausschuss in klassifizierter Form zur Verfügung gestellt, und nach meinem Wissensstand ist dieses Thema dort auch schon behandelt worden.

Aufgrund des berechtigten Geheimhaltungsinteresses der börsennotierten Post AG so­wie des Bundesrechenzentrums können diesbezügliche Informationen nicht öffentlich gemacht werden. Es handelt sich bei den im Rahmen der gegenständlichen Anfrage abgefragten Informationen um schutzwürdige unternehmensinterne Informationen, de­ren Veröffentlichung zu einem Wettbewerbsnachteil beider Unternehmen führen könnte. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, dass aufgrund der rechtlichen Rahmenbedin­gungen keine über die Anfragebeantwortung hinausgehende Information öffentlich zur Verfügung gestellt werden kann.

Erlauben Sie mir abschließend eine grundsätzliche Bemerkung: Ich halte es für legitim, dass jedes Bundesministerium – so auch das Finanzministerium – regelmäßig Überle­gungen anstellt, wie man mit dem Staatsvermögen, und damit auch mit dem Vermögen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, möglichst effizient umgeht. Das ist keine Fleiß­aufgabe, sondern eine Verpflichtung und Ausdruck der ministeriellen Verantwortung dem Vermögen der Republik und der Bevölkerung gegenüber. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die absolute Redezeit beträgt ab sofort nur mehr 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


15.14.14

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielen Dank, dass der Herr Bundesminister die Debatte jetzt wieder in eine sachliche Richtung gebracht hat. Ich war mir nämlich nach der Rede von Kollegen Drobits nicht sicher, ob ich jetzt lachen oder weinen soll. Was er da gemacht hat, spottet in Wirklichkeit jeder Beschreibung. (Abg. Leichtfried: ...! Das würde helfen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, die ganze Sache liegt seit Monaten im Untersuchungsaus­schuss und alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben die Möglichkeit, die Unterlagen zu sichten, sie zu studieren und sie auch im Untersuchungsausschuss selbst zu debattieren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Doch wollen Sie wissen, meine Damen und Herren, ob die SPÖ einmal verlangt hat, dieses Thema in vertraulicher Sitzung zu disku­tieren, damit sie alles erfährt, was sie jetzt hier vorgibt, wissen zu wollen? – Kein einziges Mal! (Abg. Leichtfried: Oh! ...! – Abg. Hafenecker: Weil’s sinnlos ist!)

Damit ist ganz klar: Der SPÖ geht es um eine reine Show, um Skandalisierung, um Ab­lenkung von ihren eigenen Versäumnissen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das ist bis jetzt eine ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum, Herr Kollege Drobits, haben Sie nicht das Thema „Novomatic zahlt alle“ und Ihre Glücksspielangelegenheiten im Burgenland und in Wien thematisiert? Warum haben Sie nicht thematisiert, dass jemand von Novomatic bei Stadträtin Sima versucht hat, Einfluss darauf zu nehmen, dass 150 Videolotterieterminals in Wien weiterhin aufgestellt werden dürfen? (Zwischenruf des Abg. Drobits.  Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warum, meine Damen und Herren von der SPÖ, verschweigen Sie jene Dinge, bei denen es


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darum geht, dass andere Leute in etwas hineinbegleitet werden, das wir alle nicht wollen, ins Glücksspiel nämlich, das wir ablehnen, und dass es zwar auf Bundesebene kein kleines Glücksspiel mehr gibt, Sie im Burgenland es aber weiterhin haben? (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Sie haben sich dort auch mit Vertretern von Novomatic getroffen! (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Vogl.) Lenken Sie nicht ab von Ihren eigenen Versäumnis­sen! Das wäre viel, viel besser für Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun, dass an dem Projekt Edelstein nichts dran ist, hat ja die Aufführung von Herrn Drobits hier schon gezeigt. Im Untersuchungsausschuss wurde von allen Auskunftsper­sonen gesagt, dass das Überlegungen waren, wie man wirtschaftliche Synergien zwi­schen dem Bundesrechenzentrum und der Post schaffen kann, und dass das Anfangs­überlegungen waren. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Auf einer Skala von eins bis zehn – das hat der Vertreter der Post gesagt – ging das Stadium nur bis zum Punkt eins, denn dann wurde es bereits eingestellt, weil man draufgekommen ist, dass sich daraus keine weiteren Synergien ableiten lassen.

Wenn Sie also die Aussagen der Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss hier zitiert hätten, dann hätten Sie nicht mehr skandalisieren können, weil das Projekt eben frühzeitig wieder eingestampft wurde, ohne Einfluss durch die Politik, weil wir viele, viele gute, sachverständige Beamte im Finanzministerium und in den anderen Ressorts ha­ben, die bei diesem Projekt dabei waren.

Sie haben alle gemeinsam befunden: Es zahlt sich aus verschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht aus, dieses Projekt weiterzuverfolgen. Daher sind alle Ihre Anschuldigungen, die Sie hier von sich geben, falsch und eindeutig zu verurteilen. Mehr Sachlichkeit, mehr Gelassenheit auch, und mehr Besinnung auf den Rechtsstaat würde Ihnen allen hier guttun. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wenn die ÖVP über Rechtsstaat spricht!)

15.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


15.18.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede von Kollegen Gerstl war offensichtlich vorbereitet und deswegen hat sie natürlich mit der Debatte, die hier gelaufen ist, gar nichts zu tun. – Wenn Sie sagen, das war ja alles nur in irgendeinem Anfangsstadium, dann sollten Sie schon da­zusagen, dass das Projekt nur noch sechs Monate vor dem Ziel war (Zwischenruf des Abg. Gerstl) und dass der Grund, warum es abgeblasen wurde, der Postskandal war – der Datenmissbrauchsskandal der Post, der im Jänner 2019 geplatzt ist und im Zuge dessen die Post dann am Ende des Tages eine, glaube ich, 18-Millionen-Euro-Strafe bekommen hat. (Abg. Gerstl: ... schon im Dezember!)

Das war der Grund, wieso das eingestellt wurde! Darüber hinaus wurde es Monate später wiederbelebt, nämlich als Herr Müller Finanzminister wurde, der als Beamter ge­meinsam mit dem ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium dieses Projekt der Privati­sierung des BRZ betrieben hat. Sie sollten wirklich bei der Wahrheit bleiben! (Zwischen­ruf des Abg. Gerstl.) Es wurde eingestellt, weil man kalte Füße bekommen hat, weil man draufgekommen ist: Ui, das geht sich nicht aus, die Post wird zu einer Millionenstrafe verurteilt – die höchste Strafe für Datenmissbrauch in Europa! –, und deswegen können wir unsere Daten jetzt nicht an sie verkaufen. Sagen Sie doch gleich dazu, dass das der Grund war! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Die Frage, um die es hier bei der Anfragebesprechung geht, ist: Kann ein Minister ein­fach sagen: Ich beantworte diese Frage nicht, weil es da irgendwelche Geheimnisse,


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Firmengeheimnisse von börsennotierten Unternehmen gibt!? Man kann sich das ja an­schauen. Was waren denn das für Fragen? Die Fragen waren: Hat das Bundesministe­rium für Finanzen Gutachten eingeholt? Nur die Frage: Haben Sie Gutachten einge­holt? – Er beantwortet sie nicht. Was hat das mit den Interessen der Post zu tun? Die Frage ist, ob Sie als Finanzministerium ein Gutachten eingeholt haben. Das müssen Sie hier beantworten! Das ist Ihre Pflicht gemäß der Verfassung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es ist klar geregelt, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, zu wissen, wie Sie mit unser aller Eigentum umgehen. Hier sitzen die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Be­völkerung. Jeder von uns, der eine Anfrage einbringt, bringt diese in Wahrheit im Namen von 25 000 Wählerinnen und Wählern ein. Was Sie machen, ist, dass Sie sagen: In­teressiert mich nicht, beantworte ich nicht! – Es ist Ihre Pflicht, diese Fragen zu beant­worten! Haben Sie ein Gutachten eingeholt, ja oder nein? Wir wissen in der Zwischen­zeit, die Antwort ist Ja – aber Sie beantworten hier nicht einmal das.

Die nächste Frage: Was haben diese Gutachten gekostet? – Ja, Entschuldigung, der Nationalrat hat die Budgethoheit. Er hat natürlich das Recht, zu erfahren, was Sie mit dem Steuergeld anstellen, wofür Sie Geld ausgeben. Sie beantworten diese Fragen nicht. Das ist alles nicht zulässig, was Sie da machen, Sie bewegen sich nicht auf dem Boden der Verfassung. Dort gehören Sie als Minister aber hin, denn sonst haben Sie auf dem Boden hier nichts verloren, wenn Sie nicht auf dem Boden der Verfassung agieren. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es geht da endlos weiter. All diese Fragen haben nichts mit irgendwelchen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu tun, gar nichts haben die damit zu tun! Von den zwölf Fragen, die Sie nicht beantwortet haben, müssen Sie zumindest elf zur Gänze beantworten, bei einer können wir darüber diskutieren. Sie aber haben keine einzige Frage beantwortet. Sie müssen sich noch einmal hinsetzen und diese Fragen hier beantworten, sonst sind Sie nicht auf dem Boden der Verfassung. Und ein Minister, der nicht auf dem Boden der Verfassung ist, hat in diesem Ministeramt nichts verloren.

Im Übrigen, wollte ich nur sagen – da Sie ja jetzt nur noch ein Teilzeitminister sind und etwas anderes machen –: Es ist ein Glück, wenn Sie nicht auf Wien losgelassen werden. Angesichts Ihrer Privatisierungsvorstellungen aufseiten der ÖVP, wie Sie das letzte Jahr im Dunklen und im Geheimen agiert haben, wie auch Sie persönlich und Ihr Büro daran beteiligt waren – Ihre Mitarbeiter in Ihrem Kabinett waren an diesen Privatisierungsfanta­sien beteiligt, als es um die ARE, um das BRZ und so weiter gegangen ist –, will ich ja gar nicht wissen, wenn Sie in Wien etwas zu sagen haben, wie Sie dort sofort alle Ge­meindewohnungen und so weiter, alles was nicht niet- und nagelfest ist, verkaufen. Es ist nur ein Glück, dass Sie in Wien so unbeliebt sind, wie Sie es sind, und dass Sie hoffentlich nicht irgendwie nach Wien gewählt werden, um dort irgendeine Verantwor­tung zu übernehmen, denn das haben sich die Wienerinnen und Wiener wirklich nicht verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


15.23.12

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil das ja nur ein Beispiel dafür ist, wie man vor allem in den Reihen der ÖVP mit dem Interpellationsrecht der Abgeordneten umgeht.

Ich habe eine ganze Reihe von Anfragen gestellt, die sich aus dem Untersuchungsaus­schuss ergeben haben oder Bereiche betreffen, die auch mit dem Untersuchungsaus­schuss zu tun haben. Man kriegt überall nur flapsige Antworten, und im Prinzip hat man


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wirklich den Eindruck, dass der ÖVP-Regierungsriege dieses Parlament einfach nur zu­wider ist und dass man sich mit dem gar nicht auseinandersetzen möchte.

Ich möchte gleich auf Kollegen Gerstl eingehen, der ja nur mehr sozusagen als parla­mentarischer Teil seiner Regierungstruppe hier herinnen sitzt und im Untersuchungs­ausschuss irgendwie ankämpft und schaut, dass er das alles richtigstellt. Kollege Gerstl, wenn Sie sagen, man hätte Dinge von ÖVP-Auskunftspersonen aus dem Untersu­chungsausschuss hier zitieren sollen: Wissen Sie, was dann passiert wäre? Dann hätten wir jetzt eine Stunde Stille hier im Saal, denn Ihre Leute haben alle miteinander eines getan: Sie haben nichts gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren, gar nichts! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das ist der schwarze Faden, der sich durch den Untersuchungsausschuss zieht, und auch der schwarze Faden, der sich durch Anfragebeantwortungen zieht: Man kann sich innerhalb der ÖVP an nichts erinnern.

Zur Erinnerung, Sebastian Kurz: Er kann sich nicht an die Gespräche mit H.‑C. Strache erinnern, weiß gar nicht, was man global miteinander besprochen hat, und im Prinzip wäre es auch vollkommen egal, weil seine SMS, die er mit ihm ausgetauscht hat, nicht relevant und deswegen nicht im Ausschuss waren.

Innenminister Nehammer: Er weiß gar nicht, wann er vom Fund des Videos erfahren hat. Er glaubt auch nicht, dass er die Pressekonferenz dazu in Auftrag gegeben hat, und im Übrigen weiß er auch nicht, wer bei ihm im Kabinett arbeitet – nur um da wieder ein paar Gustostückerln zu bringen.

Finanzminister Blümel: 86 Erinnerungslücken und nicht klar, ob er einen Laptop hat oder nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie gehen zu einer Führerscheinprüfung und versuchen dort nur ansatzweise, solche Auskünfte zu geben. Dann wird Sie wahrscheinlich der Prüfer gleich als Nächstes zum Amtsarzt schicken. Auf der anderen Seite haben wir aber Regierungsmitglieder, die sich 86 Mal an nichts erinnern können. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Das ist es, was mir Sorgen macht: Auf der einen Seite haben wir Erinnerungslücken, dass die Tür nicht zugeht – übrigens, Herr Finanzminister Blümel, wenn Sie das BRZ verkauft hätten, dann hätten Sie vielleicht Ihre gespeicherten Erinnerungen auch noch angebracht und dann hätten wir vielleicht in Zukunft gar nichts mehr erfahren; also: Bundesrechenzentrum grundsätzlich wichtig –, was mich aber in dem Zusammenhang ängstlich macht, ist der Umstand, dass diese Regierung, die sich grundsätzlich an nichts erinnern kann, es ist, die auf der anderen Seite sagt, sie möchte eine Covid‑19-Krise lösen. Wie soll das funktionieren, wenn Sie von einem Tag auf den anderen nicht wissen, was Sie am Tag davor gemacht haben?

