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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 23. September 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

51. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode        Mittwoch, 23. September 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 23. September 2020: 9.05 – 22.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert werden

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird

4. Punkt: Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geän­dert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 430/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-An­passungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 427/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderpflegeurlaub für Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

10. Punkt: Bericht über den Antrag 547/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kurzarbeit für alle Arbeitnehmer_innen in Öster­reich ermöglichen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

12. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und


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Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investi­tionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird

13. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

14. Punkt: Bericht über den Antrag 600/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung

15. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geän­dert wird (832/A)

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bun­desgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Jus­tiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG) geändert wird (831/A)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversi­cherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird

18. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 4 und 10 sowie über die Bürgerinitia­tiven Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Aus­tria GmbH – Reihe BUND 2018/30

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Bundessportförderung – Reihe BUND 2019/14

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Disziplinarwesen der Bundesbe­diensteten – Reihe BUND 2019/48

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 26

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  82, 82

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 2511/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG .................................................................................................................... 75

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ................................. 128

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 128

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 130

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 131

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 132

Christian Hafenecker, MA .......................................................................................... 133

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................... 135

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 136


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Antrag der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Christian Hafenecker, MA, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnis­nahme der Anfragebeantwortung 2511/AB – Ablehnung .....................................................  138, 138

Antrag der Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Kai Jan Krainer, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Geschäftsordnungs­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A der Abgeordneten Dr. Pa­mela Rendi-Wagner, MSc, Herbert Kickl, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 29. September 2020 zu setzen – Ablehnung .......................................................  75, 267

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 75

Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abgeordne­ten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Gesundheitsausschuss rückzuverweisen – Ablehnung  126, 126

Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen auf Durchfüh­rung einer Volksabstimmung gemäß Artikel 43 B-VG in Verbindung mit § 84 GOG zum Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiege­setz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geän­dert werden – Ablehnung ...........................................  105, 127

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ........................................................................... 267

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 268

Aktuelle Stunde (12.)

Thema: „Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermei­dung“   26

RednerInnen:

Dr. Astrid Rössler ......................................................................................................... 26

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ........................................................  29, 43

Johannes Schmuckenschlager .................................................................................. 31

Julia Elisabeth Herr ...................................................................................................... 33

Walter Rauch ................................................................................................................ 34

Lukas Hammer .............................................................................................................. 35

Michael Bernhard ......................................................................................................... 37

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................... 38

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 40

Erwin Angerer ............................................................................................................... 42

Dipl.-Ing. Olga Voglauer .............................................................................................. 44

Yannick Shetty .............................................................................................................. 45

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (13.)

Thema: „Unterstützen Sie ein Europäisches Asylsystem und retten Sie die Kinder aus Moria, Herr Bundeskanzler!“ ........................................................................................................... 47


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RednerInnen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 47

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 49

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 52

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 53

MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG ...................................................................... 55

Michel Reimon, MBA .................................................................................................... 56

MEP Claudia Gamon, MSc (WU) ................................................................................. 58

Karl Mahrer ................................................................................................................... 59

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 61

Petra Steger .................................................................................................................. 62

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ................................................................................................ 64

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 65

MEP Dr. Angelika Winzig ............................................................................................. 67

MEP Mag. Dr. Günther Sidl ......................................................................................... 68

Michael Schnedlitz ....................................................................................................... 69

MEP Dr. Monika Vana .................................................................................................. 71

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................... 72

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 26

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 74

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abge­ordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosege­setz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.) ........................................................................................................................ 76

2. Punkt: Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf ei­nes Bundesgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (371 d.B.) ........................................................................................................... 76

RednerInnen:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 76

Sigrid Maurer, BA ......................................................................................................... 82

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 85

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 87

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 89

Gabriela Schwarz ......................................................................................................... 91

Bundesminister Rudolf Anschober ........................................................................... 92

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 96

Ralph Schallmeiner ...................................................................................................... 99

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 103

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 106

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 108

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 109

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 110

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 111


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Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 112

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 114

Hermann Brückl, MA .................................................................................................. 116

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................... 117

Dietmar Keck .............................................................................................................. 119

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 120

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 121

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 122

Franz Hörl .................................................................................................................... 122

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 123

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................... 124

Philip Kucher .............................................................................................................. 124

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ableh­nung ...............................  81, 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Maskenpause“ – Ablehnung ..................................................  115, 127

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 370 und 371 d.B. ........................................ 126

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (232 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geän­dert wird (291 d.B.) .................. 138

RednerInnen:

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 139

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 139

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 140

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................... 141

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 143

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 143

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................... 144

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 145

Annahme des Gesetzentwurfes in 291 d.B. ................................................................ 146

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz (III­77/260 d.B.)     ............................................................................................................................. 146

RednerInnen:

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................... 146

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 148

Kira Grünberg ............................................................................................................. 149

Peter Wurm ................................................................................................................. 150

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 151

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 154

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 156

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 157

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 158

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Mo­ria“ – Ablehnung  152, 159


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung ge­ben“ – Ablehnung .......  155, 159

Kenntnisnahme des Berichtes III-77 d.B. .................................................................... 159

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (356 d.B.) ...................................... 160

RednerInnen:

Lukas Hammer ............................................................................................................ 160

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 164

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ....................................................  166, 173

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 168

Walter Rauch .............................................................................................................. 169

Michael Bernhard ....................................................................................................... 170

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 171

Andreas Kollross ........................................................................................................ 172

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 174

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 174

Annahme des Gesetzentwurfes in 356 d.B. ................................................................ 175

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (351 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpas­sungsgesetz geändert wird (361 d.B.)              ............................................................................................................................. 176

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 430/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (362 d.B.) ........................... 177

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 427/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderpflegeurlaub für Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten (363 d.B.) .................................................................................... 177

RednerInnen:

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 177

August Wöginger ....................................................................................................... 180

Peter Wurm ................................................................................................................. 180

Barbara Neßler ............................................................................................................ 181

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 182

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................... 183

Mag. Dr. Rudolf Taschner (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 184

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 185

Annahme des Gesetzentwurfes in 361 d.B. ................................................................ 186

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 362 und 363 d.B. ............................. 186

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (352 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977 geändert wird (364 d.B.)    ............................................................................................................................. 186


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10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 547/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Kurzarbeit für alle Arbeitnehmer_innen in Österreich ermöglichen (365 d.B.) ............................................................................... 187

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 187

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 190

Mag. Philipp Schrangl ................................................................................................ 191

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 191

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 193

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 193

Johann Höfinger ......................................................................................................... 195

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 196

Annahme des Gesetzentwurfes in 364 d.B. ................................................................ 197

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 365 d.B. ..................................................... 197

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungs­vorlage (353 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 geändert wird (366 d.B.)      ............................................................................................................................. 198

12. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unterneh­men (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (367 d.B.)      ............................................................................................................................. 198

13. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geän­dert wird (368 d.B.)     198

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 600/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung (369 d.B.) ......................................... 198

RednerInnen:

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 198

Norbert Sieber ............................................................................................................ 199

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 200

Petra Wimmer ............................................................................................................. 201

Barbara Neßler ............................................................................................................ 203

Michael Bernhard ....................................................................................................... 204

Peter Haubner ............................................................................................................. 207

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 208

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 209

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 212

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 213

Mag. Andrea Kuntzl .................................................................................................... 214

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 215

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“ – Ablehnung            202, 217


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familienhärtefallfonds 2.0“ – Ablehnung ...........................................................  206, 217

Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen Kinderarmut“ – Ablehnung                                        210, 217

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 366, 367 und 368 d.B. ..................................... 217

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 369 d.B. ..................................................... 217

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungs­gesetz geändert wird (832/A)        ............................................................................................................................. 218

16. Punkt: Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG) geändert wird (831/A)                                                                                                                             218

RednerInnen:

Süleyman Zorba ......................................................................................................... 218

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 219

Peter Haubner ............................................................................................................. 220

Erwin Angerer ............................................................................................................. 220

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 223

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 223

Klaus Köchl ................................................................................................................. 224

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 226

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 227

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 228

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 229

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Coro­na“ – Ablehnung 221, 230

Entschließungsantrag der Abgeordneten Klaus Köchl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“ – Ablehnung....................................... 225, 230

Annahme des im Antrag 832/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................... 230

Annahme des im Antrag 831/A enthaltenen Gesetzentwurfes ................................... 230

17. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (354 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förderung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geän­dert wird (372 d.B.) ...................... 231

RednerInnen:

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 231

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 232

Maria Großbauer ......................................................................................................... 232

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 234

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 234


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 9

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................................... 236

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 237

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................... 238

Annahme des Gesetzentwurfes in 372 d.B. ................................................................ 239

18. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 (307 d.B.)           239

RednerInnen:

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 239

Andreas Kollross ........................................................................................................ 241

Christian Ries ............................................................................................................. 242

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 242

Michael Bernhard ....................................................................................................... 244

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 245

Petra Wimmer ............................................................................................................. 245

Andreas Minnich ........................................................................................................ 246

Robert Laimer ............................................................................................................. 247

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 247

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 248

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 307 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 4 und 10 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 ........................................................ 249

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH – Reihe BUND 2018/30 (III­6/357 d.B.)     249

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend System der Bundessportförderung – Reihe BUND 2019/14 (III-29/358 d.B.) ............ 249

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 249

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 250

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 251

David Stögmüller ........................................................................................................ 252

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 253

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 255

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 255

Alois Kainz .................................................................................................................. 256

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 257

Yannick Shetty ............................................................................................................ 258

Christoph Zarits .......................................................................................................... 260

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 261

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-6 und III-29 d.B. ............................................ 263

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Disziplinarwesen der Bundesbediensteten – Reihe BUND 2019/48 (III­73/359 d.B.)         263

RednerInnen:

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 263


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 10

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 264

Christian Lausch ........................................................................................................ 265

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 265

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 266

Kenntnisnahme des Berichtes III-73 d.B. .................................................................... 266

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 74

Petition betreffend „Rechtssicherheit von konkurrenzlosen Dorfläden im ruralen Raum“ (Ordnungsnummer 37) (überreicht vom Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer)

Petition betreffend „Öffnung Engelstor als Eingang in den Schlosspark Schön­brunn“ (Ordnungsnummer 38) (überreicht von der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr)

Petition betreffend „umfangreiche Selbstversorgung mit heimischen Lebensmitteln sichern“ (Ordnungsnummer 39) (überreicht vom Abgeordneten Peter Schmied­lechner)

Bürgerinitiative ............................................................................................................. 74

Bürgerinitiative betreffend „ohne Kunst wird’s still – Forderungen: Schweige­marsch 2020“ (Ordnungsnummer 30)

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 74

360: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schusswaffen­kennzeichnungsgesetz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert wird

Berichte ......................................................................................................................... 74

Vorlage 32 BA: Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds für Juli 2020 und August 2020; BM f. Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport

III-169: Bericht betreffend Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel – Reihe BUND 2020/29; Rechnungshof

III-172: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2018; BM f. Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

III-174: Kunst- und Kulturbericht 2019; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für die Lehr­linge der Tourismusbranche in den Tourismusbetrieben (833/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ausreichende Budget­mittel für den Fernwärmeausbau (834/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Abwälzung der EU-Plastikabgabe auf SteuerzahlerInnen statt Plastikhersteller (835/A)(E)


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Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Frauengesundheit: Brustkrebsfrüherkennung während der Corona-Krise (836/A)(E)

Mag. Meri Disoski, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung von Informationsbroschüren in Leichter Sprache zu gynäkologischen Vorsorgeuntersuchun­gen für Frauen mit Behinderungen (837/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung der Aufnah­me von schutzbedürftigen Kindern durch Länder, Städte, Gemeinden und Zivilgesell­schaft (838/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schnellstmögliche Einberufung der Arbeitsgruppe zur diskriminierungsfreien Blutspende (839/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“ – einstimmige Entschließung aus 2019 endlich umsetzen (840/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung des massiven Inter­essenkonflikts der Fördernehmer_innen in Entscheidungsgremien der Sportförderung (841/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Sanieren statt Schließen – auf Chance setzen, statt Know-How und Arbeitsplätze vernichten (842/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umweltschädliche Taxi-Leerfahrten (843/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Korridormaut für die Brennerstrecke (844/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend fahrradfreundliche StVO-Reform (845/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Reform­vorschlag für treffsichere und sparsame Kurzarbeit (846/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Neue Ar­beitsplätze ermöglichen (847/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der telefoni­schen Krankschreibung für alle (848/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Bilanz des SWF (849/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Forschungsda­tensatz der COVID-19-Hospitalisierten (850/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus 2020 (851/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus (852/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Individuelle För­derung im Kindergarten (853/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 12

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chancenindex (854/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz in der Berichterstattung zum Fixkostenzuschuss (855/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der landwirtschaftlichen und klimapolitischen Potentiale von künstlichen Witterungsprozes­sen (856/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familienhärtefallfonds 2.0 (857/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung der Handlungsfähig­keit und der Führungspraxis der Geschäftsführung des Umweltbundesamts (858/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Masterplans für CO2 Speicherung (859/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Langfristige Perspektiven für EZA (860/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: KMU Equity Fonds – Eigenkapital als Antikörper der Wirtschaftskrise (861/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Unbürokratisch entlasten – Verlustrücktrag ausweiten (862/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eingliederung von biologischen CO2-Sequestierungsleistungen der Landwirtschaft in die geplante Ökologi­sierung des Steuer- und Abgabensystems sowie die Umsetzung der GAP Neuausrich­tung (863/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend unbedingt erforderliche Neuko­difikation des gesamten Fremdenrechts (864/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Nichtaufnahme von „Moria-Migranten“ (865/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenzbe­richt über sämtliche Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte (866/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eigenkapitalstärkung zur Wiederbelebung der Tourismuswirtschaft (867/A)(E)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz bei Straftaten gegen die Exekutive (868/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrstellen schaffen durch Einfüh­rung des Blum-Bonus-Corona (869/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer transparenten Preisstruktur bei der ÖBB-„Vorteilscard“ (870/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (871/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Maskenpausen-Gesetz erlassen wird (872/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 13

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung für die mittel- bis langfristige Erforschung der psychosozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesellschaft (873/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (874/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorüberge­hendes Aussetzen der Steuer auf Einnahmen aus Onlinewerbung („Digitalsteuer“) (875/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot des Tötens männlicher Küken (876/A)(E)

Karl Mahrer, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements (877/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Fa­milienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“ (878/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulstartgeld er­höhen für langfristige, planbare Unterstützung (879/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen Kinderarmut (880/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend notwendige Reparatur des unsozialen ÖVP-Familienbonus (881/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Einführung eines Abbiegeassistenten für LKW (882/A)(E)

Martina Kaufmann, MMSc BA, Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Lehrausbildung mit Schwerpunkt in der digitalen Fertigung (883/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sockelförderbetrag für Ar­beitsplätze am Bauernhof (884/A)(E)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend 360.- Euro Sonderzahlung für alle Familien, die im Jahr 2020 familienbeihilfenanspruchsberechtigt waren (885/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzpolitik muss wei­terhin Priorität haben (886/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücklagen auflösen und Kammer­umlagen aussetzen (887/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Landschaftsschützer-Bo­nus für die Pfleger unserer Kulturlandschaft (888/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Kompen­sation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus in Folge der jüngst ver­ordneten Einschränkungen (889/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altlastenbeitragsbefreiung für mehr Flächenrecycling (890/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket (891/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 14

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betreuung von Tieren bei Grenzschließungen (892/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines Büros für Zeit­genössisches (893/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend soziale Treffsicherheit bei Thermischer Sanierung und Heizungstausch garantieren (894/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Diszi­plinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden (895/A)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) samt Anlage 1, Verfahrensordnung für parlamentari­sche Untersuchungsausschüsse (VO-UA), geändert wird (896/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die vergleichsweise hohen Inhaftierungsraten Jugendlicher in Österreich und die Suche nach sinnvollen Alternati­ven (897/A)(E)

Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland) (898/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Franz Leonhard Eßl, Clemens Stammler, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung und Ermöglichung von regionalen und (teil‑)mo­bilen Schlachthöfen und Schlachtung im gewohnten Lebensumfeld der Tiere (899/A)(E)

Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mitt­leren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (900/A)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ini­tiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedrigen Strafmündig­keitsalters in zahlreichen Staaten außerhalb Europas (901/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zahlungen für Klimaschutzmaßnah­men im Ausland im Zuge der COVID-19-Wirtschaftskrise streichen (902/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau des öffentlichen Nahver­kehrs – Umsetzung „Nahverkehrsmilliarde“ jetzt! (903/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Causa Jan Marsalek und die Finanzierung seines Libyen Projekts (3330/J)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Causa Jan Marsalek und die mutmaßlichen Verbindungen in das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) (3331/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Korruption im Gesundheitswe­sen ab dem Jahr 2012“ (3332/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 15

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Libyen Aufbauprojekt und mutmaßliche Projektfinan­zierung (3333/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3334/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3335/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Umsetzungsstand EuGH C-311/18 (3336/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Corona-Stress für Eltern – falsche In­formationen bezüglich Betreuungsfreistellung (3337/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Corona-Stress für Eltern – falsche Informationen bezüglich Betreuungsfreistellung (3338/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Folgeanfrage Versäumnisse im Be­reich Digitalisierung und Schuljahr 2019/20 (3339/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Beitragsrückstände der DienstgeberInnen bei den Gebietskran­kenkassen im Jahr 2019 (3340/J)

Norbert Sieber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Aktualisierung der Mach­barkeitsstudie 2003 der ÖBB zu Trassenvarianten für den Großraum Bregenz (3341/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Corona-Virus-Ausbruch in Ischgl und die Reaktion der Zuständigen Behörden (3342/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Hin und Her bei Einstufung Süd­tirols als Corona-Risikogebiet (3343/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Korruption im Gesundheitswesen 2012-2019“ (3344/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Oberösterreich (3345/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Salzburg (3346/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 16

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Wien (3347/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Tirol (3348/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Niederösterreich (3349/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Kärnten (3350/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen im Burgenland (3351/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Vorarlberg (3352/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Vorarlberg (3353/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Tirol (3354/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Salzburg (3355/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Oberösterreich (3356/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Niederösterreich (3357/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Kärnten (3358/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen im Burgenland (3359/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tierquälerei und andere Tierschutzverletzungen in Wien (3360/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die McKinsey-Affäre (3361/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend dauerhafter Ausbau des Fachkräftestipendiums mit Schwerpunkt Gesundheits- und Pflegebereich (3362/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zeitraum von Quarantäne bei COVID-19-Verdacht (3363/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Trickbetrügereien gegen Senioren (3364/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend 360 Euro zusätzliche Familienbeihilfe – Folgeanfrage (3365/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend sexueller, physischer und psychischer Gewalt gegenüber Senioren (3366/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 17

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend COVID-19 – Ungleichbehandlung trotz ärztlichem Attest (3367/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Corona-Bürokratie im Gesundheitsmi­nisterium (3368/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Steuergutschrift für Pen­sionisten (3369/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Familie und Jugend betreffend Arbeitsrecht am Heimarbeitsplatz (3370/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Familie und Jugend betreffend 450 Euro Almosen an Arbeitslose und Notstandshil­febezieher (3371/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Leerfahrten bei Krankentrans­porten (3372/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Schutzstatus des Wolfes in der FFH-Richtlinie (3373/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKin­sey (3374/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunterneh­men wie McKinsey (3375/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunterneh­men wie McKinsey (3376/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsun­ternehmen wie McKinsey (3377/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3378/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3379/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Zusammenar­beit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3380/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3381/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 18

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Zusammenarbeit mit Beratungs­unternehmen wie McKinsey (3382/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3383/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3384/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3385/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Zu­sammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3386/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3387/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Zusammenarbeit mit Beratungsunternehmen wie McKinsey (3388/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Be­rater verdienen Millionen an der Corona-Krise (3389/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Neuordnung des Forschungs- bzw. Wissen­schaftsrats (3390/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Gender Report Film (3391/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Novomatic-Million für Dorfclub? (3392/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Verbot von Kryptowährungen (3393/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Verbot von Kryptowährungen (3394/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort (3395/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Inneres (3396/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Fuhrparkma­nagement des Bundeskanzleramtes (3397/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Fuhrparkmanagement des Bundesministeriums für Landesverteidigung (3398/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Immobilien und Liegenschaften des Bundes in der Steiermark (3399/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 19

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Qatar Papers“ dokumentieren ausländische Finanzierung des Radi­kalislam (3400/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend bedenkliche Stimmungsmache gegen die Polizei durch die KJÖ (3401/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anzeigen wegen Zwangsheirat (3402/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die Eigenversorgung mit Martinigänsen (3403/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Eigenversorgung mit Marti­nigänsen (3404/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Reisebüros unter Druck (3405/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend AstraZeneca stoppt Impfstoff­tests (3406/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend medizinische Studien an Perso­nen in COVID-19-Quarantäne (3407/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Genauigkeit der Ergebnisse von PCR-Tests bei COVID-19 (3408/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Streckenführung der Schnellstraße von Slovenj Gradec nach Kärnten (3409/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Hubschrauberflüge von Regierungsmitgliedern des Kabi­netts Kurz II im Allgemeinen und der FBM Mag. Klaudia Tanner im Speziellen (3410/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Beschäftigung der Mitarbeiter der Fluggastdatenzentralstelle (3411/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Effizienz der handelsüblichen Kraftfahrzeuge (hüPKW) des Österreichischen Bundesheeres (3412/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Konsequenzen fehlender Airbuskontakte (3413/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Falsche Informationen von Ministerin Tanner (3414/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 20

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sozialversicherung: Offenle­gung der Gebarungsvorschaurechnungen (Folgeanfrage 09/2020) (3415/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beitragsforderungen der Sozial­versicherungsträger (3416/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3417/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3418/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Import von Haifischprodukten follow-up (3419/J)

Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Import von Haifischprodukten follow-up (3420/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Lärm­schutzmaßnahmen in Langenwang entlang Südbahnstrecke (3421/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ver­schlechterung des Angebots und Imageschaden für öffentliche Verkehrsmittel durch An­ti-Corona-Maßnahmen der Bundesregierung (3422/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Bestellung von Mag. Karin Tausz in den Aufsichtsrat der Austro Control und mögliche Interessens­konflikte durch gleichzeitige Leitungstätigkeit bei den ÖBB (3423/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend zuneh­mende Einschränkungen im Individualverkehr – Willkürliche Fahrverbote für Motorräder (3424/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Koopera­tion mit der „Zukunftsoffensive Verkehr & Infrastruktur“ (3425/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Abwicklung des mit der Lufthansa AG geschlossenen Vertrages zum Fortbestand der AUA durch COFAG und ÖBAG (3426/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Weisungen hinsichtlich der ausständigen Übermittlung des „Ibiza-Videos“ an den Untersuchungsausschuss (3427/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Weisungen hinsichtlich der ausständigen Übermittlung des „Ibiza-Videos“ an den Untersuchungsausschuss (3428/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 21

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend bisherige Tätigkeitsbilanz der Bundesministerin (3429/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend 1-2-3-Ti­cket (3430/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Demonstration der rechtsextremen „Kahlenberg Allianz 1683“ im September 2020 (3431/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Entwicklungen bei der „ab­schlagsfreien Frühpension“ (Folgeanfrage 09/2020) (3432/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Austrocknung des Neusiedlersees (3433/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Förderungen Zivilschutzverband (3434/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ablöse des OMV Präsidenten wegen Borealis Deal (3435/J)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Ablöse des OMV Präsidenten wegen Borealis Deal (3436/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Schutz der Zuckerproduktion in Österreich (3437/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/09 bzgl. der Koordinierung von Qualitäts­zeichen im Lebensmittelbereich (3438/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/08 bzgl. Pflege in Österreich (3439/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die horrenden Bearbeitungsgebühren bei Online-Reiseportalen (3440/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungs­hofes aus dem Bericht Bund 2020/22 bzgl. der Zentralmatura (3441/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Bericht des Rechnungshofes, Truppenübungsplatz Allentsteig, Follow-up-Überprüfung (3442/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/09 bzgl. der Koordinierung von Qua­litätszeichen im Lebensmittelbereich (3443/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes aus dem Bericht Bund 2020/12 bzgl. Unternehmen des Bundes (3444/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 22

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Gesichtserkennungssoftware (3445/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Liebhaberei in der Vermietung (3446/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fachkräftemangel BIM (3447/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verdacht der Selbstbereiche­rung durch einen ÖGK-Funktionär (3448/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend Lukaschenkos Luxusurlaub im Jahr 2002 auf Kos­ten des ÖOC? (3449/J)

Zurückgezogen wurde die Anfragen der Abgeordneten

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend die McKinsey-Affäre (3361/J) (Zu 3361/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2872/AB zu 2864/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2873/AB zu 2865/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2874/AB zu 2873/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2875/AB zu 2889/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2876/AB zu 2871/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2877/AB zu 2860/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2878/AB zu 2875/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2879/AB zu 2874/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2880/AB zu 2878/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (2881/AB zu 2887/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 23

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2882/AB zu 2877/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2883/AB zu 2888/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen (2884/AB zu 2885/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen (2885/AB zu 2886/J)

der Bundesministerin für EU und Verfassung im EU und Verfassung auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2886/AB zu 2876/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2887/AB zu 2880/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2888/AB zu 2881/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen (2889/AB zu 2884/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen (2890/AB zu 2879/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2891/AB zu 2882/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafen­ecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2892/AB zu 2883/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (2893/AB zu 2894/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2894/AB zu 2899/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolle­ginnen und Kollegen (2895/AB zu 2895/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Bern­hard, Kolleginnen und Kollegen (2896/AB zu 2896/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (2897/AB zu 2892/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2898/AB zu 2898/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2899/AB zu 2891/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2900/AB zu 2893/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen (2901/AB zu 2897/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 24

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen (2902/AB zu 2890/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen (2903/AB zu 2904/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2904/AB zu 2903/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen (2905/AB zu 2900/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2906/AB zu 2902/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2907/AB zu 2913/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen (2908/AB zu 2901/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (2909/AB zu 2905/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Alois Stöger, di­plômé, Kolleginnen und Kollegen (2910/AB zu 2906/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2911/AB zu 2911/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2912/AB zu 2914/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2913/AB zu 2932/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2914/AB zu 2920/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (2915/AB zu 2910/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Mar­greiter, Kolleginnen und Kollegen (2916/AB zu 2907/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2917/AB zu 2912/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Kris­per, Kolleginnen und Kollegen (2918/AB zu 2909/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Chris­tian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2919/AB zu 2925/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen (2920/AB zu 2944/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafen­ecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2921/AB zu 2922/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2922/AB zu 2916/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (2923/AB zu 2942/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 25

09.05.44Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.45*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­nete! Ich darf die 51. Sitzung des Nationalrates eröffnen und Sie recht herzlich begrü­ßen. Ich begrüße unsere – noch spärlich erschienenen – Gäste auf der Galerie, die Jour­nalisten und vor allem auch unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fern­sehgeräten.

Ich darf auch für Sie zu Hause erklären, warum die Veränderungen im Saal (auf die Reihen der Abgeordneten weisend, wo jeweils zwischen zwei Sitzplätzen auf den Pulten eine Glaswand montiert ist) stattgefunden haben. Es war ein großer Wunsch aller Abge­ordneten, wieder in der normalen Sitzungsordnung (Abg. Belakowitsch: Nein! Das ist nicht normal ...!), das heißt, nicht mehr dezentral, sondern alle unten im Redoutensaal, zu sitzen.

Die Problematik, die sich daraus ergeben hat, ist die Frage, wie wir gewährleisten kön­nen, dass wir die nötigen Abstände einhalten. Ich habe mich über den Sommer mit den Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, Tschechien, der Slowakei und Slowenien un­terhalten und gefragt, welche Lösungen diese vorantreiben. Im Deutschen Bundestag sowie in Tschechien und in der Slowakei sitzen die Mandatare weiterhin ausgedünnt und es herrscht Maskenpflicht; dort wurden die Abstandsregeln so organisiert, das muss von allen Parteien eingehalten werden. In Slowenien hat man in der Geschäftsordnung neu geregelt, dass auch digitales Abstimmen von außerhalb des Raumes möglich ist.

Die Schweiz hat, weil der Nationalrat ähnlich eng sitzt wie wir, ein System mit Glaswän­den und Trennwänden eingeführt – und dem haben wir uns angeschlossen. In der Prä­sidiale ist das mehrheitlich befürwortet worden und daher sitzen wir so, wie wir uns jetzt einrichten. Sie können natürlich am Platz, da der Abstand zum Vordermann mehr als 1,3 Meter beträgt, die Maske auch abnehmen.

Wir bleiben aber dabei, dass die Parlamentssitzung für die Abgeordneten weiterhin in das Dachfoyer übertragen wird, weil es natürlich auch nicht sehr angenehm ist, so lange hier zu sitzen.

Die Galerie ist heute das erste Mal wieder offen, auch Fotografen können sie nutzen und damit ihrer Arbeit bestmöglich nachgehen. Es bleibt aber bitte die Empfehlung, Abstand zu halten, Maske zu tragen, die Hände zu desinfizieren und so den derzeitigen Umstän­den gerecht zu werden. Ich bitte Sie darum, und wir werden auch in der Präsidiale darü­ber beraten, wie wir weiter vorgehen.

*****

Heute ist ein besonderer Tag, ich darf das am Anfang noch anmerken. Sie sind leider nicht im Plenarsaal anwesend, aber in den Kabinen auf der Galerie: Heute ist der Tag der Gebärdensprache, und ich darf mich ganz, ganz herzlich bei den Damen bedanken, die das Gebärdensprachdolmetschen hier übernommen haben. Seit 2009 begleiten sie alle Sitzungen des Nationalrates und darüber hinaus auch Veranstaltungen des Natio­nalrates. Ich bedanke mich insbesondere bei Frau Sabine Zeller, die als Koordinatorin dafür sorgt, dass lückenlos in Gebärdensprache übersetzt wird. – Ein herzliches Danke­schön unseren Begleitern in dieser Form! (Allgemeiner Beifall. – Präsident Sobotka,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 26

Bundesministerin Gewessler sowie Abgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS bringen den Beifall in Gebärdensprache dar.)

Die Barrierefreiheit ist mir und, so glaube ich, uns allen ein ganz großes Anliegen. Wenn wir in unser Stammhaus zurückkehren, werden wir diese Barrierefreiheit dort wirklich in allen Dimensionen gewährleisten können. Unsere Sprecher in Behindertenangelegen­heiten haben vereinbart, dass sie im November in den Foyers des Plenarsaales eine Ausstellung zu diesem Thema machen werden. Dazu werde ich im Oktober dann noch mehr ausführen dürfen.

*****

Die Amtlichen Protokolle der 49. und der 50. Sitzung vom 14. September 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Friedrich Ofenauer, Alois Schroll, Petra Vorderwinkler und Bedrana Ribo, MA.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bundes­ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF die Sitzung heute bis 13 Uhr in ORF 2 übertragen wird. ORF III überträgt die Sitzung von 13 Uhr bis 19.15 Uhr; anschließend wird sie in der TVthek kommentiert übertragen.

09.10.27Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermeidung“

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. Ich darf sie darauf aufmerksam ma­chen, dass ihre Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.


9.10.46

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte KollegInnen, liebe Abgeordnete! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher hier im Plenarsaal und zu Hause vor den Bildschirmen! Vielleicht ist es Ihnen immer wieder einmal so gegangen, dass das erste Geräusch in der Früh nicht der Wecker, sondern eine Müllabfuhr war – das vertraute Klappern und Scheppern von Müllwägen in der Früh, sodass man weiß, die Müllabfuhr im Lande funktioniert. Vielleicht haben Sie sich gefragt: Ist denn das jetzt ein so vorrangiges Thema, dass man es in einer Krisenzeit behandelt? – Ich behaupte: Ja. Das Thema Wegwerfen, das The­ma Abfälle, das Thema Ressourcen passt ganz genau in diese Krisenzeit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 27

Österreich nahm in Sachen Abfalltrennung lange Jahre die Vorreiterrolle ein, hat sie in gewisser Weise noch immer. Allen ist vertraut, dass man Papier sammelt, dass man Glas sammelt – was sind Problemstoffe? –, und Österreich war vor allem auch Vorreiter bei der Biotonne. Österreich war eines der Länder, das die Biotonne flächendeckend eingeführt hat und diese bis heute behält.

Es gibt in so gut wie allen Gemeinden vorbildliche Recyclinghöfe mit sehr professionel­lem Personal, das unterstützt. Wir haben einen großen Schritt in Richtung Kreislaufwirt­schaft geschafft. Das ist Anlass genug, um heute auch einmal dem Personal, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu danken, stellvertretend für Wien der MA 48, aber auch jenen in vielen Abfallwirtschaftshöfen, in den Entsorgungsbetrieben, in den Sam­meleinrichtungen, denn das ist viel Arbeit. Es ist nicht die angenehmste und die beson­ders geschätzte Arbeit, aber sie ist extrem wertvoll für unser Land. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Also alles in Ordnung? – Nicht ganz. Die Abfallmengen steigen weiter, wir sind mittler­weile bei etwa 500 Kilogramm Haushaltsabfällen pro Person und Jahr. Das ist zu viel. Es ist eine Verpackungsflut, es ist eine Einwegprodukteflut, wie es viele beschreiben. Viele von Ihnen, wenn einmal eine Sperrmüllsammlung in der Straße stattfindet, werden wahrscheinlich im Vorbeigehen auch gedacht haben: Schade, was da alles weggewor­fen wird. Da sind viele Dinge dabei, die man noch brauchen könnte, die sind eigentlich zu schade, um weggeworfen zu werden.

Was heißt wegwerfen? – Abfall wird vernichtet, verbrannt, die Reste werden deponiert; mit ihnen alle Inhaltsstoffe, mit ihnen alle Rohstoffe, viel Energie. Natürlich sind auch oft Transportwege für die Materialien und viel Arbeitszeit enthalten. Es gibt Gebrauchtläden, es gibt Caritasläden, aber das ändert nichts daran, dass wir in einem steigenden Abfall­strom sind.

Gerade in Krisenzeiten daher die Frage: Können wir es uns leisten, angesichts steigen­der Arbeitslosigkeit, geringerer Haushaltseinkommen und Betrieben, die ums Überleben kämpfen, so viele Ressourcen einfach wegzuwerfen, zu vernichten, oder wäre gerade jetzt der Zeitpunkt, zu fragen: Wie können wir das Vorhandene gemeinsam besser nut­zen, besser verteilen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte das an drei Beispielen kurz skizzieren. Elektrogeräte, Elektronikschrott: stark, stark steigende Mengen. Im Vergleich zu anderen Abfallströmen sind sie ein Sorgenkind, weil die richtige Entsorgung noch nicht in dem Ausmaß funktioniert. Nur jede zweite Batterie landet überhaupt in einer richtigen Entsorgung, mehr als die Hälfte der Batterien landen im Restmüll.

Eine besonders kurze Lebenszeit haben unsere Handys. Nicht einmal zwei Jahre ist ein Handy in Betrieb. Von den drei Millionen Handys, die jedes Jahr gekauft werden, landet gerade einmal jedes sechste in einer Entsorgung, der Rest irgendwo in Schubladen oder im Restmüll. Wir haben da kleine Schatzkästchen in der Hand. Jedes Handy enthält Gold, Silber, Platin, Kupfer. Das sind wertvollste Rohstoffe, die wir eigentlich sammeln, verwerten, wiederverwerten sollten. Wir brauchen daher dringend Reparatursysteme, wir brauchen längerlebige Produkte, wir brauchen den Aufbau von Reparaturdiensten, langlebige Produkte, den Zugang zu Ersatzteilen, den Zugang zu Anleitungen. Wer kennt das nicht? Ein Gerät geht kaputt und man muss nachdenken: Gibt es überhaupt die Chance, es reparieren zu lassen? Es ist oft billiger, neu zu kaufen.

Da müssen wir gegensteuern. Im Regierungsprogramm ist ein großes Kreislaufwirt­schaftspaket, ein großes Abfallpolitikpaket enthalten, das derzeit schrittweise in Umset­zung ist, in der Vorbereitung für eine neue Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, mit dem Vorhandenen besser zu wirtschaften, sorgfältiger


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 28

umzugehen – nicht nur im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch im Sinne von Kreis­laufwirtschaft und Arbeitsplätzen. Das AWG, das Abfallwirtschaftsgesetz, soll da wichti­ge Weichen stellen.

Zweites Beispiel: Lebensmittel im Abfall. Österreich ist Vorreiter bei der Biotonne, aber wir erkennen, dass ein unglaublich großer Teil an genusstauglichen Lebensmitteln im Restmüll landet. Das ist so erschreckend, dass es längere Zeit gebraucht hat, um dazu überhaupt Daten zu beschaffen. 30 Prozent in der schwarzen Restmülltonne sind Bioab­fälle, die Hälfte davon sind genusstaugliche Lebensmittel. 16 Prozent unseres Restmülls sind genusstaugliche Lebensmittel, die dort überhaupt nichts verloren hätten.

Die Frage ist: Wie kann man da gegensteuern? – Das Wichtigste ist natürlich Informa­tion, Bewusstsein schaffen und bereits in den Schulen und auf allen Ebenen Bildungsar­beit leisten, auch die Kooperation mit dem Handel suchen. Auch aus dem Handel kommt ein erheblicher Teil an Lebensmitteln in den Abfall. Ganz wichtig aber ist – davon wäre ich ein Fan –, Ernährungslehre und Kochen wieder als Fächer in die Pflichtschulen auf­zunehmen. Es wäre so wichtig, dass jedes Kind in der Schule die Gelegenheit hat, etwas über Ernährungslehre und auch über das Kochen zu lernen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Eine Menge, die besonders betroffen macht – und das genau in Zeiten, in denen es einigen nicht gut geht –, ist: Wir leisten uns in Österreich 60 000 Tonnen – das sind 60 Millionen Kilogramm – Brot im Abfall. 60 Millionen Kilogramm Brot im Abfall darf es eigentlich nicht geben. Daher auch da der Appell, das zu thematisieren, gegenzusteuern und es nicht zuzulassen, dass Geschäfte 5 Minuten vor Ladenschluss noch volle Brotre­gale anbieten! Das muss eine Konsumentin, ein Konsument ansprechen und auch sa­gen, dass man das nicht will. Es ist nicht notwendig. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittes Beispiel – jetzt geht es richtig zum Kern des Themas Wegwerfgesellschaft –: Was landet denn alles in der Landschaft? Was landet neben den Wegen, in der Natur? Man ist unterwegs und findet links und rechts des Weges das ganze Sortiment von diversen Getränken. Man findet ein Sortiment von gewissen Take-away-Packungen. Man kann da die Menüs ablesen, die im Umkreis dieser Ausgabestellen verkauft wurden, und dann kann man sich ausrechnen: Wie lange isst jemand, bevor das Autofenster aufgeht und die Sachen neben der Straße landen?

Die Abfälle in der Landschaft, im öffentlichen Raum belaufen sich bereits auf ein Ausmaß von 4 500 Tonnen jährlich, die mühseligst aufgeklaubt werden müssen. Es gibt dazu ei­ne Studie des Umweltbundesamtes, weil man sich dieses Phänomen, dieses wachsen­de Phänomen, anschauen wollte. Es gibt so gut wie in jeder Gemeinde mindestens eine Flurreinigungsaktion pro Jahr. Wir sind bei knapp 2 800 Flurreinigungsaktionen mit Frei­willigen. 160 000 Freiwillige gehen herum und klauben das auf, was andere einfach aus Achtlosigkeit, aus Ignoranz oder aus Bequemlichkeit fallen lassen. Es sind großteils Ge­tränkeverpackungen. Es gibt genaue Analysen dazu, die das abdecken. Das ist ein uner­messlicher Arbeitsaufwand, der da zu leisten ist. Auch da ein Dank an alle, die aufklau­ben gehen, an die Freiwilligen, aber auch an die Asfinag, an alle Straßenmeistereien. Es wird unglaublich viel geleistet, damit der öffentliche Raum, damit die Natur von diesen Abfällen verschont bleibt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Der Abfall ist leider auch zu einem ziemlichen Gefahrenpotenzial für die Futterwiesen geworden. Jeder Landwirt, der weiß, was eine geschredderte Futterdose an Tierarztkos­ten und Leid verursacht, weiß, dass dieses Material nicht in die Umwelt gehört. Wir müs­sen sorgfältiger werden und brauchen daher gerade in diesem Bereich, in dem so viel weggeworfen wird und den wir genau beschreiben können – es ist der Getränkebereich,


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der ganz groß ist –, wirksame Maßnahmen gegen die Plastikflut wie das Dreipunktepro­gramm, das kürzlich von Umweltministerin Gewessler vorgestellt wurde, um die Plastik­flut einzudämmen.

Wir haben da die Bevölkerung auf unserer Seite. Die Bevölkerung wünscht sich wieder mehr Mehrwegverpackungen und ein faires Angebot im Handel. Sie wünscht sich Maß­nahmen und Anreize zur Rücknahme dieser Getränkeverpackungen, sie wünscht sich, dass die Politik Maßnahmen setzt, um Mehrweg eine größere Chance zu geben und die Quoten natürlich auch hinaufzusetzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (fortsetzend): Bitte, unterstützen nicht nur Sie in der Bevölkerung uns, sondern besonders auch Sie hier im Hohen Haus, unterstützen Sie uns als Regierung dabei! Wir haben vieles in unser Regierungsprogramm aufgenom­men, unterstützen Sie uns mit der kommenden Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz bei der Umsetzung! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr.)

9.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße – ich habe sie zuerst nicht gesehen – sehr herzlich Frau Ministerin Leonore Gewessler und darf ihr gleich das Wort erteilen. – Bitte.


9.21.24

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, Sie möchte ich natürlich auch noch sehr herzlich begrüßen! Geschätztes Hohes Haus! Ich darf mich sehr herzlich dafür be­danken, dass wir hier heute zum Thema „Raus aus der Wegwerfgesellschaft“ diskutieren und ich dazu sprechen darf.

Es soll dabei um neue Wege zur Abfallvermeidung gehen und ich glaube, das ist ein gemeinsames Anliegen. Ich danke Abgeordneter Rössler wirklich sehr herzlich für die umfassende Einführung in das Thema und möchte auf die drei Punkte, an denen sie das Thema jetzt aufgezeigt hat, kurz reagieren: Was braucht es und was wird gerade erar­beitet?

Was mir ein besonderes Anliegen ist – und deswegen der Konnex zu dieser Krisensitua­tion –, ist Folgendes: Wir leben in einer Zeit, in der es viele Menschen gibt, die die Dinge, die derzeit am Müll landen, die derzeit gut produziert werden – frische Lebensmittel, funktionsfähige Geräte –, dringend brauchen. Das ist nicht nur, aber auch eine ökologi­sche Frage: Es ist eine ökologische Frage, denn der Zusammenhang zwischen Kreis­laufwirtschaft und Klimaschutz ist ein großer, und es liegt an uns, diesen Zusammen­hang auch immer wieder herzustellen. Es ist aber nicht nur eine ökologische Frage, nicht nur eine moralische Frage, wenn man Lebensmittel auf den Müll wirft, sondern es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist schlicht unfair, wenn Menschen, die sie brau­chen, in einer Zeit, die schwierig ist, die Lebensmittel nicht bekommen, die bei uns im Müll landen, und deswegen ist mir das wirklich ein Anliegen, das auch und gerade in dieser Zeit zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich darf kurz auf die drei aufgeworfenen Punkte eingehen. Ein Thema ist die Frage des Elektronikmülls, funktionsfähiger Geräte, das Problem der geplanten Obsoleszenz, also dass Geräte, die an sich – und wir erinnern uns an die Zeiten unserer Großeltern – über Jahrzehnte halten, plötzlich nur noch Jahre halten. Da passiert gerade auf EU-Ebene sehr, sehr viel, da wird mit dem Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft gerade ein Meilen­stein gesetzt, was wir aus Österreich natürlich sehr intensiv unterstützen.


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Ein Thema, das mir dabei ein besonderes Anliegen ist, ist das right to repair, also dass Konsumenten und Konsumentinnen wirklich ein Recht darauf haben, dass Produkte re­paraturfähig sind, man sie also zumindest reparieren kann. Da geschieht auf EU-Ebene gerade wirklich ein Meilenstein betreffend eine Produktpolitik, die wichtig ist, die wir un­terstützen und die wir auch – das ganze Thema Reparatur – aus dem Ministerium heraus mit Plattformen unterstützen, mit Vernetzung unterstützen, damit wir in Österreich diese Reparaturwirtschaft, die wir brauchen, die eine Wirtschaft ist, die klein- und mittelbetrieb­lich organisiert ist, die Arbeitsplätze vor Ort schafft, Wertschöpfung vor Ort schafft und zum Klimaschutz beiträgt, besser aufbauen können.

Das Thema Lebensmittelverschwendung ist eines, das im Ministerium seit vielen, vielen Jahren sehr engagiert vorangetrieben wird. Ich glaube, das eint uns wirklich, ist ein ge­meinsames Anliegen, dass das ein großes Thema ist, das wir nicht einfach so hinneh­men sollen, daher haben wir uns auch im Regierungsprogramm viel dazu vorgenommen und werden das engagiert weiterbetreiben.

Ich war – ich darf die Geschichte vielleicht kurz erzählen – vor wenigen Wochen bei der Eröffnung eines neuen Tafelhauses in Wien. Wenn man sieht, welche Mengen an Le­bensmitteln dort durchgehen, verteilt werden, dann wird klar, dass das ein großartiger Beitrag der Tafeln dazu ist, dass Lebensmittel nicht im Müll landen, sondern wirklich die Menschen erreichen, die sie brauchen, es zeigt aber auch den Irrsinn auf, den wir derzeit betreiben. Deswegen ist es einfach so wichtig, dass wir dieses Thema engagiert ange­hen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Das dritte Thema, das Frau Rössler aufgeworfen hat, ist die Plastikflut. Österreich ist leider nicht nur ein Land der Berge, sondern auch ein Land der Plastikmüllberge. Wir produzieren in Österreich derzeit 900 000 Tonnen Plastikmüll pro Jahr. Jeder von uns, jede von uns kennt das: Wenn man am Wochenende spazieren geht – so wie ich vor zwei Wochen in der Steiermark –, dauert es keine 5 Minuten, keine 10 Minuten und man findet Müll in der Natur. Das ist ein Problem, das wir in ganz Österreich haben, das ist ein Problem, das bis zu den höchsten Berggipfeln reicht. Der Alpenverein organisiert Flurreinigungsaktionen in unseren Bergen, das heißt, es gibt da wirklich ein manifestes Problem. Ich glaube, vielen von uns blutet das Herz, wenn wir sehen, wie Müll in der Natur landet, und ich glaube, vielen Menschen in Österreich blutet das Herz, wenn wir unsere schöne Natur – und ich denke, das ist etwas, worauf wir in Österreich wirklich stolz sein können – derartig vermüllen.

Wir haben als Bundesregierung mit dem Beitritt zum EU-Plastikpakt jetzt einen ersten Schritt gemacht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt. Das ist ein Pakt, in dem sich europäische Länder, gemeinsam mit der Industrie, gemeinsam mit der Wirtschaft, mit der Zivilgesellschaft dazu verpflichten, des Problems Plastikmüll Herr zu werden – mit konkreten Zielen, mit ambitionierten Zielen zur Vermeidung von Plastikmüll. Das ist ein wichtiger Schritt, ich denke aber, wir sollten auch bereit sein, die nächsten Schritte zu gehen. Aus diesem Grund habe ich den Dreipunkteplan gegen die Plastikflut vorgeschla­gen und ich bin davon überzeugt, dass man mit diesen drei Maßnahmen, die wir vor­schlagen – Mehrwegquoten, Pfandsystem und eine Herstellerabgabe –, im Kampf ge­gen den Plastikmüll, im Kampf gegen den Müll in der Natur wirklich etwas bewegen kann.

Vielleicht noch ganz kurz zu den Inhalten – Mehrwegquote im Einzelhandel: Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, mich hat es sehr gefreut, als die Mehrwegmilchflasche wieder aufgetaucht ist. Das ist etwas ganz Einfaches. Für diejenigen, die es wollen, soll es Wahlfreiheit geben. Das können wir erreichen, indem wir das, was wir in Österreich schon einmal gut gekonnt haben – wir hatten nämlich einen sehr hohen Mehrweganteil ‑, auch wieder fördern, wenn wir den Mehrweganteil mit Mehrwegquoten, wie wir sie im Regierungsprogramm vorgesehen haben, unterstützen.


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Genau dazu möchte ich auch wieder zurückkommen. Das hat in den Neunzigerjahren gut funktioniert, viele von uns wissen das, beim Bier funktioniert es auch sehr gut. Das heißt, das schaffen wir auch in der Breite des Getränkesortiments, um damit den Kundin­nen und Kunden Wahlfreiheit zu ermöglichen. Jede Mehrwegflasche ersetzt eine Ein­wegflasche und jede Mehrwegflasche führt dazu, dass wir weniger Müll in der Natur ha­ben, und das ist das Ziel. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben natürlich auch Getränkeverpackungen, die nur einmal verwendet werden können. Dazu gibt es auf EU-Ebene zur getrennten Sammlung strenge Ziele, die wir erreichen müssen. Meine Vorgängerin Eli Köstinger hat deshalb ja eine Studie dazu in Auftrag gegeben, wie wir diese Ziele erreichen können. Zur Zielerreichung lautet da der Vorschlag, ein Pfand auf Einwegflaschen, ein Pfand auf Einwegverpackungen einzufüh­ren. Wie Sie wissen, arbeiten wir im Ministerium derzeit gemeinsam mit allen Stakehol­dern – den Abfüllern, der Wirtschaft, also allen, die in dieser Kette dabei sind – an dem System, wie das für Österreich ausschauen könnte. Auch heute, gerade jetzt, findet im Ministerium wieder ein Arbeitskreis statt. Ich bin zuversichtlich, dass wir Ende des Jahres über ein konkretes Modell und ein Ergebnis berichten können, denn auch das wird dazu beitragen, vor allem das Problem Littering – unvorsichtiges Wegwerfen von Verpackun­gen in der Natur – in den Griff zu bekommen. Das ist ja das Kernanliegen und das Kern­ziel, das uns, glaube ich, alle eint.

Der dritte Punkt – eine Herstellerabgabe auf Plastikverpackungen – ist neu. Sie wissen, die EU-Plastiksteuer steht uns ins Haus. Ich glaube, wir müssen uns wirklich zweimal überlegen, wie sich die Steuerungswirkung dieser Plastikabgabe in Österreich bestmög­lich umsetzen lässt, sodass es mehr recycelfähige Materialien gibt, dass es besser recycelbare Verpackungen gibt, und dass – das ist der Sinn und Zweck der Plastikabga­be – weniger Plastikmüll produziert wird. Deswegen streben wir ein Modell nach dem Verursacherprinzip an: in Zukunft eine Abgabe einzuheben, damit wir diejenigen, die besser recycelbares und mehr recycliertes Material einsetzen und damit auch einen gro­ßen Beitrag zur Reduzierung der Plastikflut leisten, auch belohnen.

Das sind drei simple Punkte zu einem großen Problem, einem vielfältigen Problem – dem großen Thema Abfallvermeidung, das viele verschiedene Aspekte hat. Ich freue mich auf die weitere Debatte – in der ganzen Breite, die dieses Thema verdient, und ich glaube, auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft.

Das ist es, was uns einen muss: Auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft in Österreich können wir nicht nur einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch einen großen Beitrag dazu, dass unser Österreich ein Stück gerechter wird. Ich glaube, das ist ein schönes Ziel, an dem man sieht, wie Ökologie mit ganz vielen anderen Themen zu­sammenhängt. – In diesem Sinn ein herzliches Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Drobits und Herr.)

9.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. Ich darf darauf hinweisen, dass die Redezeit nun 5 Minuten beträgt. – Bitte.


9.31.35

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, ich glaube, es gibt ein großes Problem mit dem Plastikmüll. Wir müssen dem begegnen, aber wir müssen auch differenzieren. Ich habe mir heute in unserer Kantine eine Plastikflasche besorgt (eine leere PET-Flasche in die Höhe haltend), und Flaschen sind momentan, in einer Zeit von Ansteckungskrankheiten, eigentlich eine sehr praktische und hygienische Möglichkeit – auch das muss man erwähnen. Auch unsere Schutzvorrichtungen hier im


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Parlament sind zum Teil aus Plastik, und das hat einen guten Grund. Das heißt, wir dürfen diesen Werkstoff nicht alleine verteufeln, sondern wir müssen massiv differen­zieren.

Ich glaube, wir sollten aber auch darauf achten, wo wir wirklich ansetzen und Lösungsan­sätze bringen können. Wenn wir wissen, dass die PET-Flasche beim gesamten Kunst­stoffmüll 8 Prozent ausmacht – betreffend unsere Ziele –, dann ist das vom Gewichtsver­hältnis her circa der Anteil dieses Stöpsels (den Stöpsel der PET-Flasche in die Höhe haltend) an der ganzen Flasche. Da stellt sich wirklich die Frage, ob es die Maßgabe ist, auf diesen Teil eine Gebühr zu erheben, um das Gesamtziel zu erreichen, oder ob das Ziel der Sammelquoten nicht eher mit besseren Sammlungen erreicht werden kann.

Dies sind die zwei Hauptprobleme rund um den Plastikmüll: Sammelquote und Littering. Wir sehen das im Vergleich der Bundesländer relativ gut: Unser Ziel muss es sein, 90 Pro­zent Sammelquote zu erreichen. Es gibt drei Bundesländer in Österreich, die das bereits erreichen (eine entsprechende Grafik in die Höhe haltend), und zwar das Burgenland, Tirol und Vorarlberg. Eines befindet sich ganz unten, das ist das Bundesland Wien. Wenn wir also eine gesamte bundesweite Quote von 90 Prozent erreichen wollen, müs­sen wir auch Wien entsprechend motivieren, da voranzugehen.

Sie wissen alle, wenn diese Flasche heute im Müll landet, dann landet sie in einer Rest­mülltonne, weil Wien in der getrennten Sammlung leider nicht weit genug ist. Ich habe damit auch kein Problem, das kann sich jedes Bundesland aussuchen – der Bürgermeis­ter war ja selbst als Müllmann unterwegs, um sich ein Bild davon zu machen –, ich habe aber dann ein Problem, wenn wir der gesamten Bevölkerung Österreichs eine Gebühr aufdrücken wollen, nur um das Problem eines Bundeslandes zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke aber, wir werden Wege finden, dass das möglich ist, denn wenn es in anderen Bundesländern möglich ist, denke ich, sind auch die Wiener bereit dazu, wir müssen ihnen nur die entsprechenden Möglichkeiten anbieten.

Wichtig ist, dass wir uns dem Thema Littering entsprechend annehmen – und auch dies­bezüglich bitte ich, das gesamthaft zu betrachten, denn Littering bedeutet nicht nur die Plastikflasche, sondern Littering ist Bauschutt, Littering sind alte Autoreifen, das ist ge­nauso auch der Eiskasten, der da oder dort einmal im Wald landet. Das sind enorme Verschmutzungen und da geht es um ein Bewusstseinsthema. Gott sei Dank – und dafür möchte ich mich bei allen Abfallverbänden, bei den Kommunen und Vereinen recht herz­lich bedanken – gibt es Flurreinigungsaktionen; und jeder, der schon daran teilgenom­men hat, weiß, wie breit das Feld der Verunreinigungen ist.

Es ist mir als Landwirtschaftsvertreter auch nicht entgangen – und es gibt viele persönli­che Betroffenheiten –, dass es zu verheerenden Folgen im Tierbestand führt, wenn Müll im Futter landet, bis hin zu tödlichen Folgen. Auch dort ist es nicht nur die Plastikflasche, sondern dort sind es auch weitere Verschmutzungen, ob es Dosen oder anderes sind.

Das heißt, wir dürfen da nicht die Verantwortung durch eine Entpflichtung wegschieben, sondern wir müssen die Verantwortung stärken, und ich bitte auch die Bundesregierung, innerhalb der Ressorts, auch mit dem Justizressort, zu sprechen, denn am Ende des Tages geht es schon um die Frage, wie der Strafenkatalog, auch für kleine Umweltverge­hen, aussieht – denn es sind gerade die kleinen Vergehen, die oft große Umweltschäden anrichten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir dürfen die Folgen des Fehlverhaltens Einzelner – das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig – nicht sozialisieren und der gesamten Bevölkerung Gebühren auferlegen. Eine Systemevaluierung für ein einheitliches bundesweites Sammelsystem ist längst fällig. Da sind auch die Vorgängerregierungen bemüht gewesen, und ich glaube, wir können das erreichen. Diesbezüglich sind die Bundesländer auch sehr, sehr willig.


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Zum Thema Littering muss ich ganz klar festhalten: Das ist ein Eigentumsdelikt, und wer heute Umwelt- und Natursünden begeht, vergeht sich letztendlich an der Zukunft unserer Kinder. In diesem Fall brauchen wir nachhaltiges Müllmanagement statt einzelner plaka­tiver Aktionen, um diese Probleme auch restlos zu lösen. (Beifall bei der ÖVP.)

9.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


9.36.22

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Das The­ma der heutigen Aktuellen Stunde lautet Abfallvermeidung, und dazu will ich zu Beginn etwas Grundsätzliches sagen: Ich will über die Art und Weise sprechen, wie wir wirt­schaften: Wir produzieren, dann verkaufen wir, dann gibt es eine ganz kurze Nutzungs­dauer, dann werfen wir weg – und dann produzieren wir wieder von Neuem und es wird neu gekauft.

Es steht nicht mehr im Mittelpunkt, dass das Produkt für die Umwelt und für die Konsu­menten und Konsumentinnen möglichst nachhaltig ist, es steht nicht im Mittelpunkt, dass es möglichst lang hält und gute Qualität hat, sondern dass wir kaufen (mit den Fingern schnipsend) und wieder kaufen (erneut mit den Fingern schnipsend). Und warum? – Weil natürlich auch jemand an diesem Einkauf verdient.

Dabei erleben wir eine unglaubliche Ressourcenverschwendung und unsere Müllberge wachsen ständig. Das müssen wir ganz einfach klar benennen. Es findet eine systemati­sche Ausbeutung unserer Umwelt aufgrund von Profitinteressen statt (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen) und in so einer Gesellschaft wollen wir nicht leben – in einer Wegwerfgesellschaft, in der wir nur kaufen, um zu kaufen. Dafür ist das Leben zu kurz.

Wenn wir über Müllvermeidung sprechen, könnten wir ganz viele Themen ansprechen – Kollegin Rössler hat aus meiner Sicht viele sehr gut aufgezählt –, ich will jetzt aber über jenes Thema sprechen, über das auch die Regierung gerade spricht und sich nicht einig ist, nämlich Plastikmüll.

In Österreich gibt es extrem viel Plastikmüll – auch da im Übrigen Plastik, das einmal verwendet und dann weggeworfen wird, anstatt die Mehrwegvariante zu wählen. Auf EU-Ebene gibt es jetzt aber den Vorschlag der Plastiksteuer. Die Idee dahinter: Dort, wo viel Plastik erzeugt wird, fallen hohe Steuern an, sodass die Betroffenen ein Interesse daran haben, weniger Plastik zu erzeugen, um weniger Steuern zu zahlen – das macht man nämlich normalerweise nicht himmelhoch jauchzend. Dahin gehend funktioniert diese Logik.

Nun gab es in Österreich die Frage: Wer zahlt diese Plastiksteuer? – Die Zuschauerin­nen und Zuschauer zu Hause werden sich jetzt wahrscheinlich denken: Na ja, die, die es verursachen, die Plastikhersteller und -herstellerinnen, weil diese Plastikabgabe, wenn sie wirklich zu einer Reduktion von Plastik führen soll, ja von jenen bezahlt werden muss, die das Plastik erzeugen und die es auch in der Hand haben, da zu reduzieren. – So weit, so logisch.

Anders denkt sich das unser Finanzminister Blümel, der wieder besonders positiv auf­gefallen ist. Er und die ÖVP sagen nämlich: Die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sollen die Plastiksteuer zahlen. – Da wissen wir eh schon, wen es trifft: 80 Prozent des gesamten Steuereinkommens wird von arbeitenden Menschen entrichtet. Das sind Steu­ern auf Arbeit, das sind Steuern auf Konsum, nicht Steuern auf Vermögen oder Steuern auf Besitz und Reichtum. 80 Prozent der Steuern stammen von den arbeitenden Men­schen, und genau aus diesem Topf soll nun auch noch die Plastiksteuer gezahlt werden. Es geht um 142 Millionen Euro – und ich frage Sie: Wenn eh wir alle die Plastikabgabe


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zahlen, was haben dann diejenigen, die das Plastik erzeugen, für einen Anreiz, zu redu­zieren? – Sie haben gar keinen Anreiz mehr! Das führt das Ganze ad absurdum, und das ist die Logik des Herrn Blümel! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Da hier der Wienwahlkampf ja schon eröffnet und bereits mit Wienbashing vorangetrie­ben wurde (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller): Ich meine, Herr Blümel steht ja wirklich konsequent nicht auf der Seite der arbeitenden Menschen und will Wiener Bürgermeis­ter werden. Das geht sich auch irgendwie nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammengefasst: Die grüne Umweltministerin hat sich ja ebenfalls dafür ausgespro­chen, dass die Erzeuger diese Steuer zu zahlen haben – das begrüßen wir natürlich, da unterstützen wir sie natürlich –, aber der zuständige Finanzminister sagt weiterhin Nein. Dahin gehend: Vielleicht können wir das heute klären, um die Steuerzahler und Steuer­zahlerinnen da nicht unnötig zu belasten.

Unterm Strich: Wir müssen handeln! Die Richtigen müssen zur Kasse gebeten werden, zweitens müssen wir weg von diesem Kaufen, Wegwerfen, neu Kaufen – es braucht Mehrweg statt Einweg, ganz klar –, und drittens brauchen wir ein kluges Pfandsystem, dort, wo es notwendig ist, damit der Müll dort landet, wo er wirklich hingehört, nämlich im Recycling und nicht in der Natur.

All das brauchen wir, all das ist notwendig. Bitte geben Sie die Blockadehaltung auf, es wäre tatsächlich im Sinne von uns allen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


9.41.28

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Das Thema der Aktuellen Stunde: „Raus aus der Wegwerfgesellschaft: Neue Wege zur Abfallvermeidung“ ist, glaube ich, nicht ganz so aktuell aufgrund der Krise, die wir jetzt gerade angesichts des Coronawahnsinns haben, im Sinne einer So­zialkrise, im Sinne einer Wirtschaftskrise, und vor allem heute, an diesem Tag, an dem wir – also nicht wir, sondern die Regierungsparteien – entsprechende Gesetze beschlie­ßen, durch die es Einschränkungen in Grund- und Freiheitsrechten gibt. Dass Sie hier also eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema einbringen, ist relativ müßig. (Beifall bei der FPÖ.)

Bemerkenswert ist vor allem, wie seicht Sie, Frau Kollegin Rössler, dieses Thema heute hier vorgetragen haben, denn im Endeffekt brauchen Sie eine Mediationsstunde oder vielleicht sogar eine Gruppentherapiestunde mit Ihrem Koalitionspartner, der ÖVP, weil trotz all dem, was Sie heute hier vorgetragen haben – ich kann viele, sehr, sehr viele Punkte unterschreiben –, der Vertreter Ihres Koalitionspartners, Kollege Schmucken­schlager, hier ja auch demonstrativ gezeigt hat, wie die Haltung der ÖVP bezüglich Plas­tik, bezüglich Umweltschutz und, und, und ist. Ich bitte Sie also schon, sich diesbezüg­lich, bevor Sie sich hierherstellen, mit Ihrem Koalitionspartner zu einigen – Kollege Kopf (in Richtung Abg. Kopf, der den Sitzungssaal verlässt) geht gerade, weil das Plastikthe­ma nicht seines ist. Das findet er nicht so witzig.

Frau Bundesminister, Sie sind mittlerweile zehn Monate im Amt. Sie haben sehr, sehr viel angekündigt: Plastik, 1-2-3-Ticket. Man merkt, Sie kommen nicht ganz in die Gänge, es funktioniert nicht so, es läuft nicht so rund, denn im Endeffekt hat es außer Marketing­blasen und Überschriften bis jetzt noch nichts gegeben. Sie haben in uns betreffend die Plastikthematik einen Verbündeten gefunden, zwar nicht bei der Plastikabgabe, die der Herr Finanzminister und jetzige Spitzenkandidat in Wien dem Steuerzahler in Österreich mit 200 Millionen Euro aufs Auge drücken möchte – in diesem Bereich wird es von uns also keine Zustimmung geben –, aber dann, wenn Sie einen Verbündeten beim Thema


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Plastik brauchen, wenn es heißt, keine Quote, aber zumindest ein Pfandsystem, ein auf­kommensneutrales System zu machen, durch das der Bürger nicht belastet wird, aber die Rücklaufquote dort hinkommt, dass wir auch keine Strafsteuern zahlen. Das ist unser Weg und das ist auch das Thema, bei dem Sie in uns einen Verbündeten gefunden haben.

Auch das Thema Mehrwegquote – ein sehr guter Ansatz; das hat es, wie Sie gesagt haben, schon in den Neunzigerjahren gegeben – wäre aber natürlich entsprechend zu diskutieren und diese wieder ins Leben zu rufen. Was passiert mit Ihrem Koalitionspart­ner? – Der steht auf der Bremse – „steht auf der Bremse“ ist vielleicht der falsche Aus­druck; er hat das Gaspedal voll durchgedrückt, hat aber die Handbremse angezogen und steht auf der Fußbremse, weil im Endeffekt da sehr, sehr wenig Konstruktives kommt. Es gibt eher eine Blockadehaltung und weniger Umweltschutz sowie Klima­schutz in diesem Bereich.

Frau Kollegin Rössler, ich muss noch einmal auf Sie zurückkommen, weil Wien heute schon Thema war. In Wien haben wir 290 Kilo Restmüll pro Kopf; in Österreich sind es im Durchschnitt 166 Kilo. Da bitte ich Sie schon, so ehrlich zu sein, sich hierherzustellen und auch vor der eigenen Haustüre zu kehren und zu versuchen, die Probleme auch dort zu lösen, wo Sie in Verantwortung sind, und das ist in Wien. (Zwischenruf der Abg. Rössler.) Ich bitte also schon, das Thema, wenn Sie es ernst nehmen, dann auch so seriös zu verkaufen, wenn Sie sich hierherstellen.

Nichtsdestotrotz ist der Klima- und Umweltbereich ein sehr, sehr gutes und wichtiges Thema, bei dem wir natürlich nachhaltig wirksame Aktionen setzen müssen, auch im Zusammenhang mit allem, was erneuerbare Energie, was die Verkehrsthematik anlangt, indem man beispielsweise –ich schaue da Kollegen Hofer, den Dritten Präsidenten, an – die Nahverkehrsmilliarde auch im Bereich Umweltschutz und Klimaschutz einsetzt.

All das sind Themen, die uns wichtig sind, und wir erwarten uns mehr Akzente, mehr Aktionen und auch einen Umsetzungsmotor, der sich wirklich einmal entsprechend se­hen lässt, damit wir in diesem Bereich vorankommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


09.46.23

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viele Probleme, die unser Wirt­schaftssystem schon vorher hatte, sind jetzt, in der Coronakrise, so richtig sichtbar ge­worden. Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem, das von globalen Lieferketten abhängt, ist.

Plötzlich ist uns bewusst geworden, dass wir, wenn irgendwo auf der Welt eine Krise ausbricht, keine Medikamente mehr bekommen, keine Schutzausrüstung, oder dass in Fabriken die Räder stillstehen, weil einfach keine Ersatzteile mehr geliefert werden kön­nen.

Wir haben gesehen, wie verwundbar unser Wirtschaftssystem ist, auch, weil es immer noch wie eine Einbahnstraße funktioniert: Es kommen Ressourcen hinein, diese werden zu Müll, es kommen noch mehr Ressourcen hinein, diese werden zu noch mehr Müll – Ressourcen, Müll. Die Frage ist: Warum kann unser Wirtschaftssystem nicht in einem Kreislauf funktionieren, in dem wir das Material im Wirtschaftssystem halten, um so resi­lienter und widerstandsfähiger gegen Krisen zu werden? (Beifall bei den Grünen.)

In unserem System verwenden wir jeden Tag immer mehr endliche Ressourcen wie Erdöl oder Edelmetalle, und wir sind in einem solchen Maße von diesen Ressourcen


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abhängig, dass unser gesamtes Wirtschaftssystem unglaublich verwundbar ist. Am Bei­spiel Plastik kann man gut sehen, wie schlecht es uns noch gelingt, das Material im Kreislauf zu halten: Nur 23 Prozent der Plastikverpackungen werden in Österreich – und wir sind nicht schlecht im Recycling! – tatsächlich recycelt, nur 23 Prozent, der Rest wird verbrannt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Plastik ist eine ausgesprochen wertvolle Res­source, aber wir gehen sehr verschwenderisch damit um. Plastik ist ein sehr haltbares Produkt und sollte nicht für Wegwerfprodukte verwendet werden, so wie wir es derzeit tun. (Beifall bei den Grünen.)

Man stelle sich vor (ein Wasserglas in die Höhe haltend), ich trinke zu Hause ein Glas Wasser, trinke es aus und werfe es dann in den Müll. Das würde niemand machen, oder? Genau das aber machen wir mit den Plastikflaschen (eine Plastikflasche in die Höhe haltend): Wir kaufen sie, trinken sie aus, und dann gehen sie in den Müll. Ich muss schon sagen, Herr Schmuckenschlager: Wir sollten, wir dürfen dieses Problem nicht kleinre­den. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Es gibt 1,6 Milliarden – nicht Millionen, 1,6 Milliarden! – dieser Plastikflaschen, die jedes Jahr allein in Österreich im Müll landen – das sind 45 000 Tonnen. Noch vor 30 Jahren, wenn wir uns zurückerinnern – auch ich kann mich noch daran erinnern –, gab es alle Getränkesorten – Limonaden, Milch, Bier, Wein, sämtliches Wasser – in Mehrwegfla­schen. Wir konnten sie zurückbringen, haben unser Pfand bekommen, diese Flaschen konnten 50-mal wiederbefüllt und am Schluss auch noch recycelt werden. Diese – meis­tens waren es Glasflaschen, es gab aber auch PET-Mehrwegflaschen – konnten so in einem Kreislauf gehalten werden. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten haben wir zu­schauen können, wie diese Mehrwegflaschen immer weiter aus unseren Regalen ver­schwunden sind. Heute liegt der Mehrweganteil bei nur noch 19 Prozent.

Anstatt dieses Problem politisch anzugehen, hat sich die Politik auf freiwillige Vereinba­rungen verlassen. Na und was ist mit diesen freiwilligen Vereinbarungen passiert? – Wie so oft, haben sie nicht funktioniert.

Einige Getränkehersteller haben in den letzten ein, zwei Jahren gerade wieder umge­dacht. Die Ministerin hat es erwähnt: Wir haben jetzt wieder Mehrwegflaschen bei der Milch. Ich war selber damals mit Greenpeace dabei, als wir dieses Projekt gemeinsam mit der Molkerei umgesetzt haben. Es wird ja immer gesagt, die KonsumentInnen neh­men das nicht an, was aber ist passiert? – Die gehen weg wie die warmen Semmeln, die Mehrwegflaschen!

Das Problem ist aber, es gibt mittlerweile einige Diskonter, die überhaupt keine Pfand­rücknahmesysteme mehr haben. Das heißt, die können gar keine Mehrwegflaschen an­bieten. Deswegen brauchen wir politische Rahmenbedingungen, wir brauchen konkrete, verbindliche Ziele, auf die wir uns im Übrigen auch im Regierungsprogramm geeinigt haben. (Beifall bei den Grünen.)

Genau dafür hat die Ministerin einen konkreten Plan vorgelegt, wonach der Mehrweg­anteil in den nächsten zehn Jahren von derzeit 19 Prozent auf 55 Prozent gesteigert werden soll. Es wird jetzt an uns liegen – für Mehrweg und für Kreislaufwirtschaft sind ja eh alle –, dass wir unseren Worten auch politische Taten folgen lassen.

Weil Wien angesprochen wurde, was erwartbar war: Ich weiß nicht, ob es Ihnen allen schon aufgefallen ist, aber Wien ist eine Großstadt. Wien ist eine Metropole, und da funktionieren Dinge vielleicht ein bisschen anders als in Kleinstädten oder am Land. Ich finde, gerade beim Thema Abfallvermeidung ist Wien in den letzten Jahren sehr vorbild­lich gewesen. Das könnten sich auch andere Bundesländer als Vorbild nehmen. Im Wie­ner Abfallwirtschaftsgesetz ist zum Beispiel eine Mehrwegverpflichtung für Veranstaltun­gen vorgeschrieben, das würde ich mir in allen Bundesländern wünschen. Kollegin Röss­ler hat das während ihrer Regierungszeit auch in Salzburg umgesetzt. Das sind sinnvolle


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Schritte, die auch die Bundesländer setzen können, aber jetzt sind wir hier im Bund am Zug. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


09.52.28

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Wir sprechen heute über die Wegwerfgesellschaft, und wie Sie alle wissen, bin ich tatsächlich ein sehr leidenschaftlicher Umweltschützer. Trotz dieser Leidenschaft habe ich mich aber über die Themenwahl der Aktuellen Stunde etwas gewundert. Ich habe mir gedacht, es gibt im Umweltbereich, im Bereich der Klimapolitik so viele Themenbe­reiche, zu denen wir in der aktuellen Krise sehr konkrete und auch hilfreiche Antworten finden könnten. Die Frage der Wegwerfgesellschaft könnte ein Bereich sein, die Frage der Einwegplastikrichtlinie ist, glaube ich, keiner.

Darauf möchte ich jetzt etwas eingehen. Das Erste: Worüber reden wir denn eigent­lich? – Wir reden darüber, dass es eine Einwegplastikrichtlinie der Europäischen Union gibt. Die ist vereinbart, die wird in Kraft treten, und Österreich erreicht die darin vereinbar­ten Ziele schlicht nicht. Wenn wir die Ziele nicht erreichen, müssen wir 142 Millionen Euro Strafe pro Jahr zahlen. Finanzminister Blümel hat gesagt: Das ist kein Problem, das zahlen wir aus dem allgemeinen Budget.

Wir haben im Umweltausschuss weiters über den Vorschlag eines Pfandsystems debat­tiert, mit dem die Recyclingquoten und Reduktionsraten so erreicht werden, dass – wir sehen es in anderen Ländern – diese Strafzahlungen von 142 Millionen Euro nicht an­fallen.

Das ist die aktuelle Debatte. Da sind aber die Grünen keine Helden, denn das hat tat­sächlich die Europäische Union in Vorleistung erbracht. Wir in Österreich haben da aber bis jetzt relativ wenig an herzeigbaren Ergebnissen.

Dazu, dass Wien deutlich schlechter liegt als alle anderen Bundesländer, sage ich auch wie die Kollegen von der ÖVP – das ist kein Wienbashing, das ist Fakt –: Wenn man sich das österreichweit anschaut, stellt man fest, dass neun von zehn Plastikflaschen im Recycling landen – in Wien sind es nur sechs von zehn. Das ist einfach so. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Manchmal kriegt man den Applaus von der falschen Seite, aber gut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Red­ners.)

Jedenfalls würde ich gerne über die Wegwerfgesellschaft ein bisschen anders diskutie­ren. Worum geht es denn beim Problem Wegwerfgesellschaft, abgesehen von der Plas­tikflasche? – Es geht im Wesentlichen darum, dass wir in Österreich in der Situation sind, dass viele Produkte, die wir kaufen, nicht in einer österreichischen Produktion hergestellt werden. Der Grund dafür ist nicht das Einwegplastik, sondern dass wir eine viel zu hohe Steuer- und Abgabenlast haben. Das ist das wesentliche Element. Wenn wir die Lohnne­benkosten in einem solchen Ausmaß senken würden, dass die Produkte in Österreich hergestellt und dann auch in Österreich erworben werden können, wäre das ein Riesen­schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den NEOS.)

Gleiches gilt im Übrigen auch, was die Besteuerung der Produkte danach betrifft, denn es ist ja nicht nur die Produktion zu teuer, sondern es schlägt dann auch der Staat reich­lich etwas drauf.

Dazu kommt aber ein zweites Element, nämlich: Wir produzieren mit den höchsten Um­weltstandards, wir produzieren in vielen Bereichen schon CO2-frei oder -arm. Das ma­chen natürlich die Länder in Fernost großteils nicht. Die richtige Antwort darauf wäre –


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und da sind wir sogar auf einer Linie mit dem Regierungsprogramm, wenn es gescheit gemacht wird – eine CO2-Besteuerung und gleichzeitig ein CO2-Grenzausgleich. Das würde bedeuten, dass Produkte, die in Österreich unter höheren Umweltstandards her­gestellt werden, natürlich bei einer niedrigeren Besteuerung und niedrigeren Lohnneben­kosten, für die Menschen nicht teurer, aber dann – so die Annahme – in der Qualität höher werden würden. Das muss das Ziel sein und das wäre auch eine Debatte, die wir heute führen könnten, denn das schafft auch regionale Arbeitsplätze – ein zentrales Ele­ment, das wir in der Krise dringend benötigen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit möchte ich zu meinem letzten Punkt kommen, an die grüne Fraktion und auch an Sie, Frau Ministerin, gerichtet: Ich weiß, dass Sie im Umweltbereich deutlich mehr ma­chen als Ihre VorgängerInnen, das muss man auch anerkennen; das ist aber ehrlich gesagt auch nicht schwer, die Latte lag nicht recht hoch. Ich glaube jedoch, dass wir in der Krise andere Formate finden müssen.

Wir haben die größte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik. Wir wissen von Ökonomen, dass wir pro Monat 10 000 bis 15 000 neue Jobs schaffen müs­sen, damit wir nicht dort landen, wo wir nicht landen wollen: in einem großen Wohlstands­verlust, in einer großen Arbeitslosigkeit, in einer langen Kurzarbeit. Das ist heute die Angst von vielen Menschen. Umwelt- und Klimapolitik könnten dazu einen Beitrag leis­ten. Wir brauchen Formate, bei denen es darum geht: Wie schaffen wir im Bereich der erneuerbaren Energie, im Bereich der Abfallwirtschaft, im Bereich der Mobilität, im Be­reich der Gebäudesanierung und in vielen anderen Bereichen, die uns betreffen, jedes Monat 10 000 oder 15 000 neue Jobs? – Jobs, die es auch in Zukunft geben wird, Jobs, die jetzt vielleicht in der Automobilindustrie verloren gehen und dort auch nicht wieder zurückkommen werden.

All diese Antworten hätten Sie in einer Aktuellen Stunde geben können, haben Sie aber nicht gegeben, und das ist eine wirklich verpasste Chance. (Beifall bei den NEOS.)

9.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cin­celli. – Bitte.


09.57.59

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir wollen nun die entstehenden Herausforderungen im Bereich der Klimapolitik gemeinsam meistern, und Green Deal und Kreislaufwirtschaft sollen mehr sein als bloße Worthülsen, Schlagworte. Unsere Bestrebungen müssen natürlich weit darüber hinausgehen und ein neues Design von Zirkularität sollte entstehen. Wenn wir aber so denken, müssen wir von Anfang an überlegen, was mit einem Produkt am Lebensende passiert. Gemeinsam haben wir da eine sehr große Aufgabe vor uns.

Zum Plastik – weil das die Debatte dominiert, werde ich mich jetzt auf das Plastik kon­zentrieren –: Es braucht Lösungen mit Leidenschaft und hohen Ansprüchen, und genau das schätze ich, offen gesagt, an der gemeinsamen Arbeit in der Koalition. Dafür braucht es aber viele Komponenten: Produktdesigner, es braucht dafür die Forschung im Bereich der Verpackungsinnovation, die Lebensmittelindustrie, da gibt es ganz viele, die da rein­spielen und mitwirken müssen.

Wir alle zusammen können Maßnahmen setzen, um die EU-Ziele zu erreichen. Jetzt wurde aber schon wieder das PET-Thema diskutiert, was meiner Meinung nach viel zu kurz gegriffen ist. Das ist ein ganz minimaler Bereich, mit dem in keiner Weise diese Quoten, die wir bis 2025, bis 2030 erfüllen müssen, zu erfüllen sind. Es gibt da lei­der viele Missverständnisse und auch Fehlinformationen. Unser dringlichstes Ziel wä­ren 90 000 Tonnen mehr bis 2030. Die PET-Flaschen würden maximal 8 000 Ton­nen ausmachen, die wir damit zusätzlich schaffen würden. Das ist eine ganz leichte


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Milchmädchenrechnung: Wir brauchen weitere 82 000 Tonnen Plastikmüll, die uns trotzdem noch fehlen würden.

Das heißt, es ist einfach zu kurz gegriffen, uns jetzt nur mit diesen PET-Flaschen ausein­anderzusetzen. Die Erfüllung wäre meiner Meinung nach ein Nebeneffekt. Wenn wir eine einheitliche gelbe Sammlung hätten, einheitliche gelbe Tonnen in ganz Österreich, dann ließe sich das PET-Thema automatisch mitlösen.

Wir haben bereits jetzt unglaublich gute Ergebnisse: 70 Prozent aller PET-Flaschen wer­den bereits jetzt gesammelt. In manchen Bundesländern – und deswegen wundert es mich; in den Bergen in Tirol und in Vorarlberg kann es zum Beispiel nicht sein – werden bereits neun von zehn Flaschen ganz ohne Gebühr, ganz ohne Pfandsystem gesam­melt, auch im Burgenland zum Beispiel; und auch andere Länder sind schon ganz weit vorne. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur Wien ist wirklich in der Steinzeit, da werden – es tut mir leid, dass ich es sagen muss – drei von zehn dieser Flaschen gesammelt – drei Stück von zehn! –, der Rest wird gemeinsam mit dem Restmüll verbrannt, das ist einfach ein Faktum. Ich finde es schade, dass argumentbasierte Debatten in einem solchen Fall immer daran scheitern, dass es heißt, das wäre alles Wienbashing. Egal, worüber man redet – ob es um Brennpunkts­chulen geht oder um irgendwelche Themen, die man ansprechen sollte –, es heißt, das wäre Wienbashing. – Das stimmt nicht! Wir müssen aber über Fakten reden, denn Fak­ten verschwinden nicht allein dadurch, dass man sie ignoriert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir brauchen ein flächendeckendes Abholsystem. Gerade in der aktuellen Situation möchten wir als ÖVP auf keinen Fall die Unternehmer weiter belasten, aber auch nicht die Menschen in Österreich. Es wird schon von 30 Cent pro Flasche – zusätzlich – ge­redet. Die Leute, die bereits jetzt ihre Flaschen zu Hause brav in den gelben Sack, in die gelbe Tonne werfen, sollten und dürften die Flaschen dann nicht mehr zusammendrü­cken, denn sie müssten dann für den Automaten gerade bleiben. Sie sollten das mit einem Mörderaufwand irgendwohin bringen – das ist unserer Meinung nach ein Büro­kratieaufwand, der entsteht. Der kleine Trafikant, der Tankstellenbetreiber, aber auch die Kioskbetreiberin, der kleine Greißler am Land, die hätten plötzlich einen Mörderauf­wand damit. Ich glaube, die Leute haben heute andere Probleme, um die wir uns küm­mern müssen, es kann nicht sein, dass wir sie noch zusätzlich belasten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen eine ökologische Lösung, ja, und PET ist kein Mehrwegsystem. Es ist oft wirklich ein Irrglaube, habe ich das Gefühl, ein Missverständnis, dass man glaubt, dass das ein Mehrwegsystem ist. Diese Flasche, Herr Kollege Hammer, die Sie vorhin hier heraußen gehabt haben, ist übrigens – ich glaube, das war eine Vöslauer-Flasche – zu 100 Prozent aus Rezyklaten hergestellt. Das ist eigentlich eine von den guten Flaschen, wenn man es so nimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, in diesem Zusammenhang gibt es sehr viel Unwissenheit, auch beim Kon­sumenten, denn der Rohölpreis ist im Moment auch so im Keller, dass diese Rezyklate kaum verkaufbar sind; das wäre aber Stoff für eine eigene Rede, darauf einzugehen habe ich jetzt keine Zeit mehr.

Wir brauchen ehrliche ökologische Lösungen und müssen das Mehrwegsystem ausbau­en – das steht auch im Regierungsprogramm und dazu stehen wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens – das ist jetzt mein Abschluss – ist es auch eine Gerechtigkeitsfrage. Alle Bun­desländer haben ambitionierte Programme, bis auf Wien. Frau Bundesministerin, viel­leicht können Sie mit Frau Hebein reden, denn es kann nicht sein, dass man die Wie­nerinnen und Wiener eigentlich diskriminiert, die zahlen nämlich zusätzlich, weil sie den Restmüll bezahlen müssen. Durch die Abgeltungsverordnung bekommt die Stadt Wien


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von der ARA Millionenbeträge und zusätzlich casht die Stadt Wien noch durch den Heiz­wert, der durch die Müllverbrennung entsteht, ab, also doppelt und dreifach. Das ist ein­fach nur dreist, ganz ehrlich. Dann soll, wenn wir EU-Strafzahlungen haben, das bitte schön auch die Stadt Wien in Zukunft finanzieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Kurz zusammengefasst: 2030 brauchen wir 90 000 Tonnen mehr Plastikmüll. Es ist eine einfache Milchmädchenrechnung: Das geht sich niemals mit Extra-PETs von maximal 8 000 Tonnen aus, die wir da holen können. Das heißt, wir brauchen ein einheitliches Trennsystem für ganz Österreich. Wir brauchen eine Haushaltsabholung direkt von den Haushalten, auch in Wien, gelbe Tonnen in Wien in den Haushalten, im öffentlichen Raum, im Park, an der Bushaltestelle, am Spielplatz. Das geht bei den ÖBB genauso. So werden wir die Ziele in Österreich und in Europa gemeinsam erreichen, und wir wer­den alles noch ökologischer gestalten können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bayr. – Bitte.


10.04.05

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Mi­nisterin! Ja, zugegeben, in zweieinhalb Wochen sind Wahlen in Wien, aber das ist kein Grund, um hier völlig faktenbefreit zu agieren. Vielleicht einigen Sie sich innerhalb der ÖVP-Fraktion einmal darüber, wie viele von zehn PET-Flaschen jetzt wo zurückkommen oder nicht – Sie selber agieren mit völlig unterschiedlichen Zahlen, es ist ein bisschen peinlich. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

In Wien gibt es ein jährliches Restmüllaufkommen von 1 Million Tonnen – und da sind die PET-Flaschen, die zum Beispiel Pendler wie Herr Schmuckenschlager mit nach Wien nehmen, hier herzeigen, dann aber wahrscheinlich nicht wieder mit nach Hause nehmen und – in diesem Fall in Klosterneuburg – entsorgen, sondern hierlassen, schon mitge­rechnet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es gibt in Wien 4 500 Altstoffsammelstellen. Es gibt 455 000 Sammelcontainer für alle möglichen Müllfraktionen. Es gibt 16 Mistplätze, die zum Teil auch am Wochenende of­fen haben. Im Durchschnitt haben ein Wiener und eine Wienerin 165 Meter zur nächsten Altglassammelstelle – ich schaue mir an, wo das sonst noch der Fall ist. Und seit 30 Jah­ren gibt es in Wien eine systematische, immer weiter ausgebaute getrennte Müllsamm­lung. Es kommt aber ab und zu vor, dass bei der ÖVP ein paar Jahrzehnte verloren gehen, das ist mir schon klar. Sie (in Richtung ÖVP) sind in einigen Fragen relativ zurück. (Beifall bei der SPÖ.)

350 Tonnen pro Jahr werden recycelt, und jedes Jahr sind 2 000 internationale Besu­cherinnen und Besucher in Wien, die sich das Altstoffsammelsystem, das Mülltrennungs­system anschauen. Es vergeht kein Monat, in dem sich nicht bei mir als der Vorsitzenden der Österreichisch-Südamerikanischen Freundschaftsgruppe wenigstens ein Botschaf­ter, eine Botschafterin am Telefon meldet und sagt: Du, ich würde so gerne meinen Mi­nister/meine Ministerin nach Wien bringen, dass er/sie sich das anschaut, wie ihr das in Wien macht. Kannst du mir da etwas organisieren? – Ja, natürlich kann ich es organi­sieren.

Wien gewinnt Preise, aber nein, Wien ist furchtbar und schlecht und ganz, ganz schlimm.

Ich nehme Sie gerne einmal mit, zeige Ihnen diese großen Container – aber Sie dürfen sich nicht fürchten. Wenn man in Wien in einem Park auf Menschen trifft, die blaue Wes­ten anhaben, dann sind das – auch wenn der Innenminister und die Integrationsminis­terin versuchen, Ihnen etwas anderes weiszumachen – keine Islamisten, sondern Waste­watcher. Das sind Leute, die versuchen, die BewohnerInnen, die BenutzerInnen der


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Parks dazu zu erziehen, mit Müll verantwortungsvoll umzugehen; aber ich sehe schon: Davon haben Sie noch nie etwas gehört. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wien hat auch noch große Ziele. Wien, allen voran Ulli Sima als Umweltstadträtin, hat das Ziel, dass Wien bis 2050 zu einer Zero-Waste-, zu einer Null-Müll-Stadt wird. Durch mannigfaltige Maßnahmen soll es unterm Strich keinen Abfall mehr geben, etwa indem aktiv Abfallvermeidung betrieben wird. Ich habe jetzt vergessen, meine Metallflasche mitzunehmen – ich trinke hier im Haus mein Wasser nur aus einer immer wieder befüll­baren Metallflasche, woraus auch sonst? Wiener Wasser ist super.