Sie wollen Bürgermeister von Wien werden, Herr Blümel. Wie soll das gehen, wenn Sie von einem Wahlkampftermin zum nächsten nicht wissen, was passiert ist, und es Ihnen auch niemand sagt? Ich gebe Kollegen Krainer – selten, aber doch – recht: Es ist besser, Sie kommen nicht nach Wien und bleiben auch nicht dort, wo Sie sind. Vielleicht über­legen Sie sich überhaupt ein anderes Betätigungsfeld. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ein Sonderfall im Untersuchungsausschuss war der Präsident dieses Hauses, der hinter mir sitzt. Auch er hat Erinnerungslücken gehabt. Auch er weiß nicht, wo sein Verein eigentlich Adresse und Sitz gehabt hat. Er hat nicht gewusst, was er als Präsident dieses Vereins in Auftrag gegeben hat, mit wem er kooperiert hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein schwarzer Faden, der sich hier zeigt, der in Wirklichkeit von Erin­nerungslücken geprägt ist.

Ich möchte jetzt schon noch darauf zurückkommen, was der Ausschuss schlussendlich zutage gefördert hat. Der Ausschuss hat bisher gezeigt, dass die ÖVP nicht nur drauf


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und dran ist, einen Tiefen Staat zu errichten, sondern bereits einen Tiefen Staat errichtet hat. Wir sehen es hier: Wurscht, ob es die Covid-Regelungen oder andere Dinge sind, die ÖVP hat mittlerweile die Gewaltentrennung überwunden und regiert in alle Bereiche unseres Lebens und in alle Bereiche dieses Staates hinein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Grund, warum man genau solche Maßnahmen ergreifen muss, wenn uns ein Minister hier im Parlament wiederum für dumm verkaufen möchte, indem er einfach Antworten, die er geben muss, nicht gibt. Das ist auch der Grund, warum wir als Opposition dazu aufgerufen sind, diesem Schau­spiel ein Ende zu bereiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser sogenannte Ibiza-Untersuchungsaus­schuss, der vielleicht als Instrument gegen die FPÖ initiiert worden ist, stellt sich mittler­weile als eine andere Problematik heraus. Es ist ein Ausschuss, der das Zusammenwir­ken von ÖVP und Grünen zeigt. Sie wollten ja den Ausschuss eigentlich zu Beginn schon verhindern. Das ist ihnen ja Gott sei Dank nicht gelungen.

Der Ausschuss zeigt, wie die ÖVP tut, wenn sie kann. Der Ausschuss zeigt auch zum Beispiel im Projekt Edelstein, was die ÖVP ihrem Koalitionspartner im Finanzministerium alles nicht gesagt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausschuss geht jetzt in die richtige Richtung, und ich bin überzeugt davon, dass das jetzt nur die Spitze des Eisberges ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Tomaselli.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


15.28.12

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit einer guten Nachricht beginnen, nämlich mit der Nachricht: Ja, die parlamentarische Kontrolle funk­tioniert. Die Operation Edelstein, und das dürfen wir nicht vergessen, sollte im Geheimen gehalten werden. Es geht um nichts anderes, als dass die Datenachillesferse der Repu­blik an die teilprivate Post hätte verkauft werden sollen. Dass das ans Tageslicht gekom­men ist, ist komplett das Verdienst der parlamentarischen Kontrolle in diesem Ibiza-Un­tersuchungsausschuss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin froh, dass diese parlamentarische Kontrolle funktioniert und dass wir denjenigen, die diese wahnwitzigen Pläne von Parallelsystemen, die man zu installieren versucht hat, geschmiedet haben und die jetzt versuchen, diese unter Verschluss zu halten, nicht den Gefallen tun, dass sie auch dort bleiben. (Abg. Martin Graf: Wer beabsichtigt das?) Wir legen dieses System im Untersuchungsausschuss Schicht für Schicht frei, und das hilft uns allen hier im Haus, damit wir nachher die politischen Schlüsse daraus ziehen können. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Tatsächlich sind wir Grüne auch der Meinung, dass man sich, wenn so ein Geheimplan ans Tageslicht kommt, dass die sensibelsten Daten (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf) von uns allen – Steuerdaten, Gesundheitsdaten, das Firmenbuch, alles aus dem wirklich hochgeschützten Bereich des Bundesrechenzentrums – in zumindest zwei­felhafte Hände verscherbelt hätten werden sollen, bitte auch alle Fragen der Parlamenta­rier dazu gefallen lassen muss, und die haben auch ein Recht auf eine Antwort, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Wer auch ein Recht auf Antworten hat, sind die Bürgerinnen und Bürger, die Österreiche­rinnen und Österreicher, denn wenn man sich alles anschaut, was dabei passiert ist oder hätte passieren sollen oder was die alte Bundesregierung geplant hat (Abg. Martin Graf: Das war die ÖVP, nennen Sie es beim Namen!), stellt man fest, dass alle ein Hochrisiko


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hätten eingehen sollen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf), dass ihre sensi­belsten Daten, ihre privatesten Geheimnisse in private Hände kommen. Ein Datenmo­loch unter der Beteiligung des Datenhändlers Post hätte geschaffen werden sollen. Das ist ein Fakt.

Auch vier Monate nach Bekanntwerden ist es einfach nur unfassbar, wenn man sich das anhört. Weil ich finde, dass die Österreicherinnen und Österreicher sich Transparenz und auch Antworten auf die in dieser Anfrage gestellten Fragen verdient haben und dass diese nicht unter den Tisch fallen sollen, hole ich das eben jetzt nach.

Wurden Gutachten eingeholt? – Ja, es waren sogar mehrere, eines von McKinsey.

Was hat das Projekt Edelstein gekostet? – Das wissen wir auch, es sind mindestens 100 000 Euro im BMF.

Wer war alles beteiligt? – Es war das BMF, es war die Führungsriege der Post, es war das Bundeskanzleramt, aber es war nicht der Hauptbetroffene, das Bundesrechen­zentrum.

Wer hat das Projekt initiiert? – Wir wissen: Es war nicht die Post, es war nicht das Bun­desrechenzentrum, es bleiben also nur das Bundesfinanzministerium oder das Bundes­kanzleramt.

Gab es – das interessiert Sie da draußen sicher auch – irgendwelche Vorkehrungen, Gutachten oder dergleichen, damit man diese Daten im Bundesrechenzentrum schützt? – Nein, die gab es nicht, nicht einmal den klitzekleinsten Onepager.

Und ist das Projekt nach dem Datenskandal im Jänner 2019 eingestellt worden? – Nein – auch das wissen wir aus den Akten –, nur wenige Tage später ging das Projekt weiter, wenige Monate später wurde es komplett wiederaufgezogen.

All das an die Oberfläche zu bringen, war bitte die Leistung des Untersuchungsaus­schusses – von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen im Ibiza-Untersuchungsaus­schuss –, und man kann zu Recht stolz darauf sein, dass das ans Licht gekommen ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Hammerschmid.)

Was ich abschließend sagen möchte: Wenn Sie heute so tun, als ob das alles nichts gewesen wäre, und es de facto so darstellen, als habe man nur laut nachgedacht, sage ich Ihnen: Die Kosten, die Gutachten, aber auch die Zeugenaussagen sagen etwas an­deres. Im Grunde genommen: Wenn man heute das Gegenteil sagt, ist das eigentlich eine Verharmlosung eines Hochrisikoplans – eines Hochrisikoplans, dass man die Da­tenachillesferse der Republik, unser aller privateste Geheimnisse an den Datenhändler Post verkaufen wollte. Es hat auch nichts mit bürgernaher Politik zu tun, wenn man nicht alle Karten offenlegt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.


15.33.06

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! (Abg. Martin Graf: Wer war’s jetzt?) Wenn man sich diese Anfragebeantwortung durchliest, kann man eigentlich nur sagen – die Kollegen davor haben es schon ausgeführt –: Beantwortet ist diese Anfrage bei Weitem nicht worden. Ich darf mich bei Kollegin Tomaselli bedanken, die die Aufgabe des Finanzministers übernommen hat, die Fragen zu beantworten. Was schon bezeichnend ist, ist, dass das nicht zum ersten Mal in Ihrem Ressort und nicht zum ersten Mal generell vorkommt, wenn man sich die Regierungsmitglieder der ÖVP anschaut.


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Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit vielen Ressorts, insbesondere auch beispiels­weise bei Frau Bundesministerin Tanner: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich eine ordentlich beantwortete Anfrage, eine Beantwortung, mit der man auch etwas anfangen kann, zurückbekommen hätte – dass man auf ganz einfache Fragen etwas zurückbe­kommt und sagt: Das ist die Antwort darauf. – Dann könnten wir als Opposition bezie­hungsweise als Parlament insgesamt etwas daraus machen. Es wäre wichtig, dass auch die Grünen den Druck auf die ÖVP, dass die Anfragebeantwortungen endlich geliefert werden, stärker erhöhen.

Wenn die ÖVP so mit den Daten der Österreicherinnen und Österreicher umgehen würde, wie sie es anscheinend mit ihren eigenen Machenschaften tut – das sieht man ja bei dieser Anfragebeantwortung, in der versucht wird, Dinge nicht hochkommen zu lassen –, wäre es besser um die Daten der Bürgerinnen und Bürger in Österreich be­stellt, als es das jetzt ist.

Wir haben ja nicht das erste Mal in den letzten Monaten die Situation, dass leichtsinnig, wenn nicht sogar fahrlässig damit umgegangen wird. Ich darf an den Fall des Ergän­zungsregisters vor wenigen Monaten erinnern, bei dem eine Million Datensätze über Jahre hinweg im Internet frei abrufbar waren. Wer war dafür verantwortlich? – Ein ÖVP-Minister, oder in diesem Fall eine ÖVP-Ministerin.

Ich darf an das Bundesministerium für Inneres erinnern: Vor wenigen Monaten hatten wir den Skandal, dass über die GIS die gesamten Daten des ZMR abrufbar waren und im Darknet zum Verkauf angeboten wurden. Wer war dafür verantwortlich? – Natürlich ein ÖVP-Minister.

Wir hatten den Fall um den Familienhärteausgleich: Auch in diesem Fall ist es dazu gekommen, dass Hunderte private Daten von Betroffenen – und da ging es sogar um den Iban, also Kontodaten – einfach per E-Mail an irgendwelche anderen Personen ver­schickt wurden. Das war das Familienministerium, natürlich – Sie können einmal raten – unter ÖVP-Führung.

So geht die ÖVP mit unseren Daten um, und dann kommt noch heraus, dass die ÖVP sie sogar verkaufen will – um wenig Geld, wie aus den Akten sehr eindeutig hervorgeht. Es ging nicht darum, ein Geschäft damit zu machen, sondern es ging nur darum, sie irgendwie zu verkaufen. Man stellt sich schon die Frage, warum. Warum will die ÖVP das eigentlich? Ich habe eine aus meiner Sicht sehr treffende Erklärung dafür. Die ÖVP kann eine Sache gut: Sie kann selber gut mit Daten umgehen. Es gibt kaum eine Partei in Österreich, die ihr Campaigning so stark auf Daten aufgebaut hat. Im BRZ liegen na­türlich nicht uninteressante Daten: Krankenakten, Elga, Finanzdaten – alles Mögliche liegt dort. Das ist für eine Kampagne nicht so uninteressant. Ich bin mir sehr sicher, dass es eigentlich darum ging, diese Daten mit der Post zuerst in die Privatwirtschaft zu brin­gen, um sie dann selber einzukaufen – wahrscheinlich noch zu einem sehr, sehr günsti­gen Preis –, um damit Kampagnen zu steuern und die Republik noch stärker in die eige­nen Hände zu bekommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Sache ist der ÖVP nämlich sehr bewusst: Daten sind gleich Macht. Eine Sache hat die ÖVP über die letzten Jahre immer wieder bewiesen: Wenn es um Macht geht, ist sie skrupellos, und dann geht es weiter. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine wunderschöne Diskussion gab es ja über die letzten Monate auch darüber, wer denn davon wusste. Da hat es ja dann vom Bundeskanzler geheißen: Ich habe das noch nie gehört, ich habe es irgendwo einmal in den Medien gelesen. – Mittlerweile ist es klar: Wissen Sie, wer es wusste? Wissen Sie, wer integraler Bestandteil dieser Arbeitsgruppe war? – Herr Bonelli. Wir wissen alle, wer Herr Bonelli ist. Herr Bonelli ist einer der engs­ten Verbündeten von Sebastian Kurz, und der Bundeskanzler will uns weismachen, dass er von all dem nichts weiß. – Natürlich wusste er davon. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


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Aus meiner Sicht ist ganz klar: Die ÖVP wollte mit dieser Operation Edelstein die Edel­steine der Republik, der Bürgerinnen und Bürger verkaufen, um die eigene Macht zu erhalten. Sie, Herr Finanzminister, haben das in der Anfrage einfach nicht beantwortet. Sie haben einfach gesagt: Es ist ohnehin alles gut, alles ist super. Wir beantworten das nicht, weil wir es nicht dürfen. – Das ist sehr, sehr fahrlässig. Deswegen bringe ich fol­genden Antrag ein:

Antrag gemäß § 92 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Christian Hafenecker, MA, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Beantwortung 2509/AB der Anfrage 2509/J der Abgeordneten Mag. Christian Dro­bits und GenossInnen, betreffend ‚Projekt ‚Edelstein‘ – geplante (Teil)Privatisierung des Bundesrechenzentrums durch den Bundesminister für Finanzen wird nicht zur Kenntnis genommen.“

*****

(Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass die ÖVP beginnt, einerseits mit Daten ordentlich umzugehen und andererseits auch dieses Haus zu respektieren und Anfragen endlich so zu beantworten, wie es dieses Haus auch verdient hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.38


15.38.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, ist die Debatte geschlossen und wir ge­langen zur Abstimmung.

Ich frage vor der Abstimmung: Können wir mit der Abstimmung beginnen? (Ruf bei der SPÖ: Sitzt eh keiner mehr auf der Galerie, Herr Präsident!) Wir haben in der Präsidiale vereinbart, dass wir die Klubobleute fragen, ob wir abstimmen können. SPÖ? Grüne? FPÖ? – Ja.

Dann gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dro­bits, Hafenecker, Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeant­wortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die sich für diesen Antrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

15.39.533. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (232 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (291 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte wieder auf und komme zu Tagesordnungspunkt 3.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.



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15.40.17

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt einen thematischen Wechsel. Wir befinden uns in der Debatte über das Gesundheitstelematik­gesetz, den darin geregelten elektronischen Impfpass und das zentrale Impfregister. So groß ist der inhaltliche Sprung zur gerade vorbeigegangenen kurzen Debatte gar nicht, denn auch in der vorangegangenen Debatte ist es um Datensicherheit, um den Wert von Daten, um den Schutz von Daten vor Verkauf gegangen.

Wir haben unter Bundesministerin Hartinger-Klein bereits 2018 mit der Ausarbeitung des elektronischen Impfpasses begonnen, schlicht und ergreifend aus dem Grund, dass moderne digitale Anwendungen den Informationsstand im Gesundheitswesen, vor allem auch im Gesundheitsministerium, über die Durchimpfungsraten, über die Wirksamkeit von Impfkonzepten deutlich erhöhen und der bisherige Verwaltungsstandard, der klas­sische Impfpass, der zu stempeln und zu picken war, sehr häufig verloren gegangen ist und in keinster Weise irgendwo zentral erfasst war.

Nun wurde aus dieser durchaus brauchbaren Idee einer fortschrittlichen Digitalisierung, die den Bürgern eigentlich helfen sollte, erneut etwas, das wir Freiheitliche ablehnen, nämlich ein Datenmoloch in Form eines zentralen Impfregisters, das eine Unzahl von Daten speichert, die aus unserer Sicht gar nicht erforderlich sind, um das primäre Ziel dieses elektronischen Impfpasses zu erfüllen. Ich darf Ihnen nur einmal vorlesen, denn vielleicht hat der eine oder andere diese Vorlage nicht so exakt gelesen, welche Daten da alle gespeichert werden sollen:

Die Angaben zu Bürgerinnen und Bürgern sollen enthalten: „Name, Geburtsdatum, Ge­schlecht, Wohnadresse, Angaben zur Erreichbarkeit, Angaben zu einer allfälligen Vertre­tung, Sozialversicherungsnummer, bereichsspezifisches Personenkennzeichen Ge­sundheit, Gemeindecode, Titerbestimmung, impfrelevante Vorerkrankungen und beson­dere Impfindikationen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diese Kritik bereits im Ausschuss angebracht. Diese Form der Datensammlung, dieser zusätzliche Datenmoloch, der da in Form des zentralen Impfregisters geschaffen wird, ist vom Inhaltlichen her viel zu weit­reichend und wird deshalb von uns – wenig überraschend – abgelehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schall­meiner. – Bitte.


15.42.32

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Im Juni dieses Jahres haben wir uns gedacht, na ja, jetzt wäre es dann Zeit, dass wir einmal wegen der FSME-Impfungen unserer Kinder schauen. Wir glauben, es wäre jetzt in etwa wieder Zeit, und wir haben dann eben zu Hause herum­gesucht und dann irgendwann einmal auch den Impfpass gefunden. Der ist dann halt – so, wie so oft – genau in der letzten Schublade, in der man nachschaut. Wir sind dann draufgekommen: Upsiwupsi, wir haben es nicht nur für ein paar Tage oder ein paar Wo­chen vergessen, eine Auffrischungsimpfung bei unseren Kindern vorzunehmen, sondern wir haben es bei dem einen Kind um drei Jahre und beim anderen Kind um fünf Jahre verpasst.

So etwas passiert dann, wenn man im Endeffekt das Ganze nicht wirklich im Griff hat und wenn man das Ganze nicht im Blickfeld hat. Und das passiert nicht nur mir, sondern


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das passiert sehr, sehr vielen Eltern, und es passiert natürlich nicht nur bei den Kindern, sondern es passiert einfach jedem und jeder in diesem Land. Das ist ganz normal, so etwas vergisst man ganz gerne.

Der E-Impfpass ist eine Möglichkeit, das in Zukunft für jeden und jede von uns besser in den Griff zu bekommen, indem man dann vielleicht auch daran erinnert wird, beispiels­weise eben eine Auffrischungsimpfung machen zu lassen. Das ist eine gute Geschichte und aus unserer Sicht dementsprechend auch positiv.

Was Kollege Kaniak gerade angesprochen hat, dieses Sammeln von Daten: Na ja, wir wissen bis heute nicht wirklich, wie die Durchimpfungsrate bei sehr, sehr vielen Krank­heiten in diesem Land ist. Wir wissen nicht, wie viele Menschen in Österreich wirklich noch gegen Masern geimpft sind. Wir wissen nicht, wie es bei Keuchhusten, HPV et cetera ausschaut – einfach deshalb, weil uns die Daten dafür fehlen. Hier können wir anonym Daten erheben, ohne die persönliche Freiheit von jedem oder jeder Einzelnen anzugreifen.

Mir ist auch noch sehr wichtig, dass der E-Impfpass – auch wenn in den sozialen Medien manchmal so getan wird, als ob das das Hintertürl für eine allgemeine Impfpflicht wäre – natürlich keine allgemeine Impfpflicht bedeutet. Wir haben uns alle miteinander dagegen ausgesprochen, wir haben es auch heute bei den Redebeiträgen zu den Tagesord­nungspunkten 1 und 2 bereits von allen Seiten schon einmal gehört, und ich möchte es auch hier noch einmal festhalten: Es wird keine allgemeine Impfpflicht geben, auch und gerade nicht wegen des E-Impfpasses.

Beim E-Impfpass gibt es keine Opt-out-Möglichkeit, das stimmt, aber die habe ich auch beim Papierimpfpass nicht gehabt. Diesen habe ich bekommen, und wenn ich ihn gefüllt habe, habe ich ihn gefüllt, und wenn ich ihn nicht gefüllt habe, habe ich es nicht getan. Und beim E-Impfpass ist es genau dasselbe. Hören wir also bitte auf, hier wieder mit trumpistischen Ausritten zu versuchen, der Bevölkerung draußen etwas aufzubinden, was nicht Sache ist, sondern kehren wir wieder zu den Fakten zurück!

Ich würde mir wünschen, dass heute vielleicht einmal alle fünf Parteien gemeinsam dem Ganzen zustimmen. Vielleicht kann sich ja die FPÖ doch wieder einmal auf Faktenlagen beziehen und dann doch noch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.


15.45.35

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, die Geschichte von Herrn Kollegen Schallmeiner hat recht anschaulich ver­deutlicht, wie es in der gelebten Praxis ausschaut. Ich glaube, viele von uns haben Pro­bleme, auf einen Griff den Impfpass zu finden. Viele von uns sind sich wahrscheinlich nicht ganz hundertprozentig sicher, ob wirklich alle Impfungen eingetragen sind. Viele von uns haben vielleicht auch mehr als einen Impfpass. Und all diese Probleme löst der elektronische Impfpass.

Man sollte aber auch auf den wichtigen Aspekt hinweisen, dass Impfen etwas ist, das vorbeugt. Die WHO schätzt, dass dadurch, dass geimpft wird, ungefähr 2 bis 3 Millionen Menschen im Jahr weniger sterben, und wir könnten noch viel mehr Menschen das Le­ben retten, wenn wir die Durchimpfungsrate erhöhen würden. Die WHO spricht da von circa 1,5 Millionen Menschen.

Kollege Schallmeiner hat aber auch einen wesentlichen Aspekt angesprochen, es geht um das Vertrauen der Menschen in die Impfung. Jetzt wissen wir, dass Menschen, die


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sich impfen lassen, in unserer Gesellschaft so etwas wie ein Schutzschild sind, der be­wirkt, dass sich Epidemien weniger gut verbreiten können, dass gefährliche Krankheiten wie Masern in Österreich beinahe gänzlich ausgestorben sind. Menschen, die sich imp­fen lassen, schützen auch die Menschen, die nicht geimpft sind. Darum ist es so wichtig, dass wir in der Bevölkerung ein hohes Vertrauen haben, wenn es ums Impfen geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt richtet sich natürlich bei der Coronapandemie die eine Hoffnung, um sie bekämpfen zu können, auf einen wirksamen Impfstoff. Ich sage einmal, Bilder, auf denen ein russi­scher Präsident seine Tochter schnell einmal impfen lässt, um zu beweisen, dass das Mittel ungefährlich ist, stärken nicht das Vertrauen der Menschen, dass das wirklich ge­scheit ist.

Darum ist es wichtig, hier wirklich um das Vertrauen der Menschen zu kämpfen, dafür zu sorgen, dass alles gut abgesichert ist. Ich habe dabei ein bissel eine Befürchtung, denn wenn wir das heurige Jahr Revue passieren lassen, erkennen wir, dass vom Bun­deskanzler eine durchaus sinnvolle Contacttracingapp am Altar des politischen Alltagsle­bens geopfert worden ist, dass eine sinnvolle Ampellösung ebenfalls vom Bundeskanz­ler abgeschossen wurde. Ich möchte nicht erleben, dass eine sinnvolle Impflösung, die uns helfen würde, die Covid-Pandemie zu begrenzen, ebenfalls vom Bundeskanzler ab­geschossen wird.

Achten wir darauf, das Vertrauen, das die Bevölkerung in Impfungen hat, nicht zu er­schüttern! Es ist ein wichtiges Gut, das wir haben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxin­ger. – Bitte.


15.48.30

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich frage Patientinnen und Patienten in der Ambulanz bei Verbrennungen immer, ob sie gegen Wundstarrkrampf, Tetanus geimpft seien, und bei Zeckenstichen, ob ein ausreichender Impfschutz gegen Gehirnhautentzündung, die durch FSME-Viren und Ze­cken übertragen wird, vorhanden ist. Wissen Sie, was ich oft als Antwort erhalte? – Ich weiß es nicht, ich habe meinen Impfpass verloren, ich finde ihn nicht mehr. Was tun?

Auch im privaten Bereich einer mehrköpfigen Familie stand oft schon die Frage im Raum, ob der FSME-Impfschutz noch ausreiche und wo denn der papierene Impfpass sei. Eine fieberhafte Suche war die Folge. Der Gipfel an Skurrilität war vor einer Woche ein 60-jähriger Mann, der gemeint hat, der Impfpass sei noch zu Hause bei den Eltern, wo er vor 25 Jahren ausgezogen sei. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist jetzt Gott sei Dank vorbei!

Nach jahrelangem Tauziehen, mühsamen Kämpfen und unendlichen Diskussionen kann man nun die Geburt des elektronischen Impfpasses verkünden. Die Impfpassschwan­gerschaft dauerte viele Jahre und war und ist von heftigen Geburtswehen begleitet, und der klassische gelbe oder gar uralte graue Impfpass in Papierform hat ausgedient.

Die rechtlichen Grundlagen für einen elektronischen Impfpass schafft nun eine Novelle zum Gesundheitstelematikgesetz, die wir heute hoffentlich mehrheitlich beschließen. Der papierbasierte Impfpass entspricht aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Gesundheitswesen.

Wir haben schon erwähnt: Zum Beispiel ist die Dokumentation des Impfstoffes einer Person häufig unvollständig. Weiters geht aus dem papierbasierten Impfpass oftmals nicht hervor, gegen welche Erreger die erhaltenen Impfungen schützen und ob der jewei­lige Schutz noch aufrecht ist. Auch die Kenntnis einer Durchimpfungsrate ist derzeit


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mangels Datenbasis nicht möglich. Wir schätzen, dass die Durchimpfungsrate bei der Grippe zwischen 8 und 10 Prozent liegt.

Die Vorteile sind nun mannigfaltig. Wir hoffen natürlich, dass es zu einer Steigerung der Durchimpfungsrate kommt, dass Mehrfachimpfungen verhindert werden und dass wir erstmals valide Zahlen zur Durchimpfungsrate erhalten.

Keine Angst – und ich sage es laut und klar, wie alle meine Vorredner –, es wird keine Impfpflicht geben. Natürlich versuchen wir aber, möglichst viele Menschen von der Sinn­haftigkeit der Impfungen zu überzeugen, weil es dem Einzelnen und auch der Gesell­schaft hilft. Überlegen Sie, warum wir in den letzten Jahrzehnten generell viel älter wer­den! Es gibt mehrere Gründe: die gesündere Lebensweise, humanere Arbeitsbedingun­gen, bessere soziale Fürsorge, medizinischer Fortschritt, und dazu gehören auch, ganz wesentlich, Impfungen.