Es geht darum, dass man Mehrweg- und Pfandsysteme besser umsetzt. Es ist schon gesagt worden: Ja, in Wien haben wir nicht so viele rechtliche Möglichkeiten. Dort, wo wir die Möglichkeit haben, zum Beispiel bei Veranstaltungen, können wir das auch vor­schreiben. Es würde mich, Frau Ministerin, sehr, sehr freuen, wenn es da auch auf Bun­desebene Regelungen gäbe, wodurch den Ländern in vielen dieser Fälle bessere Hand­haben zugestanden werden würden. Und ja, wir haben in Wien auch vor, dass Verbren­nungsrückstände und Abgase noch weiter verwendet werden, als das jetzt schon der Fall ist. Die Kompetenz der Stadt ist da also sehr groß und wir machen wirklich das Beste daraus.

Lassen Sie mich noch kurz etwas als Reminiszenz an meine Zeit als Umweltsprecherin der SPÖ erzählen: Ich habe damals die Frage von Abfallvermeidung als eine meiner Prioritäten gehabt, und der Umweltminister war damals, glaube ich, Herr Pröll. Auch er hat damals gemeint, dass mit freiwilliger Selbstverpflichtung alles wunderbar funktionie­re. – Nein, es funktioniert natürlich nicht mit freiwilliger Selbstverpflichtung, wir brauchen gesetzliche Quoten für Mehrweg, für Pfand. Was in der Gastronomie sehr gut funktio­niert – dort haben wir nämlich relativ hohe Quoten –, funktioniert im Einzelhandel über­haupt nicht mehr. Gehen Sie einmal irgendwohin – und sei es in eine noch so große Supermarktkette – und suchen Sie Wasser in einer Pfandflasche! Sie werden in 95 Pro­zent der Fälle scheitern, weil es die schlicht nicht mehr gibt. Das ist den Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber, die absichtlich und bewusst umweltbewusst leben wollen, unfair. Es geht einfach nicht mehr, und daran muss man etwas ändern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wissen Sie, die Wirtschaftskammer war damals – vielleicht ist sie das heute immer noch – sehr einfach gestrickt und hat sich gedacht, wenn sie mir als Sozialdemokratin einen Betriebsrat schickt – damals war es der Betriebsrat von Amatil, dem Coca-Cola-Abfüller am Wienerberg in Favoriten –, dann gehe ich quasi ein und dann ist klar - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (fortsetzend): - -, ich erstarre vor der Androhung, dass, wenn man eine neue Abfüllanlage braucht, die Firma absiedelt. Und was ist pas­siert? – Nichts ist passiert. Es gab keine gesetzlichen Mehrwegquoten und die Firma war nach zwei Jahren aus Österreich weg, weil es ihr einfach darum ging, Profite zu maximie­ren, und nicht darum, irgendwelche Umweltgedanken zu verfolgen.

So schaut es aus, und darum ist das, was Sie da vorhaben, Frau Ministerin, sehr gut, und wir unterstützen Sie bei Ihrem Dreipunkteplan allemal. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Präsidenten des Oberösterreichi­schen Landtages, Wolfgang Stanek, herzlich auf der Galerie begrüßen. – Herzlich will­kommen bei uns! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.



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10.10.17

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren! Herr Präsident, ich würde mir nur wünschen, Sie würden bei den ÖVP-Rednern auch so genau auf die Redezeit achten wie bei den anderen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und NEOS.)

„Raus aus der Wegwerfgesellschaft [...]“ haben die Grünen als Thema der Aktuellen Stunde gewählt. Ich weiß nicht, ob es nicht ein aktuelleres Thema als die Wegwerfge­sellschaft gäbe, aber ich will den Bogen zur Wegwerfkoalition, zur grün-schwarzen Koali­tion, die hier im Haus sitzt, spannen.

Frau Rössler, Sie haben uns die Frage gestellt: Können wir es uns bei 800 000 Arbeits­losen leisten, alles wegzuwerfen? Ich frage Sie: Können wir es uns bei 800 000 arbeits­losen und in Kurzarbeit befindlichen Menschen leisten, unsere Grund- und Freiheitsrech­te über Bord zu werfen? Können wir es uns leisten, unsere Verfassung über Bord zu werfen und zu missachten? Können wir es uns leisten, Volksvermögen zu vernichten und Privatvermögen zu vernichten? – Sie leisten es sich offensichtlich in dieser Weg­werfkoalition von Grün und Schwarz, denn Sie wollen heute entsprechende Gesetze beschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

Alles, wofür Generationen gekämpft haben, was sie aufgebaut haben, wird von Ihnen über Bord geworfen. Sie sitzen jetzt ja aber an den Trögen der Macht, und die Tröge der Macht werden immer wieder neu gefüllt, mit neuen Fonds, und da wird dann schamlos hineingegriffen – und Sie unterstützen das auch. (Abg. Stögmüller: Sagen Sie!) Sie un­terstützen das auch.

Ich sage Ihnen jetzt ein Beispiel: Wir nehmen die Wirtschaftskammer. Die Wirtschafts­kammer hat uns noch im Frühjahr erklärt, dass sie die Ressourcen hat, den Härtefall­fonds völlig problemlos abzuwickeln, dass sie die Grundumlage für ihre Unternehmen aussetzen wird, dass sie auf die Grundumlage verzichten wird. – Jetzt schaut die Welt ganz anders aus! Unsere Forderung, Rücklagen dafür aufzulösen, Rücklagen herzuneh­men, wurde natürlich abgelehnt. Wir setzen die Grundumlage aus? – Jetzt schaut die Welt anders aus. Jetzt kommt die Wirtschaftskammer und argumentiert: Wir haben durch die Abwicklung dieses Härtefallfonds einen so großen Aufwand gehabt, wir müssen die Grundumlage vorschreiben.

Und was passiert parallel dazu, und Sie decken das? – Der Herr Finanzminister infor­miert gleichzeitig die Unternehmer, dass man sich diese Grundumlage über den Fixkos­tenzuschuss zurückholen kann. Das heißt, der Steuerzahler bezahlt jetzt die Wirtschafts­kammer – Querfinanzierung der Wirtschaftskammer über Steuergeld.

Es ist ein Skandal, und diesen Skandal deckt nicht nur Herr Erwin Angerer von den Freiheitlichen auf, sondern auch Frau Jungwirth. Ich weiß nicht, ob Sie die Dame ken­nen, meines Wissens ist sie die Frau Vizekanzler. Sie sagt: „,Ich bin wirklich fassungslos, mit welcher Unverfrorenheit der türkise Finanzminister seine Parteifreunde in der Wirt­schaftskammer bedient! Die Quersubventionierung der WK‘“ – Wirtschaftskammer – „,über Steuermittel ist ein starkes Stück!‘, so Sabine Jungwirth abschließend.“ Und Sie decken das! (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb werden wir natürlich in der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses nächste Woche wieder einen Antrag auf Auflösung der Rücklagen der Wirtschaftskam­mer einbringen.

Mir ist noch etwas zugespielt worden, nämlich dass offensichtlich in der Bilanz der Wirt­schaftskammer auch noch andere Rücklagen versteckt werden. Die Bilanz der Wirt­schaftskammer ist offensichtlich das geheimste Dokument dieser Republik, denn es ist nicht möglich, in die Bilanz der Wirtschaftskammer Einsicht zu nehmen. Herr Kopf, legen


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Sie die Bilanz der Wirtschaftskammer offen! Ihre Mitglieder wollen wissen, ob Sie in der Wirtschaftskammer für Werbung und Schulung, für fachspezifische Bereiche zusätzlich zu den entsprechenden gesetzlichen Rücklagen noch weitere Rücklagen geparkt haben.

Oder Herr Matznetter von der SPÖ – er ist zwar jetzt nicht da; er ist ja Vizepräsident, er müsste das auch haben –: Legen Sie die Dinge offen! Wir wollen das sehen! Wir wollen diese Dinge sehen, was da wirklich in der Wirtschaftskammer abgeht und wie mit Steu­ergeld querfinanziert, wie es in Ihre Konstrukte verschoben wird.

Das sind die aktuellen Themen, über die wir reden sollten, anstatt eine Pappendeckel- oder Plastikflaschendiskussion zu führen, die zurzeit wirklich niemanden von den 800 000 Menschen, die um ihre Existenz fürchten, interessiert.

Vielleicht noch abschließend, liebe Grünen und Grüninnen, eine Frage zu den Millionen Masken, die Sie in China gekauft haben und die irgendwo geparkt sind: Werden die recycelt oder werden die weggeworfen? – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, der guten Ordnung halber: Ich habe Kollegin Bayr auch darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Schlusssatz zu sprechen hat, und ich habe auch Sie – weil Sie grundsätzlich nicht zum Thema gespro­chen haben – nicht mit dem Ruf zur Sache unterbrochen. Darauf darf ich aufmerksam machen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Gewessler. Sie hat jetzt auch eine absolute Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.


10.15.11

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Es wird kürzer sein; ganz kurz drei Punkte.

Auf die Ausführungen des Abgeordneten Bernhard und vielleicht ein bisschen auch auf die des Abgeordneten Rauch davor als Replik: Wir werden heute bei einem späteren Tagesordnungspunkt eine Novelle des Umweltförderungsgesetzes auf den Weg brin­gen, die mit einer der vielen Maßnahmen, die darin enthalten sind, nämlich im Bereich der thermischen Sanierung und der Heizkesselförderung, in den nächsten Jahren 45 000 Jobs in Österreich sichern und schaffen wird. Das wird also heute ein großes Thema hier in diesem Haus sein, und ich hoffe, es wird auch entsprechend ein Thema sein, denn diese Novelle ist tatsächlich ein Meilenstein. Dazu sage ich später gerne mehr.

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – ich weiß nicht, wo Herr Kollege Rauch gerade ist – machen wir genau dasselbe: Investitionssicherheit für die nächsten Jahre, Jahr­zehnte. Das ist ein Schub an Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch eine Planungssicherheit für viele Betriebe. Das sind Aufträge, das sind Jobs, das sind zukunftsfähige Jobs, die auch nachhaltig sind. Das wird heute also noch ein großes Thema hier in diesem Haus sein.

In der Klimapolitik wie in der Abfallvermeidungspolitik sind wir aber, glaube ich – und das hängt zusammen, Kreislaufwirtschaft und Klimapolitik: große Synergie –, in der Debatte und in der Dringlichkeit des Themas an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr sagen können: Wir diskutieren es im Kreis, machen wir zuerst das und dann das, eines wartet auf das andere! – Wir müssen wirklich ganz viele Hebel gleichzeitig bewegen.

Zur Versachlichung der Debatte vielleicht noch drei Punkte: Das Erste – das ist auch schon in mehreren Redebeiträgen vorgekommen – ist das Zahlenthema. Wir hatten letzte Woche die Abfallwirtschaftsverbände sowohl aus Tirol, aus Vorarlberg als auch aus dem Burgenland – also die, die es wissen müssen und die nicht wissen, wie diese Zahlen zustande kommen – gehört und wissen, dass wir in diesen Ländern das Ziel be­reits erreichen. Das heißt, wir werden aus der heutigen Debatte auch mitnehmen: Es


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gibt offensichtlich Bedarf an einer noch valideren Datenbasis, weil die Zahlen, die derzeit in Diskussion sind, von den Experten/Expertinnen nicht nachvollzogen werden können. Wir werden daher im Ministerium dafür sorgen, dass wir das auch liefern.

Zweiter Punkt, zur Frage: Sind nicht andere Ziele wichtiger? Höhere Rezyklatanteile, die Frage nach getrennter Sammlung et cetera? – Auch dazu: Diskutieren wir es bitte in den Zusammenhängen, die das Thema auch hat! Ein Pfandsystem führt dazu, dass man in besserer Qualität sammelt, somit gerade für den Einsatz im Lebensmittelbereich – wir haben vorhin die PET-Flasche diskutiert – auch besseres Material als Grundlage zur Verfügung hat. So gilt also auch da: Es gibt Querverbindungen, Zusammenhänge, das ist nicht ein Entweder-oder, sondern wir müssen für ganz viele dieser Maßnahmen mitt­lerweile ein Und denken, weil wir einfach einen Handlungsdruck und einen Zeitdruck haben.

Dementsprechend ist das auch das Ziel des Dreipunkteplans – und damit möchte ich dieses Thema abschließen –, denn im Haushaltsbereich sind ein Viertel des Abfalls Plastikverpackungen und Kunststoffverpackungen; also genau der Bereich, den das be­trifft.

Das heißt, wir haben da wirklich gerade für die Menschen in Österreich ein Thema, das einen gewichtigen Teil ausmacht, und, wie gesagt, es ist nicht das Einzige, was wir tun, nicht das Einzige, was wir tun müssen. Abfallvermeidung ist ein großes Thema, braucht viele Maßnahmen auf vielen verschiedenen Ebenen, aber man muss auch einmal ir­gendwo beginnen, und das machen wir. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Voglauer. – Bitte.


10.19.09

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehr­ter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ge­schätzte ZuseherInnen hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Lassen Sie es mich einfach mit einer persönlichen Erfahrung, die ich bei mir zu Hause auf mei­nem Bauernhof gemacht habe, zusammenfassen! Wir beschäftigen uns mit der Direkt­vermarktung von Frischmilch. Vor zehn Jahren haben wir begonnen, unsere Milch in Milchflaschen abzufüllen und bis vor die Haustüre zu liefern. Das war vor zehn Jahren etwas Besonderes, das gab es in meiner Heimatregion in Südkärnten nicht. Nach einem Jahr haben wir die Milchzustellung in Flaschen einmal evaluiert.

Fakt war: Wir haben an 200 Haushalte zweimal in der Woche Milchflaschen zugestellt. Das waren circa 1 000 Flaschen pro Woche, und wir haben unsere Kunden dann gefragt: Liebe Leute, wie seid ihr mit diesem Service zufrieden? – Die erste Antwort galt nicht dem Geschmack und lautete nicht: Toll, dass es Heumilch ist! Vielmehr war die erste Antwort: Endlich weniger Müll! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Ihnen auch sagen, wie viel Müll wir eingespart haben: Es waren circa 55 000 Tetra­pak-Packerln, die somit nicht in Umlauf gelangt sind. Dazu werden meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP dann wahrscheinlich sagen: Toll, ein perfektes Beispiel für die Selbstverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten!

Geht man aber an meinem Hof vorbei nur ein paar Schritte weiter, kommt man zur ersten Wiese neben der Straße. Wenn ich dort das ganze Jahr über entlangspaziere, kommt mir eines entgegen, nämlich solche Flaschen in unterschiedlichsten Formen der Zerset­zung. (Die Rednerin hält eine zerdrückte PET-Flasche in die Höhe.) Und am Ende lan­den diese Flaschen sehr oft trotzdem im Futter unserer Tiere, obwohl wir sehr oft durch


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unsere Wiesen spazieren und Plastik einsammeln. Da ist mein Betrieb nicht der einzige, sondern es haben ganz viele Betriebe mit einer solchen Verschmutzung zu kämpfen, und da hört die Selbstverantwortung auf!

Deshalb ist es nur wichtig und richtig, dass unsere Bundesministerin, Frau Leonore Ge­wessler, diesen Dreipunkteplan ausgerufen hat, damit wir jetzt dorthin kommen, dass wir auf Einwegverpackung Pfand einheben, damit es eine Herstellerabgabe für Plastik gibt und damit wir die Mehrwegflasche in Österreich wieder etablieren und von den 19 Pro­zent auf 80 Prozent hinaufkommen, wo wir schon einmal waren. Auch in diesem Haus könnten wir mit gutem Beispiel vorangehen und statt solcher Flaschen (die PET-Flasche in die Höhe haltend) in unserer Kantine einfach auf Mehrwegglasflaschen umstellen. So würden wir den Anteil – diese 19 Prozent – sofort erhöhen. (Beifall bei den Grünen.)

Weil heute so viel über Littering gesprochen wurde: Ja, 4 500 Tonnen Abfall landen ent­lang der Wege einfach so in der Natur und in der Landschaft. 4 500 Tonnen, das sind 4,5 Millionen Kilogramm! Wissen Sie, wie viele Plastikflaschen und anderen Abfall Sie sammeln müssen, damit Sie auf eine solche Tonnage kommen? Von diesen 4 500 Ton­nen werden jährlich lediglich 1 000 Tonnen durch freiwillige Flurreinigungsaktionen ein­gesammelt, der Rest bleibt draußen. Es ist also stark verkürzt, zu sagen: Es reicht, mit Flurreinigungsaktionen durch unsere Landschaft zu ziehen. – So kann es nicht sein! Das ist ein wesentlicher Beitrag von uns allen – vielen Dank dafür, dass wir das tun! –, aber das kann nicht der Schluss der Rechnung sein.

Der Schluss der Rechnung muss sein, dass auf diesen Flaschen nicht steht: Bitte recycle mich!, sondern vielmehr, Herr Kollege Schmuckenschlager: Hol dir dein Pfand zurück! Mit dem Dreipunkteplan wird uns das gelingen. Wir holen uns das Plastikpfand. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.


10.23.23

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Kolleginnen und Kollegen! Ich kann an Kollegen Michi Bernhard anschließen, der schon ausgeführt hat, wie unsere grundsätzliche Haltung zu dem Pfandsystem ist und dass es vielleicht für die Aktuelle Stunde eine bessere Wahl des Themas gegeben hätte. Das hat nichts mit der Dringlichkeit des Themas zu tun, aber dass wir zurzeit viel­leicht ganz andere brennende Themen haben, hat unser Kollege ja schon ausgeführt.

Ich möchte ein bisschen grundsätzlicher anfangen und die Gelegenheit für einen Rück­blick auf das letzte Jahr und vor allem den Beginn dieser Gesetzgebungsperiode nutzen. Ich habe etwas noch sehr gut im Ohr, weil das für mich natürlich ein aufregender Moment war, nämlich meine erste Rede, und zwar zum Thema Klimaschutz und Umweltschutz: Ich habe in dieser Rede eindringlich darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir, die Verantwortungsträger unseres Landes, ein Bewusstsein für die Dramatik des Klimawan­dels und der Umweltzerstörung haben.

Ich habe damals am Beispiel des Worst-Case-Szenarios des internationalen Klimako­mitees aufgezeigt, wie ein Europa im Jahr 2070 aussehen wird, wenn wir jetzt nicht ra­dikal umlenken: Die Wasserversorgung in Italien, Spanien und Griechenland wird bis dahin zusammengebrochen sein. Die Landwirtschaft wird vor dem Kollaps stehen. Die Niederlande, Belgien, das Vereinigte Königreich und Norditalien werden ernsthafte Pro­bleme mit dem Meeresspiegel haben. In Österreich wird die Versteppung der Donau­ebene und des Burgenlands voll im Gange sein. Die Alpen werden bis dahin eis- und schneefrei sein. Außerdem wird für alte und schwache Menschen mittlerweile jeder Sommer lebensbedrohlich sein. – Das ist unsere Zukunft, die Zukunft der nächsten Ge­neration, um die es dabei geht. Es ist also notwendig, dass wir heute handeln, nicht


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morgen, nicht übermorgen, und dafür wird mehr notwendig sein als eine Aktuelle Stunde zur Wegwerfgesellschaft, liebe Grüne!

Ein Jahr nach Beginn der Legislaturperiode vermissen wir nämlich die großen Würfe, die großen Reformen und auch schon die Ansätze für überhaupt Großes. Ich sage Ihnen auch: Mir wurde von den Grünen bei anderen Themen immer signalisiert: Wir können nicht bei Moria mitgehen, wir können nicht für LGBT-Rechte stimmen, wir können in Menschenrechtsfragen nicht mit euch stimmen, wir können nicht für ein Verbot von Kü­kenschreddern stimmen, weil wir uns im Klimaschutz durchgesetzt haben. – Liebe Grü­ne! Eine Botschaft in diese Richtung: Dafür, dass in allen anderen Fragen alle Über­zeugungen über Bord geworfen wurden, passiert einfach viel zu wenig! (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht noch ein kurzer Sidestep zu einem aktuellen Thema, da die türkis-grüne Bun­desregierung ja schon mit 100 Geflüchteten aus Moria überfordert ist: Bis 2070 – wenn wir bei diesem Worst-Case-Szenario bleiben – rechnet die UNO mit Hunderten Millionen Klimaflüchtlingen. Diese werden sich dann nicht mehr auf Inseln wegsperren und fern­halten lassen, wie wir das jetzt tun. Führen Sie sich das, vielleicht auch die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, vor Augen!

Mir ist klar – das habe ich eingangs gemeint –, dass wir in den vergangenen Monaten eine ganz andere große Krise durchlebt haben und noch durchleben. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die eine Krise gegen die andere auszuspielen. Wir wissen nämlich, dass insbesondere die Klimakrise zu einer wahrscheinlich noch viel größeren Krise zu werden droht. Deswegen müssen wir heute handeln.

Ich wünsche Ihnen, Frau Bundesministerin – ich habe das auch im Ausschuss schon mehrfach gesagt –, viel Erfolg beim Kampf gegen die zahlreichen Widerstände, vor allem vonseiten des Koalitionspartners. Ich fordere Sie aber schon auf, dass von Ihrer Seite mehr kommt als PR- und Showmaßnahmen! Fahrradwege, Pfandsystem: All das ist gut, wir dürfen aber den Blick auf das große Ganze nicht verlieren.

Ich möchte auch betonen, dass Sie vor allem auch die Unterstützung der jungen Men­schen in Österreich haben. Sie werden die Zahlen aus der Studie kennen, die letzte Woche veröffentlicht wurden: 80 Prozent der Elf- bis 18‑Jährigen geben an, dass sie die Umwelt- und Klimazerstörung für das größte Problem halten. Womöglich haben Sie auch von den Berechnungen gehört, die besagen, dass wir 2050 möglicherweise mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren haben werden, wenn wir so weitermachen. – Ich weiß, dass all das sehr dramatisch klingt, aber die Realität ist dramatisch, und deswegen müs­sen wir uns das vor Augen führen und deswegen müssen wir auch handeln.

Ich habe vor etwas weniger als einem Jahr bei meiner ersten Rede im Nationalrat aufge­zeigt, was das Klimakomitee sagt und was dieses Worst-Case-Szenario ist. Dabei lege ich immer auch einen Schwerpunkt auf die Generationengerechtigkeit und auf die Aus­wirkungen für die nächste Generation, weil wir es sind, die diese Auswirkungen spüren werden, und zwar mit voller Wucht, und weil wir die Rechnung werden begleichen müs­sen. Dabei wird egal sein, ob etwas den Blockierern zu schnell ging, ob es Sachzwänge gab oder ob das bei den Wählerinnen und Wählern im Bezirk gerade nicht so gut ankam. Die kommenden Generationen werden die Regierungen und vor allem diese Regierung daran messen, ob sie die großen, mutigen Reformen endlich gesetzt hat, um die kom­mende existenzbedrohende Katastrophe abzuwenden. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht noch ein Letztes, um meine Rede nicht ganz so negativ abzuschließen, auch an die KollegInnen von den Grünen und Sie, Frau Ministerin: Es hat seit Jänner Schritte in die richtige Richtung gegeben. Ich glaube, das muss man auch anerkennen. So zählen die Regierungsvorlage heute und der Entwurf fürs EAG zu den guten Schritten, aber das


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Ruder ist noch lange nicht herumgerissen, weder bei den Emissionen noch beim Ener­gieverbrauch noch bei der Bodenversiegelung noch beim Biodiversitätsverlust oder in der Verkehrspolitik.

Daher mein Schlusssatz: 2050 oder 2070 wird es niemanden interessieren, dass es mit Türkis-Grün ein bisschen besser war als mit den Blauen. Es muss fundamental besser geworden sein, und das ist, glaube ich, der Auftrag an Sie. (Beifall bei den NEOS.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

10.29.01Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Unterstützen Sie ein europäisches Asylsystem
und retten Sie die Kinder aus Moria, Herr Bundeskanzler!“

Ich darf folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments, die nominiert worden sind, herzlich begrüßen: Ich sehe Frau Abgeordnete Winzig, Herrn Abgeordneten Sidl, Herrn Abgeordneten Mayer, Frau Abgeordnete Vana und jetzt auch schon Frau Abgeordnete Gamon und heiße sie herzlich willkommen.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger, ich darf ihr das Wort erteilen. Sie weiß: 10 Minuten Redezeit. – Bitte.


10.29.51

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Schaut so Europa aus? „Ist das Europa?“ – Das sind die Worte von Milad aus der Kurz­dokumentation “A Short Story of Moria” von Joko und Klaas. Ich habe mir gestern diese Dokumentation angeschaut und ich habe es kaum ertragen. Es ist unerträglich, was Sie dort sehen. Das ist vor wenigen Tagen ausgestrahlt worden.

In diesen 15 Minuten des Films sehen Sie Bilder, die Sie jedenfalls nicht mit Kindern anschauen sollten. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie, wenn Sie es vielleicht bis jetzt geschafft haben, die Augen vor dem, was dort in Moria passiert, zu verschließen, danach nicht mehr die Möglichkeit haben, die Augen zuzumachen. Es wird sichtbar und spürbar, was Tausende Menschen dort tagtäglich erleben, und natürlich ist es durch den Brand noch einmal deutlich verschärft worden.

Man sieht in dem Film, wie Frauen, Männer, Kinder in Booten von der griechischen Küs­tenwache abgedrängt werden, der Motor ruiniert wird und sie hinaus aufs offene Meer geschleppt und dort dann sich selbst überlassen werden. Sie werden dann von der tür­kischen Seewache gerettet, aber da sind die Kinder bereits drei Tage lang ohne Wasser auf dem Boot.

Man sieht Frauen, Männer und Kinder in Plastikplanen auf der Erde – die Plastikplanen werden behelfsmäßig zusammengehalten – und völlig kaputte Sanitäranlagen. Dieses Lager ist für 3 000 Menschen ausgerichtet – 13 000 Menschen sind dort. Man sieht dann auch den Brand und man sieht, wie die Menschen fliehen. Man sieht, wie die Polizei auf einmal mit Tränengas auf die Menschen schießt, sie bekämpft und wie auch Kinder das Tränengas abbekommen.

Ist das Europa? Schaut so Europa aus? – Herr Bundeskanzler, Sie haben in einem Vi­deo gesagt, dass diese schrecklichen Bilder niemanden kaltlassen, aber dass sie an


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andere Flüchtlingslager in anderen Teilen der Welt erinnerten. Dieses Lager aber ist nicht in anderen Teilen der Welt, dieses Lager ist in Europa. Es ist mitten in Europa, in dem Kontinent, der eine Wertegemeinschaft ist, in dem wir uns der Menschenwürde und den Menschenrechten verschrieben haben. Das ist unser europäischer Boden! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Sie sagten in dem Video, wenn man jetzt helfe, dann würde eine neue Welle wie 2015 entstehen. – Das ist unredlich. Vor allem aber sagt das ja eines, nämlich dass Sie diese Menschen dort ganz bewusst als quasi menschliche Schutzschilde, als Abschreckungs­szenario einsetzen, damit andere Menschen nicht kommen, weil sonst ja dieser Pullef­fekt eintreten würde – von Pusheffekten reden Sie ja nicht.

Das heißt, im Europa des Jahres 2020 benützen wir Menschen, darunter Kinder, und ihre Schicksale als Abschreckungsszenario für andere Menschen. Was hat das mit Men­schenwürde und unserem Verständnis von Menschenwürde zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Heute wird die Kommission einen Vorschlag, einen Vorstoß dahin gehend machen – getragen auch gerade von der deutschen Ratspräsidentschaft –, dass es eine neue Lö­sung für ein gemeinsames europäisches Asylsystem gibt, das Sie ja angeblich auch wollen. Was aber machen Sie? – Sie richten jetzt schon aus: Die EU-Politik ist geschei­tert! – Ja, an Ihnen, an Ihrer Blockade. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Götze.)

Sie richten aus, es müssten sich jetzt einmal die kleinen Länder gegen die Dominanz der großen durchsetzen, und erwähnen – was richtig ist –, dass Österreich in der Flücht­lingskrise 2015 einen sehr großen Beitrag geleistet hat. Was ist das für ein Argument? Liegt es nicht gerade dann im Interesse der kleinen Länder, die einen solchen Beitrag geleistet haben, dass alle solidarisch agieren, dass man sich dafür einsetzt, dass alle Länder auch Lasten und Bürden übernehmen und nicht nur ein Cherrypicking erfolgt? – Das ist kein Argument, Herr Kanzler, das ist ein Scheinargument, und es ist untragbar, wenn Sie weiterhin eine europäische Flüchtlingspolitik blockieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Blimlinger.)

Nein, so schaut Europa nicht aus – nicht mein Europa! Das ist eine Schande, und wir weisen seit vielen, vielen Monaten darauf hin. Das ist mir jetzt ganz besonders wichtig: Wir als NEOS weisen seit März, aber schon davor, jedenfalls ganz massiv seit dem Aus­bruch von Corona Woche für Woche darauf hin, welche Zustände dort herrschen und was dort passieren wird. Eine gute Politik, eine vorausschauende Politik agiert oder re­agiert nicht dann, wenn etwas passiert, sondern sie schaut, dass nichts passiert. Sie haben monatelang weggeschaut, monatelang die Augen verschlossen, den Kopf im Sin­ne von: Wenn es nicht in unseren Zeitungen ist, dann existiert es vielleicht auch gar nicht!, in den Sand gesteckt. Das Problem ist aber da, dieses Problem muss gelöst wer­den, und es wird definitiv nicht gelöst, wenn man einen gemeinsamen europäischen Weg weiterhin blockiert.

Das hat auch mit Leadership zu tun – Leadership ist das Thema, das zunehmend in Zweifel gerät, auch in dieser Coronakrise –, es hat aber auch damit zu tun, wie Öster­reich sich in Europa positioniert. Stattdessen hat man Sätze wie den des Herrn Außen­minister Schallenberg gehört: Immer wenn etwas passiert, gibt es ein „Geschrei nach Verteilung“. – Das ist Zynismus und in meinen Augen eine ungeheure Präpotenz, wenn man andere Ansichten, andere politische Meinungen als „Geschrei“ abtut. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Man kann nicht alle retten – nein, das können wir nicht –, es sei ja nur eine „Symbolpoli­tik“. – Die Antwort des grünen Regierungspartners war, dass das zynisch sei, aber weiter ist nichts passiert. Man könnte da durchaus darüber reden, wie sehr die Grünen schon in vielen Bereichen zum Steigbügelhalter geworden sind. Ich danke auch meinem Kol­legen Yannick Shetty, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass bis jetzt so wenig im


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Klimaschutz passiert ist, dass man damit nicht rechtfertigen kann, dass man ansonsten alle Werte über Bord geworfen hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte jetzt aber nicht dieses Grünenbashing fortsetzen, sondern ich richte mich ganz bewusst an die ÖVP: Dieses „Geschrei nach Verteilung“, nach einem gemeinsa­men europäischen Weg, der auch eine solidarische Komponente beinhaltet, das kommt nicht von linkslinken Gutmenschen, das kommt aus der Mitte der Politik, aus der Mitte der Gesellschaft. Es ist Ihr CSU-Kollege Horst Seehofer, der gesagt hat, er sei von Ös­terreich enttäuscht: „Ich bin von der Haltung unserer österreichischen Nachbarn ent­täuscht, sich an der Aufnahme einer überschaubaren Zahl von Schutzbedürftigen“ – es geht um Kinder, es geht um Familien – „aus Griechenland nicht zu beteiligen.“ – Er sagt auch weiter: „In einer solchen Situation muss Europa Geschlossenheit zeigen. Wenn wir nichts tun, stärken wir die politischen Ränder.“

Ich bin davon überzeugt, dass er recht hat. Das ist eine Politik der Mitte, die nach Lö­sungen sucht und nicht ständig die Probleme groß hält. Es ist eine Politik der Mitte, die Menschlichkeit und Empathie in den Vordergrund stellt. Es ist eine Politik der Mitte, die sagt: Wir können etwas tun. – Es ist eine Politik der Mitte, die Aussagen, denen zufolge es sich um reine Symbolpolitik handelt, eine Absage erteilt, weil das – und ich sage Ihnen das noch einmal mit Blick auf dieses Video „A Short Story of Moria“ – für diese 100 Kin­der oder Familien, die wir dort gesehen haben, denen wir helfen können, für die auch viele Menschen in Österreich bereit sind, einen Beitrag zu leisten, keine Symbolpolitik ist. Es geht um deren Leben, es geht um deren Zukunft und es geht um deren Chancen. Nehmen Sie sich ein Herz, geben Sie sich einen Ruck und holen wir diese Kinder und Familien aus Moria! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

10.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


10.38.39

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Innenminister! Frau Infrastruktur-, Klima- und Umweltministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Ich hätte eigentlich eine vorbereitete Rede gehabt, um noch einmal aus unserer Sicht die Situation in Europa die Migration und das Asylwesen betreffend zu schildern, aber, Frau Meinl-Reisinger, vielleicht erlauben Sie mir nach dieser Rede, auf ein paar Punkte einzugehen (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), die Sie angesprochen ha­ben, ganz abseits von dem, was ich an grundsätzlichen Erklärungen vielleicht gern ge­sagt hätte.

Ich möchte bei einem allgemeinen Punkt beginnen: Ich glaube, es ist vollkommen ange­bracht, emotional zu sein, wenn man das Leid der Menschen in Moria, in Griechenland, auf Lesbos sieht, es ist vollkommen richtig, gegenüber diesen Menschen, die unglaublich leiden, Emotionen zu haben, aber ich würde mir schon wünschen, dass wir trotz dieser zu Recht bestehenden Emotionen in der Diskussion dieser politischen Frage in Öster­reich einen sachlichen und respektvollen Umgang untereinander finden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich glaube nicht, dass das ständige Arbeiten mit Emotionen, ohne Fakten, dass der ständige Versuch, in Gut und Böse, in richtig und falsch, in menschlich und unmenschlich einzuteilen, zu schubladisieren, einen positiven Beitrag zu unserer Debattenkultur in Ös­terreich leistet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kucharowits: Immer dieselbe Masche! Im­mer! – Abg. Meinl-Reisinger: Unfassbar ...!)


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Ich kann Ihnen nur sagen, ich respektiere Ihre Sicht der Dinge zu 100 Prozent. Wir leben in einer pluralistischen Demokratie. Wir leben in einem vielfältigen Europa unter dem Motto: „In Vielfalt geeint“.

Wenn ich darf, würde ich Ihnen jetzt gerne zu einigen Punkten, die Sie angesprochen haben, in aller Sachlichkeit meine Sicht der Dinge skizzieren:

Das Erste ist, Sie haben vollkommen recht, dass es unglaubliches Leid auf Lesbos, kon­kret im Flüchtlingslager Moria, gibt, und Sie haben vollkommen recht, dass diese Bilder, wenn man sie sieht, niemanden kaltlassen. Ich kann Ihnen nur sagen, noch schlimmer ist es, wenn man es nicht im Fernsehen oder in der Zeitung sieht, sondern wenn man es persönlich erlebt. Ich habe als Außenminister auf verschiedenen Reisen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe, unzählige Menschen und unfass­bares Leid gesehen.

Wir haben nicht nur 13 000 Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria, wir haben unge­fähr 50 000 Menschen in Griechenland, wir haben ungefähr 50 000 Menschen in den Balkanstaaten, wir haben 3,5 Millionen Flüchtlinge in der Türkei und wir haben noch ein­mal eine deutlich größere Zahl in Syrien, im Irak und in deren Nachbarländern. Wir haben weltweit, je nach Berechnungen, zwischen 70 und 100 Millionen Flüchtlinge.

Ich erspare Ihnen Geschichten über Straßenkinder in Bukarest, die zum Beispiel Kleb­stoff schnüffeln und teilweise in der Kanalisation leben. (Abg. Meinl-Reisinger: Das haben Sie eh schon ein paar Mal erzählt! Das ist ja nichts Neues!) Was tun wir dort? – Wir nehmen sie auch nicht alle auf, sondern Österreich hat ein höchst erfolgreiches Pro­jekt, nämlich Concordia, ins Leben gerufen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe im Irak, in Jordanien, im Libanon, in Afrika unzähliges Leid bei syrischen Flüchtlin­gen erlebt. Kommen Sie einmal mit mir ins Somaliland oder anderswohin: Tausende Men­schen in unfassbarer Armut, teilweise unterernährt, furchtbare hygienische Bedingun­gen. Wenn man das sieht, Frau Abgeordnete, dann ist eines klar: Wir können definitiv nicht alle Menschen aufnehmen! Wir wollen aber helfen, und die richtige Antwort ist aus meiner Sicht die Hilfe vor Ort. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich bin dem Koalitionspartner in diesem Zusammenhang auch dankbar für das gemein­same Vorgehen beim Auslandskatastrophenfonds. Als ich Außenminister war, haben wir noch gekämpft, dass der Auslandskatastrophenfonds von 5 Millionen Euro auf 10 Mil­lionen Euro erhöht wird. Heute ist der Auslandskatastrophenfonds mit 50 Millionen Euro dotiert.

Ich bin auch stolz darauf, dass Österreich als eines der ersten Länder Hilfsgüter nach Griechenland geliefert hat, nämlich Quartiere für 2 000 Menschen. Sie können dort win­terfest untergebracht und ordentlich, menschenwürdig versorgt werden. Vielen Dank an den Innenminister, der als einer der Ersten eine solche Aktion gestartet hat und auch die Hilfsgüter geliefert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt: Sie haben gesagt, Österreich tut da zu wenig. Andere haben in den letzten Tagen Worte wie: Österreich tut gar nichts!, Österreich nimmt niemanden auf!, verwendet. Auch da würde ich gerne auf die Zahlen hinweisen: In den letzten fünf Jahren hat Österreich über 200 000 Menschen aufgenommen. Wir sind das Land in Europa, das am drittmeisten belastet ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Genau deswegen liegt es im Inter­esse Österreichs, dass wir europäisch vorgehen!) Wir sind das Land in Europa, das, nach Schweden, die zweitmeisten Kinder aufgenommen hat. Wir haben alleine in diesem Jahr, alleine in den ersten acht Monaten dieses Jahres 3 700 Kindern einen positiven Bescheid ausgestellt. Das bedeutet, 3 700 Kinder haben alleine in diesem Jahr in Öster­reich Schutz gefunden. (Abg. Kucharowits: Die seit Jahren auf die Entscheidungen ge­wartet haben! Seit Jahren!)


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Bitte verzeihen Sie, wenn ich mir, wenn ich von anderen Ländern höre, dass sie zwei, vier oder 16 Kinder aufnehmen, nicht denke: Unglaublich, was die leisten! – Österreich hat da deutlich mehr getan als die Masse aller anderen Länder (Abg. Meinl-Reisinger: Habe ich gesagt!), und wir sollten zunächst einmal diejenigen integrieren, die schon hier sind, bevor wir über Neuaufnahmen diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Was mich in dem Zusammenhang auch ein Stück weit irritiert, ist der Versuch, es so darzustellen, als würde Österreich die europäische Linie blockieren. Sie haben gesagt, wir sind schuld am Scheitern der europäischen Politik, wir stellen uns gegen eine euro­päische Lösung. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Kennen Sie das, wenn man den Ein­druck hat, dass eine Debatte sich in Österreich anders abspielt als im Rest der Welt und im Rest Europas? Sie zitieren vollkommen zu Recht, was Deutschland tut, aber ich gebe Ihnen hier vielleicht einen größeren europäischen Überblick: Es ist vollkommen richtig, dass Deutschland sich bereit erklärt hat, in einem ersten Schritt gemeinsam mit anderen Ländern 400 Kinder aufzunehmen, und dann auf 1 500 Flüchtlinge – die in Deutschland aufgenommen werden sollen – erhöht hat.

Bei diesem ersten Schritt, der Aufnahme von 400 – einer meiner Meinung nach relativ kleinen Zahl, wenn man vergleicht, was Österreich geleistet hat –, haben sich neun an­dere Länder bereit erklärt, mitzumachen. 17 Länder haben gesagt, sie machen da nicht mit, darunter auch sozialdemokratisch geführte Länder wie Dänemark und Schweden – das Land, das bisher immer für die unbeschränkte Aufnahme in Europa gestanden ist, hat sich an diesem deutschen Programm nicht beteiligt –; 17 Länder, die nicht mitge­macht haben, und zehn Länder, die mitmachen

In einem zweiten Schritt hat Deutschland erklärt, man erhöht auf 1 500 Flüchtlinge, die man aufnimmt. Wissen Sie, wie viele andere Länder sich bereit erklärt haben, auch die­sem Weg zu folgen und zu erhöhen? – Ich kenne kein einziges. (Abg. Meinl-Reisinger: Was ist das für ein Argument?) Vielleicht haben Sie andere Informationen, aber meinen Informationen nach haben 26 Länder in der Europäischen Union gesagt, nein, sie sto­cken nicht auf, sie werden nicht in ähnlich großer Zahl wie Deutschland Menschen auf­nehmen.

Das bedeutet, dass wir hier, glaube ich, nicht davon sprechen sollten, dass Österreich isoliert ist. Wir sind mit unserer Linie Teil der absoluten Mehrheit in der Europäischen Union. Was mich stört, ist, dass die innereuropäische Debatte in Österreich nicht er­wähnt wird. Was mich in Österreich, auf nationaler Ebene, ein Stück weit irritiert, ist, wie sehr hier Politiker der Volkspartei für ihre Linie beschimpft werden, mit wie viel Hass wir im Internet zu kämpfen haben, welche Aussagen es da von manchen Politikern gibt.

Die Sozialdemokratie hat gesagt, unser Vorgehen sei menschenunwürdig. (Abg. Sche­rak: Eure eigenen Leute!) Prof. Taschner ist gestern in einer Ausschusssitzung angegrif­fen worden, und es wurde gesagt, man sei persönlich enttäuscht von ihm. Als Landes­hauptmann Doskozil sich dafür ausgesprochen hat, keine Flüchtlinge aufnehmen, als er gesagt hat, keine Menschen aus Moria übernehmen zu wollen, gab es diese Wortmel­dungen vonseiten der Sozialdemokratie auf einmal nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt ein letzter, aber, so glaube ich, langfristig wichtiger Punkt, nämlich zur Frage, wie das europäische Asylsystem, wie dieser gemeinsame europäische Weg, den wir wollen, aussehen soll – das ist ein Punkt, der, glaube ich, nachdenklich machen sollte –: Im Jahr 2015 sind nicht nur über eine Million Menschen nach Europa gekommen und es gab eine Überforderung in Mitteleuropa, im Jahr 2015 sind auch Tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken. Wir haben dieses System stets bekämpft und haben Gott sei Dank irgendwann auch die Mehrheit in der Europäischen Union davon überzeugt, dass es unwürdig ist, wenn Europa einen Weg geht, der dazu führt, dass das Mittelmeer zum


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Massengrab wird. Die europäische Politik hat sich geändert: in Richtung Außengrenz­schutz, in Richtung Kampf gegen die Schlepper, in Richtung Hilfe vor Ort statt unbe­schränkter Aufnahme in Mitteleuropa.

Es sollte einem schon zu denken geben, Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger, wenn grie­chische Behörden und griechische Verantwortliche immer wieder sagen: Wenn ihr Men­schen aufnehmt, dann überlegt doch, von wo!

Ist es richtig, Menschen aus Lesbos aufzunehmen, oder löst das nur aus, dass diejeni­gen, die auf Lesbos weiter zurückbleiben, dort einen unglaublichen Frust entwickeln und teilweise auch gewaltsam versuchen, nach Mitteleuropa durchzubrechen? (Abg. Meinl-Reisinger: Das verstehe ich ja! Ich verstehe das total!) Löst das nicht aus, dass sich noch mehr Menschen aus der Türkei und anderen Ländern auf den Weg nach Lesbos machen und dann auf ihrem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken?

Ich kann Ihnen nur sagen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete: Ich unterstütze einen europäischen Weg, aber was ich in diesem Leben sicher nicht unterstützen werde, ist ein europäischer Weg, der dazu führt, dass Menschen unter falschen Vorstellungen nach Europa gelockt werden, die Schlepper immer mehr verdienen und Unzählige auf ihrem Weg nach Mitteleuropa ertrinken. Das ist ein Weg, den wir definitiv nicht unterstüt­zen werden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. (Der Beifall hält nach wie vor an.) – Abgeordneter Lopatka ist am Wort. – Bitte.


10.51.07

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mei­ne sehr geehrten Herren Bundesminister! Ich danke dem Herrn Bundeskanzler sehr für diese klare Haltung. (Ruf bei der FPÖ: Wir auch!) In diesen unsicheren Zeiten, in denen wir leben, brauchen Menschen klare Positionierungen. Die österreichische Bundesregie­rung hat da eine Linie, und es ist ganz, ganz wichtig, in dieser Frage nicht sofort aus der Emotion heraus an die Sache heranzugehen (Zwischenruf bei der SPÖ) – denn dann kommt man zu einer Symbolpolitik –, sondern klar und langfristig im Interesse aller Be­troffenen, der Flüchtlinge, aber auch der Menschen, die hier leben, die Entscheidungen zu treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die NEOS haben gefordert: „Unterstützen Sie ein Europäi­sches Asylsystem [...], Herr Bundeskanzler!“ – Meine Damen und Herren, wir haben ein europäisches Asylsystem, das sogenannte Dublin-III-Verfahren. Spätestens seit 2015 aber wissen wir, dass das nicht funktioniert – und Kollegin Dziedzic war dabei, als wir mit der zuständigen Kommissarin schon vor geraumer Zeit ein Gespräch hatten ‑: Es ist seitens der Europäischen Kommission meines Erachtens viel zu wenig mit Nachdruck daran gearbeitet worden – fünf Jahre sind inzwischen vergangen –, zu einer besseren Lösung zu kommen. Dafür kann man aber nicht die österreichische Bundesregierung, unseren Innenminister oder unseren Bundeskanzler verantwortlich machen. Es gibt eine klare Aufgabenteilung – und für europäische Lösungen ist vorrangig die Kommission zu­ständig. Deren Aufgabe ist es auch, in dieser Frage – gemeinsam mit den Nationalstaa­ten – zu einer besseren Lösung zu kommen. Das ist nicht Aufgabe der österreichischen Bundesregierung. (Ruf bei der FPÖ: Was hat der Herr Karas gemacht?)

Zweiter Punkt: Ihr Vorwurf, meine Damen und Herren von den NEOS, geht wirklich ins Leere. Sie sprechen von Blockade. Wir sind – der Herr Bundeskanzler hat es angespro­chen – europaweit am drittstärksten belastet! Nur Schweden und Deutschland haben diesbezüglich mehr gemacht. Und weil jetzt, im Zusammenhang mit Moria, die Minder­jährigen, Kinder im Vordergrund gestanden sind: Da hat Österreich in den letzten Jahren weit, weit mehr geleistet als Deutschland! Das muss man in diesem Zusammenhang


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schon sagen, und da verstehe ich diese Selbstgeißelung der NEOS nicht. (Abg. Loa­cker: ... nachweisen? – Abg. Scherak: „Selbstgeißelung“ ...?!) – Na ja, die Selbstgeiße­lung, was Österreich betrifft. Sie geißeln Österreich! Wir alle sollten auf die Leistungen von Österreich hinweisen! Das würde den NEOS auch nicht schlecht anstehen, Kollege Scherak. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Hilfe vor Ort zu leisten – neben dem, was wir hier im Land machen –, und zwar rascher und in einem größeren Umfang als die anderen, das ist für mich christlich-soziale Politik! Das, was wir machen, ist christlich-soziale Politik: vor Ort rasch und schnell helfen; Grie­chenland helfen, aber auch den Flüchtlingen, die auf Lesbos sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir reden nur von Moria. Moria hat vor 14 Tagen gebrannt. Letztes Wochenende ist das zweite Mal versucht worden, einen Brand im Flüchtlingslager Vathy auf Samos zu legen. Wenn das Schule macht, dann werden andere versuchen, auch in Vial auf Chios so vorzugehen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Auch dort leben Tau­sende Flüchtlinge. Man darf daher einem solchen Vorgehen nicht folgen.

Was meine ich damit? – Der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen: 16 der EU-Mit­gliedstaaten haben bis zum heutigen Tag in dieser Frage den Weg Österreichs gewählt. Der Herr Bundeskanzler hat Schweden und Dänemark erwähnt, und auch in Spanien, wo Sozialdemokraten regieren, ist genauso vorgegangen worden, dass man Deutsch­land nicht gefolgt ist. Auch die NEOS – ich hoffe, Sie haben es nicht vergessen – haben Schwesterparteien innerhalb der ALDE: In Tschechien regiert eine Schwesterpartei von Ihnen (Abg. Meinl-Reisinger: Leider! – weitere Rufe bei den NEOS: Leider!), in Estland. Auch hier ist der Weg, den Sie wollen, nicht gegangen worden.

Auch in Österreich unterstützen sieben der neun Landeshauptleute die Haltung der Bun­desregierung, und nach mir kommt ja die SPÖ-Vorsitzende zu Wort! Der erfolgreichste sozialdemokratische Politiker auf Landesebene, und das ist Hans Peter Doskozil, hat ganz klar gesagt, dass er die Linie der Bundesregierung unterstützt.

Selbst Kommissionspräsidentin von der Leyen hat in ihrer Rede letzte Woche in Straß­burg gewarnt, sie hat gemeint: „Wie wir alle wissen, hat die Migrationskrise von 2015 zu schweren Verwerfungen zwischen den Mitgliedstaaten geführt – manche Wunden sind bis heute nicht verheilt.“

Tun wir alles, damit wir den Fehler von 2015 nicht nochmals machen! Wir wollen starken EU-Außengrenzschutz, effektiven Kampf gegen die Schlepperkriminalität. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir auch! Wir fordern das auch!) Das ist genauso wichtig wie die Integration der Menschen, die zu uns gekommen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir fordern das auch!)

Das ist keine Symbolpolitik mit der großen Moralkeule, mit der Sie immer unterwegs sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Wir nehmen nicht die Moralkeule in die Hand, wir machen verantwortungsvolle Politik, so wie es Bundeskanzler Kurz skiz­ziert hat. (Beifall bei der ÖVP.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Abgeordnete Rendi-Wagner. – Bitte.


10.57.04

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Sehr geehrtes Hohes Haus und sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen vor zwei Wochen zugeschaut, zuge­hört, ich habe das Video gesehen, und ich frage mich: Wie überheblich, wie arrogant


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kann man sein (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten El-Nagashi und Brand­stätter), uns zu belehren, uns Europa zu erklären, uns zu erklären und zu suggerieren, dass Emotionalität das Gegenteil von Sachlichkeit ist? – Ich kann Ihnen eines sagen: Ich bin stolz, Emotionen und Werte zu haben, denn das macht uns zu Menschen, und Menschlichkeit und Humanität sind die Basis unseres europäischen Wertesystems. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Die Klubobfrau der NEOS hat die Situation auf Moria sehr eindrücklich beschrieben. Zwei Wochen nach dem Brand ist die Situation dort nicht viel besser, noch immer sind die Zustände verheerend: Kinder schlafen, liegen im Dreck. Ja, und das alles spielt sich mitten in unserem Europa, wenige Flugstunden von Wien entfernt, ab. Die Brände von Moria machen eines deutlich – das ist klar –, sie sind dafür ein Vergrößerungsglas: das Versagen Europas in der Flüchtlingspolitik. Nur – so ehrlich müssen wir sein –: Zu Euro­pa gehört Österreich, und damit ist es auch ein Versagen der österreichischen Bundes­regierung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter. – Bundeskanzler Kurz: Was sagt Doskozil?)

Denn was konkret, Herr Bundeskanzler, hat die österreichische Bundesregierung unter Ihrer Leitung in den letzten drei Jahren tatsächlich getan, um die Situation zu verbes­sern? Was haben Sie getan, um ein einheitliches, gut funktionierendes europäisches Asylsystem zu entwickeln, Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen mit UNHCR-Standards zu etablieren? Was haben Sie getan, um die Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen – das wäre ja der Schüssel? – Nichts, sehr geehrte Damen und Herren, nichts! (Abg. Wöginger: Der Doskozil sieht das anders! – Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Und warum nicht? – Deswegen nicht, weil es manchen europäischen politischen Bewe­gungen wohl den politischen Nährboden entziehen würde, wenn Fluchtursachen be­kämpft werden, wenn das System gut und besser funktionieren würde – denn dann kann man Flüchtlinge nicht mehr in der täglichen politischen Debatte zum Feindbild machen, denn dann kann man aus dem Leid von Kindern kein politisches Kapital mehr schlagen. Ja, und das, sehr geehrte Damen und Herren, passiert gerade, mitten in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter. – Abg. Wöginger: Was sagt der Dos­kozil dazu? – Abg. Kickl: Eine sozialistische Weltrevolution hat noch selten was Gutes ausgelöst!)

Man könnte jetzt als österreichische Bundesregierung hergehen und sagen: Ja, wir leis­ten unseren Beitrag zu einem funktionierenden EU-Migrationssystem, ja, jetzt braucht es das, spätestens jetzt, aber gleichzeitig – und das eine schließt das andere nicht aus (Zwischenruf des Abg. Wöginger) – leisten wir unseren Beitrag auf humanitärer Ebene, indem wir eine Notaktion für die Schwächsten der Schwachen unterstützen und gemein­sam mit anderen europäischen Ländern 100, 200, seien es 500 Kinder aus diesem Elend befreien! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind nicht wir alleine, es sind nicht nur die NEOS und die SPÖ, die diese Auffassung vertreten, es sind auch Hunderte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, viele aus der ÖVP (Abg. Wöginger: Was sagt denn der Doskozil dazu? Was sagt denn der Landes­hauptmann im Burgenland?), Herr Wöginger, die Kinder aus Moria aufnehmen würden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

All diese Menschen betreiben keine Symbolpolitik, denn Kinder zu retten ist niemals Symbolpolitik. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist vielmehr feige von der Bundesregierung (Abg. Wöginger: Doskozil ist feige?!), sich hinter Floskeln wie Pullfaktoren zu verstecken, Kin­der zu entmenschlichen, das Thema zu entemotionalisieren. (Abg. Wöginger: Im Bur­genland sind die Kinder entmenschlicht!) Das ist beschämend und das ist unwürdig, sehr geehrte Damen und Herren!


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Herr Bundeskanzler, ich kann mich erinnern, Sie haben vor zwei Jahren von einem Be­such in Israel berichtet. Sie haben damals sehr berührende Gespräche mit Überleben­den des Holocaust, Österreicherinnen und Österreichern, heute 90 Jahre alt, geschil­dert. Man kann die Situation in Moria nicht mit dem Holocaust vergleichen (Ruf bei der ÖVP: Das glaube ich auch! – Bundeskanzler Kurz: Das glaube ich auch! – weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP), nichts ist vergleichbar, aber: Wissen Sie, wie alt diese Überle­benden 1939 waren? – Sie waren Kinder und Jugendliche, und damals wie heute gilt: Kinder sind Kinder sind Kinder, Herr Bundeskanzler! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Hätten alle Regierungschefs 1939 so gedacht wie Sie heute, hätten Sie diese Gespräche vor zwei Jahren in Tel Aviv nicht mehr führen können. (Abg. Haubner: Das ist ja ab­surd! – Abg. Martin Graf: ... ja verharmlosend! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie haben damals Verantwortung für Gegenwart und Zukunft versprochen. Herr Bundeskanzler, die Gegenwart heißt Moria. (Abg. Wöginger: Erklären Sie das dem Dos­kozil!) Halten Sie Ihre Versprechen! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Tomaselli.)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner ist das Mitglied des Europäischen Par­laments Georg Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Kickl. Abg. Haubner: Ein Skandal ist das!)


11.02.53

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätztes Hohes Haus! Werte Regierungsmitglieder! Die Bilder, die wir alle gesehen haben, sind natürlich tragisch, und die Bilder sind natürlich erschre­ckend. Frau Kollegin Rendi-Wagner, diese Europastunde kommt ja von Ihnen, und Sie haben ein Video erwähnt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ich könnte Ihnen auch von Videos erzählen, die ich gesehen habe, aber das mache ich nicht, denn dann würden Sie mich zum Schluss auch noch einen Populisten nennen, und das wollen wir ja nicht. (Abg. Meinl-Reisinger – die Hand hebend –: Hallo, ich war’s! Ich bin nicht Ren­di-Wagner!) – Wo sind Sie? – Ah, hier, Entschuldigung, Frau Meinl-Reisinger! Da gibt es also, Frau Kollegin, auch noch andere Videos, die ich Ihnen jetzt nicht vorspielen werde. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wer auch immer dieser Brandteufel in Griechenland war, hat zumindest diese menschli­che Tragödie – ich glaube, auf diesen gemeinsamen Nenner können wir uns einigen – auch sachlich zu verantworten. Geschätzte Kollegen, es gibt aber auch eine politische Verantwortung. Böse Zungen behaupten ja schon, dass dieser Brandanschlag vielleicht auch etwas mit dem heute zu präsentierenden neuen Migrationspakt zu tun hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Ah, die CDU war’s?! Die CDU war’s!) Da könnte man ja natürlich ver­muten, dass eine gewisse Einflussnahme genommen werden sollte. Vielleicht denken Sie darüber auch einmal nach. (Abg. Meinl-Reisinger: Die CDU war’s!) Ich beschuldige hier niemanden. Ich weiß nicht, wer dieses Lager angezündet hat, genauso wenig wie Sie das wissen, aber es gehen schon gewisse Beweisketten in eine gewisse Richtung.

Die Lösung des Problems, Frau Kollegin, kann und wird aber nicht die Aufnahme einiger weniger sein, wie das von Ihnen verlangt wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Eh nicht!) Das ist wohl eher absichtlich naiv und sogar noch rechtswidrig, Frau Kollegin.

Die Flüchtlingsthematik ist seit 2015 in Diskussion. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie hier darüber diskutieren, es ist nicht das erste Mal, dass wir im Europaparlament darüber diskutieren. Es gibt geltende gesetzliche Regelungen, geschätzte Kollegen. Kollege Lo­patka hat es gesagt: Es gilt Dublin III. Das ist gültiges EU-Recht, das aber seit 2015 mit Füßen getreten wird, das seit 2015 schlicht nicht umgesetzt wird. Was ist denn das für eine Art des willkürlichen Handelns?


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Dazu passt aber auch Ihre sehr polemische und populistische Formulierung, das Thema dieser Europastunde, da steht nämlich: „retten Sie die Kinder [...], Herr Bundeskanzler!“

„Kinder sind Kinder sind Kinder“, haben wir jetzt dreimal gehört. (Abg. Leichtfried: Das ist auch so!) Es geht Ihnen aber, glaube ich, weniger um diese 350 Kinder, die betroffen sind, sondern es geht Ihnen – und das behaupte ich jetzt einmal und das unterstelle ich Ihnen (Abg. Meinl-Reisinger: Super!) – um diese konzertierte Aktion in ganz Westeu­ropa: Wir haben Platz! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Jetzt klatscht nicht ein­mal die ÖVP!)

Wir haben Platz! – Das ist eine durchgespielte Aktion, die vom Deutschen Bundestag in ganz Westeuropa im Zusammenhang mit diesen fürchterlichen Bränden in Griechenland gespielt wird. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist so wirr, was Sie reden!) Was soll das – wir haben Platz – denn heißen? Was soll das – wir haben Platz – heißen, geschätzte Kolle­gen? Wer sagt denn, dass wir Platz haben? Sagen Sie, dass wir Platz haben? Sagen ein paar grüne Hanseln, dass wir in Europa Platz haben, geschätzte Kollegen? Also das ist wohl ein sehr arroganter Zugang. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, im österreichischen Parlament solche Ausdrucksweisen nicht zu verwenden. Ich glaube, Sie wissen, was ich meine. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: ... versteht man’s! – Zwischenruf des Abg. Zanger.) Sie können jetzt fortfahren.


Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (fortset­zend): Es ist jedenfalls ein fatales Zeichen, das damit ausgesendet wird. Am Ende tragen Sie die politische Verantwortung für diese griechische Tragödie, haben Sie diese griechi­schen Feuer zu verantworten, durch diese Zeichen, die Sie aussenden.

Sagen Sie das einfach so deutlich! Sagen Sie, wie Sie es eigentlich wollen! Wir wollen jeden nehmen, egal ob Asylrecht dagegenspricht oder nicht, egal ob geltendes EU-Recht dagegenspricht (Abg. Meinl-Reisinger: Oijoijoijoij! – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), Regeln sind uns dabei egal. – Regeln sind Ihnen egal, Frau Kollegin (Abg. Meinl-Reisinger: Pfuuuh!), das tritt deutlich zutage.

Nur ein echter Schutz der EU-Außengrenzen ist ein wirksames Signal und ein politisches Signal. Am Ende sind 60 Prozent der Menschen in Österreich gegen eine Aufnahme dieser Flüchtlinge aus Moria, weil sie wissen, dass das das Problem schlicht nicht lösen wird, die Lage verschärft sich nur weiter.

Die Situation auf Lesbos ist seit Jahren bekannt. 3 Milliarden Euro sind nach Griechen­land geflossen und versickert, ohne dort irgendjemandem zu helfen. Jetzt wird es na­türlich für Schlepper wieder einfach, jetzt ist für sie und die NGOs, die ihnen helfen, für neues Geschäft gesorgt, denn jetzt werden sich zahlreiche neue Flüchtlinge auf den Weg machen. Die politische Verantwortung dafür liegt bei denen, die sagen: Wir haben Platz! (Beifall bei der FPÖ. – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Die politische Verantwortung für die nächsten Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, liegt auch bei denen, die ständig sagen: Wir haben Platz!, ohne an die realen Folgen zu denken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


11.08.19

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmit­glieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mayer, das ist eine Aktuelle Euro­pastunde der NEOS und nicht der SPÖ. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Doppelnamen!) Sie


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verwechseln die Kolleginnen Meinl-Reisinger und Rendi-Wagner. Ich weiß schon, sie sind beide Frauen mit Doppelnamen, aber wenn Sie aus Brüssel herkommen, um uns die österreichische Position zu erklären (Abg. Kickl: Na Sie haben Sorgen!), dann sollten Sie sich in der österreichischen Politik zumindest so weit auskennen, dass Sie die Op­positionsspitzen kennen, bevor Sie uns etwas erzählen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Innenkommissarin Johansson wird heute einen Asyl- und Migrationspakt vorstellen. Sie hat gesagt: „Moria ist nicht normal, aber Migration ist normal.“ – Ich wünschte, sie hätte recht mit diesem Satz, aber Moria ist in der Europäischen Union seit Jahren, seit vielen Jahren normal. Es ist auch bekannt, was dort abgegangen ist, und zwar nicht erst seit den Flammen, nicht erst seit den Feuern. Wir haben das im Europaparlament in den letzten Jahren oft diskutiert.

Es war ein Skandal, es ist ein Skandal, und es gibt mehrere Schuldige. Man muss auch sagen, dass dort in einem Lager für 3 000 Menschen 13 000 gesessen sind. Es ist nicht am schnellen Wachstum des Lagers gelegen; das war auch Absicht der griechischen Regierung, die damit die anderen europäischen Regierungen unter Druck setzen wollte. In diesem Spiel zwischen diesen Regierungen ist diese Not entstanden, und über Jahre ist nichts dagegen getan worden. (Abg. Kickl: Und was machen Sie jetzt?) Es wird jetzt notwendig sein, das zu ändern. Es gibt jetzt hoffentlich den nötigen Druck.

Es ist uns deswegen bei der Soforthilfe, die wir als Koalition beschlossen haben, wichtig, dass das kein Wiederaufbau desselben Lagers sein kann. Wir schicken jetzt Hilfe runter, um Obdachlosen zu helfen, um das schnell zu machen, um die Leute aus dieser ärgsten Not zu holen, aber es kann keinen Wiederaufbau des Lagers Moria geben, dafür kann es keine europäische Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte einen Aspekt aus dem Paket, das wir beschlossen haben, besonders her­vorstreichen, damit er nicht ganz untergeht: Wir haben den Auslandskatastrophenfonds auf 50 Millionen Euro erhöht. Dieser belief sich ursprünglich auf 5 Millionen Euro und auf 15 Millionen Euro, als wir Grüne mit den Regierungsverhandlungen begonnen haben. Das hilft auf der ganzen Welt. Wir sollten die Augen auch vor der Not im Jemen, vor der Not im Libanon, vor der Not in Syrien nicht verschließen. Auch dort werden wir ein Mehrfaches von dem helfen, was Österreich in den letzten Jahren gemacht hat, aber: Das kann man nicht gegeneinander aufrechnen. Man kann nicht sagen: Wir helfen jetzt im Jemen oder im Libanon und verschließen die Augen vor Moria. Man kann Kinder, man kann Schicksale nicht gegeneinander aufrechnen, und das werden wir nicht tun.

Wir haben einen Dissens in dieser Koalition darüber, wie wir mit Moria, mit den Kindern umgehen. Wir als Grüne sind eindeutig dafür, Menschen von dort zu retten, und ich will mich jetzt gar nicht auf eine Zahl festlegen und auch nicht nur auf Kinder. (Beifall bei den Grünen.)

Ich mag Metaphern in der Politik nicht wahnsinnig gern, aber es gibt eine, die mich in dieser Diskussion sehr berührt hat. An einem Strand, abends, werden Millionen Seester­ne angespült, eine Familie geht da spazieren. Das kleine Kind, die Tochter, läuft zu ei­nem Seestern, trägt ihn ins Wasser, und der Vater sagt: Aber es nützt doch nichts, es sind Millionen und das ist nur der eine! – Das Kind sagt: Aber dem schon.

Ich stelle mir bei diesem Argument: Wir können nicht alle nehmen, und es nützt nichts, 100 zu nehmen!, vor, einem dieser Kinder in die Augen zu schauen und zu sagen: Ich helfe dir nicht, denn ich kann nicht allen helfen! – Das macht doch kein Mensch (Abg. Kickl: Das macht ja Ihre Fraktion jetzt laufend!), wenn er davorsteht! Das geht einfach nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn wir nur 100 retten können, dann retten wir eben nur 100.

Ich möchte auch ganz deutlich sagen, was aus meiner Sicht nicht geht, nämlich so zu tun, als wäre das nur eine rein sachliche Debatte, in der zwei gleichwertige Positionen


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nebeneinanderstehen, die man sachlich abwägen kann. Das kann man bei der Gestal­tung eines 1-2-3-Tickets machen, das kann man bei der Gestaltung einer Plastiksteuer machen, bei der Frage Vermögensteuer ja oder nein. Ob man aber Kinder rettet oder nicht rettet, ist eine Grundsatzfrage, und da sind nicht beide Positionen moralisch gleich­wertig, charakterlich gleichwertig oder in irgendeiner anderen Form politisch gleichwer­tig. Auf diese Diskussion kann man in dieser Form nicht einsteigen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist eine Wert- und eine Grundsatzfrage. Wir finden vielleicht einen Ausweg auf der europäischen Ebene; es wird heute um 12 Uhr ein neuer Pakt präsentiert. Es wird eine gemeinsame europäische Lösung angestrebt werden. Ich bin mir heute schon sehr sicher, dass diese nicht grün sein wird, nicht zu 100 Prozent im grünen Programm ent­halten sein wird, aber wir werden dafür kämpfen, dass es eine pragmatische Lösung gibt, die etwas ändert und etwas besser macht. Dafür sind wir da und dafür stehen wird da, dafür kämpfen wir jetzt in dieser Situation. Es muss am Schluss bei diesem Migra­tionspakt etwas besser sein, es muss legale Wege nach Europa geben, es muss Hilfe vor Ort geben, es muss Hilfe hier geben und es muss sich die Not der allerärgsten Situa­tionen dort bessern.

„Moria ist nicht normal, aber Migration ist normal“: Dort sollten wir in zwei, drei Jahren stehen, ohne dass Menschen darunter leiden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


11.13.32

Mitglied des Europäischen Parlaments Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie schon viele gesagt ha­ben, wissen wir seit Jahren Bescheid, wie die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern sind. Jetzt wissen wir seit zwei Wochen Bescheid, wie die aktuelle Situation in Moria ist, und manche schauen ungerührt dabei zu, wie Familien, Menschen, Kinder in den Wäl­dern, im Dreck, auf der Straße hausen und schlafen.

Seit heute haben wir die Chance, diese Geschichte für die Zukunft neu zu schreiben, anstatt sie fortzuschreiben. Wir haben die Chance, etwas in der europäischen Politik zu ändern. Das, was man bisher darüber lesen konnte, was die Kommission heute hinsicht­lich einer Reform für das europäische Asylwesen vorstellen wird, ist der Versuch, ein Moria in Zukunft zu verhindern. Es ist ganz sicher nicht genau das, was wir NEOS uns vorstellen, nämlich einen ganzheitlichen Zugang, aber es ist ein Anfang. Wir haben die Verpflichtung, jetzt konstruktiv auch mit der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, wie wir diese Herausforderung wirklich so angehen können, dass wir ein Moria in Zukunft verhin­dern können.

Hinsichtlich dessen, was Klubobfrau Meinl-Reisinger angesprochen hat, was Österreich verhindert, ist es nicht nur darum gegangen, dass wir jetzt verhindern, Kinder aus Moria zu retten, sondern es ist auch darum gegangen, dass wir eben nicht dabei sind, wenn es darum geht, ein europäisches Migrations- und Asylsystem auf gute Beine zu stellen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Einzige nämlich, das heute schon in den österreichischen Medien zu vernehmen war, war, dass die Bundesregierung – der Innenminister und der Bundeskanzler – sagt: Verteilung ist gescheitert! – Das ist es! Das ist das Einzige, was wir bisher gehört haben. Was soll das bitte? Das ist doch politische Selbstaufgabe, das ist Kapitulation vor der Realität. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist eine Frechheit, es ist innenpolitische, zynische Spielerei, es ist eine Spielerei mit dem Schicksal, mit dem Leben von Menschen, die davon abhängig sind, dass wir uns


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zusammenreißen und zu einer ordentlichen Reform des europäischen Migrations- und Asylsystems kommen. Das ist es! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.) Sich hinzustellen, als wäre Migration, als wäre Flucht etwas, das man aussitzen kann, das ist Realitätsverweigerung! (Beifall bei den NEOS.)

Die ÖVP hat ja in der Vergangenheit schon viele Dinge erfolgreich ausgesessen und gibt auch jetzt das Versprechen: Das werden wir schon irgendwie hinkriegen, wir bleiben sitzen! – Das ist aber nicht unsere Verantwortung in der Politik!

Die Realität ist folgende: Migration wird uns, die Generation nach uns, die Generationen nach ihnen begleiten. Flucht wird uns begleiten, Krieg, Klimawandel, Umweltkatastro­phen. Das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Wir müssen einen Weg finden, akut Krisen begegnen zu können, wir müssen aber auch einen Weg finden, langfristig mit dem Thema Migration normal umgehen zu können. Wir können nicht so tun, als würde das an uns vorbeiziehen. Damit verweigern wir uns einer wichtigen Aufga­be in der Politik, nämlich uns mit der Realität zu beschäftigen.

Ich möchte schon auch noch darüber reden, wie es jungen Menschen, vielen, die mir schreiben, damit geht, dass Österreich sich jetzt in dieser Situation nicht daran beteiligt, Menschen von griechischen Inseln zu holen, sie zu retten, Kinder zu retten. Sie sind entsetzt darüber, dass das die europäischen Werte sind, die hier hochgehalten werden, auch gerade hier in diesem Haus, wo oft darüber geredet wird: Was ist Anstand? Was sollten wir als Europäerinnen und Europäer tun? Was sind unsere Werte? Wenn wir auch oft mit dem erhobenen Zeigefinger über andere Länder sprechen und feststellen, dass sie mit Werten nicht ordentlich umgehen, dann müssen wir auch darüber reden, wie wir mit unseren Werten umgehen.

Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen zu helfen. Ich bin mit der Dauerschleife von Nachbar in Not im Fernsehen aufgewachsen. Wir waren als Nation früher stolz darauf, anderen aus dem Krieg eine Chance auf ein anderes Leben zu geben, Kindern eine Perspektive auf ein Leben zu geben. Wir waren als Nation stolz darauf, anderen die Chance zu geben, auch Österreicherinnen und Österreicher zu werden. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Wir waren als Nation einmal stolz darauf, Vielfalt zu leben. Jedenfalls waren wir in der Vergangenheit aber immer stolz darauf, Kinder zu retten. So bin ich aufgewachsen, und viele junge Menschen fragen sich: Wo ist dieses Österreich bei der ÖVP hin? (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Es darf in Zukunft kein Moria mehr geben, es darf keine Elendslager mehr geben und es darf keine Selbstaufgabe der europäischen Werte mehr geben! Wir müssen uns für ein europäisches Asyl- und Migrationssystem einsetzen, das diesen Werten eine Chance gibt und das den Kindern aus Moria eine Chance gibt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Karl Mahrer. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Oje!)


11.19.02

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Die Herren Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich be­ginne einmal mit Betroffenheit (Zwischenrufe bei der SPÖ): Ich bin sehr betroffen über die Aussagen von Klubobfrau Rendi-Wagner. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Ich glaube, das wird nix mehr!)

Frau Klubobfrau, ich schätze Sie persönlich wirklich sehr (Abg. Leichtfried: Wieso kommt diese Betroffenheit überhaupt nicht rüber?), aber ich glaube, da ist bei Ihnen jetzt eine rote Linie überschritten worden, denn wenn Sie dieser Bundesregierung und Bun­deskanzler Sebastian Kurz eine Nähe oder eine Verbindung zum Jahr 1939 und zu den


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Zeiten des Holocaust unterstellen (Rufe bei der SPÖ: Hat sie nicht! – Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner), dann halte ich das für eine Klubobfrau für unwürdig und ich halte das für das österreichische Parlament für unwürdig! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich frage mich: Was tut jetzt eigentlich Landeshauptmann Doskozil – den ich herzlich begrüße, falls er zuschaut – im Burgenland? (Abg. Leichtfried: Was ist das für eine schlechte Rede?) Landeshauptmann Doskozil wird sich wundern! Und wissen Sie, wa­rum er sich wundert? – Weil er das denkt und meint, was die Mehrheit der Österreiche­rinnen und Österreicher denkt und meint, weil er unseren Weg, keine Flüchtlingsvertei­lung vorzunehmen, sondern Maßnahmen zu setzen, die wirklich helfen, versteht und auch mitträgt. Wissen Sie, warum er das tut? – Weil er so wie ich im Jahr 2015 direkt dabei war, als an unseren Grenzen Bilder entstanden sind, die wir unser Leben lang nicht mehr sehen wollen. Deshalb tut er es, und deshalb verstehe ich ihn auch sehr gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es eint uns natürlich auch einiges: Es eint uns zum Beispiel, dass wir alle über die Bilder aus Lesbos, die wir gesehen haben, betroffen sind – da sind wir uns völlig einig. (Abg. Leichtfried: Wieso glaube ich das nicht?) Wir sind uns auch einig, dass wir alle den Menschen helfen wollen. Die Frage ist nur, wie wir das tun. – Dazu gibt es von unserer Seite einen klaren Plan (Abg. Leicht­fried: Das glaube ich schon gar nicht!), nämlich: keine Verteilung von Menschen, die auf der Flucht sind oder ihre Lebensbedingungen verbessern wollen, quer durch Europa, sondern ein klares System, das das sicherstellt, was wir wirklich und langfristig brau­chen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und was brauchen wir langfristig? (Ruf: Ja, was?) Wenn wir den Menschen eine Perspektive geben wollen, dann brauchen wir langfristig drei Punkte:

Wir brauchen die Schaffung menschenwürdiger Verhältnisse in den Herkunftsländern; und damit meine ich eine völlig neu gedachte Entwicklungshilfe mit Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik und Gesundheitspolitik. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweitens brauchen wir Hilfe vor Ort, aber nicht nur, indem man darüber redet, sondern, wie es diese Bundesregierung jetzt getan und Innenminister Karl Nehammer selbst um­gesetzt hat, indem man binnen weniger Tage 55 Tonnen Hilfsgüter nach Griechenland bringt. – Danke unserer Bundesregierung und Innenminister Nehammer! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Drittens, meine Damen und Herren, brauchen wir einen möglichst wirksamen europäi­schen Grenzschutz, und das sehr rasch – wesentlich rascher, als dies bis jetzt getan worden ist. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat in Europa dicke Bretter gebohrt (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger), aber ich erwarte und er­hoffe mir von den Aussagen der Europäischen Kommission heute einen Durchbruch in die richtige Richtung.

Eines ist nämlich klar, meine Damen und Herren: Erst, wenn wir es schaffen, diese Punk­te, von denen ich gesprochen habe, umzusetzen, nämlich menschenwürdige Verhältnis­se in den Herkunftsstaaten, tatsächliche rasche Hilfe vor Ort, wirksamer europäischer Grenzschutz und dazu auch kontrollierte Zuwanderung nach den Bedürfnissen der Re­publik Österreich, nur, wenn wir das schaffen, meine Damen und Herren, verhindern wir solche Bilder, die uns allen wehtun: die Bilder flüchtender Menschen und verzweifelter Kinder, und dann geben wir auch Millionen Menschen die Chance, in ihren Herkunftslän­dern etwas aufzubauen und dort zufrieden leben zu können.

Meine Damen und Herren! Unser Ziel sollte nicht eine kurzsichtige Symbolpolitik sein, sondern eine langfristige Hilfe für die Menschen auf der Welt – und das sind viele Mil­lionen, die auf eine neue Zukunft hoffen und bangen; das müssen wir erreichen. – Vielen


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herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Leichtfried: Also diese Rede war noch schlechter als die vom Kollegen Mayer! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


11.24.02

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Wir diskutieren hier eine humanitäre Katastrophe. Alle Menschen im Lager Moria haben nach dem Brand ihr Heim, ihre ganz bescheidene Bleibe, ihre primitive Baracke oder ihr kleines Zelt verloren – 13 000 Men­schen hausen im Wald, schlafen auf dem feuchten Boden.

Die SPÖ fordert hier klare und rasche Hilfe! (Abg. Kickl: Die ganze SPÖ?) Wenn nun Maßnahmen anlaufen, so hätte das schon vor zwei bis drei Jahren passieren müssen, nicht erst jetzt. Beim diesbezüglichen Antrag von Kollegin Pamela Rendi-Wagner ist die Fristsetzung abgelehnt worden – so schaut keine Sofortmaßnahme aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen, wir können nicht alle aufnehmen. Sie verschanzen sich hinter Stehsätzen, Herr Bundeskanzler. 100 Prozent der Österreicher werden Ihnen zu­stimmen, wenn Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Sie sagen: Ich habe die Balkanroute geschlossen. – Das ist ein Stehsatz, Herr Bundeskanzler. Diese Sätze helfen uns in der konkreten Situation nicht weiter. Ich würde sogar sagen, Herr Bundes­kanzler, das ist kaltschnäuzig, das ist überheblich, es ist nicht menschlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Herr Bundeskanzler, Sie sagen: Wir können nicht alle aufnehmen. Da geht es nicht um alle! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es geht nicht um eine Flüchtlingspolitik, es geht um eine ganz konkrete humanitäre Hilfe für zum Beispiel 100 Kinder, wie es der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig erklärt hat, der auch bereit ist, da etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Kickl: ... aber ... sagt was anderes!)

Wir sagen: Holen wir Kinder aus Moria, aus diesem Inferno, aus dieser Hölle raus! Und Sie sagen darauf: Wir können nicht alle aufnehmen. Das ist ein Armutszeugnis. (Ruf bei der ÖVP: ... die nimmt das Burgenland auf?) Die Grünen und die ÖVP verschleppten den Fristsetzungsantrag – so schaut konkrete Hilfe, so schaut humanitäre Hilfe sicher nicht aus.

Die Frage ist: Macht die EU genug? Sind die Maßnahmen der Europäischen Union effi­zient? Herr Bundeskanzler, Sie waren ja auch während der EU-Ratspräsidentschaft aktiv oder agierend, haben eine bestimmte Verantwortung gehabt. Hat es damals konkrete Vorschläge gegeben, die Lage der 13 000 Verzweifelten in Moria spürbar und nachhaltig zu verbessern? Nein, es hat nichts gegeben.

Ganz, ganz wichtig, sichere Außengrenzen in Europa: Hat es während Ihrer EU-Ratsprä­sidentschaft konkrete Maßnahmen für sichere Außengrenzen in Europa gegeben, dass diese besser geschützt sind, besser kontrolliert werden? (Rufe: Nein!) Nein. De facto wurde das Thema der sicheren Außengrenzen in Europa auf 2024 verschleppt. Die ös­terreichische Ratspräsidentschaft hat da unentschlossen und unfähig agiert.

Schauen wir doch einmal über den österreichischen Tellerrand hinaus; manchmal lohnt sich ein Blick nach München, nach Bayern! Dort sitzt die CSU, und Bundeskanzler Kurz hat ja die CSU zu besonders engen Freunden von Österreich und der ÖVP erklärt. (Ruf bei der ÖVP: Was du alles weißt!) Nun, wie sehen diese Freunde der CSU die starre Haltung der ÖVP und der Grünen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der CSU-Chef Markus Söder erwartet sich von der österreichischen Regierung (Ruf bei der ÖVP: Was erwartet er sich?) „etwas mehr Herzlichkeit”. Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr


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Menschlichkeit, Söder ist da charmant, denn er meint etwas mehr Nächstenliebe. (Abg. Hörl: ... ist auch charmant! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ganz konkret: Innenminister Seehofer macht ganz konkrete Angebote, wie viele Fami­lien und Kinder man nach Deutschland holen kann. (Abg. Kickl: Das ist nur ein abge­kartetes Spiel!) Dass die Kurz-ÖVP die CSU rechts überholt, wundert mich nicht. Die ÖVP war nie sozial. Sie war einmal christlich, jetzt ist die ÖVP auch nicht mehr christlich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Ottenschläger.)

Jetzt überholen aber die Grünen die CSU rechts. Die Grünen waren nie explizit christlich, aber jetzt sind sie auch nicht mehr sozial und nicht mehr humanitär.

Zum Thema Nächstenliebe: Die Nächstenliebe ist eine schöne, vielleicht die schönste christliche Tugend. Die Nächstenliebe ist aber mehr als eine christliche Tugend – die Nächstenliebe ist eigentlich das Fundament des Christseins. Die Österreichische Bi­schofskonferenz sagt, dass die Maßnahmen, die jetzt vor Ort gesetzt werden, zu wenig sind. Das sagt die Österreichische – die katholische – Bischofskonferenz. Und die evan­gelische Diakonie meint, dass Moria zum Inbegriff des Scheiterns der europäischen Flüchtlingspolitik geworden ist. (Abg. Gabriela Schwarz: Und was hat ...?!)


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Herr Abgeord­neter!


Abgeordneter Dr. Harald Troch (fortsetzend): Die SPÖ hat hier eine klare Haltung, eine Haltung der Menschlichkeit, der Nächstenliebe. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch, unter anderen des Wiener Bürgermeisters: Holen wir 100 Kinder aus Moria, aus dem Schlamm, aus dem Inferno nach Wien! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


11.29.50

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte bleibt wohl kein anderer Schluss, als dass die meisten von Ihnen anscheinend noch immer nichts aus der Migrationskrise 2015 gelernt haben. Damals hat die rot-schwarze Bundesregierung gemeinsam mit den Linken und auch, das darf man nicht vergessen, mit dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz in wesentlicher Rolle, vollkommen ver­sagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Man erinnere sich nur an Aussagen wie „Wir schaffen das“ und: Der durchschnittliche Zuwanderer ist intelligenter als der durchschnittliche Österreicher. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Auch diesen Satz, sehr geehrter Herr Kurz, werden wir nicht vergessen. Ich habe gedacht, Sie hätten verstanden, was für einen Schaden Sie damals angerichtet haben, und hätten kapiert, dass wir eben leider nur beschränkte Ressourcen und Möglichkeiten haben und eben leider nicht jedem Menschen helfen können – insbesondere nicht, sehr geehrte Damen und Herren, in der schlimmsten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Können Sie sich nicht wenigstens jetzt einmal, wenn der Zustand so schrecklich ist, um die Interessen der eigenen Bevölkerung kümmern anstatt um jene der ganzen Welt? (Beifall bei der FPÖ.)

Nein, sehr geehrte Damen und Herren, offenbar können Sie es nicht. Die meisten haben nichts dazugelernt. Sie stellen sich auch heute wieder hierher und kommen mit der mora­lischen Totschlagkeule, dass doch nur Kinder aus Moria aufgenommen werden sollen – wohl wissend, dass es fraglich ist, ob es überhaupt Kinder sind, weil viele etwas Falsches


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angeben (Zwischenrufe bei der SPÖ); wohl wissend, dass es fraglich ist, ob es über­haupt Flüchtlinge sind, weil die Verfahren noch nicht abgeschlossen sind; wohl wissend, dass Sie damit nicht nur ein paar Kinder hereinlassen, sondern dann dank der EMRK die ganze Familie auch noch gleich mit; wohl wissend, dass Sie damit einen gewaltigen Pulleffekt erzeugen; und wohl wissend, dass es die Betroffenen selber waren, die ihre Zelte abgefackelt haben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss alle, die das hier fordern, wirklich fragen: Ist das jetzt Ihre Form der Politik? Ist das jetzt die neue Methode, dass man sich erpressen lässt, dass man sich den Weg nach Österreich mit Straftaten erzwingen kann? Was setzen Sie da eigentlich für ein Exempel? Zündet eure Lager an, und ihr könnt alle nach Deutschland und Österreich weiter, oder, wie es die ÖVP gemacht hat, dann überweisen wir halt noch mehr Geld?! – Wir haben bereits gesehen, was die Folgen sind. Merkel hat sich nach dem Brand hinge­stellt und gesagt: Wir nehmen Flüchtlinge auf; und als Nächstes hat schon das nächste Flüchtlingslager auf Samos gebrannt. Der Brand konnte Gott sei Dank schnell wieder gelöscht werden.

Aber wenn Sie schon nicht auf uns hören, dann hören Sie wenigstens auf Griechenland, das selbst darum gebeten hat, dass man keine Flüchtlinge aus Moria aufnehmen soll. Wir sagen klar und deutlich: Gewalt darf nicht belohnt werden! Wenn Sie dem jetzt nach­geben, werden die nächsten Flüchtlingslager brennen, und dann sind Sie dafür verant­wortlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich fände es ehrlich gesagt auch schön, wenn es endlich einmal eine ein bisschen sach­lichere Diskussion gäbe. Sie stellen sich her und behaupten immer, jeder, der gegen die Aufnahme von Flüchtlingen oder jetzt Kindern von Moria ist, ist ein Unmensch, ist grau­sam oder vielleicht noch Schlimmeres. Wir haben heute schon Vergleiche mit dem Natio­nalsozialismus gehört. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In einer idealen Welt gibt es unbegrenzte Ressourcen, ja, dann kann man jedem helfen. Ja, dann ist alles möglich. Aber das haben wir eben nicht. Sie müssen endlich lernen, Ihren Idealismus und Ihr Gutmenschentum mit der Realität in Einklang zu bringen, sonst wird das nicht funktionieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie reden immer von Solidarität. Ich muss Sie fragen: Was ist mit der Solidarität gegen­über der eigenen Bevölkerung? Wir haben eine Covid-Krise. In der größten Gesund­heits- und Wirtschaftskrise der Zweiten Republik, in der viele Menschen ohne Arbeit sind, vor dem Nichts stehen, um ihre Existenz fürchten, brauchen wir alle Ressourcen im eige­nen Land. Es müsste eigentlich heißen: No way! Wenn alle überall Grenzen dichtma­chen, Freiheiten beschränken, dann müsste logischerweise in dieser Zeit auch das Asyl­system temporär ausgesetzt werden, denn es ist unverantwortlich, in so einer Krise Ös­terreich und die Europäische Union noch mehr zu belasten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Problem in Moria ist nicht die Verteilung, wie sie die EU auch in der aktuellen Migrationsdebatte wieder fordert, sondern die Rückführung. 87 Prozent der Migranten in Griechenland sind nämlich illegal dort. (Abg. Ernst-Dzie­dzic: Woher wissen Sie das?) Es ist also höchste Zeit, dass sich die EU endlich nicht mehr um die Verteilung von Flüchtlingen kümmert, sondern um die Rückführung illegaler Migranten und um einen effektiven Außengrenzschutz. Dann gäbe es auch Zustände wie in Moria nicht, sehr geehrte Damen und Herren.

Jetzt kommen wir zum EU-Migrationspakt, der auf Ebene der Europäischen Union dis­kutiert wird. Jetzt geht es dort um Flüchtlingsverteilung. Dort heißt es jetzt natürlich fle­xible Solidarität, weil halt in Zukunft die bestraft werden sollen, die sich weigern, Flücht­linge aufzunehmen. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Pulleffekt weiter ver­stärkt wird. Im Kern geht es auch darum, dass die EU ihre Kompetenzen immer mehr


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ausweiten will. Wir sagen dazu ein klares Nein, und den ÖVP-Umfaller kann ich jetzt schon hören. (Beifall bei der FPÖ.)