Ich persönlich lasse mich seit vielen Jahren jährlich gegen Grippe impfen und werde natürlich auch von einem in Europa zugelassenen sicheren Covid-Impfstoff Gebrauch machen. Ein zentrales Ziel des Impfpasses ist auch die Erinnerungsfunktion. Ist es denn nicht herrlich, dass man per Handy an eine Impfung erinnert wird? Der Impfpass soll mit einem zentralen Impfregister verbunden werden, und die bestehenden Systeme der Lan­dessanitätsdirektionen werden auch angeschlossen.

Zur Beruhigung der Datenschützer: Es ist datenschutzrechtlich unproblematisch, da nur auf den Impfpass zugegriffen werden kann und nicht zwangsweise auch auf die Elga. Und was ist nach dem Tod? – Die gespeicherten Daten sind zehn Jahre nach dem Ster­bedatum zu löschen.

Der Papierimpfpass ist zukünftig also nicht mehr notwendig. Es soll auch eine Verknüp­fung mit dem nationalen österreichischen Impfplan erfolgen. Ich sehe insgesamt ein Plus an Qualität in der Gesundheitsversorgung und ein Service für Patientinnen und Patienten sowie für die Ärzteschaft. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis man elektronisch an Impfungen erinnert wird.

Ich möchte dazu folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematik­gesetz 2012 geändert wird (232 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (291 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberich­tes 291 d.B. wird wie folgt geändert:

In Z 74 wird in § 32 die Zeichenfolge „...“ durch den Ausdruck „2020/422/A“ ersetzt.

*****

Es ist gut, dass der elektronische Impfpass endlich kommt. Nützen wir ihn alle! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordentlich eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.



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15.53.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Wenn Sie im österreichischen Gesundheitssystem etwas weiter­bringen wollen, brauchen Sie einen langen Atem. Unser NEOS-Antrag auf einen elektro­nischen Impfpass ist im ersten Gesundheitsausschuss der damaligen schwarz-blauen Regierung beschlossen worden, und jetzt kommt dieses Gesetz endlich daher; aber selbst da hat es der grüne Gesundheitsminister noch geschafft, eine Bestimmung hinein­zutheatern, die beinahe den gesamten Datenschutz des Elga-Systems ausgehebelt hät­te, wenn es nicht noch rechtzeitig vor dem Ausschuss einen medialen Aufschrei gegeben hätte.

Gut, nun kriegen wir endlich diesen elektronischen Impfpass. Die Vorteile sind geschil­dert worden und dem schließe ich mich an. Man muss aber auch sagen, dass der Mi­nister von der Pendeluhr, Herr Anschober, manche Dinge nicht zuwege bringt, die ganz einfach zuwege zu bringen wären und von denen die Bevölkerung glaubt, das wäre so. Dass man positive PCR-Testergebnisse immer noch nicht in Elga hat und dass der Bür­germeister, nicht aber der Arzt informiert wird, wenn ein Gemeindebürger positiv getestet ist, ist völlig absurd.

Da funktioniert die Kommunikation zwischen Ministerium und Elga-GmbH nicht. Sie soll­ten, glaube ich, einmal ein Auge darauf werfen, wo dort der Hund begraben liegt. Es wäre nämlich technisch sehr vieles möglich, das wir einfach nicht tun. Stattdessen ver­suchen wir hochkompliziert mit einer Krücke, die Daten der PCR-Tests irgendwie zu er­fassen und irgendwie eine Übersicht zu bekommen. Das alles könnte man in der Elek­tronischen Gesundheitsakte haben, aber wir haben es nicht. Vielleicht bereiten Sie es vor, denn vielleicht brauchen wir es für die nächste Pandemie. Vorher schaffen Sie es bei diesem Arbeitstempo eh nicht. (Beifall bei den NEOS.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.


15.55.26

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Hohes Haus! Zu diesem Punkt ist bereits von meinen Vorrednern vieles gesagt worden. Das Gesundheitstelematikgesetz aus dem Jahre 2012, das heute novelliert wird, ebnet eigentlich den Weg für den elektronischen Impfpass.

Bereits 2017 ist unter dem Vorsitz von Dr. Pamela Rendi-Wagner in der Bundes-Ziel­steuerungskommission mit Sozialversicherung und Ländern die Weiche für diese Mög­lichkeit gestellt worden. Aus meiner Sicht ist der Kernpunkt dieser Regelung ganz klar: Diese Regelung sieht vor, dass es eine Impfversorgung gibt, die nunmehr lückenlos, einheitlich, flächendeckend und digital erfolgt. Auch die Dokumentation der Impfungen im Interesse der Patientinnen und Patienten ist gesichert.

Meine Kritik erfolgt nur aus Sicht des Datenschützers. Ich sitze wie auch mein Nachred­ner, Kollege Ofenauer, im Datenschutzrat, und wir haben bereits im Jänner eine kurze Stellungnahme abgegeben und dabei auf die datenschutzrechtlichen Bedenken hinge­wiesen. Die Bedenken blieben trotz neuerlicher Vorlage eines Entwurfes – wir waren im Sommer eine Zeit lang gar nicht eingebunden – im Rahmen der Notifikation bestehen.

Ich möchte insbesondere auf das fehlende Widerspruchsrecht im Hinblick auf die E-Me­dikation – bei der es besteht – hinweisen, aber auch auf die Zugriffsmöglichkeit der Apo­theken auf die Impfdaten, obwohl eigentlich nur die Möglichkeit einer Impfberatung be­steht.

Mein persönlicher Kritikpunkt, der übrig bleibt, ist die Datensicherheit. Ich habe das be­reits im Gesundheitsausschuss gegenüber unserem Bundesminister Anschober erwähnt.


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Es wurde mir zugesichert, dass es ein Sicherheitskonzept geben wird. Mir ist es bis dato nicht bekannt.

Ich weise nochmals darauf hin, dass eine aktive Missbrauchssituation verhindert werden soll. Aus diesem Grund muss ein Sicherheitskonzept vorliegen und auch die Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen muss gewährleistet werden. Ich kann derzeit nicht mit Ge­wissheit behaupten, dass, obwohl sie eigentlich vorhanden sein müssten, sämtliche Si­cherheitskonzepte der Ärzte bereits seitens des Gesundheitsministeriums überprüft wurden. Deshalb bitte ich, zu beachten: Datenschutz im Bereich der Sicherheitspolitik ist wichtig.

Abschließend noch zum Pilotbetrieb von einem Jahr: Nach Ablauf dieses Jahres ist grundsätzlich die Evaluierung vorgesehen, bevor der Vollbetrieb im Jahr 2023 anläuft. Ich würde bitten, uns im Datenschutzbereich dann auch wieder einzubeziehen, nämlich im Sinne einer Begutachtung. Ich würde auch darum ersuchen, eventuell die Aufnahme der Schadensfälle im Bereich der Impfungen, also die Impfschäden, in das Register zu diskutieren und nochmals die Löschung der Daten zu evaluieren. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tanda. – Bitte.


15.58.50

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Plenum! Die Digitalisierung hat längst unser Gesundheitssystem erreicht. Das aktuelle Gesetz ist diesbezüglich nur eine notwendige Neuerung.

Diverse Gesundheitsapps erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Vom einfachen Schrittzähler bis zum Heart-Rate-Messer, Schlafmesser gibt es viele Apps, die Men­schen freiwillig auf ihren Handys installieren, Apps, die Daten in eine Cloud laden, so­dass sie überall verfügbar sind. All das gibt es längst. Auch gibt es bereits Pilotprojekte zur Rehabilitation von Menschen mit Herzschwäche, die mittels eines telemedizinischen Betreuungsprogramms und Trainingsprogramms überwacht werden, wie zum Beispiel Herzmobil in Tirol und Herzmobil in der Steiermark.

Die Änderung des Gesundheitstelematikgesetzes war somit eine dringend notwendige Anpassung an die digitalen Gegebenheiten unserer Zeit. Die Schaffung einer Rechts­grundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zum Zweck der Evaluie­rung und zur Nutzung digitaler Gesundheitssysteme erlaubt nun die Einführung des elek­tronischen Impfpasses, von dem meine Vorredner schon alle gesprochen haben.

Der elektronische Impfpass wird nach einer einjährigen Testphase österreichweit ausge­rollt und ermöglicht eine durchgängige und vollständige Dokumentation des Impfstatus. Wie oft passiert es, wie wir schon von Kollegen Saxinger gehört haben, dass man seinen Impfpass nicht findet? Meiner ist altersbedingt noch graubraun. Ich weiß seine Farbe, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung mehr, wo er liegt, dafür habe ich zwei weitere gelbe irgendwo herumliegen. Ich bin sicher nicht die Einzige – oder erinnern wir uns wirklich alle noch an jedes Datum einer Auffrischungsimpfung, oder daran, wann man die letzte Tetanusimpfung hatte? Muss ich mich nun bei jeder Verletzung, wenn ich in die Klinik fahre, gegen Tetanus impfen lassen und alles wiederholen? Der elektronische Impfpass erleichtert daher nicht nur einem selbst den Überblick über den eigenen Impf­status, sondern er erinnert einen auch daran, wann die nächste Impfung fällig ist. Mich persönlich und auch sicher viele andere unterstützt das sehr.

Das so entstehende zentrale Impfregister dient der Dokumentation aller Impfungen und ermöglicht so auch valide Aussagen über Durchimpfungsraten. Durch die Schaffung


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dieser Datengrundlage sind Impflücken in der Bevölkerung einfacher feststellbar und Mehrfachimpfungen können verhindert werden.

Auch den Bedenken wegen des Datenschutzes hinsichtlich der großen Datengrundlage wurde durch den Abänderungsantrag Rechnung getragen. Der Zugriff erfolgt, wie wir heute schon gehört haben, ausschließlich auf die Impfdaten der Person und nie auf die gesamten Elga-Daten. Wir wundern uns ja auch nicht alle über unser Pensionskonto und wehren uns nicht dagegen – auch dort werden die Daten personalisiert erfasst, sie wer­den aber nicht für alle zugänglich und abrufbar sein. So wird es auch bei diesen Daten sein: Nur der Arzt kann personalisiert abfragen.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass diese Novelle des Gesundheitstelema­tikgesetzes nicht nur den Weg für den elektronischen Impfpass ebnet, sondern generell eine Rechtsgrundlage für Weiterentwicklungen von E-Health-Anwendungen schafft – und das ist dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Nuss­baum. – Bitte.


16.02.38

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich persönlich sehr, dass es nach über zwei Jahren gelungen ist, den elektronischen Impfpass auf den Weg zu bringen. Bei der ursprünglichen Beschlussfassung in der Bundes-Zielsteuerungskom­mission, bei den Vorarbeiten, habe ich noch in einer anderen Funktion mitwirken dürfen. Die Digitalisierung schreitet voran – und gerade in der Medizin ist das, glaube ich, gut, wie man beim elektronischen Impfpass sieht, da dieser für uns Bürgerinnen und Bürger einfach enorme Erleichterungen bringen wird.

Der bisherige Papierimpfpass geht oft verloren. Man weiß nicht, wann man eine Auffri­schungsimpfung braucht, ob der Impfschutz überhaupt noch aufrecht ist und gegen wel­che Erreger die erhaltenen Impfungen überhaupt schützen sollten. Auch wenn man ins Spital kommt, hat man seinen Impfpass natürlich nicht mit. Mehrfachimpfungen könnten durch den elektronischen Impfpass vermieden werden. Bei all diesen positiven Belangen für den elektronischen Impfpass ist aber wichtig, dass man schon schauen muss, dass auch ein Sicherheitskonzept vorliegt, denn die Sicherheit der Patientinnen und Patienten soll natürlich immer das höchste Gebot sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch die Coronapandemie haben die Impfgegner wieder viel Aufwind und Aufmerksam­keit erhalten. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Impfungen wieder zu bewer­ben, eine Kampagne zu starten. Erinnern wir uns an die seinerzeitigen FSME-, an die Zeckenimpfkampagnen, mit denen immer wieder dafür geworben worden ist, sich impfen zu lassen.

Mit dem elektronischen Impfpass wird es auch möglich sein, dass man die Durchimp­fungsrate erhöht, besser gesagt: überhaupt einmal sieht, wie viel Durchimpfung in Öster­reich gegeben ist; denn wir hätten schon viele Krankheiten längst besiegen können, Stichwort: Masernausbrüche, von denen man immer wieder hört.

Wesentlich für uns ist es vor allem, dass es einen niederschwelligen Zugang zu Impfun­gen gibt und auch flächendeckend Gratisimpfprogramme angeboten werden. Wir sehen das derzeit: Die Stadt Wien hat dies bezüglich Grippeimpfungen schon bekannt gege­ben. Aus unserer Sicht – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – wäre es natürlich aufgrund des hohen Ansehens in der Bevölkerung auch sehr gut, dass Apothekerinnen und Apotheker auch Impfungen durchführen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.)


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Wir von der SPÖ begrüßen daher die Einführung des elektronischen Impfpasses. Damit dieser aber ein Erfolg wird, braucht es ein durchdachtes Sicherheitskonzept im Bereich des Datenschutzes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05


16.05.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, frage ich, ob wir dafür bereit sind. SPÖ? – Okay. ÖVP? – Dann darf ich zur Abstimmung kommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 291 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmei­ner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Ga­briela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ziffer 74.

Ich bitte die Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wieder die Mehrheit, mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ange­nommen.

16.07.364. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III­77/260 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung. 

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


16.08.10

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte MinisterInnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte in meiner Rede zum Sozialbericht 2019 das Thema Armut in den Fokus stellen. Knapp 17 Prozent der in Österreich lebenden Menschen, das sind 1,5 Millionen Personen, sind laut Armutskonferenz in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, und die Mehr­heit davon sind Frauen. Armut in Österreich ist damit weiblich.


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Wieso ist das so? – Das ist eine rhetorische Frage. Wir alle, die wir hier sitzen, kennen die Gründe, wieso das so ist. Auf mangelnde Lohntransparenz folgt der Lohnunter­schied, der sogenannte Genderpaygap, der führt direkt in den Genderpensiongap. Dazu kommt die eklatant ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern und auch ein Mangel an Kinderbetreuung. Teilzeitangestellte, Al­leinerziehende und auch allein lebende Frauen sind außerdem besonders armutsge­fährdet.

Erst in der Vorwoche hat die Statistik Austria aktuelle Zahlen präsentiert. Ich mag Ihnen diese gerne in Erinnerung rufen, sie sind sehr besorgniserregend in ihrer Ausdrucks­stärke und auch wert, gehört zu werden. Die erste Zahl: Das Bruttoeinkommen von Frau­en in Österreich liegt auch im Jahr 2020 noch immer 17 Prozent unter jenem von Män­nern. 17 Prozent! Die zweite Zahl: Frauen erhalten durchschnittlich um 42 Prozent weni­ger Pension als Männer. Das heißt in der Realität, eine Frau kriegt im Durchschnitt 951 Euro Pension, ein Mann hingegen 1 905 Euro. Lassen Sie diese Zahlen einmal ei­nen Moment auf sich wirken: 951, 1 905!

Ich frage Sie: Finden Sie das fair? Gibt es irgendjemanden hier im Saal, der das fair findet? – Nein, und das ist gut so. Dann besteht hier – das halte ich fest – Konsens darü­ber, dass wir das nicht fair finden und dass wir gemeinsam etwas gegen diese ge­schlechtsspezifische Diskriminierung tun müssen (Beifall bei den Grünen), nämlich alle, die wir hier sitzen, unabhängig von den Parteifarben, weil Altersarmut in Österreich nicht rot, nicht grün, nicht pink, nicht blau und nicht schwarz ist, sondern eine traurige und eine beschämende Realität, sehr geehrte Damen und Herren. Wir alle sind dafür gewählt worden, das zu ändern, und das müssen wir schleunigst tun.

Was können wir tun? Was müssen wir tun, um das zu ändern? Auch das – Sie werden es vielleicht schon ahnen – ist eine rhetorische Frage, weil wir genau wissen, was wir tun müssen. Wir kennen ja alle Hebel. Wir sagen uns das vor, jedes Jahr aufs Neue. Weil wir wissen, wo wir ansetzen müssen, sind wir auch mit dem Koalitionspartner in aktuellen Gesprächen bezüglich eines Maßnahmenpakets gegen Altersarmut von Frau­en, mit dem wir die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen stärken und damit Frauen vor Armut im Alter schützen wollen.

Was sind die Eckpunkte in diesem Maßnahmenpaket, über das wir derzeit reden? – Ers­tens Lohntransparenz, zweitens zeitgemäße Eltern- und PartnerInnenteilzeitmodelle, drittens das Pensionssplitting und viertens vor allem auch der flächendeckende Ausbau von leistbarer Kinderbetreuung.

Wir Grüne freuen uns – selbstredend – natürlich sehr über den gestrigen Vorstoß der Sozialpartnerinnen und Sozialpartner und ihre Forderung nach einem flächendeckenden qualitätsvollen Ausbau der Kinderbetreuung. Das ist eine langjährige Forderung der Grünen, und je eher wir da Nägel mit Köpfen machen, desto besser. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Herr.)

Wieso ist uns das so wichtig? – Weil wir wissen, dass Kinderbetreuung eine entschei­dende Voraussetzung dafür ist, dass Frauen das Ausmaß ihrer Erwerbstätigkeit frei ent­scheiden können und nicht aus der Teilzeitfalle direkt in die Altersarmut rutschen. Des­wegen ist uns das wichtig. Deswegen sind wir wie gesagt mit dem Koalitionspartner in Gesprächen. Ich werde als Frauensprecherin meiner Fraktion auch mit allen Frauen­sprecherInnen hier im Nationalrat Gespräche suchen, weil das Thema so wichtig ist und wir alle an einem Strang ziehen müssen.

Ich habe nicht mehr viel Redezeit, aber ich möchte mit einer etwas persönlicheren Er­zählung abschließen, sehr geehrte Damen und Herren. Ich habe vor längerer Zeit mit meinem Neffen gesprochen; er ist 14 Jahre alt. Er hat mir ein Foto von seiner Klasse gezeigt und mich gefragt, ob es stimmt, dass die Mädchen in dieser Klasse später einmal


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weniger als die Buben verdienen werden. Wenn das nämlich tatsächlich so sei – das habe er in einer Zeitung gelesen –, dann sei das total unfair; das ist ein Zitat.

Er hat recht. Das ist total unfair. Es liegt an uns, das zu ändern. Machen wir es bitte! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.


16.12.39

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! So wie wir heute bis jetzt Themen und Anträge aus dem Gesundheitsausschuss behandelt haben, bei denen es um die Siche­rung der Gesundheit der Bevölkerung in Österreich geht, haben wir auch Verantwortung zu übernehmen, wenn es um die soziale Sicherheit der Menschen in unserem Land geht.

Wir behandeln nun den Sozialbericht 2019, der einen Rückblick auf die Tätigkeiten in der Sozialpolitik gibt. Nicht alles, was in diesem Hohen Haus in den Jahren 2017 und 2018 beschlossen wurde, war gerade von guter Sozialpolitik geprägt. (Abg. Wurm: Wa­rum?) Ich erinnere nur an zwei Beispiele: Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Wo­che, beschlossen von Schwarz-Blau, haben weder etwas mit Gesundheit noch mit So­zialem zu tun (Zwischenruf bei der ÖVP); oder auch dieses Sozialhilfegesetz Neu, Herr Sozialminister, bei dem der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile aufgehoben hat (Abg. Wurm: Drei!) – Sie haben bis heute noch nicht diese Änderungen, die Verbesse­rungen herbeigeführt.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, diesen Sozialbericht zum Anlass zu nehmen, um einen Vergleich zu ziehen, zum Beispiel zwischen der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit. 2018 gab es eine Rekordbeschäftigung mit einer Arbeitslosenrate von 7,7 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Reifenberger.) Nun gibt es eine Rekordarbeitslosigkeit mit 400 000 Menschen ohne Job, und Experten, auch im AMS, melden sich zu Wort, sie befürchten bis zu 800 000 Menschen ohne Job im Frühjahr. Dazu kommt eine riesige Pleitewelle. Dazu kommt, dass diese Bundesregierung die Jugendarbeitslosigkeit nicht so ernst nimmt, wie sie es tun müsste; 60 000 junge Menschen unter 25 Jahren haben keinen Job. Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit ist innerhalb weniger Monate von drei auf fünf Monate gesprungen, das heißt, die Langzeitarbeitslosigkeit wird immer länger. Ja, die Menschen in diesem Land gelangen immer mehr zur Auffassung: Diese Bundesregierung lässt diese Menschen zurück!

Nicht genug, wir haben heute noch zwei Themen auf der Tagesordnung, bei denen es um einen Bildungsbonus geht. Frau Bundesministerin, hier zu sagen, den Bildungsbo­nus ab 1.10. nur für jene einzuführen, die mit Oktober in eine Schulungsmaßnahme ein­treten – mit lediglich 4 Euro pro Tag –, und all jene, die sich jetzt schon in Bildung, Ausbil­dung und Schulung befinden, zurückzulassen, verstehen die Menschen auch nicht. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Die Menschen verstehen auch nicht, Frau Bundesministerin, dass für diese Leistung der Notstandshilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes die nun aufgrund unserer Anregung schnell geplante Verordnung leider nur bis Ende des Jahres gilt, obwohl wir ganz genau wissen, dass uns diese Langzeitarbeitslosigkeit auch noch im Frühjahr beschäftigen wird. Aus diesem Grund werden wir von der SPÖ auch einen Antrag einbringen, dass diese Leistung der Notstandshilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes bis 31. März 2021 gilt und auch Sie, Frau Bundesministerin, per Verordnung darüber hinaus die Möglichkeit haben, eine Verlängerung bis Juni zu machen. Ich hoffe, dass dieser Antrag hier eine Mehrheit finden wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben viele durch Corona ausgelöste of­fene Baustellen in der Sozialpolitik zu lösen, und zwar im Bereich der Armutsbekämp­fung, Herr Sozialminister, im Bereich der Pflege, im Bereich der Pensionen, bei denen es nach wie vor ein unfaires System gibt. Ja, es gibt ungleiche Pensionshöhen, vor allem die Frauen brauchen da Änderungen; unsere Anträge liegen auf dem Tisch, unsere An­träge liegen im Ausschuss. Immer wieder wie gesagt der Vorschlag: alle Pensionen auf den Tisch, alle Beitragshöhen, alle Beitragsleistungen, alle Abschläge aller Träger.

Machen wir gemeinsam eine faire Sozialpolitik im Sinne der Menschen, für alle Men­schen in diesem Land, in Österreich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Grünberg. – Bitte.


16.17.15

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Ganz zu Beginn möchte ich mich am heutigen Welttag der Gebärden­sprache bei unseren Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern recht herz­lich bedanken, denn sie übersetzen jedes Mal unsere Reden, wenn wir hier im National­rat reden, in Gebärdensprache – vielen Dank dafür! (Allgemeiner Beifall, darunter Beifall in Gebärdensprache bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun aber zum Sozialbericht: Er ist mit seinen 180 Seiten sehr umfangreich und beschäf­tigt sich mit diversen Themen, auf die meine Kolleginnen und Kollegen teilweise schon eingegangen sind und auch noch eingehen werden. Es ist sehr erfreulich, dass im So­zialbericht 2019 die Behindertenpolitik sehr ausführlich behandelt wurde. Es hat sich in diesem Bereich und auch in den letzten Jahr einiges getan. Ich möchte mich in meiner Rede als Sprecherin der Volkspartei für Menschen mit Behinderung deshalb auf den Bereich der Behindertenpolitik konzentrieren und einige Punkte hervorheben, die mir besonders wichtig erscheinen.

Das wäre zum Ersten der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012-2020. Der Nationale Aktionsplan Behinderung umfasst die Strategie der österreichischen Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderun­gen der Vereinten Nationen. Der derzeit gültige Nationale Aktionsplan Behinderung wäre Ende dieses Jahres ausgelaufen. Es hat aber eine Evaluierung des sogenannten alten Nationalen Aktionsplans stattgefunden und um diese einfließen lassen zu können, wurde der Nationale Aktionsplan um ein Jahr auf 2021 verlängert. Der neue Nationale Aktions­plan ist bereits in Vorbereitung.

Es wurde ein umfassendes Partizipationsgremium geschaffen, in dem alle Bundesminis­terien, Bundesländer und Sozialpartner, die Wissenschaft, Behindertenorganisationen, Selbstvertreterinnen, der Monitoringausschuss, die Volksanwaltschaft sowie der Behin­dertenanwalt des Bundes vertreten sind. Ich glaube, es ist etwas ganz Besonderes, dass da wirklich alle Menschen, die sich mit dem Thema Menschen mit Behinderung beschäf­tigen, an einem Tisch sitzen und einen neuen Nationalen Aktionsplan schreiben.

Weiters hervorzuheben ist, dass 2017 unter Einbeziehung der Behindertenorganisa­tionen das sogenannte Inklusionspaket erarbeitet wurde; es steht für die Stärkung der beruflichen Teilhabe sowie die Weiterentwicklung und Weiterführung der bestehenden Angebote für Menschen mit Behinderung. Neben der Ausweitung des Rechtsschutzes für Menschen mit Behinderung wurden die jährlichen Budgetmittel für die Verbesserung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung von rund 48 Millionen Euro im Jahr 2017 auf jährlich 90 Millionen Euro angehoben. Zudem ist dank des beschlossenen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 150

Inklusionspakets für das Einbringen einer Verbandsklage keine Empfehlung des Bun­desbehindertenbeirates mehr erforderlich und es können bei großen Kapitalgesellschaf­ten Verbandsklagen auf Unterlassung und Beseitigung der Diskriminierung eingebracht werden.

Ich möchte nun noch auf den Bereich der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Be­hinderung näher eingehen. Dazu ist im Bericht festgehalten, dass die berufliche Teilhabe ein ganz zentrales Element für eine gesamtgesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und eine inklusive Gesellschaft ist. Das sehe ich genauso.

Es gibt seitens des Sozialministeriums eine Vielzahl bedarfsgerechter Unterstützungs­maßnahmen, die Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Besonders die Neba-Dienstleistungen werden sehr gut angenommen, darun­ter fallen Leistungen wie Jugendcoaching, Produktionsschulen, Berufsausbildungsassis­tenz, Arbeitsassistenz und Jobcoaching. Auch bei der Ausbildung bis 18 spielen die Ne­ba-Angebote eine zentrale Rolle.

Dank des Inklusionspakets konnten die Maßnahmen erweitert und die Förderungen er­höht werden; so wurde das Budget der Neba-Dienstleistungen von circa 60 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 137 Millionen Euro im Jahr 2018 mehr als verdoppelt. Insgesamt wurde im Jahr 2018 die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung mit 213 Millionen Euro gefördert.

Es steht außer Frage, dass Menschen mit Behinderung immer noch nicht mit Menschen ohne Behinderung gleichgestellt sind und dass Menschen mit Behinderung es auch noch heute, im Jahr 2020, viel schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Coronakrise hat diese Situation noch einmal drastisch verschärft. Es liegt an uns allen, die wir heute hier sitzen, uns weiterhin für die Rechte von Menschen mit Behinderung einzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


16.22.53

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Der Sozialbericht 2019 ist natürlich eine Betrachtung der Vergan­genheit, ich möchte aber trotzdem ganz kurz auf den Bereich Konsumentenschutz ein­gehen, der diesmal in diesem Bericht sehr ausführlich dargestellt wurde.