11.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordneter Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


11.35.19

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Regierungsmitglieder! Kollegen und Kolleginnen! Soll Österreich Menschen aus Moria aufnehmen? – Ja. Gibt es hier im Hohen Haus eine Mehrheit dafür? – Nein. (Abg. Kickl: Da kann man halt nichts machen! – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer. – Wei­tere Zwischenrufe des Abg. Kickl.) Werden, ja müssen wir um diese Mehrheit kämp­fen? – Ja. Und wieso? Weil ich davon überzeugt bin, dass es diese Mehrheit in der Be­völkerung gibt, diese aber aktuell keinen Niederschlag bei den Volksvertretern hier im Hohen Haus findet. (Beifall bei den Grünen.)

Fakt ist: Moria, stellvertretend für viele Elendslager an den Außengrenzen, ist ja die Kon­sequenz einer verfehlten, dysfunktionalen EU-Asylpolitik der Abschottung und der Ab­grenzung. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Was liegt, neben der Beschaffung einer Mehrheit für eine Aufnahme von Menschen und neben akuter humanitärer Hilfe, in der Verantwortung einer verantwortungsvollen Politik? – Der Einsatz für eine gesamteuro­päische, solidarische und menschenwürdige Lösung, die die Genfer Flüchtlingskonven­tion achtet, statt sie noch mehr nach dem Motto: Nach mir die Sintflut!, auszuhebeln.(Abg. Kickl: Autosuggestiv ist das!)

Was wir auch tun müssen, ist, Fakten schaffen, gerade hier im Parlament bei den Fakten bleiben, nicht zulassen, dass durch Verkürzung und Verdrehung von Tatsachen eine Verrohung unserer gesamten Gesellschaft zum Sinnbild unserer europäischen Flücht­lingspolitik wird. (Ruf: ... Genfer Konvention ...! – Abg. Kickl: Also ich finde das gut, dass Sie freiheitliche Politik unterstützen!) Und dazu muss ich mir keine Dokus anschauen, ich habe nämlich mit den Betroffenen vor Ort gesprochen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jasar ist 16 Jahre alt. Als Kind wurde er von islamistischen Terrorgruppen in Afghanistan gefoltert, weil sein Vater für den UNHCR tätig war. Sein Haus brannte nieder, und die Familie machte sich auf einen langen Weg über den Iran, über das Mittelmeer nach Europa. Elf Mal, sagt Jasar, saß er in einem kaputten Boot und sah Menschen um sich herum ertrinken. Er sagt zu mir: Keinen Augenblick habe ich daran gezweifelt, dass wir es noch einmal versuchen wollen. – Nicht in Erwartung eines fairen Asylverfahrens, sondern schlicht, um zu überleben.

Seien wir doch froh, dass wir in einem Europa leben, wo wir dieses Überleben sichern können! Hören wir doch auf, Kriegszustände als Abschreckung zu produzieren, denn erst, wenn wir den Frieden, die Demokratie, den Rechtsstaat, die Menschenrechte in Europa abschaffen würden, erst dann würden einige von euch sagen können, es gibt diesen Pulleffekt nicht. – Und nein, da wollen wir Grüne nicht hin, und nein, da will die Mehrheit der Bevölkerung nicht hin. (Beifall bei den Grünen.)

Enisa ist acht Jahre alt. Diese Kinder dürfen in Griechenland keine reguläre Schule be­suchen, und eine andere gibt es schlicht nicht. Als ich im März in Moria war, haben ge­rade Rechtsradikale das einzige Familienzentrum, das Unterricht angeboten hat, nieder­gebrannt. – So viel zum Zündeln. Ja, auf allen Seiten wird gezündelt, aber schieben wir das nicht nur einer Gruppe zu! Empören wir uns doch lieber über die Schulbuchver­brennung, die dort stattgefunden hat, denn es geht um die Generationen, die hier auf europäischem Boden sind! Es sind unsere Kinder, die hier auf eine Lösung warten, wäh­rend wir uns weiter streiten! (Beifall bei den Grünen.)


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Dann ist eine Frau vor meinen Augen kollabiert, mit Schaum vor dem Mund. Ich stehe zwischen ihr und den Sicherheitskräften und schreie den einen an: Sie braucht medizini­sche Versorgung! – Also das, was wir alle fordern. Wisst ihr, was er zu mir sagt? – She should die.

Mehr gibt es, glaube ich, dazu nicht zu sagen, außer dass bei diesen Beispielen von Erpressung zu sprechen ja nicht nur freiheitliches Kalkül ist, sondern das ist eine Bank­rotterklärung an die Menschlichkeit. Also schämen Sie sich! (Abg. Kickl: Schämen soll­ten Sie sich!) Schämen Sie sich dafür, dass Sie da die Fakten verdrehen (Abg. Kickl: Sie sollten sich genieren!), um politisches Kleingeld daraus zu schlagen! (Abg. Kickl: ... den Leuten auch erklären, wie ... durchsetzen können! Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Und noch eines: Moria gehört evakuiert. Die Zustände dort werden bewusst nicht besser gemacht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das Geld versickert, die griechische Regierung fühlt sich von Europa nicht nur alleine gelassen, sondern sie ist  ja, das muss man sagen  auch von rechtsextremem Gedankengut durchdrungen. (Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Das spiegelt sich bei den Behörden wider, das spiegelt sich bei jenen wider, die eigentlich vor Ort für die entrechteten, entmachteten Menschen (Zwi­schenruf der Abg. Steger) und für ihren Schutz zuständig sein sollten, deswegen sage ich hier bei dieser Aktuellen Europastunde Grundsätzliches: Flucht war und ist kein Ver­brechen und wird keines sein.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): Vom Schicksal der Menschen in Moria trennt uns lediglich das Privileg des Geburtsortes. Wir sollten deshalb Menschen nicht abschrecken, sondern uns selber schrecken, ja, wir sollten Angst bekommen.


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft. Ich habe Sie ersucht, den Schlusssatz zu formulieren. Ich gebe Ihnen ganz kurz Zeit, das jetzt zu tun.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (fortsetzend): Österreich ist ein kleines Land, aber mit großem Herzen. Unser politisches Credo, unsere tiefste Überzeugung ist des­halb klar: Wenn sich Menschen in Not befinden, dann helfen wir mit allen Mitteln. (Beifall bei den Grünen. Abg. Martin Graf: Da schaut der Hass aus den Augen!)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper ist die Nächste, die zu Wort gelangt. – Bitte.


11.41.48

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Herr Kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Warum gerade Kinder aus den Lagern aus Moria nach Österreich evakuieren? – Es geht um eine humanitäre Katastrophe auf EU-Boden, für die wir Verantwortung tragen, eine humanitäre Katastrophe, ja: Das Leben der Betroffenen vor Ort ist gefährdet, ist am Weg, zerstört zu werden.

Es ist unfassbar, dass seit Jahren auf EU-Boden Zustände herrschen, die auch Kinder in Suizidversuche treiben. Moria liegt in Griechenland, Herr Kanzler, wo man nicht gön­nerhaft von Hilfe vor Ort sprechen kann – Sie missbrauchen einen Begriff für eine Leis­tung, die es in Europa nie geben müsste, und verwirren die Menschen –, diese ist vor Ort in den Herkunftsländern zu leisten.

In Moria sind wir nicht gönnerhaft zur Hilfe vor Ort verpflichtet, sondern dazu, unsere Werte, für die die Europäische Union gegründet wurde, zu verteidigen: Demokratie und Menschenrechte. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Hierauf fußt


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auch unsere Glaubwürdigkeit, die in den letzten Jahren an jedem Tag, an dem die Kinder dort im Dreck unter Planen schlafen, ohne medizinische Versorgung sind, nicht wissen, ob sie etwas zu essen bekommen, erodiert. Die haben wir schon verloren. In Wahrheit geht es jetzt darum, Verantwortung zu übernehmen, und die Verantwortung für diese Zustände in Österreich tragen Sebastian Kurz und die ÖVP, von der Spitze – von ihm – hinunter.

Herr Kanzler, Sie sind gut im Predigen, aber – aus meiner Perspektive – nicht in Sach­lichkeit, sondern im eiskalten Nichtstun, und das aus Kalkül. Was geschah nach 2015? – Wir erinnern uns, dass Sie nicht an menschlichen und gleichzeitig effizienten Lösungen interessiert waren, sondern am australischen Modell. Sie haben es auch die Jahre da­nach, bis 2017, kolportiert, sogar als klar wurde, dass dort Lager geschlossen werden mussten, da sie nicht menschenwürdig waren. Das ist Ihr Kalkül, um so Menschen, Asyl­werber vom eigenen Hoheitsgebiet fernzuhalten.

Das ist sinnvoll für Ihre Zwecke, und Sie haben geschafft, das in Europa durchzusetzen. Sie schlugen sich damit auf die Seite der Nationalisten, die verhindern, dass es in Europa möglich wird, ein effizientes, gemeinsames Asylverfahren aufzubauen. (Bundeskanzler Kurz nickt.) – Sie nicken, Sie geben mir anscheinend recht in Bezug darauf, mit den Nationalisten in einem Boot zu sitzen. (Beifall bei den NEOS.)

Was verstehen Sie nämlich unter Außengrenzschutz? – Lager mit leidenden Menschen, deren Schicksal abschreckend wirkt. Dieses unsägliche Agieren der Regierung schafft in Wahrheit aber nur Chaos und Unmenschlichkeit. Was Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit gleichzeitig bedeuten würde, wäre, wenn man an den Außengrenzen kontrolliert, registriert, die Asylwerber aufteilt, schnelle Verfahren hat, jene zurückschickt, die keinen Schutz verdienen, und jene schnellstmöglich integriert, die Schutz verdienen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit wäre tatsächlich effiziente Abschreckung, die Sie ja wollen, rechtsstaatlich mög­lich, nämlich durch effiziente Abschiebungen. Was aber wollen Sie mit Ihrer destruktiven Art? – Sie wollen weiterhin das schwelende Chaos an den Grenzen für Angstmache be­nutzen. Angst macht mir da etwas ganz anderes, Angst macht mir nämlich, dass wir wegen Ihrer zynischen Politik wieder Menschen leiden sehen, weiterhin leiden sehen und nichts machen können, denn jetzt droht Moria zwei. Laut Ärzte ohne Grenzen vege­tieren im Moment fast 10 000 Menschen im provisorischen neuen Lager Kara Tepe, das in den vergangenen Tagen auf einer aufgelassenen Truppenübungsstelle eingerichtet wurde. Sie wissen nicht, ob sie etwas zu essen bekommen oder Duschen und Toiletten haben werden, aber sie wissen, dass eine Gefahr durch Minen besteht.

Wir NEOS – nicht die ÖVP und nicht die FPÖ – werden nicht müde, uns dafür einzuset­zen, dass durch effiziente, schnelle Verfahren Sicherheit und Ordnung einkehren und dass wir – als Österreich dabei in einer Koalition der Entschlossenen vorangehen.

Damit das umsetzbar wird, brauchen wir aber eine Entlastung der EU-Außenländer, und deswegen haben wir schon im April, als Corona ausbrach, gefordert, dass wir evakuie­ren. Schon damals war nicht nur die ÖVP dagegen, sondern auch die Grünen haben unseren Antrag abgelehnt. Jetzt, nach dem Brand, braucht es umso mehr eine rasche Evakuierung. Es muss verhindert werden, wie Ärzte ohne Grenzen sagt, dass aus der Asche Morias auch mit österreichischer Unterstützung das nächste Elendslager ent­steht. – Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wir haben in Österreich die Kapazitäten, zu helfen. Asylquartiere, für die wir aber dank eines Kündigungsverzichts – damals von Innenministerin Mikl-Leitner  Miete zahlen, stehen leer, und es gibt in Österreich viele Menschen, die den Wunsch haben, zu helfen. Sie ignorieren die vermehrten Rufe der Zivilgesellschaft, der Kirchengemeinschaft in Ös­terreich, von Kinder- und Jugendpsychiatern, von der Initiative Courage – Mut zur Menschlichkeit, hinter denen immer mehr Menschen stehen, die helfen wollen.


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Sie nehmen nicht nur die Grünen in Geiselhaft, die dafür auch selbst verantwortlich sind, weil sie bei den Regierungsverhandlungen viele ihrer Grundsätze einfach über Bord ge­worfen haben, sondern Sie nehmen auch alle Menschen in Geiselhaft, die Sie nicht hel­fen lassen. Nehmen Sie diese nicht in Geiselhaft, lassen Sie sie helfen, lassen Sie diese Menschen, die Verantwortung spüren, etwas tun, wenn Sie schon nichts spüren!

Daher stellen wir heute den Antrag, dass die Bundesregierung die vielen Hilfsangebote der Menschen in Österreich, die helfen wollen, auf Validität prüft, und ihnen ermöglicht, nach einer Einreise von unbegleiteten Minderjährigen für die Versorgung und/oder die Patenschaft dieser Kinder zu sorgen. ÖVP ...

11.47


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Frau Abge­ordnete!

(Beifall bei den NEOS für die das Rednerpult verlassende Abg. Krisper.)

Die nächste Rednerin ist Mitglied des Europäischen Parlaments Frau Abgeordnete An­gelika Winzig. – Bitte.


11.47.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Heute zeigen die NEOS wieder einmal ihr wahres Gesicht, nämlich dass sie absolut kein Interesse an einer lösungsorientierten Diskussion haben, denn wie kommt man sonst auf die glorreiche Idee, heute den Herrn Bundes­kanzler aufzufordern, ein europäisches Asylsystem zu unterstützen, das jetzt um 12 Uhr erst einmal vorgestellt wird (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), das keiner kennt, das keiner durchgearbeitet hat. (Abg. Meinl-Reisinger: ... medial ..., mehr Zeit ...!)

Österreich hilft 365 Tage im Jahr, weil wir uns unserer humanitären Verantwortung be­wusst sind. (Beifall bei der ÖVP.) Wir sind EU-weit an dritter Stelle bei den Schutzge­währungen für Flüchtlinge, an zweiter Stelle bei der Aufnahme von Kindern. Ja, dafür werden wir von der Kommission gelobt, aber das sollen bitte erst einmal alle anderen Mitgliedstaaten erfüllen (Abg. Meinl-Reisinger: Genau! Das nennt man Solidarität! ... ha­ben es verstanden!), was wir seit 2015 geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ja, geschätzte Frau Kollegin Meinl-Reisinger, verweigern Sie nicht die Realität! (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Tun Sie doch bitte nicht so, als würden wir seit 2015 niemanden aufnehmen! Es werden auch heuer wieder 10 000 bis 12 000 Asylbe­scheide positiv ausgestellt. (Weiterer Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Vorletzte Woche hatten wir 367 Asylwerber, und wir haben in diesem Jahr bereits 700 unbegleitete minderjährige Jugendliche in die Grundversorgung übernommen. (Abg. Kickl: No schau!)

Fakt ist aber, dass uns Hilfe vor Ort wichtig ist. Wir waren bereits vor Ort in Moria, noch bevor der Brand gelegt wurde. Wir haben mit finanziellen Mitteln unterstützt und wir ha­ben schon im Frühjahr Hilfslieferungen gebracht, das war unserem Innenminister beson­ders wichtig, und auch da waren wir EU-weit wieder die Ersten, die mit 55 Tonnen gehol­fen haben.

Ja, ich habe meine Lehre aus 2015 gezogen, und zwar, dass bei diesem Migrations­thema die veröffentlichte Meinung nie mit der öffentlichen Meinung übereinstimmt.

Wir waren damals im oberösterreichischen Landtagswahlkampf. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Es gab einerseits hilfsbereite Menschen und andererseits enorme Aggressivi­tät quer durch alle Bevölkerungsgruppen, alle Berufe, quer durch alle Parteien. Diese Überforderung, die darf in diesem Land nie wieder passieren.

Das Negativbeispiel ist Schweden. Der sozialistische Premierminister beklagt, dass ho­he Kriminalität von Migranten herrührt, und die schwedische Polizeichefin kritisiert, dass


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migrantische Großfamilien einen Staat im Staat bilden, und jetzt mussten sie sich noch einen dänischen rechtspopulistischen Ex-Minister holen, der das Ganze als Berater lö­sen soll.

Es ist traurig, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind, aber Europa kann nur einen Bruchteil davon aufnehmen. Daher ist es doch wesentlich gerechter, das blutige Milliar­dengeschäft der Schlepper zu stoppen, und das können wir nur mit Hilfe vor Ort.

Was machen Sie? – Mit Ihren Vorstellungen befeuern Sie die Schlepper. Wie naiv sind Sie, bitte? Glauben Sie, Schlepper sind junge Männer, die einzeln Boote aufs Wasser lassen? – Das sind Großorganisationen, Profiorganisationen.

Wenn man 1 500 Flüchtlinge nach Deutschland schickt, stehen die nächsten 1 500 schon vor den Toren Europas, und der Schlepper kann sich ausrechnen, dass er wahr­scheinlich in einer Viertelstunde 3 Millionen Euro verdient. Denen muss man die Luft zum Atmen nehmen!

Für mich ist der richtige Zugang eine perfekte Abstimmung mit den Drittstaaten, Anreize, aber auch Kontrollsysteme und vor allem Ausbildung, Arbeitsplätze vor Ort. (Beifall bei der ÖVP.) Das muss ein nachhaltiges, visionäres Migrationsabkommen der Europäi­schen Union enthalten, dann werden wir diesem auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Mitglied des Europäischen Parlaments Günther Sidl. – Bitte.


11.52.12

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Günther Sidl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Bilder aus dem Flüchtlingslager Moria haben die meisten von uns tief berührt, und zwar waren es nicht nur die schockierenden Bilder des Brandes, sondern es wurde uns dramatisch vor Augen geführt, wie wir als Europa Menschen auf der Flucht dort leben lassen.

Man muss es ganz offen ansprechen: Wir haben es als eine der reichsten Regionen dieser Welt nicht einmal geschafft, dass wir diesen Menschen ordentliche Toiletten hin­stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist ein Ar­mutszeugnis für unser Europa, ein Armutszeugnis aber vor allem für die Verantwortli­chen in den Mitgliedstaaten, die das zugelassen haben, und es ist jetzt ein Armutszeug­nis für unsere Bundesregierung, wenn man sich gegen die Aufnahme von Kindern stellt und sich sogar dagegen ausspricht, wenn andere, wie etwa die Bundeshauptstadt Wien, helfen wollen.

Ich war im brisanten Jahr 2015 Integrationssprecher meiner Fraktion im Niederösterrei­chischen Landtag, und ich war in sehr vielen Gemeinden und Städten bei Diskussions­veranstaltungen, bei denen es um die Aufnahme von Flüchtlingen gegangen ist. Ich kenne diese Diskussionen, ich kenne die Emotionen. (Abg. Kickl: Dann sind Sie nach Brüssel geflüchtet!) Bei einer dieser Veranstaltungen hat ein Mitglied einer Rettungsor­ganisation – hören Sie gut zu, Herr Kickl! – gesagt: Wenn man jemanden im Straßengra­ben liegen sieht, fragt man nicht zuerst, woher er kommt, sondern man hilft. (Beifall bei der SPÖ.) Man hilft, und das ist auch jetzt die einzige Handlungsoption, die mit unseren Grundwerten vereinbar ist. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Darüber hinaus brauchen wir aber endlich auch eine europäische Antwort auf die Frage, wie wir mit Menschen auf der Flucht umgehen, ein gemeinsames Bestreben, ab dem ersten Tag Integration zu fördern, und wir müssen uns auch endlich überlegen, wie wir es schaffen können, Menschen Sicherheit und vor allem Perspektiven in ihren Ländern zu geben.


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Das ist eine Herausforderung, die nur eine Union meistern kann, in der alle an einem Strang ziehen, doch was wir gerade erleben, ist der Rückfall in eine Kleinstaaterei, in ein Gegeneinander der Mitgliedstaaten. All das schwächt Europa massiv. Ganz vorne mit dabei ist da leider die gesamte österreichische Bundesregierung – ich sage bewusst: die gesamte Bundesregierung. Da kann man sich nicht auf den Kanzler oder auf den Koali­tionspartner ausreden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei ist das Spiel, das da getrieben wird, hochgefährlich, denn die Europäische Union ist immer dann schwach, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht auf einen Kurs einigen können oder gar nicht einigen wollen. Es ist zynisch, nach einer europäischen Antwort zu rufen, die man gleichzeitig durch die Hintertür ständig torpediert.

Wer in Österreich die Idee eines vereinigten Europas ernst nimmt und nicht an dessen Zerstörung mitarbeiten will, der muss seinen Teil einer gemeinsamen Verantwortung tra­gen, denn wir brauchen gerade jetzt ein starkes Europa (Beifall bei der SPÖ): ein starkes Europa, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronapan­demie zu bewältigen, ein starkes Europa für eine europäische Gesundheitsunion mit funktionierenden öffentlichen Gesundheitssystemen, ein starkes Europa für nachhaltige Lösungen, um die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern, und ein starkes Europa für die Verteidigung unserer demokratischen Grundrechte, auch in Europa, mei­ne sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete. Und schließlich brauchen wir jetzt ein starkes Europa, das Verantwortung übernimmt und Lösungen bei der ganz wesentli­chen Frage der geordneten Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen auf unserem Kontinent schafft.

Die EU-Kommission wird heute ihr neues Paket zur Migrations- und Asylpolitik in der EU vorstellen. Das EU-Parlament hat dazu seine Haltung bereits 2016 klargestellt: Wir wol­len ein gemeinsames Asylsystem, basierend auf Verteilung und Solidarität.

Weil heute schon angesprochen worden ist, Fakten zu bringen: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Bundesregierung! Genau das ist Ihr Job. Herr Bundeskanzler, das war auch Ihr Job als Außenminister!

Noch etwas: Niemand ist darüber hinaus gehindert, in der größten Not zu helfen und den Schwächsten in Moria, den Kindern und Minderjährigen, schon jetzt Schutz zu gewäh­ren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Schnedlitz. – Bitte.


11.56.49

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Minister! Hohes Haus! Weil mein Vorredner gerade von Bildern und Fakten gesprochen hat, denke ich, müssen wir auch ein Bild in dieser gesamten Debatte, wie sie heute hier stattfindet, aber auch, wie sie bereits die letzten Tage in den Medien stattfindet, zurecht­rücken.

Sie sprechen die ganze Zeit von Kindern und zeichnen für die österreichische Bevölke­rung ein Bild von kleinen, vier-, fünf-, sechs-, siebenjährigen Kindern. Ich zeige Ihnen das wahre Bild der Kindern, die Sie aus Moria holen wollen, wie Sie es auch in der internationalen Presse bereits finden. Die österreichische Presse hat diese Bilder noch nicht so umfangreich veröffentlicht. (Der Redner zeigt ein Foto, auf dem eine Gruppe von Männern vor einem dunklen Hintergrund zu sehen ist.) Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die ersten Kinder, die aus Moria herausgeholt wurden: 1,90 Meter groß, Bart, jeder zweite wahrscheinlich am 1.1. geboren. Es sind genau diese Kinder, die eini­ges am Kerbholz haben, diese Kinder, die Sie bereits zu uns ins Land geholt haben und die auch schon einiges bei uns angerichtet haben. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wann werden Sie endlich in der Realität ankommen und verstehen, dass wir uns jetzt, in der Gegenwart, mitten in Österreich in einer Krise befinden, einer Krise, in der es Millionen Opfer in unserem Land gibt? Wann werden Sie verstehen, dass wir mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher nicht die gesamte Welt retten kön­nen? (Beifall bei der FPÖ.) Wann werden Sie in der Gegenwart ankommen und verste­hen, dass wir unter dem Deckmantel der Hilfe nicht weitere Kriminalität und weitere Pro­bleme importieren dürfen, die wir in unserem Bildungssystem, an den Schulen und so weiter zur Genüge haben?

Die Kernfrage ist: Wann wird die österreichische Bundesregierung endlich verstehen, dass es die Aufgabe der österreichischen Bundesregierung ist, vor allem in Österreich zu helfen und sich erst dann um den Rest der Welt zu kümmern? (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Da bekommt Hilfe vor Ort eine gute Bedeutung und ist das Stichwort. Es gibt in Österreich über eine Million Menschen, die armutsgefährdet sind, Hunderttausende Arbeitslose, Hunderttausende in Kurzarbeit, Unternehmer, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen, Senioren und Pensionisten, die mit ihrem Ein­kommen und ihrer Pension kein Auskommen finden, und über 300 000 Kinder, die in Österreich, vor unserer eigenen Haustür, armutsgefährdet sind.

Unsere freiheitliche Haltung, sehr geehrte Damen und Herren, ist klar: Solange es in Österreich auch nur ein einziges armutsgefährdetes Kind gibt, dürfen wir keinen einzigen Cent Steuergeld ins Ausland schicken und brauchen auch keine Zuwanderung. (Beifall bei der FPÖ.) Das Motto muss vielmehr lauten: Volle Kraft für unser Land! Das ist die Hilfe vor Ort, die wir in der Gegenwart dringend brauchen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der schwarz-grüne Weg sieht aber etwas anderes vor. Da werden aus der Hüfte Zig­millionen zusätzlich ins Ausland geschickt, und selbst, wenn Ihnen Ihre PR-Berater sa­gen, Sie sollen ein bisschen Härte bei 200 Kindern, die ich Ihnen gerade gezeigt habe, zeigen, dann sieht auch da die Realität anders aus. Sie holen Zuwanderer und Asylanten zu Tausenden in unser Land: letzten Freitag 59 (Zwischenruf des Abg. Hörl), am Sams­tag 29, am Sonntag 32, am Montag 41 und gestern 36 illegale Zuwanderer, Tausende in den letzten Wochen und Monaten, und während Sie der eigenen Bevölkerung eine Grenze ziehen, stehen die Grenzen meilenweit für illegale Zuwanderung und Migration offen. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil auch Sie, Herr Innenminister, gerade hier sind und großspurig ankündigen, dass ohne Coronatest kein Asyl gewährt wird, frage ich Sie: Wissen Sie, wie viele von den Tausenden einen negativen Coronatest mitgebracht haben? – Null, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist der Sand, den die Regierung und vor allem die ÖVP versucht, der Bevölkerung in die Augen zu streuen.

Dieses Schauspiel mit Herrn Kollegen Seehofer, unter Parteifreunden, können Sie sich auch sparen. Das ist relativ leicht durchschaubar, weil Sie beide versuchen, politisch davon zu profitieren und Ihr Herr Innenminister als Dankeschön dann noch über 1 000 Mi­granten aus Deutschland zurücknimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn jetzt die EU den Vorstoß macht, Dublin abzu­schaffen und eine Umverteilung über die Nationalstaaten sicherzustellen, dann ist das eine gefährliche Drohung, und ich erwarte mir von der österreichischen Bundesregie­rung, dass sie nicht auf den Knien nach Brüssel rutscht, sondern dass sie unsere öster­reichischen Interessen vertritt. Die Botschaft muss lauten: Wir sind von Brandstiftern nicht erpressbar! Die Botschaft in Richtung illegale Migranten und Schlepper muss lau­ten: Ihr habt gar keine Chance, no way, versucht es erst gar nicht, die Grenzen sind dicht! Gerade in Zeiten wie diesen muss die Botschaft lauten: Österreich zuerst, Österrei­cher zuerst!


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Die Gegenwart, Frau Kollegin (in Richtung Abg. Rendi-Wagner), ist nicht Moria, die Ge­genwart ist Österreich, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Die Rede vom Kollegen Mahrer war doch nicht die schlechteste! – Abg. Kickl: Kommst ja noch dran! – Abg. Lausch: Einreiseverbot ins Burgenland!)

12.01


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Monika Vana, Mitglied des Europäischen Parlaments. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.02.06

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte KollegInnen! Ich möchte diese menschenverachtenden und letztklassigen Aussagen meines Vorredners gar nicht lange kommentieren. Ich möchte mich für diese heutige so wichtige Europa­stunde, die auch zeigt, wie wichtig die sachliche Auseinandersetzung betreffend dieses Thema ist, herzlich bedanken! (Beifall bei den Grünen.)

Der Brand im Flüchtlingslager Moria hat uns dramatisch und endgültig vor Augen geführt: Die Flüchtlingsfrage lodert seit Jahren im gesamten gemeinsamen Haus Europa und allein mit einer Festungs- und Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas wer­den wir diesen Brand nicht löschen – das ist Fakt. Das Flüchtlingsleid ist unerträglich und einer Friedensnobelpreisträgerin EU unwürdig. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Seit Jahren – das kann ich auch für mich selbst in Anspruch nehmen – fordern wir Grü­nen, dass die Europäische Union ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen muss, das Grundrecht auf Asyl sicherzustellen und Verfahren zügig und vor allem menschen­rechtskonform durchzuführen. Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen, ist Schutz zu gewähren!

Dazu braucht es legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten, faire Verfahren für Asylsuchende und die Entkriminalisierung von Seenotrettung, um dem Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende zu bereiten. Das alles ist aber mit dem derzeitigen Dublin­system nicht zu schaffen, und – es wurde schon angesprochen – gerade jetzt in diesen Minuten präsentiert die Kommission ihre Pläne für einen sogenannten Migrationspakt der Mitgliedstaaten. Das ist ein längst überfälliger Schritt, denn viel zu lange hat sich die Europäische Union von der Totalopposition einiger Mitgliedstaaten bremsen lassen. Ich darf Ihnen sagen: Im Europaparlament haben wir längst einen Kompromiss, eine Eini­gung für einen Verteilungsmechanismus in der Flüchtlingsfrage gefunden, allein die Mit­gliedstaaten blockieren.

Europa braucht dringend einen Migrationspakt und eine gemeinsame, solidarische Asyl­politik, die im EU-Vertrag übrigens auch klar als Ziel verankert ist, zum einen, um eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen, aber auch – und das ist sehr wichtig –, um ihren eigenen Grundwerten und Grundrechten gerecht zu werden.

Soweit wir bisher gehört haben, wird der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission das Elend an den Außengrenzen leider nicht beseitigen. Wir hören von beschleunigten Asyl­verfahren in Großlagern, die das Problem nicht grundlegend ändern. Wir hören davon, dass die Dublinregelung nicht außer Kraft gesetzt werden soll – ich denke, da wird es harte Verhandlungen brauchen. Wir müssen die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten und wir dürfen die südlichen EU-Mitgliedstaaten nicht mit der Abwicklung der Asylver­fahren alleine lassen – ich denke, in Massenlagern scheinen faire, rechtsstaatliche Asyl­verfahren nicht möglich.

Im Europaparlament setzen wir Grüne uns seit Jahren ganz klar für folgende Ziele ein: für einen Stopp der jahrelangen Masseninternierungen an den Außengrenzen, die


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Schaffung von offenen Registrierungszentren, von wo aus Flüchtlinge sich dann nach einem fairen und solidarischen System auf die Mitgliedstaaten verteilen können, sowie auf Motivation und Unterstützung. Das ist gerade jetzt ganz, ganz wichtig für Regionen, Städte und Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen wollen – es ist beeindruckend, was da von immer mehr Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen europaweit geleistet wird. Die EU-Strukturfonds unterstützen dabei übrigens seit Jahren großzügig mit Geld, allein viel Geld bleibt in Brüssel immer noch liegen.

Es ist ganz klar: Alle Mitgliedstaaten müssen sich ausnahmslos zu einem europäischen Asylsystem bekennen! Ein Versagen der EU in dieser Frage ist keine Option! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb auch heute anlässlich des Titels der Europastunde, der sich an den Herrn Bun­deskanzler richtet, mein persönlicher Appell an den Herrn Bundeskanzler, wie aber na­türlich darüber hinaus an alle politischen VerantwortungsträgerInnen in Österreich: Neh­men wir unsere Verantwortung ernst! Unterstützen wir ein gemeinsames und solidari­sches europäisches Asylsystem! Österreich kann und soll Flüchtlinge aufnehmen, zahl­reiche andere Mitgliedstaaten zeigen es vor, das ist Fakt! Retten wir Flüchtlinge aus der aktuellen Notlage in Moria! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Kucharowits.)

12.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


12.07.06

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Herr Bundes­kanzler, ich habe Sie im EU-Hauptausschuss gebeten, den Begriff von den schreckli­chen Bildern nicht mehr zu verwenden. Ich bin sehr dankbar, dass Sie es nicht mehr machen, denn es geht nicht um Bilder. Ich glaube, das haben wir heute alle aus diesen 2 Stunden mitgenommen: Es geht um Menschen, und ich möchte hinzufügen, es geht um die Würde des Menschen, verankert im deutschen Grundgesetz, aber auch – Sie werden sich nicht wundern, ich habe dazu ein Buch mitgebracht – in der katholischen und christlichen Soziallehre: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. (Der Redner hält das Buch „,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ Zur Anwendung der Katho­lischen Soziallehre“ in die Höhe.)

Herr Professor Sedmak hat es da zum Teil ein bisschen kompliziert ausgeführt, er hat aber auch einen sehr einfachen Satz geschrieben: Wenn es darum geht, die Würde des Menschen zu achten, ist der „erste Schritt dieses Prozesses [...] jene soziale Wachheit und Aufmerksamkeit, die die Katholische Soziallehre einmahnt und ausmacht; die Nöte der Welt gehen die Menschen an. Das große Hindernis auf dem Weg zur Anwendung der Soziallehre ist Indifferenz“, sagt der Herr Professor. Ich sage, es ist die Wurschtig­keit, ist das Wegschauen, ist, zu sagen: Das geht uns nichts an! – Nein, es geht uns etwas an, und noch einmal: Was wir in Moria sehen, das ist nicht vor Ort, wie es immer so gar nicht schön heißt, das ist mitten in Europa. Da liegen mitten in Europa die Kinder auf der Straße, und wer wegschaut, macht sich mitschuldig! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Auch von ÖVP-Seite ist heute schon das Wort lösungsorientiert gefallen. Ja, und ich habe auch noch einmal nachgeschaut, es gibt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der ÖVP, die gesagt haben: Ja, wir nehmen gerne ein paar Familien auf! Das heißt, in Ihrer Partei gibt es Menschen, die nach dieser christlichen Soziallehre leben wollen und sagen: Wir nehmen ein paar Familien auf!, Bürgermeister Linhart aus Bregenz, Bürger­meisterin Karelly aus Fischbach, Bürgermeister Brunsteiner aus Vöcklabruck, um nur einige wenige zu nennen – es sind viel mehr, und ich frage mich wirklich: Wo ist denn noch das Problem?


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Wo ist das Problem? Es gibt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – auch anderer Par­teien –, die sagen: Wir nehmen auf! Wir wissen, dass dort die Kinder auf der Straße liegen!, und wir verhindern das. – Was ist denn daran lösungsorientiert?

Noch etwas zur Hilfe vor Ort: Hilfe vor Ort bedeutet nicht in Europa. Europa, das sind wir! Hilfe vor Ort heißt – und, Herr Bundeskanzler, Sie haben es ja richtig gesagt, 80, 90, 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht –, dort zu helfen. Da gibt es das wunderbare UNHCR, das UNO-Flüchtlingshilfswerk, und auch da habe ich mir die Zah­len angeschaut.

Ganz schlimm war das Jahr 2018, da sind wir auf 3,6 Millionen Euro heruntergefallen. Jetzt zahlen wir ein bisschen mehr ein – ich glaube, 5 Millionen Euro; vergleichbare Staaten wie Dänemark und Schweden zahlen 90 Millionen Euro ein. Das heißt, wenn wir Hilfe vor Ort sagen, müssen wir aber auch mehr für das UNHCR einzahlen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich würde Sie außerdem darum bitten, dass wir doch zwischen Flucht und Migration unterscheiden. Migration ist das eine – selbstverständlich muss es auch dafür eine euro­päische Lösung geben, aber erst recht für Flüchtlinge. Dabei fand ich eines schon ent­täuschend: Die EU-Kommission bemüht sich jetzt um ein gemeinsames Vorgehen, und noch bevor wir überhaupt wissen, was in dem Vorschlag drinnen steht, kommt von Ös­terreich eine Absage. Das kann es doch wirklich nicht sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Schluss dieser Stunde möchte ich noch auf etwas kommen, was mich so stark bewegt, nämlich auf diese europäische Identität. Was macht denn die europäische Iden­tität aus? Dass wir – noch – ein bisschen bessere Maschinen als andere erzeugen, dass wir ein bisschen schnellere Autos oder ein bisschen schönere Häuser haben als anders­wo? – Nein! Die europäische Identität macht dieser Humanismus aus. Dazu muss man ja nicht religiös sein – die einen sind religiös, die anderen nicht. Übrigens heißt die Men­schenwürde ja auch immer: das christlich-jüdische Erbe. Was die Christen mit den Juden gemacht haben, wissen wir auch aus der Geschichte, aber wenn wir schon das christlich-jüdische Erbe hernehmen, dann ist es das jüdische Erbe, dass der Mensch quasi als Ebenbild Gottes da ist und deswegen die Würde jedes Menschen unverletzlich sein muss.

Bitte: Daran müssen wir uns orientieren, das macht Europa aus – der Rechtsstaat, die Demokratie, aber auch das soziale Mitgefühl. Wir merken, dass die europäische Art zu leben – und wie gesagt, das ist nicht Wohlstand, sondern das ist Mitgefühl, das ist Soli­darität und das sind Demokratie und Rechtsstaat – weltweit gefährdet ist. Heute steht in der „Neuen Zürcher Zeitung“, lesen Sie nach: Die Amerikaner ziehen sich aus der UNO als wichtiger Institution eher zurück, und was machen die Chinesen? – Sie dringen im­mer mehr vor. Und was machen sie auch? – Überall, wo es um Menschenrechte geht, sagen sie: Nein, das wollen wir nicht, dafür zahlen wir nicht. – Sie wollen das Thema Menschenrechte auch aus der UNO hinausdrängen.

Wenn wir Europäer nicht für Menschlichkeit, für Menschenrechte stehen, wird es nie­mand mehr tun, und wenn wir es nicht tun, wird unsere Art zu leben verloren gehen. Deswegen – und das glaube ich – ist das ein Weckruf.

Ich bewerbe gern fremde Bücher, mein eigenes Buch werde ich nicht bewerben, aber, Herr Bundeskanzler, ich habe dieses Buch für meine Kinder und für Ihre Generation geschrieben. Von Emotionen war auch schon die Rede – Emotion sei nichts Gutes. Wenn wir emotional nicht Europäer sind, werden wir Europa verlieren, und deswegen habe ich mit großer Begeisterung und auch Emotion etwas über Europa geschrieben, und ich möchte es Ihnen gerne schenken. Es ist unterhalb jeder Korruptionsgrenze, aber


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Sie haben heute schon Concordia erwähnt: Wenn Sie dafür etwas für Concordia spen­den, freue ich mich doppelt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Brandstätter überreicht Bundeskanzler Kurz das Buch „Letzter Weckruf für Europa“. – Abg. Wöginger: Das ist ja nett ...! – Abg. Kickl: Ein E-Book wä­re ...!)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.13.17Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3330/J bis 3449/J

Zurückziehung: 3361/J

2. Anfragebeantwortungen: 2872/AB bis 2923/AB

3. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schusswaffenkennzeichnungsge­setz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert wird (360 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs.4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht nach § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Non-Profit-Orga­nisationen Unterstützungsfonds für Juli 2020 und August 2020, vorgelegt vom Bundes­minister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (Vorlage 32 BA)

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 37 betreffend Rechtssicherheit von konkurrenzlosen Dorfläden im ruralen Raum", überreicht vom Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer

Petition Nr. 38 betreffend "Öffnung Engelstor als Eingang in den Schlosspark Schön­brunn", überreicht von der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr

Petition Nr. 39 betreffend "umfangreiche Selbstversorgung mit heimischen Lebensmit­teln sichern", überreicht vom Abgeordneten Peter Schmiedlechner

Bürgerinitiative Nr. 30 betreffend "ohne Kunst wird´s still – Forderungen: Schweige­marsch 2020"

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel – Rei­he BUND 2020/29 (III-169 d.B.)


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):

Kulturausschuss:

Kunst- und Kulturbericht 2019 der Bundesregierung (III-174 d.B.)

Verkehrsausschuss:

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-172 d.B.)

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2511/AB


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2511/AB der Anfrage 2509/J der Abgeordneten Drobits, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Projekt ‚Edelstein‘ – geplante (Teil)Privatisierung des Bun­desrechenzentrums“ durch den Herrn Bundesminister für Finanzen Blümel abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten DDr. Mag. Hu­bert Fuchs, Kai Jan Krainer und Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer beantragt haben, dem Ge­schäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis zum 29. September zu setzen. Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäfts­ordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung ge­bracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 6 bis 8, 9 und 10, 11 bis 14, 15 und 16 sowie 19 und 20 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 156, SPÖ 108, FPÖ 88, Grüne 80 sowie NEOS 64 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten, darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.


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12.16.131. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (370 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Gesundheitsausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (371 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Klubobmann Herbert Kickl. – Bitte.


12.17.11

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir diskutieren heute mit den vorgelegten Novellen zum Epidemiegesetz und zum COVID-19-Maßnahmengesetz viel, viel mehr als gesund­heitspolitische Fragen – viel, viel mehr. Ich möchte sagen, dass es in Wahrheit in vielen Bereichen der Debatte in den folgenden Minuten um das Eingemachte geht. Wir disku­tieren über so etwas Ähnliches wie das Herz-Kreislauf-System und das Nervensystem dieser Republik, denn beiden Systemen will diese schwarz-grüne Bundesregierung mit ihrem parlamentarischen Rollkommando, das sie fortgesetzt seit vielen Monaten be­treibt, in Wahrheit an den Kragen. Das ist die Wahrheit hinter dieser Gesetzgebung, über die wir jetzt diskutieren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich finde, dass es dafür einen wunderbaren Begriff gibt: Feschismus. Das gefällt mir sehr, sehr gut. Feschismus würde ich so zu definieren versuchen, dass man eine X-large-Zerstörungspolitik made by Regierungsmitgliedern im Slimfitoutfit durchführt. (Hei­terkeit des Abg. Loacker.) Das ist der Feschismus 2020 in Österreich, und jetzt disku­tieren wir über die Gesetze, die die Grundlage dafür schaffen.

Die Damen und Herren zu meiner Linken – die zu meiner Rechten haben sich gerade verabschiedet –, also Sie (in Richtung Bundesminister Anschober, Bundesministerin Aschbacher und Bundesministerin Gewessler), bilden ja zusammen – schönfärberisch formuliert – das, was man eine Bundesregierung nennt; der Sache nach ist es eher so etwas Ähnliches wie ein Chaosklub. Auf jeden Fall hat diese Bundesregierung in den letzten Monaten tatsächlich so etwas Ähnliches wie eine Spur der Verwüstung durch das ganze Land gezogen. All die Fakten, die ich jetzt nenne, sind messbar, sie sind objek­tivierbar, sie sind exakt, sie stehen fest – im Unterschied zu Ihren Covid-Infektionszah­len, die Sie in der Weltgeschichte herumschleudern, mit denen Sie die gesamte Bevölke­rung verunsichern und mit denen Sie die zweite Welle herbeitesten.

Wovon rede ich? Was ist exakt, und was ist messbar? – Die Massenarbeitslosigkeit, die Pleitewelle, die durch das Land rollt, die zerstörten Existenzen, in kürzester Zeit die Ver­nichtung und die Gefährdung eines Wohlstands, der von Generationen vor Ihnen in die­sem Land aufgebaut wurde, die Krankheitsfälle, die Todesfälle jenseits von Covid, und da fehlt ja dann noch zum Drüberstreuen der Großangriff auf die Grund- und Freiheits­rechte, den Sie reiten: Freiheitsberaubung der eigenen Bevölkerung inklusive Strafen ohne jede gesetzliche Deckung.


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Das ist alles messbar und objektivierbar. Das ist das Beste aus beiden Welten, das uns versprochen worden ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist die vorüberge­hende Bilanz nach einigen Monaten Regieren Marke Schwarz-Grün. Sie machen nichts anderes, als das Land in einen Notstandsmodus zu versetzen, um die Volksgesundheit vor etwas zu retten, das nicht einmal ansatzweise die Bedrohungsdimension hat, die Sie der Bevölkerung permanent einreden wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vor diesem Hintergrund ist es für jeden Freiheitlichen eine Pflicht, möchte ich sagen – und es ist eigentlich auch ein notwendiger Akt der Notwehr, vollzogen im Interesse einer immer größer werdenden Gruppe der Bevölkerung –, nicht nur heute diese beiden Ge­setzesmaterien abzulehnen, sondern selbstverständlich auch der gesamten Bundesre­gierung das Misstrauen auszusprechen.

Ich bringe hiermit auch den entsprechenden Antrag ein:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art 74 Abs 1 iVm Art 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich weiß natürlich, dass dieser Antrag heute keine Mehrheit bekommen wird – noch nicht, sage ich dazu, noch nicht! –, unter ande­rem deshalb, weil die Sozialdemokratie jetzt binnen kürzester Zeit das zweite Mal umfällt.

Ich weiß nicht, was mit Ihnen (in Richtung SPÖ) los ist. Sie kennen wahrscheinlich das berühmte Zitat von Grillparzer, der so schön formuliert hat: Das Schöne an einem Fehler ist, dass man ihn nicht zweimal machen muss. – Zitatende.

Was reitet Sie denn, dass Sie dieses Zitat unbedingt widerlegen müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei der FPÖ.) Es ist ja überhaupt nicht notwendig. Sie machen dieser schwarz-grünen Dampfwalze noch den Weg frei, anstatt sich, so wie die Freiheitlichen es tun, ihr in den Weg zu stellen.

Frau Kollegin Rendi-Wagner, Sie sind ja auch – noch, sage ich dazu – Parteivorsitzende Ihrer Partei. Ich hätte eine große Bitte an Sie oder einen Tipp für Sie, es wäre wegen der Ehrlichkeit und um sozusagen nicht das Andenken verdienter Sozialdemokraten post­hum zu schänden: Bitte reden Sie einander in Ihrer Fraktion nicht mehr als Genossinnen und Genossen an – Komplizinnen und Komplizen, das würde passen, Komplizinnen und Komplizen dieser schwarz-grünen Bundesregierung! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wir setzen mit diesem Antrag ein Zeichen und Sie (in Richtung ÖVP) freuen sich natür­lich darüber, dass das heute nicht durchgeht, aber freuen Sie sich nicht zu früh! Wissen Sie, die Bonzen in der SED haben auch darüber gelacht, als sich landauf, landab Bürger gefunden haben, die sich dann in Windeseile unter dem Motto: Wir sind das Volk!, mehr und mehr organisiert haben. – Das Ende der Geschichte kennen Sie genauso gut wie ich.


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Mit dem heutigen Antrag sagen wir Ihnen klipp und klar, dass wir bei Ihrem Corona­wahnsinn nicht mit dabei sind, dass wir Ihre neue Normalität, die nichts anderes als eine Verordnungsdemokratur ist, ablehnen, und dass wir vor allem auch Ihrem gesundheits­politischen Zugang überhaupt nichts abgewinnen können, bei dem Sie das Kind mit dem Bad ausschütten, mit Kanonen auf Spatzen schießen oder, wie es der schwedische Chefepidemiologe so treffend formuliert hat, mit einem Hammer versuchen, eine Fliege zu erschlagen und in Wahrheit nur das ganze Mobiliar zertrümmern. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Mobiliar, das ist die Wirtschaft Österreichs, das ist unser Sozialsystem und alles, was dazugehört. Denken Sie jetzt einmal darüber nach, wie logisch es ist, herzugehen und zu sagen, Sie wollen unser Gesundheitssystem retten und vor Überlastung schüt­zen, und gleichzeitig ruinieren Sie alle Rahmenbedingungen, die es braucht, um dieses Gesundheitssystem zu erhalten! Das passt nicht zusammen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sind Gefangene Ihrer eigenen Angststrategie. Sie stecken in Ihren Scheuklappen und bekommen sie nicht runter, und das Schlimme ist, dass Sie die österreichische Be­völkerung in Geiselhaft genommen haben. Wir Freiheitliche treten an, um die Bevölke­rung aus dieser Geiselhaft zu befreien und Ihre Strategie der Angst durch eine Strategie des Muts, der Zuversicht und vor allem der Freiheit zu ersetzen – das ist nämlich ein Begriff, den Sie schon längst aus Ihrem Vokabular gestrichen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Gesundheit und Freiheit, Gesundheit und Arbeitsplätze, Gesundheit und Wirtschaft muss es heißen. Sie haben zwischen diesen jeweiligen Begriffen immer oder stehen, und das ist der falsche Weg. Wenn ich dieses Und so sehr herausstreiche, dann ist das keine Oppositionsfantasterei, sondern es gibt Länder, die das praktizieren – und jetzt bin ich in Schweden. Ich weiß, Sie hören es nicht gerne, aber es ist halt einmal so: Die schwedischen Aktien steigen, während Ihre in den Keller gehen.

Ich habe immer gesagt: Schauen wir uns das Ganze an und messen wir dann am Ende, nach einer etwas längeren Entwicklung, wie es tatsächlich ausschaut! Ich weiß gar nicht, was Sie gegen die Schweden haben, bei Greta sind Sie doch auch alle einer Schwedin hinterhergelaufen und haben keine Sekunde auch nur irgendeinen Skrupel gehabt. (Hei­terkeit bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt mache ich noch etwas, was Sie nicht so gerne mögen: Ich vergleiche, weil ich nämlich glaube, dass man vergleichen muss, um Relationen herzustellen. Denjenigen, die sich gleich wieder aufregen, sage ich: Ein Ver­gleich ist keine Gleichsetzung – also nur zum Nachdenken, aber ich vergleiche.

Vergleichen wir die gegenwärtige Situation mit einer Grippewelle, wie sie Österreich Jahr für Jahr erlebt! Da haben wir mitunter 1 000 Tote zu beklagen, es hat aber auch schon Jahre mit 3 000 bis 4 000 Toten gegeben. Das ist deutlich mehr als das, was wir jetzt zu beklagen haben. Jetzt frage ich Sie: Fahren wir deshalb die gesamte Wirtschaft runter? – Nein. Sperren wir deshalb dem Unternehmer die Türe seines eigenen Unternehmens zu? – Nein. Produzieren wir deshalb einen Lockdown? – Nein. Verursachen wir deshalb Chaos in den Schulen und an den Universitäten? – Nein. Verbieten wir deshalb soziale Kontakte? – Nein, nein und nochmals nein! Wir tun das alles nicht, und wir tun das alles aus einem guten Grund nicht.

Man könnte hergehen und sagen: Ja, selbstverständlich ist es so, dass die von Ihnen ver­ordnete Ganzjahresmaskerade – der einzige Maskenball, der das ganze Jahr noch statt­findet (Heiterkeit der Abgeordneten Hauser und Mühlberghuber) – natürlich auch dazu beiträgt, diese Grippeepidemie einzudämmen; dass ein Lockdown natürlich diese Zahl von 1 000, 4 000 Toten auch reduzieren würde. – Wir tun es aber nicht, einfach deshalb, weil wir uns fragen, ob diese Maßnahmen verhältnismäßig sind. (Beifall bei der FPÖ.)


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Bei dieser Beurteilung der Verhältnismäßigkeit kommen wir drauf, dass es eben nicht verhältnismäßig ist, das ganze Land zu ruinieren und einer großen Gefahr auszusetzen, und deswegen reagieren wir anders. Wir reagieren mit dem Appell an die Eigenverant­wortung, mit dem Appell an den Hausverstand, und wir tun gut daran, darauf zu setzen, dass die Leute selbst ein Interesse an ihrer eigenen Gesundheit haben. So überstehen wir das Jahr für Jahr relativ unbeschadet, ohne diese Maßnahmen, die Sie jetzt zum Einsatz bringen und mit denen Sie das ganze Land in Wahrheit an den Rand des Ruins und teilweise schon darüber hinaus geführt haben.

Das ist es, was ich nicht verstehen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn dieser Appell an den Hausverstand, an die Eigenverantwortung ist im Großen das schwedische Modell, von dem wir immer reden. Dass Sie nicht hergegangen sind und diesen Vergleich im Zusammenhang mit Ihrer Rechtsgüterabwägung gemacht haben, das kann ich nicht verstehen.

Sie können aber heute hier hergehen und die Chance nutzen und uns erklären, was wir alle noch nicht wissen, was Sie zu diesen Maßnahmen bringt. Nach all dem, was bisher bekannt ist, ist es schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich rechne nicht damit, dass Sie sich heute diesbezüglich erklären, denn Sie haben diese ganze Angelegenheit längst zu einer Glaubensfrage erhoben. – Glaub daran oder glaub nicht daran! – Das ist keine Glaubensfrage! Im Übrigen sollten Sie daran denken, dass es immer die Skeptiker gewesen sind, die für den Fortschritt auf dieser Welt gesorgt haben, und nicht die Dogmatiker. Sie aber haben alles zu einer Glaubensfrage erklärt, und Sie sind unglaublich borniert und unglaublich ignorant bei allen Meinungen, die nur einen Nachteil haben, nämlich den, nicht die Ihren zu sein – ansonsten können sie fun­diert sein, wie sie wollen.

Nehmen Sie die Maskenfrage: Es ist doch überhaupt nicht unbestritten, dass das Tragen von Masken einen wirklichen Schutzbeitrag liefert. Nein, darüber gibt es eine wissen­schaftliche Kontroverse. Unbestritten ist, dass das lange Tragen für die Gesundheit schädlich ist. Das ist unbestritten, und ich verstehe Ihren Herrn vom Roten Kreuz, Herrn Foitik, wirklich nicht, wenn er dann auch noch empfiehlt, die Maske auch im Büro die ganze Zeit zu tragen. Das ist unverantwortlich.

Die Verläufe der Krankheit: Na ja, Gott sei Dank ist es so, dass der Großteil, die über­wiegende Mehrzahl der Verläufe eigentlich ohne nennenswerte Krankheitssymptome vonstattengeht und dass nur eine sehr, sehr kleine Zahl von Leuten wirklich schwer er­krankt. Die Politik, die Sie betreiben, tut so, als ob es umgekehrt wäre. Sie tun so, als ob es umgekehrt wäre, und Ihre Maßnahmen bekämpfen etwas, das es in der Form in Wahrheit nicht gibt.

Ganz übel wird mir, wenn ich zum Thema Impfen komme. Sie wissen genau, dass ein Impfstoff nach dieser Zeit in Wahrheit keinerlei Erprobung haben kann, die mit jener ir­gendwelcher anderen Impfstoffe vergleichbar wäre. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein verantwortungsloses Experiment an der österreichischen Bevölkerung, das Sie da mit Ihrem Großeinkauf von Impfstoff planen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir richten den Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung, weil es ein multiples Regierungsversagen ist. Das sind nicht einzelne Regierungsmitglieder, sondern alles, was Sie produzieren, geht ja durch den Ministerrat. Es sind ja alle mit dabei, das ist ja alles einstimmig. Ich darf daran erinnern, dass Werner Kogler so überlastet gewesen ist, dass er eine eigene Staatssekretärin braucht, weil er ja so viel koordinieren muss. Er muss das alles mit Herrn Blümel koordi­nieren. Das sind alles Koproduktionen, auch wenn die ÖVP bei dem einen oder anderen Bauchfleck – und das waren sehr viele – nichts mehr davon wissen will.

Deshalb umfasst es alle, aber wir können natürlich auch die Minister im Einzelnen durch­gehen. Einer hat da schon eine besondere negative Exzellenz, möchte ich sagen, das


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ist der Gesundheitsminister. Natürlich, der sticht ein wenig hervor. Für mich ist er so etwas Ähnliches wie die männliche Ausgabe von Ulrike Lunacek. (Heiterkeit des Abg. Hörl.) Man muss aber Frau Lunacek zugutehalten, dass sie wenigstens gewusst hat, dass sie die falsche Person zur falschen Zeit am falschen Ort ist. – Sie sind noch nicht so weit, Herr Minister. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir können alle durchgehen. Herr Faßmann: Chaos in den Schulen, das ist die Bildungs­politik des Herrn Faßmann. Er produziert gerade eine verlorene Bildungsgeneration. Herr Nehammer ist auf der Jagd nach Lebensgefährdern. Da meint er nur die eigene Bevölkerung, die Harmlosesten von allen, während diejenigen, die nach wie vor zuhauf illegal in unser Land kommen, ohne jede Testung kreuz und quer durch das Land trans­portiert werden. (Abg. Hörl: Na geh!) Das ist Herr Nehammer und sein Beitrag zur Coro­napolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben die Frau Arbeitsminister, die nicht in der Lage ist, den heimischen Arbeits­markt vor den Arbeitsplatzgefährdern aus der Europäischen Union und aus Drittstaaten zu schützen. Dafür bastelt sie an einem Heimarbeitsgesetz, das dann Ende März da­herkommen soll. Das ist übrigens dann, wenn alle sagen, dass die Krise schon vorbei sein soll. Das ist der Beitrag der Frau Arbeitsminister.

Frau Schramböck ruiniert gerade gemeinsam mit Frau Köstinger die Wintersaison. Frau Zadić will als Justizministerin nichts davon wissen, dass es eine Riesensauerei ist, die eigenen Leute für etwas zu strafen, wofür es keine gesetzliche Grundlage gibt, und so weiter, und so weiter.


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann, ich würde Sie ersuchen, auch wenn es schwierig ist, sich in der Ausdrucksweise zu mäßigen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Das sind Tatsachen!)  Ich kann es Ihnen genau sagen: Der Ausdruck „Sauerei“ verletzt die Wür­de des Hauses. Ich würde Sie ersuchen, diesen zurückzunehmen und sich in der weite­ren Rede an der Würde des Hauses zu orientieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Und dann habe ich Herrn Blümel noch gar nicht erwähnt! Das ist derjenige, der kein Budget zusammenbringt, weil er den ganzen Tag damit zu tun hat, wie er eine Finanzkonstruktion finden kann, mit der man ohne die Kontrolle des Parlaments Milliarden verschieben kann.

Dann gibt es noch ein paar andere, die ich nicht erwähnt habe. Sofern sie nichts mit Corona zu tun haben, beschäftigen sie sich mit irgendwelchen Zensurideen oder betrei­ben Orchideenthemen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht ist dieser Misstrauensantrag mehr als gerechtfertigt. Sie haben ihn sich ehrlich verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend noch ein Wort zur SPÖ oder eigentlich eher zu den kümmerlichen Resten einer ehemals stolzen sozialdemokratischen Bewegung (Abg. Hörl: Da hat er recht!): Liebe Komplizinnen und Komplizen! Ich weiß gar nicht, was mit Ihnen los ist. Am 14. Sep­tember sind Sie hier gestanden und haben eine eigens veranstaltete Sondersitzung durchgeführt, in der Sie vollkommen zu Recht die Tragödie am Arbeitsmarkt bejammert haben (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), in der Sie die Verantwortung für die höchste Arbeitslosigkeit aller Zeiten in Österreich in der Zweiten Republik als Folge einer ver­fehlten Coronapolitik bei dieser Bundesregierung festgemacht haben. Und jetzt? – Frau Klubobfrau! Herschauen, bitte, und nicht wegschauen! Ist es seit dem 14. September besser geworden oder ist es schlechter geworden? (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Ist es besser oder schlechter geworden? – Es ist schlechter geworden, denn jeden Tag erreichen uns neue Nachrichten von irgendwelchen Personalfreisetzungen. Da verstehe


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ich Sie dann wirklich nicht mehr, wenn Sie jetzt der Regierung die Mauer machen. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Verhand­lungserfolge sind ein Witz. Alle wissen es, Sie wissen es auch, Sie geben es nur nicht zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Wöginger hat heute Muskelkater, er hat sich gestern den ganzen Abend vor lauter Lachen den Bauch gehalten und heute hat er Muskelkater. So leicht sind Sie über den Tisch zu ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Es gibt nur diese zwei Möglichkeiten: Die Regierung hat Sie über den Tisch gezogen, oder aber Sie haben irgendeinen Judaslohn für etwas erhalten, wovon wir noch nicht genau wissen, was es ist. Auf jeden Fall waren Sie dafür bereit, wenn es so ist, die Interessen der Arbeitnehmer, die Interessen der Arbeitslosen und die Grund- und Frei­heitsrechte zu verraten. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kassegger: Die werden wir jetzt wieder übernehmen!)

Die Strafe wird kommen, die Strafe wird Sie ereilen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der erste Teil davon schon heute, und zwar in Form der Schmach, die Sie er­dulden müssen, wenn die Redner der Regierung Sie für diesen Verrat loben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten KO Herbert Kickl, Dr. Susanne Fürst, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesregierung und den Staatsse­kretären

eingebracht in der 51. Sitzung des Nationalrates am 23. September 2020 im Zuge der Debatte zu Top 1) Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 826/A der Ab­geordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden ( 370 d.B.)

Seit März 2020 wird durch sogenannte Corona-Gesetze und -Verordnungen der schwarz-grünen Bundesregierung massiv in die österreichische Gesellschaft, die Wirtschaft und den Rechtsstaat eingegriffen. Die Grund- und Freiheitsrechte sind seither in fortgesetz­tem Maße eingeschränkt und bedroht.

Diese dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechenden COVID-19-Maßnahmen ha­ben durch Betretungsverbote und Ausgangssperren die österreichische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt schwer getroffen. Das Resultat sind derzeit fast 900.000 Personen, die sich in der Arbeitslosigkeit, in AMS-Schulungen und in Kurzarbeit befinden. Für den Herbst und Winter 2020 ist ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit zu erwarten, sodass mit weit mehr als einer Million Betroffenen zu rechnen ist. Kommt ein neuer Lockdown, dann könnte sogar die Zahl von zwei Millionen Betroffenen erreicht werden.

Viele Verordnungen und Maßnahmen wurden durch den österreichischen Verfassungs­gerichtshof Mitte Juli 2020 wegen Verfassungswidrigkeit außer Kraft gesetzt. Die öster­reichische Bundesregierung war aber seitdem nicht willens und in der Lage, hier Rege­lungen zu schaffen, die den Grund- und Freiheitsrechten, dem Rechtsstaat und der


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Demokratie entsprechen. Ganz im Gegenteil – die mangelhaften und rechtsstaatswid­rigen Vorschläge führen zu einer weiteren Verfestigung des Grundrechtsabbaus und der Bedrohung demokratiepolitischer Standards.

Weitreichende Verordnungsermächtigungen ermöglichen es der gesamten österreichi­schen Bundesregierung und einzelnen Ressortministern, einen neuen Lockdown unmit­telbar umzusetzen, in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger, Gewerbetreibenden, Freiberufler und Vereinsmitglieder „polizeistaatlich“ einzugreifen und Gesetze nach Be­lieben per Verordnung zu verlängern.

Da nicht nur Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober, sondern alle Regierungsmitglieder und die Staatssekretäre hier durch Tun und Unterlas­sen eine Mitverantwortung tragen, ist das Vertrauen in die gesamte Bundesregierung nicht mehr gegeben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung und den Staatssekretären wird gemäß Art 74 Abs 1 iVm Art 78 Abs. 2 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen ver­sagt.“

12.35.12*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Kickl, da „Rollkommandos“ in der NS-Zeit eingesetzt wurden, um die Bevölkerung zu terrorisieren und zu ermorden, erteile ich Ihnen für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf, und ich erteile Ihnen für den Ausdruck „Judaslohn“ ebenfalls einen Ordnungsruf. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist ein Bibelbegriff! Ich meine, ich bin nicht so bibelfest, aber - -!)

*****

Ihr Misstrauensantrag ist eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer. – Bitte.


12.36.09

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie! (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Ich bin sehr froh, dass wir jetzt aufgrund der Konstruktion mit den Plexiglasvorrichtungen hier im Plenum auch endlich wieder BesucherInnen empfangen können (Abg. Hafenecker: Jetzt habt ihr gerade gegen Plastik geredet!), und auch darüber, dass die Fotografinnen und Foto­grafen wieder mehr Möglichkeiten haben, das Geschehen hier zu beobachten und zu begleiten. (Abg. Martin Graf: Das ist aber fein!)

Leider ist das Geschehen, das hier zu beobachten und zu begleiten ist, ein bisschen ein Trauerspiel. Ich habe jetzt versucht, mich während der Rede des Herrn Kickl in eine emotionale Stimmung zu bringen, um dem, was hier vorgebracht wird, gerecht zu wer­den. Ich muss ehrlich sagen, ich tue mir schwer. Wir haben seit Beginn dieser Krise, die die größte Krise ist, mit der dieses Land seit dem Zweiten Weltkrieg als Ausnahmesitua­tion konfrontiert ist (Abg. Martin Graf: Von euch gemacht!), die auch dieses Parlament


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in ganz vielen Facetten massiv gefordert hat, als gewählte Vertreterinnen und Vertreter eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, für die Gesundheit, das Wirtschaftssys­tem (Abg. Kickl: Wenn es recht furchtbar ist, waren es eh immer die Leute!), für die ArbeitnehmerInnen des Landes dafür zu sorgen, dass wir über diese Krise so gut wie möglich in all ihren Facetten drüberkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Wir hatten im März eine Situation, in der dieses Haus gemeinsam Gesetze beschlossen hat – auch die FPÖ hat mitgestimmt –, die im Kern dem entsprechen, was wir heute wieder beschließen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Herr Kickl, Sie haben im März, ein paar Tage bevor die eigentlichen Ausgangsbeschränkungen gekommen sind, selber gefordert, dass es der radikale Lockdown sein muss. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Es war Ihnen zu wenig. Sie wollten viel radikalere Maßnahmen als die, die wir eingeführt haben, die letztlich dafür da waren, eine ausgewogene Mischung zwischen Schutz für die Bevölkerung und ausreichend Freiheit, ausreichend Bewegung, ausrei­chend Einhaltung der Grundrechte zu gewährleisten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Aber nicht für acht Monate! – Abg. Belako­witsch: Was haben Sie die letzten sechs Monate gemacht?)

Das haben wir hier alle gemeinsam mit allen Fraktionen inklusive der FPÖ beschlossen, aber Sie fahren seither einen Zickzackkurs, der atemberaubender nicht sein könnte. (Abg. Amesbauer: Geh bitte!) Sie wissen ja selber nicht, was Sie eigentlich wollen. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, ich weiß oft nicht: Glauben Sie und Ihre Mitglieder jetzt an die Existenz des Virus? Ja oder nein? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Kickl: Ist das eine Glaubensfrage?) – So wie Sie sich hier regel­mäßig aufführen, auch in der Präsidiale, zum Beispiel mit der Missachtung sämtlicher Schutzvorkehrungen, ist das auch eine Frechheit gegenüber allen anderen Abgeordne­ten hier im Parlament. Das möchte ich auch sagen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sie verhalten sich uns gegenüber absolut verantwortungslos (Abg. Amesbauer: Sie mit Ihren Gesetzen!) und auch verantwortungslos gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern und allen Menschen, die hier leben. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie tragen dazu bei, dass es in einer Zeit, in der genau das Gegenteil notwendig ist, eine massive Verunsicherung gibt. (An­haltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich glaube, ich kann schon verstehen, dass Sie traurig darüber sind, dass Sie nicht mehr Teil dieser Regierung sind – aus guten Gründen. Ich finde es übrigens ganz lustig, dass ausgerechnet Sie in Richtung SPÖ von Komplizinnen und Komplizen sprechen, während gerade Ihre Partei am meisten Verfahren anhängig hat, in denen es tatsächlich um die Frage von Komplizenschaft im kriminaltechnischen Sinn geht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Die Abgeordneten Kainz, Lausch und Schmied­lechner halten auf der Galerie ein Transparent mit der Aufschrift: „Stoppt den türkis-grünen www.Coronawahnsinn.at“ in die Höhe.)

Wir sind hier im Parlament. Wir haben hier die Aufgabe, die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass diese Krise gut bewältigt werden kann. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, es ist eine extrem herausfordernde Situation gewesen und es ist auch nicht alles rund gelaufen. Und ja: Es wurde vom Verfassungsgerichtshof ein Teil des Gesetzes auf­gehoben. Wir holen heute nach, nach über 16 000 Stellungnahmen, die eingebracht wor­den sind, nach zwei Phasen ...


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende, entschuldigen Sie vielmals, ich muss Sie kurz unterbrechen.


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Ich glaube, es haben jetzt alle das Transparent gesehen. Es hat auf der Galerie natürlich nichts verloren. (Zwischenruf des Abg. Hörl. – Abg. Hafenecker: Wir schmeißen näm­lich keine Zettel runter, wie Sie früher! – Ruf bei der FPÖ: Ihr habt Zettel runtergeschmis­sen, wir haben nur ein Transparent ...! – Ruf: ... Hausverbot!) Ich ersuche daher, es wie­der einzurollen. Dürfte ich die Beschäftigten der Parlamentsdirektion darum ersuchen, dafür zu sorgen, dass die Aktionen auf der Galerie beendet werden? – So.

Entschuldigen Sie bitte, Sie sind am Wort.


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Wir schaffen heute nach über 16 000 Stel­lungnahmen – das Interesse war sehr groß, wir haben viel darüber diskutiert – eine neue gesetzliche Regelung. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.) Es ist keine einfache Materie, aber Rudi Anschober hat im Zusammenhang mit der Bear­beitung dieser Krise – eine solche Krise war noch nie da, ist noch niemals zu bewältigen gewesen – von Beginn an Fehlerkultur bewiesen. Er hat von Beginn an Verfassungsju­ristinnen und -juristen eingebunden und hat auch von Beginn an den offenen Dialog ge­sucht.

Ich bin sehr froh, dass der Großteil der Fraktionen hier im Hohen Haus zur kooperativen Zusammenarbeit bereit ist. Das gilt für alle Fraktionen außer für die FPÖ. Dabei stellt die FPÖ – und das möchte ich noch einmal sagen – den Vorsitzenden des Gesundheitsaus­schusses. (Abg. Wurm: Schwache Rede, sehr schwache Rede!) Die FPÖ ist diejenige Fraktion, die die Einberufung eines solchen Ausschusses letzte Woche verhindert hat, obwohl wir eigentlich vereinbart hatten, eine Ausschussbegutachtung vorzunehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Den Parlamentarismus einzufordern ist gut (Abg. Kickl: Ich glaube, Sie kennen sich im Parlamentarismus nicht aus!), aber Ausschüsse zu blockieren ist aus meiner Sicht ab­solut nicht kompatibel damit. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir beschließen heute ein Gesetz, das auf viele, viele Bedenken, die geäußert wurden, umfänglich eingeht und das jetzt in einer solchen Form verfasst ist, dass die sozialdemo­kratische Fraktion hier heute mitgehen wird, und dafür bin ich sehr dankbar. (Abg. Wurm: Sehr schwache Rede!) Es ist notwendig. Wir brauchen eine breite Basis für diese Gesetze und wir brauchen auch die Sicherheit für die Bevölkerung. (Abg. Kickl: Zu­sätzliche ...!)

Zum Gesetz möchte ich ein paar Punkte aufzählen: Wir schaffen zusätzliche Klarheit. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja lächerlich!) Wir binden in Zukunft bei gravierenden Maß­nahmen den Hauptausschuss, das Parlament ein (Zwischenrufe bei der FPÖ), nämlich zum Beispiel, falls es notwendig werden sollte, neuerlich Ausgangsbeschränkungen zu verhängen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Niki Scherak kritisiert hier den österrei­chischen Föderalismus und die verfassungsmäßig vorgesehene mittelbare Bundesver­waltung. (Weitere Zwischenrufe bei NEOS und FPÖ.) – Das ist originell. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Das ist wirklich originell! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir schaffen mit diesem Gesetz die Balance zwischen den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und größtmöglicher persönlicher Freiheit. (Abg. Belako­witsch: Frau Kollegin, Sie reden sich ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir stel­len klar: Der Privatbereich ist privat. Wir schaffen die Basis für die Coronaampel und wir schaffen die Möglichkeit für eine Regionalisierung der Maßnahmen, die dringend not­wendig ist, mit präziseren Zuständigkeiten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hauser: Sperr­stunde! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zur Verharmlosung, die hier von Ihnen, Herr Kickl, vorgenommen wird, möchte ich nur sagen: Mit heutigem Tag sind es 971 000 Tote weltweit. Von gestern auf heute gab es weitere Tote in den USA, insgesamt sind es dort 200 000 Tote. (Abg. Kickl: Das geht


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munter weiter! Es geht munter weiter!) Und Sie stellen sich hierher und sagen: Das ist alles egal, es ist nicht weiter tragisch!, und wollen dieser Regierung das Misstrauen aus­sprechen.

Der Gesundheitsminister ist derzeit der beliebteste Politiker Österreichs (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und Sie stehen alleine auf weiter Flur mit Ihrer Einschätzung, dass er in dieser Krise keine gute Arbeit machen würde. Das Gegenteil ist der Fall. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Das ist eine ... Dro­hung!)

So schwierig die Ausgangsvoraussetzungen auch sind, diese Regierung hat es bis hierher geschafft und wird es auch weiterhin schaffen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Ich bin auch überzeugt davon, dass sich die Menschen in Österreich wie­der an die Maßnahmen halten werden – den Abstand einhalten, Hände waschen et ce­tera. Die Eigenverantwortung ist ein ganz wichtiges Thema (Abg. Wurm: Sehr schwache Rede, Frau Kollegin!), aber natürlich brauchen wir auch die rechtlichen Rahmenbedin­gungen, um Maßnahmen setzen zu können, um die Epidemie weiter im Griff zu halten.

Auch was die anderen Dinge betrifft: Wir schaffen eine Arbeitsstiftung mit einem Volu­men von 700 Millionen Euro. So etwas war noch nie da, auch nicht nach der Wirtschafts­krise 2008. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) In ganz vielen Bereichen setzen wir die Maß­nahmen, die notwendig sind, damit die zwangsläufigen Begleiterscheinungen einer Pan­demie bestmöglich bekämpft werden können. (Abg. Stefan: Noch nie ... Betriebe zu­gesperrt! – Ruf bei der FPÖ: ... Betrieben verboten, zu arbeiten! – Zwischenruf des Abg. Graf.)

Ich glaube, das Vertrauen der Bevölkerung liegt auf der Seite der Regierung und zum Glück nicht auf Ihrer Seite. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das werden Sie auch in den nächsten Wochen und Monaten erleben, denke ich. Ich finde es hoch unverantwortlich, wie Sie mit dieser Situation umgehen. Ich bin, auch wenn es die FPÖ ist, immer noch enttäuscht darüber, wie tief man auch hier im Parlament sinkt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


12.46.18

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich glaube, die Zuschauer haben der Klubobfrau Maurer angese­hen, wie sie körperlich mit sich ringt, wenn sie dieses ganze Konvolut schönreden muss, das uns da vorgelegt wird. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja!)

Die Bevölkerung in Österreich, die Erwerbstätigen, aber auch die Schülerinnen, Schüler und die Studenten leiden nämlich seit Monaten unter dieser Ungewissheit. Niemand weiß, was nächste Woche ist. Die Leute fragen sich: Kann ich meiner Arbeit nachgehen? Kann ich studieren gehen? Hat meine Schule morgen offen? (Abg. Martin Graf: Aber schuld ist die FPÖ!) Eltern wissen nicht, ob ihre Kinder nächste Woche noch betreut werden.

Was die Menschen gebraucht hätten, wäre eine alltagstaugliche Lösung, wie wir weiter miteinander leben, arbeiten und lernen können. Was Sie jetzt vorlegen, ist aber ein Ge­setz fürs Zusperren, fürs Absperren und fürs Wegsperren. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Machen wir uns keine Illusionen: Niemand schreibt ein Gesetz, das Ausgangssperren regelt, wenn er nicht Ausgangssperren plant. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Wissen Sie,


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kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Feuerwehrvergleich, Herr Minister! Der Feuerwehr­mann kommt mit dem Schlauch und behält das Wasser in Reserve, aber der Feuerwehr­mann kommt nicht mit dem Brennholz daher, und das tun Sie gerade. (Neuerliche Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Verordnungsermächtigungen werden da erteilt. Das Parlament geht her und gibt diesem Minister, der ein halbes Jahr lang bewiesen hat, dass er keine Verordnung gescheit auf die Reihe kriegt, so gigantische Verordnungsermächtigungen, dass er jetzt Betretungs­verbote verhängen kann, die so weit gehen, dass die Bürger nicht einmal mehr ihren privaten Pkw benutzen dürfen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Wir müssen uns ja schon dafür bedanken, dass im Gesetz steht, dass der private Wohnraum von den Maßnahmen ausgenommen ist. – Oh, danke sehr, Sie kommen nicht in meine Wohnung! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Straßensperren können Sie verhängen. Da muss man sich fragen: Stimmt die Verhält­nismäßigkeit noch? Ja, Covid-19 ist eine Krankheit, die ein ernst zu nehmendes Risiko mit sich bringt, das muss man sagen; aber inzwischen haben wir, hat das österreichische Gesundheitssystem viel dazugelernt und es ist ein gut bewältigbares Risiko geworden. Das ist der Unterschied zum März. Wir haben es mit einem gut bewältigbaren Risiko zu tun, das eben nicht Betretungsverbote, Ausgangssperren, Straßensperren rechtfertigt.

Wir haben uns aber schon daran gewöhnt, nicht? Die Österreicher haben sich in den letzten sechs Monaten an vieles gewöhnt, und dieses Parlament hat sich auch an vieles gewöhnt, an einen Wust von Verordnungen, durch den niemand mehr durchblickt. Das führt jetzt dazu, dass wir hier ein Gesetz bekommen, bei diesem gut bewältigbaren Ge­sundheitsrisiko, das es dem Minister ermöglicht, die ganze Bevölkerung in der Privat­wohnung einzusperren. Das ist nicht mehr verhältnismäßig! Es hat auch im Experten­hearing am Montag ein Experte gesagt: Wir müssen aufpassen, woran wir uns gewöh­nen.

Klubobfrau Maurer hat gelobt, wie toll die Begutachtung dieses Gesetzes war. Wir haben zum Beispiel den ersten Entwurf nach der Begutachtung am Sonntag um 23.30 Uhr zugestellt bekommen und durften den dann mit dem Minister am Montag um 10.30 Uhr besprechen.

Ja, man gewöhnt sich daran – und man gewöhnt sich so daran, dass man, wenn in der nächsten Woche der nächste Entwurf am Sonntag um 14.30 Uhr kommt, schon dankbar sein muss, dass er am Sonntagnachmittag gekommen ist und nicht Sonntagnacht. Die Experten, die am Montag im Expertenhearing waren, hatten gar nicht alle die Letztver­sion dieses Gesetzes. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Was ist denn das für ein Ex­pertenhearing? Das ist eine Verhöhnung des Parlaments und eine Verhöhnung der Ex­perten, die eingeladen worden sind. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wir gewöhnen uns aber auch daran, dass das Parlament verhöhnt wird, nicht? Das Par­lament ist inzwischen nur noch ein Ausführungsorgan dieser Regierung geworden. Für wen spielt schon die Machtbalance zwischen Parlament und Regierung eine Rolle? Die Zeiten der selbstbewussten Abgeordneten in der ÖVP – wir erinnern uns an Karlheinz Töchterle oder an Erwin Rasinger – sind vorbei. (Abg. Hörl: Net stänkern da!) Jetzt haben wir nur noch die Mitschwimmer, die auf der Kurz-Welle hier hereingespült worden sind – und die anderen, die schon länger da sind, wissen, dass sie still sein müssen, weil sie sonst weg sind –, und wir haben einen Parlamentspräsidenten, der sich auch nicht als Gegenüber der Regierung versteht (Abg. Salzmann: Das ist eine Beleidigung!), son­dern der im März sogar vorgeschlagen hat, dass die Sitzung vom 18.3. entfallen und das Parlament bis auf Weiteres nicht mehr tagen soll. Das ist normal (Zwischenruf bei der FPÖ), daran gewöhnen wir uns, und nur auf Druck der Opposition wurde dann doch am 15.3. eine Sitzung abgehalten.


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Wir gewöhnen uns an sehr viel. Am Montag war das Expertenhearing im Ausschuss, und der Minister hat es nicht einmal für notwendig befunden, einen Satz dazu zu sagen, was an Ermächtigungsgesetz (neuerlicher Zwischenruf bei der FPÖ) vorgelegt wurde, mit dem Sie in Zukunft die Republik wegsperren können und wollen. Ich sage Ihnen eines: Wir gewöhnen uns da an zu viel.

Erich Kästner hat darauf aufmerksam gemacht: Das, was 1938 passiert ist, konnte man nicht 1938 oder 1937 verhindern, das hätte man zehn Jahre früher zu verhindern begin­nen müssen. – Ich bitte Sie: Gewöhnen wir uns nicht an das alles, was hier passiert! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Wurm: Die Frau Komplizin spricht!)


12.52.21

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne auch eher kritisch: Vergangene Woche hat die Bundesregierung wieder bundesweite Coronaver­schärfungen eingeführt. Der Grund dafür ist ein viel zu früher, viel zu hoher Anstieg an Neuinfektionen in Österreich. Mittlerweile ist es so, dass wir in Österreich umgerechnet auf die Bevölkerungsgröße fast viermal so viele Neuinfektionen haben wie Italien (Zwi­schenruf bei der FPÖ) – Italien, das ehemalige europäische Sorgenkind, der ehemalige Hotspot in Europa. Ich kann mich noch gut erinnern, als die Bundesregierung zu Beginn der Pandemie davon gesprochen hat, dass wir alles daran setzen müssen, um italieni­sche Verhältnisse verhindern zu können. (Abg. Belakowitsch: ... das wird nix ...!) Ja, aber es geht ja nicht nur um Italien. Es gibt 20 Länder in der EU, die derzeit alle eine wesentlich niedrigere Neuinfektionsrate haben als wir in Österreich. Es läuft nicht gut, da gebe ich Ihnen in Ihren Stellungnahmen, die Sie hier schon abgegeben haben, völlig recht.

Die Frage ist aber: Wie konnte es so weit kommen? – Da müssen wir in den April und Mai dieses Jahres zurückschauen, als die Lockerungen vollzogen wurden, als die Mas­ken, als jegliche Maskenpflicht im Supermarkt, in den Geschäften und wo auch immer ohne Plan fallengelassen wurden. Es wurde damals ein Signal ausgesendet, nach dem Motto: Das Virus ist eigentlich sehr gut zurückgedrängt, alles ist gut! Die Leute haben sich entspannt zurückgelehnt. Planlosigkeit war die Folge, und die Regierung hat den Vorsprung, den wir im April gegenüber vielen, vielen europäischen Ländern hatten, fahr­lässig verspielt. – So ehrlich muss man sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierung hat den Vorsprung verspielt, oder wie in einer Tageszeitung am Sonntag zu lesen war: „Die Regierung hat den Sommer verschlafen“. Ich glaube, es ist höchste Zeit aufzuwachen – oder wie manche sagen würden: Reißt euch endlich zusammen! Andere Länder haben das über den Sommer nämlich anders geschafft: In Deutschland gab es in den meisten Bundesländern eine generelle Maskenpflicht, zum Beispiel in Ge­schäften. In Italien: generelle Maskenpflicht in Geschäften und in Restaurants. In Schwe­den ist es nicht nur die berühmte Eigenverantwortung gewesen (Abg. Wurm: Das ist keine gute Rede, Frau Kollegin!), nein, auch dort gab es im Sommer viel schärfere Maß­nahmen im Bereich der Nachtgastronomie, in Bars und bei Veranstaltungen: 50 Perso­nen waren in Schweden maximal für Veranstaltungen zugelassen. Man hatte eine Idee, man hatte einen Plan – und es hat gewirkt: Alle liegen (Abg. Wurm: Ha, Frau Kollegin, das ist schwer zu argumentieren!) bei einem Fünftel der österreichischen Fälle.

Was hat die österreichische Bundesregierung gemacht? – Sie ist unvorbereitet in den Sommertourismus gegangen. (Zwischenruf des Abg. Wimmer.) Sie ist unvorbereitet – das wurde heute schon erwähnt – in den Schulstart gegangen, und es herrscht Chaos


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an den österreichischen Schulen, das wissen wir alle. (Abg. Belakowitsch: Das unter­stützen Sie? Das unterstützen Sie?) Ich habe selbst Kinder, ich weiß, wie schlimm es ist, Klassen tagelang zuzusperren, weil Testergebnisse ausstehen. Viele fragen sich auch, wie Leute, die aus Risikogebieten wie Brasilien anreisen, einfach unbehelligt, ohne Kontrolle am Flughafen landen können, nicht gefragt werden, nicht kontrolliert werden. (Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Für das gibt es die Wiener Li­nien, … punktuell!) Niemand wird kontrolliert. Das ist Laissez-faire! Laissez-faire ist ganz angenehm und gibt entspannende Signale. Man darf sich nicht wundern, dass die Bevöl­kerung da in den letzten Wochen und Monaten auch ein bisschen Laissez-faire gemacht hat. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit, vom Reagieren ins Agieren zu kommen, und was es jetzt dringend braucht, ist ein Plan für den Wintertourismus. Da geht es nicht nur um die Gesundheit, sondern da geht es um Hunderttausende Arbeitsplätze, sehr geehrte Frau Ministerin, und deswegen passen diese zwei Dinge natürlich zusammen. Es braucht eine kluge, durchdachte Teststrategie, die über die reine PCR-Logik hinausgeht, mit Schnelltests, die mittlerweile sehr gut sind. Es braucht einen Plan für unsere Schulen, weil man sich all das nicht mehr länger anschauen kann. All das wäre grundvernünftig und es ist überfällig.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch überfällig und grundvernünftig ist, das jetzt be­stehende COVID-19-Maßnahmengesetz endlich zu reparieren, endlich diese seit vielen Monaten bestehenden Schwachstellen zu beseitigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Jakob Schwarz.) Dieses alte Coronagesetz ist schlecht. Wir haben es alle einstim­mig im März beschlossen – ich erinnere auch die blaue und die pinke Fraktion hier im Haus daran! Ja, für dieses Gesetz haben wir alle auch Mitverantwortung und deswegen haben wir auch jetzt Verantwortung, es so schnell wie möglich zu reparieren. (Abg. Kickl: Das ist nicht die Reparatur!) Genau dort stehen wir jetzt.

Wir hätten es uns leicht machen können, wir sitzen in der Opposition. Ja, die SPÖ hätte es sich ganz leicht machen können (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), aber dennoch haben wir eines gemacht: Wir haben Verantwortung übernommen. Wir haben jetzt Ver­antwortung übernommen, dieses Gesetz, das seit sieben Monaten wirksam ist, so schnell wie möglich zu reparieren (Abg. Kickl: Das ist keine Reparatur!) und so gut wie möglich zu reparieren, um ein ordentliches (Abg. Belakowitsch: Sie geben ihnen jetzt viel mehr Kompetenz!), ein verfassungskonformes Gesetz zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum? – Weil es ernst ist, sehr geehrte Damen und Herren. Es ist wirklich ernst, und es war wichtig, die Begutachtung einzuhalten und all diese Tausenden Stellungnahmen abzuwarten und auch zu lesen und zu berücksichtigen. Es war wichtig, dass Verfas­sungsexperten und der VfGH sich diesbezüglich geäußert haben und dass diese Kritik ernst genommen wurde. So – und nur so – konnten notwendige Verbesserungen, die dringend notwendig waren, erreicht werden, in langen, intensiven Gesprächen, die die Sozialdemokratie auch in den letzten Tagen und letzte Woche mit den Experten und Expertinnen des Gesundheitsministeriums geführt hat. An dieser Stelle möchte ich mich explizit auch bei Ihnen, Herr Gesundheitsminister, für diese gute Gesprächsbasis und Kooperation bedanken, und auch bei Ihren Beamtinnen und Beamten, die da wirklich Gutes geleistet haben. (Abg. Loacker: Was kriegt ihr dafür? Was kriegt ihr für diese Unterwürfigkeit?)

Ja, es wäre leicht gewesen, Herr Loacker, sich noch vor Begutachtungsende – vor Be­gutachtungsende, vor dem Vorliegen eines Entwurfs –, so wie die NEOS das gemacht haben – und das ist der einfachste Weg –, dagegen zu äußern. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Loacker und Scherak.) Das ist der einfachste Weg. (Beifall bei der SPÖ.)


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Dazu sage ich Ihnen: Nur das zu tun – nicht zu warten, bis ein Entwurf vorliegt, und Fundamentalopposition zu machen (Abg. Loacker: Hochmut kommt vor dem Fall! … bei der eigenen Partei!) – kennt man von der FPÖ, da habe ich nichts anderes erwartet, aber nicht von den NEOS, der Partei, die einst mit Matthias Strolz angetreten ist, um eine andere Oppositionspartei zu sein (Ruf: Hier können wir …!), nämlich die der Kons­truktivität. (Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Ja, von diesem Gedanken sind die NEOS heute weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: In der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren, die Österreich derzeit durchmacht, ist es unsere Verantwortung, Parteitaktik zur Seite zu stellen (Ruf: Haha­ha!), ist es unsere Verantwortung, Wahlkampfgetöse zur Seite zu stellen, ist es unsere Verantwortung, konstruktiv unseren Beitrag zu leisten, damit das schlechte, verfas­sungswidrige Gesetz so schnell wie möglich und so gut wie möglich repariert wird. (Prä­sident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben uns dieser Verantwortung, liebe NEOS, nicht entzogen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es sind wesentliche Verbesserungen erreicht worden. (Abg. Scherak: Der Regierung den roten Teppich ausgerollt ...!) Ich habe nicht viel über das Gesetz gehört, Herr Loacker – sehr seltsam –, weil es offenbar nicht mehr viel zu kritisieren gibt, weil wir die wesent­lichsten Verbesserungen erzielt haben. (Abg. Wurm: Ich sage nur ein Wort: Burgenland!)