Ganz kurz dazu: Was funktioniert gut oder was hat bis jetzt gut funktioniert? – Das waren vor allem die acht Schlichtungsstellen, die es gibt, wo, wenn in gewissen Bereichen Pro­bleme auftauchen, versucht wird, das quasi zwischen Konsumenten und Unternehmen in einem Schlichtungsverfahren zu lösen. Rund 12 000 österreichische Bürger haben das in Anspruch genommen und das scheint sehr gut zu funktionieren. Das ist eine Initiative, die der ehemalige Minister Hundstorfer damals eingeführt hat und die sich ei­gentlich bewährt hat. Auch die Arbeit des Internet-Ombudsmanns funktioniert sehr gut.

Was funktioniert nicht oder weniger gut? – Auf EU-Ebene gibt es meiner Meinung nach im Bereich Konsumentenschutz leider wenig Erfreuliches oder kaum etwas Sinnvolles zu berichten, und im VKI – das Thema der letzten Jahre im Konsumentenschutz – gibt es zwar einen neuen Geschäftsführer, aber noch keine nachhaltige Lösung. Ich bin schon sehr gespannt, wie, wenn der Herr Minister dann das Budget präsentieren wird, da der Konsumentenschutz und der VKI entsprechend ausgestattet sein werden.

Was hat unserer Meinung nach darüber hinaus nicht funktioniert? – Die Lösung betref­fend Smartmeter: Sie werden sich erinnern, das war eine Diskussion, die uns auch über Jahre begleitet hat. Leider gibt es bis heute keine wirkliche Opt-out-Lösung; das heißt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 151

man bietet zwar eine Opt-out-Lösung an, bei der quasi der Sender deaktiviert wird – wobei das niemand überprüfen kann –, aber ich kann nicht darauf bestehen, meinen alten Ferraris-Zähler zu behalten. Diesen Kampf für die Konsumenten haben wir leider verloren.

Auch eine Wiederbelebung des Konsumentenpolitischen Forums, das in diesem Bereich immer sehr, sehr wichtig war, das aber auch aufgrund von Corona bereits letztes Jahr mehr oder weniger auf der Strecke geblieben ist, sollte dringend erfolgen.

Lassen Sie mich einen Blick in die Zukunft machen, was wesentlich wichtiger ist! Die Zeit während oder nach Corona wird für Konsumenten doch einiges an Problemen mit sich bringen. Ich möchte vielleicht zwei Dinge ganz prominent herausgreifen: Es geht da um die ganze Bargelddiskussion, die im Zuge von Corona virulent geworden ist und bei der sehr viele gesehen haben, dass Bargeld plötzlich nicht mehr angenommen wurde. Da werden wir Freiheitliche – offensichtlich als einzige Partei, die das Bargeld für die Konsumenten erhalten will – nicht müde werden, weiter zu kämpfen. Ganz deutliche Alarmzeichen kommen da aus Brüssel, Sie werden es vermutlich vernommen haben: Es gibt Pläne für EU-Digitalgeld oder Euro-Digitalgeld. Wie die genau ausschauen, davon lasse ich mich überraschen. Ich hoffe nicht, dass es mit der Coronakrise zu tun hat oder vielleicht sogar Teil der Coronakrise oder ein tieferer Plan dahinter ist.

Wie gesagt, das Thema Konsumentenschutz wird uns in den nächsten Jahren sehr in­tensiv beschäftigen, und ich persönlich und wir Freiheitliche werden nicht müde werden, dafür zu kämpfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


16.26.42

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Bezugnehmend auf den Sozialbericht 2019 möchte ich festhal­ten, dass sich die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in Österreich und in ganz Europa seit seinem Erscheinen massiv verändert haben. Die Zahlen aus dem Bericht sind heute nicht mehr aktuell. Wo beispielsweise vor der Krise noch von Rekordbe­schäftigung und einem Rückgang der Arbeitslosenrate die Rede war, sprechen wir heute von der höchsten Arbeitslosenrate der Zweiten Republik.

Auch im Bereich der Pensionen ist in der Zwischenzeit viel passiert, vor der Nationalrats­wahl 2019 wurden nämlich Pensionsgeschenke beschlossen. Das teuerste davon war die abschlagsfreie Frühpension, die nicht nur das Pensionsloch längerfristig um weitere 3 Milliarden Euro vergrößern wird, sondern auch den Genderpensiongap.

Der Bericht spricht dieses Problem zwar an, aber durch den Beschluss der abschlags­freien Frühpension hat sich der Unterschied von 51 Prozent deutlich auf 67 Prozent er­höht. Der Grund dafür ist relativ leicht zu finden, denn laut unserer aktuellsten Anfrage­beantwortung aus dem Sozialministerium profitieren davon praktisch nur Männer mit oh­nehin schon hohen Pensionen. Ja, richtig gehört: Unter den 8 033 Begünstigten waren im ersten Halbjahr 2020 sage und schreibe nur drei Frauen (Zwischenruf des Abg. Wurm), und die durchschnittliche Auszahlung beträgt satte 2 900 Euro, 14 Mal im Jahr.

Wie es zu dieser abschlagsfreien Männer-Frühpension kommen konnte, frage ich mich heute noch. Diese Frage sollten sich allerdings auch die Kolleginnen von SPÖ, FPÖ und ÖVP stellen, die dafür verantwortlich sind. Darum ist es notwendig, dass sich die Regie­rung endlich an die Arbeit macht und ein nachhaltiges Pensionssystem schafft, das auch die Frauen und die Zukunftschancen der folgenden Generationen stärker berücksichtigt. (Beifall bei NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 152

Aber auch heute spreche ich wieder einmal für Menschen mit Behinderung und ihre Si­tuation am Arbeitsmarkt, denn ehrlicherweise habe ich das Gefühl, dass das hier sonst nur sehr wenige tun. Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung ist in den letz­ten zehn Jahren um 120 Prozent gestiegen. Wie die Zahlen in einem Jahr aussehen werden, möchte ich mir offen gesagt gar nicht vorstellen.

Heute liegt mir Folgendes vor: 371 893 Personen waren im August dieses Jahres ar­beitslos gemeldet, davon sind 88 233 arbeitslos gemeldete Personen Menschen mit Be­hinderung und mit gesundheitlichen Einschränkungen, das sind 23,7 Prozent, ein Viertel der Arbeitslosen in Österreich. Ja, das sind nur Zahlen, aber hinter jeder Zahl steckt ein Einzelfall.

Wir alle wissen, dass die Situation nicht nur für Menschen mit Behinderung eine schreck­liche ist, aber genau diese Gruppe hat es in der Krise besonders schwer. Das sind Men­schen, die schon in der Zeit ohne Krise geringe Chancen am Ersten Arbeitsmarkt haben, und in dieser Covid-Krise wird es für diese Menschen noch schlimmer und noch schwie­riger werden.

Auf viele Fragen kann momentan keiner eine Antwort geben: Wie wirkt sich die bevorste­hende Kündigungswelle auf Beschäftigte mit Behinderung aus? Werden die 50-plus-Angestellten mit Behinderung die Ersten sein, die gehen werden? Wie wird es mit den Betrieben weitergehen, die mit diversen Werkstätten zusammenarbeiten? Werden Fir­men noch verhaltener sein, Menschen mit Behinderung einzustellen? – Und wieder gibt es keinen Fahrplan.

Daher fordere ich Sie heute auf, dass wir diese Gruppe der Gesellschaft, die schon lange eine Randgruppe ist, nicht noch weiter an den Rand drängen. Wenn wir jetzt Arbeitsplät­ze schaffen, müssen das inklusive Arbeitsplätze sein. Wir haben eine menschliche Ver­pflichtung, nicht erst dann an Inklusion zu denken, wenn alles andere glatt läuft.

Ich habe versprochen, es immer wieder zu sagen: Inklusion ist nicht karitativ, Inklusion ist demokratisch.

Ich habe mich im vergangenen Jahr in diesem Hohen Haus permanent für Menschen mit Behinderung und insbesondere für Kinder mit Behinderung eingesetzt. Deshalb kön­nen Sie sich vorstellen, dass mir die Situation der Kinder in Moria sehr nahegeht. Aus diesem Grund und weil ich mir geschworen habe, dass ich mich im Laufe meiner politi­schen Karriere jeden Tag für Inklusion, Integration und vor allem für Menschlichkeit ein­setzen möchte, bringe ich auch noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Moria“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Programm der Europäischen Kommis­sion zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechi­schen Inseln aufzunehmen.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 153

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Moria

eingebracht im Zuge der Debatte in der 51. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-77/260 d.B.) – TOP 4

Der Sozialbericht 2019 steht im Zeichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Verein­ten Nationen (Sustainable Development Goals - SDGs). Österreich hat sich als Teil der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der „Agenda 2030 für nachhaltige Ent­wicklung der Vereinten Nationen“ zu 17 globalen Entwicklungszielen mit 169 Unterzielen zur weltweiten Bekämpfung von Armut und Förderung der globalen nachhaltigen Ent­wicklung bekannt. Die globalen Ziele umfassen beispielsweise: Keine Armut (SDG 1), Kein Hunger (SDG 2), Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3), Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen (SDG 6), Weniger Ungleichheit (SDG 10), Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (SDG 16). Laut dem unter TOP 4 behandeltem Bericht war zu­dem bei einem Treffen der Sozialminister_innen der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD18) im Mai 2018 in Montreal (Kanada) u.a. die Sicherstellung gleicher Chancen für Kinder und Jugendliche für ein erfolgreiches Leben Thema.

Auch in Bezug auf die humanitäre Katastrophe in Folge des Großbrandes des Lagers Moria auf Lesbos, Griechenland, braucht es dringend internationale Anstrengungen, um die Not der tausenden betroffenen Menschen - viele davon sind Kinder - zu lindern und eine menschenwürdige Versorgung sicherzustellen. Österreich ist in der Verantwortung hier einen Beitrag zu leisten.

In der Nacht auf den 9. September ist das restlos überfüllte Lager Moria auf der griechi­schen Insel Lesbos völlig abgebrannt. Rund 12.600 Menschen, darunter tausende Kin­der, sind nun obdachlos und müssen unter freiem Himmel oder in provisorischen Zelten auf steinigem Untergrund schlafen. Es gibt zu wenig Wasser, zu wenig Toiletten, zu we­nig Zelte. Die humanitäre Katastrophe auf EU-Boden war angekündigt, die Zustände in den Elendslagern auf den griechischen Inseln waren schon lange unerträglich und haben sich durch den Großbrand noch weiter verschärft. Dazu kommt die grassierende Coro­navirus-Pandemie - im Hinblick auf die katastrophale hygienische Situation eine zusätzli­che, massive Bedrohung. Nun muss schnellstmöglich die menschenwürdige Versorgung der Betroffenen sichergestellt werden und das geht vor Ort für so viele Menschen nicht. Es gilt die Menschen aus dieser Notlage rauszuholen.

In Moria drohen nach einem Lager auch die europäischen Werte zu verbrennen, die wir so gerne beschwören und von anderen einfordern. Die Tragödie lässt sich darauf zurück­führen, dass eine gemeinsame Asylpolitik innerhalb der EU an den Hauptstädten Euro­pas scheitert. Die bisherigen - z.T. bescheidenen - Anstrengungen mancher Mitglied­staaten im Rahmen des Umsiedlungsprogramms der EU-Kommission haben nicht aus­gereicht. Österreich darf angesichts brennender Elendslager nicht länger tatenlos zuse­hen, jetzt gilt es zu handeln und schnellstmöglich Kinder aus Moria aufzunehmen. So wie andere EU-Mitgliedsstaaten das bereits angekündigt haben.

Die Ausrede des Außenministers, dass damit ein Pull-Effekt beginnen würde, ist zynisch und empirisch nicht belegbar. Die bisherigen Umsiedlungen von Betroffenen innerhalb der EU haben auch keine stärkere Fluchtbewegung nach Europa ausgelöst. Zudem be­steht in Österreich in einigen Ländern, Städten und Gemeinden die Bereitschaft sowie die Kapazität zur Unterbringung und Versorgung von besonders Schutzbedürftigen aus Moria. So hat sich etwa der Landtag in Wien in einem von NEOS, SPÖ und Grünen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 154

unterstützen Antrag bereit erklärt, hundert Kinder von den griechischen Inseln aufzuneh­men und die Bundesregierung aufgefordert zu handeln. Auch zahlreiche Bürgermeis­ter_innen und Mitglieder von Landesregierungen haben in den vergangenen Tagen er­klärt, Flüchtlingskinder aufnehmen zu wollen. Darüber hinaus wollen auch viele enga­gierte Einzelpersonen, NGOs und Kirchengemeinschaften helfen. Zeigen wir endlich Menschlichkeit und leisten einen Beitrag, der Betroffenen hilft, Griechenland unterstützt und Europa durch gelebte Solidarität stärkt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Programm der Europäischen Kommis­sion zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechi­schen Inseln aufzunehmen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


16.31.49

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren den Sozialbericht 2019. Das ist auch das Jahr, in dem Schwarz-Blau das Budget für überbetriebliche Lehrlings­ausbildungen stark gekürzt hat. Das ist auch das Jahr, in dem Schwarz-Blau die Aus­bildungsgarantie bis 25 abgeschafft hat.