Das Gesetz wurde zeitlich verkürzt, es läuft nun bis Mitte 2021. (Abg. Kickl: Kann es verlängert werden?) Das Parlament ist wesentlich besser eingebunden. Es ist betreffend Maßnahmen klar zeitlich begrenzt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Überschießende Kontrollbefugnisse, die wir im Moment haben und die alle wir­ken, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen (Zwischenrufe bei der FPÖ), wurden herausverhandelt. Der private Wohnbereich ist wesentlich besser geschützt, als es zur­zeit der Fall ist. (Abg. Scherak: Der war immer geschützt! Ihr müsst euch mal ...!)

Abschließend lassen Sie es sich ganz einfach sagen: Wenn Sie der Meinung sind, dass das derzeitige Gesetz, das auch laut VfGH verfassungswidrig ist, als gesetzliche Basis zur Bekämpfung dieser Krise das bessere ist, dann stimmen Sie heute ruhigen Gewis­sens dagegen. (Abg. Kickl: Die Regierung hätte Sie nicht gebraucht, um eine Mehrheit zu haben!) Ich sage Ihnen: Das ist eine solide, verbesserte Gesetzesbasis (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl), das brauchen wir zur Bewältigung dieser Gesundheitskri­se. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.01.31

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Geschätztes Hohes Haus! Ich wollte heute eigentlich sachlich auf die Inhalte des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes eingehen, aber wenn ich mir die Redebeiträge meiner beiden Vorrednerinnen, von Kollegin Rendi-Wagner und Kollegin Maurer, anhöre, dann muss ich sagen: Ich muss doch einiges klarstellen, bevor wir in die Sache eingehen.

Im März, zu Beginn dieser Krise, beziehungsweise eigentlich schon davor, im Februar, hat die Freiheitliche Partei ganz klar Stellung bezogen und konkrete Maßnahmen zur Verhinderung einer Einschleppung der Sars-Cov-2-Epidemie zum Schutz der österrei­chischen Bevölkerung gefordert. Das wurde damals belächelt und abgelehnt. Die Maß­nahmen, die wir für die Einreisebeschränkungen vorgeschlagen haben, wurden in Bausch und Bogen abgelehnt, und man hat sich mit Placebofiebermessungen am Flughafen begnügt, ohne eine tatsächliche Rückverfolgung zu machen, wer aller aus einem Risiko­gebiet einreist.


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Als es dann tatsächlich so weit war, dass die Epidemie in Österreich angekommen war, wir den Ischglcluster hatten und offensichtlich niemand von uns gewusst hat, wie schlimm die ganze Sache wird – es gab damals einfach noch keine verlässlichen Da­ten –, wurden wir mehr oder weniger genötigt, mit Sammelgesetzen zu agieren, die wir damals heftigst kritisiert haben, zu denen ich selber vorab in den Expertenrunden, in den Ausschüssen sowie in den anschließenden Plenarsitzungen klargestellt habe, dass wir diese Junktimierung aus teilweise vernünftigen und teilweise massiv überschießenden Maßnahmen ablehnen. Im Sinne eines nationalen Schulterschlusses haben wir damals diese Maßnahmen mitgetragen, aber nicht ohne auf all die Wahnwitzigkeiten, die darin enthalten waren, hinzuweisen. Das haben wir gemacht, es wurde nur einfach nicht be­rücksichtigt. Uns nun so hinzustellen, als ob wir das alles mitgetragen hätten, ist eine Verkehrung der Tatsachen, die wir uns nicht gefallen lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir schon bei Vertrauen und Transparenz sind, Frau Kollegin Maurer – die Sie so angesprochen haben –, dann frage ich Sie: Was haben Sie denn aus dem Informations­vorsprung gemacht, den es im Krisenstab des Kanzleramtes gegeben hat? Man wusste schon Ende März, dass die Infektionsrate von selber abgeflacht ist – allein durch die Disziplin der österreichischen Bevölkerung – und es in Österreich gar keinen Lockdown gebraucht hätte, es vor allem diese lange wirkenden Maßnahmen gar nicht gebraucht hätte.

Was sagen Sie zu den mittlerweile vorhandenen Studien, die zeigen, dass vollkommen unabhängig davon, welche behördlichen Maßnahmen die verschiedenen Regierungen weltweit getroffen haben (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die Epidemie in all die­sen untersuchten Ländern innerhalb eines gewissen Zeitraums von selbst wieder abge­flacht ist und sich im Endeffekt die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen – rückblickend auf den Frühling betrachtet – als absolut nicht gegeben herausstellt? – Da sagen Sie nichts mehr, scheint mir.

Nun zu Ihren Vorwürfen, ich hätte als Obmann des Gesundheitsausschusses einen Aus­schusstermin verhindert (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Ich sage Ih­nen, was eine Abenteuerlichkeit ist, nämlich wenn Sie nach mehrmaliger kurzfristiger Änderung einen neuen Gesetzesvorschlag binnen zwei Tagen in einen - - (Abg. Mau­rer: ... ausgemacht, was den Zeitablauf betrifft!) – Am Sonntag ist der Vorschlag dage­wesen, der am Montag von einem Pseudogesundheitsausschuss hätte behandelt wer­den sollen, ohne Anwesenheit des Ministers, ohne eine vernünftige Tagesordnung, bei dem es nur darum gegangen wäre, dem Kind ein Mascherl für eine Zweitagesbegutach­tung umzuhängen. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Nicht einmal der hauseigene Verfas­sungsdienst, der den vorausgegangenen Entwurf, an dessen Erstellung er angeblich beteiligt war, mit einer zwölfseitigen Kritik in der Luft zerrissen hat, hat es geschafft (Abg. Maurer: Montag bis Freitag sind genügend Tage!), innerhalb dieser Frist eine Stellung­nahme abzugeben. Ja Entschuldigung, dass sich der Gesundheitsausschuss für so eine Instrumentalisierung nicht hergegeben hat! (Beifall bei der FPÖ.) Mit Ihrem Verständnis von Demokratie können Sie sich vielleicht in Nordkorea als Demokratin bezeichnen, aber nicht in diesem Hohen Haus.

Nun zum Expertenhearing: Wir haben – so wie es der Nationalrat beschlossen hat, der einer Fristsetzung zugestimmt hat – am vergangenen Montag einen Gesundheitsaus­schuss abgehalten, in den wir fünf hochkarätige Experten geladen haben, die sich mit der vorliegenden Materie auseinandergesetzt haben. Sie hatten das professionell aufbe­reitet und sind wiederum von einer kurzfristigen, massiven Überarbeitung der vorliegen­den Gesetzesnovelle überrascht worden. Sie haben diese Änderungen teilweise gar nicht bekommen, haben sich aber trotzdem nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, auch zu diesen neuen Änderungen ihre Stellungnahmen abzugeben, und da waren un­zählige kritische, aber auch konstruktive Beiträge sowie Forderungen, die die Experten auch aufgestellt haben, vorhanden.


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Was ist daraus geworden, Herr Minister? (Abg. Belakowitsch: Nix!) – Die heute vorge­legten Abänderungen – Sie haben im Ausschuss selber gesagt, man werde das berück­sichtigen – betreffen keinen einzigen der zusätzlich angesprochenen Bereiche.

Das ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt worden ist (ein Schriftstück in die Höhe haltend und es zerreißend), das ist kein Ernstnehmen der Expertenvorschläge ge­wesen. Das ist nicht das, was wir unter einer demokratisch verantwortungsvollen Geset­zeswerdung verstehen. Der Gesetzentwurf ist in dieser Form von uns abzulehnen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.06.32

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregie­rung! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren hier und zu Hause! Ich habe auch eine andere Rede vorbereitet, aber aufgrund der Redebeiträge vor mir habe ich mir eine Reihe von Stichworten notiert.

Nur ganz kurz, um es noch einmal klarzustellen: Wir schaffen heute die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um einer weltweiten Pandemie besser begegnen zu können. Die Pandemie haben wir uns nicht herbeigewünscht, wie das offensichtlich einige von der FPÖ behaupten, sondern die ist passiert (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die ist weltweit passiert. Die Johns Hopkins University hat die letzten Zahlen eben veröffent­licht – Kollegin Maurer hat es schon erwähnt –, wir reden da schon von über 30 Millionen Infektionen weltweit. Die Zahlen sind alarmierend.

Herr Kollege Kickl, das mit Schweden: Ich halte es ein bissel für zynisch, angesichts der Tatsache, dass es dort über 6 000 Todesopfer zu beklagen gibt, davon zu reden, dass Schweden besser durchgekommen ist. – Ad eins.

Ad zwei (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Wenn Sie den Newsticker­eintrag lesen, der gerade gekommen ist, sehen Sie, dass in Schweden die Infektionszah­len dermaßen ansteigen, dass Schweden wieder über schärfere Maßnahmen nach­denkt. – So viel einmal dazu. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich halte es übrigens in einer Situation wie dieser für ziemlich verzichtbar, in der Wort­wahl derartig untergriffig zu sein, dass man zum Beispiel von Coronablockwarten spricht. Das haben wir nicht nötig – das haben Sie offensichtlich nötig (Abg. Belakowitsch: Das ist aber Tatsache, Ihre Politik macht das!) –, weil es darum geht, dass wir eine Politik für Menschen machen wollen. Wir sind alles, nur keine Coronablockwarte, uns geht es um die Gesundheit. (Abg. Belakowitsch: Na selbstverständlich! – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Sie wissen ganz genau wie wir, dass Gesundheit ohne Wirtschaft nicht geht und Wirt­schaft aber auch nicht ohne Gesundheit geht. (Abg. Belakowitsch: Sie teilen in Gut und Böse!) Alle Maßnahmen, die wir treffen, die die Bundesregierung trifft, die Verordnungen, die in Kraft gesetzt werden, das Covid-19-Maßnahmengesetz, sind dazu angetan (Zwi­schenruf des Abg. Loacker), genau dieses Gleichgewicht zu halten. Ich halte es für äu­ßerst vernünftig, rechtzeitig Schritte zu setzen, um zum Beispiel den Wintertourismus möglich zu machen. Ich begrüße es, wenn Bundesländer vernünftig agieren. Das ist un­ser Anliegen.

Die Pandemie wird weiter grassieren. Unsere Hoffnungen ruhen selbstverständlich auf der Möglichkeit, dass möglichst rasch ein Impfstoff entwickelt wird. Sie können sich si­cher sein, meine Damen und Herren, es wird nicht ungeprüft geimpft und es wird auch – mehrmals wurde das Gegenteil behauptet – keinen Impfzwang geben, das haben der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister mehrmals klargestellt; auch da bedarf es


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wirklich keiner zusätzlichen Erklärung. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Was mir an dieser Stelle ganz wichtig ist, sind einerseits die gesetzlichen Maßnahmen und andererseits das, worauf ich mich schon nach wie vor verlasse. Dr. Burgmann, der Leiter der Virologie des AKH, hat diese Woche wieder einmal etwas in Bezug auf diesen Vergleich von Grippe und Corona betont – wir wissen es alle und das sagen alle Ex­perten (Abg. Belakowitsch: Sie haben recht, die Grippe ist gefährlicher!) –: Erstens ein­mal gibt es gegen die Grippe einen Impfstoff und zweitens ist Corona (Abg. Belako­witsch: Das stimmt nicht!) tatsächlich zehnmal so tödlich wie die Grippe, das dürfen wir nie vergessen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich verlasse mich auf die Österreicherinnen und Österreicher, auf die Menschen, die hier leben – da können Sie noch so laut schreien –, mein Vertrauen gilt ihnen. Wir wissen, wenn wir weiterhin die Grundregeln beachten, Masken tragen, Abstand halten (Abg. Dei­mek: Wenn Politiker gescheiter sind als ...!) und noch dazu die Vernunft wirklich agieren lassen, kommen wir besser durch die Krise.

Wissen Sie, Kollege Engelberg ist heute Gott sei Dank wieder da; ihn hatte es schwer erwischt. Sie sagen, Sie kennen niemanden, der daran gestorben ist: ich schon, und der war 32, war Sportler und war nicht vorerkrankt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Verharmlosen wir das also bitte nicht! Hängen wir nicht irgendwelchen Verschwörungs­theorien an, sondern halten wir uns an Daten und an Fakten!

Faktum ist, wir haben es mit einer Pandemie zu tun. (Ruf: Faktum ist, dass ihr die Frei­heit ...!) Ich setze auf die Vernunft der Österreicherinnen und Österreicher, und – ich muss Ihnen das sagen; ich habe das schon einmal an dieser Stelle gesagt – ich bin lieber auf der Seite jener, die nach Lösungen suchen, als auf der Seite derer, die perma­nent nur raunzen.

Eine Frau, eine Vorarlbergerin, hat diese Woche im Ö3-Wecker gesagt, dass sie durch den Schlosspark in Schönbrunn gegangen ist, gesehen hat, wie für das Sommernachts­konzert aufgebaut wurde und sich darüber gefreut hat, dass das wieder möglich ist. Sie hat dann wortwörtlich gesagt: Hören wir doch auf zu raunzen! Tragen wir die Masken, halten wir Abstand, wir alle gemeinsam schaffen das!

Darauf verlasse ich mich. Seien Sie mit dabei, wenn wir die gesetzlichen Rahmenbedin­gungen schaffen (Abg. Belakowitsch: ... der Kinder, Sie ruinieren die Wirtschaft!), und helfen Sie weiterhin mit, wenn Sie draußen sind, behalten Sie einfach das alles im Hin­terkopf! Seien Sie mit uns mit dabei! Darauf verlasse ich mich, und ich wünsche uns allen Gesundheit und dass wir das wirklich gut durchstehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.11.20

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren hier im Haus und auch zu Hause! Ich persönlich bin ja ein sehr, sehr großer Freund einer lebendigen Debatte in diesem Haus, von daher war das jetzt auch eine sehr spannende Phase. Worüber ich mir aber schon sicher bin, ist, dass sich in dieser Phase die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher, aller Be­wohner und Bewohnerinnen dieses Landes so etwas wie einen Grundkonsens erwarten würden, bei dem es nicht um Parteispektakel wie dieses geht (Abg. Belakowitsch: Das Spektakel ...!), sondern bei dem der Gesundheitsschutz der Österreicherinnen und Ös­terreicher, der Bevölkerung im Mittelpunkt steht, und zwar zentral im Mittelpunkt. (Beifall


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bei Grünen und ÖVP. – Die Abgeordneten der FPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift „Stoppt den türkis-grünen www.Coronawahnsinn.at“ und Tafeln mit den Aufschriften „Ihr zerstört Österreich“ beziehungsweise „Es reicht!“, auf denen Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober abgebildet sind, in die Höhe. – Abg. Kickl: Das Spektakel ...!)

Es ist nämlich keine herkömmliche Situation! Es ist keine herkömmliche Situation, in der wir jetzt diskutieren, in der wir leben. Wir alle miteinander wissen, wir erleben die schwerste Pandemie auf diesem Planeten seit 100 Jahren, auch hier bei uns in Österreich: Wir sind keine Insel, die davon ausgenommen ist. Wir wissen, diese Pandemie hat zur Folge, dass wir weltweit die schwerste Rezession seit 90 Jahren haben, und wir wissen, dass wir auch bei uns in Österreich wegen dieser Pandemie den größten Beschäftigungsrück­gang seit den Fünfzigerjahren haben. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gleichgültig, wohin auf der Welt Sie sehen, die Probleme in dieser Situation, in dieser Pandemie sind überall dieselben, und auch die Antworten, die Antwortversuche, das Ringen um Lösungen ist überall dasselbe, von Neuseeland bis zu den Philippinen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), von Australien bis zum Beispiel zu unseren Nachbarn in Tschechien. (Abg. Deimek: Da ist ja auch ...!)

In Wirklichkeit gibt es, wie bei jeder Pandemie, drei Grundmaßnahmen, die uns schützen können, nämlich: Die eine ist der Abstand, die zweite sind die Hygienemaßnahmen und die dritte ist der Mund-Nasen-Schutz, und gleichgültig, wo wir leben, werden überall die­selben Maßnahmen praktiziert.

Jetzt weiß möglicherweise Herr Primar Kickl das in der Situation besser. (Abg. Kickl: ... der Herr Dr. Anschober! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ah, jetzt sind Sie doch wieder aufgewacht. Ich bin froh, dass Sie wieder bei uns sind. Sie haben eine so schöne, spannende, unterhaltsame Rede gehalten. Gut, dass Sie jetzt wieder bei uns sind! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist fein! Wie auf Knopfdruck: Wenn er seinen Namen hört, ist er wieder in Kampf­stimmung, das ist gut. Sie sind die letzten paar Minuten ziemlich abgetaucht gewesen, aber okay. Also die schwerste - - (Abg. Kickl: Sie haben es gerade notwendig als Volks­schullehrer, als ungelernter! Also bitte!) Sie qualifizieren sich mit jedem Zwischenruf mehr, das ist ausgezeichnet. Gut! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: ...! Das ist ja unfassbar! – Abg. Stefan: ... von der Regierungsbank!)

Das, wovon ich denke, dass es wichtig ist – und das wurde von mehreren Rednerinnen und Rednern schon sehr treffend herausgearbeitet –, ist, dass es einerseits natürlich um diese schwerste Gesundheitskrise geht (Abg. Belakowitsch: Es geht um die Überwa­chung! Um die Überwachung!), dass die Lösung dieser Gesundheitskrise aber auch die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir uns wirtschaftlich wieder gut entwickeln (Abg. Belakowitsch: Ja, eh, aber ...!) und dass wir die sozialen Schwierigkeiten gut bewälti­gen. (Ruf bei der FPÖ: Die haben Sie herbeigeführt!) Das steht in einem engen Zusam­menhang und das kann man nicht gegeneinander ausspielen. Das ist die Grundvoraus­setzung dafür und daran arbeiten wir sehr, sehr intensiv, dessen können Sie sich sicher sein. (Abg. Kickl: Sie dilettieren durch die ...!) Die Dinge hängen zusammen.

Wir wissen – und das zeigen eigentlich alle internationalen Bewertungen –, Österreich ist im Vergleich sehr, sehr gut durch den ersten Teil der Krise gekommen. Nennen Sie mir eine Industrienation auf der Welt, die weniger Todesfälle zu verzeichnen hatte (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), die weniger schwere Erkrankungen zu verzeichnen hatte! Das sind die Parameter, an denen wir uns messen lassen, das ist nämlich das Entscheidende. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Unglücklicherweise ist es so – und da sind wir leider nicht alleine –, dass sich diese Pan­demie weltweit massiv weiter ausbreitet. Wir haben ihren Höhepunkt leider noch nicht erreicht. Gerade gestern hat die Weltgesundheitsorganisation gemeldet, dass alleine in


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der letzten Woche weltweit zwei Millionen Neuinfektionen zu verzeichnen waren. Also: Wer das verharmlost, wer das in Abrede stellt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen!

Über den Sommer war die Lage in Österreich trotz der Öffnungsschritte stabil. Ja, wir haben viele Öffnungsschritte realisiert, und ich glaube, dass das auch verantwortungs­voll war. Mittlerweile sind wir allerdings in der Situation – und das muss man sehr ehrlich sagen –, dass es in Österreich etwa seit dem 8. September wieder deutliche Steigerun­gen gibt. Damit Sie das schön nachvollziehen können (der Redner hält ein Kurvendia­gramm in die Höhe, mit dem er in der Folge seine Ausführungen illustriert), habe ich das auch grafisch dargestellt und mitgebracht. (Ruf: Das kann man nicht lesen! – Abg. Bela­kowitsch: Ist eh wurscht!)

Das war die Situation des großen Höhepunktes unserer Krise, den wir Mitte März hatten. Dann ist die Situation sehr, sehr stabil gewesen – das sind die Zahlen der aktiv Erkrank­ten –, und dann haben wir ab dem 8. September einen deutlichen Zuwachs erlebt. (Der Redner hält ein anderes Kurvendiagramm in die Höhe.) Was Sie hier am Schluss, in den letzten Tagen sehen (Abg. Stefan: Ist jetzt eine exponentielle Kurve, oder?), das ist jetzt der September, der hier herausgeholt ist, und das zeigt, dass wir es geschafft haben – und zwar alle miteinander: ein starkes Gesundheitssystem, alle, die sich in vielen Berei­chen darum bemühen, viele, viele Menschen, die es leben, die die Umsetzung leben –, dass wir in den letzten Tagen wieder eine Stabilisierung und ein Ende dieses starken Wachstums erreicht haben (Beifall bei den Grünen – Abg. Belakowitsch: Jetzt können Sie ...!) – und das ist gut so. Das ist wieder ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Was haben wir heute an Zahlen? – Das geht an alle, die es interessiert, und ich glaube, das ist doch ein erheblicher Teil: Wir stehen heute bei 681 Neuinfektionen, also diese Stabilisierung, allerdings auf einem hohen Niveau, setzt sich fort. Wir hatten gleichzeitig 637 Neugenesene in den letzten 24 Stunden und liegen damit im Augenblick bei 8 258 aktiv Erkrankten. (Abg. Stefan: Erkrankte oder Infizierte? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Durchgeführt und eingemeldet wurden 16 617 Tests. Das ist ein Vielfa­ches mehr als die Zahl der Tests, die wir im Frühling in Österreich durchgeführt haben, und auch so ist zum Teil die steigende Zahl mit zu erklären. (Abg. Stefan: Herr Gesund­heitsminister, Erkrankte oder Infizierte?)

Das Entscheidende ist allerdings, dass die Hospitalisierungszahlen nun auch wieder deutlich zu steigen beginnen, und das ist natürlich eine sehr alarmierende Entwicklung, denn im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, die Zahl dieser Hospitalisierungen möglichst stabil zu halten und zu vermeiden, dass es da zu einem deutlichen Zuwachs kommt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich habe gestern wieder eine lange Sitzung mit unserem Expertenbeirat, mit unseren Fachexpertinnen und Fachexperten aus dem Bereich der Virologie, aus dem klassisch-medizinischen Bereich, aus dem Public-Health-Bereich gehabt, und alle sind sich darü­ber einig, dass Österreich derzeit an einer Weggabelung steht: Entweder wir schaffen es durch Gemeinsamkeit, durch das Umsetzen der Maßnahmen und durch die bereits realisierten Maßnahmen, eine Stabilisierung und wieder ein schrittweises Senken der Zahlen zu schaffen – das ist möglich, das ist machbar –, oder wir kippen in eine expo­nentielle Steigerung hinein, für die es in diesen Tagen zwischen dem 8. und dem 17./18. Sep­tember auch Hinweise gegeben hat, und damit in eine zweite Welle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen parteipolitischen Unterschieden könnten wir doch einen Grundkonsens insofern schaffen, dass wir sagen: Ja, das erste Ziel von uns allen – bei allen Schwierigkeiten, die wir sonst haben, Diskursen, die wir führen – muss sein, dass es keinen zweiten Lockdown in Österreich mehr braucht, denn der wäre wirtschaftlich fatal, der wäre gesundheitspolitisch verheerend und der würde uns auch in der sozialen Lage in Österreich große, große Schwierigkeiten bereiten. Das


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heißt, es gilt, die Todeszahlen möglichst gering zu halten, das heißt, es gilt, die Zahl der aktiven Erkrankungsfälle möglichst gering zu halten.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, was bringt nun dieses Covid-Gesetz? Manche haben ja so getan, als wäre es ein völlig neues Gesetz. – Es ist eine Novellie­rung, es ist eine massive Verbesserung im Vergleich zum Status quo, eines Status quo, den wir alle gemeinsam einvernehmlich unter einem extremen Zeitdruck verwirklicht haben. Selbstverständlich kann man dann aus den Erfahrungen heraus, aus der Distanz heraus Verbesserungen verwirklichen. Ich glaube, dass das absolut gelungen ist, und ich möchte mich wirklich bei allen 14 000 bedanken, die da mitdiskutiert haben, die viel­fach konstruktive Vorschläge eingebracht haben. Viele von diesen haben wir in dieser Novelle verwirklicht, und der Beschluss dieses Gesetzes wird Österreich einen großen Schritt weiter nach vorne bringen.

Unter den 14 000 war auch eine konstruktive Stellungnahme der NEOS-Fraktion, in der sie konkrete Vorschläge eingebracht hat. Im Übrigen haben wir die allermeisten dieser Vorschläge, nämlich die substanziellen, starken, auch tatsächlich umgesetzt. Von daher ist mir euer Protest heute also wirklich ziemlich unerklärlich. Vielleicht hat das etwas mit dem Wahlkampf in Wien zu tun, aber das ist jetzt nur eine Mutmaßung. (Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS.)

Was haben wir in diesem COVID-19-Maßnahmengesetz verbessert? – Wir haben nun die rechtliche Möglichkeit, den Mindestabstand in Österreich wieder umzusetzen und einzuführen. Das ist eine sehr wichtige, eigentlich unbestrittene Maßnahme, die damit rechtlich verankerbar ist.

Es gibt zweitens mehr Möglichkeiten für die Bundesländer, Maßnahmen zu ergreifen. Ich halte es für gut, richtig und wichtig, dass die Bundesländer, die die unmittelbare Si­tuation vor Ort am besten kennen, nach diesem Gesetz unsere Bundesmaßnahmen erweitern können, verschärfen können oder zusätzliche Maßnahmen verankern können. Ich glaube, das ist wichtig.

Wir haben drittens die Ampel und die Ampelkommission jetzt gesetzlich verankert. Auch das ist wichtig, denn um dieses Instrument, die Risikosituation in Österreich bewerten zu können, beneidet uns mittlerweile halb Europa (Abg. Deimek: Mindestens!), weil es eine hochprofessionelle Analyse der Risikosituation ermöglicht. (Abg. Kickl: Das kann ich mir vorstellen!)

Ein ganz wichtiger Bereich, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dem Sie ei­gentlich am meisten Interesse haben müssten: Es gibt jetzt mit dieser Novelle mehr Kon­trollmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Gesetz. Es gibt mehr Transparenz, es gibt mehr Effizienz, und wir haben bessere demokratiepolitische Standards realisiert.

Unbestritten ist, dass diese Novelle – das haben Ihnen eigentlich alle FachexpertInnen, alle anerkannten Juristinnen und Juristen in der Expertenanhörung in diesem Haus auch gesagt – in vielen wichtigen Bereichen zu einer enormen Verbesserung des bestehen­den Gesetzes führt. Und noch einmal: Ich danke allen, die dazu einen Beitrag geleistet haben.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Grundkonsens, den es im Frühling in Österreich gab, brauchen wir wieder. Im Frühling war offensichtlich Parteipolitik nicht das Primat, sondern das Ziel war, diese schwerste Pandemie und die schwerste Rezes­sion seit 100 beziehungsweise 90 Jahren gemeinsam, als Österreich, gut zu überwin­den. Diesen Geist brauchen wir aus meiner Sicht wieder, das ist das Entscheidende, und dann werden wir – da bin ich sehr, sehr zuversichtlich – gut durch diesen zweiten Teil der Krise kommen.

Was wollen wir erreichen? – Wir wollen die Zahlen möglichst stabilisieren. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir wollen erreichen, dass es keine weitere Zuspitzung gibt,


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wir wollen erreichen, dass es möglichst wenige Todesfälle gibt, und wir wollen bis zum Vorliegen einer gesicherten Impfung die Zeit gut bewältigen.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir dann, wenn Impfungen in Europa freigegeben werden, nach einvernehmlichen Risikobewertungen, nach Kontrollen, nach allen Standards, die wir in Europa erarbeitet haben (Abg. Kickl: Im Jänner dann, oder?), ein gesichertes Produkt, wahrscheinlich sogar mehrere gesicherte Impfprodukte am Tisch haben wer­den. (Abg. Belakowitsch: ..., ob wir wollen oder nicht!)

Ich würde Sie nur ersuchen, da nicht mit den Emotionen zu spielen, wenn ich schon wieder den Zwischenruf höre: „ob wir wollen oder nicht“. Jetzt haben wir doch alle mit­einander die Garantie gegeben, dass das freiwillig ist. (Die Abgeordneten Belakowitsch und Kickl: Sie haben schon so viel gesagt!) Warum spielen Sie dann trotzdem mit den Emotionen und schüren Ängste in diesem Zusammenhang? (Abg. Belakowitsch: Da redet der Richtige! Da redet der Richtige!) Jeder Mensch in Österreich wird sich frei ent­scheiden können, und unser Job in der Regierung ist es, sicherzustellen (Abg. Belako­witsch: Sie schüren Ängste seit Monaten!), dass es ausreichend Impfstoff für alle in Österreich gibt, und das werden wir schaffen. Das werden wir schaffen, und dafür wer­den wir als starke Europäische Union auch sorgen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie schüren die Ängste!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur kurz zwei Sätze zu den kritischen Stim­men, die ich heute noch gehört habe: Das eine: Herr Kickl, Sie waren ja vor wenigen Monaten noch der Vorreiter in Sachen Lockdown, mit einem Höllentempo, haben gefor­dert, gefordert, gefordert (Abg. Kickl: Die Zeit ist nicht stehen geblieben! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und heute sind Sie der Chefcoronaleugner der Republik. Ich verstehe das wirklich nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wissen Sie, ganz viele Menschen in diesem Österreich sind froh darüber, dass Sie nicht mehr in der Regierung vertreten sind, gerade in dieser Krisensituation (Abg. Belako­witsch: Und wie viele wären froh, wenn Sie nicht mehr in der Regierung wären?!), denn viele meinen, das wäre lebensgefährlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hauser: Das ist eine Frechheit! – Abg. Belakowitsch: Alles haben Sie falsch gemacht bisher! Das ist ja unglaublich!)

Dass die NEOS sich für diese eigentümliche Allianz zwischen Coronaverharmlosern und Coronaleugnern hergeben, wundert mich persönlich.

Ich bedanke mich abschließend noch einmal für die konstruktiven Stellungnahmen, und ich bin froh darüber, dass wir damit auch Anregungen bekamen, die wir in diesem Gesetz gut umsetzen konnten. – Vielen Dank für eine breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Selten peinlichere Reden gehört!)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Sche­rak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.26.29

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Bundesminister! Gleich vorweg, Herr Bundesminister: Ich weise etwas ganz entschieden zurück: erstens, dass ich Corona verharmlose, und zweitens, dass es mir um irgendeinen Wahlkampf geht. (Beifall bei den NEOS.)

Seitdem ich hier im Haus bin und seitdem ich Politik mache, geht es mir genau um zwei Dinge: Das ist erstens, dass unsere Bundesverfassung geachtet wird, und zweitens, dass unsere Grund- und Freiheitsrechte nicht über Gebühr eingeschränkt werden. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Das habe ich gemacht, als Innenminister Kickl das gemacht hat, das habe ich gemacht, als die ÖVP unsere Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt hat, das habe ich ge­macht, als SPÖ-Minister das gemacht haben, und das mache ich genauso bei Ihnen, weil Sie die ganze Zeit mit Ihren Gesetzen über Gebühr in Grund- und Freiheitsrechte eingreifen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn man sich dieses Gesetz, über das wir jetzt hier wieder diskutieren, das novelliert werden soll, und die Bilanz anschaut, dann wissen wir, dass wir bis Ende August eine Vielzahl von Vernaderungen in Österreich hatten, dass wir 30 000 Anzeigen hatten, dass 6 Millionen Euro an Strafen von der Bevölkerung gezahlt werden mussten – und das alles aufgrund einer Verordnung aus Ihrem Haus, die der Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehoben hat. Das wäre auch ohne gegangen, nämlich wenn man ein Mindestmaß an Sensibilität in verfassungsrechtlicher Hinsicht hätte. Das fehlt leider bei Ihnen, das fehlt in Ihrem Haus und das fehlt bei der ÖVP sowieso schon die ganze Zeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Problem ist – und das ist der Unterschied zwischen den Grünen und der ÖVP –, der ÖVP taugen ja diese Allmachtsfantasien. Sie wissen, von „juristischen Spitzfindigkeiten“ spricht der Herr Bundeskanzler. Ich weiß nicht, wie viele Gesetze in den letzten Jahren, die die ÖVP federführend mitverantwortet hat, vor dem Verfassungsgerichtshof gelandet sind und aufgehoben wurden. Sie wissen, dem Bundeskanzler ist es ja auch egal, ob es vor den Verfassungsgerichtshof kommt, denn er sagt ja: Dann ist es eh nicht mehr in Geltung – interessiert mich ja eigentlich nicht, soll der doch machen, was er will!

Das war bei den Grünen früher nicht so, und wir haben Sie x-mal darauf hingewiesen, dass diese ursprüngliche Verordnung nicht gesetzeskonform sein kann. Es war Ihnen nur egal.

Jetzt, nachdem Sie im Sommer verabsäumt haben, die ausreichenden Testkapazitäten zur Verfügung zu stellen, nachdem das Contacttracing in einzelnen Gebieten offensicht­lich nicht - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Okay, ich kenne mich nicht aus, Herr Bundesminister. (Abg. Kickl: Aber er ist ein begnadeter Jurist! Der Anschober ist ein begnadeter Jurist!) Ich will nicht über Ihre Ausbildung reden, ich bin gelernter Verfassungsjurist, ich kenne mich mit der österreichischen Bundesverfassung sehr gut aus, und ich werde Ihnen auch ganz genau - - (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Gut, dann kennen Sie sich bei den fehlenden Test­kapazitäten besser aus. Einigen wir uns darauf: Sie kennen sich dort aus, ich kenne mich in meinem Gebiet aus, und das ist das Verfassungsrecht, und das ist sicher nicht Ihres. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nachdem Sie eine fehlerhafte Verordnung gemacht haben, bringen Sie jetzt noch ein Gesetz, das noch mehr Allmachtsfantasien beinhaltet, das Ihnen noch mehr Kompe­tenzen gibt.

Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat gesagt, die SPÖ habe sich so konstruktiv in den Prozess eingebracht. – Frau Klubobfrau, Sie waren nicht im Hearing im Gesundheitsaus­schuss, Ihr Verfassungssprecher, Jörg Leichtfried, war nicht im Hearing im Gesundheits­ausschuss. Die SPÖ-Fraktion war nicht einmal in der Lage, eine Stellungnahme im Be­gutachtungsverfahren einzubringen (Zwischenruf des Abg. Kucher), es ist schlichtweg keine eingegangen. Die SPÖ war nicht einmal in der Lage, dem von ihr nominierten Experten den richtigen Gesetzentwurf zu schicken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kucher.) Er saß da und wusste nicht, worüber diskutiert wurde. – So viel zum Thema „konstruktiv eingebracht“. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sind noch mehr Kompetenzen für Sie, Herr Bundesminister, und Sie sagen zu Recht, wir haben eingefordert, dass der Hauptausschuss eingebunden wird, und Sie meinen, dass damit dann die gravierendsten Dinge geregelt sind. Das Problem ist allerdings: Das


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stimmt halt einfach nicht. Der Hauptausschuss wird dann eingebunden sein, wenn es um bundesweite Einschränkungen geht. Sie können mit einem Bezirkshauptmann, mit einer Bezirkshauptfrau ohne Einbindung des Hauptausschusses entsprechende Betre­tungsverbote erlassen. Sie können das Gleiche mit einem Landeshauptmann machen. Das heißt, der Hauptausschuss ist eben nicht dauerhaft eingebunden und er kann Pur­zelbäume schlagen – das ist völlig irrelevant –, Sie können weiterhin umfassende Betre­tungsverbote ohne Einbindung dieses Parlaments erlassen.

Im Übrigen, Einbindung des Hauptausschusses: Ich bin gespannt, wer Ihnen von den mutigen Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen dann im Hauptausschuss die Stirn bieten wird. Die Grünen schaffen es ja nicht einmal mehr, für die Aufnahme von Flüchtlingskindern zu stimmen. Ich warte darauf, dass sie dann im Hauptausschuss ste­hen und sagen: Nein, nein, Herr Bundesminister, wir wehren uns gegen Ihr Betretungs­verbot! – Das wird eine spannende Situation werden. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Der zweite Wahnsinn aus meiner Sicht ist, dass Sie mit diesen Betretungsverboten durch die Hintertür wiederum in diesen einzelnen Gebieten einen umfassenden Lockdown ma­chen können. Bei den Betretungsverboten in § 4 stehen nicht einmal Ausnahmen drin­nen. Da gibt es dann nicht mehr die drei, vier oder fünf Gründe, außer Haus zu gehen, laut Gesetz müssen Sie keine Ausnahmen machen. Sie können die Menschen in einzel­nen Bezirken komplett einsperren.

Im Übrigen steht dort auch nichts davon, dass das Gesundheitssystem irgendwie zusam­menbrechen muss. In § 4 steht, Sie können Betretungsverbote dann verhängen, wenn es zur Eindämmung der Ausbreitung von Covid notwendig ist. (Abg. Kickl: Was auch immer das heißt!) Sie können die gesamte Bevölkerung in einzelnen Bezirken, in ein­zelnen Bundesländern wegsperren, und das ohne Einbindung dieses Parlaments, und das halte ich für grundfalsch. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Herr Bundesminister, Sie können mir sagen, Sie haben das nicht vor. Das Problem ist aber: Wir haben Ihnen damals, als wir dieses erste Gesetz hier beschlossen haben, die Möglichkeit gegeben, bestimmte öffentliche Orte mit einem Betretungsverbot zu verse­hen. Was haben Sie gemacht? – Sie haben den gesamten öffentlichen Raum geschlos­sen. Glauben Sie mir, das Vertrauen von meiner Seite ist zumindest nicht da, dass Sie nicht auch jetzt wieder alle Kompetenzen, die dieses Gesetz vorsieht, auch entspre­chend ausnützen.

Der weitere, quasi verfassungsrechtliche Höhepunkt war ja, dass Sie ursprünglich vor­hatten, dass durch ein Gesetz, das dieses Parlament beschließt, der Bundesregierung quasi per Ermächtigung die Möglichkeit gegeben wird, dass sie das Außerkrafttretensda­tum des Gesetzes hinauszögert. Ich frage mich, ob da irgendjemand noch etwas von Gewaltenteilung mitbekommen hat! Dieses Parlament beschließt Gesetze, dieses Parla­ment beschließt, wann Gesetze außer Kraft treten – das geschieht sicher nicht über Ver­ordnungsermächtigung an die Bundesregierung, sodass die Bundesregierung das allei­ne machen kann! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Gestern um 20.56 Uhr sind dann auch die Grünen draufgekommen, dass es vielleicht nicht sonderlich gescheit ist, der Bundesregierung mittels Dekret die Möglichkeit zu ge­ben, die Gesetze zu verlängern. Um 20.56 Uhr haben dann auch die Grünen verstanden, dass das keine sinnvolle Variante ist.

Wissen Sie, man kann lange darüber diskutieren, ob es verfassungskonform gewesen wäre oder nicht. Ich bin überzeugt: Bei solch massiven Grund- und Freiheitsrechtsein­schränkungen geht es auf gar keinen Fall, dass die Bundesregierung Gesetze verlän­gert. Das ist Aufgabe dieses Parlaments, und jeder, der sich als Parlamentarier ernst nimmt, soll sich auch dieser Verantwortung stellen. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Zu dem, was Sie jetzt vorschlagen: Ja, jetzt darf der Hauptausschuss mitreden – es ist vielleicht irritierend, dass ausgerechnet ich als Angehöriger einer Fraktion, die nicht im


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Bundesrat vertreten ist, hier den Bundesrat noch einmal anspreche –, aber Sie alle las­sen den Bundesrat außen vor. Der Bundesrat wird nicht miteinbezogen bei der Verlän­gerung dieses Gesetzes; ja, der Hauptausschuss wird miteinbezogen – das sind übri­gens nicht alle Abgeordneten, sondern nur ein Teil davon –, aber der Bundesrat nicht. Ob das verfassungsrechtlich hält, wird sich auch noch zeigen.

Dass die ÖVP spätestens seit Sebastian Kurz kein großes Interesse am Parlament hat, ist nichts Neues. Dass die Grünen, seit sie in die Bundesregierung eingetreten sind, ihre Ideen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie längst abgegeben haben, ist mittlerweile auch nichts Neues mehr. Dass aber die früher einmal so stolze Sozialdemokratie – es waren Ihre Vorväter, die dafür gekämpft haben, dass es überhaupt Mitbestimmung gibt, dass es Parlamente gibt –, dass Sie jetzt den beiden die Rutsche legen und dafür kämp­fen, dass das Parlament ausgehebelt wird, halte ich für einen Wahnsinn. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Es gab in diesem Land noch nie so umfassende Kompetenzen für einen Minister ge­meinsam mit einem Bezirkshauptmann, die Menschen wegzusperren. Das ist der um­fassendste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte in diesem Land, und dem wer­den wir garantiert nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie der Abg. Strache.)

13.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ralph Schall­meiner. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf: Jetzt wird es schwierig!)


13.34.47

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Noch kurz auf Kollegen Kickl eingehend – er hat vorhin davon gesprochen, dass es unbestritten ist, dass die Schutzmasken im Gesicht gesundheitsschädigend sind –: Kollege Kickl, ich empfehle die Lektüre beispielsweise von Faktencheckern wie correctiv.org oder Mimikama. Dort können Sie nachlesen, wie das wirklich ist. Es ist nämlich ein bisschen anders, als Sie das dargestellt haben. Das wäre vielleicht nicht schlecht. Sie wissen ja: mehr Fakten, weniger Trumpismus. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Nichtsdestotrotz: Kommen wir zum eigentlichen Thema, über das wir hier reden wollen! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen allen gegangen ist, ich habe in den letzten Wochen ziem­lich viele E-Mails, Benachrichtigungen, Briefe et cetera von Menschen, die sich an uns gewandt haben, die eben ihre Meinung zu diesem Gesetzentwurf kundgetan haben, be­kommen. Es waren mehrere Tausend Stellungnahmen, die in diesen zwei Begutachtun­gen eingebracht wurden, und wir haben eigentlich schon den Anspruch, dass wir diese Tausenden Stellungnahmen ernst nehmen, und das haben wir auch getan.

Ich kann mich übrigens an Gesetzwerdungsvorgänge erinnern, beispielsweise beim UG 2002 – ich weiß nicht, ob Kollege Graf jetzt noch hier herinnen ist, er war damals dabei –, da sind Hunderte, ich glaube, Tausende negative Stellungnahmen von den da­mals Verantwortlichen einfach weggeschmissen worden. In diesem Fall ist das eben nicht passiert, sondern wir haben uns das sehr genau angeschaut und haben das Ganze sehr genau in den Gesetzwerdungsprozess mitaufgenommen.

Warum haben wir das gemacht? – Es ist heute schon einmal erwähnt worden: Es geht dabei um einen Balanceakt zwischen einerseits notwendigen Maßnahmen bei der Be­kämpfung einer Pandemie – auch wenn es manche hier herinnen gibt, die der Meinung sind, dass es keine Pandemie mehr gibt; aber es gibt sie, sie ist real, 200 000 Tote in den USA, 5 870 Tote in Schweden, über 30 Millionen Infizierte weltweit, ich glaube, das sind eindeutige Zahlen und Fakten – auf der einen Seite und der persönlichen Freiheit


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von jedem und jeder Einzelnen hier im Haus und draußen, also in der Bevölkerung auf der anderen Seite. Ich glaube, nein, ich bin mir sogar sicher, dass wir das im Großen und Ganzen ganz gut hingebracht haben.

Was haben wir gemacht oder was steht in diesem Gesetz wirklich drinnen? – Es ist ei­nerseits eine gesetzliche Grundlage für die viel zitierte Ampel. Wir haben eine Kompe­tenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Bezirken gemacht; die Coronakommission wird verankert, damit verbunden eine evidenzbasierte Politik – das ist etwas, was man­che hier herinnen offensichtlich nicht ganz verstehen –; ein Lockdown ist nur noch zehn Tage lang möglich; weitreichende Maßnahmen wie ein Lockdown sind nur im Einverneh­men mit dem Hauptausschuss möglich; Maßnahmen sind nur dann möglich, wenn gelin­dere Mittel davor nicht ausgereicht haben; weiters, wie schon gesagt: die fünf Gründe, warum eben die Einhaltung einer Ausgangsbeschränkung nicht möglich ist – als Min­deststandards, bitte schön; in der Diskussion wird ja immer ganz gerne vergessen oder fallen gelassen, dass das ja die Mindeststandards sind. Das ist das Mindeste, was wir da drinnen festgeschrieben haben, darüber hinaus gibt es ja noch viel, viel mehr Mög­lichkeiten, eben auch Lockerungen zu machen.

Das Contacttracing ist wieder herausgefallen, weil wir auch gesehen haben: Okay, da haben wir definitiv ein datenschutzrechtliches Problem. Gut, das müssen wir halt heraus­nehmen. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Das Gesetz selbst ist zeitlich begrenzt. Ja, und die Gesundheitsbehörden werden oder können jetzt auch bei Präventionskonzepten deren Umsetzung vor Ort überprüfen beziehungsweise sich das anschauen. – Darum geht es, um nichts anderes geht es!

Es geht da nicht um ein sogenanntes „Rollkommando“, wie das eben erst gesagt worden ist. Bitte, diesen Begriff lehne ich wirklich zutiefst ab, auch aufgrund der historischen Zusammenhänge. Es geht auch nicht darum, den Polizeistaat auszurufen, wie es am Montag im Gesundheitsausschuss vonseiten der FPÖ gekommen ist, sondern es geht einfach darum, eine vernünftige Gesetzgebung bei der Bekämpfung einer Pandemie zu machen.

Weil ich es jetzt gerade angesprochen habe: Wir hatten ja am Montag auch noch das Expertenhearing. Fünf Experten waren hier, fünf Experten, die durchaus auch unter­schiedlicher Meinung waren. Vier davon waren nicht unbedingt wirklich nur negativ, drei davon waren durchaus sehr, sehr positiv, und da haben wir dann auch noch entspre­chende Verbesserungsvorschläge aufgenommen, die ich jetzt in Form eines Antrages einbringen möchte.

Es ist ein Abänderungsantrag, der in der Zwischenzeit auch hier im Haus verteilt wor­den ist, es ist der Antrag, den auch Kollege Scherak soeben angesprochen hat, der ges­tern am Abend auch an die Fraktionen ergangen ist.

Im Großen und Ganzen geht es in diesem Antrag darum, dass wir noch neue Rege­lungen zur Verlängerung einführen – Kollege Scherak hat es schon ausgeführt –, noch neue Regelungen und Konkretisierungen für Veranstaltungen einführen, zusätzlich geht es um eine nochmalige Klarstellung bei den Ausnahmen betreffend Ausgangsbeschrän­kungen, dass das einfach wirklich noch klarer ist, ein paar redaktionelle Anpassungen und mehr Transparenz bei der bereits erwähnten Coronakommission. Das sind die Fak­ten, davon reden wir.

Ich möchte abschließend Kollegen Bürstmayr, der am Montag sozusagen als juristischer Vertreter unserer Fraktion im Gesundheitsausschuss auch dabei war, noch einmal zitie­ren, der gemeint hat: Dieses Gesetz ist so etwas wie eine Sprinkleranlage, die ich mir in mein Haus einbaue; ich bin froh, wenn ich sie nie nutzen muss. Ich wäre auch froh, wenn wir eben dieses Gesetz niemals nutzen müssten, aber es ist gut zu wissen, dass wir es haben, denn wenn es darauf ankommt, wenn es brennt, schützt mich dieses Gesetz. – Zitatende.


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In diesem Sinne: Danke, ich hoffe auf breite Zustimmung; Danke an die SPÖ fürs kons­truktive Dabeisein, Danke auch an die NEOS, die – auch wenn sie heute wahrscheinlich dagegen sind – durchaus gute, konstruktive Vorschläge, von denen wir sehr, sehr viele berücksichtigt haben, gemacht haben! Vielleicht kommt ja die FPÖ irgendwann einmal drauf, was konstruktive Kooperation und Zusammenarbeit ist; heute offensichtlich nicht. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Philip Kucher

Kolleginnen und Kollegen,

zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d. B.) über den Antrag 826/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden,

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

a) In Artikel 1 wird nach der Z 8 folgende Z 8a eingefügt:

„8a. Dem § 15 werden folgende Abs. 6 bis 8 angefügt:

,(6) Wird aufgrund des Abs. 1 eine Verordnung erlassen oder geändert und hat dies zur Folge, dass eine Veranstaltung nicht mehr bewilligt werden könnte, darf eine bereits er­teilte Bewilligung für die Dauer der Geltung dieser Rechtslage nicht ausgeübt werden. Die Verordnung hat Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veranstaltungen zu enthalten. Diese können bei Gefahr in Verzug entfallen. In dieser Verordnung kann ab­weichend vom ersten Satz angeordnet werden, dass bestehende Bewilligungen unter Einhaltung der Anordnungen dieser Verordnung, die im Zeitpunkt der Erteilung der Be­willigung nicht gegolten haben und hinreichend bestimmt sind, ausgeübt werden dürfen. In einem solchen Fall gelten die Bewilligungen für die Dauer der Geltung der neuen Rechtslage als entsprechend der Verordnung geändert. § 68 Abs. 3 AVG bleibt unbe­rührt.

(7) Wird auf Grund des Abs. 1 eine Verordnung erlassen oder geändert und hat dies zur Folge, dass eine allfällige Bewilligung in einer für den Veranstalter günstigeren Weise erteilt werden könnte, so kann die Behörde einen neuen Antrag auf Bewilligung nicht wegen entschiedener Sache zurückweisen.

(8) Die Bewilligung einer Veranstaltung kann ab dem Zeitpunkt der Kundmachung einer Verordnung gemäß Abs. 1 erteilt werden, wenn der Zeitpunkt der Abhaltung der Veran­staltung nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung liegt. Die Bewilligung wird in diesem Fall mit Inkraftreten der Verordnung wirksam.‘“

b) In Artikel 1 Z 9 wird in § 25a Abs. 2 jeweils am Ende der Z 3 bis 5 ein Beistrich gesetzt.

c) In Artikel 1 Z 9 wird in § 25a Abs. 6 zweiter Satz der Ausdruck „gemäß Abs. 3 der“ durch den Ausdruck „der gemäß Abs. 3“ ersetzt.

d) In Artikel 1 Z 12 wird in § 50 Abs. 14 der Ausdruck „§ 15 Abs. 5“ durch den Ausdruck „§ 15 Abs. 5 bis 8“ ersetzt.

e) In Artikel 1 Z 12 wird in § 50 Abs. 16 nach der Wortfolge „für die Vollziehung gegeben sind“ ein Beistrich gesetzt.


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f) In Artikel 1 Z 13 wird in § 51 Z 1 und 2 jeweils der Ausdruck „§ 5a Abs. 5a“ durch den Ausdruck „§ 5a Abs. 5“ ersetzt.

g) In Artikel 3 Z 3 erhält § 2 die Absatzbezeichnung „(1)“, folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Die Empfehlungen der Corona-Kommission sind auf der Website des für das Ge­sundheitswesen zuständigen Bundesministers zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen auch die wesentlichen Begründungen dafür veröffentlicht werden.“

h) In Artikel 3 Z 7 wird in § 8 Abs. 5 und 6 jeweils nach dem Wort „Wochen“ ein Beistrich gesetzt.

i) In Artikel 3 Z 7 wird dem § 11 folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Verordnungen der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 1 bedürfen des Einverneh­mens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates.“

j) In Artikel 3 Z 10 wird in der Novellierungsanordnung der Ausdruck „Abs. 3“ durch den Ausdruck „Abs. 2“ ersetzt.

Begründung

Zu a) und d) (Artikel 1 Z 8a und Z 12 (§ 15 Abs. 6 bis 8 und § 50 Abs. 13 des Epi­demiegesetzes 1950)):

Die vorgeschlagenen Abs. 6 bis 8 enthalten Anordnungen für den Fall, dass sich die rechtlichen (durch Verordnung geregelten) Voraussetzungen für die Bewilligung von Veranstaltungen ändern.

Nach allgemeiner Dogmatik zu den Rechtswirkungen von individuellen Rechtsakten ist davon auszugehen, dass Änderungen der Rechtslage – auch ohne ausdrückliche Rege­lung, wie dies bislang der Fall ist – dazu führen können, dass von bereits erteilten Bewilli­gungen kein Gebrauch gemacht werden darf (dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Veranstaltung mit einer bestimmten Personenzahl bewilligt wurde, in der Zwischenzeit aber die zulässige Personenzahl herabgesetzt wird).

Um diese Rechtswirkungen der Änderung der Rechtslage zu vermeiden, soll angeordnet werden, dass die spätere Verordnung vorsehen kann, dass eine automatische Beendi­gung der Bewilligung nicht eintreten soll, sondern dass diese Bewilligung „ruht“. Durch die Anordnung dieses Ruhens kann auch berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsla­ge mehrfach ändert; wird auf Grund der Änderung der Rechtslage eine Veranstaltung unzulässig und ändert sich die Rechtslage abermals, sodass die Veranstaltung wieder zulässig wird, so kann die Veranstaltung dann auch abgehalten werden.

In der Verordnung wäre zu regeln, welche der „neuen“ Regeln auch für bereits erteilte Bewilligungen gelten sollen (so könnte etwa vorgesehen werden, dass eine Veranstal­tung, die für 1 200 Personen bewilligt wurde, als für 1 000 Personen bewilligt gilt, wenn generell nur noch Veranstaltungen mit bis zu 1 000 Personen zulässig sind). Dadurch soll vermieden werden, dass Veranstalter, die bereits über eine Bewilligung verfügen, einen neuerlichen Antrag auf Erteilung der Bewilligung stellen müssen. Dies dient nicht nur der Verfahrensökonomie, sondern stellt auch die Abhaltung von Veranstaltungen (wenn auch unter den geänderten Rahmenbedingungen) sicher.

Aus Gründen der Rechtssicherheit sind – außer bei Gefahr in Verzug – in einer Verord­nung gemäß Abs. 6 erster Satz Übergangsbestimmungen für bereits bewilligte Veran­staltungen vorzusehen. In Bewilligungsbescheiden von Veranstaltungen sollten grund­sätzlich Hinweise aufgenommen werden, dass es in Folge einer Änderung der Rechtsla­ge zu einer Abänderung der Bescheide kommen kann.


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Der vorgeschlagene Abs. 7 enthält eine Regelung für den Fall, dass die Voraussetzun­gen für Veranstaltungen „gelockert“ werden. Der Veranstalter hat demnach die Möglich­keit, einen neuen Antrag auf Bewilligung zu stellen, braucht von dieser Möglichkeit je­doch keinen Gebrauch zu machen. Eine „automatische“ Anpassung der Bewilligung kann jedoch nicht erfolgen, da im Fall der bewilligungspflichtigen Veranstaltungen häufig auch ein auf die konkrete Veranstaltung bezogenes Präventionskonzept zu erstellen sein wird, das – etwa bei Erhöhung der zulässigen Personenzahl – erst angepasst wer­den muss.

Der vorgeschlagene Abs. 8 trifft eine ausdrückliche Vorkehrung für den Fall, dass eine Veranstaltung noch vor dem Inkrafttreten der geänderten Voraussetzungen bewilligt werden soll. Voraussetzung ist, dass die Verordnung bereits kundgemacht ist.

Zu b) und c) sowie e) bis g) (Artikel 1 Z 9, 12 und 13 sowie Artikel 3 Z 7 (§ 25a Abs. 2 und 6, § 50 Abs. 15, § 51 des Epidemiegesetzes 1950, § 8 Abs. 5 und 6 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Redaktionelle Anpassungen.

Zu g) (Artikel 3 Z 3 (§ 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Aus Gründen der Transparenz sollen die Empfehlungen der Corona-Kommission veröf­fentlicht werden. Dies gilt auch für wesentliche Begründungen für die Empfehlungen.

Zu i) (Artikel 3 Z 7 (§ 11 Abs. 4 des COVID-19-Maßnahmengesetzes)):

Es soll auch eine Verordnung der Bundesregierung, mit der ein anderer Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestimmt wird, des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates bedürfen.

Ergänzend zur Begründung des Gesetzesantrags wird zu § 5 Abs. 2 Z 3 und § 8 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ergänzend festgehalten:

Zu § 5 Abs. 2 Z 3:

Unter diesen Ausnahmetatbestand fallen auch Kontakte mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern sowie einzelnen engesten Angehörigen bzw. einzel­nen wichtigen Bezugspersonen.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


13.40.41

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Damen, sehr geehrter Herr Gesundheitsminister auf der Regierungsbank! (Die Rednerin stellt eine Tafel, auf der Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober abgebildet sind, über die ein blauer Balken mit dem weißen Schriftzug „Es reicht!“ gezogen ist, auf das Red­nerpult.) Wir sind jetzt mittendrin in einer Debatte, die einen echten Tiefpunkt darstellt. Der erste Tiefpunkt ist einmal, dass heute ein Gesetz beschlossen wird, das massiv in die Grund- und Freiheitsrechte eingreift. Das haben Kollege Scherak, aber auch viele andere schon ausführlich dargelegt, und es wird wahrscheinlich im weiteren Verlauf noch zu dahin gehenden Darlegungen kommen.

Das Zweite, was sich hier heute abgespielt hat, waren Sie, Herr Gesundheitsminister! Diese peinliche Polemik von der Regierungsbank sucht wirklich ihresgleichen. Wissen


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Sie, dass gerade Sie sich hinstellen und andere glauben lächerlich machen zu wollen, schreit bei der Bilanz, die Sie im letzten halben Jahr vorgelegt haben, wirklich zum Him­mel! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben es auch heute wieder bewiesen: Sie wissen eigentlich gar nicht, wovon Sie sprechen. Sie stellen sich hier hin, erklären uns die Zahlen zum Tag. – Sehr nett. Dann erzählen Sie etwas von Erkrankten. – Also zunächst einmal haben Sie positiv Getestete aufgezählt, und das sind keine Erkrankten. Das sind, wenn Sie schon wollen, Infizierte, aber nicht einmal das stimmt überein, aber es sind keine Erkrankten. Wissen Sie, was Sie aber gar nicht gesagt haben? – Das hat Sie eigentlich entlarvt: Sie haben gesagt, auch die Zahl der Hospitalisierten steige wieder an. – Punkt. Sie haben aber die Zahlen nicht genannt, weil Sie ganz genau wissen, mit den 600 Hospitalisierten können Sie jetzt keine Angst und Panik verbreiten. Stattdessen versteifen Sie sich darauf, reden irgendet­was von weltweiten Zahlen und von der Panik und vom Gesundheitswesen, das Sie reparieren müssen. Sie erzählen irgendwelche Fantasiezahlen, um die Panik wieder schüren und die Angstparolen wieder verbreiten zu können, und gleichzeitig sagen Sie (auf die FPÖ weisend): Sie machen Angst!

Haben Sie eigentlich überhaupt mitgekriegt, was sich in dieser Republik seit Monaten abspielt? Als wir im Februar den Lockdown gefordert haben, als wir gefordert haben, es müsse etwas passieren, hat sich die Regierung zurückgelehnt, hat gesagt: Es ist alles gut! – Diese Regierung reagiert ja überhaupt erst, wenn irgendetwas passiert.

Dann ist der Lockdown ausgerufen worden, und was ist passiert? – Ja gar nichts! Die Leute hat man eingesperrt, aber auf dem Flughafen Schwechat sind am selben Tag, am nächsten Tag die Flieger aus China gelandet. Da haben Sie überhaupt nichts gemacht, da waren Sie im Dornröschenschloss und im Dornröschenschlaf.

Was Sie hier bieten, ist eine peinliche Politshow, meine Damen und Herren! Sie machen nichts anderes, als permanent wieder irgendwelche Zahlen von irgendwelchen Verstor­benen zu wiederholen und festzustellen, wie schlimm alles ist. Sie müssen ja diese zwei­te Welle mit aller Gewalt herbeireden, denn Sie müssen ja eine Begründung dafür haben, wenn dann eine echte Welle kommt – und die steht im Frühjahr 2021 an, nämlich die Pleitewelle und die Arbeitslosenwelle.

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die Arbeitsministerin hier sitzt. Das ist wichtig – aber was haben Sie denn vorbereitet, Frau Arbeitsministerin? Man weiß überhaupt nichts. Wie werden Sie denn auf diese Arbeitslosenzahlen reagieren? – Es gibt nichts aus dem Arbeitsministerium, Schweigen, man kann eigentlich nicht sagen, was dort wirklich passiert. Das, meine Damen und Herren, ist auch ein Grund, warum wir heute diesen Misstrauensantrag hier einbringen müssen. Wir müssen ihn einbrin­gen, aufgrund dessen, was hier passiert, sehen wir uns verpflichtet, diesen Misstrauens­antrag einzubringen.

Das sind politische Schaufensterpuppen, die hier sitzen. Die haben nichts zu sagen, die tun auch nichts. Da gibt es einen Minister, der beim Budget sechs Nullen vergisst; dann gibt es einen Minister, der von den Lebensgefährdern spricht, der diese Republik in die Guten und in die Bösen, in die guten Lebensretter und in die Bösen teilt. Und Sie, Herr Gesundheitsminister – jetzt lachen Sie –, setzen sich genau da drauf, Sie stigmatisieren Leute, die sich infiziert haben. Sie sagen: Reißt euch doch zusammen! Sagen Sie das eigentlich zu HIV-Kranken auch? Reißt euch zusammen! Wissen Sie, was das bedeu­tet? – Sie stigmatisieren Leute, und das geht so weit, dass die Leute heute Angst davor haben, sich zu infizieren, aber nicht, weil sie Angst vor der Erkrankung haben (Beifall bei der FPÖ), sondern weil sie Angst davor haben, dass sie schuld sind, andere anzuste­cken, weil sie Angst davor haben, dass ihr Betrieb zusperren muss. Davor haben die Leute Angst!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 105

Ich frage Sie, Herr Minister, denn Sie waren selbst auch einmal krank, Sie waren ein halbes Jahr im Krankenstand: Haben Sie sich da nicht zusammengerissen? – Denken Sie einmal darüber nach, was Sie damit vermitteln, was Sie den Leuten sagen, Herr Bundesminister! Diese Politik, die Sie betreiben, ist schäbig. (Beifall bei der FPÖ.)

Niemand ist schuld, wenn er sich ansteckt, niemand! Krankheit kann jedem passieren, meine Damen und Herren! Da gibt es kein Zusammenreißen und da ist niemand schuld, da sind weder Urlauber schuld noch sind andere schuld. Das kann passieren und das ist auch nicht planbar. Da ist auch der nicht schuld, der jetzt hier herinnen keine Maske trägt. Im Übrigen: Mit diesen komischen Kobeln (in Anspielung auf die Glastrennwände, die auf den Abgeordnetenpulten aufgestellt worden sind) sind wir ja jetzt eh alle sicher, oder etwa nicht?

Hören Sie also auf damit, zu sagen: Das sind die Guten und das sind die Bösen! – Das hat dazu geführt, dass es Anzeigen gegeben hat. Während die Zahlen gesunken sind, haben Sie die Leute, die auf dem Parkbankerl gesessen sind, angezeigt, haben Sie Mütter, deren Kinder Ball gespielt haben, angezeigt. Das haben Sie gemacht. Es sind Autofahrer aufgehalten worden, weil sie im falschen Bezirk unterwegs waren. Das ist die Politik dieser Bundesregierung. Sie haben die Angstschraube hoch und höher ge­schraubt, und zu guter Letzt wird uns heute hier ein Gesetz vorgelegt, das die Bürger­rechte massiv einschränkt.

Meine Damen und Herren, und das geht jetzt in Richtung ÖVP: Ich kann mich noch gut an den Wahlkampf 2017 erinnern, als sich der Herr Bundeskanzler – der jetzige – hinge­stellt und gesagt hat, er sei für die direkte Demokratie. Na wenn das so ist und wenn dieses Gesetz so umwerfend gut ist, wie Sie uns alle erzählt haben, ja dann unterziehen Sie es einer Volksabstimmung! In diesem Sinne bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der aufgrund des Berichts des Gesundheitsausschusses (370 d. B) über den An­trag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulo­segesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden, zu fassende Geset­zesbeschluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie dem heute nicht zustimmen, meine Damen und Herren, möchte ich daran erinnern: Auch wenn unser heutiger Misstrauensantrag vermutlich keine Mehrheit be­kommt, hat es einen Grund gegeben, warum im Juni 2019 dieser Bundeskanzler mit seiner gesamten Regierung abgewählt worden ist, und es wird Zeit – und dieser Zeit­punkt wird kommen –, dass er das wieder wird. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube nicht!)

13.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 106

Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung

§ 84 GOG-NR iVm Art 43 B-VG

des Abgeordneten KO Herbert Kickl,

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d.B) über den Antrag 826/A der Abge­ordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der aufgrund des Berichts des Gesundheitsausschusses (370 d. B) über den Antrag 826/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19- Maßnahmengesetz geändert werden, zu fassende Gesetzesbe­schluss des Nationalrates ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art 42 B-VG, je­doch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.

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Name der/des Abgeordneten

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Name der/des Abgeordneten

 

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Name der/des Abgeordneten

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Name der/des Abgeordneten

 

Name der/des Abgeordneten

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.47.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es war schon ein politisch sehr denkwürdiger Sommer, den wir erlebt haben: eine Bundesregierung, die das Beste aus beiden Welten dargebracht hat – nicht im positiven Sinne, sondern an Versäumnissen, an Eifersucht, an Inszenierungssucht, an Streit, an Dauerpressekonfe­renzen und an langweiligen Reden; eine Bundesregierung, die es in derselben Zeit ge­schafft hat, relativ vernünftige Dinge wie eine Coronaapp oder eine Coronaampel kom­plett zu versemmeln; eine Bundesregierung, die in der gegenseitigen Missgunst und im gegenseitigen Neid die Vorbereitung auf diese harte Zeit, die jetzt auf uns zukommt, nicht geschafft hat und die sich dafür rühmen kann, den ganzen Sommer lang die Zeit für die weitere Coronavorbereitung versemmelt zu haben, geschätzte Damen und Her­ren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Stauchaos, die Reisewarnungen, das Reisewarnungschaos, das sich daraus entwi­ckelt hat, waren nur milde Vorboten dessen, was dann plötzlich als neues Covid-Gesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 107

auf uns zugekommen ist, das klar verfassungswidrig war, wozu wir eindeutig und klar gesagt haben, dass wir dem nie zustimmen werden, und das dann aufgrund unserer Anregungen und aufgrund des Drucks der gesamten Opposition zurück zum Start ge­gangen ist.

Wir hätten es auch so machen können, wie es beispielsweise die FPÖ gemacht hat: sich in der permanenten Waldorf- und Statler-Runde zurückzulehnen und ein bisschen zu kommentieren und nicht viel beizutragen (Abg. Belakowitsch: Wir haben eine Stellung­nahme abgegeben!) und dann in ihrer Argumentationslosigkeit persönlich angriffig zu werden, aber nicht mehr argumentieren zu können, warum jetzt auch das neue Gesetz so schlecht wäre. (Abg. Kickl: Weil es gleich ist wie das alte!) – Herr Kickl, hallo, ich hätte etwas für Sie: Im Hearing hat Ihr Experte noch einen einzigen Punkt gefunden, der gefährlich wäre: Es droht ein Polizeistaat, hat er gesagt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da müssten Sie ja mit tränenden Augen und wehenden Fahnen zustimmen, wenn der Poli­zeistaat droht, Herr Kickl! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist die Situation. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Erstaunlich ist jetzt schon auch das Verhalten der NEOS. Da übt man jetzt scheinbar Fundamentalopposition – na, geht eh schon ein bisserl, geht nicht so schlecht. (Abg. Kickl: ... schauen, welches Geschäft da gelaufen ist!) Ich weiß, das ist ein unglaublich sensibles Thema, und ich weiß, es ist auch rechtlich schwierig, und ich weiß, man kann auch einige Dinge aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus diskutieren, aber es waren schon die Herren Heinz Mayer, Karl Stöger, Clemens Jabloner, Georg Krakow, Bernd-Christian Funk, die gesagt haben, dass dieses Gesetz verfassungsrechtlich in Ordnung ist. Na ja, die werden schon auch eine Meinung dazu haben dürfen, geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen von den NEOS. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Wö­ginger. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich komme zurück zum Punkt betreffend diese Verordnungsermächtigung für die Erstre­ckung der Befristung eines Gesetzes, den Kollege Scherak angesprochen hat: Genau das haben wir hier im April einstimmig für ein anderes Gesetz beschlossen, mit den NEOS, mit den Freiheitlichen. Dazu fällt mir also nur eines ein: Die NEOS wissen nicht alles (Zwischenruf des Abg. Scherak), aber sie bemühen sich, den Eindruck zu erwe­cken, in diesem Parlament immer alles besser zu wissen, geschätzte Damen und Her­ren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Dieses billige Effektha­schen ist nicht unser Zugang (Zwischenruf des Abg. Scherak – Gegenruf der Abg. Bela­kowitsch), wir sind als Opposition verantwortungsbewusst.

Da wundert es mich jetzt nicht, dass Kollege Kickl den Begriff „Judaslohn“ erwähnt hat. (Abg. Wurm: Das tut euch weh, gell?) Wer, wenn nicht jemand aus der Ibizapartei, kommt auf einen solchen Gedanken, geschätzte Damen und Herren? – Sicherlich nicht wir! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb ist es gelungen, einiges zu erreichen. Es ist gelungen, recht viel zu erreichen. Es war unser Druck, der dazu geführt hat - - (Abg. Kickl: Auf den Kuhhandel bin ich neugierig, was da ans Tageslicht kommt!) – Wo waren Sie gestern Nacht, als wir noch verhandelt haben? – Zurückgelehnt haben Sie sich, es war Ihnen wurscht, was da he­rausgekommen ist, Hauptsache, Sie sind dagegen! Es sind trotzdem Dinge erreicht wor­den, viele Dinge, die gut und positiv sind. (Abg. Kickl: Ihre Realitätsverweigerung ...!)

Ich denke, es ist auch Aufgabe der Opposition, dafür zu sorgen, wenn es notwendig ist und wenn die Regierung in Wahrheit nichts zusammenbringt, dass die Österreicherinnen und Österreicher von dieser Politik insgesamt profitieren und dass wir unser Land in eine gute, sichere und auch gesunde Zukunft führen. Das ist unsere Aufgabe, und da sollten Sie sich ein Beispiel nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

13.52



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 108

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.52.27

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es geht jetzt um dieses Gesetz, und wie wir ja alle leidvoll erfahren haben, wurde in den vergangenen Tagen beziehungsweise gestern im Westen die neue Sperrstunde ausge­rufen. Es ist jetzt wirklich interessant zu wissen, wer es eigentlich war: Waren Sie es als Gesundheitsminister, war es der Herr Bundeskanzler oder waren es dann doch die Lan­deshauptleute? Vielleicht könnten Sie uns noch eine Antwort darauf geben, denn es ist wichtig, zu wissen, wer das jetzt ermächtigt hat, wer diese Verordnung herausgegeben hat, weil es auch nicht nachvollziehbar ist.

Den ganzen Sommer über beziehungsweise schon im Frühjahr habe ich davon gespro­chen, dass gewisse Sektoren – vielleicht die Nachtgastronomie oder sonstige – eine spezielle Behandlung brauchen – eine spezielle Behandlung, einen Schutzschirm, ir­gendetwas, um sich vor diesen Clusterbildungen zu schützen. Den ganzen Sommer über habe ich von diesem Schutzschirm gesprochen. Es sind Sommerversäumnisse, denn den ganzen Sommer über hätte man sich darauf vorbereiten können, denn den ganzen Sommer über haben auch Sie selber gesagt, es wird eine zweite Welle kommen und die Kurven werden wieder steigen.

Nur, was haben Sie gemacht? – Es ist in dieser Hinsicht nichts gemacht worden und es ist im Grunde genommen keine Hinterhernachbesserei oder Besserwisserei, weil es ein­fach den ganzen Sommer ein Showteam war. (Abg. Deimek: Der Rudi war net ...!)

Wissen Sie, was ich als Unternehmer satthabe? – Da hat man Planungen, da glaubt man, es geht wieder bergauf, vor 14 Tagen sprach noch der Bundeskanzler davon, dass Licht am Ende des Tunnels ist – und wir alle haben gewusst, es ist der Zug, der uns entgegenkommt, aber nichts anderes. Er hat noch von positiven Signalen gesprochen, und 14 Tage später ist es ganz anders.

Wo sind Ihre Mathematiker? Wo sind Ihre Rechner? Den ganzen Sommer über haben Sie gesagt: Die zweite Welle wird kommen. Jetzt haben wir sie da und jetzt müssen wir mit der Schließung von Hotels und Restaurants um 22 Uhr den Wintertourismus retten. Wie absurd ist es? Das habe ich satt! (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe es satt, von einem Showteam von Politamateuren regiert zu werden. (Abg. Obernosterer: Na, na, na!) Ich habe mir das so aufgeschrieben: Ich habe es satt, dass Menschlichkeit als Emotionalität abgeschasselt wird. Ich habe es satt, von einem Hob­byfinanzminister und einem Nebenerwerbswiener regiert und in den Wahlkampf hinein­gezogen zu werden, nämlich in den Wiener Wahlkampf. Das habe ich satt. (Beifall bei den NEOS.) Ich habe es satt, dass wir einen Kanzler haben, dessen Formel nur aus Ich besteht. Das habe ich satt. Ich habe es satt, weil das, was Sie heute tun und unterlassen, die Menschen ins Nichts drängt, Unternehmer ins Nichts drängt.

Was aber ist eigentlich das Nichts? – Das Nichts ist nicht das Leere, Herr Minister, Frau Minister, das Nichts ist zum Beispiel das zehnte Gespräch beim Bankbeamten, wenn du als Unternehmer nicht weißt, wie du ein Dreizehntes zahlen kannst. Das Nichts ist die Scham, wenn du nach Hause kommst und deiner Familie ins Gesicht schaust und weißt, es geht nicht mehr lange weiter. Das ist das Nichts. Das Nichts sind die Momente, in denen du deinen Betrieb zusperren und den Schlüssel beim Vermieter abgeben musst. Das Nichts ist zum Beispiel auch das Buckeln vor den Kammerfunktionären und Regie­renden, denn wenn etwas passiert, wenn man nicht kuscht, dann wird gequerfeldet. Da setzt man sie ein bisschen unter Druck und dann kommen sie. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 109

Das Nichts ist für mich eigentlich auch die eingeschlafene Wut auf die herrschende Klas­se, die bei dir den Daumen nach oben oder nach unten lenkt. Das passiert. Wir können gerne darüber reden, Karlheinz (in Richtung Abg. Kopf, der seinen Kopf schüttelt), und ich werde dir bald einmal ein Beispiel dafür bringen, wo das so passiert.

Das Nichts ist für mich ein großes Gefühl, und verstehen kann man das nur, wenn man nahe bei den Unternehmen ist, bei den Menschen ist, die arbeitslos sind. Diese Regie­rung ist nicht nahe dran, und das ist Fakt. (Beifall bei den NEOS.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


13.57.15

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! In dieser Gesetzesnovelle, die wir heute beschließen, geht es darum, den grundrechtskonformen Rahmen zu sichern, dass wir wohldosiert und gezielt Maß­nahmen per Verordnung setzen können, wenn es denn notwendig ist.

Ein wesentliches Merkmal dieser Gesetzesnovelle ist, dass da zahlreiche Sicherungs­schleifen eingezogen worden sind. Eine der wichtigsten ist, dass gerade bei einschnei­denden Maßnahmen der Hauptausschuss des Nationalrates zustimmen muss. Es gibt aber auch andere Sicherheitsschleifen, wie zum Beispiel die rechtliche Verankerung der Coronakommission, die dazu verpflichtet ist, evidenzbasiert vorzugehen, die dazu ver­pflichtet ist, das Ganze transparent zu machen.

Sämtliche Verordnungen, sämtliche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein – und zwar in einem doppelten Sinn: Sie müssen erstens notwendig sein, und sie müssen zweitens für die konkrete Situation geeignet/wirksam sein, und das einerseits auf Bun­desebene, andererseits aber auch mit der Möglichkeit, differenziert für einzelne Regio­nen umgesetzt zu werden.

All diese Sicherungsschleifen sind ein ganz wesentliches demokratisches Element und ein ganz positiver Aspekt dieser Gesetzesnovelle. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Das ist auch ganz wichtig, denn es geht dabei natürlich um Fragen der persönlichen Freiheit und um deren Einschränkung. Wir alle wissen, die Freiheit ist unteilbar. Das klingt jetzt wie ein Widerspruch. Die Freiheit ist unteilbar, indem sie für jeden, der in unserem Land lebt, für jeden Menschen auf der Welt zutreffend sein muss, aber möglich ist das nur, wenn jeder Einzelne, jede Einzelne von uns tagtäglich bereit ist, auf einen Teil der eigenen Freiheit zu verzichten und damit für alle das Leben in Freiheit und Ge­sundheit und Entfaltung möglich zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Genau darum geht es, und wenn wir alle bereit sind, wenn es notwendig ist, einfache, gelinde Maßnahmen zu berücksichtigen, umzusetzen, dann werden wir auch weitere einschränkende Maßnahmen gelinde gesagt und hoffentlich nicht benötigen.

Das hat bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts mit einem Polizeistaat zu tun, sondern das ist Ausdruck einer solidarischen, gefestigten, handlungsfähigen demo­kratischen Gesellschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 110

14.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.00.22

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Direktor eines Gymnasiums in Wien hat gerade seine Klassenvorstände dazu verpflichtet, an der Schule drastische Maßnahmen gegen Schüler zu setzen, die gegen die Coronaauflagen verstoßen (Abg. Deimek: ... geht schon los!): Die Maskenpflicht und das Abstandhalten seien auch in den Pausen in der Klasse ständig streng zu überwachen und zu kontrollieren. Der Direktor verlangt von den Lehrern, dass sie Schüler, welche die Auflagen verletzen, vor der Klasse verwarnen. Die Eltern erhalten dazu noch eine schriftliche Verwarnung mit der Androhung von disziplinä­ren Maßnahmen bis hin zur Disziplinarkonferenz.

Bildungsminister Faßmann fordert gerade die Eltern per Brief auf, ihre Einwilligung zu Massenscreenings zu geben. Völlig gesunde Schüler sollen einfach Tests durchführen lassen! In der Kärntner Straße müssen sich die Leute vor einem großen Handygeschäft anstellen, sie dürfen nur noch nach dem Fiebermessen – wenn sie diesen Test passie­ren – eintreten. Völlig gesunde Menschen werden massenhaft in Quarantäne gesteckt – zwei Wochen Hausarrest mit täglichem Polizeibesuch unter Androhung strengster Strafe.

Und dann wird hier davon geredet, dass die Gesellschaft nicht gespalten wird! Es soll auch keine Coronablockwarte geben, sagt Frau Abgeordnete Schwarz. Die Stadt Wien sucht aber gerade Tausende Contacttracer – das ist für mich eigentlich der moderne Name für Coronablockwarte.

Ich muss der Bundesregierung wirklich gratulieren: Innerhalb weniger Monate – Sie sind ja nicht einmal ein Jahr im Amt – ist es Ihnen gelungen, die Bevölkerung in einen Zustand der Angst und Unterdrückung zu versetzen. Sie haben ein unbarmherziges Regime hochgezogen, und Sie haben viele, viele Menschen – Unzählige! – ins Unglück gesto­ßen und hören nicht auf damit.

Der Herr Minister ist nicht hier, aber er verschafft sich mit diesem Gesetzentwurf die Grundlage für exzessive Anschläge auf die Grundrechte der Bürger: auf die persönliche Freiheit, auf die Bewegungsfreiheit, auf die körperliche Integrität und auf die Erwerbsfrei­heit. Für all das, was er mit Verordnungen im Frühjahr schon durchgesetzt hat – bis zum Lockdown, den er verhängt hat, aber nicht hätte verhängen dürfen –, verschafft er sich jetzt die gesetzliche Grundlage. Jetzt hat er sich gerade hergestellt und hat hier von Hygienemaßnahmen, von Mund-Nasen-Schutz, Händewaschen und so weiter gespro­chen, und dass das im Gesetz stehen wird. Frau Rendi-Wagner spricht von einem ver­besserten Gesetz, dem sie jetzt konstruktiv die Zustimmung geben würde.

Was aber ist denn im Gesetz bitte enthalten? – Da sind Ausgangsverbote bis zum kompletten Lockdown drinnen, da sind Betretungsverbote für den öffentlichen Raum drinnen – für einzelne, bestimmte Plätze, aber auch für den gesamten öffentlichen Raum. Da sind auch für den privaten Bereich Betretungsverbote drinnen, nämlich für private Vereine, Arbeitsstätten, Betriebe – die wird man sich ansehen, jeder kann jetzt kontrolliert und besucht werden, jeder muss mit Behördenbesuch rechnen, es kann alles verordnet werden. Die Maskenpflicht für Angestellte, das Abstandhalten: alles kann ver­ordnet und die Betriebe können willkürlich schikaniert werden. Wir dürfen jetzt auch pri­vate Pkws nicht mehr ohne Weiteres benutzen, das kann uns vollkommen untersagt werden. Wie wir wissen – das hat Bundeskanzler Kurz ja gesagt –, fährt das Virus gerne mit dem Auto. Das nennt der Herr Gesundheitsminister hier eine demokratiepolitische Verbesserung – sehr vielsagend.

Die Bundesregierung ignoriert, dass man jetzt – nach einem halben Jahr – Gott sei Dank weiß, dass das Coronavirus nicht so gefährlich ist wie befürchtet. Es wird sich im Bereich der Influenza oder leicht darüber einpendeln, aber das will man nicht wissen. Man tut mit diesem Gesetz, das heute hier beschlossen wird, so, als wäre das Coronavirus die Pest und als habe man dazu noch kein Wissen erlangt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 111

Das Gesetz ist inhaltlich vollkommen unbestimmt, es sind alle Maßnahmen unverhältnis­mäßig. Es wird lediglich an der angeblichen Überbelastung des Gesundheitssystems aufgehängt, die drohe, was überhaupt nicht stimmt. Im März betrug die Auslastung der Intensivstationen maximal 26 Prozent. Wir haben sehr viele Plätze. Und wenn Sie das schon befürchten, dann hätten Sie im Sommer einfach zusätzliche Kapazitäten geschaf­fen!

Das zweite Kriterium sind die Infektionszahlen, und da geht es bitte nicht um Kranke, da geht es rein um positive Tests. Die zweite Welle testet man sich ja gerade herbei. Es wird verzweifelt getestet, es sind trotzdem leider nur 0,08 Prozent der Österreicher posi­tiv getestet – darunter dann viele gesund und sehr wenige krank –, aber man möchte das alles nicht wahrhaben. Man will eben die zweite Welle haben. Man möchte sich die exponentielle Steigerung herbeitesten, den Katastrophenzustand. Man hat sich auch die Reisewarnungen schon herbeigetestet. – Und dann wollen Sie sich als Retter der Wirt­schaft ausgeben!

Der Herr Gesundheitsminister kommt aus meinem Bundesland, aus Oberösterreich. Dort hat sich die Ärztekammer zusammengerauft, sie hat Mut gefasst und gesagt: Es gibt keine zweite Welle!, sie hat festgestellt: Es gibt eine Testwelle, und zwar einen Testtsu­nami. – Sie ist dafür, Tests nur bei Menschen mit ernsthaften Krankheitssymptomen durchzuführen, nur dafür seien diese Tests auch geeignet. Sie pocht auf Vernunft und Eigenverantwortung und sie fordert dazu auf, dass sich die Politik aus der Medizin he­raushalten soll.

Ja, es werden im Herbst und im Winter wieder mehr Menschen ernsthaft erkranken, wieder mehr Menschen sterben, so wie jedes Jahr. Es sterben übrigens in Österreich jährlich über 80 000 Menschen, die wenigsten davon am Coronavirus; in den nächsten Jahren wird aber vielleicht ein Teil am Coronavirus sterben. Wir müssen mit dieser Infek­tionskrankheit leben, so wie auch mit anderen bereits bestehenden.

Die Maßnahmen im Gesetz sind allesamt unverhältnismäßig, nicht gerechtfertigt, und man muss der Regierung wirklich noch einmal Folgendes mitgeben: Es ist nicht das Virus, das derzeit und in den kommenden Monaten die Wirtschaft zerstört, den Arbeits­markt zerstört, unsere Grundrechte, den Wohlstand, die Gesellschaft zerstört – unsere Kinder müssen in einem solchen Klima der Angst leben –, es ist die Bundesregierung, die das zerstört, auch mithilfe dieses Gesetzes, das hier beschlossen wird, und daher ist es auch gerechtfertigt, der Bundesregierung hier das Misstrauen auszusprechen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.07.11

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin seit über 20 Jahren Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet öffentliches Recht. Ich habe etliche Gesetzwerdungsprozesse mitverfolgt. Ich habe für die Rechtsanwaltskammer in diesen 20 Jahren auch einige Gesetze begutachtet und ich muss sagen, ich hätte mir gewünscht, dass Regierungen, die damals anders zusammengesetzt waren, einen der­artig intensiven Prozess durchgeführt hätten, so intensiv auf Kritik gehört hätten und so viele Vorschläge, die im Begutachtungsprozess gemacht wurden, aufgenommen hätten, wie dies bei diesem Gesetz der Fall war. (Abg. Angerer: Da musst du zuerst so ein schlechtes Gesetz machen!)

Ich habe oft genug erlebt, dass nach einem Begutachtungsverfahren einfach drüberge­fahren wurde, ursprüngliche Gesetzentwürfe völlig unverändert durchgezogen wurden,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 112

mit dem Ergebnis, dass so manches Gesetz aus der Ära von Schwarz-Blau vor dem Verfassungsgerichtshof nicht gehalten hat. Vielleicht ist das auch ein Stück grüne Hand­schrift (Ruf bei der SPÖ: Ja, sicher!), dass Kritik gehört wird, dass Vorschläge angenom­men werden, dass mit Parteien verhandelt wird, und zwar so lange, bis es auch möglich ist, dass einmal eine Oppositionspartei bei einem solchen Gesetz mitgeht.

Was wird mit diesem Gesetz geschaffen? – Kein Unterdrückungsinstrumentarium, kei­ne – ich weiß nicht – Abschaffung der Grund- und Freiheitsrechte, wie die FPÖ behaup­tet, offensichtlich ohne das Gesetz überhaupt gelesen zu haben, und mittlerweile, zu meinem großen Bedauern, auch die NEOS insinuieren, sondern: Der Herr Gesundheits­minister bekommt einen sehr ausdifferenzierten Werkzeugkasten zum Umgang mit der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren, mit einer ausführlichen Gebrauchsanleitung, was er mit welchem Werkzeug tun darf, wann er es einsetzen darf und wann nicht. Das nennt man ein gscheites Gesetz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.10.02

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren – auch die Fernsehzuseher –, der heutige Tag ist ein trauriger Tag für die Demokratie in Österreich. Die Republik wird mit den jetzt anstehenden Beschlüssen eine andere sein. Der demokratisch-freiheitliche Rechtsstaat wird massiv angegriffen und bekommt massive totalitäre Züge. Wir haben dann den starken Staat, der in die kleinsten Lebensbereiche des Bürgers eingreifen kann und will – das sind eigentlich Tendenzen und Strömungen, die wir so in der Geschichte der Zweiten Republik bisher nicht gekannt haben –, obwohl es eigentlich einen Grundkonsens gab, dass wir solche überschießen­den Maßnahmen nicht wollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Grundrechte werden massiv beschnitten, und die Gewaltenteilung wird, wie wir ge­hört haben, mit den Vollmachten, die der Herr Gesundheitsminister bekommt, auch teil­weise ausgehebelt. Anschober wird zum mächtigsten Mann dieser Republik, der mittels Verordnungen herumfuhrwerken kann, wie es ihm gefällt, und das Leben der Bürger massiv beeinträchtigen kann. Meine Damen und Herren, Bezirksverwaltungsbehörden, die BHs, können dann zur Kontrolle der Einhaltung der ganzen Coronaauflagen Betriebs­stätten, Arbeitsorte und bestimmte Orte betreten und in allen Unterlagen herumschnüf­feln – ohne richterlichen Beschluss! Das ist ein Skandal – und das wird man wohl auch noch sagen dürfen –, das ist eine Sauerei, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann es ja nicht sein! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Sauerei?! – Herr Präsi­dent!)

Den Menschen kann sogar die Benützung des eigenen Autos verboten werden. Es kön­nen generelle Ausgehverbote verfügt werden – das heißt nichts anderes, als dass die Menschen unter Hausarrest gestellt, zum Verbleib in ihren Privatwohnungen oder Häu­sern gezwungen werden können. Dazu gibt es dann großzügige Ausnahmen des groß­zügigen Herrn Ministers – fünf sind es; ich glaube, sie wurden heute noch nicht im Detail besprochen. Ich lese sie kurz vor:

Ausnahme eins – um den privaten Bereich zu verlassen, damit man also sein eigenes Haus, seine eigene Wohnung überhaupt verlassen darf –: „Abwendung einer unmittelba­ren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum“. – Danke, sehr großzügig, Herr Minister, dass die Menschen ihr Haus verlassen dürfen, wenn es brennt! Das ist ja wirklich sehr, sehr


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entgegenkommend von Ihnen: Wenn die Hütte brennt, dann darf ich das Haus verlassen, sonst nicht.