Jetzt haben wir eine besonders schlimme Situation am Arbeitsmarkt, und diese beiden Maßnahmen rächen sich jetzt doppelt und dreifach. Wir haben enorm viele arbeitslose Jugendliche unter 25; die Zahlen vom August: 61 761 – das ist zum Vorjahr ein Plus von 10 093. Diese Zahlen bereiten mir, werte KollegInnen, wirklich schlaflose Nächte. Ich hoffe, Frau Ministerin, auch Ihnen.

Sie haben eine Arbeitsstiftung angekündigt. Wo ist diese Stiftung? Wo? Wer macht das? Wer verhandelt das? Wer ist eingebunden? Sind die Sozialpartner schon eingebunden? Sie haben es für Herbst angekündigt. Wir wissen nur, dass es eine geben wird, und angeblich 700 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Sind die Grünen eingebunden? Vielleicht erfahren wir von dort irgendetwas. Sie haben es nur angekündigt, und ich hätte schon gerne gewusst, wann das in Kraft tritt, wann Sie diese Stiftung endlich gründen, was diese 62 000 Jugendlichen erwartet, was das für ihre Zukunft bedeutet.

Ich möchte, weil immer wieder von Wien die Rede ist und nach mir Frau Kollegin Kugler reden wird, noch sagen: Morgen wird Wien 13 Millionen Euro für eine Arbeitsplatzoffen­sive beschließen, und zwar für Langzeitarbeitslose 50 plus (Beifall bei der SPÖ), und 1,3 Millionen Euro für das Pilotprojekt Lehrlingsverbund Ausbildungsbetriebe. Das sind fast 15 Millionen Euro. Und das ist nicht das einzige Paket, das ist das dritte Paket, das Wien für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Wirtschaft beschlossen hat.

Frau Kollegin Disoski, ich kann Ihre Rede zu 100 Prozent unterstützen und unterschrei­ben. Ja, tun wir etwas, das ist unerträglich, das kann man nicht so hinnehmen, dass die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 155

Pensionen der Frauen und die der Männer so auseinanderklaffen. Ein Vorschlag, das zu verbessern, wäre, das Einkommenstransparenzgesetz zu beschließen, das im Aus­schuss liegt. Machen wir den ersten Schritt und dann überlegen wir uns, an welchen Schrauben wir noch drehen müssen, damit die Pensionen von Männern und Frauen nicht derart auseinanderklaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Bundesregierung in ihrem Regierungspro­gramm Armut zu bekämpfen zum Ziel erklärt hat, insbesondere Kinderarmut, und, wie Sie schreiben, das zu einem „integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“ erklärt hat, bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mit­gliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der Asylwerber aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicherstellen.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, die Aufnahme von Kin­dern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern als hu­manitäre Notmaßnahme zu ermöglichen und dies mit den europäischen Partnern zu koordinieren. Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer und Gemeinden stützen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner MSc, Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4 Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-77/260 d.B.)

Im Sozialbericht 2019 (III-77 der Beilagen) wird in einem eigenen Kapitel auf die nach­haltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verwiesen, die zur Bekämpfung der Armut weltweit bis 2030 führen soll.

Die Bekämpfung der Armut wurde auch im Regierungsprogramm der Bundesregierung zum Ziel erklärt. Ein besonderes Augenmerk legt die Bundesregierung auf die Bekämp­fung von Kinderarmut“, heißt es etwa auf Seite 235 des Regierungsübereinkommens. Der Schutz der Menschenrechte wird ebenfalls betont, so wird dieser beispielsweise zu „einem integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“ erklärt. Besonders her­vorgehoben wird das humanitäre Engagement Österreichs.

Die humanitäre Katastrophe, die durch die Brände im griechischen Flüchtlingslager Mo­ria entstanden ist und fast 13.000 Menschen, darunter sehr viele Kinder, obdachlos ge­macht hat, erschüttern die die Weltöffentlichkeit. Moria ist eine Schande und offenbart


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 156

die Feigheit und Kleingeistigkeit einiger europäischer Regierungen, Kinder in Elend zu­rückzulassen, statt für rasche Hilfe und Lösungen zu sorgen.

In Österreich hat es quer über die Parteigrenzen hinweg Angebote von BürgermeisterIn­nen von Städten und Gemeinden gegeben, Kinder aus Moria aufzunehmen. Da es ein Gebot von Menschlichkeit und Anstand ist, zu helfen, stellen die unterzeichneten Abge­ordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bunderegierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mit­gliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der Asylwerber aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicherstellen.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, die Aufnahme von Kin­dern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern als hu­manitäre Notmaßnahme zu ermöglichen und dies mit den europäischen Partnern zu ko­ordinieren. Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Ini­tiativen zahlreicher Bundesländer und Gemeinden stützen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


16.36.40

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Werte Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Vor allem Frau Kollegin Yılmaz! Möge der morgige Wiener Ge­meinderatsbeschluss, von dem Sie gesprochen haben, der äußerst prekären Situation in Wien Abhilfe schaffen! Wir freuen uns für die Lehrlinge, dass der Lehrlingsbonus und auch die Arbeitsstiftung sehr, sehr gut auf dem Weg sind. Frau Kollegin Yılmaz, zum Sozialbericht 2019 hätte ich gerne noch mehr von Ihnen gehört, weil sehr viel Wichtiges drinnen steht. Ich werde es in meiner Rede übernehmen, ein bisschen durch die Kapitel zu flippen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Thema, das in fast jedem Kapitel in diesem Sozialbericht 2019 vorkommt, ist die Frage, wie es den Menschen im letzten Lebens­abschnitt, im Alter, aber auch im Sterben, geht. Das Sterben blenden wir sehr oft aus, aus unserem persönlichen Leben, aber auch aus dem öffentlichen Leben. Gott sei Dank, Dank auch an das Sozialministerium, zieht sich dieses Thema wie ein roter Faden durch den Bericht. Da geht es um die Lebensqualität im Alter. Es geht um die Schaffung eines positiven Altersbildes. Es geht um die Altersarmut, die Pflegevorsorge. Dort heißt es zum Beispiel, dass wir pflegende Angehörige unterstützen müssen, es heißt auch, dass die Hospize und die Palliativmedizin in die Regelfinanzierung übernommen werden müs­sen – eine langjährige Forderung. Es geht um Seniorenpolitik, es geht um Medizinrecht.

Wenn wir diese Vorschläge umsetzen, wenn wir an der Lebensqualität im Alter arbeiten, dann wird es den Menschen im Alter gut gehen, und wir werden wenige Menschen hören, die sagen, dass sie so nicht mehr leben wollen. Es gibt ihn nämlich, diesen Wunsch zu sterben, dann, wenn das Leben nicht mehr lebenswert erscheint.

Es gab vor fünf Jahren eine Enquete-Kommission im Parlament, und da hat der damalige Obmann des Hospizvereins Steiermark, Helmut Strobl, einen sehr wichtigen Satz ge­sagt; ich lese diesen Satz vor. Er sagt: Der Wunsch zu sterben, das Verlangen nach


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 157

Sterbehilfe ist nur der Wunsch nach Beendigung eines menschenunwürdigen Zustandes und in Wirklichkeit nicht der Wunsch, tatsächlich zu sterben. Das, so sagt er, ist die Er­fahrung all unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Zitatende.

Und wie oft wird das bestätigt: Wenn die Umstände verbessert werden, dann schwindet der Todeswunsch.

Es gibt eine Umfrage aus dem Frühling dieses Jahres der Universität Utrecht: Menschen, die in Holland einen Todeswunsch äußern, alte Menschen, die sagen, sie wollen nicht mehr leben, sagen das zu 56 Prozent, weil sie einsam sind, zu 42 Prozent, weil sie die Sorge haben, anderen zur Last zu fallen, und zu 36 Prozent, weil sie meinen, dass sie einfach mit dem Geld nicht auskommen. Hier sehen wir, wo wir ansetzen können.

Ich danke Ihnen, Herr Minister Anschober, dass Sie einen Pakt gegen Alterseinsamkeit angekündigt haben, ich begrüße das. Alterseinsamkeit ist nicht nur ein Coronathema, Einsamkeit macht krank. In anderen Ländern ist es schon ein großes politisches Thema, ich freue mich, dass es das auch bei uns werden soll.

Es gibt Menschen, die sagen: Ich möchte nicht mehr leben, weil mein Leben für andere eine Last darstellt. Wenn ich darauf sage: Ja, da können wir dir helfen, wir können dir helfen zu sterben!, dann habe ich mich mit dem Todeswunsch dieses Menschen solidari­siert, nicht mit dem Betroffenen.

Ich bin froh darüber, dass wir in Österreich einen anderen Weg gehen, dass wir 2015 in der Enquete-Kommission des Parlaments einstimmig beschlossen haben, dass wir Ja zur Behandlungsautonomie sagen – niemand darf gegen seinen Willen behandelt wer­den –, dass wir aber auch sagen, unsere Antwort auf die Sterbehilfedebatte sind: Pflege, Hospiz, Palliativmedizin und die Bekämpfung von Alterseinsamkeit, und dass wir deswe­gen Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zum Selbstmord in Österreich nicht brauchen.

Tobias Moretti hat auf einer Konferenz im Schloss Hartheim – eines der Euthanasiezen­tren der Nationalsozialisten – gesagt, „dass es eine Gesellschaft reicher macht, Platz zu haben für das nicht Normale, für das Welke, für das Sterben; es gehört einfach dazu“. Sterbehilfe wäre, sagt er, „als würde man eine Jahreszeit wegkürzen, als würde man den Herbst abschaffen.“

In diesem Sozialbericht 2019 ist im Detail angeführt, was wir tun müssen, damit unsere Gesellschaft eine humane ist, in der das Sterben zum Leben gehört und in der wir an der Hand eines Menschen sterben und nicht durch die Hand eines Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


16.41.48

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Ich darf Frau Abgeordneter Kugler zuerst einmal Danke sagen und an ihre Aus­führungen anknüpfen, nämlich auf ein Thema hinweisend, bei dem ich Ihrer Vorgängerin, Frau Minister, der ehemaligen Ministerin Dr. Zarfl danken und deren Tätigkeit hervorhe­ben möchte, weil ich selbst mir vor Jahren erlaubt habe, etwas anzusehen, was nicht alltäglich ist: die Hospiz- und die Palliativentwicklung bei Kindern, die man begleitet, wenn sie sterben.

Jeder, der das einmal miterlebt hat, kann sagen, es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man in den letzten Lebensabschnitten eines Kindes dabei ist und sieht, wie es von den nahen Angehörigen in seinem letzten Moment hinübergeführt wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 158

Es gibt in Nürnberg ein solches Zentrum, ein unglaubliches, sehr gut entwickeltes Zen­trum, das in Deutschland zu einem Umdenken geführt hat, was es bedeutet, wenn Kinder todkrank sind und man sie unterstützt und ihnen in diesem Bereich hilft. Daher, glaube ich, war es wichtig, diese Ansätze auch im Budget des Sozialministeriums festzuschrei­ben, auch als Ausfluss und ersten Niederschlag des Pflegefondsgesetzes.

Das ist einmal das eine, wo meiner Meinung nach wirklich Bedarf ist und wo es, glaube ich, auch Übereinstimmung der Parteien einschließlich des Ministers gibt, das weiter aus­zubauen.

Der zweite Bereich – und das ist sozusagen ein bisschen mein Steckenpferd – ist der Umgang mit älteren Menschen – das sollten wir auch bei all dem, was zurzeit passiert, im Covid-Bereich, in der Coronakrise und den anderen Problemfeldern, keinesfalls aus den Augen verlieren – und die Entwicklung in diesem Bereich. Es muss klargestellt sein, dass wir diese Kette vom Casemanagement zur Versorgung zu Hause, von der Entwick­lung der mobilen Dienste bis hin zum Aufenthalt von älteren Menschen in einem Pfle­geheim weiter auszubauen haben, weil das ganz essenziell ist, einerseits was die öko­nomische Seite und andererseits die Unterstützungsleistung dieser älteren Menschen betrifft.

Deswegen bin ich froh darüber, dass die Pflegestudie, die ja im Ministerium noch von Ihrer Vorgängerin, Frau Minister, nämlich von unserer Ministerin Frau Dr. Zarfl in Auftrag gegeben worden ist, hoffentlich bald fertig ist und dann präsentiert wird, sodass wir se­hen, welchen Bedarf wir in den Jahren 2025 und danach haben, um auch die Pfleger, die Pflegerinnen entsprechend ausbilden und versorgen zu können.

Ich darf noch einmal appellieren – obwohl die ÖVP da ein bisschen auf der Bremse steht –, sich noch einmal dieses Modell der Pflegelehre der Schweizer anzuschauen, da es notwendig ist, die eigene Versorgung sicherzustellen.

Der dritte Bereich, der seinerzeit schon beim Forum Alpbach für großes Aufsehen ge­sorgt hat, ist der Ambient-Assisted-Living-Bereich – da sind wir in Österreich ein biss­chen weiter hinten. Ich habe mir das einmal in Schottland angeschaut, die haben das 1999 eingeführt – unvorstellbar, 20 Jahre vor uns! –, da hinken wir hinterher. Da geht es um alternative Formen, wie man Menschen betreut, begleitet. Man kann sich auch Anlei­tungen in Amsterdam suchen, dort gibt es 2 000 Wohnungen, die für Ambient Assisted Living zusammengezogen worden sind, denn in diesem Bereich haben wir echten Hand­lungsbedarf. Ich glaube, dass man da auch mit dem Ministerium gute Ansätze wird fin­den können.

Ich darf mich bedanken und zusammenfassend sagen, dass der Sozialbericht viele Punkte enthält, die sich weiterentwickelt haben, dass wir aber auch ganz klar den Bedarf für diese älteren Menschen haben. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

16.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


16.45.46

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine ge­schätzten Frauen Ministerinnen! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich gehört zweifelsohne zu jenen Ländern, die für ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und für alle, die sich rechtmäßig auf seinem Territorium aufhalten, eines der weltweit am breites­ten aufgestellten Sozialsysteme bereitstellt.

Der Sozialbericht 2019 gibt einen guten Überblick, viele Themenbereiche wurden bereits von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen, in der Behindertenpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik oder jetzt zuletzt auch im Bereich der Pflege.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 159

Was ist eigentlich die ursprüngliche Aufgabe eines funktionierenden und krisenfesten Sozialsystems? – Es soll sicherstellen, dass jene Hilfe bekommen, die dringend Hilfe bedürfen, weil sie sich selbst nicht helfen können. Und krisenfest heißt natürlich in die­sem Zusammenhang auch, dass eben nur jene Hilfe bekommen, die sich nicht selbst helfen können, aber dass jene keinen Anspruch haben, Sozialleistungen zu beziehen, die sich selbst helfen können. Also die Solidargemeinschaft springt nur im Bedarfsfall ein.

Ich möchte daher den Fokus auf einen Punkt legen, der auch im Sozialbericht abgebildet ist, nämlich auf die Frage der Sozialhilfe allgemein, der Sozialhilfe im Besonderen, auch im Zusammenhang mit, wie wir sie bisher genannt haben, der Bedarfsorientierten Min­destsicherung. Da lohnt sich schon ein Blick in die statistischen Zahlen, die auch in die­sem Bericht abgebildet sind: Im Jahr 2019, also noch vor der Coronakrise, haben in Österreich insgesamt rund 268 000 Menschen Mindestsicherung bezogen, also etwa 3 Prozent der hier wohnenden Bevölkerung.

Sieht man sich die Zahlen im Detail an, so muss man doch die eine oder andere Frage stellen, nämlich: Wie ist es möglich, dass es im Jahr 2019 in allen acht Bundesländern außer Wien zusammen 112 000 Mindestsicherungsbezieher gab – also 112 000 – und allein im Bundesland Wien 166 000? (Ruf bei der ÖVP: Wahnsinn!) Und um politisch unverdächtig zu sein: Wie ist es möglich, dass es zum Beispiel im Burgenland im Vorjahr nur 3 000 Mindestsicherungsbezieher gab, in Wien aber, wie schon gesagt, 166 000? In Wien waren es also 55-mal so viele wie im Burgenland, obwohl Wien eine nur ungefähr sechsmal so hohe Bevölkerungszahl hat.

Ist das wirklich, meine Damen und Herren, nur der Großstadtfaktor, wie so oft behauptet wird, oder ist es doch eine Systemfrage, ist es doch das System Bürgermeister Lud­wig/Sozialstadtrat Hacker? (Abg. Leichtfried: Na endlich ...!) – Es ist natürlich auch eine Systemfrage. 59 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher in Österreich leben derzeit in Wien! Und da muss man fragen, ob Wien wirklich so anders ist oder ob vielleicht das eine oder andere nicht ganz richtig läuft. Wenn man dann noch tiefer in die Zahlen hi­neingeht, muss man auch feststellen, dass von diesen Mindestsicherungsbeziehern in Wien etwa 50 000 auch Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sind – also auch eine Frage einer möglicherweise fehlenden Integration, die in der Stadt Wien auszumachen ist.

Meine Damen und Herren! Gerade die Mindestsicherung mit der Sozialhilfelogik, dass nur jenem geholfen wird, der sich selbst nicht helfen kann, ist eine besonders heikle Materie. Warum? – Weil das im Spannungsfeld steht zwischen der Frage: Was kann man als Einkommen für den Lebensunterhalt selbst erwirtschaften?, und dem, was die Solidargemeinschaft im Falle einer Bedürftigkeit auch bereitstellt. Und da gilt weiterhin unser Grundsatz, den wir auch immer ganz vorneweg aussprechen: Wer in Österreich arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein! Wer in der Früh aufsteht und einer Beschäfti­gung nachgeht, darf nicht der Dumme sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Sozialstaat braucht in jeder Facette eine breite Akzeptanz – akzeptiert natürlich von jenen, die ihn brauchen, aber auch akzeptiert von jenen, die ihn ermöglichen, nämlich von jenen vielen Millionen Menschen, die in das System einzahlen und damit erst diesen breiten Sozialstaat mit ihrer Steuerleistung ermöglichen. Und dafür, meine Damen und Herren, ist der Sozialbericht, den wir jetzt hier zur Kenntnis nehmen und beschließen, eine gute Grundlage. Wir müssen unser Sozialsystem immer weiterentwickeln, und dazu hat sich diese Bundesregierung auch verpflichtet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

16.50


16.50.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 160

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in die Abstimmung eingehen, darf ich wieder fragen: Können wir zur Abstim­mung kommen? FPÖ? – Ich danke.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-77 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte die Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zu der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders not­leidenden Kindern aus Moria“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den darf ich gleichfalls um Zustimmung ersu­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

16.51.425. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (356 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


16.52.10

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz. Sie fragen immer zu Recht, wo die großen Würfe im Klimaschutz sind – heute wird einer beschlossen. Wir stellen heute mit der Änderung des Umweltförde­rungsgesetzes innerhalb von zwei Jahren 1 Milliarde Euro für den Klimaschutz zur Ver­fügung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mir sind bei diesem Paket vor allem drei Punkte wichtig, und das sind wesentliche Punk­te, das sind wirklich Meilensteine.

Der erste ist, dass wir bei der thermischen Sanierung eine enorme Mittelaufstockung erzielt haben. Wir haben 650 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung, damit Haushalte und Betriebe ihre Häuser thermisch sanieren können, ihre Heizungs­systeme tauschen können.

Wie war das in der Vergangenheit? – Da gab es diese Instrumente zwar auch, aber wenn zum Beispiel ein Betrieb eine neue Heizung haben wollte, musste er wissen, dass die Förderaktion im März beginnt und die Mittel im Juli schon wieder weg sind. Das war ein Lotteriespiel, und dieses Lotteriespiel, dieses First come, first served und dann ist alles wieder weg, gibt es jetzt nicht mehr. In den nächsten zwei Jahren ist in diesem Bereich so viel Geld da, wie in den letzten neun Jahren zusammengerechnet. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 161

Der zweite wichtige Punkt, der mich ganz besonders freut, weil das wirklich ein Para­digmenwechseln in der Art und Weise, wie wir Klimaschutzpolitik in Österreich machen, ist, ist das Thema Just Transition. Es gibt viele Menschen, denen unsere Klimaförde­rungen nicht helfen. Eine Mindestpensionistin zum Beispiel, die eine Ölheizung hat, die zu tauschen 20 000 Euro kostet, kann, selbst wenn sie von Bund und Land 10 000 Euro bekommt, auch die restlichen 10 000 Euro nicht stemmen. Dafür haben wir einen eige­nen Topf geschaffen, dafür gibt es in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 100 Millionen Euro. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Drittens – und das ist auch eine neue Sache –: Wir schaffen ein neues Instrument, die sogenannten Klimahaftungen, womit wir privates Kapital für den Klimaschutz mobilisie­ren. Der Bund übernimmt Haftungen zur Absicherung von Energiecontractingverträgen. Das kann man sich folgendermaßen vorstellen: Wenn man seine Heizung tauschen will, kommt ein Installateur, man muss sich um nichts kümmern, man muss nichts bezahlen. Der Installateur wird über die durch die neu installierte Heizungsanlage gewonnene Energieeinsparung für die nächsten 15 Jahre bezahlt. Und was die Klimahaftungen be­trifft, ist es so, dass wir der Installateurfirma das Risiko abnehmen.

Ich bringe in diesem Zusammenhang auch einen Abänderungsantrag ein, den ich auf­grund seiner Länge nur in Grundzügen erläutere. Also im Prinzip geht es darum, dass die Haftungsübernahme auf die Austria Wirtschaftsservice GmbH übertragen wird – das ist der Unterschied zur Regierungsvorlage –, die wiederum durch eine Schadloshaltung des Bundes abgesichert ist. Damit kann ein Vertragsvolumen von 1 Milliarde Euro abge­sichert werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, noch einmal: Dieses Gesetz ist ein mächtiges Sig­nal, dass wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, dass jetzt die Energiewende beginnt, und es ist auch ein Signal an alle Unternehmen – ob das jetzt Installateure sind, ob das Unternehmen sind, die Heizungsanlagen herstellen, oder ob das Baufirmen für die ther­mische Sanierung sind –, die jetzt wissen: In den nächsten Jahren sind die Auftragsbü­cher voll. Es ist auch ein Signal an alle Menschen in diesem Land, dass sie sicher sein können, dass wir sie dabei unterstützen, wenn sie aus Öl und Gas aussteigen wollen, und es ist vor allem ein Signal an all jene, die eh schon jeden Euro umdrehen müssen, dass wir sie im Klimaschutz und bei der Energiewende nicht zurücklassen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Johannes Schmuckenschlager,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförde­rungsgesetz geändert wird

idF des Berichts des Umweltausschusses (356 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Z 1 wird in der dem § 5 anzufügenden Z 3 die Wortfolge „im Rahmen der Förderun­gen von thermisch-energetischen Sanierungen und für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen“ durch die Wortfolge „gemäß § 6 Abs. 5“ ersetzt.

2. In Z 3 wird die Wortfolge „§ 6 Abs. f wird“ durch die Wortfolge „§ 6 Abs. 2f werden“ ersetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 162

3. Die Z 4 bis 6 werden durch folgende Z 4 bis 10 ersetzt:

„4. In § 6 Abs. 4 wird die Wortfolge „Mittel aus den EU-Strukturfonds“ durch die Wortfolge „EU-Mittel zur Ko-Finanzierung“ ersetzt.

5. Dem § 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung (AWS) kann ab dem Jahr 2020 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Haftungen für Energie-Contracting-Verträge zur Umsetzung von Investitionen zur Energiegewinnung aus er­neuerbaren Energieträgern und zur Einsparung oder effizienten Bereitstellung von End­energie eingehen. Die Voraussetzungen und Bedingungen für die vertragliche Übernah­me von Haftungen durch die AWS sind in den von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gemäß § 13 Abs. 5 Z 1 im Ein­vernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erlassenen Förderungsrichtlinien für die Umweltförderung im Inland „Klima-Haftungen“ festzulegen. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, sich namens des Bundes zu verpflichten, die AWS schadlos zu halten, wenn diese Zahlungen aus übernommenen Haftungen zu leisten hat, soweit diese Zahlungen nicht im Rahmen jener Mittel Bedeckung finden, die der AWS für die Zahlungen zur Erfüllung von Leistungen aus übernommenen Haftungen zur Verfügung stehen. Der Bundesminister für Finanzen darf Schadloshaltungsverpflichtungen

1.          nur bis zu einem jeweils ausstehenden Gesamtbetrag von insgesamt 1 Milliarde Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten sowie

2.          im Einzelfall nur bis zu einem ausstehenden Gesamtbetrag von 5 Millionen Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten und für eine maximale Laufzeit von 20 Jahren

übernehmen. Voraussetzung für die Übernahme der Verpflichtung des Bundes ist die Zustimmung der Beauftragten bzw. des Beauftragten (Stellvertreterin bzw. Stellvertre­ter). Die Befassung der Kommission in Angelegenheiten der Umweltförderung im Inland bezüglich der vertraglichen Übernahme von Haftungen erfolgt in sinngemäßer Anwen­dung des § 11 Abs. 3 Z 5. Der Bundesminister für Finanzen hat nach Anhörung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie zur Wahrung der Rechte und Interessen des Bundes eine Beauftragte oder einen Beauftragten und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter der Beauftragten bzw. des Beauftragten zu bestellen. § 76 Abs. 9 des Bankwesengesetzes (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, ist auf die Beauftragten bzw. deren Stellvertretung sinngemäß anzu­wenden. § 3 sowie § 7 Abs. 6 bis 9 des Bundesgesetzes über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), BGBl. Nr. 432/1996 gelten sinngemäß. Die AWS hat zum Zwecke der Risikovorsorge für Zahlungen aus den gemäß diesem Absatz übernommenen Haftungen eine eigene Rücklage zu bilden. Die­se Rücklage darf nur für Zahlungen aufgrund von gemäß diesem Absatz übernommenen Haftungen verwendet werden. Diese Rücklage ist getrennt von den Rücklagen gemäß §§ 1, 11 und 14 Garantiegesetz 1977 und § 7 Abs. l KMU-Förderungsgesetz zu führen und im Jahresabschluss der AWS auszuweisen. Die AWS hat insbesondere Haftungs­entgelte, Rückflüsse aus Haftungszahlungen, Rückflüsse aus der Betreibung von auf die AWS übergegangenen Forderungen und Rückflüsse aus der Verwertung von Sicherhei­ten in diese Rücklage einzustellen.“

6. In § 11 Abs. 1 lautet der erste Satz:

„Ungeachtet der Abwicklung der Haftungen gemäß § 6 Abs. 5 ist mit der Abwicklung der übrigen Förderungen nach diesem Bundesgesetz eine geeignete Stelle (Abwicklungs­stelle) zu betrauen.“

7. Dem § 13 Abs. 5 Z 2 wird die Wortfolge „, ausgenommen jener gemäß § 6 Abs. 5,“ angefügt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 163

8. Dem § 23 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Insgesamt soll damit im Einklang mit der nationalen und unionsrechtlichen Zielsetzung der Klimaneutralität ein Beitrag zur nachhaltigen Dekarbonisierung des Wirtschaftssys­tems („Transformation der Wirtschaf