Ausnahme zwei: „Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Perso­nen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten“. – Danke, dass ich Menschen, die meine Hilfe brauchen, auch helfen darf, wenn das vielleicht die Groß­eltern sind!

Ausnahme drei: „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“. – Danke, dass ich mir etwas zu essen kaufen darf, Herr Anschober! Sehr großzügig von Ihnen!

Ausnahme vier: „berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist“. – Ja danke, dass jene Menschen, die noch arbeiten dürfen und trotz Ihrer Maßnahmen noch Arbeit haben, zur Arbeit hinfahren oder hingehen dürfen!

Und das Letzte natürlich: „Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erho­lung“. – Das ist auch ein Ausnahmegrund. Wie großzügig! Statt dass Sie als Gesund­heitsminister hergehen und den Menschen sagen: Ihr könnt euer Haus immer verlassen, ihr könnt euch immer im Freien aufhalten, auch ausgedehnte Wanderungen machen!, denn das stärkt ja bekanntlich das Immunsystem und das psychische Wohlbefinden, ist das bei Ihnen eine Ausnahme, die man begründen muss, damit man das Haus verlassen darf. Das ist nicht mehr normal, sehr geehrter Herr Minister Anschober! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Verordnungschaos geht so weit – jetzt ab­gesehen von dem, was wir heute beschließen –, dass die neue COVID-19-Maßnahmen­verordnung – so heißt sie jetzt –, die am Montag in Kraft getreten ist, auch vorsieht, dass das Vereinsleben massiv beeinträchtigt wird, dass man Vereinssitzungen nicht einmal mehr in einem Gasthaus abhalten darf, wenn mehr als zehn Personen teilnehmen. Das heißt also, dass nicht einmal ein Stammtisch eines Sparvereins stattfinden darf. – Das geht ja nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dann sagen Sie auch noch ernsthaft – das haben fast alle Rednerinnen und Redner der schwarz-grünen Koalition hier betont –: Na ja, wir wollen das ja gar nicht anwenden, wir brauchen es ja nur für den absoluten Notfall. – Na natürlich wollen Sie es anwenden, sonst würden Sie es ja nicht machen! Diese Beteuerungen: Wir machen das ja eh nicht!, erinnern mich stark an den historischen Ausspruch: „Niemand hat die Absicht, eine Mau­er zu errichten!“ – Sie werden diese Karte also sehr wohl ziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Angesichts dieses Machwerks müssen ja bei jedem Demokraten, bei jedem Abgeord­neten – und ich fordere Sie auf, vom freien Mandat Gebrauch zu machen – die Alarmglo­cken schrillen. Den einzigen Applaus, den Sie dafür wirklich bekommen, ist vielleicht jener von Engelbert Dollfuß – wo auch immer dieser Herr jetzt ist, meine Damen und Herren. Das hat mit einer Demokratie nichts zu tun.

Nebenbei haben Sie dann noch die Ampel, mit der Sie herumfuhrwerken und herum­schalten und herumblinken und mit der Sie in Wien jetzt auch die Hotellerie weiter schä­digen.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist leider abgelaufen, ich möchte nur eines noch sagen: Ich möchte nicht auf uns sitzen lassen, dass Sie jetzt jeden, der eine andere Meinung vertritt, als Coronaleugner hinstellen – das ist ja keine Glaubensfrage, und nie­mand leugnet die Existenz von Sars-Cov-2 –, dass Sie uns als Verharmloser hinstellen, dass Sie die Menschen, die andere Zugänge haben – und dazu gehören hochrangige Professoren aus den Bereichen der Virologie und der Epidemiologie – als Covidioten bezeichnen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 114

Wir brauchen also endlich einen offenen, breiten Diskurs, einen wissenschaftlichen Dis­kurs – und wir sind konstruktiv; Kollegin Fürst hat auch eine Stellungnahme einge­bracht, meine Damen und Herren.

Also, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete: Bekämpfen Sie die Ausbreitung des Virus – das wollen wir alle –, aber bekämpfen Sie nicht die Menschen! Der vorliegen­de Gesetzentwurf aber ist ein Machwerk zur Bekämpfung der Menschen und zur Abschaf­fung und weitestgehenden Aufweichung unserer Grundrechte. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Deimek: Die Arbeitslosen ...!)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich darf bitten, das Wort „Sauerei“ in den Reden nicht mehr zu verwenden. Der Ausdruck Schweinerei ist genauso wenig erwünscht. Es gibt Möglichkeiten, das zu umschreiben. Für Ferkelei gab es meines Wissens noch keinen Ordnungsruf.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.16.45

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident, einen Ordnungsruf hätte ich mir für dieses Wort schon erwartet – aber wenn schlechtes Benehmen einen Namen hat, dann ist das Amesbauer, und mehr Zeit verwende ich dafür jetzt nicht, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich erinnere alle, die vielleicht ein bisschen an Gedächtnisschwund leiden: Im März, als dieser Zweiseiter (ein Schriftstück in die Höhe haltend) beschlossen wurde, waren wir alle dabei. Wir haben dieses erste Covid-Gesetz hier gemeinsam beschlossen. (Abg. Kickl: Aber wir im Unterschied zu Ihnen mit viel Bauchweh!) – Auch Sie, Herr Kickl, waren dabei. (Abg. Kickl: Ja, mit viel Bauchweh!)

Dann ist natürlich einiges passiert – da bin ich jetzt bei einigen Vorrednerinnen und Vor­rednern –: diese Verordnungen, die dann teilweise erfolgt sind, ausgerufen wurden, auf Pressekonferenzen verkündet wurden, in deren Folge die Leute nicht mehr gewusst haben: Was darf ich jetzt eigentlich, was darf ich nicht? Wer bestraft mich, wer bestraft mich nicht? Wie darf ich meine Wohnung verlassen und wie nicht? Oder, wie es der Herr Bundeskanzler ausgedrückt hat: Wenn die Frauen es zu Hause gar nicht mehr aushal­ten, ist es keine Schande, die Kinder in die Schule zu bringen! – Die Schulen waren zu. Oder waren sie nicht zu? – Also niemand hat sich mehr ausgekannt.

Das heißt, dieser gemeinsame Beschluss vom März hat viele Verordnungen zur Folge gehabt, die nicht gut, nicht gut für die Leute draußen waren. Das musst sogar du, August Wöginger, zugeben.

Jetzt ist es so, dass wir gemeinsam – leider nicht alle Fraktionen, und das bedaure ich – diesen Murks von damals reparieren: in einer Novelle, in der gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die vorher nicht da waren. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Es gab also einen Wildwuchs, einen Murks an Verordnungen und kein Reglement und keine Regeln, die auf einer gesetzlichen Basis gefußt haben. Genau eine solche schaffen wir jetzt, und aus Verantwortung, aus Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, ist die Sozialdemokratie da dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist jetzt Schluss mit dieser Verwirrung, weil wir mitreden können. Auch wenn andere Fraktionen dauernd sagen, dass das nicht der Fall wäre: Ich habe es so verstanden – und ich kann das guten Gewissens mittragen –, dass das der Fall ist.

Es ist auch nicht gut, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es noch immer nicht gelungen ist, dass Menschen, die über 8 oder mehr Stunden in Berufen arbeiten, in denen sie Maske tragen müssen, eine Pause machen dürfen, in der sie die Maske ab­nehmen, und trotzdem diese Arbeitszeit bezahlt bekommen. Es ist daher ganz wichtig,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 115

dass wir heute noch einmal darüber diskutieren, und ich werde jetzt einen Antrag dazu einbringen. Ob der Handel jetzt 20 Millionen Euro Entgang hat oder nicht, ist mir völlig wurscht (Ruf bei der ÖVP: Das glaub’ ich!), es geht um die Menschen, die im Handel arbeiten, es geht um die Menschen, die in der Pflege, im Tourismus, in der Gastronomie arbeiten und die Maske tragen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir deswegen wurscht, weil es doch hieß: Koste es, was es wolle!, und diese 20 Mil­lionen Euro – wenn das überhaupt stimmt – auch noch aufzubringen sind.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein und appelliere an Sie alle:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einfüh­rung einer Maskenpause“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der geregelt wird, dass bei Arbeiten, bei denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeordnet ist, jeweils nach zweistündiger Tragedauer Kurzpausen von 15 Minuten zu gewähren sind und, dass diese Pausen als Arbeitszeit gelten.“

*****

Bitte gehen Sie da mit! (Beifall bei der SPÖ.)

14.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Gabriele Heinisch-Hosek, Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Einführung einer Maskenpause

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gesundheitsausschusses (370 d.B.) über den Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950, das Tu­berkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (826/A)

Der Mund-Nasen-Schutz ist mittlerweile Teil unseres Alltags geworden. Oft brauchen wir ihn aber nur für eine kurze Zeit, sei es etwa während einer Fahrt mit der U-Bahn, im Bus oder Zug. Auf vielen Arbeitsplätzen gibt es keine Verpflichtung eine Maske zu tragen. Allerdings: Es gibt eine große Anzahl von ArbeitnehmerInnen, die acht Stunden und länger eine Maske tragen müssen – Handelsangestellte, KellnerInnen, Pflegepersonal, Personal im öffentlichen Verkehr usw., da in diesen Bereichen durch technische oder organisatorische Maßnahmen oftmals kein ausreichender Schutz zur Minimierung des Infektionsrisikos getroffen werden kann.

Wer den Mund-Nasen-Schutz den ganzen Arbeitstag tragen muss, der fühlt sich nicht wohl und kann gesundheitlich Schaden nehmen.

Unter der Maske hat man das Gefühl nur schlecht Luft zu bekommen. Die Haut unter dem Stoff wird feucht, die Schleimhäute im Mund wiederum trocknen aus. Wer eine Brille


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 116

trägt, dem beschlagen die Gläser von der ausgeatmeten Luft, die hinter der Maske auf­steigt.

Die Probleme verschärfen sich noch, wenn die Maskenträger körperlich hart arbeiten müssen, zum Beispiel in der Gastronomie, im Handel oder in Pflegeberufen. Der an­strengende Job im Supermarkt wird durch das Tragen der Maske noch anstrengender. Ein Beispiel: Ein/e Supermarktangestellte/r verräumt täglich über eine Tonne Obst und Gemüse. Das sind zirka 200 Kisten. Und das mit Maske. Ohne Pause.

Studien haben ergeben, dass der Kohlendioxid-Gehalt im Blut steigt, wenn die ausgeat­mete Luft aufgrund des erhöhten Luftwiderstands in der Maske nicht ausreichend entwei­chen kann. Dann kommt es zur Übersäuerung des Blutes, Kopfschmerzen und Schwin­delgefühle sind die ersten Anzeichen.

Nach zwei Stunden Arbeit soll es daher eine Maskenpause von 15 Minuten geben, damit die Beschäftigten durchschnaufen können. Die ganze Republik hat die Corona-Heldin­nen und -Helden beklatscht. Jetzt braucht es endlich eine Erleichterung für diese.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zu übermitteln, mit der geregelt wird, dass bei Arbeiten, bei denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeordnet ist, jeweils nach zweistündiger Tragedauer Kurzpausen von 15 Minuten zu gewähren sind und, dass diese Pausen als Arbeitszeit gelten.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.20.39

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Pressekonferenzen, Verordnungen, Politik durch Zuruf, Interviews: Der ganze Coronawahnsinn, ausgelöst von dieser Bundesregierung, hat dazu geführt, dass sich die Menschen in unserem Land nicht mehr auskennen, dass Unsicherheit herrscht, dass Unruhe herrscht. Die Menschen kennen sich nicht mehr aus: Maskenpflicht – nein, ja? Osterbesuch erlaubt – nein, ja? Coronaampel: Ist sie gelb, ist sie grün? Wann tritt sie in Kraft?

Herr Bundesminister Faßmann hat übrigens eine eigene Coronaampel entworfen, da hat es die andere noch gar nicht gegeben. Schule auf, Schule zu, Schule auf, Schule zu – absolutes Chaos an unseren Schulen! Schuldirektoren, die mit ihren Schülern Zwangs­testungen durchführen lassen wollen, obwohl das nicht möglich ist, obwohl sie das nicht veranlassen dürfen (Abg. Kickl – in Richtung Bundesminister Anschober –: Da lacht er! Da lacht er!); Bundesminister Faßmann, der Massentests und Screenings an den Schu­len anordnet, wobei den Schülern ganz bewusst suggeriert wird, sie müssten daran teil­nehmen, obwohl das nicht stimmt! – Nein, sie müssen nicht daran teilnehmen – nur wenn die Eltern zustimmen, nur wenn es freiwillig passiert!

Bei all dem Wirrwarr, bei all diesem Chaos kann doch niemand mehr behaupten, dass das alles gewollt ist; und wenn doch, dann, sage ich Ihnen, will diese Regierung ganz einfach Bürgerrechte und Freiheitsrechte beschneiden. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 117

Wir haben in den vergangenen Wochen unzählige Schreiben, unzählige Anrufe von be­unruhigten Eltern erhalten, die sich um ihre Kinder Sorgen machen. Sie machen sich Sorgen um deren Ausbildung in unseren Schulen. Sie machen sich Sorgen um deren Fortkommen. Sie haben Angst, dass ihre Kinder durch die von der schwarz-grünen Bun­desregierung angerichtete Coronapanik seelischen, physischen und sozialen Schaden erleiden.

Hohes Haus! Kinder müssen eigene Erfahrungen machen. Sie müssen eigene Erfahrun­gen sammeln. Sie brauchen Räume, um sich zu entwickeln. Sie müssen Selbstvertrauen aufbauen, und es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, unsere Aufgabe als Eltern, sie auf diesem Weg zu begleiten. Wir müssen sie durch diesen schulischen Werdegang an der Hand führen. Natürlich wollen wir Erwachsene unsere Kinder vor Unheil schützen, aber das geht nur dann, wenn wir nicht unsere Ängste, unsere Besorgnis, unsere Unru­he, unsere Zweifel an sie weitergeben.

Wenn diese schwarz-grüne Bundesregierung durch ihre Politik, durch ihr Handeln unse­re Schüler durch Angst machende Maßnahmen einerseits verunsichert und andererseits kontrollieren und überwachen will, dann werden unsere Kinder in ihrer Psyche, in ihrem Geist, in ihrer Seele, in ihrer Lebenskraft beeinflusst und angegriffen. Sie verlieren Ener­gie, sie verlieren Mut, sie verlieren Fähigkeiten. Es muss daher eine Umkehr in dieser Denkweise geben, Hohes Haus!

Unsere Kinder brauchen Kraft. Sie brauchen Energie, sie brauchen Lebensfreude. Sie dürfen nicht zur verlorenen Bildungsgeneration werden. Unsere Kinder brauchen keine neue Normalität an unseren Schulen, unsere Kinder brauchen die gewohnte Normalität an unseren Schulen. Sie brauchen einen normalen Unterricht. Lassen Sie unsere Kin­der wieder lachen!

Herr Bundesminister, zum Abschluss noch: Sie haben einen Abgeordneten dieses Hau­ses als „Chefcoronaleugner“ bezeichnet, die Person von Klubobmann Herbert Kickl. Ich darf Ihnen schon sagen: Ich werte das als ein Zeichen der Schwäche, weil Ihnen offenbar die Argumente ausgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eines gebe ich Ihnen mit: Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, aber immer dann, wenn es für Sie schwierig ist oder wenn es für diese Regierung schwierig ist, lässt Sie Ihr Koalitionspartner und lässt Sie der Bundeskanzler gerne allein im Regen stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als nächster Redner ist Dr. Werner Saxinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.25.04

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Minister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde immer wieder gefragt: Was ist denn eigentlich so gefähr­lich am Coronavirus? Warum macht man denn das alles? Und ich sage dann wohlüber­legt und faktenbasiert, wie man das von mir als Arzt und wie man das prinzipiell von einem Mitglied des Hohen Hauses erwartet: Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wir brau­chen keine Angst zu haben, aber wir müssen sehr achtsam sein.

Das Covid-19-Virus hat nämlich einige Besonderheiten und das sollten wir alle mittler­weile, nach sechs Monaten intensiver Beschäftigung, wissen: Bei Infizierten können Viren in hoher Zahl schon ein bis zwei Tage vor den ersten Symptomen anstecken; das heißt, wir sehen nicht, ob diese Person coronainfiziert ist. Es gibt bei Corona auch keine Warnsymptome, keine roten Augen und keine rinnende Nase. Das macht Covid sehr heimtückisch und die Unterdrückung der Ansteckung schwer.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 118

Was wir schon gehört haben: Die Sterblichkeit bei Covid wird gerne mit jener bei Grippe verglichen. Sie ist zehnmal höher als bei der Grippe (Abg. Stefan: Wer sagt denn das?) – alles faktenbasiert –, und wir haben im Gegensatz zur Grippe keine entsprechende Im­munität (Abg. Stefan: Wo kann man das nachlesen? Wo steht denn das? Ich würde das gerne nachlesen! – Ruf bei der FPÖ: Aus welcher Quelle zitieren Sie?), keine Impfung und nur sechs Monate Wissen. Das sind Fakten. Das ist wichtig, um zu verstehen und die Maßnahmen auch mitzutragen. (Abg. Stefan: Das ist absurd! Das stimmt ja nicht! Es ist genau das Gegenteil!) Ich kann Ihnen versichern, aus diesem Wissen heraus denken und handeln wir sehr ausgewogen und verhältnismäßig. Wir haben in den letzten Monaten auch viel dazugelernt oder sollten viel dazulernen.

Wir wissen mittlerweile, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, dass Masken schützen. Das ist durch zahlreiche Studien belegt und sollte auch den Maskenphobikern im Hohen Haus und den Wissenschaftsfeindlichen klar sein. (Abg. Kickl: Sie zitieren ja nicht einmal ordentlich! Sie nennen nicht einmal Ihre Quellen!) Masken schützen auch den Träger. Optimal ist, wenn beide Masken tragen, das reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung um 80 Prozent. (Abg. Kickl: Wo steht das?) Viele Ärzte tragen seit Jahrzehnten auch für viele Stunden bei Operationen Masken – ohne Schaden. 80 Pro­zent der Bevölkerung halten es laut neuesten Umfragen auch für notwendig und ange­messen, dass die Maske im öffentlichen geschützten Raum getragen werden muss.

Noch wirkungsvoller ist ein Maßnahmenmix bestehend aus Maske, Abstandhalten, Hy­giene, einem funktionierenden Contacttracing, also dem Nachverfolgen einer begrenz­ten Anzahl von Teilnehmern an Veranstaltungen (Abg. Kickl: ... müssten wir alle da­heimbleiben!), und auch Beschränkungen von Reisen in Länder mit hohen Infektions­zahlen. Mit diesen Maßnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hoffen wir, Corona im Griff zu behalten und einen möglichen Kollaps zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Noch etwas haben wir gelernt: Wir werden aufpassen, dass keine sogenannten Kollate­ralschäden auftreten (Abg. Brückl: Haben wir ja schon!), das heißt, dass wichtige Unter­suchungen und nötige Therapien und Operationen nicht wegen Corona verschoben wer­den und durch Nichtbehandlung kein Patient zu Schaden kommt.

Ich möchte den Zusehern auch sagen: Fürchten Sie sich nicht vor Ordinationen und Spitälern, vor einer Ansteckung dort! Das sind sichere Orte. Wir wissen dort gut, wie man mit Corona umgeht.

Eines ist mir auch noch wichtig. Es heißt immer: Passen Sie auf die Gesundheit auf und passen Sie auf die Wirtschaft auf! – Man kann das nicht trennen. Je stärker der Anstieg der Infektionen ist, desto schwerer ist auch die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Was heißt es denn, wenn viele infiziert und krank sind? – Beschäftigte sind nicht in den Betrieben, es gibt weniger Leute, die einkaufen gehen (Zwischenruf des Abg. Stefan), und es gibt auch mehr Reisewarnungen aus dem Ausland, ob wir das wollen oder nicht. Das heißt: Gesundheit und Wirtschaft sind gekoppelt, und eine schwere Gesundheits­krise ist auch unmittelbar eine Wirtschaftskrise. Wir haben also gar keine andere Wahl, als gewisse Maßnahmen zu treffen, und die ausgewogenen Inhalte im Covid-Gesetz sind die Grundlagen dafür.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage ganz klar: Wir wollen den Lockdown mit allen Mitteln verhindern, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Wir wollen die Schu­len unbedingt offen halten, und wir bemühen uns, eine Verhältnismäßigkeit bei den Maß­nahmen an den Tag zu legen. Es heißt, achtsam zu sein und einige Regeln zu beachten; aber nur, wenn wir alle mittun, werden wir diese Krise gut meistern, und es liegt an uns allen. Also Maske auf und mittun! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 119

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön.


14.29.46

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungs­bank! Ich bin Gewerkschafter und ich bin Betriebsrat (Ruf bei der ÖVP: Das weiß ich!), und jedes Mal, wenn irgendwelche Maßnahmen vonseiten des Unternehmens oder vom Chef gesetzt werden, habe ich zwei Möglichkeiten:

Möglichkeit eins ist: Ich kann schreien, ich kann das Ganze verteufeln, mich zurückleh­nen und darauf warten, was kommt. Das geht auf, ich habe die Klatscher auf meiner Seite, momentan – wenn aber dann die Maßnahmen kommen, habe ich die Klatscher nicht mehr auf meiner Seite, dann gibt es Betroffene und dann werden sie mich dafür verantwortlich machen.

Möglichkeit zwei ist: Ich kann verhandeln. Ich kann versuchen, für die Betroffenen das Beste herauszuholen, ich kann versuchen, diese Maßnahmen massiv zu ändern. (Abg. Kickl: Was war denn das bei eurer Sondersitzung? Was war das bei der Sondersit­zung?) – Ich weiß, dass du dich aufregst, Kollege Kickl, weil es dich trifft, denn du hast nichts zu bieten! (Abg. Kickl: Was war das?) Du hast in deiner ganzen Rede, in den ganzen 10 Minuten, in denen du geredet hast, nicht einen einzigen Vorschlag gemacht. Ihr habt nichts, das ist das Problem der FPÖ, meine Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Wir haben versucht, diesen Gesetzestext, der vorgelegt wurde, zu ändern, und wir haben viele Maßnahmen erreicht, meine Damen und Herren. Wir haben erreicht, dass es eine klare zeitliche Befristung des Gesetzes mit 30.6.2021 gibt. (Abg. Kickl: Ist das verlänger­bar?) Es war der 31. Dezember vorgesehen, und wir haben erreicht, dass es der Juni wird. (Abg. Kickl: Unglaublich!) Wir haben mit den Letztverhandlungen, die noch gestern stattgefunden haben – wo auch keiner von euch dabei war, weil euch das Ganze nicht interessiert, Kollege Kickl –, erreicht, dass da auch der Hauptausschuss mit reingenom­men werden kann. (Abg. Kickl: Wer hat denn da die Mehrheit?!) Das heißt, wir haben in den Verhandlungen wirklich erreicht, dass viel geändert wird. Wir haben erreicht, dass es im Gegensatz zum vorhandenen Entwurf eine stärkere Einbindung des Parlaments gibt. Wir haben erreicht, dass es eine deutliche Einschränkung der behördlichen Kontroll­befugnisse gibt. Wir haben erreicht, dass es eine zeitliche Maximalbegrenzung für frei­heitsbeschränkende Verordnungen gibt, meine Damen und Herren! Wir haben viel ge­macht.

Uns ist aber auch klar, Kollege Kickl, dass wir eine Pandemie haben. Und ich denke, du kennst den Unterschied zwischen Epidemie und Pandemie nicht. Du hast die Grippe angesprochen. – Die Grippe ist eine Epidemie, und eine Epidemie bewegt sich meist im regionalen Bereich mit begrenzten Zahlen. (Abg. Kaniak: Die gibt es nur in Österreich, oder was?! – Heiterkeit des Abg. Wurm.) Eine Pandemie geht laut WHO über zwei Kon­tinente. Das heißt, wir haben eine weltweite Pandemie, die wir nicht im Griff haben. Bei der Grippe hingegen, meine Damen und Herren, gibt es Mittel: Man kann sich gegen die Grippe impfen lassen und es gibt schon Medikamente, die gegen die Grippe helfen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Gegen Corona haben wir noch nichts, und daher ist es notwendig, Maßnahmen zu setzen, um dieses Virus einzudämmen, meine Damen und Herren, gleichzeitig aber auch Maßnahmen zu setzen, die auch der Bevölkerung dienen und bei denen es nicht wie im Erstentwurf zu diesen Maßnahmen kommt, wie auch ihr (in Richtung ÖVP weisend) sie vorgehabt habt – und da, glaube ich, haben wir etwas Gutes ausverhandelt.

Ein Problem, meine Damen und Herren, haben wir noch, und das sage ich als Senioren­sprecher: Es passiert schon wieder, dass in Seniorenheimen, wo ein positiver Fall auf­tritt, das komplette Heim gesperrt wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 120

Werter Herr Gesundheitsminister – ich habe dahin gehend schon wieder mehrere Mails und Anrufe erhalten –, bitte mach mit den Landeshauptleuten eine einheitliche Regelung für Österreich, sodass es nicht mehr möglich sein kann, dass die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Alten- und Seniorenheime über Wochen weggesperrt werden, weil es einen einzigen Fall gibt! (Beifall bei der SPÖ.) Diese Verantwortung liegt bei dir, Rudi, und ich hoffe, dass du die entsprechenden Schritte auch setzen wirst. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Eva-Maria Himmelbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.33.18

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es war uns allen bewusst, dass das heute eine aufgeladene und auch eine emo­tionale Debatte werden wird, und das ist auch klar. Die letzten Monate waren für so viele Menschen in unserem Land eine sehr herausfordernde Zeit und haben uns, den Fa­milien, den Unternehmen, den Arbeitnehmern, den Landwirten – von jung bis alt – auch sehr vieles abverlangt. Wenn ich so in die Runde schaue oder zumindest an die Rede­beiträge denke, an das, was uns daraus verbindet, dann erkenne ich, dass sich jeder wünscht, glaube ich, dass die kommenden Monate besser werden, dass sich das auf einem niedrigen Niveau stabilisiert.

Leider ist es dennoch so, das sehen wir, dass die Tendenz nach oben geht, dass es mehr Infektionen gibt, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen Ländern in Europa. Das muss uns auch zu denken geben und das muss uns auch zum Handeln auffordern, und deswegen bedarf es auch der heutigen Beschlüsse, der Über­arbeitung des Epidemiegesetzes oder auch des COVID-19-Maßnahmengesetzes. Beide sind wichtige gesetzliche Grundlagen, die für uns Handlungsanleitungen für die kom­menden Monate sind, aber vor allem auch für den Ernstfall, wenn es so weit kommt.

Es geht ums Gesundheitswesen, ganz klar, und ich glaube, ich kann sagen – wie es auch meine Kollegen vorhin gesagt haben –: Natürlich haben wir in den letzten Monaten, seit dem Frühjahr dazugelernt; es wäre traurig, wenn nicht. Wenn man aber nach Spa­nien, Frankreich, Israel schaut – denn auch diese Länder haben dazugelernt –, auf die Zahlen, die dort in die Höhe gehen, und darauf, was das für das Gesundheitswesen bedeutet, dann muss uns das zu denken geben.

Es geht aber genauso auch um die Wirtschaft. Wir dürfen nicht naiv sein, sondern wir müssen auch erkennen, dass hohe Infektionszahlen auch wirtschaftlichen Schaden be­deuten, weil eben Reisebeschränkungen auf uns zukommen, weil eben auch der Touris­mus, ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, darunter leidet, weil auch Unsicherheit bei den Konsumenten herrscht.

Österreich setzt maßvolle Maßnahmen, was man erkennt, wenn man so auf die europäi­sche Lage blickt, und wir bewerten die Situation tagtäglich aufs Neue. Mit dem Epidemie­gesetz und auch mit dem COVID-19-Maßnahmengesetz, mit all dem, was im Vorfeld passiert ist, nach dem langen Weg, den wir bei diesen Gesetzen eingeschlagen haben, mit Begutachtungsphasen, Expertenhearing, Ausschussbegutachtung, Abänderungsan­trägen, können wir mit gutem Gewissen nun diesen beiden Gesetzen zustimmen. – Ich darf noch einmal dahin gehend appellieren, dass wir auch die Rechtssicherheit und die Vorbereitung für einen Ernstfall sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 121

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.36.11

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Bundesministerin und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist relativ eindrucksvoll gelungen, darzustellen, warum die­ses Gesetz, das jetzt vorliegt, nicht mehr verfassungswidrig ist. Es konnte kein einziger und keine einzige der KontrarednerInnen erklären, warum das alte Gesetz vom März noch weitere acht Wochen gescheiter wäre, als das neue zu machen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Ehrlich, damit hat sich dieser Teil der Diskussion eigentlich erledigt. (Zwi­schenruf des Abg. Kickl.) – Also Sie schon gar nicht, Herr Kickl!

Auf welcher Basis dieses Gesetz überhaupt erlassen wird, kann man auch einmal anfüh­ren: Es ist in Wahrheit die ausschließliche Bundeskompetenz, die sich aus Artikel 10 unserer Verfassung ergibt. Für Gesetzgebung und Vollziehung im Gesundheitswesen – „mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens“ – ist nämlich der Bund zuständig. Das bedeutet: In dieser Frage, ob es funktioniert oder nicht funktioniert, gibt es eine Exekutive und die heißt österreichische Bundesregierung. All die Dinge, die jetzt im Wahlkampf durchgezogen werden, vor allem vonseiten der ÖVP, die ein Wienbashing durchzieht, entbehren daher ihrer sachlichen Grundlage! (Abg. Hörl: Die Zahlen stim­men ...!) – Es ist von euch geführte Regierungsarbeit und wenn etwas nicht funktioniert, dann übt Selbstkritik, Abgeordneter Hörl (Abg. Hörl: Tun wir!), und geht nicht auf die anderen los! Sagt: Okay, tut uns leid, wir haben etwas falsch gemacht! – Das hat bisher nur Herr Minister Anschober zusammengebracht; aber von der ÖVP-Seite fehlt mir das Eingeständnis. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Was im Wahlkampf aufgeführt wird (Zwischenrufe der Abg. Hafenecker und Loacker): Offensichtlich hat da Michael Häupl leider recht gehabt: „Wahlkampfzeiten sind Zeiten fokussierter Unintelligenz“. (Abg. Ottenschläger: Bei euch!) In Wien stellt sich diese Woche Frau Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec hin und sagt – in der Tradition, wie schlecht Wien nicht ist –: Wien soll sich doch gefälligst ein Beispiel an Niederösterreich nehmen! (Ruf bei der ÖVP: Ja sicher!) Am selben Tag titelt „Die Presse“ dann schon (ein Schriftstück in die Höhe haltend) – was für ein Beispiel –: „Niederösterreich überholt Wien“. – Wir brauchen mehr Coronafälle; das ist doch alles absurd, dieses Wienbashing! (Zwischenrufe der Abgeordneten Melchior und Gabriela Schwarz.)

Wien ist eine der bestverwalteten Städte, und zum Glück hat die ÖVP nicht die Finger drin, denn dann funktioniert es wenigstens (Beifall bei der SPÖ) – nicht für die Partikular­interessen von jemandem, der etwas braucht, sondern für die gesamte Bevölkerung.

Da Sie die Hotline 1450 angesprochen haben (Abg. Wöginger: Die geht nicht in Wien!), Herr Klubobmann, wenn Sie die gemeint haben: Dort wurden 400 Leute eingesetzt und jetzt werden weitere 100 mit 1 830 Euro brutto eingestellt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ihr oberösterreichischer Landeshauptmann will gerade 1 200 Euro zah­len. Kein Wunder, dass es nicht in dem Ausmaß funktioniert. (Abg. Gabriela Schwarz: Wien würde 700 brauchen laut Empfehlung!)

Was meint die ÖVP? Wien soll anders werden? Soll Wien die Teststraßen zusperren? Soll Wien, statt eine neue Teststraße aufzumachen, die andere zusperren, damit es niedrige Zahlen gibt wie in anderen Ländern?

Wenn ihr das verhindern wollt, dann schaut – das ist für die Wählerinnen und Wähler –, dass der Pleiten-, Pech- und Pannendienst Blümel, der mit den türkisenen Socken, Spit­zenkandidat in Wien, in Wien nichts zu sagen hat! Michael Ludwig kann es besser! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 122

14.40.02

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Vertreter der Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kom­me aus Kärnten, bei uns sind die Zahlen super, auch in Klagenfurt, Gott sei Dank, wir sind sehr froh darüber.

Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, was Sie da alles gesagt haben, aber Ingrid Koro­sec ist zumindest eine der wenigen, die sich für die Senioren einsetzen, das ist einmal ganz sicher. Außer dem Seniorensprecher der SPÖ hat sonst noch niemand die Situa­tion der Senioren beleuchtet. Erlauben Sie mir daher einmal ganz kurz, dass ich darauf eingehe!

Ich bin sehr froh, dass diese heutige Gesetzesnovelle wichtige Klarstellungen bringt und auch neues Wissen und viele Erfahrungen miteinfließen lässt. Danke auch, Herr Bun­desminister, dass die Begutachtung da so ernst genommen wurde! Ich glaube, wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg. Tatsache ist, dass wir jetzt mehr wissen. Wir wissen heute, dass ein 80-Jähriger, der fit ist, weniger gefährdet ist als ein 40-Jähriger mit Vorer­krankungen. Wir wissen, dass es Infektionen und Erkrankungen in allen Altersgruppen gibt. Es ist mir daher auch sehr wichtig, dass wir in dieser Novelle ganz klar festhalten, dass die Kontakte unter Familienmitgliedern natürlich möglich sind, dass es natürlich notwendig und richtig ist, Hilfestellungen zu geben. Das wird klar festgehalten.

Ich danke an dieser Stelle auch allen Seniorengruppen quer durch Österreich, die sich da so engagieren. Die Einsamkeit, das Alleinsein der älteren Menschen ist immer ein großes Thema, das war natürlich auch jetzt ein ganz, ganz großes Thema, und dem müssen wir entgegenwirken. Es ist sehr viel getan worden: Whatsapp-Gruppen, Telefon­gespräche mit den Menschen, den Seniorinnen und Senioren, und da müssen wir wei­tertun. Ich möchte auch meinen Kollegen Dr. Saxinger unterstützen, der gesagt hat: Ge­hen Sie zum Arzt! – Ja, gerade bei den Senioren ist das ganz, ganz wichtig. Für viele Seniorinnen und Senioren ist der Hausarzt die wichtigste Kontaktperson, die wichtigste Bezugsperson, und daher ist es auch so wichtig, diesen Kontakt aufrechtzuerhalten.

Wichtig ist auch die Sicherung der Schutzbekleidung, die jetzt neu organisiert wird. Ich sage das auch im Namen des Pflegepersonals und des medizinischen Personals. Das hat nicht immer perfekt funktioniert, und ich hoffe, dass das in Zukunft besser sein wird. Auch ihnen ein großes Danke für ihre engagierte Arbeit, nicht nur für die ältere Genera­tion, in dieser schwierigen Zeit!

Meine Damen und Herren, nehmen wir Rücksicht aufeinander, gehen wir mit Hausver­stand in die nächsten Wochen! Es ist gut, dass eine große Mehrheit der Österreiche­rinnen und Österreicher den Weg von Sebastian Kurz und den Weg dieser Bundesregie­rung mitträgt. Das macht uns auch zuversichtlich, dass wir gut durch diese Pandemie kommen. Schauen wir, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben! Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP.)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


14.42.55

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Frau Bundesminister! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Die gesamte Regierung, welche Ehre! Lieber Herr Kollege Kickl – oder soll ich Primar sa­gen? (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Wurm.) Du hast heute in dei­ner aufbrausenden Rede Grillparzer zitiert. Mir fällt etwas anderes ein: Robert Louis Ste­venson (Abg. Kickl: Wer?) – Robert Louis Stevenson und sein Werk (deutsch ausspre­chend) Dr. Jekyll und Mr. Hyde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Wie heißt das?) Vom Lockdownforderer bis zum Virusleugner – aber jetzt weg von der Literatur, Herr Kickl, das ist es nicht wert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Dieses Gesetz, das wir heute hier beschließen, ist eigentlich die Weiterentwicklung des bestehenden Maßnahmengesetzes, und es besteht überhaupt kein Grund, dass man sich hier so aufregt. Ich glaube, die Verfassungskonformität ist sichergestellt (Zwischen­ruf des Abg. Zanger), es werden viele Dinge klargestellt, auch die Sozialdemokratie hat mitgearbeitet. Die Privatsphäre ist gesichert. Das ist eine ganz wichtige Botschaft auch an Gäste, die in ein Lokal kommen, die wir registrieren müssen, damit wir dann auch die Coronafälle nachverfolgen können: Ihre Daten werden nach 28 Tagen gelöscht, sie brauchen keine Bedenken zu haben.

Im Westen Österreichs gibt es gerade eine riesige Diskussion, viel Enttäuschung, viel Aufregung natürlich, weil wir in einigen Bundesländern eine Sperrstunde ab 22 Uhr ein­geführt haben. Ich gebe zu, ich bin davon auch sehr berührt. Das letzte Mal, als ich eine solche Sperrstunde hatte, war ich 15 Jahre alt und im Internat in der Villa Blanka. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.) Dass ich das noch einmal erleben muss, ist arg. (Abg. Kickl: Zeit zum Englischlernen!) Es geht aber um die Rettung der Wintersaison, es geht um die Rettung unserer wirtschaftlichen Basis, nämlich der Wintersaison. Wenn das dazu beiträgt, dass wir die Zahl der Neuinfizierten herunterdrücken und damit vielleicht Reisewarnungen verhindern können, dann ist dieser Preis wahrscheinlich auch zu be­zahlen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte nur, Herr Bundesminister, einfordern, dass wir diese Dinge vielleicht dann auch etwas regionaler regeln können. In Osttirol und in Reutte gibt es nämlich überhaupt kein Verständnis für diese Maßnahme, die haben kaum Coronafälle, und die sind da auch mitgefangen und mitgehangen.

Die Gesundheit der Bevölkerung ist auch bei uns das höchste Gut, dazu gehören aber auch die Freude am Leben und ein wirtschaftliches Auskommen, und dafür braucht es unsere Wintersaison.

Ich habe leider keine längere Redezeit, ich möchte nur noch etwas zu den sinnlosen Tests sagen, wie Sie sie genannt haben, Herr Kickl: Ich habe den ganzen Sommer ge­testet. Als Wirt und Hotelier bedanke ich mich dafür, dass es dieses Testsystem gegeben hat. Diese Tests als sinnlos darzustellen oder den Virus zu verleugnen ist eigentlich wie den Kopf in den blauen Ibizasand zu stecken. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.45.47

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierung! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Franz Hörl! Statt auf die FPÖ-Fraktion und unsere berechtigten Einwürfe und Kritik hinzuhauen, wäre es vernünftiger gewesen, die Tiroler Landesregierung und überhaupt die westlichen Landesregierungen dafür zu kriti­sieren, dass ab Freitag die Gasthöfe, Bars und Hotels bereits um 22 Uhr Sperrstunde haben. Das ist der Druck aus Tirol (Beifall bei der FPÖ) – null Verständnis aus diesen Bundesländern für diese massiv überzogene Maßnahme.

Herr Gesundheitsminister, ich habe die Debatte verfolgt, Sie haben immer auch von Ver­hältnismäßigkeit gesprochen. Diese Maßnahme ist ein Drüberfahren, auch über all jene Bezirke und Regionen, ob in Tirol, Salzburg oder Vorarlberg – ich nehme nur das Bei­spiel Osttirol her –, wo es nahezu keine Coronafälle gibt. Wir haben – Stand gestern – in Osttirol 14 Coronafälle, das sind 0,02 Prozent der Bevölkerung, und genau eine ein­zige Person, 0,002 Prozent, ist im Krankenhaus, eine Person ist im Krankenhaus! Dieses Gesetz, das Sie heute beschließen, ermächtigt die Landespolitiker und die Landeshaupt­leute, alle Betriebe um 22 Uhr zuzusperren. Das ist ein Skandal (Beifall bei der FPÖ),


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und ich glaube nicht, dass die Bevölkerung und die Wirtschaft dies goutieren werden. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Und die SPÖ war dabei!)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.47.26

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Meine lieben Kollegin­nen und Kollegen! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Es ist noch keine 48 Stunden her, da lag ich im Spital mit Covid. (Abg. Belakowitsch: Und jetzt kommst du da her?! – Abg. Zanger: Willst du uns anstecken?!) Es war nicht lustig. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist keine angenehme Zeit, tagelang mit hohem Fieber dazuliegen und dann langsam zu merken, wie einem die Luft ausgeht. Es hat mich ziemlich demütig gemacht. (Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich sage Ihnen hier, an dieser Stelle: Ich wünsche niemandem von Ihnen, dass Ihnen das passiert. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen das nicht passiert. Dabei war ich noch nicht einmal der allerschlimmste Fall. Es sind genug Leute mit mir im Spital gelegen, die mit dem Leben ringen. Das ist nicht lustig.

Es hat mich demütig gemacht, weil ich auch auf eine unglaubliche Art und Weise gut versorgt wurde. Ich möchte mit großer Dankbarkeit ausdrücklich das Team im Kaiser-Franz-Josef-Spital erwähnen (allgemeiner Beifall), mich für den Einsatz bedanken, beim ganzen Team, vom ärztlichen Leiter über die Oberärzte bis zur Hilfskraft, die in diesem Spital wirklich mit großer Aufopferung den Leuten helfen, zu überleben. Es ist eine große Demut, die mich erfüllt, und ich kann nur sagen: Es ist es wert, das jedem einzelnen Menschen zu ersparen, es ist es wert, alles zu tun, damit die Menschen das nicht durch­leiden müssen.

Ich glaube, dass wir den Menschen sehr dankbar sein müssen, die sich einsetzen, im Kaiser-Franz-Josef-Spital und in vielen anderen in der ganzen Republik. Das führt mich aber auch zur Bundesregierung.

Ich möchte mich hier bei den Mitgliedern der Bundesregierung – angefangen vom Bun­deskanzler über alle Mitglieder – für diesen unglaublichen Einsatz, den sie leisten, be­danken. Ich weiß und spüre und habe gespürt, mit welcher Hingabe darum gekämpft wird, dass Menschen in Österreich diese Krise gut überstehen. Es ist mir daher ein be­sonderes Anliegen, diese Gelegenheit einfach zu nützen, nämlich natürlich nicht nur nicht für diesen Misstrauensantrag zu sein, nein, im Gegenteil, ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich ausdrücklich bei den Mitgliedern der Bundesregierung für diese Arbeit, die sie in den letzten Wochen und Monaten für die Menschen in diesem Land tun, bedanken. – Vielen, vielen Dank! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Ab­geordneten der Grünen.)

14.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.50.52

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege En­gelberg, ich darf gleich Ihre Worte aufgreifen, gerade weil diese Coronakrise ganz, ganz dramatische Auswirkungen auf das Leben und die Existenzen von Menschen hat und wir alle, glaube ich, diese Schicksale in den letzten Monaten auch gespürt haben.

Dass es junge Menschen gibt, die nicht mehr in die Schule haben gehen können, dass es alte Menschen in Pflegeheimen gegeben hat, die ihre Angehörigen nicht mehr gese­hen haben, dass es Menschen gegeben hat, die gestorben sind, dass es Menschen


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gegeben hat, die schwer krank geworden sind und dass es Menschen gegeben hat, die buchstäblich ihre Existenz verloren haben, das war für uns der zentrale Grund, dass wir gesagt haben: Gerade weil es darum geht, dass wir diese Krise miteinander und gemein­sam bewältigen, ist es wichtig, dass wir da, wo wir Lösungen positiv mittragen können, auch gerne mit dabei sind und dass wir da, wo es Kritikpunkte gibt, alle miteinander konstruktiv Verbesserungen einfordern.

Der Grund, dass wir heute mitgehen und diesen Gesetzentwurf, bei dem es am Anfang wirklich dramatisch viele Fehler gegeben hat, heute mitunterstützen, ist, dass es 14 000 Men­schen gegeben hat, die Stellungnahmen eingebracht haben, dass wir heute eine verfas­sungskonforme Lösung zustande gebracht haben, dass dieser Gesetzespfusch des Sommers damit beendet wird (Zwischenruf des Abg. Scherak), dass wir sozusagen die Kontrollrechte des Parlaments noch einmal massiv verstärken konnten und miteinan­der – vor allem auch durch ein Expertenhearing – noch eine gute Lösung zustande ge­bracht haben. (Abg. Kickl: Ich ... du glaubst das ... wirklich!)

Was ich persönlich nicht nachvollziehen kann, bei aller berechtigten Kritik: Sind wir doch ehrlich, streiten wir doch wenigstens über die Dinge, bei denen es wirklich Kritikpunkte gibt! Ich sage als Oppositionspolitiker auch ganz klar: Wir haben doch alle erlebt, dass eine Menge von Dingen in Österreich nicht funktioniert. Es gibt aber Dinge, die wir ver­bessern können, damit die Regierung dann wenigstens die Rechtsgrundlagen hat.

Ich meine, ihr müsst euch vorstellen, wir haben jetzt im Sommer wochenlang Ampeln präsentiert bekommen, heute beschließen wir erst die gesetzlichen Grundlagen. In ganz Österreich kennt sich niemand mehr aus. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir haben Am­peln aufgedreht, es hat, glaube ich, eine Lawine von Pressekonferenzen gegeben, jeder Minister hat seine eigene Ampel gemacht – es gibt die Faßmann-Ampel, es gibt die Kurz-Ampel, es gibt die Anschober-Ampel, es ampelt überall, Kurz sieht im Tunnel die Ampel blinken –, aber es kennt sich niemand mehr aus.

Heute beschließen wir das erste Mal die rechtlichen Grundlagen dieser Ampel (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch), deswegen bitte ich wirklich, zu versuchen, heute mit­einander diese Verbesserungen herbeizuführen (Beifall bei der SPÖ) und nicht – wie es die NEOS und die Freiheitlichen gemacht haben – zu sagen, dass diese fünf Paragrafen, die heute die rechtliche Grundlage für das Hantieren und Herumfuhrwerken der Regie­rung sind, Weltklasse sind, wo wir doch alle miteinander zu Recht kritisiert haben, dass im Sommer so viel Pfusch passiert ist. Es geht um Existenzen von Menschen, daher – nicht, weil es eine Gaudi ist – bitte ich: Schauen wir doch, dass wir es miteinander repa­rieren!

Es wäre leicht, sich da jetzt hinzusetzen und zu sagen, das passt alles nicht. Zu den NEOS: Das ist mir heute nahegegangen, ihr erzählt dieselben Sprüche, egal, ob sich die Gesetze geändert haben, egal ob Menschen mitgearbeitet haben, egal was verbessert worden ist, immer die alte Leier: Es ist für euch ein Wahnsinn gewesen, ihr wolltet gar nicht mitgehen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

So kann man nicht arbeiten! So zu tun, als seien diese fünf Paragrafen Weltklasse und die Verbesserungen von 14 000 Menschen die Katastrophe, ist doch nicht fair. (Zwi­schenruf des Abg. Scherak.)

Ein letzter Punkt noch, und das muss ich in Richtung Minister Anschober sagen: Was nicht geht, ist, dass die Regierung ein Hickhack hat und es einen Wettkampf der Eitel­keiten gibt, weil die Umfragen scheinbar wichtiger sind und Sebastian Kurz auf dich be­leidigt ist – keine Ahnung, ist mir ja egal; die Leidtragenden sind dann doch die Men­schen in Österreich. Es kann nicht sein, wenn nicht einmal die Regierung mehr weiß, was los ist, und die Ampel völlig scheitert, dass es dann auf einmal heißt: Eigenverant­wortung. Das heißt, sobald sich in der Bundesregierung niemand mehr auskennt – man


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fragt fünf Regierungsmitglieder und kriegt acht Meinungen –, schiebt man das auf einmal auf die Bevölkerung. Dieses Spielchen, das Sebastian Kurz praktiziert – Schuld sind immer die anderen – geht so doch bitte nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bitte ich: Kritisieren wir die Punkte, die wir besser machen müssen und sagen wir nicht, wenn die Förderungen nicht funktionieren, sind die Unternehmer zu deppert, den Namen richtig zu schreiben! Das sind doch alles Dinge, die wir erlebt haben. Es funktioniert auf einmal nicht mehr, jetzt steigen leider die Fallzahlen, weil man im Som­mer einfach geschlafen hat. Faßmann ist auf einmal draufgekommen, dass im Herbst die Schule wieder losgeht – er hat nichts getan, außer seine Faßmann-Ampel geschaf­fen, aber er konnte die Fragen der Eltern nicht beantworten.

Da gibt es wirklich genug Dinge, die wir kritisieren können. Gehen wir aber heute bitte miteinander mit, schauen wir, dass wir die Gesundheit in den Vordergrund stellen und schauen wir, dass wir eine Basis haben, dass die Ampel ordentlich funktionieren kann, dass wir bessere gesetzliche Grundlagen haben! Ich lade wirklich alle Parteien ein, das ernst zu nehmen, was 14 000 Menschen miteinander, auch mit uns allen, erarbeitet ha­ben.

Ich darf also alle Parteien einladen, heute mitzugehen. Es gibt genug Punkte, die wir kritisieren können, aber heute bitte: einmal miteinander! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

14.55


14.55.43

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, stelle ich die Frage, ob die Klubs eine Unterbrechung wünschen. – Das ist logischerweise nicht der Fall, weil alle da sind. (All­gemeine Heiterkeit.)

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst ist über den vorliegenden Rückverweisungsantrag des Kollegen Dr. Scherak zu TOP 1 abzustimmen.

Ich lasse sogleich darüber abstimmen, den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmenge­setz geändert werden, in 370 der Beilagen, nochmals an den Gesundheitsausschuss zu verweisen, und ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz, das Tuberkulosegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, in 370 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabrie­la Schwarz, Schallmeiner, Kucher, Kolleginnen und Kollegen vor.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Kucher, Kol­leginnen und Kollegen vor.

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen beantragt, den gegenständlichen Gesetzentwurf nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42 Bundes-Verfassungsgesetz, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsi­denten, einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag sowie dem Verlagen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Sys­tematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Die Abstimmung über den Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung wird gemäß § 84 Abs. 2 der Geschäftsordnung nach der dritten Lesung erfolgen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 5 in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Teil des Gesetzentwurfes ausspre­chen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenom­men.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Schallmeiner, Kucher Kolleginnen und Kol­legen betreffend Artikel 1 und 3.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein bejahendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung.  Das ist ebenfalls die Mehrheit und der Entwurf somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kickl, Kol­leginnen und Kollegen gemäß § 84 der Geschäftsordnung, den gegenständlichen Ge­setzesbeschluss nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42 B-VG, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung zu unter­ziehen.

Ich bitte jene Kollegen, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens ge­genüber der Bundesregierung und den Staatssekretären“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensan­trag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Mas­kenpause“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken-


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und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 371 der Bei­lagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung – Das ist auch in dritter Le­sung einstimmig angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

15.00.49Kurze Debatte: Projekt Edelstein


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung des Bundesministers für Finanzen Mag. Blümel mit der Ordnungszahl 2511/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregie­rung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dau­ern.

Ich bitte nun Herrn Kollegen Mag. Christian Drobits ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


15.02.00

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Regierungsmitglieder! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich bin angetreten, um in die Politik zu gehen, und wusste, dass ich ein Gelöbnis auf die Bundesverfassung ablegen muss. Dieses Gelöbnis bezieht sich darauf, dass die Vorschriften der Bundesverfassung eingehalten werden. Dazu ste­he ich auch. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich nun erstmalig feststelle, dass die Vorschriften der Bundesverfassung nicht ein­gehalten worden sind oder werden, bin ich enttäuscht und gleichzeitig zornig.

Die heutige Anfragebesprechung resultiert aus einer Anfrage meinerseits, gerichtet an Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel, den ich zum Projekt Edelstein hinsichtlich der geplanten Teilprivatisierung des Bundesrechenzentrums gefragt habe, einer wichti­gen Angelegenheit, weil das Bundesrechenzentrum doch der Datenbunker aller Daten ist, den Datenschatz der Republik und auch das Gehirn der Republik beinhaltet. Wenn es um Eigentum und den Übergang von Eigentum an Daten geht, sollte man fragen dürfen.

Da ich die Bundesverfassung kenne und ein Gelöbnis auf sie abgelegt habe, weiß ich, dass im Artikel 52 das Interpellationsrecht geregelt ist. Das heißt, dass man den jeweili­gen Minister hinsichtlich der Geschäftsführung kontrollieren kann, prüfen kann, aber auch entsprechende einschlägige Antworten verlangen kann.

Wenn ich mir die Anfragebeantwortung anschaue, sehe ich, dass es ganz konkret heißt, Herr Minister Blümel: Bitte warten! Bitte warten! Bitte um Verständnis, dass ich keine Ant­worten geben kann! Es ist alles vertraulich, alles geheim, alles top secret, Deckname


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Projekt Edelstein. – Für mich ist das viel zu wenig. Ich fühle mich in meiner Ehre als Parlamentarier gekränkt, und ich bin auch enttäuscht, dass Sie mir mein Recht, Fragen zu stellen, nehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Da wir meinen, dass es auch allen anderen Abgeordneten hier so gehen sollte, dass sie sich in ihrem Recht der Fragestellung be­schnitten fühlen, haben wir diese Anfragebesprechung heute verlangt.

Herr Minister Blümel! Ich weiß nicht, warum Sie keine Antworten geben. Entweder wis­sen Sie es nicht, oder Sie wollen es nicht wissen. Ich bin nur enttäuscht, dass Sie mir jegliche Information verweigern.

Ich habe mir Anfragen aus dem Jahr 2018 angeschaut. Da haben Sie eine Anfrage be­antwortet und haben geschrieben: Mir ist das Interpellationsrecht wichtig, mir ist wichtig, dass Respekt und Inhalt der Beantwortung vorliegen. Der hinter mir sitzende National­ratspräsident hat 2018 im Rahmen einer Anfragebeantwortung zu parlamentarischen Anfragen klar und eindeutig geantwortet, dass das Interpellationsrecht als lebendige Säule der Demokratie, für die parlamentarische Kontrolle, für die demokratische Kontrol­le, für die Demokratie als solche ganz wichtig ist.

Das sind für mich die Pfeiler der Bundesverfassung, und deshalb sehe ich nicht ein, dass Sie mich so respektlos behandeln, indem Sie meine Anfrage zur Gänze zurückweisen und mir keine Antworten geben. (Beifall bei der SPÖ.)

So, jetzt liegt die Vermutung nahe, dass es vielleicht daran liegt, dass das Geheimprojekt Edelstein der Grund ist. Das mag sein. Ich nehme Ihnen auch nicht übel, dass Sie im
U-Ausschuss vielleicht 86 Erinnerungslücken haben. Vielleicht ist das auch eine davon. Ich nehme Ihnen auch nicht übel, dass Sie beim Budget die Nullen vergessen haben, aber was ich Ihnen übel nehme, ist, dass Sie versuchen, mein Fragerecht zu negieren und zu beschneiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen schon, Herr Bundesminister, die Fragen, die ich gestellt habe, sind klare Fra­gen, umfangreiche Fragen, auf die eigentlich klare Antworten zu geben sind. Sich da auf die Amtsverschwiegenheit zu beziehen, ist viel zu einfach, und deshalb vermute ich, Sie wollen mir nichts sagen. Sie wollen mir deshalb nichts sagen, weil Sie glauben, dass diese Veröffentlichung auf der Homepage des Parlaments einen Einfluss auf den Ibiza-U-Ausschuss nimmt, und deshalb haben Sie keine Antworten gegeben.

Deshalb fordere ich Sie auf, dass Sie wirklich klar sagen: Warum wollen Sie meine Fra­gen nicht beantworten – die Daten, die im Bundesrechenzentrum liegen, das sind Daten, die Sie betreffen und mich betreffen, Gesundheitsdaten, Steuerdaten, Strafregister, Fir­menbuch, Grundbuch, sogar die Passbilder, alles ist da drinnen –, warum wollen Sie mir nicht Antworten geben, ob über diese Daten geplante Verkaufsgeschäfte zwischen dem Bundesrechenzentrum und der Post AG, einer börsennotierten Firma, erfolgt sind? Wa­rum tun Sie das nicht? Wollen Sie da etwas verheimlichen? Wollen Sie uns im Endeffekt weismachen, Sie wüssten nichts?

Nun, der Herr Bundeskanzler weiß anscheinend mehr. Der Herr Bundeskanzler hat in den Medien, im „Profil“, im „Standard“ und auch im ORF, geantwortet, dass er sehr wohl die Kooperationsgespräche kennt, im Detail weiß er es nicht. Sie wissen anscheinend gar nichts. Herr Bonelli, der Kabinettschef des Herrn Bundeskanzlers, weiß viel mehr, aber das Interessante ist, dass sogar der Praktikant im Finanzministerium zum damali­gen Zeitpunkt mehr wusste. Er wusste, dass Gespräche gelaufen sind, durch die der Verkauf unserer Daten an die Post AG erfolgen sollte. Es ist doch traurig, dass Sie als Finanzminister im Gegensatz zum Praktikanten im Finanzministerium keine Antworten haben und mir jegliche Antwort verweigern.

Ich frage Sie deshalb nochmals: Wieso weiß der Praktikant mehr als Sie, wieso wollen Sie mir keine Antwort geben, und wieso sagen Sie im Gegensatz zu allen anderen, zum


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Herrn Bundeskanzler und so weiter, ich weiß es nicht? Haben Sie es wieder vergessen, wie im U-Ausschuss, wollen Sie es vergessen, oder ist es System, dass Sie das verges­sen müssen? Das ist die Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich bin nicht nur enttäuscht von Ihrem Mangel an Respekt gegen­über meiner Person, ich bin auch enttäuscht, dass Sie unsere Bundesverfassung an­scheinend nicht ernst nehmen. Ich weiß nicht, wie Sie das selbst sehen – Sie werden dann wahrscheinlich auch in Ihren Ausführungen dazu etwas sagen –, aber ich nehme an, Sie können dazu nur ausführen: Ich wusste davon nichts, ich war damals nicht Fi­nanzminister, und ich weiß auch heute nichts. – Wenn das die Antwort ist, ist das zu billig, und deshalb werden wir uns das auch nicht gefallen lassen.

Ich bin heute nur die Speerspitze der Abgeordneten, die aufgrund von Anfragen nicht gehörige Anfragebeantwortungen erhalten. Wir werden zukünftig alle Anfragebeantwor­tungen, die in die gleiche Richtung gehen, mit denen das Fragerecht der Abgeordneten ignoriert wird, mit denen die Bevölkerung, die Österreicherinnen und Österreicher – ich sage es jetzt vulgär – für dumm verkauft werden, mit Anfragebesprechungen, einem wei­teren Instrumentarium, behandeln.

Ihre Anfragebeantwortung, um die es heute geht, ist der Gipfel. Das ist wirklich ein Wahn­sinn.

Herr Bundesminister, ich möchte Sie wirklich bitten: Überlegen Sie sich, ob Sie in diesem Sinne die Anfrage nicht nochmals beantworten, denn auch die Nichtkenntnisnahme ei­ner Anfragebeantwortung hat Konsequenzen. Auch im Interesse des Hohen Hauses, im Interesse des Herrn Nationalratspräsidenten, der klar und eindeutig gesagt hat, dass die parlamentarische Kontrolle eine lebendige Säule der Bundesverfassung ist und das Interpellationsrecht eine Grundlage davon darstellt, ersuche ich Sie nochmals, sich gut zu überlegen, ob Sie heute im Zuge der Anfragebesprechung weitere Antworten schuldig bleiben. Wenn Sie das tun, so denke ich, gibt es einen Grund dafür – dann würde ich Sie bitten, ihn einfach auch zu nennen. Wenn Sie den Grund nicht wissen – so wie Sie vieles nicht wissen –, treten Sie einfach zurück! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Fi­nanzen Blümel. – Bitte.


15.10.57

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Betonen möchte ich eingangs, dass das Finanzministerium jede An­frage des Parlaments nach bestem Wissen und so detailliert wie möglich beantwortet. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Das ist das Problem!) Wir mussten bei den par­lamentarischen Anfragen aber regelmäßig feststellen, dass die Anfragen immer wieder Inhalte betreffen, die nicht Gegenstand des Interpellationsrechts sind. Für diese Ausnah­me gibt es auch gute Gründe.

Insbesondere ist dies der Fall, wenn es sich um Informationen handelt, die dem allge­meinen Geschäftsgeheimnis unterliegen. Da geht es um schutzwürdige unternehmens­interne Informationen, deren Veröffentlichung zu Wettbewerbsnachteilen führen könnte. Aufgrund des berechtigten Geheimhaltungsinteresses können diesbezügliche Informa­tionen nicht öffentlich gemacht werden. Zudem würde mein Ressort mit der Beantwor­tung gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen, was nicht nur strafrechtliche, son­dern auch schadenersatzrechtliche Konsequenzen mit sich bringen würde und darüber hinaus dem internationalen Ruf Österreichs schaden könnte.

Ich bitte daher gleich um Verständnis dafür, dass es uns nicht möglich ist, Fragen zu Inhalten, die der Geheimhaltung unterliegen, zu beantworten, und ich bitte auch um Nach­sicht, dass Anfragebeantwortungen objektiv und sachlich erfolgen müssen und demnach


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vielleicht nicht zwingend so aussehen, wie sich das politische Anfragesteller manchmal wünschen.

Darüber hinaus möchte ich zu der von Ihnen beanstandeten Anfragebeantwortung an­merken, dass das sogenannte Projekt Edelstein gänzlich vor meiner Amtszeit datiert. Alle diesbezüglichen Unterlagen wurden dem Untersuchungsausschuss in klassifizierter Form zur Verfügung gestellt, und nach meinem Wissensstand ist dieses Thema dort auch schon behandelt worden.

Aufgrund des berechtigten Geheimhaltungsinteresses der börsennotierten Post AG so­wie des Bundesrechenzentrums können diesbezügliche Informationen nicht öffentlich gemacht werden. Es handelt sich bei den im Rahmen der gegenständlichen Anfrage abgefragten Informationen um schutzwürdige unternehmensinterne Informationen, de­ren Veröffentlichung zu einem Wettbewerbsnachteil beider Unternehmen führen könnte. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, dass aufgrund der rechtlichen Rahmenbedin­gungen keine über die Anfragebeantwortung hinausgehende Information öffentlich zur Verfügung gestellt werden kann.

Erlauben Sie mir abschließend eine grundsätzliche Bemerkung: Ich halte es für legitim, dass jedes Bundesministerium – so auch das Finanzministerium – regelmäßig Überle­gungen anstellt, wie man mit dem Staatsvermögen, und damit auch mit dem Vermögen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, möglichst effizient umgeht. Das ist keine Fleiß­aufgabe, sondern eine Verpflichtung und Ausdruck der ministeriellen Verantwortung dem Vermögen der Republik und der Bevölkerung gegenüber. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die absolute Redezeit beträgt ab sofort nur mehr 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


15.14.14

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielen Dank, dass der Herr Bundesminister die Debatte jetzt wieder in eine sachliche Richtung gebracht hat. Ich war mir nämlich nach der Rede von Kollegen Drobits nicht sicher, ob ich jetzt lachen oder weinen soll. Was er da gemacht hat, spottet in Wirklichkeit jeder Beschreibung. (Abg. Leichtfried: ...! Das würde helfen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, die ganze Sache liegt seit Monaten im Untersuchungsaus­schuss und alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben die Möglichkeit, die Unterlagen zu sichten, sie zu studieren und sie auch im Untersuchungsausschuss selbst zu debattieren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Doch wollen Sie wissen, meine Damen und Herren, ob die SPÖ einmal verlangt hat, dieses Thema in vertraulicher Sitzung zu disku­tieren, damit sie alles erfährt, was sie jetzt hier vorgibt, wissen zu wollen? – Kein einziges Mal! (Abg. Leichtfried: Oh! ...! – Abg. Hafenecker: Weil’s sinnlos ist!)

Damit ist ganz klar: Der SPÖ geht es um eine reine Show, um Skandalisierung, um Ab­lenkung von ihren eigenen Versäumnissen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das ist bis jetzt eine ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum, Herr Kollege Drobits, haben Sie nicht das Thema „Novomatic zahlt alle“ und Ihre Glücksspielangelegenheiten im Burgenland und in Wien thematisiert? Warum haben Sie nicht thematisiert, dass jemand von Novomatic bei Stadträtin Sima versucht hat, Einfluss darauf zu nehmen, dass 150 Videolotterieterminals in Wien weiterhin aufgestellt werden dürfen? (Zwischenruf des Abg. Drobits.  Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warum, meine Damen und Herren von der SPÖ, verschweigen Sie jene Dinge, bei denen es


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darum geht, dass andere Leute in etwas hineinbegleitet werden, das wir alle nicht wollen, ins Glücksspiel nämlich, das wir ablehnen, und dass es zwar auf Bundesebene kein kleines Glücksspiel mehr gibt, Sie im Burgenland es aber weiterhin haben? (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Sie haben sich dort auch mit Vertretern von Novomatic getroffen! (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Vogl.) Lenken Sie nicht ab von Ihren eigenen Versäumnis­sen! Das wäre viel, viel besser für Sie. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun, dass an dem Projekt Edelstein nichts dran ist, hat ja die Aufführung von Herrn Drobits hier schon gezeigt. Im Untersuchungsausschuss wurde von allen Auskunftsper­sonen gesagt, dass das Überlegungen waren, wie man wirtschaftliche Synergien zwi­schen dem Bundesrechenzentrum und der Post schaffen kann, und dass das Anfangs­überlegungen waren. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Auf einer Skala von eins bis zehn – das hat der Vertreter der Post gesagt – ging das Stadium nur bis zum Punkt eins, denn dann wurde es bereits eingestellt, weil man draufgekommen ist, dass sich daraus keine weiteren Synergien ableiten lassen.

Wenn Sie also die Aussagen der Auskunftspersonen im Untersuchungsausschuss hier zitiert hätten, dann hätten Sie nicht mehr skandalisieren können, weil das Projekt eben frühzeitig wieder eingestampft wurde, ohne Einfluss durch die Politik, weil wir viele, viele gute, sachverständige Beamte im Finanzministerium und in den anderen Ressorts ha­ben, die bei diesem Projekt dabei waren.

Sie haben alle gemeinsam befunden: Es zahlt sich aus verschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht aus, dieses Projekt weiterzuverfolgen. Daher sind alle Ihre Anschuldigungen, die Sie hier von sich geben, falsch und eindeutig zu verurteilen. Mehr Sachlichkeit, mehr Gelassenheit auch, und mehr Besinnung auf den Rechtsstaat würde Ihnen allen hier guttun. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wenn die ÖVP über Rechtsstaat spricht!)

15.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


15.18.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede von Kollegen Gerstl war offensichtlich vorbereitet und deswegen hat sie natürlich mit der Debatte, die hier gelaufen ist, gar nichts zu tun. – Wenn Sie sagen, das war ja alles nur in irgendeinem Anfangsstadium, dann sollten Sie schon da­zusagen, dass das Projekt nur noch sechs Monate vor dem Ziel war (Zwischenruf des Abg. Gerstl) und dass der Grund, warum es abgeblasen wurde, der Postskandal war – der Datenmissbrauchsskandal der Post, der im Jänner 2019 geplatzt ist und im Zuge dessen die Post dann am Ende des Tages eine, glaube ich, 18-Millionen-Euro-Strafe bekommen hat. (Abg. Gerstl: ... schon im Dezember!)

Das war der Grund, wieso das eingestellt wurde! Darüber hinaus wurde es Monate später wiederbelebt, nämlich als Herr Müller Finanzminister wurde, der als Beamter ge­meinsam mit dem ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium dieses Projekt der Privati­sierung des BRZ betrieben hat. Sie sollten wirklich bei der Wahrheit bleiben! (Zwischen­ruf des Abg. Gerstl.) Es wurde eingestellt, weil man kalte Füße bekommen hat, weil man draufgekommen ist: Ui, das geht sich nicht aus, die Post wird zu einer Millionenstrafe verurteilt – die höchste Strafe für Datenmissbrauch in Europa! –, und deswegen können wir unsere Daten jetzt nicht an sie verkaufen. Sagen Sie doch gleich dazu, dass das der Grund war! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Die Frage, um die es hier bei der Anfragebesprechung geht, ist: Kann ein Minister ein­fach sagen: Ich beantworte diese Frage nicht, weil es da irgendwelche Geheimnisse,


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Firmengeheimnisse von börsennotierten Unternehmen gibt!? Man kann sich das ja an­schauen. Was waren denn das für Fragen? Die Fragen waren: Hat das Bundesministe­rium für Finanzen Gutachten eingeholt? Nur die Frage: Haben Sie Gutachten einge­holt? – Er beantwortet sie nicht. Was hat das mit den Interessen der Post zu tun? Die Frage ist, ob Sie als Finanzministerium ein Gutachten eingeholt haben. Das müssen Sie hier beantworten! Das ist Ihre Pflicht gemäß der Verfassung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es ist klar geregelt, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, zu wissen, wie Sie mit unser aller Eigentum umgehen. Hier sitzen die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Be­völkerung. Jeder von uns, der eine Anfrage einbringt, bringt diese in Wahrheit im Namen von 25 000 Wählerinnen und Wählern ein. Was Sie machen, ist, dass Sie sagen: In­teressiert mich nicht, beantworte ich nicht! – Es ist Ihre Pflicht, diese Fragen zu beant­worten! Haben Sie ein Gutachten eingeholt, ja oder nein? Wir wissen in der Zwischen­zeit, die Antwort ist Ja – aber Sie beantworten hier nicht einmal das.

Die nächste Frage: Was haben diese Gutachten gekostet? – Ja, Entschuldigung, der Nationalrat hat die Budgethoheit. Er hat natürlich das Recht, zu erfahren, was Sie mit dem Steuergeld anstellen, wofür Sie Geld ausgeben. Sie beantworten diese Fragen nicht. Das ist alles nicht zulässig, was Sie da machen, Sie bewegen sich nicht auf dem Boden der Verfassung. Dort gehören Sie als Minister aber hin, denn sonst haben Sie auf dem Boden hier nichts verloren, wenn Sie nicht auf dem Boden der Verfassung agieren. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es geht da endlos weiter. All diese Fragen haben nichts mit irgendwelchen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu tun, gar nichts haben die damit zu tun! Von den zwölf Fragen, die Sie nicht beantwortet haben, müssen Sie zumindest elf zur Gänze beantworten, bei einer können wir darüber diskutieren. Sie aber haben keine einzige Frage beantwortet. Sie müssen sich noch einmal hinsetzen und diese Fragen hier beantworten, sonst sind Sie nicht auf dem Boden der Verfassung. Und ein Minister, der nicht auf dem Boden der Verfassung ist, hat in diesem Ministeramt nichts verloren.

Im Übrigen, wollte ich nur sagen – da Sie ja jetzt nur noch ein Teilzeitminister sind und etwas anderes machen –: Es ist ein Glück, wenn Sie nicht auf Wien losgelassen werden. Angesichts Ihrer Privatisierungsvorstellungen aufseiten der ÖVP, wie Sie das letzte Jahr im Dunklen und im Geheimen agiert haben, wie auch Sie persönlich und Ihr Büro daran beteiligt waren – Ihre Mitarbeiter in Ihrem Kabinett waren an diesen Privatisierungsfanta­sien beteiligt, als es um die ARE, um das BRZ und so weiter gegangen ist –, will ich ja gar nicht wissen, wenn Sie in Wien etwas zu sagen haben, wie Sie dort sofort alle Ge­meindewohnungen und so weiter, alles was nicht niet- und nagelfest ist, verkaufen. Es ist nur ein Glück, dass Sie in Wien so unbeliebt sind, wie Sie es sind, und dass Sie hoffentlich nicht irgendwie nach Wien gewählt werden, um dort irgendeine Verantwor­tung zu übernehmen, denn das haben sich die Wienerinnen und Wiener wirklich nicht verdient. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gerstl.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


15.23.12

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil das ja nur ein Beispiel dafür ist, wie man vor allem in den Reihen der ÖVP mit dem Interpellationsrecht der Abgeordneten umgeht.

Ich habe eine ganze Reihe von Anfragen gestellt, die sich aus dem Untersuchungsaus­schuss ergeben haben oder Bereiche betreffen, die auch mit dem Untersuchungsaus­schuss zu tun haben. Man kriegt überall nur flapsige Antworten, und im Prinzip hat man


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wirklich den Eindruck, dass der ÖVP-Regierungsriege dieses Parlament einfach nur zu­wider ist und dass man sich mit dem gar nicht auseinandersetzen möchte.

Ich möchte gleich auf Kollegen Gerstl eingehen, der ja nur mehr sozusagen als parla­mentarischer Teil seiner Regierungstruppe hier herinnen sitzt und im Untersuchungs­ausschuss irgendwie ankämpft und schaut, dass er das alles richtigstellt. Kollege Gerstl, wenn Sie sagen, man hätte Dinge von ÖVP-Auskunftspersonen aus dem Untersu­chungsausschuss hier zitieren sollen: Wissen Sie, was dann passiert wäre? Dann hätten wir jetzt eine Stunde Stille hier im Saal, denn Ihre Leute haben alle miteinander eines getan: Sie haben nichts gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren, gar nichts! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das ist der schwarze Faden, der sich durch den Untersuchungsausschuss zieht, und auch der schwarze Faden, der sich durch Anfragebeantwortungen zieht: Man kann sich innerhalb der ÖVP an nichts erinnern.

Zur Erinnerung, Sebastian Kurz: Er kann sich nicht an die Gespräche mit H.‑C. Strache erinnern, weiß gar nicht, was man global miteinander besprochen hat, und im Prinzip wäre es auch vollkommen egal, weil seine SMS, die er mit ihm ausgetauscht hat, nicht relevant und deswegen nicht im Ausschuss waren.

Innenminister Nehammer: Er weiß gar nicht, wann er vom Fund des Videos erfahren hat. Er glaubt auch nicht, dass er die Pressekonferenz dazu in Auftrag gegeben hat, und im Übrigen weiß er auch nicht, wer bei ihm im Kabinett arbeitet – nur um da wieder ein paar Gustostückerln zu bringen.

Finanzminister Blümel: 86 Erinnerungslücken und nicht klar, ob er einen Laptop hat oder nicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie gehen zu einer Führerscheinprüfung und versuchen dort nur ansatzweise, solche Auskünfte zu geben. Dann wird Sie wahrscheinlich der Prüfer gleich als Nächstes zum Amtsarzt schicken. Auf der anderen Seite haben wir aber Regierungsmitglieder, die sich 86 Mal an nichts erinnern können. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Das ist es, was mir Sorgen macht: Auf der einen Seite haben wir Erinnerungslücken, dass die Tür nicht zugeht – übrigens, Herr Finanzminister Blümel, wenn Sie das BRZ verkauft hätten, dann hätten Sie vielleicht Ihre gespeicherten Erinnerungen auch noch angebracht und dann hätten wir vielleicht in Zukunft gar nichts mehr erfahren; also: Bundesrechenzentrum grundsätzlich wichtig –, was mich aber in dem Zusammenhang ängstlich macht, ist der Umstand, dass diese Regierung, die sich grundsätzlich an nichts erinnern kann, es ist, die auf der anderen Seite sagt, sie möchte eine Covid‑19-Krise lösen. Wie soll das funktionieren, wenn Sie von einem Tag auf den anderen nicht wissen, was Sie am Tag davor gemacht haben?

Sie wollen Bürgermeister von Wien werden, Herr Blümel. Wie soll das gehen, wenn Sie von einem Wahlkampftermin zum nächsten nicht wissen, was passiert ist, und es Ihnen auch niemand sagt? Ich gebe Kollegen Krainer – selten, aber doch – recht: Es ist besser, Sie kommen nicht nach Wien und bleiben auch nicht dort, wo Sie sind. Vielleicht über­legen Sie sich überhaupt ein anderes Betätigungsfeld. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ein Sonderfall im Untersuchungsausschuss war der Präsident dieses Hauses, der hinter mir sitzt. Auch er hat Erinnerungslücken gehabt. Auch er weiß nicht, wo sein Verein eigentlich Adresse und Sitz gehabt hat. Er hat nicht gewusst, was er als Präsident dieses Vereins in Auftrag gegeben hat, mit wem er kooperiert hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein schwarzer Faden, der sich hier zeigt, der in Wirklichkeit von Erin­nerungslücken geprägt ist.

Ich möchte jetzt schon noch darauf zurückkommen, was der Ausschuss schlussendlich zutage gefördert hat. Der Ausschuss hat bisher gezeigt, dass die ÖVP nicht nur drauf


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und dran ist, einen Tiefen Staat zu errichten, sondern bereits einen Tiefen Staat errichtet hat. Wir sehen es hier: Wurscht, ob es die Covid-Regelungen oder andere Dinge sind, die ÖVP hat mittlerweile die Gewaltentrennung überwunden und regiert in alle Bereiche unseres Lebens und in alle Bereiche dieses Staates hinein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist der Grund, warum man genau solche Maßnahmen ergreifen muss, wenn uns ein Minister hier im Parlament wiederum für dumm verkaufen möchte, indem er einfach Antworten, die er geben muss, nicht gibt. Das ist auch der Grund, warum wir als Opposition dazu aufgerufen sind, diesem Schau­spiel ein Ende zu bereiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser sogenannte Ibiza-Untersuchungsaus­schuss, der vielleicht als Instrument gegen die FPÖ initiiert worden ist, stellt sich mittler­weile als eine andere Problematik heraus. Es ist ein Ausschuss, der das Zusammenwir­ken von ÖVP und Grünen zeigt. Sie wollten ja den Ausschuss eigentlich zu Beginn schon verhindern. Das ist ihnen ja Gott sei Dank nicht gelungen.

Der Ausschuss zeigt, wie die ÖVP tut, wenn sie kann. Der Ausschuss zeigt auch zum Beispiel im Projekt Edelstein, was die ÖVP ihrem Koalitionspartner im Finanzministerium alles nicht gesagt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ausschuss geht jetzt in die richtige Richtung, und ich bin überzeugt davon, dass das jetzt nur die Spitze des Eisberges ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Tomaselli.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


15.28.12

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit einer guten Nachricht beginnen, nämlich mit der Nachricht: Ja, die parlamentarische Kontrolle funk­tioniert. Die Operation Edelstein, und das dürfen wir nicht vergessen, sollte im Geheimen gehalten werden. Es geht um nichts anderes, als dass die Datenachillesferse der Repu­blik an die teilprivate Post hätte verkauft werden sollen. Dass das ans Tageslicht gekom­men ist, ist komplett das Verdienst der parlamentarischen Kontrolle in diesem Ibiza-Un­tersuchungsausschuss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin froh, dass diese parlamentarische Kontrolle funktioniert und dass wir denjenigen, die diese wahnwitzigen Pläne von Parallelsystemen, die man zu installieren versucht hat, geschmiedet haben und die jetzt versuchen, diese unter Verschluss zu halten, nicht den Gefallen tun, dass sie auch dort bleiben. (Abg. Martin Graf: Wer beabsichtigt das?) Wir legen dieses System im Untersuchungsausschuss Schicht für Schicht frei, und das hilft uns allen hier im Haus, damit wir nachher die politischen Schlüsse daraus ziehen können. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Tatsächlich sind wir Grüne auch der Meinung, dass man sich, wenn so ein Geheimplan ans Tageslicht kommt, dass die sensibelsten Daten (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf) von uns allen – Steuerdaten, Gesundheitsdaten, das Firmenbuch, alles aus dem wirklich hochgeschützten Bereich des Bundesrechenzentrums – in zumindest zwei­felhafte Hände verscherbelt hätten werden sollen, bitte auch alle Fragen der Parlamenta­rier dazu gefallen lassen muss, und die haben auch ein Recht auf eine Antwort, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.)

Wer auch ein Recht auf Antworten hat, sind die Bürgerinnen und Bürger, die Österreiche­rinnen und Österreicher, denn wenn man sich alles anschaut, was dabei passiert ist oder hätte passieren sollen oder was die alte Bundesregierung geplant hat (Abg. Martin Graf: Das war die ÖVP, nennen Sie es beim Namen!), stellt man fest, dass alle ein Hochrisiko


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hätten eingehen sollen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf), dass ihre sensi­belsten Daten, ihre privatesten Geheimnisse in private Hände kommen. Ein Datenmo­loch unter der Beteiligung des Datenhändlers Post hätte geschaffen werden sollen. Das ist ein Fakt.

Auch vier Monate nach Bekanntwerden ist es einfach nur unfassbar, wenn man sich das anhört. Weil ich finde, dass die Österreicherinnen und Österreicher sich Transparenz und auch Antworten auf die in dieser Anfrage gestellten Fragen verdient haben und dass diese nicht unter den Tisch fallen sollen, hole ich das eben jetzt nach.

Wurden Gutachten eingeholt? – Ja, es waren sogar mehrere, eines von McKinsey.

Was hat das Projekt Edelstein gekostet? – Das wissen wir auch, es sind mindestens 100 000 Euro im BMF.

Wer war alles beteiligt? – Es war das BMF, es war die Führungsriege der Post, es war das Bundeskanzleramt, aber es war nicht der Hauptbetroffene, das Bundesrechen­zentrum.

Wer hat das Projekt initiiert? – Wir wissen: Es war nicht die Post, es war nicht das Bun­desrechenzentrum, es bleiben also nur das Bundesfinanzministerium oder das Bundes­kanzleramt.

Gab es – das interessiert Sie da draußen sicher auch – irgendwelche Vorkehrungen, Gutachten oder dergleichen, damit man diese Daten im Bundesrechenzentrum schützt? – Nein, die gab es nicht, nicht einmal den klitzekleinsten Onepager.

Und ist das Projekt nach dem Datenskandal im Jänner 2019 eingestellt worden? – Nein – auch das wissen wir aus den Akten –, nur wenige Tage später ging das Projekt weiter, wenige Monate später wurde es komplett wiederaufgezogen.

All das an die Oberfläche zu bringen, war bitte die Leistung des Untersuchungsaus­schusses – von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen im Ibiza-Untersuchungsaus­schuss –, und man kann zu Recht stolz darauf sein, dass das ans Licht gekommen ist. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Hammerschmid.)

Was ich abschließend sagen möchte: Wenn Sie heute so tun, als ob das alles nichts gewesen wäre, und es de facto so darstellen, als habe man nur laut nachgedacht, sage ich Ihnen: Die Kosten, die Gutachten, aber auch die Zeugenaussagen sagen etwas an­deres. Im Grunde genommen: Wenn man heute das Gegenteil sagt, ist das eigentlich eine Verharmlosung eines Hochrisikoplans – eines Hochrisikoplans, dass man die Da­tenachillesferse der Republik, unser aller privateste Geheimnisse an den Datenhändler Post verkaufen wollte. Es hat auch nichts mit bürgernaher Politik zu tun, wenn man nicht alle Karten offenlegt. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.


15.33.06

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! (Abg. Martin Graf: Wer war’s jetzt?) Wenn man sich diese Anfragebeantwortung durchliest, kann man eigentlich nur sagen – die Kollegen davor haben es schon ausgeführt –: Beantwortet ist diese Anfrage bei Weitem nicht worden. Ich darf mich bei Kollegin Tomaselli bedanken, die die Aufgabe des Finanzministers übernommen hat, die Fragen zu beantworten. Was schon bezeichnend ist, ist, dass das nicht zum ersten Mal in Ihrem Ressort und nicht zum ersten Mal generell vorkommt, wenn man sich die Regierungsmitglieder der ÖVP anschaut.


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Ich kenne das aus eigener Erfahrung mit vielen Ressorts, insbesondere auch beispiels­weise bei Frau Bundesministerin Tanner: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich eine ordentlich beantwortete Anfrage, eine Beantwortung, mit der man auch etwas anfangen kann, zurückbekommen hätte – dass man auf ganz einfache Fragen etwas zurückbe­kommt und sagt: Das ist die Antwort darauf. – Dann könnten wir als Opposition bezie­hungsweise als Parlament insgesamt etwas daraus machen. Es wäre wichtig, dass auch die Grünen den Druck auf die ÖVP, dass die Anfragebeantwortungen endlich geliefert werden, stärker erhöhen.

Wenn die ÖVP so mit den Daten der Österreicherinnen und Österreicher umgehen würde, wie sie es anscheinend mit ihren eigenen Machenschaften tut – das sieht man ja bei dieser Anfragebeantwortung, in der versucht wird, Dinge nicht hochkommen zu lassen –, wäre es besser um die Daten der Bürgerinnen und Bürger in Österreich be­stellt, als es das jetzt ist.

Wir haben ja nicht das erste Mal in den letzten Monaten die Situation, dass leichtsinnig, wenn nicht sogar fahrlässig damit umgegangen wird. Ich darf an den Fall des Ergän­zungsregisters vor wenigen Monaten erinnern, bei dem eine Million Datensätze über Jahre hinweg im Internet frei abrufbar waren. Wer war dafür verantwortlich? – Ein ÖVP-Minister, oder in diesem Fall eine ÖVP-Ministerin.

Ich darf an das Bundesministerium für Inneres erinnern: Vor wenigen Monaten hatten wir den Skandal, dass über die GIS die gesamten Daten des ZMR abrufbar waren und im Darknet zum Verkauf angeboten wurden. Wer war dafür verantwortlich? – Natürlich ein ÖVP-Minister.

Wir hatten den Fall um den Familienhärteausgleich: Auch in diesem Fall ist es dazu gekommen, dass Hunderte private Daten von Betroffenen – und da ging es sogar um den Iban, also Kontodaten – einfach per E-Mail an irgendwelche anderen Personen ver­schickt wurden. Das war das Familienministerium, natürlich – Sie können einmal raten – unter ÖVP-Führung.

So geht die ÖVP mit unseren Daten um, und dann kommt noch heraus, dass die ÖVP sie sogar verkaufen will – um wenig Geld, wie aus den Akten sehr eindeutig hervorgeht. Es ging nicht darum, ein Geschäft damit zu machen, sondern es ging nur darum, sie irgendwie zu verkaufen. Man stellt sich schon die Frage, warum. Warum will die ÖVP das eigentlich? Ich habe eine aus meiner Sicht sehr treffende Erklärung dafür. Die ÖVP kann eine Sache gut: Sie kann selber gut mit Daten umgehen. Es gibt kaum eine Partei in Österreich, die ihr Campaigning so stark auf Daten aufgebaut hat. Im BRZ liegen na­türlich nicht uninteressante Daten: Krankenakten, Elga, Finanzdaten – alles Mögliche liegt dort. Das ist für eine Kampagne nicht so uninteressant. Ich bin mir sehr sicher, dass es eigentlich darum ging, diese Daten mit der Post zuerst in die Privatwirtschaft zu brin­gen, um sie dann selber einzukaufen – wahrscheinlich noch zu einem sehr, sehr günsti­gen Preis –, um damit Kampagnen zu steuern und die Republik noch stärker in die eige­nen Hände zu bekommen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Sache ist der ÖVP nämlich sehr bewusst: Daten sind gleich Macht. Eine Sache hat die ÖVP über die letzten Jahre immer wieder bewiesen: Wenn es um Macht geht, ist sie skrupellos, und dann geht es weiter. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine wunderschöne Diskussion gab es ja über die letzten Monate auch darüber, wer denn davon wusste. Da hat es ja dann vom Bundeskanzler geheißen: Ich habe das noch nie gehört, ich habe es irgendwo einmal in den Medien gelesen. – Mittlerweile ist es klar: Wissen Sie, wer es wusste? Wissen Sie, wer integraler Bestandteil dieser Arbeitsgruppe war? – Herr Bonelli. Wir wissen alle, wer Herr Bonelli ist. Herr Bonelli ist einer der engs­ten Verbündeten von Sebastian Kurz, und der Bundeskanzler will uns weismachen, dass er von all dem nichts weiß. – Natürlich wusste er davon. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


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Aus meiner Sicht ist ganz klar: Die ÖVP wollte mit dieser Operation Edelstein die Edel­steine der Republik, der Bürgerinnen und Bürger verkaufen, um die eigene Macht zu erhalten. Sie, Herr Finanzminister, haben das in der Anfrage einfach nicht beantwortet. Sie haben einfach gesagt: Es ist ohnehin alles gut, alles ist super. Wir beantworten das nicht, weil wir es nicht dürfen. – Das ist sehr, sehr fahrlässig. Deswegen bringe ich fol­genden Antrag ein:

Antrag gemäß § 92 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Christian Hafenecker, MA, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Beantwortung 2509/AB der Anfrage 2509/J der Abgeordneten Mag. Christian Dro­bits und GenossInnen, betreffend ‚Projekt ‚Edelstein‘ – geplante (Teil)Privatisierung des Bundesrechenzentrums durch den Bundesminister für Finanzen wird nicht zur Kenntnis genommen.“

*****

(Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass die ÖVP beginnt, einerseits mit Daten ordentlich umzugehen und andererseits auch dieses Haus zu respektieren und Anfragen endlich so zu beantworten, wie es dieses Haus auch verdient hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.38


15.38.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Da dazu niemand mehr zu Wort gemeldet ist, ist die Debatte geschlossen und wir ge­langen zur Abstimmung.

Ich frage vor der Abstimmung: Können wir mit der Abstimmung beginnen? (Ruf bei der SPÖ: Sitzt eh keiner mehr auf der Galerie, Herr Präsident!) Wir haben in der Präsidiale vereinbart, dass wir die Klubobleute fragen, ob wir abstimmen können. SPÖ? Grüne? FPÖ? – Ja.

Dann gelangen wir nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dro­bits, Hafenecker, Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeant­wortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf die Damen und Herren, die sich für diesen Antrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

15.39.533. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (232 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (291 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte wieder auf und komme zu Tagesordnungspunkt 3.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.



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15.40.17

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt einen thematischen Wechsel. Wir befinden uns in der Debatte über das Gesundheitstelematik­gesetz, den darin geregelten elektronischen Impfpass und das zentrale Impfregister. So groß ist der inhaltliche Sprung zur gerade vorbeigegangenen kurzen Debatte gar nicht, denn auch in der vorangegangenen Debatte ist es um Datensicherheit, um den Wert von Daten, um den Schutz von Daten vor Verkauf gegangen.

Wir haben unter Bundesministerin Hartinger-Klein bereits 2018 mit der Ausarbeitung des elektronischen Impfpasses begonnen, schlicht und ergreifend aus dem Grund, dass moderne digitale Anwendungen den Informationsstand im Gesundheitswesen, vor allem auch im Gesundheitsministerium, über die Durchimpfungsraten, über die Wirksamkeit von Impfkonzepten deutlich erhöhen und der bisherige Verwaltungsstandard, der klas­sische Impfpass, der zu stempeln und zu picken war, sehr häufig verloren gegangen ist und in keinster Weise irgendwo zentral erfasst war.

Nun wurde aus dieser durchaus brauchbaren Idee einer fortschrittlichen Digitalisierung, die den Bürgern eigentlich helfen sollte, erneut etwas, das wir Freiheitliche ablehnen, nämlich ein Datenmoloch in Form eines zentralen Impfregisters, das eine Unzahl von Daten speichert, die aus unserer Sicht gar nicht erforderlich sind, um das primäre Ziel dieses elektronischen Impfpasses zu erfüllen. Ich darf Ihnen nur einmal vorlesen, denn vielleicht hat der eine oder andere diese Vorlage nicht so exakt gelesen, welche Daten da alle gespeichert werden sollen:

Die Angaben zu Bürgerinnen und Bürgern sollen enthalten: „Name, Geburtsdatum, Ge­schlecht, Wohnadresse, Angaben zur Erreichbarkeit, Angaben zu einer allfälligen Vertre­tung, Sozialversicherungsnummer, bereichsspezifisches Personenkennzeichen Ge­sundheit, Gemeindecode, Titerbestimmung, impfrelevante Vorerkrankungen und beson­dere Impfindikationen“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben diese Kritik bereits im Ausschuss angebracht. Diese Form der Datensammlung, dieser zusätzliche Datenmoloch, der da in Form des zentralen Impfregisters geschaffen wird, ist vom Inhaltlichen her viel zu weit­reichend und wird deshalb von uns – wenig überraschend – abgelehnt. (Beifall bei der FPÖ.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schall­meiner. – Bitte.


15.42.32

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Im Juni dieses Jahres haben wir uns gedacht, na ja, jetzt wäre es dann Zeit, dass wir einmal wegen der FSME-Impfungen unserer Kinder schauen. Wir glauben, es wäre jetzt in etwa wieder Zeit, und wir haben dann eben zu Hause herum­gesucht und dann irgendwann einmal auch den Impfpass gefunden. Der ist dann halt – so, wie so oft – genau in der letzten Schublade, in der man nachschaut. Wir sind dann draufgekommen: Upsiwupsi, wir haben es nicht nur für ein paar Tage oder ein paar Wo­chen vergessen, eine Auffrischungsimpfung bei unseren Kindern vorzunehmen, sondern wir haben es bei dem einen Kind um drei Jahre und beim anderen Kind um fünf Jahre verpasst.

So etwas passiert dann, wenn man im Endeffekt das Ganze nicht wirklich im Griff hat und wenn man das Ganze nicht im Blickfeld hat. Und das passiert nicht nur mir, sondern


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das passiert sehr, sehr vielen Eltern, und es passiert natürlich nicht nur bei den Kindern, sondern es passiert einfach jedem und jeder in diesem Land. Das ist ganz normal, so etwas vergisst man ganz gerne.

Der E-Impfpass ist eine Möglichkeit, das in Zukunft für jeden und jede von uns besser in den Griff zu bekommen, indem man dann vielleicht auch daran erinnert wird, beispiels­weise eben eine Auffrischungsimpfung machen zu lassen. Das ist eine gute Geschichte und aus unserer Sicht dementsprechend auch positiv.

Was Kollege Kaniak gerade angesprochen hat, dieses Sammeln von Daten: Na ja, wir wissen bis heute nicht wirklich, wie die Durchimpfungsrate bei sehr, sehr vielen Krank­heiten in diesem Land ist. Wir wissen nicht, wie viele Menschen in Österreich wirklich noch gegen Masern geimpft sind. Wir wissen nicht, wie es bei Keuchhusten, HPV et cetera ausschaut – einfach deshalb, weil uns die Daten dafür fehlen. Hier können wir anonym Daten erheben, ohne die persönliche Freiheit von jedem oder jeder Einzelnen anzugreifen.

Mir ist auch noch sehr wichtig, dass der E-Impfpass – auch wenn in den sozialen Medien manchmal so getan wird, als ob das das Hintertürl für eine allgemeine Impfpflicht wäre – natürlich keine allgemeine Impfpflicht bedeutet. Wir haben uns alle miteinander dagegen ausgesprochen, wir haben es auch heute bei den Redebeiträgen zu den Tagesord­nungspunkten 1 und 2 bereits von allen Seiten schon einmal gehört, und ich möchte es auch hier noch einmal festhalten: Es wird keine allgemeine Impfpflicht geben, auch und gerade nicht wegen des E-Impfpasses.

Beim E-Impfpass gibt es keine Opt-out-Möglichkeit, das stimmt, aber die habe ich auch beim Papierimpfpass nicht gehabt. Diesen habe ich bekommen, und wenn ich ihn gefüllt habe, habe ich ihn gefüllt, und wenn ich ihn nicht gefüllt habe, habe ich es nicht getan. Und beim E-Impfpass ist es genau dasselbe. Hören wir also bitte auf, hier wieder mit trumpistischen Ausritten zu versuchen, der Bevölkerung draußen etwas aufzubinden, was nicht Sache ist, sondern kehren wir wieder zu den Fakten zurück!

Ich würde mir wünschen, dass heute vielleicht einmal alle fünf Parteien gemeinsam dem Ganzen zustimmen. Vielleicht kann sich ja die FPÖ doch wieder einmal auf Faktenlagen beziehen und dann doch noch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.


15.45.35

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, die Geschichte von Herrn Kollegen Schallmeiner hat recht anschaulich ver­deutlicht, wie es in der gelebten Praxis ausschaut. Ich glaube, viele von uns haben Pro­bleme, auf einen Griff den Impfpass zu finden. Viele von uns sind sich wahrscheinlich nicht ganz hundertprozentig sicher, ob wirklich alle Impfungen eingetragen sind. Viele von uns haben vielleicht auch mehr als einen Impfpass. Und all diese Probleme löst der elektronische Impfpass.

Man sollte aber auch auf den wichtigen Aspekt hinweisen, dass Impfen etwas ist, das vorbeugt. Die WHO schätzt, dass dadurch, dass geimpft wird, ungefähr 2 bis 3 Millionen Menschen im Jahr weniger sterben, und wir könnten noch viel mehr Menschen das Le­ben retten, wenn wir die Durchimpfungsrate erhöhen würden. Die WHO spricht da von circa 1,5 Millionen Menschen.

Kollege Schallmeiner hat aber auch einen wesentlichen Aspekt angesprochen, es geht um das Vertrauen der Menschen in die Impfung. Jetzt wissen wir, dass Menschen, die


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sich impfen lassen, in unserer Gesellschaft so etwas wie ein Schutzschild sind, der be­wirkt, dass sich Epidemien weniger gut verbreiten können, dass gefährliche Krankheiten wie Masern in Österreich beinahe gänzlich ausgestorben sind. Menschen, die sich imp­fen lassen, schützen auch die Menschen, die nicht geimpft sind. Darum ist es so wichtig, dass wir in der Bevölkerung ein hohes Vertrauen haben, wenn es ums Impfen geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt richtet sich natürlich bei der Coronapandemie die eine Hoffnung, um sie bekämpfen zu können, auf einen wirksamen Impfstoff. Ich sage einmal, Bilder, auf denen ein russi­scher Präsident seine Tochter schnell einmal impfen lässt, um zu beweisen, dass das Mittel ungefährlich ist, stärken nicht das Vertrauen der Menschen, dass das wirklich ge­scheit ist.

Darum ist es wichtig, hier wirklich um das Vertrauen der Menschen zu kämpfen, dafür zu sorgen, dass alles gut abgesichert ist. Ich habe dabei ein bissel eine Befürchtung, denn wenn wir das heurige Jahr Revue passieren lassen, erkennen wir, dass vom Bun­deskanzler eine durchaus sinnvolle Contacttracingapp am Altar des politischen Alltagsle­bens geopfert worden ist, dass eine sinnvolle Ampellösung ebenfalls vom Bundeskanz­ler abgeschossen wurde. Ich möchte nicht erleben, dass eine sinnvolle Impflösung, die uns helfen würde, die Covid-Pandemie zu begrenzen, ebenfalls vom Bundeskanzler ab­geschossen wird.

Achten wir darauf, das Vertrauen, das die Bevölkerung in Impfungen hat, nicht zu er­schüttern! Es ist ein wichtiges Gut, das wir haben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxin­ger. – Bitte.


15.48.30

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich frage Patientinnen und Patienten in der Ambulanz bei Verbrennungen immer, ob sie gegen Wundstarrkrampf, Tetanus geimpft seien, und bei Zeckenstichen, ob ein ausreichender Impfschutz gegen Gehirnhautentzündung, die durch FSME-Viren und Ze­cken übertragen wird, vorhanden ist. Wissen Sie, was ich oft als Antwort erhalte? – Ich weiß es nicht, ich habe meinen Impfpass verloren, ich finde ihn nicht mehr. Was tun?

Auch im privaten Bereich einer mehrköpfigen Familie stand oft schon die Frage im Raum, ob der FSME-Impfschutz noch ausreiche und wo denn der papierene Impfpass sei. Eine fieberhafte Suche war die Folge. Der Gipfel an Skurrilität war vor einer Woche ein 60-jähriger Mann, der gemeint hat, der Impfpass sei noch zu Hause bei den Eltern, wo er vor 25 Jahren ausgezogen sei. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist jetzt Gott sei Dank vorbei!

Nach jahrelangem Tauziehen, mühsamen Kämpfen und unendlichen Diskussionen kann man nun die Geburt des elektronischen Impfpasses verkünden. Die Impfpassschwan­gerschaft dauerte viele Jahre und war und ist von heftigen Geburtswehen begleitet, und der klassische gelbe oder gar uralte graue Impfpass in Papierform hat ausgedient.

Die rechtlichen Grundlagen für einen elektronischen Impfpass schafft nun eine Novelle zum Gesundheitstelematikgesetz, die wir heute hoffentlich mehrheitlich beschließen. Der papierbasierte Impfpass entspricht aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Gesundheitswesen.

Wir haben schon erwähnt: Zum Beispiel ist die Dokumentation des Impfstoffes einer Person häufig unvollständig. Weiters geht aus dem papierbasierten Impfpass oftmals nicht hervor, gegen welche Erreger die erhaltenen Impfungen schützen und ob der jewei­lige Schutz noch aufrecht ist. Auch die Kenntnis einer Durchimpfungsrate ist derzeit


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mangels Datenbasis nicht möglich. Wir schätzen, dass die Durchimpfungsrate bei der Grippe zwischen 8 und 10 Prozent liegt.

Die Vorteile sind nun mannigfaltig. Wir hoffen natürlich, dass es zu einer Steigerung der Durchimpfungsrate kommt, dass Mehrfachimpfungen verhindert werden und dass wir erstmals valide Zahlen zur Durchimpfungsrate erhalten.

Keine Angst – und ich sage es laut und klar, wie alle meine Vorredner –, es wird keine Impfpflicht geben. Natürlich versuchen wir aber, möglichst viele Menschen von der Sinn­haftigkeit der Impfungen zu überzeugen, weil es dem Einzelnen und auch der Gesell­schaft hilft. Überlegen Sie, warum wir in den letzten Jahrzehnten generell viel älter wer­den! Es gibt mehrere Gründe: die gesündere Lebensweise, humanere Arbeitsbedingun­gen, bessere soziale Fürsorge, medizinischer Fortschritt, und dazu gehören auch, ganz wesentlich, Impfungen.

Ich persönlich lasse mich seit vielen Jahren jährlich gegen Grippe impfen und werde natürlich auch von einem in Europa zugelassenen sicheren Covid-Impfstoff Gebrauch machen. Ein zentrales Ziel des Impfpasses ist auch die Erinnerungsfunktion. Ist es denn nicht herrlich, dass man per Handy an eine Impfung erinnert wird? Der Impfpass soll mit einem zentralen Impfregister verbunden werden, und die bestehenden Systeme der Lan­dessanitätsdirektionen werden auch angeschlossen.

Zur Beruhigung der Datenschützer: Es ist datenschutzrechtlich unproblematisch, da nur auf den Impfpass zugegriffen werden kann und nicht zwangsweise auch auf die Elga. Und was ist nach dem Tod? – Die gespeicherten Daten sind zehn Jahre nach dem Ster­bedatum zu löschen.

Der Papierimpfpass ist zukünftig also nicht mehr notwendig. Es soll auch eine Verknüp­fung mit dem nationalen österreichischen Impfplan erfolgen. Ich sehe insgesamt ein Plus an Qualität in der Gesundheitsversorgung und ein Service für Patientinnen und Patienten sowie für die Ärzteschaft. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis man elektronisch an Impfungen erinnert wird.

Ich möchte dazu folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematik­gesetz 2012 geändert wird (232 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (291 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberich­tes 291 d.B. wird wie folgt geändert:

In Z 74 wird in § 32 die Zeichenfolge „...“ durch den Ausdruck „2020/422/A“ ersetzt.

*****

Es ist gut, dass der elektronische Impfpass endlich kommt. Nützen wir ihn alle! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordentlich eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.



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15.53.04

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Wenn Sie im österreichischen Gesundheitssystem etwas weiter­bringen wollen, brauchen Sie einen langen Atem. Unser NEOS-Antrag auf einen elektro­nischen Impfpass ist im ersten Gesundheitsausschuss der damaligen schwarz-blauen Regierung beschlossen worden, und jetzt kommt dieses Gesetz endlich daher; aber selbst da hat es der grüne Gesundheitsminister noch geschafft, eine Bestimmung hinein­zutheatern, die beinahe den gesamten Datenschutz des Elga-Systems ausgehebelt hät­te, wenn es nicht noch rechtzeitig vor dem Ausschuss einen medialen Aufschrei gegeben hätte.

Gut, nun kriegen wir endlich diesen elektronischen Impfpass. Die Vorteile sind geschil­dert worden und dem schließe ich mich an. Man muss aber auch sagen, dass der Mi­nister von der Pendeluhr, Herr Anschober, manche Dinge nicht zuwege bringt, die ganz einfach zuwege zu bringen wären und von denen die Bevölkerung glaubt, das wäre so. Dass man positive PCR-Testergebnisse immer noch nicht in Elga hat und dass der Bür­germeister, nicht aber der Arzt informiert wird, wenn ein Gemeindebürger positiv getestet ist, ist völlig absurd.

Da funktioniert die Kommunikation zwischen Ministerium und Elga-GmbH nicht. Sie soll­ten, glaube ich, einmal ein Auge darauf werfen, wo dort der Hund begraben liegt. Es wäre nämlich technisch sehr vieles möglich, das wir einfach nicht tun. Stattdessen ver­suchen wir hochkompliziert mit einer Krücke, die Daten der PCR-Tests irgendwie zu er­fassen und irgendwie eine Übersicht zu bekommen. Das alles könnte man in der Elek­tronischen Gesundheitsakte haben, aber wir haben es nicht. Vielleicht bereiten Sie es vor, denn vielleicht brauchen wir es für die nächste Pandemie. Vorher schaffen Sie es bei diesem Arbeitstempo eh nicht. (Beifall bei den NEOS.)

15.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte.


15.55.26

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Hohes Haus! Zu diesem Punkt ist bereits von meinen Vorrednern vieles gesagt worden. Das Gesundheitstelematikgesetz aus dem Jahre 2012, das heute novelliert wird, ebnet eigentlich den Weg für den elektronischen Impfpass.

Bereits 2017 ist unter dem Vorsitz von Dr. Pamela Rendi-Wagner in der Bundes-Ziel­steuerungskommission mit Sozialversicherung und Ländern die Weiche für diese Mög­lichkeit gestellt worden. Aus meiner Sicht ist der Kernpunkt dieser Regelung ganz klar: Diese Regelung sieht vor, dass es eine Impfversorgung gibt, die nunmehr lückenlos, einheitlich, flächendeckend und digital erfolgt. Auch die Dokumentation der Impfungen im Interesse der Patientinnen und Patienten ist gesichert.

Meine Kritik erfolgt nur aus Sicht des Datenschützers. Ich sitze wie auch mein Nachred­ner, Kollege Ofenauer, im Datenschutzrat, und wir haben bereits im Jänner eine kurze Stellungnahme abgegeben und dabei auf die datenschutzrechtlichen Bedenken hinge­wiesen. Die Bedenken blieben trotz neuerlicher Vorlage eines Entwurfes – wir waren im Sommer eine Zeit lang gar nicht eingebunden – im Rahmen der Notifikation bestehen.

Ich möchte insbesondere auf das fehlende Widerspruchsrecht im Hinblick auf die E-Me­dikation – bei der es besteht – hinweisen, aber auch auf die Zugriffsmöglichkeit der Apo­theken auf die Impfdaten, obwohl eigentlich nur die Möglichkeit einer Impfberatung be­steht.

Mein persönlicher Kritikpunkt, der übrig bleibt, ist die Datensicherheit. Ich habe das be­reits im Gesundheitsausschuss gegenüber unserem Bundesminister Anschober erwähnt.


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Es wurde mir zugesichert, dass es ein Sicherheitskonzept geben wird. Mir ist es bis dato nicht bekannt.

Ich weise nochmals darauf hin, dass eine aktive Missbrauchssituation verhindert werden soll. Aus diesem Grund muss ein Sicherheitskonzept vorliegen und auch die Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen muss gewährleistet werden. Ich kann derzeit nicht mit Ge­wissheit behaupten, dass, obwohl sie eigentlich vorhanden sein müssten, sämtliche Si­cherheitskonzepte der Ärzte bereits seitens des Gesundheitsministeriums überprüft wurden. Deshalb bitte ich, zu beachten: Datenschutz im Bereich der Sicherheitspolitik ist wichtig.

Abschließend noch zum Pilotbetrieb von einem Jahr: Nach Ablauf dieses Jahres ist grundsätzlich die Evaluierung vorgesehen, bevor der Vollbetrieb im Jahr 2023 anläuft. Ich würde bitten, uns im Datenschutzbereich dann auch wieder einzubeziehen, nämlich im Sinne einer Begutachtung. Ich würde auch darum ersuchen, eventuell die Aufnahme der Schadensfälle im Bereich der Impfungen, also die Impfschäden, in das Register zu diskutieren und nochmals die Löschung der Daten zu evaluieren. – Danke für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tanda. – Bitte.


15.58.50

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Plenum! Die Digitalisierung hat längst unser Gesundheitssystem erreicht. Das aktuelle Gesetz ist diesbezüglich nur eine notwendige Neuerung.

Diverse Gesundheitsapps erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Vom einfachen Schrittzähler bis zum Heart-Rate-Messer, Schlafmesser gibt es viele Apps, die Men­schen freiwillig auf ihren Handys installieren, Apps, die Daten in eine Cloud laden, so­dass sie überall verfügbar sind. All das gibt es längst. Auch gibt es bereits Pilotprojekte zur Rehabilitation von Menschen mit Herzschwäche, die mittels eines telemedizinischen Betreuungsprogramms und Trainingsprogramms überwacht werden, wie zum Beispiel Herzmobil in Tirol und Herzmobil in der Steiermark.

Die Änderung des Gesundheitstelematikgesetzes war somit eine dringend notwendige Anpassung an die digitalen Gegebenheiten unserer Zeit. Die Schaffung einer Rechts­grundlage für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zum Zweck der Evaluie­rung und zur Nutzung digitaler Gesundheitssysteme erlaubt nun die Einführung des elek­tronischen Impfpasses, von dem meine Vorredner schon alle gesprochen haben.

Der elektronische Impfpass wird nach einer einjährigen Testphase österreichweit ausge­rollt und ermöglicht eine durchgängige und vollständige Dokumentation des Impfstatus. Wie oft passiert es, wie wir schon von Kollegen Saxinger gehört haben, dass man seinen Impfpass nicht findet? Meiner ist altersbedingt noch graubraun. Ich weiß seine Farbe, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung mehr, wo er liegt, dafür habe ich zwei weitere gelbe irgendwo herumliegen. Ich bin sicher nicht die Einzige – oder erinnern wir uns wirklich alle noch an jedes Datum einer Auffrischungsimpfung, oder daran, wann man die letzte Tetanusimpfung hatte? Muss ich mich nun bei jeder Verletzung, wenn ich in die Klinik fahre, gegen Tetanus impfen lassen und alles wiederholen? Der elektronische Impfpass erleichtert daher nicht nur einem selbst den Überblick über den eigenen Impf­status, sondern er erinnert einen auch daran, wann die nächste Impfung fällig ist. Mich persönlich und auch sicher viele andere unterstützt das sehr.

Das so entstehende zentrale Impfregister dient der Dokumentation aller Impfungen und ermöglicht so auch valide Aussagen über Durchimpfungsraten. Durch die Schaffung


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dieser Datengrundlage sind Impflücken in der Bevölkerung einfacher feststellbar und Mehrfachimpfungen können verhindert werden.

Auch den Bedenken wegen des Datenschutzes hinsichtlich der großen Datengrundlage wurde durch den Abänderungsantrag Rechnung getragen. Der Zugriff erfolgt, wie wir heute schon gehört haben, ausschließlich auf die Impfdaten der Person und nie auf die gesamten Elga-Daten. Wir wundern uns ja auch nicht alle über unser Pensionskonto und wehren uns nicht dagegen – auch dort werden die Daten personalisiert erfasst, sie wer­den aber nicht für alle zugänglich und abrufbar sein. So wird es auch bei diesen Daten sein: Nur der Arzt kann personalisiert abfragen.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass diese Novelle des Gesundheitstelema­tikgesetzes nicht nur den Weg für den elektronischen Impfpass ebnet, sondern generell eine Rechtsgrundlage für Weiterentwicklungen von E-Health-Anwendungen schafft – und das ist dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Nuss­baum. – Bitte.


16.02.38

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich persönlich sehr, dass es nach über zwei Jahren gelungen ist, den elektronischen Impfpass auf den Weg zu bringen. Bei der ursprünglichen Beschlussfassung in der Bundes-Zielsteuerungskom­mission, bei den Vorarbeiten, habe ich noch in einer anderen Funktion mitwirken dürfen. Die Digitalisierung schreitet voran – und gerade in der Medizin ist das, glaube ich, gut, wie man beim elektronischen Impfpass sieht, da dieser für uns Bürgerinnen und Bürger einfach enorme Erleichterungen bringen wird.

Der bisherige Papierimpfpass geht oft verloren. Man weiß nicht, wann man eine Auffri­schungsimpfung braucht, ob der Impfschutz überhaupt noch aufrecht ist und gegen wel­che Erreger die erhaltenen Impfungen überhaupt schützen sollten. Auch wenn man ins Spital kommt, hat man seinen Impfpass natürlich nicht mit. Mehrfachimpfungen könnten durch den elektronischen Impfpass vermieden werden. Bei all diesen positiven Belangen für den elektronischen Impfpass ist aber wichtig, dass man schon schauen muss, dass auch ein Sicherheitskonzept vorliegt, denn die Sicherheit der Patientinnen und Patienten soll natürlich immer das höchste Gebot sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch die Coronapandemie haben die Impfgegner wieder viel Aufwind und Aufmerksam­keit erhalten. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Impfungen wieder zu bewer­ben, eine Kampagne zu starten. Erinnern wir uns an die seinerzeitigen FSME-, an die Zeckenimpfkampagnen, mit denen immer wieder dafür geworben worden ist, sich impfen zu lassen.

Mit dem elektronischen Impfpass wird es auch möglich sein, dass man die Durchimp­fungsrate erhöht, besser gesagt: überhaupt einmal sieht, wie viel Durchimpfung in Öster­reich gegeben ist; denn wir hätten schon viele Krankheiten längst besiegen können, Stichwort: Masernausbrüche, von denen man immer wieder hört.

Wesentlich für uns ist es vor allem, dass es einen niederschwelligen Zugang zu Impfun­gen gibt und auch flächendeckend Gratisimpfprogramme angeboten werden. Wir sehen das derzeit: Die Stadt Wien hat dies bezüglich Grippeimpfungen schon bekannt gege­ben. Aus unserer Sicht – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – wäre es natürlich aufgrund des hohen Ansehens in der Bevölkerung auch sehr gut, dass Apothekerinnen und Apotheker auch Impfungen durchführen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.)


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Wir von der SPÖ begrüßen daher die Einführung des elektronischen Impfpasses. Damit dieser aber ein Erfolg wird, braucht es ein durchdachtes Sicherheitskonzept im Bereich des Datenschutzes. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05


16.05.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, frage ich, ob wir dafür bereit sind. SPÖ? – Okay. ÖVP? – Dann darf ich zur Abstimmung kommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 291 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmei­ner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Ga­briela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ziffer 74.

Ich bitte die Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wieder die Mehrheit, mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ange­nommen.

16.07.364. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III­77/260 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung. 

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


16.08.10

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte MinisterInnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte in meiner Rede zum Sozialbericht 2019 das Thema Armut in den Fokus stellen. Knapp 17 Prozent der in Österreich lebenden Menschen, das sind 1,5 Millionen Personen, sind laut Armutskonferenz in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, und die Mehr­heit davon sind Frauen. Armut in Österreich ist damit weiblich.


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Wieso ist das so? – Das ist eine rhetorische Frage. Wir alle, die wir hier sitzen, kennen die Gründe, wieso das so ist. Auf mangelnde Lohntransparenz folgt der Lohnunter­schied, der sogenannte Genderpaygap, der führt direkt in den Genderpensiongap. Dazu kommt die eklatant ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern und auch ein Mangel an Kinderbetreuung. Teilzeitangestellte, Al­leinerziehende und auch allein lebende Frauen sind außerdem besonders armutsge­fährdet.

Erst in der Vorwoche hat die Statistik Austria aktuelle Zahlen präsentiert. Ich mag Ihnen diese gerne in Erinnerung rufen, sie sind sehr besorgniserregend in ihrer Ausdrucks­stärke und auch wert, gehört zu werden. Die erste Zahl: Das Bruttoeinkommen von Frau­en in Österreich liegt auch im Jahr 2020 noch immer 17 Prozent unter jenem von Män­nern. 17 Prozent! Die zweite Zahl: Frauen erhalten durchschnittlich um 42 Prozent weni­ger Pension als Männer. Das heißt in der Realität, eine Frau kriegt im Durchschnitt 951 Euro Pension, ein Mann hingegen 1 905 Euro. Lassen Sie diese Zahlen einmal ei­nen Moment auf sich wirken: 951, 1 905!

Ich frage Sie: Finden Sie das fair? Gibt es irgendjemanden hier im Saal, der das fair findet? – Nein, und das ist gut so. Dann besteht hier – das halte ich fest – Konsens darü­ber, dass wir das nicht fair finden und dass wir gemeinsam etwas gegen diese ge­schlechtsspezifische Diskriminierung tun müssen (Beifall bei den Grünen), nämlich alle, die wir hier sitzen, unabhängig von den Parteifarben, weil Altersarmut in Österreich nicht rot, nicht grün, nicht pink, nicht blau und nicht schwarz ist, sondern eine traurige und eine beschämende Realität, sehr geehrte Damen und Herren. Wir alle sind dafür gewählt worden, das zu ändern, und das müssen wir schleunigst tun.

Was können wir tun? Was müssen wir tun, um das zu ändern? Auch das – Sie werden es vielleicht schon ahnen – ist eine rhetorische Frage, weil wir genau wissen, was wir tun müssen. Wir kennen ja alle Hebel. Wir sagen uns das vor, jedes Jahr aufs Neue. Weil wir wissen, wo wir ansetzen müssen, sind wir auch mit dem Koalitionspartner in aktuellen Gesprächen bezüglich eines Maßnahmenpakets gegen Altersarmut von Frau­en, mit dem wir die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen stärken und damit Frauen vor Armut im Alter schützen wollen.

Was sind die Eckpunkte in diesem Maßnahmenpaket, über das wir derzeit reden? – Ers­tens Lohntransparenz, zweitens zeitgemäße Eltern- und PartnerInnenteilzeitmodelle, drittens das Pensionssplitting und viertens vor allem auch der flächendeckende Ausbau von leistbarer Kinderbetreuung.

Wir Grüne freuen uns – selbstredend – natürlich sehr über den gestrigen Vorstoß der Sozialpartnerinnen und Sozialpartner und ihre Forderung nach einem flächendeckenden qualitätsvollen Ausbau der Kinderbetreuung. Das ist eine langjährige Forderung der Grünen, und je eher wir da Nägel mit Köpfen machen, desto besser. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Herr.)

Wieso ist uns das so wichtig? – Weil wir wissen, dass Kinderbetreuung eine entschei­dende Voraussetzung dafür ist, dass Frauen das Ausmaß ihrer Erwerbstätigkeit frei ent­scheiden können und nicht aus der Teilzeitfalle direkt in die Altersarmut rutschen. Des­wegen ist uns das wichtig. Deswegen sind wir wie gesagt mit dem Koalitionspartner in Gesprächen. Ich werde als Frauensprecherin meiner Fraktion auch mit allen Frauen­sprecherInnen hier im Nationalrat Gespräche suchen, weil das Thema so wichtig ist und wir alle an einem Strang ziehen müssen.

Ich habe nicht mehr viel Redezeit, aber ich möchte mit einer etwas persönlicheren Er­zählung abschließen, sehr geehrte Damen und Herren. Ich habe vor längerer Zeit mit meinem Neffen gesprochen; er ist 14 Jahre alt. Er hat mir ein Foto von seiner Klasse gezeigt und mich gefragt, ob es stimmt, dass die Mädchen in dieser Klasse später einmal


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weniger als die Buben verdienen werden. Wenn das nämlich tatsächlich so sei – das habe er in einer Zeitung gelesen –, dann sei das total unfair; das ist ein Zitat.

Er hat recht. Das ist total unfair. Es liegt an uns, das zu ändern. Machen wir es bitte! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.


16.12.39

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! So wie wir heute bis jetzt Themen und Anträge aus dem Gesundheitsausschuss behandelt haben, bei denen es um die Siche­rung der Gesundheit der Bevölkerung in Österreich geht, haben wir auch Verantwortung zu übernehmen, wenn es um die soziale Sicherheit der Menschen in unserem Land geht.

Wir behandeln nun den Sozialbericht 2019, der einen Rückblick auf die Tätigkeiten in der Sozialpolitik gibt. Nicht alles, was in diesem Hohen Haus in den Jahren 2017 und 2018 beschlossen wurde, war gerade von guter Sozialpolitik geprägt. (Abg. Wurm: Wa­rum?) Ich erinnere nur an zwei Beispiele: Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Wo­che, beschlossen von Schwarz-Blau, haben weder etwas mit Gesundheit noch mit So­zialem zu tun (Zwischenruf bei der ÖVP); oder auch dieses Sozialhilfegesetz Neu, Herr Sozialminister, bei dem der Verfassungsgerichtshof wesentliche Teile aufgehoben hat (Abg. Wurm: Drei!) – Sie haben bis heute noch nicht diese Änderungen, die Verbesse­rungen herbeigeführt.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, diesen Sozialbericht zum Anlass zu nehmen, um einen Vergleich zu ziehen, zum Beispiel zwischen der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit. 2018 gab es eine Rekordbeschäftigung mit einer Arbeitslosenrate von 7,7 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Reifenberger.) Nun gibt es eine Rekordarbeitslosigkeit mit 400 000 Menschen ohne Job, und Experten, auch im AMS, melden sich zu Wort, sie befürchten bis zu 800 000 Menschen ohne Job im Frühjahr. Dazu kommt eine riesige Pleitewelle. Dazu kommt, dass diese Bundesregierung die Jugendarbeitslosigkeit nicht so ernst nimmt, wie sie es tun müsste; 60 000 junge Menschen unter 25 Jahren haben keinen Job. Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit ist innerhalb weniger Monate von drei auf fünf Monate gesprungen, das heißt, die Langzeitarbeitslosigkeit wird immer länger. Ja, die Menschen in diesem Land gelangen immer mehr zur Auffassung: Diese Bundesregierung lässt diese Menschen zurück!

Nicht genug, wir haben heute noch zwei Themen auf der Tagesordnung, bei denen es um einen Bildungsbonus geht. Frau Bundesministerin, hier zu sagen, den Bildungsbo­nus ab 1.10. nur für jene einzuführen, die mit Oktober in eine Schulungsmaßnahme ein­treten – mit lediglich 4 Euro pro Tag –, und all jene, die sich jetzt schon in Bildung, Ausbil­dung und Schulung befinden, zurückzulassen, verstehen die Menschen auch nicht. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Die Menschen verstehen auch nicht, Frau Bundesministerin, dass für diese Leistung der Notstandshilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes die nun aufgrund unserer Anregung schnell geplante Verordnung leider nur bis Ende des Jahres gilt, obwohl wir ganz genau wissen, dass uns diese Langzeitarbeitslosigkeit auch noch im Frühjahr beschäftigen wird. Aus diesem Grund werden wir von der SPÖ auch einen Antrag einbringen, dass diese Leistung der Notstandshilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes bis 31. März 2021 gilt und auch Sie, Frau Bundesministerin, per Verordnung darüber hinaus die Möglichkeit haben, eine Verlängerung bis Juni zu machen. Ich hoffe, dass dieser Antrag hier eine Mehrheit finden wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben viele durch Corona ausgelöste of­fene Baustellen in der Sozialpolitik zu lösen, und zwar im Bereich der Armutsbekämp­fung, Herr Sozialminister, im Bereich der Pflege, im Bereich der Pensionen, bei denen es nach wie vor ein unfaires System gibt. Ja, es gibt ungleiche Pensionshöhen, vor allem die Frauen brauchen da Änderungen; unsere Anträge liegen auf dem Tisch, unsere An­träge liegen im Ausschuss. Immer wieder wie gesagt der Vorschlag: alle Pensionen auf den Tisch, alle Beitragshöhen, alle Beitragsleistungen, alle Abschläge aller Träger.

Machen wir gemeinsam eine faire Sozialpolitik im Sinne der Menschen, für alle Men­schen in diesem Land, in Österreich! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Grünberg. – Bitte.


16.17.15

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Ganz zu Beginn möchte ich mich am heutigen Welttag der Gebärden­sprache bei unseren Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern recht herz­lich bedanken, denn sie übersetzen jedes Mal unsere Reden, wenn wir hier im National­rat reden, in Gebärdensprache – vielen Dank dafür! (Allgemeiner Beifall, darunter Beifall in Gebärdensprache bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun aber zum Sozialbericht: Er ist mit seinen 180 Seiten sehr umfangreich und beschäf­tigt sich mit diversen Themen, auf die meine Kolleginnen und Kollegen teilweise schon eingegangen sind und auch noch eingehen werden. Es ist sehr erfreulich, dass im So­zialbericht 2019 die Behindertenpolitik sehr ausführlich behandelt wurde. Es hat sich in diesem Bereich und auch in den letzten Jahr einiges getan. Ich möchte mich in meiner Rede als Sprecherin der Volkspartei für Menschen mit Behinderung deshalb auf den Bereich der Behindertenpolitik konzentrieren und einige Punkte hervorheben, die mir besonders wichtig erscheinen.

Das wäre zum Ersten der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012-2020. Der Nationale Aktionsplan Behinderung umfasst die Strategie der österreichischen Bundesregierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderun­gen der Vereinten Nationen. Der derzeit gültige Nationale Aktionsplan Behinderung wäre Ende dieses Jahres ausgelaufen. Es hat aber eine Evaluierung des sogenannten alten Nationalen Aktionsplans stattgefunden und um diese einfließen lassen zu können, wurde der Nationale Aktionsplan um ein Jahr auf 2021 verlängert. Der neue Nationale Aktions­plan ist bereits in Vorbereitung.

Es wurde ein umfassendes Partizipationsgremium geschaffen, in dem alle Bundesminis­terien, Bundesländer und Sozialpartner, die Wissenschaft, Behindertenorganisationen, Selbstvertreterinnen, der Monitoringausschuss, die Volksanwaltschaft sowie der Behin­dertenanwalt des Bundes vertreten sind. Ich glaube, es ist etwas ganz Besonderes, dass da wirklich alle Menschen, die sich mit dem Thema Menschen mit Behinderung beschäf­tigen, an einem Tisch sitzen und einen neuen Nationalen Aktionsplan schreiben.

Weiters hervorzuheben ist, dass 2017 unter Einbeziehung der Behindertenorganisa­tionen das sogenannte Inklusionspaket erarbeitet wurde; es steht für die Stärkung der beruflichen Teilhabe sowie die Weiterentwicklung und Weiterführung der bestehenden Angebote für Menschen mit Behinderung. Neben der Ausweitung des Rechtsschutzes für Menschen mit Behinderung wurden die jährlichen Budgetmittel für die Verbesserung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung von rund 48 Millionen Euro im Jahr 2017 auf jährlich 90 Millionen Euro angehoben. Zudem ist dank des beschlossenen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 150

Inklusionspakets für das Einbringen einer Verbandsklage keine Empfehlung des Bun­desbehindertenbeirates mehr erforderlich und es können bei großen Kapitalgesellschaf­ten Verbandsklagen auf Unterlassung und Beseitigung der Diskriminierung eingebracht werden.

Ich möchte nun noch auf den Bereich der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Be­hinderung näher eingehen. Dazu ist im Bericht festgehalten, dass die berufliche Teilhabe ein ganz zentrales Element für eine gesamtgesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und eine inklusive Gesellschaft ist. Das sehe ich genauso.

Es gibt seitens des Sozialministeriums eine Vielzahl bedarfsgerechter Unterstützungs­maßnahmen, die Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Besonders die Neba-Dienstleistungen werden sehr gut angenommen, darun­ter fallen Leistungen wie Jugendcoaching, Produktionsschulen, Berufsausbildungsassis­tenz, Arbeitsassistenz und Jobcoaching. Auch bei der Ausbildung bis 18 spielen die Ne­ba-Angebote eine zentrale Rolle.

Dank des Inklusionspakets konnten die Maßnahmen erweitert und die Förderungen er­höht werden; so wurde das Budget der Neba-Dienstleistungen von circa 60 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 137 Millionen Euro im Jahr 2018 mehr als verdoppelt. Insgesamt wurde im Jahr 2018 die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung mit 213 Millionen Euro gefördert.

Es steht außer Frage, dass Menschen mit Behinderung immer noch nicht mit Menschen ohne Behinderung gleichgestellt sind und dass Menschen mit Behinderung es auch noch heute, im Jahr 2020, viel schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Coronakrise hat diese Situation noch einmal drastisch verschärft. Es liegt an uns allen, die wir heute hier sitzen, uns weiterhin für die Rechte von Menschen mit Behinderung einzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


16.22.53

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Der Sozialbericht 2019 ist natürlich eine Betrachtung der Vergan­genheit, ich möchte aber trotzdem ganz kurz auf den Bereich Konsumentenschutz ein­gehen, der diesmal in diesem Bericht sehr ausführlich dargestellt wurde.

Ganz kurz dazu: Was funktioniert gut oder was hat bis jetzt gut funktioniert? – Das waren vor allem die acht Schlichtungsstellen, die es gibt, wo, wenn in gewissen Bereichen Pro­bleme auftauchen, versucht wird, das quasi zwischen Konsumenten und Unternehmen in einem Schlichtungsverfahren zu lösen. Rund 12 000 österreichische Bürger haben das in Anspruch genommen und das scheint sehr gut zu funktionieren. Das ist eine Initiative, die der ehemalige Minister Hundstorfer damals eingeführt hat und die sich ei­gentlich bewährt hat. Auch die Arbeit des Internet-Ombudsmanns funktioniert sehr gut.

Was funktioniert nicht oder weniger gut? – Auf EU-Ebene gibt es meiner Meinung nach im Bereich Konsumentenschutz leider wenig Erfreuliches oder kaum etwas Sinnvolles zu berichten, und im VKI – das Thema der letzten Jahre im Konsumentenschutz – gibt es zwar einen neuen Geschäftsführer, aber noch keine nachhaltige Lösung. Ich bin schon sehr gespannt, wie, wenn der Herr Minister dann das Budget präsentieren wird, da der Konsumentenschutz und der VKI entsprechend ausgestattet sein werden.

Was hat unserer Meinung nach darüber hinaus nicht funktioniert? – Die Lösung betref­fend Smartmeter: Sie werden sich erinnern, das war eine Diskussion, die uns auch über Jahre begleitet hat. Leider gibt es bis heute keine wirkliche Opt-out-Lösung; das heißt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 151

man bietet zwar eine Opt-out-Lösung an, bei der quasi der Sender deaktiviert wird – wobei das niemand überprüfen kann –, aber ich kann nicht darauf bestehen, meinen alten Ferraris-Zähler zu behalten. Diesen Kampf für die Konsumenten haben wir leider verloren.

Auch eine Wiederbelebung des Konsumentenpolitischen Forums, das in diesem Bereich immer sehr, sehr wichtig war, das aber auch aufgrund von Corona bereits letztes Jahr mehr oder weniger auf der Strecke geblieben ist, sollte dringend erfolgen.

Lassen Sie mich einen Blick in die Zukunft machen, was wesentlich wichtiger ist! Die Zeit während oder nach Corona wird für Konsumenten doch einiges an Problemen mit sich bringen. Ich möchte vielleicht zwei Dinge ganz prominent herausgreifen: Es geht da um die ganze Bargelddiskussion, die im Zuge von Corona virulent geworden ist und bei der sehr viele gesehen haben, dass Bargeld plötzlich nicht mehr angenommen wurde. Da werden wir Freiheitliche – offensichtlich als einzige Partei, die das Bargeld für die Konsumenten erhalten will – nicht müde werden, weiter zu kämpfen. Ganz deutliche Alarmzeichen kommen da aus Brüssel, Sie werden es vermutlich vernommen haben: Es gibt Pläne für EU-Digitalgeld oder Euro-Digitalgeld. Wie die genau ausschauen, davon lasse ich mich überraschen. Ich hoffe nicht, dass es mit der Coronakrise zu tun hat oder vielleicht sogar Teil der Coronakrise oder ein tieferer Plan dahinter ist.

Wie gesagt, das Thema Konsumentenschutz wird uns in den nächsten Jahren sehr in­tensiv beschäftigen, und ich persönlich und wir Freiheitliche werden nicht müde werden, dafür zu kämpfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


16.26.42

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Bezugnehmend auf den Sozialbericht 2019 möchte ich festhal­ten, dass sich die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in Österreich und in ganz Europa seit seinem Erscheinen massiv verändert haben. Die Zahlen aus dem Bericht sind heute nicht mehr aktuell. Wo beispielsweise vor der Krise noch von Rekordbe­schäftigung und einem Rückgang der Arbeitslosenrate die Rede war, sprechen wir heute von der höchsten Arbeitslosenrate der Zweiten Republik.

Auch im Bereich der Pensionen ist in der Zwischenzeit viel passiert, vor der Nationalrats­wahl 2019 wurden nämlich Pensionsgeschenke beschlossen. Das teuerste davon war die abschlagsfreie Frühpension, die nicht nur das Pensionsloch längerfristig um weitere 3 Milliarden Euro vergrößern wird, sondern auch den Genderpensiongap.

Der Bericht spricht dieses Problem zwar an, aber durch den Beschluss der abschlags­freien Frühpension hat sich der Unterschied von 51 Prozent deutlich auf 67 Prozent er­höht. Der Grund dafür ist relativ leicht zu finden, denn laut unserer aktuellsten Anfrage­beantwortung aus dem Sozialministerium profitieren davon praktisch nur Männer mit oh­nehin schon hohen Pensionen. Ja, richtig gehört: Unter den 8 033 Begünstigten waren im ersten Halbjahr 2020 sage und schreibe nur drei Frauen (Zwischenruf des Abg. Wurm), und die durchschnittliche Auszahlung beträgt satte 2 900 Euro, 14 Mal im Jahr.

Wie es zu dieser abschlagsfreien Männer-Frühpension kommen konnte, frage ich mich heute noch. Diese Frage sollten sich allerdings auch die Kolleginnen von SPÖ, FPÖ und ÖVP stellen, die dafür verantwortlich sind. Darum ist es notwendig, dass sich die Regie­rung endlich an die Arbeit macht und ein nachhaltiges Pensionssystem schafft, das auch die Frauen und die Zukunftschancen der folgenden Generationen stärker berücksichtigt. (Beifall bei NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 152

Aber auch heute spreche ich wieder einmal für Menschen mit Behinderung und ihre Si­tuation am Arbeitsmarkt, denn ehrlicherweise habe ich das Gefühl, dass das hier sonst nur sehr wenige tun. Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung ist in den letz­ten zehn Jahren um 120 Prozent gestiegen. Wie die Zahlen in einem Jahr aussehen werden, möchte ich mir offen gesagt gar nicht vorstellen.

Heute liegt mir Folgendes vor: 371 893 Personen waren im August dieses Jahres ar­beitslos gemeldet, davon sind 88 233 arbeitslos gemeldete Personen Menschen mit Be­hinderung und mit gesundheitlichen Einschränkungen, das sind 23,7 Prozent, ein Viertel der Arbeitslosen in Österreich. Ja, das sind nur Zahlen, aber hinter jeder Zahl steckt ein Einzelfall.

Wir alle wissen, dass die Situation nicht nur für Menschen mit Behinderung eine schreck­liche ist, aber genau diese Gruppe hat es in der Krise besonders schwer. Das sind Men­schen, die schon in der Zeit ohne Krise geringe Chancen am Ersten Arbeitsmarkt haben, und in dieser Covid-Krise wird es für diese Menschen noch schlimmer und noch schwie­riger werden.

Auf viele Fragen kann momentan keiner eine Antwort geben: Wie wirkt sich die bevorste­hende Kündigungswelle auf Beschäftigte mit Behinderung aus? Werden die 50-plus-Angestellten mit Behinderung die Ersten sein, die gehen werden? Wie wird es mit den Betrieben weitergehen, die mit diversen Werkstätten zusammenarbeiten? Werden Fir­men noch verhaltener sein, Menschen mit Behinderung einzustellen? – Und wieder gibt es keinen Fahrplan.

Daher fordere ich Sie heute auf, dass wir diese Gruppe der Gesellschaft, die schon lange eine Randgruppe ist, nicht noch weiter an den Rand drängen. Wenn wir jetzt Arbeitsplät­ze schaffen, müssen das inklusive Arbeitsplätze sein. Wir haben eine menschliche Ver­pflichtung, nicht erst dann an Inklusion zu denken, wenn alles andere glatt läuft.

Ich habe versprochen, es immer wieder zu sagen: Inklusion ist nicht karitativ, Inklusion ist demokratisch.

Ich habe mich im vergangenen Jahr in diesem Hohen Haus permanent für Menschen mit Behinderung und insbesondere für Kinder mit Behinderung eingesetzt. Deshalb kön­nen Sie sich vorstellen, dass mir die Situation der Kinder in Moria sehr nahegeht. Aus diesem Grund und weil ich mir geschworen habe, dass ich mich im Laufe meiner politi­schen Karriere jeden Tag für Inklusion, Integration und vor allem für Menschlichkeit ein­setzen möchte, bringe ich auch noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Moria“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Programm der Europäischen Kommis­sion zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechi­schen Inseln aufzunehmen.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 153

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Moria

eingebracht im Zuge der Debatte in der 51. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-77/260 d.B.) – TOP 4

Der Sozialbericht 2019 steht im Zeichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Verein­ten Nationen (Sustainable Development Goals - SDGs). Österreich hat sich als Teil der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der „Agenda 2030 für nachhaltige Ent­wicklung der Vereinten Nationen“ zu 17 globalen Entwicklungszielen mit 169 Unterzielen zur weltweiten Bekämpfung von Armut und Förderung der globalen nachhaltigen Ent­wicklung bekannt. Die globalen Ziele umfassen beispielsweise: Keine Armut (SDG 1), Kein Hunger (SDG 2), Gesundheit und Wohlergehen (SDG 3), Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen (SDG 6), Weniger Ungleichheit (SDG 10), Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (SDG 16). Laut dem unter TOP 4 behandeltem Bericht war zu­dem bei einem Treffen der Sozialminister_innen der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD18) im Mai 2018 in Montreal (Kanada) u.a. die Sicherstellung gleicher Chancen für Kinder und Jugendliche für ein erfolgreiches Leben Thema.

Auch in Bezug auf die humanitäre Katastrophe in Folge des Großbrandes des Lagers Moria auf Lesbos, Griechenland, braucht es dringend internationale Anstrengungen, um die Not der tausenden betroffenen Menschen - viele davon sind Kinder - zu lindern und eine menschenwürdige Versorgung sicherzustellen. Österreich ist in der Verantwortung hier einen Beitrag zu leisten.

In der Nacht auf den 9. September ist das restlos überfüllte Lager Moria auf der griechi­schen Insel Lesbos völlig abgebrannt. Rund 12.600 Menschen, darunter tausende Kin­der, sind nun obdachlos und müssen unter freiem Himmel oder in provisorischen Zelten auf steinigem Untergrund schlafen. Es gibt zu wenig Wasser, zu wenig Toiletten, zu we­nig Zelte. Die humanitäre Katastrophe auf EU-Boden war angekündigt, die Zustände in den Elendslagern auf den griechischen Inseln waren schon lange unerträglich und haben sich durch den Großbrand noch weiter verschärft. Dazu kommt die grassierende Coro­navirus-Pandemie - im Hinblick auf die katastrophale hygienische Situation eine zusätzli­che, massive Bedrohung. Nun muss schnellstmöglich die menschenwürdige Versorgung der Betroffenen sichergestellt werden und das geht vor Ort für so viele Menschen nicht. Es gilt die Menschen aus dieser Notlage rauszuholen.

In Moria drohen nach einem Lager auch die europäischen Werte zu verbrennen, die wir so gerne beschwören und von anderen einfordern. Die Tragödie lässt sich darauf zurück­führen, dass eine gemeinsame Asylpolitik innerhalb der EU an den Hauptstädten Euro­pas scheitert. Die bisherigen - z.T. bescheidenen - Anstrengungen mancher Mitglied­staaten im Rahmen des Umsiedlungsprogramms der EU-Kommission haben nicht aus­gereicht. Österreich darf angesichts brennender Elendslager nicht länger tatenlos zuse­hen, jetzt gilt es zu handeln und schnellstmöglich Kinder aus Moria aufzunehmen. So wie andere EU-Mitgliedsstaaten das bereits angekündigt haben.

Die Ausrede des Außenministers, dass damit ein Pull-Effekt beginnen würde, ist zynisch und empirisch nicht belegbar. Die bisherigen Umsiedlungen von Betroffenen innerhalb der EU haben auch keine stärkere Fluchtbewegung nach Europa ausgelöst. Zudem be­steht in Österreich in einigen Ländern, Städten und Gemeinden die Bereitschaft sowie die Kapazität zur Unterbringung und Versorgung von besonders Schutzbedürftigen aus Moria. So hat sich etwa der Landtag in Wien in einem von NEOS, SPÖ und Grünen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 154

unterstützen Antrag bereit erklärt, hundert Kinder von den griechischen Inseln aufzuneh­men und die Bundesregierung aufgefordert zu handeln. Auch zahlreiche Bürgermeis­ter_innen und Mitglieder von Landesregierungen haben in den vergangenen Tagen er­klärt, Flüchtlingskinder aufnehmen zu wollen. Darüber hinaus wollen auch viele enga­gierte Einzelpersonen, NGOs und Kirchengemeinschaften helfen. Zeigen wir endlich Menschlichkeit und leisten einen Beitrag, der Betroffenen hilft, Griechenland unterstützt und Europa durch gelebte Solidarität stärkt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Programm der Europäischen Kommis­sion zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechi­schen Inseln aufzunehmen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


16.31.49

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren den Sozialbericht 2019. Das ist auch das Jahr, in dem Schwarz-Blau das Budget für überbetriebliche Lehrlings­ausbildungen stark gekürzt hat. Das ist auch das Jahr, in dem Schwarz-Blau die Aus­bildungsgarantie bis 25 abgeschafft hat.

Jetzt haben wir eine besonders schlimme Situation am Arbeitsmarkt, und diese beiden Maßnahmen rächen sich jetzt doppelt und dreifach. Wir haben enorm viele arbeitslose Jugendliche unter 25; die Zahlen vom August: 61 761 – das ist zum Vorjahr ein Plus von 10 093. Diese Zahlen bereiten mir, werte KollegInnen, wirklich schlaflose Nächte. Ich hoffe, Frau Ministerin, auch Ihnen.

Sie haben eine Arbeitsstiftung angekündigt. Wo ist diese Stiftung? Wo? Wer macht das? Wer verhandelt das? Wer ist eingebunden? Sind die Sozialpartner schon eingebunden? Sie haben es für Herbst angekündigt. Wir wissen nur, dass es eine geben wird, und angeblich 700 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Sind die Grünen eingebunden? Vielleicht erfahren wir von dort irgendetwas. Sie haben es nur angekündigt, und ich hätte schon gerne gewusst, wann das in Kraft tritt, wann Sie diese Stiftung endlich gründen, was diese 62 000 Jugendlichen erwartet, was das für ihre Zukunft bedeutet.

Ich möchte, weil immer wieder von Wien die Rede ist und nach mir Frau Kollegin Kugler reden wird, noch sagen: Morgen wird Wien 13 Millionen Euro für eine Arbeitsplatzoffen­sive beschließen, und zwar für Langzeitarbeitslose 50 plus (Beifall bei der SPÖ), und 1,3 Millionen Euro für das Pilotprojekt Lehrlingsverbund Ausbildungsbetriebe. Das sind fast 15 Millionen Euro. Und das ist nicht das einzige Paket, das ist das dritte Paket, das Wien für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Wirtschaft beschlossen hat.

Frau Kollegin Disoski, ich kann Ihre Rede zu 100 Prozent unterstützen und unterschrei­ben. Ja, tun wir etwas, das ist unerträglich, das kann man nicht so hinnehmen, dass die


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 155

Pensionen der Frauen und die der Männer so auseinanderklaffen. Ein Vorschlag, das zu verbessern, wäre, das Einkommenstransparenzgesetz zu beschließen, das im Aus­schuss liegt. Machen wir den ersten Schritt und dann überlegen wir uns, an welchen Schrauben wir noch drehen müssen, damit die Pensionen von Männern und Frauen nicht derart auseinanderklaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Bundesregierung in ihrem Regierungspro­gramm Armut zu bekämpfen zum Ziel erklärt hat, insbesondere Kinderarmut, und, wie Sie schreiben, das zu einem „integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“ erklärt hat, bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mit­gliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der Asylwerber aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicherstellen.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, die Aufnahme von Kin­dern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern als hu­manitäre Notmaßnahme zu ermöglichen und dies mit den europäischen Partnern zu koordinieren. Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer und Gemeinden stützen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr.in Pamela Rendi-Wagner MSc, Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4 Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Sozialbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-77/260 d.B.)

Im Sozialbericht 2019 (III-77 der Beilagen) wird in einem eigenen Kapitel auf die nach­haltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verwiesen, die zur Bekämpfung der Armut weltweit bis 2030 führen soll.

Die Bekämpfung der Armut wurde auch im Regierungsprogramm der Bundesregierung zum Ziel erklärt. Ein besonderes Augenmerk legt die Bundesregierung auf die Bekämp­fung von Kinderarmut“, heißt es etwa auf Seite 235 des Regierungsübereinkommens. Der Schutz der Menschenrechte wird ebenfalls betont, so wird dieser beispielsweise zu „einem integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“ erklärt. Besonders her­vorgehoben wird das humanitäre Engagement Österreichs.

Die humanitäre Katastrophe, die durch die Brände im griechischen Flüchtlingslager Mo­ria entstanden ist und fast 13.000 Menschen, darunter sehr viele Kinder, obdachlos ge­macht hat, erschüttern die die Weltöffentlichkeit. Moria ist eine Schande und offenbart


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 156

die Feigheit und Kleingeistigkeit einiger europäischer Regierungen, Kinder in Elend zu­rückzulassen, statt für rasche Hilfe und Lösungen zu sorgen.

In Österreich hat es quer über die Parteigrenzen hinweg Angebote von BürgermeisterIn­nen von Städten und Gemeinden gegeben, Kinder aus Moria aufzunehmen. Da es ein Gebot von Menschlichkeit und Anstand ist, zu helfen, stellen die unterzeichneten Abge­ordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bunderegierung wird ersucht, gemeinsam mit Griechenland und den anderen Mit­gliedstaaten der EU die erforderlichen Schritte zu setzen, die eine menschenwürdige Unterbringung der Asylwerber aus Moria und rasche humanitäre Hilfe sicherstellen.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung ersucht, die Aufnahme von Kin­dern und unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern als hu­manitäre Notmaßnahme zu ermöglichen und dies mit den europäischen Partnern zu ko­ordinieren. Die Bundesregierung kann sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Ini­tiativen zahlreicher Bundesländer und Gemeinden stützen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


16.36.40

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Werte Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Vor allem Frau Kollegin Yılmaz! Möge der morgige Wiener Ge­meinderatsbeschluss, von dem Sie gesprochen haben, der äußerst prekären Situation in Wien Abhilfe schaffen! Wir freuen uns für die Lehrlinge, dass der Lehrlingsbonus und auch die Arbeitsstiftung sehr, sehr gut auf dem Weg sind. Frau Kollegin Yılmaz, zum Sozialbericht 2019 hätte ich gerne noch mehr von Ihnen gehört, weil sehr viel Wichtiges drinnen steht. Ich werde es in meiner Rede übernehmen, ein bisschen durch die Kapitel zu flippen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Thema, das in fast jedem Kapitel in diesem Sozialbericht 2019 vorkommt, ist die Frage, wie es den Menschen im letzten Lebens­abschnitt, im Alter, aber auch im Sterben, geht. Das Sterben blenden wir sehr oft aus, aus unserem persönlichen Leben, aber auch aus dem öffentlichen Leben. Gott sei Dank, Dank auch an das Sozialministerium, zieht sich dieses Thema wie ein roter Faden durch den Bericht. Da geht es um die Lebensqualität im Alter. Es geht um die Schaffung eines positiven Altersbildes. Es geht um die Altersarmut, die Pflegevorsorge. Dort heißt es zum Beispiel, dass wir pflegende Angehörige unterstützen müssen, es heißt auch, dass die Hospize und die Palliativmedizin in die Regelfinanzierung übernommen werden müs­sen – eine langjährige Forderung. Es geht um Seniorenpolitik, es geht um Medizinrecht.

Wenn wir diese Vorschläge umsetzen, wenn wir an der Lebensqualität im Alter arbeiten, dann wird es den Menschen im Alter gut gehen, und wir werden wenige Menschen hören, die sagen, dass sie so nicht mehr leben wollen. Es gibt ihn nämlich, diesen Wunsch zu sterben, dann, wenn das Leben nicht mehr lebenswert erscheint.

Es gab vor fünf Jahren eine Enquete-Kommission im Parlament, und da hat der damalige Obmann des Hospizvereins Steiermark, Helmut Strobl, einen sehr wichtigen Satz ge­sagt; ich lese diesen Satz vor. Er sagt: Der Wunsch zu sterben, das Verlangen nach


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 157

Sterbehilfe ist nur der Wunsch nach Beendigung eines menschenunwürdigen Zustandes und in Wirklichkeit nicht der Wunsch, tatsächlich zu sterben. Das, so sagt er, ist die Er­fahrung all unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Zitatende.

Und wie oft wird das bestätigt: Wenn die Umstände verbessert werden, dann schwindet der Todeswunsch.

Es gibt eine Umfrage aus dem Frühling dieses Jahres der Universität Utrecht: Menschen, die in Holland einen Todeswunsch äußern, alte Menschen, die sagen, sie wollen nicht mehr leben, sagen das zu 56 Prozent, weil sie einsam sind, zu 42 Prozent, weil sie die Sorge haben, anderen zur Last zu fallen, und zu 36 Prozent, weil sie meinen, dass sie einfach mit dem Geld nicht auskommen. Hier sehen wir, wo wir ansetzen können.

Ich danke Ihnen, Herr Minister Anschober, dass Sie einen Pakt gegen Alterseinsamkeit angekündigt haben, ich begrüße das. Alterseinsamkeit ist nicht nur ein Coronathema, Einsamkeit macht krank. In anderen Ländern ist es schon ein großes politisches Thema, ich freue mich, dass es das auch bei uns werden soll.

Es gibt Menschen, die sagen: Ich möchte nicht mehr leben, weil mein Leben für andere eine Last darstellt. Wenn ich darauf sage: Ja, da können wir dir helfen, wir können dir helfen zu sterben!, dann habe ich mich mit dem Todeswunsch dieses Menschen solidari­siert, nicht mit dem Betroffenen.

Ich bin froh darüber, dass wir in Österreich einen anderen Weg gehen, dass wir 2015 in der Enquete-Kommission des Parlaments einstimmig beschlossen haben, dass wir Ja zur Behandlungsautonomie sagen – niemand darf gegen seinen Willen behandelt wer­den –, dass wir aber auch sagen, unsere Antwort auf die Sterbehilfedebatte sind: Pflege, Hospiz, Palliativmedizin und die Bekämpfung von Alterseinsamkeit, und dass wir deswe­gen Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zum Selbstmord in Österreich nicht brauchen.

Tobias Moretti hat auf einer Konferenz im Schloss Hartheim – eines der Euthanasiezen­tren der Nationalsozialisten – gesagt, „dass es eine Gesellschaft reicher macht, Platz zu haben für das nicht Normale, für das Welke, für das Sterben; es gehört einfach dazu“. Sterbehilfe wäre, sagt er, „als würde man eine Jahreszeit wegkürzen, als würde man den Herbst abschaffen.“

In diesem Sozialbericht 2019 ist im Detail angeführt, was wir tun müssen, damit unsere Gesellschaft eine humane ist, in der das Sterben zum Leben gehört und in der wir an der Hand eines Menschen sterben und nicht durch die Hand eines Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


16.41.48

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Ich darf Frau Abgeordneter Kugler zuerst einmal Danke sagen und an ihre Aus­führungen anknüpfen, nämlich auf ein Thema hinweisend, bei dem ich Ihrer Vorgängerin, Frau Minister, der ehemaligen Ministerin Dr. Zarfl danken und deren Tätigkeit hervorhe­ben möchte, weil ich selbst mir vor Jahren erlaubt habe, etwas anzusehen, was nicht alltäglich ist: die Hospiz- und die Palliativentwicklung bei Kindern, die man begleitet, wenn sie sterben.

Jeder, der das einmal miterlebt hat, kann sagen, es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man in den letzten Lebensabschnitten eines Kindes dabei ist und sieht, wie es von den nahen Angehörigen in seinem letzten Moment hinübergeführt wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 158

Es gibt in Nürnberg ein solches Zentrum, ein unglaubliches, sehr gut entwickeltes Zen­trum, das in Deutschland zu einem Umdenken geführt hat, was es bedeutet, wenn Kinder todkrank sind und man sie unterstützt und ihnen in diesem Bereich hilft. Daher, glaube ich, war es wichtig, diese Ansätze auch im Budget des Sozialministeriums festzuschrei­ben, auch als Ausfluss und ersten Niederschlag des Pflegefondsgesetzes.

Das ist einmal das eine, wo meiner Meinung nach wirklich Bedarf ist und wo es, glaube ich, auch Übereinstimmung der Parteien einschließlich des Ministers gibt, das weiter aus­zubauen.

Der zweite Bereich – und das ist sozusagen ein bisschen mein Steckenpferd – ist der Umgang mit älteren Menschen – das sollten wir auch bei all dem, was zurzeit passiert, im Covid-Bereich, in der Coronakrise und den anderen Problemfeldern, keinesfalls aus den Augen verlieren – und die Entwicklung in diesem Bereich. Es muss klargestellt sein, dass wir diese Kette vom Casemanagement zur Versorgung zu Hause, von der Entwick­lung der mobilen Dienste bis hin zum Aufenthalt von älteren Menschen in einem Pfle­geheim weiter auszubauen haben, weil das ganz essenziell ist, einerseits was die öko­nomische Seite und andererseits die Unterstützungsleistung dieser älteren Menschen betrifft.

Deswegen bin ich froh darüber, dass die Pflegestudie, die ja im Ministerium noch von Ihrer Vorgängerin, Frau Minister, nämlich von unserer Ministerin Frau Dr. Zarfl in Auftrag gegeben worden ist, hoffentlich bald fertig ist und dann präsentiert wird, sodass wir se­hen, welchen Bedarf wir in den Jahren 2025 und danach haben, um auch die Pfleger, die Pflegerinnen entsprechend ausbilden und versorgen zu können.

Ich darf noch einmal appellieren – obwohl die ÖVP da ein bisschen auf der Bremse steht –, sich noch einmal dieses Modell der Pflegelehre der Schweizer anzuschauen, da es notwendig ist, die eigene Versorgung sicherzustellen.

Der dritte Bereich, der seinerzeit schon beim Forum Alpbach für großes Aufsehen ge­sorgt hat, ist der Ambient-Assisted-Living-Bereich – da sind wir in Österreich ein biss­chen weiter hinten. Ich habe mir das einmal in Schottland angeschaut, die haben das 1999 eingeführt – unvorstellbar, 20 Jahre vor uns! –, da hinken wir hinterher. Da geht es um alternative Formen, wie man Menschen betreut, begleitet. Man kann sich auch Anlei­tungen in Amsterdam suchen, dort gibt es 2 000 Wohnungen, die für Ambient Assisted Living zusammengezogen worden sind, denn in diesem Bereich haben wir echten Hand­lungsbedarf. Ich glaube, dass man da auch mit dem Ministerium gute Ansätze wird fin­den können.

Ich darf mich bedanken und zusammenfassend sagen, dass der Sozialbericht viele Punkte enthält, die sich weiterentwickelt haben, dass wir aber auch ganz klar den Bedarf für diese älteren Menschen haben. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

16.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


16.45.46

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine ge­schätzten Frauen Ministerinnen! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich gehört zweifelsohne zu jenen Ländern, die für ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger und für alle, die sich rechtmäßig auf seinem Territorium aufhalten, eines der weltweit am breites­ten aufgestellten Sozialsysteme bereitstellt.

Der Sozialbericht 2019 gibt einen guten Überblick, viele Themenbereiche wurden bereits von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen, in der Behindertenpolitik, in der Arbeitsmarktpolitik oder jetzt zuletzt auch im Bereich der Pflege.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 159

Was ist eigentlich die ursprüngliche Aufgabe eines funktionierenden und krisenfesten Sozialsystems? – Es soll sicherstellen, dass jene Hilfe bekommen, die dringend Hilfe bedürfen, weil sie sich selbst nicht helfen können. Und krisenfest heißt natürlich in die­sem Zusammenhang auch, dass eben nur jene Hilfe bekommen, die sich nicht selbst helfen können, aber dass jene keinen Anspruch haben, Sozialleistungen zu beziehen, die sich selbst helfen können. Also die Solidargemeinschaft springt nur im Bedarfsfall ein.

Ich möchte daher den Fokus auf einen Punkt legen, der auch im Sozialbericht abgebildet ist, nämlich auf die Frage der Sozialhilfe allgemein, der Sozialhilfe im Besonderen, auch im Zusammenhang mit, wie wir sie bisher genannt haben, der Bedarfsorientierten Min­destsicherung. Da lohnt sich schon ein Blick in die statistischen Zahlen, die auch in die­sem Bericht abgebildet sind: Im Jahr 2019, also noch vor der Coronakrise, haben in Österreich insgesamt rund 268 000 Menschen Mindestsicherung bezogen, also etwa 3 Prozent der hier wohnenden Bevölkerung.

Sieht man sich die Zahlen im Detail an, so muss man doch die eine oder andere Frage stellen, nämlich: Wie ist es möglich, dass es im Jahr 2019 in allen acht Bundesländern außer Wien zusammen 112 000 Mindestsicherungsbezieher gab – also 112 000 – und allein im Bundesland Wien 166 000? (Ruf bei der ÖVP: Wahnsinn!) Und um politisch unverdächtig zu sein: Wie ist es möglich, dass es zum Beispiel im Burgenland im Vorjahr nur 3 000 Mindestsicherungsbezieher gab, in Wien aber, wie schon gesagt, 166 000? In Wien waren es also 55-mal so viele wie im Burgenland, obwohl Wien eine nur ungefähr sechsmal so hohe Bevölkerungszahl hat.

Ist das wirklich, meine Damen und Herren, nur der Großstadtfaktor, wie so oft behauptet wird, oder ist es doch eine Systemfrage, ist es doch das System Bürgermeister Lud­wig/Sozialstadtrat Hacker? (Abg. Leichtfried: Na endlich ...!) – Es ist natürlich auch eine Systemfrage. 59 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher in Österreich leben derzeit in Wien! Und da muss man fragen, ob Wien wirklich so anders ist oder ob vielleicht das eine oder andere nicht ganz richtig läuft. Wenn man dann noch tiefer in die Zahlen hi­neingeht, muss man auch feststellen, dass von diesen Mindestsicherungsbeziehern in Wien etwa 50 000 auch Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sind – also auch eine Frage einer möglicherweise fehlenden Integration, die in der Stadt Wien auszumachen ist.

Meine Damen und Herren! Gerade die Mindestsicherung mit der Sozialhilfelogik, dass nur jenem geholfen wird, der sich selbst nicht helfen kann, ist eine besonders heikle Materie. Warum? – Weil das im Spannungsfeld steht zwischen der Frage: Was kann man als Einkommen für den Lebensunterhalt selbst erwirtschaften?, und dem, was die Solidargemeinschaft im Falle einer Bedürftigkeit auch bereitstellt. Und da gilt weiterhin unser Grundsatz, den wir auch immer ganz vorneweg aussprechen: Wer in Österreich arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein! Wer in der Früh aufsteht und einer Beschäfti­gung nachgeht, darf nicht der Dumme sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Sozialstaat braucht in jeder Facette eine breite Akzeptanz – akzeptiert natürlich von jenen, die ihn brauchen, aber auch akzeptiert von jenen, die ihn ermöglichen, nämlich von jenen vielen Millionen Menschen, die in das System einzahlen und damit erst diesen breiten Sozialstaat mit ihrer Steuerleistung ermöglichen. Und dafür, meine Damen und Herren, ist der Sozialbericht, den wir jetzt hier zur Kenntnis nehmen und beschließen, eine gute Grundlage. Wir müssen unser Sozialsystem immer weiterentwickeln, und dazu hat sich diese Bundesregierung auch verpflichtet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

16.50


16.50.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 160

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in die Abstimmung eingehen, darf ich wieder fragen: Können wir zur Abstim­mung kommen? FPÖ? – Ich danke.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-77 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte die Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zu der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 besonders not­leidenden Kindern aus Moria“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kindern aus Moria Schutz und Hoffnung geben“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den darf ich gleichfalls um Zustimmung ersu­chen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

16.51.425. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (356 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


16.52.10

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz. Sie fragen immer zu Recht, wo die großen Würfe im Klimaschutz sind – heute wird einer beschlossen. Wir stellen heute mit der Änderung des Umweltförde­rungsgesetzes innerhalb von zwei Jahren 1 Milliarde Euro für den Klimaschutz zur Ver­fügung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Mir sind bei diesem Paket vor allem drei Punkte wichtig, und das sind wesentliche Punk­te, das sind wirklich Meilensteine.

Der erste ist, dass wir bei der thermischen Sanierung eine enorme Mittelaufstockung erzielt haben. Wir haben 650 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung, damit Haushalte und Betriebe ihre Häuser thermisch sanieren können, ihre Heizungs­systeme tauschen können.

Wie war das in der Vergangenheit? – Da gab es diese Instrumente zwar auch, aber wenn zum Beispiel ein Betrieb eine neue Heizung haben wollte, musste er wissen, dass die Förderaktion im März beginnt und die Mittel im Juli schon wieder weg sind. Das war ein Lotteriespiel, und dieses Lotteriespiel, dieses First come, first served und dann ist alles wieder weg, gibt es jetzt nicht mehr. In den nächsten zwei Jahren ist in diesem Bereich so viel Geld da, wie in den letzten neun Jahren zusammengerechnet. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 161

Der zweite wichtige Punkt, der mich ganz besonders freut, weil das wirklich ein Para­digmenwechseln in der Art und Weise, wie wir Klimaschutzpolitik in Österreich machen, ist, ist das Thema Just Transition. Es gibt viele Menschen, denen unsere Klimaförde­rungen nicht helfen. Eine Mindestpensionistin zum Beispiel, die eine Ölheizung hat, die zu tauschen 20 000 Euro kostet, kann, selbst wenn sie von Bund und Land 10 000 Euro bekommt, auch die restlichen 10 000 Euro nicht stemmen. Dafür haben wir einen eige­nen Topf geschaffen, dafür gibt es in den nächsten zwei Jahren zusätzlich 100 Millionen Euro. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Drittens – und das ist auch eine neue Sache –: Wir schaffen ein neues Instrument, die sogenannten Klimahaftungen, womit wir privates Kapital für den Klimaschutz mobilisie­ren. Der Bund übernimmt Haftungen zur Absicherung von Energiecontractingverträgen. Das kann man sich folgendermaßen vorstellen: Wenn man seine Heizung tauschen will, kommt ein Installateur, man muss sich um nichts kümmern, man muss nichts bezahlen. Der Installateur wird über die durch die neu installierte Heizungsanlage gewonnene Energieeinsparung für die nächsten 15 Jahre bezahlt. Und was die Klimahaftungen be­trifft, ist es so, dass wir der Installateurfirma das Risiko abnehmen.

Ich bringe in diesem Zusammenhang auch einen Abänderungsantrag ein, den ich auf­grund seiner Länge nur in Grundzügen erläutere. Also im Prinzip geht es darum, dass die Haftungsübernahme auf die Austria Wirtschaftsservice GmbH übertragen wird – das ist der Unterschied zur Regierungsvorlage –, die wiederum durch eine Schadloshaltung des Bundes abgesichert ist. Damit kann ein Vertragsvolumen von 1 Milliarde Euro abge­sichert werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, noch einmal: Dieses Gesetz ist ein mächtiges Sig­nal, dass wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, dass jetzt die Energiewende beginnt, und es ist auch ein Signal an alle Unternehmen – ob das jetzt Installateure sind, ob das Unternehmen sind, die Heizungsanlagen herstellen, oder ob das Baufirmen für die ther­mische Sanierung sind –, die jetzt wissen: In den nächsten Jahren sind die Auftragsbü­cher voll. Es ist auch ein Signal an alle Menschen in diesem Land, dass sie sicher sein können, dass wir sie dabei unterstützen, wenn sie aus Öl und Gas aussteigen wollen, und es ist vor allem ein Signal an all jene, die eh schon jeden Euro umdrehen müssen, dass wir sie im Klimaschutz und bei der Energiewende nicht zurücklassen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Johannes Schmuckenschlager,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Regierungsvorlage (342 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförde­rungsgesetz geändert wird

idF des Berichts des Umweltausschusses (356 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. In Z 1 wird in der dem § 5 anzufügenden Z 3 die Wortfolge „im Rahmen der Förderun­gen von thermisch-energetischen Sanierungen und für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen“ durch die Wortfolge „gemäß § 6 Abs. 5“ ersetzt.

2. In Z 3 wird die Wortfolge „§ 6 Abs. f wird“ durch die Wortfolge „§ 6 Abs. 2f werden“ ersetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 162

3. Die Z 4 bis 6 werden durch folgende Z 4 bis 10 ersetzt:

„4. In § 6 Abs. 4 wird die Wortfolge „Mittel aus den EU-Strukturfonds“ durch die Wortfolge „EU-Mittel zur Ko-Finanzierung“ ersetzt.

5. Dem § 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung (AWS) kann ab dem Jahr 2020 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Haftungen für Energie-Contracting-Verträge zur Umsetzung von Investitionen zur Energiegewinnung aus er­neuerbaren Energieträgern und zur Einsparung oder effizienten Bereitstellung von End­energie eingehen. Die Voraussetzungen und Bedingungen für die vertragliche Übernah­me von Haftungen durch die AWS sind in den von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gemäß § 13 Abs. 5 Z 1 im Ein­vernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erlassenen Förderungsrichtlinien für die Umweltförderung im Inland „Klima-Haftungen“ festzulegen. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, sich namens des Bundes zu verpflichten, die AWS schadlos zu halten, wenn diese Zahlungen aus übernommenen Haftungen zu leisten hat, soweit diese Zahlungen nicht im Rahmen jener Mittel Bedeckung finden, die der AWS für die Zahlungen zur Erfüllung von Leistungen aus übernommenen Haftungen zur Verfügung stehen. Der Bundesminister für Finanzen darf Schadloshaltungsverpflichtungen

1.          nur bis zu einem jeweils ausstehenden Gesamtbetrag von insgesamt 1 Milliarde Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten sowie

2.          im Einzelfall nur bis zu einem ausstehenden Gesamtbetrag von 5 Millionen Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten und für eine maximale Laufzeit von 20 Jahren

übernehmen. Voraussetzung für die Übernahme der Verpflichtung des Bundes ist die Zustimmung der Beauftragten bzw. des Beauftragten (Stellvertreterin bzw. Stellvertre­ter). Die Befassung der Kommission in Angelegenheiten der Umweltförderung im Inland bezüglich der vertraglichen Übernahme von Haftungen erfolgt in sinngemäßer Anwen­dung des § 11 Abs. 3 Z 5. Der Bundesminister für Finanzen hat nach Anhörung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technolo­gie zur Wahrung der Rechte und Interessen des Bundes eine Beauftragte oder einen Beauftragten und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter der Beauftragten bzw. des Beauftragten zu bestellen. § 76 Abs. 9 des Bankwesengesetzes (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, ist auf die Beauftragten bzw. deren Stellvertretung sinngemäß anzu­wenden. § 3 sowie § 7 Abs. 6 bis 9 des Bundesgesetzes über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz), BGBl. Nr. 432/1996 gelten sinngemäß. Die AWS hat zum Zwecke der Risikovorsorge für Zahlungen aus den gemäß diesem Absatz übernommenen Haftungen eine eigene Rücklage zu bilden. Die­se Rücklage darf nur für Zahlungen aufgrund von gemäß diesem Absatz übernommenen Haftungen verwendet werden. Diese Rücklage ist getrennt von den Rücklagen gemäß §§ 1, 11 und 14 Garantiegesetz 1977 und § 7 Abs. l KMU-Förderungsgesetz zu führen und im Jahresabschluss der AWS auszuweisen. Die AWS hat insbesondere Haftungs­entgelte, Rückflüsse aus Haftungszahlungen, Rückflüsse aus der Betreibung von auf die AWS übergegangenen Forderungen und Rückflüsse aus der Verwertung von Sicherhei­ten in diese Rücklage einzustellen.“

6. In § 11 Abs. 1 lautet der erste Satz:

„Ungeachtet der Abwicklung der Haftungen gemäß § 6 Abs. 5 ist mit der Abwicklung der übrigen Förderungen nach diesem Bundesgesetz eine geeignete Stelle (Abwicklungs­stelle) zu betrauen.“

7. Dem § 13 Abs. 5 Z 2 wird die Wortfolge „, ausgenommen jener gemäß § 6 Abs. 5,“ angefügt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 163

8. Dem § 23 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Insgesamt soll damit im Einklang mit der nationalen und unionsrechtlichen Zielsetzung der Klimaneutralität ein Beitrag zur nachhaltigen Dekarbonisierung des Wirtschaftssys­tems („Transformation der Wirtschaft“) geleistet werden.“

9. § 49 Z 3 lautet:

„3.         der Bundesminister für Finanzen hinsichtlich § 15 sowie hinsichtlich der Übernahme der Verpflichtung des Bundes zur Schadloshaltung der AWS gemäß § 6 Abs. 5;“

10. In § 53 erhält der mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2020 angefügte Abs. 21 die Absatzbezeichnung „(22)“; folgender Abs. 23 wird angefügt:

„(23) § 5 Z 2 und 3, § 6 Abs. 2f, § 6 Abs. 4 und 5, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 5 Z 2, § 23 Abs. 1 und § 49 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 treten mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.““

Begründung

Zu Z 1 (Z 1 [§ 5 Z 2 und 3]) und Z 3 (Z 5 [§ 6 Abs. 5], Z 6 [§ 11 Abs. 1], Z 7 [§ 13 Abs. 5 Z 2] und Z 9 [§ 49 Z 3]):

Um eine rasche und effektive Unterstützung von Energie-Contracting-Verträge zu er­möglichen, wird die Haftungsübernahme auf die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung (AWS) übertragen, die wiederum durch eine Schadloshaltung des Bundes abgesichert ist. Die projektspezifische Risikobewertung erfolgt somit durch die AWS, wobei ersten Abschätzungen zufolge für die gegenständlichen Einsatzberei­che mit einem Ausfallsrisiko von rund 2 % gerechnet wird. Nähere Details sind in den für diese Unterstützungsform zu erlassenen Förderungsrichtlinien für die Umweltförderung im Inland „Klima-Haftungen“ zu regeln. Diese Förderungsrichtlinien sind von der Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen (§ 13 Abs. 5 Z 1) zu erlassen. Die Kommission in Angelegenheiten der Umweltförderung im Inland wird ex post über die Haftungsübernahmen informiert. Der Haftungsrahmen für die Übernahme von Schadlos­haltungsverpflichtungen durch den Bundesminister für Finanzen im Ausmaß von 1 Mil­liarde Euro entspricht dabei dem gemäß dem Ministerratsvortrag vom 24. Juni 2020 „In­vestitionspaket für den Klimaschutz“ nach der beihilferechtlichen Barwertmethode fest­gelegten Rahmen von 50 Millionen Euro und umfasst Kapital und Zinsen. Zusätzlich wird eine maximale Haftungsobergrenze je Einzelprojekt festgelegt. Mit dieser Vorgangswei­se erfolgt eine Abwicklung in weitgehender Anlehnung an das KMU-Förderungsgesetz.

Aufgrund der speziell notwendigen Expertise mit dem Geschäftsmodell der Energie-Contracting-Verträge ist vorgesehen, dass neben den bereits bestehenden Beauftragten gemäß Garantiegesetz 1977, KMU-Förderungsgesetz sowie der COVID-19-Beauftrag­tenV für die Haftungsübernahmen gemäß diesem Bundesgesetz eine eigene Beauftrag­te oder ein eigener Beauftragter (einschließlich der Stellvertretung) bestellt werden. Auf­grund der speziellen Thematik ist auch eine umfassende Abstimmung mit der Bundesmi­nisterin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bei die­ser Bestellung vorzunehmen.

Zu Z 2 (Z 3 [Schlusssatz zu § 6 Abs. 2f]):

Die Änderung ist ausschließlich redaktioneller Natur.

Zu Z 3 (Z 4 [§ 6 Abs. 4] und Z 8 [§ 23 Abs. 1]):

Die Einbeziehung von europäischen Ko-Finanzierungsmitteln nimmt insbesondere im Bereich der Umweltförderung im Inland einen immer bedeutenderen Anteil in der Förde­rungspolitik ein. Die europäischen Ko-Finanzierungsmittel sind dabei nicht mehr auf den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 164

EFRE und ELER beschränkt. Im Zusammenhang mit den Maßnahmen auf europäischer Ebene zum European Green Deal und der Green Recovery können und sollen über die Umweltförderung im Inland als inhaltlich, strukturell, organisatorisch und budgetär ge­eignetes Förderungsinstrument auch Mittel aus diesen EU-Maßnahmen abgewickelt werden und dabei die damit verfolgten europäischen Ziele („Transformation der Wirt­schaft“) hin zur Klimaneutralität vorangetrieben werden.

Zu Z 3 (Z 10 [§ 53 Abs. 21 bis 23]):

Im Hinblick auf die überlagernden Beschlussfassungen der UFG-Novellen BGBl. I Nr. 95/2020 und BGBl. I Nr. 98/2020 ist eine Korrektur der Absatzbezeichnung erforder­lich.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.56.40

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute beschließen wir eine Novelle des Umweltförderungsgesetzes, was auch – wir haben es gerade gehört – eine Aufstockung der finanziellen Mittel bedeutet. Was heißt das? – Das heißt mehr Geld für thermische Sanierungen, das heißt mehr Geld für zum Beispiel Heizkesseltausch. Und natürlich ist das sinnvoll, denn was passiert? – Wir sparen dadurch Energie. Wenn wir unsere Häuser thermisch sanieren, sparen wir Ener­gie. Die Betroffenen sparen aber auch Energiekosten. Wir sparen dabei auch CO2-Emis­sionen ein. Und der vierte Punkt – mir besonders wichtig –: Wir schaffen dadurch Ar­beitsplätze. Gerade jetzt, in dieser Zeit, in der wir jede Woche, wenn wir die Zeitung auf­schlagen, von Kündigungen lesen, ist genau das wichtig und zentral.

Wir als SPÖ haben in unserem Wahlprogramm auch genau solche Maßnahmen gefor­dert, weil sie Arbeitsplätze schaffen und für die Umwelt gut sind. Das muss Hand in Hand gehen, und deshalb werden wir heute auch zustimmen. Wir freuen uns über diese posi­tiven Ergebnisse durch diese Gesetzesnovelle; das muss man auch einmal festhalten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Sinne der konstruktiven Kritik aber will ich gleich auf zwei Versäumnisse hinweisen. Erstens: Diese Gelder sind für zwei Jahre angelegt. Wir wissen, wenn so etwas nachhal­tig fetzen soll, wenn wirklich möglichst viele Haushalte bei einer solchen Förderung mit­machen und diese abholen sollen, braucht es die langfristige Perspektive.

Zweitens: Das muss sozial verträglich sein. Ein Heizkesseltausch kann schnell einmal über 10 000 Euro kosten. Selbst wenn wir zu 50 Prozent fördern, bleiben noch mehrere Tausend Euro, die viele Haushalte ganz einfach nicht haben. Ich habe das hier an die­sem Pult jetzt, glaube ich, auch schon zum dritten Mal betont. – Jetzt gibt es eine zusätzliche Förderschiene für Haushalte, die besonders wenig Einkommen haben, und zwar dotiert mit 100 Millionen Euro.

Unsere, wie ich meine, berechtigte Sorge ist: Wird das reichen? Das können Sie, Frau Ministerin, noch nicht sagen. Wie das definiert ist, welche Familien Anspruch darauf ha­ben, das wissen wir noch nicht, und deshalb wissen wir auch noch nicht, ob es reichen wird. – Das muss es aber! Ich habe nur kurz ein paar Zahlen herausgesucht: Allein 140 000 Personen können sich das Warmhalten ihrer Wohnung im Winter nicht leisten. Das heißt, genau diese Familien dürfen wir nicht im Stich lassen. Allein – noch zwei Zahlen – 30 000 Haushalten wurde der Strom und 5 000 Haushalten wurde das Gas ab­gedreht, weil sie nicht mehr zahlen konnten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 165

Somit bringe ich jetzt einen Antrag, einen Abänderungsantrag, ein, den ich auch gleich vorlese; nur kurz auf Deutsch: Was fordern wir darin? – Dass wir evaluieren, ob die 100 Millionen Euro reichen. Das kann nicht zu viel verlangt sein, dass wir da wirklich evaluieren, um niemanden im Stich zu lassen – gerade die Familien, die es so dringend brauchen, die wir nicht mit hohen Energiekosten hängen lassen sollten.

Zum Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 342 d.B. betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird in der Fassung des Berichtes des Umweltausschusses (356 d.B.)“

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

a) Im § 6 Abs. 2f Z 1c in der Fassung der Z 2 entfällt das Wort „maximal“ und wird nach dem Wort „festzulegen“ folgender Satzteil ergänzt:

„darunter fällt jedenfalls eine Klarstellung, wie einkommensschwache Haushalte definiert werden, sowie eine Evaluierung, ob mit den zur Verfügung gestellten Mitteln die Unter­stützung einkommensschwacher Haushalte ausreichend sichergestellt werden kann“

b) Ziffer 3 lautet:

3. In § 6 Abs. 2f werden nach Z 2 folgende Sätze angefügt:

„Zugesagte oder durch Auftragserteilungen gebundene, jedoch nicht in Anspruch ge­nommene Förderungsmittel können neuerlich zugesagt oder vergeben werden. Die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Innovation und Techno­logie hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine Erhöhung der Zusagevolumina gemäß Z 1 bis 1b sowie des Unterstützungsvolumens gemäß Z 1c so­wie diese Zusage- und Unterstützungsvolumina für die Folgejahre festzulegen, wenn dies zur Erreichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele erforderlich ist.“

*****

Wie gesagt, auf Deutsch: Wir wollen sicherstellen, dass niemand hängen bleibt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

zur Regierungsvorlage (342 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltför­derungsgesetz geändert wird in der Fassung des Berichtes des Umweltausschusses (356 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

a) Im § 6 Abs. 2f Z 1c in der Fassung der Z 2 entfällt das Wort „maximal“ und wird nach dem Wort „festzulegen“ folgender Satzteil ergänzt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 166

„darunter fällt jedenfalls eine Klarstellung, wie einkommensschwache Haushalte definiert werden, sowie eine Evaluierung, ob mit den zur Verfügung gestellten Mitteln die Unter­stützung einkommensschwacher Haushalte ausreichend sichergestellt werden kann“

b) Ziffer 3 lautet:

3. In § 6 Abs. 2f werden nach Z 2 folgende Sätze angefügt:

„Zugesagte oder durch Auftragserteilungen gebundene, jedoch nicht in Anspruch ge­nommene Förderungsmittel können neuerlich zugesagt oder vergeben werden. Die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine Erhöhung der Zusage­volumina gemäß Z 1 bis 1b sowie des Unterstützungsvolumens gemäß Z 1c sowie diese Zusage- und Unterstützungsvolumina für die Folgejahre festzulegen, wenn dies zur Er­reichung der nationalen und europäischen Klimaschutzziele erforderlich ist.“

Begründung

Die Novelle des Umweltförderungsgesetzes, die eine Unterstützung einkommensschwa­cher Haushalte enthält, erfordert noch weitere Präzisierungen. So wird mit gegenständli­chem Antrag sichergestellt, dass für die Unterstützung einkommensschwacher Haus­halte in den Jahren 2021 und 2022 jedenfalls die vollen 100 Mio. Euro zur Verfügung stehen und nicht nur „maximal“. Des Weiteren ist es notwendig, die Zielgruppe der ein­kommensschwachen Haushalte näher zu definieren und die Wirksamkeit der zusätzli­chen Unterstützung zu evaluieren.

Schließlich wird noch sichergestellt, dass im Sinne der Planbarkeit auch nach dem Jahr 2022 jedenfalls Fördermittel zwischen der Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und dem Bundesminister für Finan­zen zu vereinbaren sind. Dies vor allem vor dem Hintergrund der langfristigen Zielset­zung bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Minister Gewessler. – Bitte sehr.


17.01.30

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zusehe­rInnen! Es ist heute tatsächlich ein Freudentag für den Klimaschutz. Das sage ich nicht nur als Ministerin, sondern als langjährige Beobachterin der Klimapolitik. Wir haben in Österreich noch nie so viel Geld für den Klimaschutz gehabt wie jetzt und das ist wirklich ein großer Grund zur Freude. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Abgeordneter Hammer hat schon ein bisschen durch die Maßnahmen, die wir hier er­möglichen, geführt, trotzdem möchte ich es gerade in Bezug auf die Frage der Arbeits­plätze noch einmal ausführen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben erstmals einen Zusagerahmen bei der Frage der thermischen Sanierung und beim Heizkesseltausch, das heißt also raus aus dreckigen Ölheizungen, dreckigen fossi­len Gasheizungen, rein in erneuerbare Heizsysteme, viel Geld und eine mehrjährige Perspektive. – Das ist neu, das ist das erste Mal, dass wir das schaffen; das ist wichtig. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir mit diesen Maßnahmen in den nächsten Jahren 46 000 Jobs schaffen und sichern.


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Allein an dieser Zahl, allein an dieser Maßnahme zeigt sich, warum der Satz: Klima­schutz ist das beste Konjunkturprogramm!, seine volle Berechtigung hat. Wir schaffen damit lokal Arbeitsplätze, wir schaffen damit lokal Wertschöpfung, weil der Installateur aus dem Ort das Heizsystem tauscht, und wir tun etwas für den Klimaschutz. Diesen dreifachen Nutzen, diesen dreifachen Benefit schaffen wir mit jeder einzelnen der Maß­nahmen aus diesem Paket, das wir heute hier, hoffentlich mit einer breit getragenen Mehrheit, auch beschließen können. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Den zweiten Punkt möchte ich auch nochmals hervorstreichen, das Energiecontracting, also den Einsatz von Garantien zur Mobilisierung von privatem Kapital gerade bei der thermischen Sanierung. Das ist ein neues Instrument. Auch das probieren wir das erste Mal in dieser Art und Weise in Österreich aus. Das ist ein wirklich großer Hebel, um Geld für den Bereich der thermischen Sanierung zu mobilisieren. Wir alle wissen, das ist eine der härtesten Nüsse, die es zu knacken gilt, nämlich die thermische Sanierungsrate raufzukriegen. Jetzt, mit diesem neuen Instrument, haben wir wirklich einen zusätzlichen Hebel, um Kapital zu mobilisieren. Auch das ist ein wichtiger neuer Punkt in diesem Gesetz. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass diese UFG-Novelle natürlich nur eine Er­gänzung zu vielen anderen bestehenden Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen, im Konjunkturpaket ist. Im Gemeindepaket spielt der Klimaschutz eine zentrale Rolle, beim Schulentwicklungsplan bauen wir nur mehr nach Klimaaktiv-Standards.

Die Investitionsprämie, auch ein vollkommenes Novum in Österreich: Wir verdoppeln die Prämie für den Klimaschutz und – das ist das Novum – wir haben klimaschädliche Inves­titionen ausgeschlossen. Das heißt, wir starten mit dem Ausstieg, kein Geld mehr für fossile Infrastrukturen. Ich finde, das ist wirklich auch ein großer Schritt, ein wichtiger Schritt, ein notwendiger Schritt.

Ich möchte aber vor allem auch auf die Frage der Energiearmut und auch auf den Ab­änderungsantrag der SPÖ eingehen. Herzlichen Dank, dass wir gerade bei diesem Thema – und ich glaube, das liegt sehr, sehr vielen Menschen hier im Saal, aber auch in ganz Österreich am Herzen – so konstruktiv miteinander arbeiten, um das zu verbes­sern.

Ich möchte ein paar Dinge aus dem Antrag aufgreifen: Die Unterstützung für einkom­mensschwache Haushalte, die dadurch Schwierigkeiten haben, Energierechnungen, Heizungsrechnungen zu zahlen, werden wir mit diesem Programm in den nächsten zwei Jahren in Kombination mit den Bundesländern abwickeln. Wir werden also für die nächs­ten zwei Jahre keine eigenen Abwicklungsstrukturen aufbauen, sondern das verstärken, was wir an erfolgreichen Projekten auch in den Bundesländern schon haben. Daher kommt auch die Formel: bis zu, denn es hängt natürlich an dieser Kombination, wie viele dieser Mittel auch abgeholt werden. Wir werden unser Möglichstes dazu tun, dass das jedenfalls auch die 100 Millionen Euro werden, dass wir diese Mittel auch wirklich ausge­ben, denn wir wissen, dass wir den Bedarf haben.

Wir wissen auch, dass wir das evaluieren wollen. Evaluieren können wir es auch hier, nur dann eben mit Blick auf die Kombination der Mittel, auch mit den Programmen der Bundesländer. Wir evaluieren die Umweltförderung im Inland aber alle drei Jahre, da werden wir natürlich auch dieses Programm evaluieren. Dieser Bericht wird auch dem Nationalrat vorgelegt werden, selbstverständlich auch mit eben diesem neuen Pro­gramm da drinnen.

Der dritte Punkt, den ich noch erwähnen wollte, betrifft die Frage der Definition. Es ist tatsächlich so, dass man bisher in Österreich noch keine Einigkeit darüber finden konnte,


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was als einkommensschwach definiert werden soll. Wo? Wie? Was heißt dann ener­giearm in diesem Zusammenhang? Diese Arbeit wollen wir machen, müssen wir ma­chen, nämlich auch deswegen, weil wir dieses Programm auch langfristig absichern wol­len und deswegen im Energieeffizienzgesetz auch noch einmal einen Schwerpunkt auf Energiearmut und einkommensschwache Haushalte legen wollen und in dem Rahmen, auch im Rahmen der Abstimmung mit den Bundesländern, einmal eine gemeinsame Definition erarbeiten wollen, denn wenn sich Bundes- und Landesmittel bestmöglich ergänzen und verschränken sollen, brauchen wir auch ein gemeinsames Bild davon. Wir arbeiten also daran, das kann ich zusichern, weil es tatsächlich eine wichtige Frage ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte noch einmal einen Punkt herausgreifen – Abgeordneter Lukas Hammer hat es vorhin schon erwähnt –, nämlich betreffend wichtige Signale; Signale vor allem auch an den Markt und an die Wirtschaft im Sinne von: Das hat eine Perspektive, wir müssen die entsprechenden Ressourcen aufbauen, wir brauchen auch die entsprechenden Facharbeitskräfte, wir haben da einen Ausbildungsbedarf. Das heißt also, das ist wirklich ein Signal: In den kommenden Jahren werden diese Dienstleistungen stark und immer stärker nachgefragt. Das hört auch nicht auf, denn – mein Abschlusspunkt –: Förderun­gen sind der eine Teil, aber ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir im Auge behalten, dass wir das auch mit den entsprechenden Rahmenbedingungen, die wir schaffen müs­sen, ergänzen müssen.

Geplant sind da unter anderem auch ordnungsrechtliche Vorgaben bei der Umstellung auf klimafreundliche Heizsysteme. Sie wissen, wir haben das Phase-out aus Öl und Kohle bis 2035 vor – das heißt komplett, auch aus dem Bestand –, analog dazu ein Phase-out für fossile Gasheizsysteme, auch Verbesserungen bei den wohnrechtlichen Regelungen für die Umsetzung von Dekarbonisierungsmaßnahmen, steuerliche Verbes­serungen et cetera.

Heute bringen wir einen wichtigen, einen großen Baustein auf den Weg. Viele weitere Schritte werden folgen. Ich danke aber heute an diesem Freudentag für den Klimaschutz für eine breite Unterstützung. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abgeord­neten Cornelia Ecker und Herr.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Schmucken­schlager. – Bitte.


17.09.33

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können heute den erfolg­reichen Weg des Umweltförderungsgesetzes weiterschreiben und fortschreiben. Ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, den erfolgreichen Weg raus aus den fossilen Energie­trägern hin zu erneuerbaren Energieträgern entsprechend zu unterstützen.

Die Frage, ob das wirklich „nachhaltig fetzt“, kann man, glaube ich, absolut mit Ja beant­worten. 1 Milliarde Euro für den Klimaschutz fetzt nachhaltig, und zwar aus mehreren Gründen: Wir haben auf der einen Seite die Tangente, dass wir Energie sparen können, und auf der anderen Seite die Tangente, dass wir Energie aus erneuerbaren Energie­trägern, die auch bei uns zum Teil nachwachsen, entsprechend bereitstellen können. Das heißt, da ist eine enorme volkswirtschaftliche Rechnung aufzustellen, die uns wahr­scheinlich am Ende des Tages auch über diese 1 Milliarde Euro bringen wird, was wir volkswirtschaftlich dem Staat zugutekommen lassen können.

Und das ist das Erfolgsmodell des Umweltförderungsgesetzes, denn nur so wird es mit der Verbindung zwischen Wirtschaft und Klimaschutz langfristig möglich sein, diese


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Nachhaltigkeit in allen Säulen – eben der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit – sicherzustellen; dann funktioniert das langfristig wirklich erfolgreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, es ist auch ein guter Ansatz, bei privaten Initiativen – wenn man jetzt einen Kesseltausch vornimmt oder etwas Ähnliches – mit staatlicher Unterstützung Aktivitäten zu setzen und dadurch letztendlich Impulse zu schaffen, und diese Impulse braucht un­sere Wirtschaft wirklich, denn durch die Covid-19-Krise auch auf dem Arbeitsmarkt müs­sen wir alle Hebel in Bewegung setzen, wie wir Arbeitsplätze schaffen können und unser Wirtschaftssystem von der Karbonisierung weg hin zu einem modernen Wirtschaftssys­tem bringen, das am Ende des Tages unabhängig von Kohle und Gas ist.

Das sind aber – und das wurde auch schon angesprochen – nicht die einzigen Investi­tionen in diesem Bereich. Wir haben ja auch die Möglichkeit der Kombination mit der Covid-Investitionsprämie – im 7-Prozent-Bereich oder auch im 14-Prozent-Bereich ‑, und das hebelt das Ganze noch einmal. Daher, glaube ich, werden die nächsten zwei Jahre mit diesen Geldern, mit dieser 1 Milliarde Euro sehr gut ausdotiert sein.

Wir werden aber darüber hinaus langfristig und nachhaltig noch mehr Geld in diesen Sektor hineininvestieren, aber vor allem langfristig und nachhaltig aus diesem Sektor heraus Positives für unsere Volkswirtschaft, für unsere Arbeitsplätze und für den gesamt­volkswirtschaftlichen Erfolg Österreichs lukrieren können. Das heißt, wir legen heute den Grundstein für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Fragen des wirtschaftlichen Klimaschutzes. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


17.12.42

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) – Ja klar, Herr Kollege Leichtfried, das hätten Sie bei den vorherigen Debatten erwähnen müssen, wo Sie sich da ergossen haben. Nichtsdestotrotz, Frau Bundesminister, dieses Umweltgesetz ist gut, wir stimmen ihm zu, es setzt sehr, sehr viele Akzente, die wir natürlich unterstützen und auch in der Vergangenheit hier schon entsprechend forciert haben.

Sie haben die Joboffensive in diesem Bereich angesprochen, 46 000 neue Arbeitsplätze in Zeiten dieses Coronawahnsinns, den diese Bundesregierung in die Welt gebracht hat, sind sehr, sehr gut. Das braucht die Wirtschaft, das brauchen die Menschen, das brau­chen wir im Sozialbereich; es ist umso wichtiger, dass Sie auch da Akzente gesetzt ha­ben. Dass Sie 100 Millionen Euro für sozial Schwache investieren, ist ein Tropfen auf den heißen Stein oder ein kleiner Teilbereich. (Abg. Maurer: 1 Milliarde! – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Warum 100 Millionen Euro? – Man hat als Eigentümer einer Wohnung, eines Hau­ses das Thema, dass man, wenn man eine Heizungsumstellung vornimmt, nicht nur 10 000 Euro für die Umstellung, sondern auch Geld für zusätzliche Maßnahmen braucht. Ein Kessel raus und eine andere Anlage rein, damit ist es natürlich nicht getan, sondern man braucht umfassende Maßnahmen, um diese Förderung entsprechend in Anspruch nehmen zu können.

Wir unterstützen auch den Abänderungsantrag der Frau Kollegin Herr, auch der ist unter­stützenswert, weil die 100 Millionen Euro nur für zwei Jahre gewährleistet sind. Das ist ein Faktor, der zeitlich sehr eng ist, vor allem für eine Haushaltsplanung beginnend 2021 oder 2022. Eine Haushaltsplanung dauert meistens wesentlich länger, und da braucht man auch mehr Vorlaufzeit. Diesbezüglich würde ich mir als nächsten Schritt wünschen, diese Maßnahme auf die nächsten Jahre auszuweiten, zumindest auf die gesamte Le­gislaturperiode.


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Ein Punkt vielleicht noch, der wichtig ist: Die 650 Millionen Euro, die Sie für die Sanie­rung von Gebäuden bereitstellen, sind wichtig, sie sind ein guter Ansatz für die Volkswirt­schaft. Wir werden diesem Antrag zustimmen. – In diesem Sinne: Danke! (Beifall bei der FPÖ.)

17.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


17.15.20

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe sehr aufmerksam zugehört, der Vorsitzende des Umweltausschusses hat sie ein riesen­großes Signal für den Klimaschutz genannt, und ich habe mir die Frage gestellt, wie wir NEOS jetzt die Erhöhung der Umweltförderung beurteilen. Ich möchte vorwegnehmen – obwohl ich natürlich Punkte sehe, die mir nicht so gut gefallen –, dass wir diesem Ge­setzentwurf, dieser Erhöhung zustimmen werden, weil es ein Stück in die richtige Rich­tung geht.

Man spricht von einem Signal, ich würde aber eher von einem Signälchen für den Klima­schutz sprechen, und das kann man auch sehr gut begründen. (Abg. Maurer: 1 Milliarde ist also ...?) – Liebe Frau Maurer, wenn Sie mir weiter zuhören, kann ich Ihnen auch erklären, warum es ein Signälchen und kein Signal ist. Da geht es nämlich nicht immer nur um den Geldwert, den man einsetzt, sondern um das, was man dann auch raus­bekommt. Und das zentrale Element ist: In der Klimapolitik gibt es Werkzeuge – wenn die Klimapolitik ein Fußballspiel wäre, man den Tormann herausnehmen kann und dann einen Elfer auflegen kann, wäre das die CO2-Steuer –, mit denen man sozusagen Signa­le über den Markt setzen kann, die Investitionen in den richtigen Bereichen auslösen, und zwar mit gleich viel oder gelinderen Mitteln. Anstatt dass Sie durch eine entspre­chende Steuerreform den Tormann herausnehmen, legen Sie einfach mehr Bälle zum Elferpunkt hin und hoffen, dass Sie dann gut ins Tor treffen. Genau das ist das Problem, warum ich glaube, dass es nicht der richtige Weg ist, alleine auf eine Erhöhung auf 750 Millionen Euro zu setzen.

Sie geben jetzt deutlich mehr Geld aus, Sie haben aber keine einzige der von den Ex­perten empfohlenen Reformen gemacht. Ich möchte nur ein paar kleine Beispiele nen­nen: Das Ziel ist eine Sanierungsrate von 3 Prozent aller unsanierten Gebäude. Das Problem ist, dass weder die letzte Bundesregierung noch diese Bundesregierung es geschafft haben, mit den Bundesländern in den letzten, glaube ich, acht Jahren eine Definition zu finden, was denn überhaupt Sanierungsrate bedeutet. Ist es mit oder ohne Heizung? Mit Fenstern, mit Dachgeschoß und so weiter? Das heißt, im letzten Jahr haben es weder Türkis noch Grün geschafft, eine Definition zu finden, was eigentlich das Ziel ist, wie sich die Sanierungsrate berechnet. Sie geben aber ein Ziel aus, nämlich eine Sanierungsrate von 3 Prozent.

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist, dass natürlich vieles föderal organisiert ist. Wir kön­nen noch so viel sanieren, wenn wir dahinterliegende strukturelle Probleme nicht lösen. Am Land ist es relativ einfach, wir haben neun verschiedene Bauordnungen –zumindest mit vielen Ausnahmeregelungen –, wir haben eine Zersiedelung, wir haben eine Förde­rung von vielen Strukturen. Da kann ich das beste Niedrigenergiehaus hinstellen, es hilft mir nicht, ich komme mit dem Sanieren nicht hinterher, wenn dann neue Straßen für diese Flächen gebaut werden müssen.

Ein anderer Punkt, in der Stadt – und das ist auch ein Thema, das gelöst werden muss, und es ist nicht leicht, weil es eine soziale Frage ist –: Wien hat überdurchschnittlich viele unsanierte Gebäude, wir alle kennen die Altbauten, wo es reinzieht, wo man für die


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Nachbarn heizt. Warum ist das so? – Nicht nur weil die Stadt Wien nicht ausreichend thermisch saniert, sondern auch, weil natürlich viele private Eigentümer eine Investition tätigen müssen, aber den Effekt dann der Mieter hat, weil er geringere Energiekosten hat. Dann kann derjenige, der investiert, nachher sozusagen nicht mehr die Einsparung einstreichen, und dann geht ja die Motivation verloren.

Diese Probleme werden aber nicht angesprochen. Und das ist genau der Punkt, warum ich sage, wir erhöhen jetzt das Budget und hoffen, dass mehr thermisch saniert wird, wir definieren aber nicht, was genau die Sanierungsrate ist, wir gehen nicht die strukturellen Probleme an, weder am Land noch in der Stadt, und das ist deutlich zu wenig. (Beifall bei den NEOS.)

Ich sage es immer wieder, ich sage es im Umweltausschuss und ich sage es im Plenum, vor allem Richtung Grüne – bei der ÖVP ist, befürchte ich, Hopfen und Malz verloren –: Es braucht eine CO2-Steuer und marktfähige Anreizsysteme, die dazu führen, dass pri­vates Kapital so eingesetzt wird, dass Klimaschutz attraktiv für viele ist. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Es braucht ein Ende der Zersiedelung und des Flächenfraßes für eine entsprechende Biodiversität, aber auch für die nächsten Generationen, dass sie das Österreich erleben, das wir heute noch sehen, und es braucht – da werde ich jetzt auch nichts Neues und Überraschendes sagen – auch ein modernes Mietrecht, das sozial ausgewogen ist, aber auch kein Hindernis ist, um alte Gebäude in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Astrid Rössler. – Bitte.


17.20.11

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die Novelle zum Umwelt­förderungsgesetz, die heute beschlossen wird und mit der 1 Milliarde Euro an Mitteln vorgesehen wird, ist tatsächlich ein wichtiges und deutliches Signal. Es mag vielleicht von dem einen oder anderen als zu klein und zu wenig gesehen werden – ob das Glas halb voll oder zu einem Viertel voll ist, darüber kann man schon diskutieren, aber Gott sei Dank beginnen wir endlich, in dieses Glas, das große Glas Klimaschutz, kräftig etwas einzugießen.

Früher hätte man gesagt: Viel Kohle für den Klimaschutz! – Das passt nicht mehr. Es ist wirklich ein großes, wichtiges Signal, dem Klimaschutz heute ein großes Stück weiterzu­helfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist Teil eines Verhandlungsprozesses, sicherzustellen, dass die begrenzten Mittel möglichst gut eingesetzt werden, und das ist ein Beispiel, in dem zwischen Umwelt und Wirtschaft Gott sei Dank wieder einmal ein und steht – und kein oder –, so wie zwischen Wirtschaft und Klimaschutz auch kein oder, sondern ein und hineingehört.

Genau das ist auch die Intention bei dieser wichtigen Förderung, dass wir nämlich Nach­frage generieren, Nachfrage nach Klimainvestitionen – ganz wichtig im Gebäudebe­reich –, und, weil es angesprochen worden ist, der Abgleich mit den jeweiligen Definitio­nen von Sanierung in den Ländern. Es gibt ja auch von den Ländern bereits sehr gute Gebäudesanierungsprogramme, -förderprogramme, die damit ergänzt werden können, so wie ja auch einzelne Bundesländer erfreulicherweise für den Heizungstausch schon zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt haben.

Ganz kurz: Die regionale Wirtschaft wird damit maßgeblich gefördert, es wird Nachfrage generiert. Es ist angesprochen worden, dass wir damit auch Nachfrage nach qualifizier­ten Arbeitsplätzen genau in diesem Bereich – im Energiesparbereich, im Klimaschutzbe­reich, in der Sanierung, in der Verbesserung von Heizungstechnik und Gebäudehülle –


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generieren. Das ist ein großer Faktor, den ich an der heute vorliegenden Novelle beson­ders schätze.

Die Zahlen sind sehr beachtlich. Die 110 Millionen Euro, die in die Umweltförderung im Inland fließen, sind da miteinzuberechnen. Davon profitieren die Gemeinden, davon pro­fitieren Betriebe mit sehr, sehr spannenden, wichtigen technologischen Details für Ener­giezentralen, für Wärmerückgewinnung. Das sind alles Schritte, die uns sehr dabei hel­fen, auf den Klimazielen allen Ebenen näherzukommen.

Die Sanierungsoffensive, der Heizungstausch ist ein ganz elementarer Baustein für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Die klimafreundlichen Heizsysteme und thermische Gebäudesanierungsmaßnahmen sind einfach ein Kernbereich in diesem Gesamtpro­gramm, und das Energiecontracting, das bisher noch nicht wirklich im Detail gefördert wurde, ist eine extrem wichtige Unterstützung. Das Energiecontracting ist ein Beitrag dazu, Risiko zu verlagern oder Risiko zu minimieren und damit die Möglichkeit für Sanie­rungsmaßnahmen zu schaffen.

Alles in allem ist es ein extrem erfreuliches, wichtiges und zukunftsweisendes Paket, das heute hier beschlossen wird, und ich freue mich auf die nächsten Schritte. Frau Minis­terin, es ist ein guter Start in ein großes Klimaschutzprogramm! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


17.23.53

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte einmal vorausschicken, dass auch wir es natürlich sehr begrüßen, dass sich da etwas tut. Ich möchte ganz speziell im Bereich einkommensschwache Haushalte noch einmal die Schraube anzie­hen. Sie haben ja selbst in Ihren Ausführungen schon angemerkt, wo es noch größere Problemfelder gibt. Das ist auf der einen Seite dort, wo es um die Frage der Zusammen­arbeit mit den Bundesländern geht, wo noch einiges offen ist, und es ist vor allen Din­gen – und ich glaube, dass das auch ganz, ganz wichtig ist – die Frage der Definition, was ein einkommensschwacher Haushalt ist: Ist es jetzt die Mindestpensionistin, oder ist es zum Beispiel die vierköpfige Familie mit einem Haushaltseinkommen von 2 000 Eu­ro? – Ich glaube, dass es da ganz rasch eine Definition braucht, wenn man wirklich will, dass dieses Gesetz am Ende des Tages auch die richtigen Menschen trifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Was in diesem Gesetz leider ebenfalls nicht berücksichtigt wurde, sind die 16 500 Haus­halte, die momentan kein fest installiertes Heizsystem haben. Die sind momentan von dieser Förderung komplett ausgeschlossen, weil es momentan ja nur im Tauschbereich eine Förderung gibt. Ich glaube daher, dass man sich, wenn man darüber nachdenkt, da Veränderungen vorzunehmen, möglicherweise auch diesen Bereich noch viel stärker anschauen sollte.

Was man aber, wenn man diese vielen Punkte berücksichtigt, vor allem sieht und was ganz schnell deutlich wird, ist, dass Klima- und Energiepolitik nicht nur eine technische Frage, sondern vor allen Dingen eine soziale Frage ist. Somit ist natürlich die Frage der Energiearmut eine ganz wesentliche. Diese findet letztendlich leider auch in Österreich statt.

Wir haben in unserer Republik circa 110 000 Haushalte, die von dieser Frage betroffen sind, und ein wesentlicher Faktor zur Bekämpfung von Energiearmut ist eben die Ener­gieeffizienz. Darum ist ja dieses Gesetz ein erster wichtiger Schritt, aber um hier auch


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wirklich wirksam zu kämpfen, braucht es eben die notwendige Treffsicherheit. Was es außerdem braucht – das sagen alle Experten, und Sie haben es ebenfalls schon ganz kurz angesprochen –: Es braucht vor allen Dingen sehr bald auch eine einheitliche und allgemeine Definition: Was ist jetzt eigentlich Energiearmut? – Das fehlt, das braucht es, und das sollten wir so rasch wie möglich umsetzen.

Abschließend – da meine Redezeit schon fast abgelaufen ist – möchte ich noch zum Abänderungsantrag, der soeben ausgeteilt wurde, etwas sagen: Ich finde es sehr gut, dass Sie, die Grünen, wer auch immer, erkannt haben, dass im Finanzministerium nicht unbedingt die kompetenteste Person sitzt, und dass man deshalb die Auszahlung dieser Mittel von Blümel wegnimmt und sie der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft gibt. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, dass das ein ganz, ganz wesentlicher Punkt ist, damit die Umsetzung dieses Gesetzes auch wirklich funktioniert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Gewessler noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


17.27.17

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für die inhaltsreiche Debatte. Ich möchte gerne noch auf vier Punkte eingehen.

Ganz kurz zur AWS: Die AWS hat einfach sehr viel Erfahrung mit Kreditgarantien, daher ist es auch ein logischer Schritt, das dorthin zu tun, wo es in der praktischen Abwicklung viel Erfahrung gibt.

Das Zweite ist – zum Kollegen Michi Bernhard –: Ich habe auch in meiner Rede gesagt: Das ist ein erster Schritt, da müssen weitere folgen!, und unter steuerliche Maßnahmen fällt natürlich auch eine Steuerreform mit CO2-Bepreisung. Das haben wir im Regie­rungsprogramm vereinbart, und die Argumentation war ja sehr, sehr treffend: weil sie nämlich auch dazu führt, dass sich Maßnahmen wie diese einfach wesentlich schneller rechnen. Jede Investition in einen grünen Produktionsprozess, jede Investition in eine thermische Sanierung amortisiert sich schneller, und das ist ja das Schöne an dieser Steuerreform, an diesem Hebel, den wir da gemeinsam entwickeln: dass dies auch viele, viele andere Maßnahmen unterstützt.

Also keine Sorge, wir sind am Arbeiten, aber das ist kein Grund, jetzt zu sagen, die Auf­stockung der Förderung machen wir erst danach, sondern wir gehen es jetzt an, als Konjunkturmotor, denn jetzt brauchen wir diesen auch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein dritter Punkt noch einmal ganz kurz im Zusammenhang mit Energiearmut und der Definition: Wir haben uns ja auch – das habe ich vielleicht im ersten Redebeitrag zu wenig ausgeführt – in der Neukonzeption des Energieeffizienzgesetzes ein neues Instru­ment vorgenommen, nämlich dort auch einen Fonds einzurichten, der auch noch einmal die sozialen Härtefälle im Blick hat. Auch für das Energieeffizienzgesetz und damit die langfristige Absicherung von Programmen zur Bekämpfung der Energiearmut brauchen wir diese Definition. Wir werden also daran arbeiten, aber ich glaube, wir müssen einfach im Blick haben, dass wir das Thema strukturell angehen müssen, weil es tatsächlich ein schwieriges ist.

Zu der Zusammenarbeit mit den Bundesländern – auch das wurde mehrfach angespro­chen –: Das ist eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, gerade in diesem Bereich, wo die Kompetenzlage auf alle Ebenen verteilt ist. Wir haben nächste Woche eine Landesener­giereferentInnenkonferenz, wo wir auch diese Fragen diskutieren werden, und wir arbei­ten unter Hochdruck an einem Neustart für die sogenannte Wärmestrategie.


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Vielleicht gelingt es ja mit neuen Akteuren und Akteurinnen, mit einer neuen Ministerin, da auch wieder Schwung in diesen Prozess zu bringen, denn der Klimaschutz wird uns nur gelingen, wenn wir von Gemeinden über Länder bis zum Bund an einem Strang ziehen, und das wollen wir mit der Wärmestrategie gemeinsam mit den Bundesländern erarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


17.30.13

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Erfolgsmodell wird mit der Mittelaufsto­ckung im Umweltförderungsgesetz fortgesetzt, und dadurch werden zwei positive Effek­te hervorgerufen. Auf der einen Seite vermeiden und vermindern wir die Treibhausgas­emissionen und kommen dem Ziel der Klimaneutralität ein Stück näher; auf der anderen Seite gibt es natürlich die positiven konjunkturellen Effekte, denn jeder lässt die Maßnah­men bei seinem Gewerbebetrieb vor Ort machen. Damit bleibt die Wertschöpfung im Ort, in der Region, und die Arbeitsplätze werden gesichert und weiter ausgebaut.

Diese Novelle ist eine Umsetzung im Rahmen der Klimamilliarde, und konkret enthalten sind in diesem Gesetz Haftungen für Energiecontractingprojekte in der Höhe von 50 Mil­lionen Euro. Das bietet die Möglichkeit, das Ausfallsrisiko zu minimieren, wodurch Inves­titionsanreize bei den Betrieben gesetzt werden.

Die Aufstockung der Umweltförderung von 20 Millionen Euro für biogene Nahwärmever­sorgung ist etwas besonders Wertvolles und Gutes, denn da geht es um wirklich um­weltfreundliche Lösungen, die effizient und überschaubar sind und bei denen wiederum die Wertschöpfung in der Region, im Ort bleibt.

Was die Sanierung unserer Gebäude betrifft, die 2021 und 2022 fortgesetzt und um 650 Millionen Euro aufgestockt wird, so ist das wirklich ein Anreiz für viele, etwas zu tun. 250 Millionen Euro für die Sanierung der Gebäude und 400 Millionen Euro für den Öl­kesseltausch sind eine wichtige und sinnvolle Sache.

Es ist auch schon oft angesprochen worden, dass diesmal eine soziale Komponente dabei ist: 100 Millionen Euro, die für jene ausgegeben werden, die sich das vielleicht sonst nicht leisten könnten, und die somit auch einen wertvollen Beitrag für die Umwelt leisten. Bis 2022 beläuft es sich auf bis zu 1 Milliarde Euro, die bereitgestellt wird.

Was auch noch ganz wertvoll ist, diese Mittel sind ergänzend zu jenen anderen Um­weltinstrumenten, die wir auch schon beschlossen haben: Das eine ist die Investitions­prämie, das andere ist das Investitionsgesetz für Gemeinden. Diese sind kombinierbar und damit eine gute Möglichkeit, in die Umwelt zu investieren.

In diesem Sinne freue ich mich über die breite Zustimmung zu diesem Gesetz und auf weitere Dinge für eine gesunde Umwelt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


17.33.21

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor dem Fernseher und via Live­stream! Die Klimakrise hat uns erreicht und die Gletscherschmelze, die Dürre und die Borkenkäfer zeigen uns bereits die Auswirkungen des Klimawandels.


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Was bedeutet eine Krise? – Eine Krise bedeutet eine Herausforderung für unsere Ge­sellschaft, für unser Verhalten und in diesem Fall auch für unser Energiesystem; das muss nämlich geändert werden. Dazu braucht es Ansporn, Visionen und Anreize.

Als Energieberater bin ich oft im Waldviertel unterwegs, und da trifft es mich immer sehr hart, wenn ich an Sommertagen aus den Schornsteinen der Häuser Rauch aufsteigen sehe, weil in den alten Heizungsanlagen Warmwasser produziert wird. Wir müssen aber nicht nur die Brennstoffe bei unseren Heizsystemen ändern, wir müssen auch die Ef­fizienz unserer Heizsysteme verändern, und da sind wir insgesamt sehr gefordert. Neben der Solarnutzung spielt da auch die Biomasse eine sehr große Rolle. Vor Kurzem hat mir ein Unternehmer im Waldviertel erzählt, dass die Hackschnitzel mittlerweile einen so geringen Wert haben, dass sich nicht einmal mehr das Umladen der Hackschnitzel rech­net. Da frage ich mich dann schon: Warum wird noch immer so viel Öl zum Heizen im­portiert und werden gleichzeitig unsere Wälder vom Borkenkäfer niedergestreckt?

Das Umweltförderungsgesetz kann jetzt einen Turbo für die Energiewende auslösen. Genau dieser Turbo ist jetzt notwendig, damit wir bis zu 90 000 fossile Heizungsanlagen austauschen und damit sozusagen auch energieeffizienter machen. Noch nie wurde so viel Geld für den Heizungstausch und die thermische Sanierung ausgegeben, und es wird auch unsere Installationsbetriebe fordern, genug Fachkräfte zu haben. Ich denke aber, das ist gut so, denn genau das brauchen wir. All das schafft auch Wertschöpfung in der Region, weil wir daraus die Ressourcen gewinnen, und diese Stärkung für die Region brauchen wir auch.

Vor Kurzem habe ich in Waidhofen eine Strohdämmung, eine Einblasdämmung gese­hen, die zertifiziert worden ist, für die Dämmstoff aus Stroh, aus Naturstoffen in Öster­reich hergestellt wird. Ich denke, auch das ist ein wesentlicher Beitrag, der jetzt über die thermische Sanierung verstärkt werden kann.

Ganz zum Schluss möchte ich auch noch kurz zum Energiecontracting kommen. Da gibt es Liefer- und Einsparcontracting, und, ich glaube, das ist ganz wichtig, weil einer der großen Punkte immer der Zahlungsausfall beim Endkunden ist, und genau dieser kann jetzt sozusagen mit diesem neuen Programm im UFG abgefangen werden. Bis zu 5 Mil­lionen Euro stehen da pro Projekt zur Verfügung, und bei einem Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro haben wir da theoretisch einen Hebel von über 1 Milliarde Euro. Dieser ist auch aus dem Grund sehr wichtig, weil das Energiecontracting meiner Meinung nach nicht nur für Industrie und Gewerbe da ist. Wir können das auch für die Gemeinden und im Endeffekt auch für Privatpersonen nutzen. Da wird es sehr spannend, denn ich denke, wenn vor allem das Energieliefercontracting weiter ausgebaut wird, dann kann das auch eine wesentliche Maßnahme gegen die Energiearmut sein.

Genau dahin gehend sollten wir dieses Programm weiterentwickeln und nutzen. Da lade ich jetzt sozusagen alle ein, dieses Programm zu verbreiten, damit man als Bürgermeis­ter dann keine Anträge für Gasanschlüsse, sondern Bauanzeigen für die neuen Anlagen kriegt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.37


17.37.13

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor ich zur Abstimmung komme, frage ich die Fraktionen, ob sie eine Sitzungsunter­brechung wollen oder ob wir gleich fortfahren können. – Da keine Unterbrechung ge­wünscht wird, gehe ich auch so vor und komme gleich zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 342 der Beilagen.


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Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Ham­mer, Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Hammer, Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen haben ei­nen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 1 eingebracht.

Wer hierfür ist, den bitte ich jetzt um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ziffer 2.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Teil in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Herr, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag be­treffend Neufassung der Ziffer 3 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil in der Fassung der Regierungs­vorlage unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Hammer, Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag der Abgeordneten Hammer, Schmuckenschlager, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ziffern 4 bis 10.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist auch einstimmig ange­nommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetz­entwurf ist somit in dritter Lesung einstimmig angenommen.

17.40.256. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorla­ge (351 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz geändert wird (361 d.B.)


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7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 430/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (362 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 427/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderpflegeurlaub für Arbeitnehmer mit Betreuungspflichten (363 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 8, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


17.41.30

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Das Schuljahr hat vor knapp drei Wochen begonnen und obwohl die Coronainfektionszahlen zu Beginn des Sommers noch stabil waren, stehen wir jetzt im Herbst vor der Herausforderung, die Verbreitung wieder einzudämmen. Wir leben seit sechs Monaten mit dem Virus, wir haben viel darüber gelernt und herausgefunden, und jetzt geht es darum, diese Erkenntnisse auch umzusetzen.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Antrag zur Sonderbetreuungszeit, dass diese bis Februar 2021 ausgedehnt werden soll und dass auch Ferien und schulfreie Tage nunmehr von dieser erfasst sind, ist positiv zu sehen. Aus unserer Sicht fehlen aber vier wesentliche Punkte in diesem Antrag.

Erstens: Es gibt bis heute keinen Rechtsanspruch auf diese Sonderbetreuungszeit. Wir wissen, Schulen und Kindergärten werden von heute auf morgen geschlossen, meistens erfährt man das erst am Nachmittag. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber entscheidet aber allein, ob Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen werden kann. Ich kann Ihnen aus meiner beruflichen Erfahrung heraus sagen, es gibt mehr als genug Betriebe, die sagen: Bei uns gibt es keine Sonderbetreuungszeit, wir wollen das nicht. – Die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer werden mit diesem Antrag zu BittstellerInnen degradiert. Es gehört einfach ein Rechtsanspruch hinein. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite Punkt ist – und vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass die Arbeitge­ber sagen, wir wollen die Sonderbetreuungszeit in unserem Betrieb nicht zur Anwendung bringen –, dass zwar jetzt der Ersatz der Lohnkosten von 30 auf 50 Prozent erhöht wer­den soll, aber: Warum wird es denn nicht zu einem generellen Entgeltersatz für den Ar­beitgeber? Warum kann man ihm das nicht zu 100 Prozent ersetzen?

Der dritte Punkt betrifft – und da vergisst die Regierung wieder einmal, dass die Sonder­betreuungszeit nicht nur für Eltern wichtig ist – die Angehörigen von Pflegebedürftigen, die gerade in dieser besonderen Zeit in der Betreuung zum Teil vor Herausforderungen stehen, die sie fast nicht stemmen können, denn auch Tages- oder Betreuungseinrich­tungen, wie etwa für Demenzerkrankte, können geschlossen werden. Im Gesetz ist der Anspruch nur in dem Fall geregelt, wenn die 24-Stunden-BetreuerIn nicht anreisen kann – wieder mit der Betonung, dass es keinen Rechtsanspruch darauf gibt.

Der vierte Punkt, der auch fehlt, der aber sehr wesentlich ist, betrifft die Menschen, die mit schwerkranken Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben. Die Menschen wollen


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ihre Angehörigen vor einer Infektion schützen. Sie müssen sich jetzt aber entscheiden: Bleibe ich zu Hause und kümmere ich mich um die Angehörigen oder gehe ich weiter arbeiten? Das heißt, es herrscht akuter Handlungsbedarf.

Frau Ministerin, ich darf dazu deshalb einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (361 d.B.) betreffend die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (351 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 18 b Abs. 1 lautet:

„(1) Treten auf Grund behördlicher Maßnahmen aus Anlass einer Epidemie oder Pande­mie Betreuungspflichten auf und hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dienstfrei­stellung zur Betreuung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sonderbetreuungs­zeit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der behördlichen Maßnahmen für die Dauer der notwendigen Betreuung von Angehörigen zu gewähren. Diese Sonderbetreuungszeit ist auch Angehörigen von in gemeinsamen Haushalt lebenden RisikopatientInnen zu ge­währen. Arbeitnehmer haben während dieser Zeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Höhe gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Arbeitgeber haben Anspruch auf die Vergü­tung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund. Der Anspruch auf Vergütung ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, gedeckelt und spätestens binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnah­men bei der zuständigen Abgabebehörde geltend zu machen. Die Regelung gilt auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl. Nr. 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in Kraft sind.““

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Mag.a Verena Nussbaum

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (361 d.B.) betreffend die Regie­rungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ge­ändert wird (351 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 18 b Abs. 1 lautet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 179

„(1) Treten auf Grund behördlicher Maßnahmen aus Anlass einer Epidemie oder Pande­mie Betreuungspflichten auf und hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Dienstfrei­stellung zur Betreuung, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sonderbetreuungs­zeit ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der behördlichen Maßnahmen für die Dauer der notwendigen Betreuung von Angehörigen zu gewähren. Diese Sonderbetreuungszeit ist auch Angehörigen von in gemeinsamen Haushalt lebenden RisikopatientInnen zu ge­währen. Arbeitnehmer haben während dieser Zeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in der Höhe gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Arbeitgeber haben Anspruch auf die Vergü­tung des in der Sonderbetreuungszeit an die Arbeitnehmer gezahlten Entgelts durch den Bund. Der Anspruch auf Vergütung ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955, gedeckelt und spätestens binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnah­men bei der zuständigen Abgabebehörde geltend zu machen. Die Regelung gilt auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl. Nr. 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in Kraft sind.““ 

Begründung

Es ist unabdingbar, dass für berufstätige Personen im Falle einer Epidemie/Pandemie die Möglichkeit geschaffen wird, sich um Betreuungspflichten zu kümmern. Schulschlie­ßungen können jederzeit wieder drohen, ebenso wie die Aussetzung des Unterrichts oder die Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderungen oder von Tagesbetreuungsstätten für Pflegebedürftige. Ganz zu schweigen von der je­derzeit drohenden Maßnahme, Kindergartenkinder zu Hause betreuen zu müssen, weil der Kindergarten schließt oder die Gruppen extrem verkleinert werden. Großeltern, so­fern überhaupt vorhanden, können in diesem konkreten Pandemiefall von Covid-19 nicht einspringen, da sie die Hauptrisikogruppe darstellen.

Es geht aber nicht nur um Kinderbetreuung oder Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen. Auch der gemeinsame Haushalt mit einem schwerer­krankten Angehörigen (z.B. Krebserkrankte) stellt eine Herausforderung in diesem Pan­demiefall dar. Deshalb sollen auch ArbeitnehmerInnen, die mit einem schwererkrankten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt leben, diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen können, denn es kann nicht sein, dass sich Menschen zwischen der Gesundheit ihrer Angehörigen und dem eigenen Arbeitsplatz entscheiden müssen.

Die bestehende Sonderbetreuungszeitregelung bedeutet enorme Unsicherheit für Ar­beitnehmerInnen, die notwendige Betreuungspflichten wahrnehmen müssen. Der Arbeit­geber entscheidet alleine, ob der oder die ArbeitnehmerIn diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen kann. Auch für die ArbeitgeberInnen ist diese Regelung, gerade in einer wirtschaftlich so schwierigen Zeit, eine Herausforderung, da sie nur die Hälfte der Kosten ersetzt bekommen. Daher ist es erforderlich, einen Rechtsanspruch für Arbeit­nehmerInnen zu normieren und sowohl einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die be­troffenen ArbeitnehmerInnen als auch einen vollen Ersatzanspruch für ArbeitgeberInnen festzulegen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 180

17.46.54

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Unter­stützungsmaßnahmen, wiederum für die Bevölkerung in Österreich, mit denen wir die Folgewirkungen dieser Coronapandemie bekämpfen und die Menschen auch bestmög­lich unterstützen wollen: Die Sonderbetreuungszeit, auf die werde ich noch näher ein­gehen, und die Aufstockung um 1 Milliarde Euro bei der Investitionsprämie, die von un­seren Unternehmerinnen und Unternehmern sehr gut angenommen wird. Das ist wirklich eine tolle Maßnahme, die sich vor allem auch im Bereich der Arbeitsplätze niederschla­gen wird, auch in den Regionen. Es ist, denke ich, sinnvoll, wenn da investiert wird, um dementsprechend auch die Arbeitsplatzsituation zu verbessern. Weiters werden in den nächsten Punkten jetzt noch die Aufstockung beim Familienhärtefonds mit 40 Millionen Euro oder der Bildungsbonus behandelt.

Zur Sonderbetreuungszeit einige Anmerkungen: Wir haben diese im Frühjahr eingeführt, weil die Eltern in dieser sehr schwierigen Zeit besonderen Herausforderungen ausge­setzt waren und immer noch sind. Im Frühjahr wurden die Schulen ja aufgrund der Pan­demie geschlossen, mussten geschlossen werden, und viele Eltern waren bei den Kin­dern zu Hause, mit Homeschooling, und haben da ganz, ganz wertvolle Arbeit geleistet. Deshalb haben wir diese Sonderbetreuungszeit zusätzlich zu den Instrumenten der Pflegefreistellung. Manche haben sich ja auch mit den Betrieben vereinbart, dass sozu­sagen auch Urlaubs- oder Zeitguthaben abgebaut werden, damit wir hier auch zusätzli­che Zeit zur Verfügung stellen können.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann hat diese Vereinbarung auch zwischen den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern in den österreichischen Unternehmen funktioniert: 25 000 arbeitende Menschen haben diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch genom­men, so konnten 30 000 Kinder, Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige be­treut werden; zu zwei Drittel waren es Frauen, zu einem Drittel Männer; 57 Prozent ha­ben bis zu drei Wochen in Anspruch genommen, 22 Prozent zwei Wochen und 21 Pro­zent eine Woche; am häufigsten wurde sie in Wien in Anspruch genommen, nämlich von fast 1 000 Unternehmen, es folgen Oberösterreich mit 850 Unternehmen und Niederös­terreich mit rund 530 wirtschaftlichen Betrieben.

Das heißt, dass dieses System grundsätzlich funktioniert hat. Es wird auch weiterhin funktionieren, noch dazu, wenn wir jetzt 50 Prozent sozusagen aus der öffentlichen Hand beim Entgelt übernehmen und nicht nur ein Drittel. Wir unterstützen da unsere Unterneh­merinnen und Unternehmer, die genau wissen, was ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer herausfordernden Zeit brauchen. Es hat funktioniert, und es wird wieder funktio­nieren. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Beschluss heute fassen können.

Frau Bundesminister, danke auch für die Ausarbeitung mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ressort. Wir hoffen nicht, dass wir noch einmal in eine solche Situation kommen, dass wir etwas zusperren müssen, das wollen wir nicht. Wir wollen einen zwei­ten Lockdown verhindern, und wir wollen, dass die Schulen offen bleiben, aber die Eltern können, wenn die Zahl der grippalen Infekte wieder zunimmt, sehr schnell in die Situation kommen, dass sie Zeit für die Kinder zu Hause brauchen, daher diese gesetzliche Regelung bis Ende Februar: eine gute Lösung im Sinne unserer Familien mit Kindern. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


17.50.42

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Wir sprechen heute in diesem Block über die Opfer der Regierung am Arbeitsmarkt und darüber, wie wir das


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Allerschlimmste verhindern können. Es gibt jetzt eine Vielzahl von Themen und Pro­grammen. Man sollte vielleicht schon noch einmal zurück an den Start kommen, und ich möchte, weil es so ein einprägsamer Satz ist und weil wir das Thema heute Vormittag ausführlich diskutiert haben, noch einmal darauf hinweisen: Ein Richter hat uns ein
E-Mail geschrieben und darin die heutige Gesetzgebung vom Vormittag noch einmal ausgeführt. Einen Satz hat er da hineingeschrieben, den sollte man einfach noch einmal vorlesen.

Ein Richter in Österreich: Die dabei vorgesehene Einschränkung der Grund- und Frei­heitsrechte ist so massiv, wie dies in der österreichischen Rechtsordnung seit Ende der nationalsozialistischen Ära und der Besatzungszeit noch nie der Fall war. – Zitatende.

Das sagt ein österreichischer Richter, nur damit wir wissen, was die Ausgangslage der ganzen Geschichte ist.

Das, glaube ich, sollte hoffentlich jedem hier im Haus klar sein: dass wir uns zwar Ar­beitsplätze wünschen können, wir werden sie aber nicht künstlich erzeugen können. Solange die Wirtschaft quasi mit diesen Hauruckmaßnahmen der Regierung gequält wird, solange es keine Planungssicherheit gibt, keinen Optimismus, keinen Mut, so lange wird die Wirtschaft auch nicht in die Gänge kommen, und damit einhergehend wird uns die Massenarbeitslosigkeit inklusive Kurzarbeit auch weiter begleiten.

Wir hatten ja im Sommer und nach dem Sommer in der Wirtschaft eine kurze Phase der Erholung, und ich habe immer schon gesagt: Die bisherigen Maßnahmen hätte die ös­terreichische Wirtschaft noch überstanden und vertragen, aber jetzt drehen Sie das Rad wieder weiter und weiter, und ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Unternehmen in der Privatwirtschaft oder Industrie das jetzt noch schaffen soll.

Alle Alarmzeichen, sowohl vom AMS als auch von den Wirtschaftsforschern, sollten ei­gentlich für die Regierung Mahnung genug sein, endlich in den Normalzustand überzu­gehen und der Wirtschaft und den Arbeitnehmern wieder eine Basis zu bieten.

Ich darf schon noch einmal darauf hinweisen: Die ganze Geschichte kostet uns bis jetzt nach konservativer Schätzung 50 Milliarden Euro – nach konservativer Schätzung. Es gibt auch Schätzungen, die weit darüber liegen. Da stellt sich einfach die Frage: Wer von dieser Regierung – es sitzt ja nur noch die Frau Minister auf der Regierungsbank –, wer von diesen Ministern inklusive Bundeskanzler wird noch da sein, wenn es um die Be­zahlung dieser Rechnung geht? Dann wird es wahrscheinlich eines Solidarbeitrags aller Österreicher bedürfen. Das sollte man bei der ganzen Diskussion bitte nicht außer Acht lassen: Alle Maßnahmen, die wir jetzt diskutieren, auch in diesem Block, sind zwar sinn­voll, helfen ein bisschen, sind aber im Grunde genommen Stückwerk, und ich sage schon noch einmal: Meiner Meinung nach – oder unserer Meinung nach – ist es höchst an der Zeit, jetzt in eine gewisse Planbarkeit zu kommen, damit auch Arbeitsplätze gesi­chert werden, es sind ohnehin schon zu viele weggebrochen. Wenn das nicht unmittelbar besser wird, dann sind die Perspektiven für nach dem Winter und im Frühjahr für den österreichischen Arbeitsmarkt katastrophal.

Bitte, Regierung, bitte, Frau Minister, machen Sie Druck, auch bei Ihren Kollegen: Ab in den Normalzustand! Planbarkeit, Optimismus, Mut, sonst wird es nichts werden mit Ar­beitsplätzen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


17.54.36

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es hat vermutlich in


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den letzten Jahrzehnten keine Zeit gegeben, in der sich Kinder und Eltern so auf den Schulbetrieb gefreut haben wie im Mai oder jetzt im Herbst; Kinder und Jugendliche, weil sie ihre Freunde und Freundinnen wieder getroffen haben, und Eltern, die sich neben Verpflichtungen wie Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung aufgerieben ha­ben und das alles bewerkstelligen mussten.

Spätestens seit gestern mit dem Herbstanfang ist es ein großes Thema, was wie an Schulen – und es wird auch die Kinderbetreuungseinrichtungen betreffen – weitergehen kann und wird.

Es war selbstverständlich absehbar, dass es keinen normalen Betrieb wie vor der Coro­nazeit geben wird, und es ist absehbar, dass nicht nur Kinder nach Hause geschickt werden, die infiziert sind, sondern dass eine Quarantäne, wenn es notwendig ist, größere Gruppen in Klassen oder Schulen treffen wird, obwohl wir natürlich alles daransetzen, dass wir die Schulen nicht schließen müssen. Wir stehen erst vor dem Beginn der He­rausforderungen, die die kommenden tieferen Temperaturen mit sich bringen werden. Es gibt viele Eltern, die sich berechtigterweise fragen, wie sie es schaffen werden, die Kinder wieder über einen längeren Zeitraum zu Hause zu betreuen.

Hervorheben möchte ich, wenn es um Familie und Haushalt geht, dass vor allem wieder die Frauen zum Handkuss kommen, Frauen die doppelte und dreifache Arbeit leisten. Viele haben bereits im Frühjahr ihren Urlaub oder die Pflegefreistellung fast oder kom­plett aufgebraucht. Wir verlängern jetzt nicht nur die Sonderbetreuungszeit, sondern der Staat wird auch die Hälfte der Kosten anstatt ein Drittel übernehmen. Darum verstehe ich auch die Kritik des Kollegen Wurm nicht, der gesagt hat, dass die Wirtschaft gequält wird. Herr Kollege Wurm, es geht darum, dass wir sie entlasten, die Kosten wird der Staat tragen! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

Die Sonderbetreuungszeit ist als zusätzliches Instrument zu den bisher bestehenden arbeitsrechtlichen Möglichkeiten gedacht, und ja, richtig, es braucht die Zustimmung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin, was wir uns natürlich auch anders gewünscht hätten. Diesen möchte ich daher zu bedenken geben, dass es auch gilt, mehrfach belas­tete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor zu bewahren, durch eine permanente Überforderung selber krank zu werden, denn damit wäre selbstverständlich weder dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin noch dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin geholfen. Es würde also zu einer Lose-lose-Situation führen.

Mir ist es ein großes Anliegen, dass wir die Eltern in dieser schwierigen Situation nicht alleinlassen und ihnen mit der Verlängerung der Sonderbetreuungszeit eine Hilfe bieten, damit sie bestmöglich ohne Betreuungslücken durch die kommenden Monate kommen. Die große Herausforderung, der Herbst, steht uns noch bevor.

Jetzt liegt es an den zuständigen Stellen, die Eltern umfassend darüber aufzuklären, welche Möglichkeiten von Freistellungen es gibt. Auch Arbeitgeber und Arbeitgeberin­nen sind zu informieren, mit einem Appell, ihren DienstnehmerInnen bestmöglich entge­genzukommen, denn eines ist klar: Durch diese Krise werden wir nur gut kommen, wenn wir alle aufeinander Rücksicht nehmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


17.58.49

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun, ich hätte lieber gehabt, dass diese Regelung der Sonderbetreuungszeit oder Sonderbetreuungs­freistellung nicht im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, sondern im Urlaubsge­setz oder eventuell auch im Angestelltengesetz oder im ABGB verankert ist. AVRAG ist


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das Gesetz, wo vieles hineinkommt, wenn man nicht so richtig weiß, wo es hinsoll. Unabhängig davon ist es wichtig, dass es eine Verlängerung bis Ende Feber gibt.

Unsere Ansicht seitens meiner Fraktion war und ist klar: Ohne Rechtsanspruch gibt es eine Rechtsunsicherheit. Wir sehen in der Praxis auch, dass es leider nicht so ist, dass man als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer wirklich immer die Möglichkeit hat, diese Sonderbetreuung zu erlangen. Es ist gerade in systemrelevanten Berufen oft auch so, dass es nicht möglich ist, und wenn man das weiß, muss man umso mehr darauf drän­gen, dass es einen Rechtsanspruch gibt, dass Rechtssicherheit besteht und dass auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen, wie sie sich zu verhalten haben.

Ansonsten haben wir meiner Meinung nach doch eine Unklarheit: Wir haben zwar die Bestimmungen der Entgeltfortzahlung im Dienstfreistellungsfall – also im Falle eines wichtigen Grundes nach Angestelltengesetz und ABGB – gegeben, da wäre der Arbeit­geber der Bittsteller, wenn man es so sehen möchte, im anderen Fall der Sonderbetreu­ungszeit der Arbeitnehmer. Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, es muss ein Miteinan­der geben. Ich bin der Meinung, es muss Rechtsklarheit geben, deshalb gibt es von unserer Seite her klar das Pochen auf den Rechtsanspruch, der auch im Abänderungs­antrag drinnen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Punkt, der mir wichtig ist: Frauen sind oft selbst von Krebs und anderen Erkrankungen betroffen, und diese Gruppen sind dann wiederum abhängig von Angehö­rigen. Ich weiß von vielen Fällen, die mir auch zugetragen worden sind, dass die Angehö­rigen von Risikogruppen und von schwer kranken Personen stark darunter leiden, weil sie diese Sonderbetreuungszeit oder Sonderbetreuungsfreistellung nicht erlangen kön­nen. Diese Grenze, dass die Angehörigen nicht darunterfallen, ist, glaube ich, sozialpoli­tisch nicht gut. Ich glaube oder ich bin mir sicher, die hätten es sich verdient. Deshalb gibt es auch in diesem Fall von meiner Fraktion ganz klar eine Botschaft: dass die Ange­hörigen von schwer Erkrankten auch drinnen sein müssen. Sie sind nicht drinnen, des­halb tun wir uns schwer, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verweise deshalb auch auf den Abänderungsantrag meiner Kollegin Verena Nuss­baum, und von meiner Seite kommt die Bitte, diese Risikogruppen und die Angehörigen dieser Risikogruppen weiter zu berücksichtigen. Das wäre ein Vorteil und wäre ein Fort­schritt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Künsberg Sar­re. – Bitte.


18.01.54

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich habe zu Beginn des Lockdowns hier im Hohen Haus gesagt, dass sich unsere Kinder darauf verlassen, dass wir Erwachsenen gute Entschei­dungen treffen. Wenn ich mir die Entscheidungen der letzten Monate anschaue, wie und was entschieden wurde, dann habe ich das Gefühl, dass da sehr viel Raum und Platz nach oben ist.

Ein gutes Beispiel ist die Verlängerung dieser Sonderbetreuungszeit. Die Maßnahme kommt ja dann zum Zug, wenn die Schule vollständig oder teilweise zusperrt und die Eltern wieder mit ihren Kindern zu Hause im Homeschooling sind. Die Maßnahme zeigt sehr gut, finde ich, dass Sie immer nur das Symptom bekämpfen, aber niemals die Ursa­che. Die Ursache ist nämlich, dass es in der Welt dieser Bundesregierung nur ein Schwarz oder Weiß gibt, eine offene Schule oder eine geschlossene Schule, aber dazwi­schen ist überhaupt nichts gemacht worden oder nichts in Ihre Ideen eingeflossen. Was es vielleicht gibt, ist maximale Verwirrung, maximale Verunsicherung durch verschiede­ne Ampeln in den verschiedenen Ministerien, die auch verschiedene Farben haben, eine unklare Teststrategie – und an den Schulen überhaupt keine stringenten Lösungen.


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In einer Situation der Unsicherheit braucht es aber Maßnahmen der Bundesregierung, die Sicherheit und Klarheit geben, aber nicht das Gegenteil. Ich hätte mir erwartet, dass sich gerade Sie als Familienministerin im Ministerrat starkmachen und dafür kämpfen, dass kluge Maßnahmen kommen, damit die Schulen offenbleiben. (Beifall und Bravoruf bei den NEOS.)

In der Wirtschaft nennt man es bereichsübergreifendes Arbeiten: Man darf schon einmal über seinen eigenen Ressorttellerrand hinausschauen und dem anderen auch Ideen oder Inputs geben und sich für etwas anderes als den eigenen Bereich einsetzen. Die Wirtschaft macht es gut und ist gerade jetzt auch gefordert, in dieser Krise so zu arbeiten.

In Österreich ist das Motto nach wie vor, Hauptsache das System Schule verändert sich nicht und bleibt gleich. Sogar in so einer Megakrise, wie wir sie jetzt haben, ist an der Schule alles gleich. Sie in der Bundesregierung hätten während des Sommers neun Wo­chen Zeit gehabt, gute Ideen auszuarbeiten.

Schauen wir uns andere Länder an: Was machen denn die? – Die mieten größere Räumlichkeiten – die jetzt leer stehen – an, die setzen auf unterschiedlichen Schulbe­ginn und unterschiedliches Schulende, damit die Verkehrsmittel nicht so überlastet sind, die beschäftigen sich mit Lüftungskonzepten – das ist bei uns an den Schulen, glaube ich, überhaupt ein Fremdwort – oder versuchen, zusätzliche Lehrer einzustellen. Das alles ist bei uns nicht möglich oder wurde überhaupt nicht angedacht. Lehrer zusätzlich einzustellen geht gar nicht, da wir seit Jahren einen Lehrermangel haben, auf den wir immer wieder hinweisen. Es gibt nach wie vor Wanderklassen, in manchen Fächern zu­sammengelegte Klassen und Lehrer an mehreren Schulen.

Wenn Kollegin Neßler sagt, wir setzen alles daran, dass die Schule offenbleibt, dann frage ich mich: Was ist das eigentlich? Was machen Sie, dass Schulen offenbleiben? Schulen sind de facto jetzt gleich, wie wir sie kennen, und wenn die Zahlen steigen, ist die Alternative in Ihrer Welt, dass die Schulen geschlossen sind. Das ist keine Alterna­tive, es gibt auch etwas dazwischen. (Beifall bei den NEOS. Zwischenruf bei der ÖVP.)

Unser aller Ziel, glaube ich, sollte sein, dass wir Kindergärten und Schulen offenhalten und gute Lösungen suchen (Zwischenruf der Abg. Deckenbacher), die vor allem auch Direktoren, Lehrern, Elementarpädagogen, Kindern und Eltern Orientierung geben, Si­cherheit geben und sie unterstützen und nicht das Gegenteil tun. (Beifall bei den NEOS.)

Wir wissen mittlerweile, dass Kinder keine Superspreader sind und an den Schulen auch keine großen Cluster entstehen. Ich würde Sie wirklich bitten, sich dafür einzusetzen, dass geschlossene Schulen nicht die Alternative sind (Zwischenruf der Abg. Salzmann), denn wir wissen, wenn Schulen geschlossen sind, dass es neben dem Bildungsverlust, neben der weiter aufgehenden Bildungsschere auch das soziale Lernen, das auf der Strecke bleibt, betrifft beziehungsweise auch psychische und physische Folgewirkungen kommen werden. – Also setzen Sie sich bitte dafür ein, dass es irgendetwas gibt und die Alternative nicht geschlossene Schulen sind. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.06


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeord­neter Rudolf Taschner zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung.


18.06.56

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Es ist zum zweiten Mal, dass ich diese tatsächliche Berichtigung abgebe. Frau Künsberg Sarre hat mehrfach von einer geschlossenen Schule gesprochen. – In der Tat sind die Schulen nie geschlossen gewesen, es wurde nur der Präsenzunterricht sistiert.


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Ich bitte darum, dass man hier die Tatsache genau darstellt. (Beifall bei der ÖVP. Zwi­schenruf des Abg. Loacker. Abg. Schellhorn: Das war keine tatsächliche Berichti­gung! Abg. Belakowitsch: Tatsächliche Bestätigung für Versagen der Regierung!)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbau­mer. – Bitte.


18.07.30

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und hier bei uns auf der Galerie! Die Schulen waren nicht geschlossen, und das war jetzt auch eine tatsächliche Berichtigung von unserem Unterrichtssprecher, Herrn Taschner. (Abg. Belakowitsch: Es war halt kein Unterricht, macht ja nichts!) Ich glaube, das kann man so stehen lassen. Es wurden alle Kinder betreut, die eine Betreuung gebraucht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die bisher geltende Sonderbetreuungszeit wurde von über 25 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Anspruch genommen, 3 800 Unternehmen haben bisher fast 4 400 Anträge gestellt. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den österrei­chischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bedanken, die dies in Anspruch genom­men haben und es auch gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ge­schafft haben, dieses Angebot anzunehmen. Es braucht keinen Rechtsanspruch darauf, weil wir eine Gesellschaft sind, in der man miteinander reden kann und eine Lösung herbeigeführt werden kann. Also noch einmal: Wir machen das gemeinsam (Abg. Zan­ger: ... Rechtsanspruch!) und sprechen mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und die Vergangenheit hat gezeigt, dass es so auch gut funktioniert. Einen ständigen Zwist zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen hineinzubringen ist aus mei­ner Sicht unseriös und auch nicht allzu zielführend für eine funktionierende Arbeitswelt. (Beifall bei der ÖVP.)

Interessant ist für mich die Forderung der FPÖ. Einerseits regen Sie sich darüber auf, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gar nicht vorhanden sind bezie­hungsweise eine Übertreibung beziehungsweise eine Panikmache sind. Meine Damen und Herren, das ist nicht so, die Zahlen weltweit sprechen eine ganz andere Sprache! (Abg. Zanger: Wo haben Sie die her, die Zahlen?) Ich kann daraus nur schließen, Sie wollen einen verpflichtenden Sonderpflegeurlaub. Also dieser Zickzackkurs ist für mich sehr unverständlich.

Bei der SPÖ kann ich aus ihrer Sicht, aus der Gewerkschaftssicht, natürlich verstehen, dass Sie das haben wollen, aber zur Zeit der Pandemie ist das absolut fehl am Platz. Unternehmerinnen und Unternehmer tragen die Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und schaffen Arbeitsplätze in Österreich und wollen diese auch weiterhin erhalten.

Nicht nur die Kurzarbeit, sondern auch dieses Modell der freiwilligen Sonderbetreuungs­zeit hat sich bewährt, und darum werden wir heute auch diese Verlängerung bis Ende Februar 2021 beschließen – was richtig und wichtig ist. Ich bedanke mich an dieser Stelle recht herzlich bei unserer Bundesministerin Christine Aschbacher für die gute Zu­sammenarbeit mit ihrem Kabinett. Ich glaube, dass wir da richtig liegen.

Abschließend möchte ich sagen: Es sind alle Existenzen in Österreich bedroht, die der ArbeitnehmerInnen und die der ArbeitgeberInnen. Es ist ganz wichtig, dass wir diese Krise gemeinsam bestehen und bewältigen. Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.11


18.11.03


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 186

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Gibt es einen Einwand, gleich zur Abstimmung zu kommen? – Nein.

Somit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird, in 351 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Abgeordneter Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag be­treffend Ziffer 1 eingebracht.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung ein­stimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 362 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer für die Kenntnisnahme dieses Berichts ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Be­richt ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Be­richt 363 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

18.13.219. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorla­ge (352 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (364 d.B.)


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10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 547/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kurzar­beit für alle Arbeitnehmer_innen in Österreich ermöglichen (365 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


18.14.01

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich beziehe mich auf Tagesordnungspunkt 9. Da geht es um die Einfüh­rung eines Bildungsbonus für Menschen, die arbeitslos sind, und zwar für Ausbildungen, die länger als vier Monate dauern. Es geht um 4 Euro täglich, also um 120 Euro im Monat für diese Menschen.

Dieser Maßnahme werden wir zustimmen, aber natürlich gibt es einige Punkte, bei de­nen wir glauben, dass Verbesserungsbedarf besteht, weshalb wir einen Abänderungs­antrag eingebracht haben, den ich in den Grundzügen erläutern werde.

Unsere erste Kritik richtet sich gegen den Stichtag. All diejenigen, die mit 1. September eine Ausbildung begonnen haben, die länger als vier Monate dauert, bekommen nichts. Das finden wir ungerecht. Ich glaube, auch diese Menschen hätten den Anspruch auf diese 120 Euro im Monat, und deshalb haben wir in unseren Abänderungsantrag hinein­geschrieben, dass das ab 1. Oktober auch für laufende Ausbildungen gelten soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweites Thema, das uns sehr beschäftigt hat und zu dem wir auch viele Zuschriften bekommen haben: Ich glaube, wenn Menschen sich bereit erklären, so eine Ausbildung zu machen – und da gibt es auch Menschen, die in schwierigen Situationen sind, das heißt Lohnpfändungen laufen haben –, dann sollten wir gerade diesen einen Anreiz ge­ben, die Ausbildung zu machen, und darum ist auch unser Vorschlag, dass diese 4 Euro nicht pfändbar sind. Ich hoffe, dass wir da eine Zustimmung erhalten. Das wäre eine große, große Hilfe für all diejenigen, die sich wirklich schon von Haus aus in einer schwie­rigen Situation befinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat ja dann als Covid-Maßnahme auch diese 450 Euro Einmalzahlung für arbeitslose Menschen gegeben, die sehr willkürlich gewählt war. Da hat man sehr willkürlich einen Stichtag der Betrachtung genommen. Ich glaube, es wäre fair und richtig, dass man da für den Betrachtungszeitraum den 15. März ansetzt; da ist der Lockdown erfolgt. Auch dazu bringen wir diesen Antrag ein. Ich glaube, das Wichtigste ist – ich habe da auch mit einem Betroffenen telefoniert –, dass diese 450 Euro auch nicht pfändbar sind. Die Leute da draußen haben es jetzt gerade nicht leicht. Diese 450 Euro wären für den Be­troffenen eine Riesengeschichte gewesen. Er hätte endlich einmal seine Kinder aus ei­gener Kraft unterstützen können. Er hat sich darauf gefreut und war dann riesig ent­täuscht, als er am Ende des Monats gesehen hat: Es ist wieder nicht mehr. Obwohl diese große Ankündigungspolitik der Bundesregierung da ist, ist bei ihm nichts angekommen.

Frau Ministerin, Sie haben ja das Absinken des Arbeitslosengeldes auf das Niveau der Notstandshilfe zum Glück bis Jahresende verschoben. Wir sind der Meinung, die Krise ist noch lange nicht zu Ende, daher braucht es da eine deutliche Verlängerung. Deshalb sind wir dafür, dass man diese Frist bis Ende nächsten Jahres oder Mitte nächsten Jah­res verlängert.


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Noch ein grundsätzliches Wort zum Thema Arbeitsmarkt: Es ist schön, wenn Sie ankün­digen, dass es Stiftungen geben wird. Wir hören jetzt fast tagtäglich Horrormeldungen darüber, wie viele Menschen ihre Jobs verlieren. Heute sind es unter anderem 600 Be­troffene bei den Casinos Austria. Das Bonmot am Rande: Die Chefin hat einen neuen Job, der besser dotiert ist als der alte, bekommt noch 1,6 Millionen Euro Abfertigung. Da frage ich mich: Wo ist die Moral in dieser Geschichte? (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, was macht die Bundesregierung? – Ich kann es nur aus Steyr erzählen: An den anderen MAN-Standorten, die von Schließung oder Abbau betroffen sind, gibt es Unterstützung seitens der Regierung – wir in Steyr hören nichts! Sie sagen, Sie geben eh so viel Geld für Arbeitsstiftungen aus. Frau Ministerin, machen Sie sich schlau! Wir sind eine Region, die mit Krisen umgeht. Wir haben Arbeitsstiftungen. Steyr war der Ausgangspunkt der größten Arbeitsstiftung Österreichs.

Die Industrie ist der Motor der Republik. Wir haben damals nach der Krise 2008/2009 gesehen, dass Österreich besser aus dieser Krise herausgekommen ist, weil es die In­dustrie in Österreich gibt. Industrie braucht aber Industriepolitik, und es ist zu wenig, einfach zuzuschauen, wie ein Betrieb nach dem anderen zusperrt. Wohin diese Entwick­lung führt, können Sie in Amerika sehen. Diese ehemaligen Automobilstädte in Amerika sind tote Städte. Wenn Sie das in Österreich haben wollen, dann machen wir so weiter und machen wir nichts; wenn wir etwas anderes wollen, dann braucht es eine Industrie­politik in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

18.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch, Ing. Vogl

Genossinnen und Genossen

Zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (364 d.B.) betreffend die Regie­rungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geän­dert wird (352 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1.          Z 1 lautet wie folgt:

„1. § 20 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) Für die Dauer der Teilnahme an Maßnahmen der Nach- und Umschulung im Auftrag des Arbeitsmarktservice, die am 1. Oktober 2020 bereits laufen oder die im Zeitraum ab 1. Oktober 2020 bis spätestens 31. Dezember 2021 begonnen haben und mindestens 4 Monate dauern, gebührt zusätzlich zum täglichen Arbeitslosengeld und zum Zusatz­beitrag gemäß Abs. 6 ein Bildungsbonus in der Höhe von 4 € täglich. Der Bildungsbonus ist nicht pfändbar. Gebührt kein Zusatzbeitrag gemäß Abs. 6, so gebührt auch kein Bil­dungsbonus.““

2.          Die bisherige Z 2 erhält die Bezeichnung Z 7 und folgende Z 3 bis 6 werden eingefügt:

„3. § 66 lautet:

„§ 66. Personen, die von 15. März bis August 2020 mindestens 60 Tage Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben, oder der Bezug von Arbeitslosengeld oder Not­standshilfe wegen des Bezuges von Krankengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. a oder wegen


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Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt gemäß § 16 Abs. 1 lit. c in dieser Zeit geruht hat, erhalten zur Abdeckung des Sonderbedarfs auf Grund der COVID-19-Krise eine Einmalzahlung in der Höhe von 450 Euro. Die Einmalzahlung führt nicht zu einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 lit. b ASVG. Ebenso gilt die Einmalzahlung nicht als steuerbares Einkommen, ist unpfändbar und bei der Prü­fung von Ansprüchen, Beiträgen oder Befreiungen auf Grund anderer Regelungen nicht zu berücksichtigen. Sie gilt als nicht anrechenbare Leistung gemäß § 7 Abs. 5 des So­zialhilfe-Grundsatzgesetzes.“

4.          In § 81 Abs.15 erster Satz wird der Ausdruck „30.September 2020“ durch den Ausdruck „31. März 2021“ ersetzt.

5.          In § 81 Abs. 15 zweiter Satz wird der Ausdruck „September“ durch den Ausdruck „März 2021“ ersetzt.

6.          In § 81 Abs. 15 dritter Satz wird der Ausdruck „Dezember 2020“ durch den Aus­druck „Juni 2021“ ersetzt.“

Begründung

Zu Z 1: Ein Ausschluss vom Bildungsbonus all jener Arbeitslosen, die bereits vor dem 1. Oktober 2020 mit einer Ausbildungsmaßnahme begonnen haben, erscheint nicht ge­rechtfertigt. Gerade im September wurde viele Ausbildungslehrgänge gestartet, für Ju­gendliche aber auch z.B. im Pflegebereich. Gerade auf Grund der Tatsache, dass Pfle­gekräfte dringend ausgebildet werden müssen, sollte man diese, aber auch alle anderen nicht von der Zusatzleistung ausschließen.

Ebenso ist die Unpfändbarkeit des Bildungsbonus festzuschreiben, da ansonsten diese Zusatzleitung für die Aufwendungen auf Grund der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen ihr Ziel verfehlt.

Zu Z 2: Die Einmalzahlung, die im September zur Auszahlung gelangte, wurde Arbeitslo­sen, die Krankengeld im vorgesehenen Zeitraum bezogen haben, nicht gewährt. Ebenso wurden Zeiten des Aufenthaltes in Kranken- oder Pflegeanstalten bei der 60-Tage-Zäh­lung nicht berücksichtigt. Das führt zu Ungleichbehandlungen, denn auch diese Perso­nen waren oder sind immer noch arbeitslos und müssen mit rund der Hälfte ihres vorigen Einkommens auskommen. Das soll korrigiert werden. Auch die Unpfändbarkeit sowie die Rückwirkung bis 15. März, an dem die Regierung den Lock Down verhängt hat, muss geregelt werden. Warum sollen alle Arbeitslosen, die z.B. zwischen 15. März und 30. Mai 60 Tage arbeitslos waren, diese Einmalzahlung nicht erhalten? Wo liegt in dieser Unter­scheidung die sachliche Rechtfertigung?

Zu Z 3 und 4: Am 30. September endet die Regelung, dass die Notstandhilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes ausbezahlt wird. Die Verlängerung muss daher auch jetzt be­schlossen werden. Die Regierung will diese Krisenhilfe für Menschen ohne Arbeit nicht verlängern. Sie werden schon wieder vergessen und zurückgelassen. Die Arbeitslosig­keit in Österreich verfestigt sich und die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt weiter dramatisch zu. Die Regelung, die Notstandshilfe in der Höhe des Arbeitslosengeldes auszuzahlen, muss in dieser Krise, wo die zweite Kündigungs- und Pleitewelle gerade anrollt, ebenso die Regelung zum Berufs- und Einkommensschutz, mindestens bis 31. März 2021 ver­längert werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, wurde auch an alle Abgeordneten verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte.



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18.18.36

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Die Auswirkungen der Pandemie treffen natürlich auch den Ar­beitsmarkt mit voller Wucht, und deshalb bin ich froh, dass die Bundesregierung schnell gehandelt und bereits viele Maßnahmen gesetzt hat. Deshalb kommen wir auch besser durch die Krise als viele andere Länder.

Angefangen von der Kurzarbeit über den Fixkostenzuschuss bis hin zur Investitionsprä­mie von 7 Prozent beziehungsweise 14 Prozent unterstützen wir die Unternehmen, da­mit möglichst viele Arbeitnehmer in Beschäftigung bleiben. Aktuell sind rund 295 000 Per­sonen in Kurzarbeit. Eingelangt sind 430 000 Abrechnungen, davon sind bereits 97 Pro­zent bearbeitet und 4,7 Milliarden Euro sind ausbezahlt. Das ist eine ganz schöne Summe.

An dieser Stelle möchte ich auch ein großes Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter im Arbeitsmarktservice richten. Ich war selbst in der Servicestelle bei mir in Zwettl und habe mich für die Arbeit bedankt, die die Mitarbeiter in den letzten Wochen und Monaten geleistet haben, und ich bin auch dir, liebe Frau Ministerin, dankbar dafür, dass du den Abbau von 150 Stellen gestoppt und zusätzlich 350 neue Planstellen geschaffen hast. Das hilft natürlich auch unseren Mitarbeitern im AMS. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich wollen wir in dieser schwierigen Zeit auch die Arbeit suchenden Menschen unterstützen. Wie bereits ein paarmal erwähnt wurde, haben wir die 450-Euro-Einmal­zahlung beschlossen, die jetzt im September ausbezahlt worden ist. Weil manche glau­ben, das sei nichts, sage ich: Wir haben damit über 400 000 Menschen direkt unterstützt. Familien sind natürlich von Arbeitslosigkeit besonders betroffen, und auch da haben wir vieles umgesetzt, zum Beispiel den Familienhärtefonds, aus dem bereits 55 Millionen Euro ausbezahlt worden sind. Die insgesamt 50 000 positiven Anträge entlasten die Fa­milien mit durchschnittlich 1 200 Euro, dazu kommt noch der Kinderbonus in Höhe von 360 Euro pro Kind, der ebenfalls im September ausbezahlt worden ist. Ich glaube, das kann sich durchaus sehen lassen.

Langfristig muss es aber unser Ziel sein, dass wir möglichst viele Menschen wieder in Beschäftigung bringen. Ich war in den letzten Wochen viel in meinem Wahlkreis unter­wegs, natürlich mit dem nötigen Abstand, es ist mir aber wichtig, auch in dieser Zeit zu wissen, was die Menschen draußen denken, was sie beschäftigt und wo sie der Schuh drückt. Ich habe mit vielen Unternehmern, aber auch mit Arbeitnehmern geredet, die mich gefragt haben: Lukas, wo sind denn die vielen Arbeitslosen, von denen wir jetzt hören? Wir suchen seit Wochen Mitarbeiter und finden keine! (Abg. Herr: ... Arbeitslo­se ...!) Auf der einen Seite haben wir also viele Arbeitslose und auf der anderen Seite enorm viele Betriebe, die Leute – Fachkräfte – suchen. Da müssen wir ansetzen! Wir müssen jene, die Arbeit suchen, unterstützen, und das geschieht jetzt auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist unserer Bundesregierung nämlich wichtig, und so ist eine Arbeitsstiftung in Höhe von 700 Millionen Euro geplant. Das ist das größte Weiterbildungsprojekt der Zweiten Republik! Bereits jetzt gibt es für Aus- und Weiterbildungen im Rahmen der AMS-Schu­lungen einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld in Höhe von 2 Euro pro Tag. Diesen Anreiz wollen wir jetzt erhöhen und attraktiver gestalten und bei den Maßnahmen für Nach- und Umschulungen ab vier Monaten einen Bildungsbonus von zusätzlich 4 Euro pro Tag draufschlagen. Zusammengerechnet ergibt das 180 Euro pro Monat. Das erhöht das Einkommen durchschnittlich um 19 Prozent und das kann sich durchaus sehen lassen.

Warum ab vier Monaten? – Wir wollen die Arbeitsuchenden motivieren, sich in Berufen zu qualifizieren, in denen der Arbeitsmarkt Fachkräfte auch dringend benötigt. Das dau­ert natürlich seine Zeit und daher wollen wir für die Existenzsicherung der Arbeitsuchen­den sorgen.


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Der Bildungsbonus ist damit der erste Schritt im Rahmen der Arbeitsstiftung und ein weiteres Werkzeug im Koffer, um möglichst viele Menschen in Beschäftigung zu bringen. Das muss in der Arbeitsmarktpolitik unser Ziel sein – und das ist es auch. Es wäre falsch, zu sagen, wir erhöhen einfach das Arbeitslosengeld und motivieren die Leute, daheim zu bleiben. Unser Grundsatz ist weiterhin: Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein. Ich sage aber auch ganz deutlich: Wer arbeiten will, den müssen wir unterstützen und fördern! (Beifall bei der ÖVP.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philipp Schrangl. – Bitte.


18.23.52

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert werden soll, und wir freuen uns, dass die Regierungsparteien wieder einen Vorschlag umsetzen, den die FPÖ mit Dagmar Belakowitsch schon eingebracht hat, nämlich eine Erhöhung des Ar­beitslosengeldes mit einer, wie ich finde, durchaus sinnvollen Maßnahme: in Form eines Bildungsbonusses. Nur leider steckt der Teufel wieder einmal im Detail. Kollege Vogl hat uns das auch schon mitgeteilt und wir werden seinem Abänderungsantrag deswegen auch die Zustimmung geben.

Die Bundesregierung vergisst nämlich auf diejenigen, die schon bildungsgewillt waren und vielleicht schon im September eine solche Bildungsmaßnahme angenommen ha­ben. Darunter sind vor allem viele österreichische Jugendliche – ein Bereich, in dem bekanntlich die Bildungsmaßnahmen schon im September ansteigen –, aber auch diver­se Einrichtungen im Pflegebereich haben ja schon im September begonnen, und auch auf diese haben Sie vergessen.

Ich möchte noch auf ein weiteres, wichtiges Thema zu sprechen kommen: Frau Bundes­ministerin, verschlafen Sie diese Situation vor allem in meinem Heimatbundesland Ober­österreich nicht! 2 300 Mitarbeiter in Steyr, hoch qualifizierte Mitarbeiter einer Forschungs­abteilung – Sie dürfen nicht immer nur an heute denken, denken Sie auch an morgen, wir brauchen diese hoch technologisierten Unternehmen, denn nur mit ihnen kann die Wirtschaft überleben und gut durch die nächsten Jahre gebracht werden! –, 600 Stellen bei FACC, 60 Stellen bei BWT in Mondsee: Ich habe leider noch nichts dazu gehört, wie Sie den betroffenen Unternehmen dort unter die Arme greifen wollen, sodass diese sa­gen: Wir behalten unseren Standort in Österreich.

Ein zweiter Antrag, jener des Kollegen Loacker, spricht etwas sehr Wichtiges an, und zwar die Unterstützung der Kurzarbeit. Ja, wir wissen, die Kurzarbeit ist eine Unterstüt­zungsleistung für Unternehmen. Ich finde aber, auch jene Arbeitnehmer, die nicht in Kurz­arbeit gehen können, weil der Arbeitgeber, ein deutscher Mittelständler nämlich, im Un­terschied zum Beispiel zu einer US-amerikanischen Kette, keine Zweigniederlassung oder keine Betriebsstätte in Österreich hat, haben sich das Recht auf Kurzarbeit verdient, ohne gekündigt zu werden, da sie ja in Österreich Lohnsteuer und Sozialversicherung zahlen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


18.26.33

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Investitionen in Bildung, in Quali­fikation und berufliche Umorientierung, in Zukunftsjobs in den Bereichen grüner Techno­logien und Dienstleistungen, in Bereichen des Klimaschutzes, in Pflege, Gesundheit und


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soziale Dienste, in digitale Berufe sind im Augenblick das Gebot der Stunde, um jenen Menschen, die Arbeit und Einkommen verloren haben, wieder Perspektiven auf eine bessere Zukunft und auf eine gute Arbeit mit einem entsprechenden Einkommen zu geben. Eines hat die Krise nämlich auch gezeigt: dass die Wirtschaft vor massiven Struk­turproblemen steht, insbesondere wenn es darum geht, hinsichtlich der Herausforderun­gen des Klimaschutzes, der Digitalisierung und der Stärkung des sozialen Zusammen­halts zukunftsfähig zu sein.

Wir wissen aus nationalen und internationalen Erfahrungen, dass Bildungsmaßnahmen insbesondere dann nachhaltig wirken und eine stabile Job- und Einkommensperspektive bieten, wenn sie länger dauern, intensiver sind und entsprechend Zeit da ist, um Betrof­fene zu qualifizieren. Darum ist ja dieser Ausbildungsbonus, dieser Bildungsbonus für länger als vier Monate dauernde Bildungsmaßnahmen des AMS, der jetzt erfreulicher­weise von 60 auf 180 Euro im Monat erhöht wird, so wichtig. Einerseits wird dadurch nämlich ein Anreiz gesetzt, dass Betroffene überhaupt erst die Möglichkeit haben, auf­grund dieses höheren Einkommensersatzes eine entsprechende Bildungsmaßnahme zu nutzen, und andererseits wird tatsächlich die Qualifikation für nachhaltige, gute Jobs tief­greifend verbessert.

Davon werden insbesondere diejenigen profitieren, die aus gering entlohnten Ur­sprungsjobs kommen, mit einem entsprechend niedrigen Arbeitslosengeld, vor allem aber auch Frauen, die vielleicht vorher teilzeitbeschäftigt waren und aufgrund der Lohn­diskriminierung, die nach wie vor am Arbeitsmarkt herrscht, ein geringeres Arbeitslosen­geld beziehen. Darum ist diese Maßnahme gut, richtig, wichtig und absolut sinnvoll.

Der heutige Tag bringt aber nicht nur die Erhöhung des Bildungsbonus, sondern – es ist schon erwähnt worden – auch die Regelung, wonach die Notstandshilfe auf das Arbeits­losengeld erhöht wird, ist bis Dezember verlängert worden. Auch das ist eine ganz wich­tige Maßnahme, weil wir wissen, dass insbesondere langzeitarbeitslose Menschen – und NotstandshilfebezieherInnen sind Menschen, die längere Zeit arbeitslos sind – be­sonders armutsgefährdet sind und das Anheben von rund 9 Prozent eine Stärkung des Einkommens bringt und genauso richtig und wichtig ist wie der Bildungsbonus.

Weil wir aber gerade beim Thema Armutsgefährdung sind, meine sehr geehrten Damen und Herren: Von Arbeit muss man leben können, heißt es, und erst recht von Vollzeitar­beit. Die Sozialpartner haben ja vor mehreren Jahren eine Vereinbarung getroffen, wo­nach die kollektivvertraglichen Mindestlöhne auf 1 500 Euro steigen sollen. 1 500 Euro sind eigentlich auch schon überholt, in Wirklichkeit bräuchte es schon mindestens 1 700 Euro, aber wenn ich den Medien heute entnehme, dass beim Land Oberösterreich Contacttracer – also Menschen, die den dringend notwendigen Job erfüllen sollen, Kon­taktpersonen von Coronainfizierten auszuforschen – für monatlich 1 100 Euro brutto an­gestellt werden sollen – das ist ein Stundenlohn von 6,35 Euro brutto –, frage ich mich schlichtweg, wie so etwas möglich ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Erinnerung: Die Armutsgefährdungsschwelle in Österreich liegt derzeit bei circa 1 286 Euro monatlich, und selbst wenn das 13. und 14. Monatsgehalt bei diesen 1 100 Euro berücksichtigt werden, ist das Bruttoeinkommen immer noch unter der Ar­mutsgefährdungsschwelle. Das ist schlichtweg unzumutbar und geht sich schon über­haupt nicht für eine öffentliche Gebietskörperschaft aus. Zum Vergleich: Wien zahlt für ContacttracerInnen über 1 800 Euro brutto. Das, meine sehr geehrten Damen und Her­ren, sollte wohl auch für das Land Oberösterreich möglich sein. Darum ist meine dringen­de Aufforderung an Oberösterreich von dieser Stelle aus: Sorgen Sie dafür, dass faire Löhne gezahlt werden! Das sind gerade Sie den künftigen ContacttracerInnen schul­dig. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.31



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 193

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


18.31.36

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Man kann sich natürlich immer auf einen formalen Rechtsstandpunkt stellen und dann hat man auch formal recht, zum Beispiel wenn man sagt: Ein österrei­chischer Arbeitnehmer mit Wohnsitz und Tätigkeitsort in Österreich, dessen Arbeitgeber in Deutschland sitzt und in Österreich keine Betriebsstätte hat, kann nicht in Kurzarbeit gehen.

Wie gesagt: Formal ist das richtig, aber es gibt eine große Zahl von Menschen – das würde man unterschätzen –, die in Österreich tätig sind und hier ihre Steuern und Sozial­versicherungsbeiträge zahlen, deren deutsche Arbeitgeberbetriebe in Kurzarbeit gegan­gen sind – natürlich mit Sozialpartnervereinbarung – und jetzt mit ihren österreichischen Mitarbeitern nicht in Kurzarbeit gehen können.

Man kann sich, wie das die Frau Ministerin und das Ministerium machen, auf den Formal­standpunkt stellen und sagen: keine Betriebsstätte in Österreich, daher keine Kurzarbeit! Wenn man das aber mit dem politischen Bekenntnis: Uns sind alle Arbeitsplätze gleich viel wert und wir lassen in dieser Krise niemanden zurück!, vergleicht, passt der Formal­standpunkt eben nicht zur politischen Ankündigung – daher mein Antrag, für solche Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Österreich wohnen, in Österreich arbeiten und hier ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, die Kurzarbeit genauso zu ermöglichen wie für alle anderen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin Christine Aschbacher hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.33.36

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich gesammelt zu den vielen Maßnahmen, die wir heute beschließen bezie­hungsweise die Sie gerade vorhin beschlossen haben, zu Wort melden und danke vielmals für Ihr Mitwirken und Mitunterstützen, weil es jetzt darum geht, die Menschen, die besonders von dieser Krise betroffen sind, mithilfe von Maßnahmen zu versorgen, damit wir das abfedern und die Menschen wirklich zielgerichtet unterstützen können.

Es geht uns darum, dass wir Arbeitsplätze sichern und alles dafür tun, um Arbeit suchen­de Menschen in Beschäftigung zu bringen, dass wir aber auch die Familien mit ihren Kindern, Großeltern und so weiter in dieser herausfordernden Zeit, die wir schon die letzten Monate hatten und auch noch im Herbst und Winter haben werden, unterstützen. Zugleich geht es aber auch um die Unterstützung junger Menschen und ihrer Erwerbs­tätigkeit unter der Zuverdienstgrenze, damit es möglich ist, dass man beispielsweise im Studentenleben gut über die Runden kommt.

Dementsprechend freut es mich, dass wir als Bundesregierung, aber auch heute ge­meinsam mit Ihnen diese wichtigen Maßnahmen zur Umsetzung bringen. Zum ersten Punkt, den Arbeitsbedingungen beziehungsweise auch Menschen, die jetzt auf Arbeits­suche sind, die mitanpacken: Dabei unterstützen wir die Menschen mit der Coronaar­beitsstiftung und im Zuge dessen mit dem Bildungsbonus. Diese Coronaarbeitsstiftung wird ab Oktober möglich sein, und es geht darum, dass wir die Menschen weiterqualifi­zieren und in jene Richtung umschulen oder weiterbilden wollen, in der die Zukunftsbran­chen Menschen suchen. Beispielsweise bedarf es im Digitalisierungsbereich über 20 000 neuer Arbeitskräfte, im Pflege- und Gesundheitsbereich werden in Zukunft über


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100 000 Menschen gebraucht, oder auch im Bereich der erneuerbaren Energie suchen wir allein im Fotovoltaikbereich 60 000 Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Wir investie­ren in die Menschen mit bis zu 700 Millionen Euro an zusätzlichen Geldern beim AMS und können bis zu 100 000 Menschen weiterentwickeln. (Beifall bei der ÖVP.) Weil Sie mich gefragt haben, ab wann es diese Coronaarbeitsstiftung geben wird: Die wird es ab Oktober geben.

Zweiter Punkt: Sie haben mich gefragt, ob da die Sozialpartner und der Koalitionspartner überhaupt miteingebunden sind. Dazu kann ich nur sagen: Selbstverständlich! Beispiels­weise sind die Sozialpartner über den Verwaltungsrat im AMS direkt eingebunden, und selbstverständlich ist auch unser Koalitionspartner miteingebunden, mit dem wir uns in verschiedenen Sitzungen und zu verschiedenen Themenbereichen austauschen, damit wir so vielen Menschen wie möglich helfen und das Beste aus beiden Welten vereinen können.

Ich möchte auch erwähnen, dass wir beispielsweise im Zuge der Coronaarbeitsstiftung einen speziellen Schwerpunkt auf die Zielgruppe der Frauen gelegt haben – nicht nur auf Frauen, sondern besonders auf Mütter, auf Wiedereinsteigerinnen, für die es auch schon Programme gibt, die dadurch noch erweitert werden –, auch hinsichtlich der Ver­einbarkeit.

Das bringt mich auch schon zum nächsten Punkt, nämlich zur Sonderbetreuungszeit. Gerade vorhin haben Sie das mitbeschlossen – oder teilweise auch nicht –, und ich dan­ke Ihnen dafür, weil es ein Modell ist, das seit dem Frühjahr bekannt ist und zur Anwen­dung kommt. Allein in der Phase von Mitte März bis Ende Mai konnten über 30 000 Kin­der in der Sonderbetreuungszeit betreut werden. Wir sahen auch, dass es ein Miteinan­der von Unternehmerinnen und Unternehmern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt, weil wir in diesen herausfordernden Zeiten alles unter einen Hut bringen müssen. Es wird geschaut – auch in einer flexiblen Art und Weise der Anwendung, von einzelnen Tagen oder Halbtagen bis zu drei Wochen –, dass diese Sonderbetreuungszeit erneut in Anspruch genommen werden kann.

Es freut mich auch als Mutter von drei Kindern, dass die Väter daran mit über einem Drittel beteiligt sind. Ich weiß schon: Wir haben noch Potenzial nach oben, aber wenn wir die anderen familienpolitischen Instrumente anschauen, sind wir bei der Sonderbe­treuungszeit im Vergleich zu sonst bei einer hohen Väterbeteiligung.

Dementsprechend stimmt es mich zuversichtlich, dass wir mit der Sonderbetreuungs­zeit, die nochmals möglich ist und zu der wir von Bundesseite unseren Zuschuss von einem Drittel auf die Hälfte erhöht haben, so gut wie möglich durch Herbst und Winter kommen, wenn es zu teilweisen Gruppen-, Klassen- oder – was wir natürlich vermeiden wollen – Schulschließungen kommt. Wir sind vorbereitet, und das ist wichtig. (Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte auch noch eines dazusagen, weil Sie angesprochen haben, dass wir nicht vorbereitet sind: Herr Bildungsminister Faßmann und ich und viele in der Bundesregie­rung haben uns sehr intensiv vorbereitet, auf die unterschiedlichen Bereiche und Ziel­gruppen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und da geht es auch darum, dass wir gemeinsam mit den Bundesländern die Testungen noch beschleunigen. Ich verstehe das, ich habe auch selbst ein Schulkind zu Hause: Es gibt natürlich Unsicher­heit auf der einen Seite, auf der anderen Seite tun wir alles, damit wir die Schulen, wenn es notwendig ist, nur so kurz, so punktuell und so regional wie möglich oder nur einzelne Klassen schließen müssen. Diese Sonderbetreuungszeit gilt genauso, wenn es zu ein­zelnen Gruppen- oder Klassenschließungen kommt.

Es ist wichtig, dass wir vorbereitet sind. Auch im Falle, dass die eigenen Kinder krank sind und die Pflegefreistellung ausgeschöpft wurde, gibt es die Möglichkeit, dass man diese Pflegefreistellung erneut in Anspruch nehmen kann.


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Zum Familienhärtefonds, mit dem ich schon zum nächsten Thema komme; ich sehe bei­spielsweise den Kollegen, Abgeordneten Bernhard: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv daran gearbeitet. Ich möchte mich auch bei allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern in meinem Haus bedanken. Wir haben da viel weiterentwickelt, aufgestockt und umgesetzt – auch bei der IT, beispielsweise ist ein Onlineantrag mög­lich –, und entsprechend froh bin ich, wenn Sie heute zustimmen, dass wir hier aufsto­cken, damit wir die Einkommensverluste, die die betroffenen Familien aufgrund der Co­ronapandemie erlitten haben, abfedern können, indem wir heute eine Erhöhung von 60 Millionen auf 100 Millionen Euro beschließen und so weitere Familien unterstützen können. Über 50 000 Familien konnten wir damit bereits unterstützen, mit einer durch­schnittlichen Summe von circa 1 200 Euro.

Ich möchte aber auch noch auf den dritten Bereich eingehen, nämlich die Unterstützung für unsere Jugendlichen, die Familienbeihilfe beziehen und erwerbstätig sind. Es ist mir als Arbeits-, Familien- und Jugendministerin wichtig, dass wir das gemeinsam Beschlos­sene und im Regierungsprogramm Verankerte jetzt auch umsetzen können, nämlich mit der Erhöhung der Zuverdienstgrenze von 10 000 auf 15 000 Euro, denn wenn ein Stu­dierender arbeitet, dann verdient er im Durchschnitt 857 Euro pro Monat. Das wollen wir unterstützen. Es geht darum, dass man sich einerseits das Leben als Student gut er­möglichen kann, andererseits aber auch schon Erfahrungen in der Berufswelt sammelt, damit man dann noch besser für den Arbeitsmarkt gerüstet ist.

Dementsprechend bin ich sehr froh und danke Ihnen vielmals für die Zusammenarbeit. Wir sind immer für Ideen und Vorschläge offen und versuchen, diese auch weiterzuent­wickeln. Ich bitte alle, dass wir eben alles dafür tun und uns an die Maßnahmen halten, damit wir es gemeinsam wieder schaffen, das Virus einzudämmen, damit wir in allen Bereichen unseres Lebens in einem neuen Normal so gut wie möglich durch den Herbst und Winter kommen. Auch wenn noch nicht alles gut ist, es wird wieder besser und gut, und wir geben mit vereinten Kräften alles dafür. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte.


18.42.15

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Es gab heute schon eine Reihe von Beschlüssen, die mit breiter Mehrheit quer über alle Parteien gefasst wurden – vielen herzlichen Dank! Es waren sehr wichtige Beschlüs­se, um den Menschen im Land Perspektiven zu geben, um auch in diesen außerordentli­chen Zeiten eine solide Wirtschaftsleistung erbringen zu können.

Ich skizziere kurz dieses Jahr und lasse es Revue passieren: Wir sind mit einer Re­gierungsbildung in dieses Jahr gegangen. Gedanklich hat es natürlich schon fixe Pro­gramme für dieses Jahr gegeben, aber es kam alles anders. Die Regierung hatte keine Einarbeitungsphase, sie hatte keine Schonfrist, denn ab März gab es eine völlig neue Situation und die Welt hat sich drastisch verändert.

Seit dieser Zeit erleben wir, wie engagiert auch jene, die neu in ihre Ministerämter ge­kommen sind, sind, um auf diese Krise, auf all diese Erfordernisse, auf all diese Heraus­forderungen, die uns da begegnen, eine Antwort zu geben, damit die Menschen in die­sen Tagen, in denen der Arbeitsmarkt ein ganz schwieriger geworden ist, in denen sich das Umfeld, wenn es um Betreuung, um Ausbildung, um die Kinder geht, stark verändert hat, eine völlig neue Situation entstanden ist, Perspektiven haben und auch wirklich si­cher in diese nächsten Tage, Wochen und Monate schauen können.


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Ein wesentlicher Beitrag wurde auch mit dem Punkt geleistet, der jetzt diskutiert wird und der sich auch breiter Zustimmung erfreut, nämlich mit der Aufstockung des Arbeitslosen­geldes, um Menschen, die in Arbeitslosigkeit sind, Perspektiven zu geben, wenn sie sich engagieren, wenn sie sich interessieren, neue Arbeitswelten kennenzulernen, ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Bildungsweg zu beschreiten, was zusätzlich unterstützt wird, um dann – wie Sie es ausgeführt haben, Frau Bundesminister – zukunftsfit zu sein. Es gibt Märkte, es gibt Branchen, in denen in Zukunft Facharbeit wirklich nachgefragt werden wird. Das werden wir und wollen wir auch mit dieser Maßnahme verstärkt unter­stützen.

Wir wissen: Sie sind engagiert, Sie sind flexibel, wir reagieren auf die Herausforderungen der Zeit mit den Antworten, die notwendig sind. Ich denke, so geeint können wir wirklich mit Zuversicht in die nächste Zeit schauen. Das ist wichtig, und ich danke Ihnen, Frau Minister, und Ihrem Haus dafür, dass Sie mit allen Ressorts, mit den Sozialpartnern, mit den Ländern in dieser Art und Weise gut zusammenarbeiten. Vielen Dank für diese Un­terstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


18.44.53

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, Sie haben gesagt, Sie re­den zu allen Themen. Sie sind für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuständig, leider haben Sie aber nichts zur Maskenpause gesagt. Ich glaube, es wäre für eine Ar­beitsministerin notwendig, auch für diese wichtige Maßnahme einzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Sie haben das Thema der Sonderbetreuungszeit angesprochen. Das ist gut, aber ich möchte darauf hinweisen, dass Arbeitnehmer, wenn sie Betreuungspflich­ten haben, auch einen Anspruch darauf haben, dass sie die notwendige Zeit freibekom­men. Der kleine Unterschied ist: Das muss der Unternehmer aus seiner eigenen Tasche zahlen. Insofern wäre es gut gewesen, wenn man diese Sonderbetreuungszeit mit einem Gesetz, mit einem Rechtsanspruch gemacht hätte und gleichzeitig den Arbeitgebern, die das zulassen, auch zu 100 Prozent bezahlt hätte. Das wäre eine wirkliche Entlastung für die betroffenen Personen gewesen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Maßnahme zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber aus meiner Sicht ein zu kleiner Schritt. Wa­rum? – Wir müssen die Nettoersatzrate im Arbeitslosenbereich auf 70 Prozent erhöhen. Die Menschen werden das in Zukunft brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da August Wöginger zuhört: Ich habe ihn schon gebeten, darüber nachzudenken, ob es gescheit ist, was man da tut. Es ist zwei­mal angesprochen worden: Im September beginnen die Ausbildungen für die Pflege­kräfte. Wir wollen, dass Pflegekräfte eine Ausbildung beginnen, dass sie sich umschulen lassen. Diese Pflegekräfte, die die Ausbildung jetzt schon begonnen haben, bekommen diese Leistung nicht, weil wir sagen: erst ab 1. Oktober. Wenn ihr unserem Antrag zu­stimmt, liebe Freunde in der ÖVP, dann ist das Problem gelöst, und ich glaube, auch die, die jetzt im September beginnen, haben sich diese Maßnahme verdient.

Ich möchte abschließend noch auf zwei Dinge hinweisen, die wir unterstützen. Das be­trifft den Antrag des Abgeordneten Loacker, weil er völlig recht hat: Wenn wir eine euro­päische Perspektive haben, dann müssen wir jenen Unternehmern, die zwar ihren Sitz im Ausland haben, aber in Österreich Steuern zahlen, in Österreich Sozialversicherungs­beiträge zahlen, unter den gleichen Bedingungen auch den Zugang zur Kurzarbeit er­möglichen.


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Zum Abgeordneten Koza – ich sage das ganz bewusst unterstützend –: Wenn das Land Oberösterreich Lohn- und Sozialdumping betreibt, dann erwarte ich mir von den zustän­digen Ministern, dass sie eine entsprechende Anzeige machen. Wir haben uns commit­tet, dass es in Österreich keine Mindestlöhne unter 1 500 Euro geben darf, und das gilt jedenfalls für das Land Oberösterreich, und das ist für mich entscheidend. – Besten Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


18.48.14

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Klubs, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Das ist der Fall. Dann gehe ich auch so vor.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert wird, in 352 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mu­chitsch, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimm­ten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend Ziffer 1, Einfügung neuer Ziffern und daraus resultierender Umnummerierung der Ziffer 2 eingebracht.

Wer sich für diesen Abänderungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig so angenommen.

Ich komme zur dritten Lesung.

Zustimmung in dritter Lesung? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig an­genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 365 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 198

18.50.2711. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorla­ge (353 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (366 d.B.)

12. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Inves­titionsprämiengesetz – InvPrG) geändert wird (367 d.B.)

13. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (368 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 600/A(E) der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­doppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung (369 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zu den Punkten 11 bis 14 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber ist die erste Rednerin. – Bitte, Frau Abgeord­nete.


18.51.40

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Regierungsvorlage, mit der das Familienlastenausgleichsgesetz geändert wird, werden wir zustimmen. Sie be­trifft die Erhöhung der Fördermittel für den Corona-Familienhärtefonds von 60 Millionen auf 100 Millionen Euro. Auch die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für Studierende ab dem Kalenderjahr 2020 von 10 000 auf 15 000 Euro werden wir unterstützen. Genau dieser Punkt, die Erhöhung der Zuverdienstgrenze, ist ja eine jahrelange Forderung von uns. Wir haben dazu schon 2017 einen Antrag eingebracht. Das unterstützen wir natür­lich sehr gerne.

Unser Antrag betreffend Verdoppelung der Familienbeihilfe in den Monaten mit coro­nabedingter Schulschließung, der im Mai und Juli von uns eingebracht wurde, war richtig und wichtig. Gefordert wird in diesem Antrag, dass die Familienbeihilfe für Kinder bis zum 14. Lebensjahr für jene Monate verdoppelt wird, in denen Betreuungseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Horte, wegen coronabedingter Verhältnisse geschlossen wa­ren.

In der Coronaausnahmesituation während des Lockdowns hat es in den Familien sehr gut funktioniert, weil die Eltern ganz selbstverständlich eingesprungen sind und die dop­pelte bis dreifache Belastung auf sich genommen haben. Das ging von Homeoffice über


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die Kinderbetreuung bis zur Unterstützung beim Homeschooling. Das Leben mit Kindern ist ja wunderschön, aber dennoch sind viele Eltern in der Zeit während des Lockdowns bis an die Grenzen des Machbaren gegangen. Dieser Antrag war für die Zeit der Schlie­ßung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen als finanzielle Unterstützung der Eltern vorgesehen, und gerade für Familien mit wenig Einkommen wäre diese finanzielle Unterstützung sehr notwendig und auch dringend gewesen.

Die Begründung der Regierungsparteien für die Ablehnung im Ausschuss am Montag war wirklich lächerlich. Die Grünen meinten dazu, die Schulen und Betreuungseinrich­tungen waren nicht flächendeckend geschlossen, und daher wäre dieser Antrag nicht sinnvoll. Auch die Begründung der Ablehnung durch die ÖVP war nicht wirklich lustig, sie meinte: Der Kinderbonus mit 360 Euro kommt ja allen FamilienbeihilfenbezieherIn­nen zugute! Das ist einfach nicht wahr, denn Eltern, deren Kinder im September 18 Jahre alt geworden sind, erhalten den Zuschuss nicht, Frau Bundesminister, obwohl sie wäh­rend der Zeit des Lockdowns die Familienbeihilfe bezogen haben. Und das ist einfach unfair und auch ungerecht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn die ÖVP schon meint und beschließt, dass es für alle Familienbeihilfebezieher ist, dann zahlen Sie diesen Zuschuss auch für alle aus, denn durch diese Ungerechtigkeit schauen jetzt viele Familien durch die Finger. Frau Bundesminister, überdenken Sie das noch einmal! Machen Sie eine Nachzahlung, denn Sie haben wirklich viele Familien ver­ärgert! (Beifall bei der FPÖ.)

18.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


18.55.38

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Min­isterinnen! Hohes Haus! Ich möchte meine Rede mit einem Dank an alle Familienspre­cher der Oppositions- und Koalitionsfraktionen, alle Klubmitarbeiter und auch die Abge­ordneten, die im Familienausschuss dabei waren, beginnen. Ich möchte mich einfach dafür bedanken, dass es möglich war, diesen Ausschuss so kurzfristig einzuberufen, und wir damit die Dringlichkeit einiger Tagesordnungspunkte auch entsprechend berück­sichtigen und das abhandeln konnten. Dafür möchte ich mich als Vorsitzender ganz herzlich bei Ihnen allen bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Meine Damen und Herren, der Familienhärtefonds – er wurde ja bereits erwähnt – ist nach anfänglichen Schwierigkeiten, die aber durch die Antragsflut einfach verständlich sind, inzwischen ja durchaus ein Erfolgsmodell. 50 000 Antragsteller haben ihr Geld be­reits bekommen, es sind im Durchschnitt – die Frau Minister hat es gesagt – 1 200 Euro pro Familie ausbezahlt worden. Ich glaube, dass das ein Wert ist, der absolut nennens­wert ist und den Familien auch substanziell hilft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

25 000 Anträge sind derzeit noch unvollständig, da müssen Daten nachgefordert wer­den, da muss nachgefragt werden, damit man auch in diesen Fällen zur Auszahlung kom­men kann, was natürlich auch eine immense Arbeit bedeutet. 15 000 Anträge sind bis jetzt negativ beschieden worden, weil einfach die Fördervoraussetzung nicht gegeben war.

Trotzdem kommen nach wie vor in verschiedenen Intervallen Anträge herein, und des­wegen haben wir auch beschlossen – Frau Minister, ich möchte mich dafür auch bedan­ken –, dass wir diesen Härtefonds um weitere 40 Millionen auf 100 Millionen Euro auf­stocken. Damit, glaube ich, haben wir ein gutes Handwerkszeug, um Familien entspre­chend zu entlasten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 200

Ein weiterer wichtiger Punkt auf der Tagesordnung des Ausschusses war die Zuver­dienstgrenze für Studierende, die wir von 10 000 auf 15 000 Euro anheben werden. Da­rüber wird meine Kollegin Claudia Plakolm noch eingehend berichten.

Auf der Tagesordnung haben wir auch zwei §-27-Anträge gehabt. Bei einem ist es darum gegangen, dass wir Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld nicht mehr zurückfordern wollen. Es ist so, dass es für Kinder, die bis zum 31.12.2009 geboren wurden, eine Art Familienkredit gegeben hat, der an die Familien ausgeschüttet wurde. Diese Mittel waren dann aber zurückzuzahlen. Bekommen haben das Personen mit geringem Einkommen, zum Beispiel durfte eine Alleinerzieherin maximal 16 200 Euro pro Jahr verdienen, damit sie in den Genuss dieses Familienkredites gekommen ist.

2015 und 2016 waren die beiden letzten Jahre, in denen dieses Gesetz noch zur Voll­ziehung gekommen ist, und wir haben nun gesagt, dass wir für diese beiden Jahre, die 2020 und 2021 endgültig zurückgefordert werden, diese Forderung streichen. Ich glau­be, dass es gerade in Coronazeiten wichtig ist, dass wir diesen Menschen mit durchaus geringen Einkommen diese Rückforderung der Kredite streichen, und das haben wir da­mit auch im Ausschuss beschlossen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Der zweite §-27-Antrag bezog sich auf das Investitionsprämiengesetz. Diese Investi­tionsprämie, meine Damen und Herren, ist ebenfalls ein voller Erfolg. Über 7 000 Anträ­ge sind bereits abgearbeitet, das heißt, die erste Milliarde ist eigentlich an die Unterneh­mer ausgeschüttet worden, und diese 1 Milliarde Euro hat über 10 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst. Ich glaube, dass das wirklich eine Punktlandung ist und der ös­terreichischen Wirtschaft auch ganz immens hilft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Mit dem Antrag, der vorliegt, werden wir für die Investitionsprämie eine weitere Milliarde zur Verfügung stellen. Da das Thema absolut dringlich war, wurde es auch im Fami­lienausschuss behandelt. Das hat zu Diskussionen geführt, aber ich sage Ihnen sehr klar: Mit diesen Investitionen stärken wir die Wirtschaft, stärken wir die Betriebe, sichern wir Arbeitsplätze, und das ist schlussendlich auch die Grundlage für eine gute Familien­politik. Deswegen glaube ich auch, dass dieser Antrag in unserem Ausschuss gut aufge­hoben war.

Ich danke Ihnen für Ihre Zustimmung, wenn Sie uns diese geben. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.00.58

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Präsidium! Frau Minister! Sehr geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Die Zuver­dienstgrenze für Studierende zu erhöhen ist wichtig und richtig. Dass es keine Nachfor­derung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld, der schon vor Jahren gewährt wurde, mehr gibt, darüber werden sich etwa 2 000 Familien freuen, und sie werden er­leichtert sein, weil da keine Kosten auf sie zukommen.

Ich möchte mich aber im Besonderen dem Familienhärtefonds widmen, den wir schon zum zweiten Mal erhöhen. Er wurde für 30 Millionen Euro konzipiert, dann auf 60 Millio­nen Euro erhöht und wird heute noch einmal um 40 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro erhöht. Warum? – Weil viel mehr Familien als angenommen Hilfe brauchen, weil viel mehr Familien als die Regierung geglaubt hat Einkommensverluste erleiden.

Familien und Alleinerziehenden berichten, welche Odyssee sie mit diesen Anträgen zum Familienhärtefonds durchmachen müssen. Ich habe dazu Folgendes vernommen: im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 201

April eingereicht, aber bis Anfang September kein Geld erhalten; Antrag im April einge­reicht, dreimal etwas nachgereicht, aber noch immer keinen Bescheid erhalten; warten fünf Monate, seit fünf Wochen wird auf Nachfragen erklärt, der Antrag wäre positiv ab­geschlossen, Geld noch keines am Konto; Geld erhalten, aber keinen Bescheid; und so weiter. Da spielt sich ein Bearbeitungs- und Auszahlungschaos ab.

Genauso kurios sind Rückmeldungen, wonach mehr Geld ausbezahlt wurde, als bei der Vorberechnung des Antrages herausgekommen wäre. Frau Minister, Sie haben im Aus­schuss zugesagt, dass es da keine Rückforderungen geben wird, und ich hoffe, dass das auch so hält.

Bis jetzt haben etwas mehr als 50 000 Familien Geld aus dem Familienhärtefonds er­halten, etwa 1 250 Euro pro Familie. Das hört sich ja sehr gut an, aber die Familien hät­ten das Geld in den ersten Wochen gebraucht und nicht erst nach fünf Monaten. Diese Kritik, Frau Minister, müssen Sie sich gefallen lassen.

Wir haben schon im Juni gehört: Familien erhalten 1 000 Euro. – Sie haben das Geld aber erst im September erhalten, dabei hätte es ohne Probleme im Juli ausbezahlt wer­den können. Auch sind es de facto nur 360 Euro pro Kind geworden, denn die 100 Euro Schulstarthilfe gibt es jedes Jahr und gab es heuer nicht zusätzlich.

Wissen Sie, Frau Minister, wie gönnerhaft es für die Familien draußen, die betroffen sind, klingt, wenn Sie mit einem Lächeln erklären, was die Familien nicht alles erhalten: 300 Eu­ro da, 100 Euro dort, gerne auch von Ihnen persönlich ihm Rahmen eines Fotoshootings.

Die Familien haben diese Krise nicht verschuldet. Zuerst kamen der Lockdown und die Maßnahmen der Regierung, jetzt zittern diese Menschen um ihren Arbeitsplatz. Sie ma­chen sich Sorgen darüber, ob sie die Rechnungen bezahlen und den Kühlschrank füllen können und ob die Schule nicht in den nächsten Tagen wieder schließt beziehungsweise nur mehr betreut, wie wir heute gehört haben.

Die Familien verdienen echte, ehrliche Hilfe und Wertschätzung und keine persönliche Profilierung durch gönnerhafte Verteilung der Steuern, die sie schon bezahlt haben und noch zahlen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petra Wim­mer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.04.25

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Lie­be Familien! Die vielfache Belastung von Familien wird in diesen Zeiten immer wieder betont, und das zu Recht. Gerade jetzt zu Schulbeginn sind Eltern und Kinder wieder in besonderem Maße gefordert.

Es ist wirklich nicht einfach für Familien, die Berufstätigkeit, die Kinderbetreuung und die Coronamaßnahmen unter einen Hut zu bringen, zu vereinbaren. Die Erhöhung der För­dermittel aus dem Familienhärtefonds auf 100 Millionen Euro ist ein guter Schritt, denn auch die finanziellen Herausforderungen für die Familien sind dementsprechend hoch. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste – all das müssen Familien hinnehmen. Da brauchen sie jede Unterstützung, die sie kriegen können. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Was uns leider fehlt, ist eine generelle Reform des Familienhärtefonds. Nach wie vor sind 25 000 Anträge nicht abgewickelt, nach wie vor warten 25 000 Familien auf finan­zielle Unterstützung, nach wie vor schauen 25 000 Familien jeden Tag auf ihr Konto, ob denn das Geld endlich gekommen ist; und das sind genau die 25 000 Familien, die jeden Euro brauchen, die Angst vor einer Delogierung haben, die nicht wissen, wie sie jetzt zu Schulbeginn die Schulsachen für ihre Kinder finanzieren sollen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 202

Nach wie vor sind viele Familien aus der Förderung gänzlich ausgenommen: Das sind die Alleinerzieherinnen in Karenz, die erhalten gar keine Unterstützung aus dem Fonds; das sind getrennt lebende Eltern, deren Kinder bei einem Elternteil wohnen – in dem Fall ist der andere Elternteil nicht anspruchsberechtigt –; auch geringfügig Beschäftigte, die aufgrund der Coronakrise ihren Job verloren haben, haben in den seltensten Fällen An­spruch auf Arbeitslosengeld und somit auch auf Mittel aus dem Fonds. Daher werde ich nicht müde, immer wieder zu betonen: All diese Familien brauchen unsere Unterstüt­zung! (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade weil uns diese Familien genauso wichtig sind, bringen wir als SPÖ folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, dass alle Familien, die aufgrund der Corona-Krise mit Einkom­menseinbußen zu kämpfen haben, anspruchsberechtigt sind. Jede in Not geratene Fa­milie ist gleich viel wert!

Der Kreis der Anspruchsberechtigten des Corona-Familienhärteausgleichs wird erwei­tert auf

- Personen, die selbständig sind und vom WKÖ-Härtefallfonds abgelehnt wurden;

- AlleinerzieherInnen in Karenz;

- getrennt lebende Eltern, denn es erhält derzeit nur jener Elternteil die Unterstützung, bei dem die Kinder gemeldet sind;

- Personen, die geringfügig beschäftigt sind und den Job verloren haben.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Frau Familienministerin! Jede in Not geratene Familie braucht unsere Unterstützung, jede Familie, jedes Kind ist gleich viel wert – stimmen Sie dem Antrag zu und beenden wir diese Ungerechtigkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

19.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer,

Genossinnen und Genossen

betreffend "Schluss mit den Hürden beim Familienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“

Der Corona-Familienhärteausgleich wurde eingerichtet, um die finanzielle Situation von Familien, die besonders von Armut aufgrund der Corona-Krise leiden, zu verbessern. Seit 15. April 2020 können Familien Unterstützung aus dem Corona Familienhärteaus­gleich beantragen. Die Erfahrungsberichte von Betroffenen zeigen jedoch deutlich, dass viele Familien von den Hilfen von vornherein ausgeschlossen sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 203

UnternehmerInnen etwa, die keine Mittel aus dem Corona-Härtefonds bekommen, sind beim Familienhärtefonds nicht anspruchsberechtigt. Das trifft z.B. zu, wenn ein/e Klein­unternehmer/in zusätzlich geringfügig beschäftigt ist oder das Unternehmen 2020 ge­gründet hat. Diese Personen werden somit von zwei Förderungen ausgeschlossen, ob­wohl sie in einer besonders schwierigen Situation sind.

Alleinerziehende in Karenz waren in der Corona-Krise besonders gefordert. Auch sie haben keinen Anspruch auf Unterstützung durch den Corona-Familienhärteausgleich.

Für Kinder, deren Eltern getrennt leben, war insbesondere die Zeit des Lockdowns eine große Herausforderung. Fehlende bzw. schlecht kommunizierte Regeln bezüglich der Besuchszeiten strapazierten die Nerven aller Beteiligten. In diesen Familien ist nur jener Elternteil anspruchsberechtigt, bei dem die Kinder gemeldet sind.

Geringfügig Beschäftigte, die aufgrund der Corona-Krise ihren Job verloren haben, ha­ben in den seltensten Fällen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Auch sie erhalten keine Mittel aus dem Corona-Familienhärteausgleich.

All diese Familien brauchen Unterstützung. Jedes Kind ist gleich viel wert!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, dass alle Familien, die aufgrund der Corona-Krise mit Einkom­menseinbußen zu kämpfen haben, anspruchsberechtigt sind. Jede in Not geratene Fa­milie ist gleich viel wert!

Der Kreis der Anspruchsberechtigten des Corona-Familienhärteausgleichs wird erwei­tert auf

•             Personen, die selbständig sind und vom WKÖ-Härtefallfonds abgelehnt wurden;

•             AlleinerzieherInnen in Karenz;

•             getrennt lebende Eltern, denn es erhält derzeit nur jener Elternteil die Unterstüt­zung, bei dem die Kinder gemeldet sind;

•             Personen, die geringfügig beschäftigt sind und den Job verloren haben.

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie und Jugend

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.08.07

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte MinisterInnen! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn Leute ans Stu­dieren denken, dann denken sie vielleicht an interessante Lehrveranstaltungen. Andere denken vielleicht an Partys, an das Kennenlernen von Leuten, an ein relativ unbe­schwertes Leben. Die meisten Leute denken aber nicht an die Schattenseiten eines Stu­dierendendaseins: Wie schaffe ich es, die Miete jeden Monat zu überweisen, die Bücher zu kaufen, die ich brauche? Komme ich in die Lehrveranstaltung hinein? Komme ich in


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das Praktikum hinein, das ich brauche? Oder gerade jetzt: Kann ich den Nebenjob be­halten? – Das sind Sorgen, die fast alle Studentinnen und Studenten begleiten. Den Märchenstudenten oder die Märchenstudentin, der oder die ein unbeschwertes Leben hat und durchgehend studieren kann, den oder die gibt es einfach nicht mehr, denn es sind alle Kosten extrem in die Höhe gegangen: die Mieten, die Lebenshaltungskosten und so weiter. Die Studienzeit ist einfach eine Zeit, in der man jeden Euro doppelt und dreifach umdrehen muss. Darum ist es wichtig, dass wir Studierenden jetzt unter die Arme greifen.

Neun Jahre hat es gedauert, bis wir es heute endlich schaffen, jenen Studierenden, die neben ihrem Studium arbeiten müssen, die darauf angewiesen sind, und das sind im­merhin 65 Prozent, eine höhere Zuverdienstgrenze zu ermöglichen. Bislang konnten Studierende gerade einmal 10 000 Euro im Jahr dazuverdienen, das sind also 800 Euro im Monat. Dabei denkt man im Stress, den man hat, wenn man Studium und Arbeit unter einen Hut bekommen muss, oft nicht an diese bestehende Grenze, und dann kommt die bittere Nachricht vom Finanzministerium, dass man die Familienbeihilfe zurückzahlen muss – puh! –, und das ist meistens keine kleine Summe.

Ich freue mich sehr, dass wir nun den Schritt machen, diese Zuverdienstgrenze von 10 000 auf 15 000 Euro zu erhöhen, und auch, dass diese 50-prozentige Erhöhung rück­wirkend für das Kalenderjahr 2020 möglich ist. Das Ganze ist nicht nur eine Erleichterung für Studierende, sondern auch für andere Volljährige, die sich in einer Berufsausbildung befinden. Notwendig ist auch die schon angesprochene Aufstockung des Familienhärte­fonds um 40 Millionen Euro.

Wir wissen nicht nur von diversen Studien, wie hart Familien, denen meist auch schon vor der Coronakrise kein Luxusleben vergönnt war, von der Corona- und Wirtschaftskrise getroffen worden sind. Ich habe mit vielen Betroffenen geredet, die wirklich zum Teil am Rande der Verzweiflung stehen und sich zu Recht fragen: Wie soll es weitergehen?

Darum ist die Aufstockung so wichtig, genauso wie die Regelung zum Kinderbetreuungs­geld. Es ist gut, dass wir auf diese Rückzahlungen verzichten, weil das gerade derzeit für Familien, die es ohnehin schon schwer haben, weil sie finanziell schlechter gestellt sind, eine neue Härte bedeuten würde.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den Familien sparen, das wird sich niemals rech­nen. Wir investieren, damit wir nicht in einem Land leben müssen, in dem wir Men­schen – unzählige davon Kinder – in die Armut schicken müssen. Die SPÖ wird dazu noch einen Antrag mit verschiedenen Maßnahmen in verschiedenen Bereichen zum Thema Kinderarmut einbringen. Ich möchte jetzt gleich schon vorwegnehmen: An diesen genannten Maßnahmen arbeiten wir – aber das geht nicht von heute auf morgen. (Beifall des Abg. Reimon.)

Bei einem Punkt könnt ihr euch allerdings sicher sein: Den Kampf gegen das Corona­virus haben wir noch nicht gewonnen und der Kampf gegen Kinderarmut hat erst begon­nen. Wir werden uns mit allen uns möglichen Mitteln dafür einsetzen, die Kinderarmut zu reduzieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Kinder können sich nicht aussuchen, in welche Familie sie hineingeboren werden, wir können aber ge­stalten, in welcher Gesellschaft sie aufwachsen werden. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Michael Bern­hard. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.12.35

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frauen Minis­terinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich


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habe nun schon öfter die Debatten zum Familienhärtefallfonds hier im Plenum verfolgt und habe gleich mit der Kritik begonnen. Ich will heute andersherum beginnen: Ich möchte mich vorweg einmal für die gute Zusammenarbeit bedanken, dass dort, wo Pro­bleme auftauchen, von Ihrem Team auch jemand verfügbar ist, der diese Probleme löst – dafür meinen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) – Da werde ich immer nervös, aber ich freue mich über den Applaus.

Ich möchte aber schon auch einige Themen ansprechen, weil es organisatorisch eine sehr schwierige Übung war, als der Familienhärteausgleich begonnen hat. Wir wissen, dass das, wenn wir auf diesen Herbst und Winter schauen, wahrscheinlich noch die leichtere Übung war. Warum sage ich das? Wir haben in unserem Land 1,4 Millionen Familien, und es haben 5 Prozent dieser Familien kürzlich um Unterstützung angesucht, weil sie eine Einkommenseinbuße hatten. Wir wissen auch, dass es bedeutend mehr Familien waren, die real an Wohlstand verloren haben – und viele werden schlicht diesen Schritt, sich an das Ministerium zu wenden und um eine Unterstützung zu ersuchen, nicht gehen wollen, sondern versuchen, selbst durch den Herbst und den Winter zu kommen.

Ich habe bereits im Mai und, ich glaube, auch im Juni mit Ihnen gesprochen, Frau Mi­nisterin, und habe darauf hingewiesen, dass es ein erster Schritt ist, dass man für diese drei Monate – und das ist ja der maximale Rahmen, für den man einen Antrag stellen kann – einen vollen Ausgleich der Einkommenseinbuße bekommt. Das, was aber fehlt und wofür ich damals schon um eine Konzeption gebeten habe, die wir bis zum Herbst brauchen, betrifft die Familien, die nicht aus eigener Kraft durch den Herbst und durch den Winter kommen – und das werden nicht so wenige sein, die mehr als drei Monate Unterstützung brauchen, die nicht beim WKÖ-Härtefallfonds dabei sind, die nicht in ir­gendwelche anderen Situationen hineinfallen –, dass man da vonseiten des Familienmi­nisteriums eine vernünftige Lösung schafft. Diese Lösung ist nach wie vor ausständig. Sie muss nicht heißen: vollkommener Ersatz der Einkommenseinbuße!, sie muss nicht heißen: für drei Monate!, sondern sie kann sehr gezielt sein. Es soll dort eine Möglichkeit geben, wo Menschen sagen: Es geht sich jetzt einfach nicht aus, meine Lebensgrund­lage ist mir unter den Füßen weggezogen worden, ich brauche diese Unterstützung! Diese Möglichkeit hätten wir schaffen sollen, Sie haben sie aber nicht geschaffen.

Deswegen möchten wir als NEOS Ihnen hier eine kleine Unterstützung geben, damit wir das heute für Sie lösen können. Ich stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familienhär­tefallfonds 2.0“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage für einen Familienhärtefallfonds 2.0 zuzuleiten.

Folgende Punkte sollen dabei Berücksichtigung finden:

- Die Antragstellung hat unbürokratisch, transparent und nachvollziehbar zu erfolgen.

- Die finanzielle Überbrückungshilfe ist zweckgebunden und darf nicht indexiert werden.“

*****

Warum glauben wir, dass es eine solche Institution, also einen Familienhärtefallfonds 2.0, braucht? – Weil wir täglich Menschen treffen, die diese Unterstützung benötigen würden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 206

An dieser Stelle auch noch ein abschließendes Feedback zur derzeitigen Situation: 50 000 der 70 000 Anträge mögen bearbeitet worden sein, aber es sind noch immer Anträge von Mitte April unbearbeitet. Oft heißt es, da fehlt irgendein Dokument. – Das kann doch niemand mehr verstehen, warum fünf Monate, nachdem man den Antrag gestellt hat, durch den man gesagt hat: Ich brauche unmittelbar Unterstützung!, wo doch die Regierung gesagt hat „Koste es, was es wolle“, noch immer kein Geld auf dem Konto, noch immer keine Antwort des Ministeriums oder noch immer kein Bescheid da ist. – Das ist vollkommen unverständlich!

Ein zweiter Punkt zu den aktuellen Anträgen, die noch bei Ihnen liegen: UnternehmerIn­nen oder besser gesagt Selbstständige bekommen immer nur zwei Drittel jenes Betra­ges, den Unselbstständige bekommen, und zwar mit der Argumentation, dass man den Einkommensverlust nicht in der gleichen Art nachprüfen kann. Sie sagen, das kann dann nächstes Jahr nachgefordert werden, wenn sich herausstellt, dass der Einkommensver­lust wirklich so hoch ist, wie die Personen angeben. Nächstes Jahr hilft es den Selbst­ständigen aber nicht mehr. Es kann nicht sein, dass man in der Notsituation, in der Sie sagen – oder der Bundeskanzler sagt –: „Koste es was es wolle“!, sagt: Koste es, was es wolle, aber nur zwei Drittel von dem, was es kosten soll, und dann bitte im nächsten Jahr nachreichen! – So funktioniert Krisenbewältigung nicht. Bitte kümmern Sie sich da­rum, dass die Selbstständigen im Vergleich zu den Unselbstständigen nicht ungleich behandelt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Familienhärtefallfonds 2.0

eingebracht im Zuge der Debatte in der 51. Sitzung des Nationalrats über die Regie­rungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geän­dert wird - TOP 11

Die COVID-19 Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen und Einschrän­kungen haben sich stark auf unsere Gesellschaft ausgewirkt. Familien wer-den vor gro­ße Herausforderungen gestellt. Umso wichtiger ist eine sorgsame, verantwortungsvolle Handhabung der Situation und vor allem Klarheit in den Abläufen. Neben Home­schooling, Homeoffice und Kinderbetreuung hatten und haben viele Familien mit großen Sorgen und existenziellen Bedrohungen zu kämpfen. Kurzarbeit oder der Verlust der Arbeit führen zu finanziellen Notsituationen. Die jetzigen Umstände zeigen klar, dass sich die Dauer der Krise weit über drei Monate ausbreiten wird. Obwohl viele Maßnah­men der Bundesregierung, wie zum Beispiel die COVID-Kurzarbeit, verlängert, oder so­gar neue Hilfspakete auf den Weg gebracht wurden, gibt es keine Bemühungen, die in Not geratenen Familien weiter zu unterstützen und die Bezugsdauer des Corona-Fami­lienhärtefonds zu verlängern.

Wir NEOS haben uns daher entschlossen, ein effizientes und schlagkräftiges Maßnah­menpaket für den Herbst zu gestalten, um unsere Familien durch den Herbst zu bringen. Der Familienhärtefallfonds 2.0 ist eine einmalige finanzielle Überbrückungshilfe, die Fa­milien in einer unverschuldeten Notsituation unterstützen soll. Die finanzielle Überbrü­ckungshilfe muss zweckgemäß verwendet werden. Wie schon bisher soll das BMAFJ die Auszahlungen der Beihilfe übernehmen, da im Laufe der Krise zusätzlich Personal für die Bearbeitung der Anträge angestellt wurde. Diese Arbeitsplätze sollen bei Bedarf erhalten bleiben, damit zusätzliche Einarbeitungszeiten für neue Mitarbeiter_innen best­möglich vermieden werden können. Um eine unbürokratische Bearbeitung der Anträge


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sicherzustellen, sollen Datenschnittstellen zu BMF, AMS, BMDW, BMSGPK errichtet werden, um die benötigten Dokumente, wie Einkommensbescheid, Lohnzettel, Kurzar­beitsnachweis usw. zu übermitteln. Somit ist eine automatisierte und rasche Auszahlung der Anträge garantiert. Die Datenweitergabe hat DSGVO - konform zu erfolgen. Zusätz­liche Dokumente sollen unkompliziert digital hochgeladen werden können. Die finan­zielle Hilfe soll gerecht unterstützen - somit lehnen wir NEOS eine Indexierung strikt ab. Ebenso sprechen wir uns beim NEOS Familienhärtefallfonds 2.0 für vollste Transparenz aus. Es braucht eine transparente und klare Kommunikation des Berechnungsschlüssels und eine Aufschlüsselung der berechneten Hilfszahlung für die Familien direkt am Be­scheid. Familien haben das Recht zu erfahren, wie sich die Summe zusammensetzt und wie diese berechnet wurde. Auch bei einem negativen Bescheid muss der Grund der Ablehnung klar dargestellt sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage für einen Familienhärtefallfonds 2.0 zuzuleiten.

Folgende Punkte sollen dabei Berücksichtigung finden:

•             Die Antragstellung hat unbürokratisch, transparent und nachvollziehbar zu er-folgen.

•             Die finanzielle Überbrückungshilfe ist zweckgebunden und darf nicht indexiert werden."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Peter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.17.42

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frauen Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ja, als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses möchte ich mich recht herzlich dafür bedan­ken, dass wir aufgrund der Dringlichkeit so quasi im Familienausschuss einziehen durf­ten und dort – aufgrund der wirklichen Dringlichkeit – unseren Antrag zur Erhöhung der Investitionsprämie einbringen konnten. (Abg. Leichtfried: Das soll aber nicht …!)

Es hat da eine extrem hohe Nachfrage gegeben, und sie war ja bekanntlich mit 1 Mil­liarde Euro gedeckelt. Wie Kollege Sieber ja schon ausgeführt hat, war es daher notwen­dig, dass wir, nachdem dieser Rahmen ausgeschöpft war, die zweite Milliarde freima­chen. Ich glaube, das ist eine der besten Maßnahmen, die wir gesetzt haben, denn diese erste Milliarde hat ja bereits 10,5 Milliarden Euro an Investitionen in unserem Land aus­gelöst. Ich denke, das ist ganz, ganz wichtig, nämlich sowohl für die Beschäftigung als auch für das Wachstum unserer Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir alle wissen ja, dass wir nicht nur vor einer gesundheitspolitischen Herausforderung, sondern auch vor einer starken wirtschaftspolitischen Herausforderung stehen, und des­halb betone ich, dass gerade wir von der Wirtschaft solche Maßnahmen brauchen, die


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unseren Standort wieder stärken – und ich betone auch: Wirtschaft sind wir alle, Arbeit­geber und Arbeitnehmer.

Ich möchte auch noch anmerken, dass wir bei dieser Investitionsprämie ja zwei wesent­liche Faktoren haben: Das eine sind Investitionen, die wir tätigen können, die mit 7 Pro­zent Förderung ausgestattet sind, und das Zweite sind Investitionen speziell in die Digi­talisierung, in die Ökologisierung und im Gesundheits- und Lifesciencesbereich, die mit 14 Prozent gefördert werden.

Das besonders Erfreuliche ist, dass diese erste Milliarde speziell von Kleinst-, Klein- und mittelständischen Unternehmen und nur zu 9 Prozent von Großunternehmen ausge­schöpft wurde. Diese Maßnahme wirkt also genau dort, wo wir sie brauchen, nämlich bei den kleinen und mittelständischen Betrieben. Sie sichert die Beschäftigung und damit auch die Arbeit in den Regionen, die dadurch besonders gesichert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man kann bei dieser Maßnahme also wirklich zusammenfassen: Eine Win-win-Situation sowohl für die Unternehmer als auch für die Arbeitnehmer und natürlich für die Regionen und damit auch für die Familien. – Nochmals herzlichen Dank für die Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


19.21.06

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schram­böck: Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst möchte ich mit einem Dank an den Familienausschuss beginnen, dass dieser Antrag, der so dringend und so wichtig war, im Familienausschuss behandelt werden konnte – also al­len Teilnehmerinnen, allen Teilnehmern, allen Mitgliedern des Familienausschusses herzlichen Dank dafür; auch dir, liebe Chrisi, danke für die Unterstützung. (Zwischenruf der Abg. Herr.)

Zur Investitionsprämie: Die Investitionsprämie haben wir gemeinsam aufgesetzt, um konjunkturelle Impulse zu setzen. Gerade in dieser schwierigen Zeit, in der die Unter­nehmen leiden – und damit ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, müssen wir Impulse setzen, die Hoffnung geben, die zeigen, dass die österreichischen Unternehmen auch noch stark sind. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, Investitionen vorzuziehen. Genau das ist passiert. Es ist vielleicht rascher passiert, als wir alle gedacht haben, dass die Unternehmen die Investitionspläne, die sie hatten, umgesetzt haben. Sie haben die Investitionen nicht aufgeschoben, sondern vorgezogen, und genau das ist Sinn und Zweck dieser Prämie, dieser Unterstützung, die wir gemeinsam leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Investitionsprämie ist auch etwas Besonderes: Ich war letzte Woche in Berlin beim Rat der Minister, bei dem viele Wirtschaftsminister anwesend waren. Deutschland zum Beispiel hat keine solche Investitionsprämie. Es ist uns da etwas gelungen, nämlich ei­nen Impuls zu setzen. Die deutschen Unternehmen schauen neidisch nach Österreich. Damit wird es uns auch gelingen, Investitionen anzuziehen. Ich habe bereits viele Ge­spräche mit Unternehmen geführt, die in anderen Ländern und auch in Österreich tätig sind, und diese werden das bei ihrer Investitionsentscheidung ganz klar berücksichtigen und die Investitionen deshalb auch lieber in Österreich als in anderen Ländern machen.

Mir ist auch eines wichtig – es wurde schon gesagt –, und zwar dass es eine Prämie ist, die für kleine wie für große Unternehmen gilt. Die Kleinstunternehmen – das sind jene mit unter zehn Mitarbeitern – machen tatsächlich 62 Prozent der Anträge aus, die mittle­ren Unternehmen – das sind jene mit zehn bis 250 Mitarbeitern – immerhin 30 Prozent,


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und der Rest entfällt auf die größeren Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern. Wir müs­sen aber auch bedenken, dass die mittleren Unternehmen im internationalen Vergleich kleine Unternehmen sind, und somit stützen wir das Ökosystem der österreichischen Wirtschaft.

Was auch ein wichtiger Punkt ist, ist das Thema Digitalisierung und Ökologisierung. Da möchte ich Ihnen die genaue Zahl nennen und Ihnen berichten, dass ein Viertel auf Digitalinvestitionen entfällt und ein Drittel auf nachhaltige Umweltinvestitionen. Es ist uns also beides gelungen, nämlich sowohl Digitalisierung als auch Nachhaltigkeit in den Mit­telpunkt zu stellen. Das macht in Summe 55 Prozent, also mehr als die Hälfte aller In­vestitionen, aus. Das ist wirklich wichtig, dass gerade dort entsprechend investiert wird. Mir ist das natürlich ganz besonders wichtig, gerade im Bereich Digitalisierung und auch im Bereich der Nachhaltigkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese zweite Milliarde ist von größter Bedeutung, denn die Unternehmen fragen natürlich schon: Können wir weiter einreichen? – Wir haben ja dankenswerterweise diese Unter­stützung, diese Prämie, so gestaltet, dass jeder einreichen kann, der die Kriterien erfüllt, jedes Unternehmen, und zwar bis Ende Februar. Darum ist diese zweite Milliarde sehr, sehr wichtig. Ich bitte Sie da um Ihre Unterstützung und sage jedem Danke, der mit­stimmt, dass wir unsere österreichischen Betriebe mit dieser guten Maßnahme unter­stützen, ihnen Hoffnung geben, ihnen Mut machen, und damit auch die Arbeitsplätze entsprechend absichern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.25.38

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Frauen Ministerin­nen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Zunächst: Ja, wir begrüßen die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Studierende auf 15 000 Euro. Wir sagen aber schon auch ganz klar: Es braucht ein umfassenderes Paket. Wir bleiben auf jeden Fall dran, wenn es darum geht, dass Studiengebühren aus dem Sommersemester 2020 zu­rückbezahlt werden sollen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Genau!) Wir bleiben auf jeden Fall dran, wenn es heißt: Studiengebührenbefreiung für berufstätige Studie­rende! Ein Kollege der ÖVP hat es ja auch im Familienausschuss gesagt: Die, die arbei­ten, sollen eigentlich nicht bestraft werden.

In einem weiteren Schritt muss man sich auf jeden Fall anschauen, warum die soziale Schieflage an Österreichs Hochschulen noch immer so groß ist und warum so viele Stu­dierende arbeiten müssen, um sich die Ausbildung überhaupt leisten zu können.

Weiters darf ich noch einen sehr umfassenden Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Eva Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolle­ginnen und Kollegen einbringen, den ich in den Grundzügen erläutere.

Wir sagen ganz klar, es braucht jetzt ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut. Wa­rum? – Weil einfach schon vor der Krise 300 000 Kinder von Armut betroffen oder be­droht waren, das heißt jedes fünfte Kind, und das hat sich natürlich während Corona noch weiter verschärft.

Ich finde es eigentlich total grotesk, wenn sich die FPÖ in der Aktuellen Europastunde hierherstellt, wahnsinnig betroffen ob der Kinderarmut in Österreich ist, aber – kurzer Reminder – Schwarz-Blau die Mindestsicherung flächendeckend für unzählige Kinder in Österreich gekürzt hat. Das war eine extrem verschärfende Maßnahme, die die Kinderar­mut in Österreich noch weiter zunehmen hat lassen, und das ist höchst dramatisch.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 210

Die Volkshilfe hat im Juni 2020 eine Umfrage unter armutsbetroffenen Familien ge­startet. Was ist rausgekommen? – Eine eklatante Verschlechterung der Lebensqualität aufgrund von verschiedenen Belastungen – finanzielle Belastungen, Vereinsamung, Iso­lation, Herausforderungen durch Homeschooling und Co. All das sind Fakten, über die wir nicht nur diskutieren dürfen, wir müssen auch rasch Lösungen liefern, weil sich sonst Kinderarmut noch viel mehr verschärft. (Beifall bei der SPÖ.)

Was braucht es dazu? – Es braucht zum einen mehr Schulpsychologinnen und Schul­psychologen, mehr Kindertherapieplätze, weil gesundheitliches Wohlbefinden einfach nicht vom Börserl der Eltern abhängen darf, egal ob es um psychische oder physische Gesundheit geht, genauso wenig wie Bildung. Es braucht flächendeckend Förderun­terricht, kostenlos, die Ganztagesschule, und zwar jetzt – nicht mehr auf die lange Bank schieben! Bringen wir Schule in Österreich ins Jahr 2020, und zwar heute, begleitend mit gratis Tablets und dem Ausbau von Schulsozialarbeit! Inklusive Angebote braucht es außerdem auch, und es braucht armutssensible Pädagogik in allen Kindergärten und Schulen mit Konzentration auf Ermächtigung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche.

*****

Abschließend: Rauf mit dem Arbeitslosengeld! Rauf mit dem Familienzuschlag! Und: Her mit der Unterhaltsgarantie für Kinder und Jugendliche! Handeln wir rasch, ermöglichen wir beste Bildungs- und Zukunftschancen für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Neßler.)

19.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Mag.a Dr.in Sonja Ham­merschmid, Genossinnen und Genossen,

betreffend Maßnahmen gegen Kinderarmut

Je länger die Corona-Krise dauert, desto deutlicher treten die massiven Versäumnisse der Bundesregierung beim Corona-Krisenmanagement zu Tage. Der Vorsprung aus dem Frühling wurde leichtfertig verspielt, die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Wie immer in Krisenzeiten sind Kinder die besonders Leidtragenden.

Bereits vor Ausbruch der Corona-Krise waren mehr als 300.000 Kinder - also jedes fünfte Kind in Österreich - von Armut betroffen. Die Corona-Pandemie verschärft die Probleme vor allem von AlleinerzieherInnen und kinderreiche Familien noch zusätzlich. Die Volks­hilfe Österreich hat im Juni 2020 eine Umfrage unter armutsbetroffenen Familien in ganz Österreich durchgeführt.1 Die Ergebnisse zeigen eine eklatante Verschlechterung der Lebensqualität von armutsbetroffenen Familien in Zeiten der Pandemie.

Zum Beispiel haben rund 50 Prozent der Befragten ihre aktuelle Lebensqualität aufgrund von COVID mit einer Schulnote 4 bis 5 bewertet und auf die Hälfte der befragten Familien hat die Krise finanziell negative Auswirkungen - wobei man bedenken muss, dass diese bereits vorher schon von Armut betroffen waren. Zusätzlich darf nicht vergessen werden, dass während der Lockdown-Phase Home Schooling, keine Treffen mit Freundinnen und Freunden, keine sozialen Kontakte außerhalb des Familienverbandes - eine enorme Belastung für Kinder und Jugendliche darstellte.

Die Corona-Krise hat auch emotional Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen. 57 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihre Kinder einsamer, 53 Prozent ag­gressiver und sogar 74 Prozent trauriger waren. 82 Prozent der Befragten meinten hin­gegen, dass sich ihr Kind wieder auf den Schulbesuch gefreut hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 211

Auch der Kinder- und Jugendnotruf "Rat auf Draht", der telefonisch rund um die Uhr sieben Tage die Woche erreichbar ist und die Beratung anonym sowie kostenlos durch­führt, berichtete besorgniserregende Entwicklungen seit Beginn der Corona Pandemie bzw. der Lockdown-Phase.

Unter anderem verzeichneten sie einen starken Anstieg bei Schlafproblemen (240 Pro­zent), Anfragen zu psychischen Erkrankungen wie Panikattacken oder Depressionen (146 Prozent), Suizidgedanken und Autoaggression wie etwa Ritzen (jeweils 54 Prozent) sowie physischer Gewalt in der Familie (88 Prozent). Die "klassischen" Teeny-Probleme - wie z. B. die erste Liebe oder Taschengeld - werden vom Thema psychischer und physi­scher Gesundheit größtenteils verdrängt.2

Die Bundesregierung hat bisher nur kaum oder wenig getan, um diese Kinder und Fa­milien zu unterstützen. Dabei braucht es nicht nur leere Versprechen, sondern endlich entschiedene Maßnahmen gegen Kinderarmut. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben wesentlich geringere Chancen auf ein gutes Leben. Von Armut betroffene Kinder sind die chronisch kranken Menschen von morgen, oft mit schlechter Ausbildung und oft ohne Job. Um sicherzustellen, dass aus Kindern auch gesunde Erwachsene werden, müssen ausreichend Therapieangebote wie Logopädie, Ergotherapie oder Psychotherapie vor­handen sein. Derzeit sind ganze Regionen ohne psychotherapeutische Angebote für Kinder, woraus sich unverhältnismäßig lange Wartezeiten ergeben. Hier gilt es gesund­heitspolitisch gegenzusteuern!

Schuld daran ist auch unser Bildungssystem. Bildung hängt noch immer viel zu stark von den Eltern ab: Mehr als ein Viertel der SchülerInnen brauchte bereits vor Ausbruch der Corona-Krise externe Nachhilfe. Unser Schulsystem ist also geprägt von privater Nach­hilfe und Hausübungen – und damit sind Kinder, die Hilfe brauchen, unmittelbar davon abhängig, wie gut sie zu Hause unterstützt werden. Dabei wäre gerade Bildung die beste Schutzimpfung gegen Armut. So lange unser Schulsystem sich aber auf die Eltern, an­statt die Kinder konzentriert, wird sich wenig an der Situation ändern.

Auch wenn die Schule an sich entgeltfrei ist, müssen Eltern immer mehr Geld privat zu schießen. Neben Hefte, Kopierkosten und anderes Unterrichtsmaterial, müssen auch digitale Endgeräte angeschafft werden. Wir fordern gratis Tablets und Laptops für alle SchülerInnen. Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstat­tung mit einem digitalen Endgerät.

Damit nicht noch mehr Familien durch die Corona-Krise in die Armut rutschen, braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen!

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend Maßnahmen gegen Kinderarmut um­zusetzen:

•             Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 Prozent des Netto-Einkommens auf 70 Prozent. Damit erhöht sich das Einkommen aller Arbeitslosen und damit auch jener Menschen, die aufgrund der Corona-Krise unverschuldet in die Arbeitslo­sigkeit gerutscht sind, um fast 30 Prozent.

•             Erhöhung des Familienzuschlages zum Arbeitslosengeld auf 100 Euro statt 29 Euro im Monat für jedes Kind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 212

•             Unterhaltsgarantie: Das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen stellt eine echte Ar­mutsfalle für Kinder und Alleinerziehende dar. Die Lücken im österreichischen Unterhaltsrecht müssen endlich geschlossen werden, um Kinder, die keinen oder einen sehr geringen Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss erhalten, finanziell abzu­sichern.

•             Ausbauoffensive für ausreichende Kinder-Therapieplätze.

•             Flächendeckenden Förderunterricht: Kinder, die mehr Unterstützung brauchen oder in einem Fach Schwierigkeiten haben, sollen ein entsprechendes Unterstüt­zungsangebot und gratis Nachhilfe an den Schulen bekommen – flächendeckend und österreichweit in allen Hauptgegenständen zwei zusätzliche Förderstunden.

•             Weg von der „Hausübungsschule“ – Ausbau der Ganztagsschule: Wien ist hier Vorreiterin: für die verschränkte Ganztagsschule müssen Eltern nun keine Beiträ­ge mehr bezahlen, auch für ein kostenfreies Mittagessen wird gesorgt. Eine sol­che Ausbauoffensive braucht es bundesweit.

•             Gratis Tablets: Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstattung mit einem digitalen Endgerät.

•             Bundesweiter Ausbau von Schulsozialarbeit und die Bereitstellung finanzieller Mittel hierfür.

•             Aufstockung von mindestens 100 zusätzlichen SchulpsychologInnen.

•             Eine armutssensible Pädagogik in allen Kindergärten und Schulen implementie­ren, mit Konzentration auf Ermächtigung und Teilhabe.

•             Erhebung zum konkreten Wissensstand von Kindern und Jugendlichen, um ge­zielte Angebote setzen zu können und zu wissen, wie der Corona-Lockdown sich im Detail ausgewirkt hat.

•             Inklusive Angebote, um die Einzementierung der Bildungsungleichheit zu verhin­dern.“

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie und Jugend

1                 https://www.volkshilfe.at/wer-wir-sind/aktuelles/newsaktuelles/umfrage-zu-corona-und-kinderarmut/

2                 https://wien.orf.at/stories/3050410/

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und er steht auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Hermann Weratschnig. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.29.18

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Ministerinnen! Werte Abgeordnete! Seit September läuft die Investitionsprä­mie. Heute schaffen wir die Grundlage dafür, dass dieser positive Schub weiter fortge­setzt werden kann. Wir fördern, dass in sehr schwierigen Zeiten neu investiert wird. Wir fördern keine klimaschädlichen Investitionen, wir fördern keinen Umbau von Grundstü­cken, wir fördern keine Finanzanlagen, wir fördern auch keine Pkw mit Verbrennungs­motoren, und wir fördern auch keine fossilen Energieerzeuger. Werte Abgeordnete, die­ses Programm trägt eine ökologische Handschrift; darin spiegelt sich die grüne Regie­rungsbeteiligung sehr stark wider. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 213

Mit den heute bereits beschlossenen Umweltförderungen und der Investitionsprämie 2020 ziehen wir uns die Siebenmeilenstiefel am Weg zur Erreichung der Klimaziele an: 7 Pro­zent als normaler Satz und 14 Prozent im Bereich Ökologisierung, Klimaschutzmaßnah­men, Digitalisierung und im Gesundheitswesen.

Klimaschutz und Wirtschaft sind kein Widerspruch: Diesem Leitsatz hat sich die Koalition verschrieben, hat sich die Bundesregierung verschrieben, und auf dieser Basis setzen wir die Klimaschutzmaßnahmen um!

Und, ja, das Geld kommt an, rasch, unbürokratisch und effizient. Es wurde schon berich­tet: Die Anzahl der Anträge zeigt, dass es eine absolute Erfolgsgeschichte ist. Ein Drittel der Anträge wurde für den Ökologisierungsbereich gestellt, was ein Zuschussvolumen von circa 483 Millionen Euro ergibt. Wenn man sich das anschaut, dann erkennt man, dass in Kombination mit den Umweltförderungen von heute in Zukunft Projekte mit bis zu 44 Prozent gefördert werden können. Das ist ein Schub, das ist Hilfe für die Unter­nehmen und vor allem – wenn man sich die Daten anschaut, dann sieht man das – für jene EPUs und Kleinbetriebe, die circa 62 Prozent jener Betriebe ausmachen, die bis jetzt Anträge gestellt haben. Das ist also ein Ökoschub für kleinere Unternehmen, für EPUs, da richtig zu investieren.

An dieser Stelle, glaube ich, muss man vor allem auch den Unternehmerinnen und Un­ternehmern und – um diese nicht zu vergessen – ganz besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken. Wir brauchen sie alle, um die Klimaziele zu erreichen. Das erwarten sich die Jungen, die für die Zukunft protestieren, von uns.

Setzen wir uns mit Ökoinvestitionen für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen ein: Dazu lade ich ein, das ist mein Appell! (Beifall bei den Grünen.)

19.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gudrun Kug­ler zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.32.36

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Werte Ministerinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst ein Nachtrag zu Frau Kollegin Wimmer, die gefragt hat, was mit den ganzen offenen Anträgen für den Familienhärtefonds ist. 25 000 Antrag­steller wurden gebeten, Dokumente nachzureichen. Das ist hoffentlich in Ihrem Sinne, da Sie ja sagen, Hilfe soll ankommen, wo sie gebraucht wird – ein Ministerium muss auch überprüfen, ob das wirklich so ist, und das geschieht auch, da brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

In den letzten Tagen sind bei den österreichischen Familien neben dem jährlichen Schul­startgeld auch 360 Euro pro Kind Kinderbonus angekommen. Das haben wir beschlos­sen, weil wir die Familien, die alle von Corona betroffen sind, unterstützen wollen, weil wir sagen wollen: So könnt ihr gut in den Herbst starten!, und weil wir die Leistungen von Familien honorieren wollen, denn Familie, und das hat sich in der Coronakrise gezeigt, ist systemrelevant.

Die Familien haben die Schulschließungen aufgefangen, und – ich erinnere daran, wir haben das schon einmal hier diskutiert – vor Kurzem, am 21. September, hat Frauenmi­nisterin Susanne Raab eine Pressekonferenz abgehalten und gesagt, die häusliche Ge­walt ist während des Lockdowns nicht signifikant angestiegen. Auch das ist ein Zeichen, von dem man ablesen kann, dass Familie funktioniert. Das wollen wir mit diesen 360 Euro honorieren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) – Die Zahlen, Frau Kolle­gin, liegen vor, und die schicke ich Ihnen gerne gleich nachher per E-Mail.

Es gab 360 Euro pro Kind, um Familien zu unterstützen. Was mich allerdings gewundert hat, ist, dass sowohl die NEOS als auch die Freiheitliche Partei dagegengestimmt haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 214

Auch heute diskutieren wir eine Ablehnung, nämlich die eines Antrages der Freiheitli­chen, und die Frage, warum die Verdoppelung der Familienbeihilfe für die Monate der Schulschließung, wie die Freiheitlichen das gefordert haben, von uns heute abgelehnt wird. – Diesbezüglich möchte ich ganz klar festhalten: Der Kinderbonus geht weit über das hinaus, was die Freiheitliche Partei hier fordert. Wenn man nämlich die Verdoppe­lung der Familienbeihilfe für die unter 14-Jährigen für die Zeit der Schulschließung hoch­rechnet, kommt man auf höchstens 260 Euro; wir haben 360 Euro gegeben. Das heißt: Es gab mehr in Cash und für deutlich mehr Kinder, weil die FPÖ gesagt hat, das gilt nur für Kinder bis 14.

Im Antrag der FPÖ heißt es ja, dass auch der Katholische Familienverband das fordert. Ja, aber der Katholische Familienverband hat auch bereits im Juni den Kinderbonus be­grüßt, und zwar mit folgenden Worten (Zwischenruf der Abg. Mühlberghuber): „Mit die­ser Sonderzahlung wird vielen Familien unbürokratisch geholfen“, und: „Sie ist eine wich­tige und notwendige Wertschätzung der selbstverständlichen und unglaublichen Leistun­gen von Familien“. Und anstatt das zu honorieren, hören wir das. (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Mühlberghuber.) – Das hat der Katholische Familienverband gesagt, Sie haben es nicht gesagt.

Anstatt zu honorieren, was die Bundesregierung für die Familien tut, hören wir von den Freiheitlichen ganz eigenartige Sätze. Da heißt es zum Beispiel von den Kolleginnen Mühlberghuber und Rosa Ecker, die Menschen müssten allein von den Versprechungen der Bundesregierung leben. – Diese 360 Euro – ich glaube, das können Sie selber auch nachvollziehen – sind keine Versprechungen, sondern die sind am Konto.

Dann heißt es, der Kinderbonus sei ungerecht und undurchdacht, und Frau Ecker sagt, der Kinderbonus müsse allen Familien zugutekommen. – Wir geben den Kinderbonus allen, die Kinderbeihilfe beziehen! Sie haben gesagt, er gelte nur für Kinder bis 14 – aber die Kinderbeihilfe kriegen deutlich mehr Kinder.

In einer anderen Presseaussendung von Frau Mühlberghuber hören wir etwas ganz an­deres, nämlich, der Kinderbonus würde nach dem Gießkannenprinzip verteilt, weil ihn jeder bekommt, egal ob er ihn benötigt oder nicht. – Das ist aber genau das, was Sie – allerdings nur für unter 14-Jährige – beantragt hatten! Sehr geehrte FPÖ, auch für Sie gelten die Grundanforderungen der Logik in der parlamentarischen Arbeit! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit der Abg. Plakolm. – Zwischenruf der Abg. Mühlberghuber.)

Undurchdacht ist also nicht der Kinderbonus, sondern Ihre politische Arbeit in dieser Sache, und ein Ablehnungsreflex bringt eigentlich gar nichts. Ich glaube, wir sind als Parlament weit genug, bei Themen einzeln zu beurteilen, ob sie gut oder schlecht sind, ob sie gut für die Familien sind oder nicht, und nicht einfach zu sagen: Das kommt von den anderen und da sind wir dagegen!

Der Kinderbonus ist keine Nachzahlung, sondern er ist eine Vorauszahlung, denn die Krise ist leider nicht vorbei. Mit dem Kinderbonus wünschen wir den Familien alles Gute für diesen Herbst. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag.a Andrea Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.37.35

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Anhebung der Zuverdienstgrenze für die Familienbeihilfe ist, was die Stu­dierenden betrifft, ein ganz wichtiger Schritt. Wir wollten das seit Jahren machen, aber jetzt kommt es, obwohl zwar prinzipiell immer der richtige Zeitpunkt dafür ist, sozusagen ein bisschen zum falschen Zeitpunkt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 215

Es ist zwar gut und richtig, dass wir es jetzt machen, was ich aber mit „zum falschen Zeitpunkt“ meine, ist, dass die Studierenden das Problem haben, dass Ihnen jetzt in der Krise die Jobs weggebrochen sind. Das heißt, es ist grundsätzlich richtig, nur haben die Studierenden ein anderes Problem, nämlich dass sie sich im Moment schwertun, über­haupt etwas dazuzuverdienen, weil die klassischen Studentenjobs zum Beispiel in der Gastronomie oder in anderen Dienstleistungsbereichen einfach weggebrochen sind.

Das heißt, wir müssen für diese Gruppe, die auch durch die Krise stark betroffen ist – einerseits ökonomisch, andererseits was die Studienbedingungen betrifft, weil auch das nächste Semester für die Studierenden, aber auch für die Lehrenden an den Universitä­ten insgesamt ein schwieriges Semester und eine große Herausforderung wird –, etwas tun. Das ist ein guter und richtiger Schritt, aber wir müssen uns darüber hinaus mehr überlegen, um diese Gruppe in ihrer wichtigen Ausbildungsphase zu unterstützen.

Dieses Semester gilt es jetzt wirklich: Letztes Semester haben wir uns sehr dafür ein­gesetzt, die Studiengebühren zu erlassen, und auch dieses wird wieder ein schwieriges Semester mit schwierigen Bedingungen für die Studierenden an der Uni – in den Lehr­veranstaltungen, Distancelearning und so weiter, die Jobs brechen weg. Erlassen wir den Studierenden doch bitte die Studiengebühren zumindest für das kommende Semes­ter! (Beifall bei der SPÖ.)

Das wäre ein kleiner, aber für diese Gruppe, die von wenig Geld leben muss, wichtiger Unterstützungsbeitrag, den wir uns leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.39.49

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Ministerinnen! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde jetzt vieles diskutiert, sehr viel Positives gesagt, auch einiges Kritisches, aber ich denke doch, es steht außer Frage, dass wir eines der größten Familienpakete be­schließen, was speziell in dieser schwierigen Zeit dringend notwendig ist, und ich meine, wir sollten das auch anerkennen.

Wir setzen damit – wurde doch vorhin ein Antrag eingebracht, gegen Kinderarmut anzu­kämpfen – auch einen wichtigen Akzent gegen Kinderarmut, meine sehr geehrten Da­men und Herren. Ich habe den Antrag nur kurz überfliegen können, er ist ja gerade erst verteilt worden, aber ich habe gesehen, dass da viele Punkte drinnen sind, die ich und wir vonseiten der ÖVP-Fraktion – einiges davon steht sogar im Regierungsprogramm – durchaus mittragen: Ausbau der Therapieplätze, Ausbau der Schulsozialarbeit zum Bei­spiel und vieles mehr. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Ich habe jetzt nicht die Zeit, auf das alles einzugehen. Wir werden ja, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, auch noch im Familienausschuss die Möglichkeit haben, zu diskutieren, und ich freue mich schon darauf.

Tatsache ist, wir beschließen 40 Millionen Euro mehr für den Familienhärtefonds. Ich möchte mich bei der Frau Bundesministerin bedanken, denn sie hat die Anfangsschwie­rigkeiten erkannt, hat sofort die IT ausgebaut, hat die Informationen verbessert, und das Geld ist ausbezahlt, das Geld ist bei den Familien, und es kommen weitere Anträge. Daher: Danke, Frau Bundesministerin, für alle deine Initiativen für die Familien in Öster­reich! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Investitionsprämie wurde ja schon mehrmals erwähnt, Frau Bundesministerin Schramböck, das ist ganz wichtig für die klein- und mittelständische Wirtschaft. Ich möchte da noch etwas anfügen: Gerade bei der klein- und mittelständischen Wirtschaft


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 216

finden wir familienfreundliche Arbeitsplätze. Wir sehen das immer bei den Ehrungen, bei den Auszeichnungen familienfreundlicher Betriebe. Gerade dort achtet man besonders darauf, Beruf und Familie vereinbar zu machen, und daher ist das ganz, ganz wichtig.

Über die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Studierende wurde schon viel gesagt, und dazu wird auch unsere Jugendsprecherin noch einiges sagen. Ich finde es wichtig, dass Studierende auch einen Praxisbezug haben, wir haben ja das Praxissemester. Ich glau­be daher, dass das eine wichtige Maßnahme ist und Leistung letztlich auch honoriert wird.

Auch der Kinderbonus und die Coronaarbeitsstiftung sind wichtige Maßnahmen für un­sere Familien. Wir brauchen circa 100 000 Arbeitsplätze im Gesundheitsbereich, auch das wird viele Chancen für Frauen bringen und wird auch die Arbeitssituation in den Familien verbessern, denn Pflegeleistungen sind auch immer große Belastungen für die Familien.

Frau Bundesministerin, ich danke dir für die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament, und ich danke dir auch dafür, dass du immer ein offenes Ohr hast, wenn es darum geht, Maßnahmen, Förderungen, Unterstützungen für Familien auf Schiene zu bringen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.43.02

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich irrsinnig, dass wir heu­te einen weiteren Punkt aus dem Regierungsprogramm umsetzen, nämlich die deutli­che Erhöhung der Zuverdienstgrenze für alle Bezieher der Familienbeihilfe von bisher 10 000 Euro auf 15 000 Euro, und das alles schon rückwirkend ab dem laufenden Jahr 2020. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor gut einem Jahr hat mich eine Studienkollegin der Linzer Uni angerufen und mir erzählt, dass sie neben ihrem Informatikstudium immer gearbeitet hat, um sich einerseits das Studentenheim in Linz zu finanzieren, um das erste eigene Geld zu verdienen und ein bisschen unabhängiger von den Eltern zu sein und um andererseits natürlich Berufs­praxis neben dem Studium zu sammeln. Sie hat nebenbei gekellnert, wie es viele Stu­denten machen, in den Ferien viel Vollzeit gearbeitet und nun einen Job in einem techni­schen Unternehmen angenommen. Das ist eine enorme Chance für eine angehende Informatikerin.

Einige Monate später kam dann die bittere Nachricht vom Finanzamt: Rückzahlung der Familienbeihilfe. Ein großer Teil des Geldes, das sie sich durch ihren neuen Job erar­beitet hat, wandert so wieder zurück an den Staat. Sie ist also quasi umsonst arbeiten gegangen und hätte am Ende mit deutlich weniger Arbeit nahezu gleich viel Geld in der Tasche gehabt. Und so wie meiner Studienkollegin geht es vielen Studentinnen und Studenten in Österreich, denn neun von zehn Studierenden arbeiten neben ihrem Stu­dium.

Vor zwei Wochen hat sie mich dann wieder angerufen und sich bedankt, denn vor zwei Wochen ist dieser Beschluss durch den Ministerrat gegangen, dass wir die Zuverdienst­grenze deutlich erhöhen, und zwar auf 15 000 Euro, und heute beschließen wir das Ganze auch hier im Plenum des Nationalrates.

So geht junge Politik: Studenten sollen nicht bestraft werden, wenn sie zusätzlich zum Studium noch arbeiten gehen, und deshalb erhöhen wir die Zuverdienstgrenze, um die Studierenden mit Nebenjob zu entlasten. Sie können nun mehr dazuverdienen, ohne


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 217

fürchten zu müssen, dass sie die Familienbeihilfe verlieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.45


19.45.07

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich sehe, dass die Klubs keine Sitzungsunterbrechung wünschen. Ist das korrekt? – Das ist korrekt.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, samt Titel und Eingang in 353 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Entwurf ihre Zustim­mung erteilen, um ein Zeichen der Bejahung. – Damit ist der Entwurf auch in dritter Le­sung einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit den Hürden beim Fa­milienhärtefonds – Jedes Kind ist gleich viel wert“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mi­chael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Familienhärtefallfonds 2.0“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen gegen Kinderar­mut“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird und ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen geändert wird, samt Titel und Eingang in 367 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich an­genommen. Der Entwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 368 der Beilagen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 218

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist auch in dritter Le­sung einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Aus­schusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 369 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.48.2615. Punkt

Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz ge­ändert wird (832/A)

16. Punkt

Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bun­desgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG) geändert wird (831/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Hinsichtlich des Antrages 832/A wurde dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie eine Frist zur Berichterstattung bis 22. September 2020 gesetzt.

Hinsichtlich des Antrages 831/A wurde dem Justizausschuss eine Frist zur Berichter­stattung ebenfalls bis 22. September 2020 gesetzt.

Es liegt kein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Süleyman Zorba. – Bitte schön, Herr Abgeord­neter.


19.49.47

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Bei der heutigen Änderung im Berufsausbildungsgesetz geht es um eine Maßnahme, die sich in der Krisensituation bewährt hat und weitergeführt werden soll. Die Kurzarbeit für Lehrlinge hat bis jetzt circa 5 000 Ausbildungsplätze im betrieblichen Umfeld abgesichert und jungen Menschen viel Stress und Sorgen erspart. Diese soll jetzt bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

Vor dem Sommer gab es Prognosen, die vor einem Worst-Case-Szenario mit bis zu 10 000 fehlenden Lehrplätzen im September gewarnt haben. Wir hatten auch hier im Plenum einige Debatten über dieses wichtige Thema der Jugendarbeitslosigkeit. Die Si­tuation der Ungewissheit hat jungen Menschen, mit denen ich auch in Kontakt gestanden bin, viel Nerven gekostet. Ich bin froh, dass wir hier die richtigen Maßnahmen auf den Weg bringen konnten, die genau das verhindert haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 219

Die Zahl der Lehrstellen und jene der Lehrstellensuchenden haben sich großteils jenen der letzten Jahre angeglichen. Unser Ziel war es, mit einem Mix an Maßnahmen beste­hende Ausbildungsplätze abzusichern und mit Anreizen für Unternehmerinnen und Un­ternehmer neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Derzeit gibt es circa 10 000 offene Lehr­stellen und 12 000 Lehrstellensuchende. Was sich in den Statistiken wieder zeigt, sind regionale Probleme, die wir auch vor der Krise hatten und die jetzt noch einmal verstärkt wurden. (Beifall bei den Grünen.) Es gibt Bundesländer, in denen im Vergleich zum letz­ten Jahr derzeit mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, leider gibt es auch Bun­desländer, in denen derzeit weniger als im letzten Jahr verfügbar sind. Diesen Proble­men müssen wir uns auch abseits der bestehenden Coronakrise ohne gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Bundesländern und dem Bund widmen.

Erfreulich ist, dass der Lehrlingsbonus mit bis zu 3 000 Euro pro Lehrling schon über 7 800 Mal von interessierten Unternehmerinnen und Unternehmern beantragt wurde. Trotz dieser erfreulichen Zahl war natürlich abzusehen, dass die bevorstehende Schief­lage nicht nur im betrieblichen Umfeld gelöst werden kann, deshalb wurden auch im überbetrieblichen Bereich 2 600 zusätzliche Plätze geschaffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wichtig ist in diesem Zusammenhang klarerweise, dass wir die Entwicklungen auf dem Arbeits- und Lehrstellenmarkt weiterhin genau beobachten und weitere entsprechende Maßnahmen zur Absicherung der Ausbildungsplätze auf den Weg bringen können. Die Verlängerung der Kurzarbeit für Lehrlinge bis zum 31. März 2021 stellt in diesem Zu­sammenhang nur einen wichtigen Mosaikstein dar.

Wir haben es uns zum Ziel gemacht, jungen Menschen die bestmöglichen Chancen auch in einer Krisensituation zu bieten. Das Schlimmste für den September konnten wir ver­hindern. Damit der Trend jedoch weiterhin positiv bleibt, müssen wir an offenen Baustel­len wie den regionalen Unterschieden arbeiten.

Ich hoffe auf breite Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.53.11

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Die beiden Vorschläge, die wir jetzt vorliegen haben, zeigen uns nur eines: Die Covid-Krise geht weiter – die wirtschaftlichen Folgen auch. Ich hoffe halt, dass die Schlamperei und das unglückliche Agieren der Bundesregierung für die Hilfen der Wirtschaft nicht weitergehen, denn sonst kommen wir in noch heftigere Probleme hinein.

Jetzt könnte man als Österreicher sagen: Wir haben ja eine Chance: Wenn Gernot Blü­mel in Wien gewinnt, könnte sich der Finanzminister dorthin verkrümeln. Aber ich als leidenschaftlicher Wiener befürchte das und möchte nicht den grünen Gernot wie den Schwarzen Peter in Wien zugeschoben bekommen und gehe daher davon aus, dass wir uns hier auch weiterhin mit Dingen wie sechs fehlenden Nullen, Gedächtnislücken, 86 Mal in 3 Stunden, einem Laptop, an den man sich nicht erinnern kann, Freunden, die Wirte sind und schon einen Monat vorher 5 Prozent Umsatzsteuer verrechnen, beschäf­tigen müssen; ich befürchte, dass uns all diese Dinge nicht erspart bleiben.

Meine Bitte an die Regierungsfraktionen: Nehmt die ein bisschen an die Kandare! Manchmal hat man schwächere Regierungsmitglieder, dann muss man als Parlaments­fraktion der Regierung in stärkerem Ausmaß helfen. Macht das endlich, der kann das nicht! (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 220

In diesem Sinne hoffe ich für Wien, dass er Wien erspart bleibt. Bisher war es eine gut verwaltete Stadt – das sollte nicht schlechter werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

19.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.55.03

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Christoph Matznetter, das Thema ist duale Ausbildung (Zwischenruf des Abg. Matznetter) – und duale Ausbildung ist zu wich­tig, als dass wir hier deinem Wahlkampf einen Nebenschauplatz bieten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das sagt gerade die ÖVP!)

Ja, die duale Ausbildung ist eines der Erfolgsmodelle der Ausbildung in Österreich, näm­lich auch als Vorbild für ganz Europa, und deshalb ist es auch so wichtig, dass wir die Unternehmer dazu motivieren, dass sie weiter ausbilden, dass sie jungen Menschen ei­ne Chance geben und dass die jungen Menschen zu Fachkräften heranwachsen und ausgebildet werden. Das ist ganz wichtig, denn die Wirtschaft braucht gute Fachkräfte und die jungen Menschen brauchen einen sicheren Arbeitsplatz, und das können wir in der dualen Ausbildung bestens miteinander verbinden, meine Damen und Herren. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Kollege Zorba hat ja die Details dieser Verlängerung der Kurzarbeit für Lehrlinge schon erläutert. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass wir neben der Kurzarbeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch die Kurzarbeit für die Lehrlinge verlän­gern, denn das ist auch eine ganz wichtige Maßnahme für diese jungen Menschen.

Schauen wir uns ganz kurz die duale Ausbildung an: In Österreich sind ungefähr 100 000 junge Menschen in dieser dualen Ausbildung. Das heißt, vier von zehn Jugend­lichen sind in einer Ausbildung, die eben berufsorientiert ist, im Rahmen derer ihnen in einem Betrieb etwas gezeigt wird, was sie für ihr Leben brauchen können. Deshalb ist diese Ausbildung eine der besten, die es in Europa gibt.

Auch die Zahlen sprechen doch eine sehr schöne und deutliche Sprache: Die Zahl der Ausbildungsbetriebe und die Zahl der Lehrlinge ist ziemlich stabil und wir haben heuer trotz Krise nur einen ganz minimalen Rückgang. Was mich besonders freut, ist, dass wir in meinem Heimatbundesland Salzburg sogar eine Steigerung in diesem Bereich haben.

Wir haben momentan ungefähr 32 000 Lehrlinge im ersten Lehrjahr. Das heißt also, die Maßnahmen, die wir hier gesetzt haben, waren richtig. Die Lehrlinge haben einen Ar­beitsplatz und die Betriebe haben junge Menschen, die sie ausbilden können. Also sum­ma summarum können wir sagen: eine Erfolgsgeschichte, die weiter fortgeschrieben wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


19.57.39

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Haubner und liebe Kollegen von den Grünen, so rosig ist die Situation für die Lehrlinge leider nicht. Es ist zwar der richtige Schritt, dass wir jetzt diese Kurzarbeitsmöglichkeit bis März 2021 verlängern, aber man sollte schon noch das eine oder andere tun, um die fehlenden Lehrplätze vielleicht schaffen zu können. Wir haben derzeit rund 10 000 Lehrstellensuchende und diesen


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stehen rund 7 000 Lehrplätze gegenüber. Sehr dramatisch ist die Situation in Wien, wo gegenüber dem Vorjahr 41 Prozent der Lehrstellen fehlen. In Wien läuft es also offen­sichtlich auch nicht so rund.

Es gibt einen Beschluss der Regierung, dass Lehrstellen mit 2 000 Euro bis 3 000 Euro gefördert werden – das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben schon das letzte Mal über den Blum-Bonus gesprochen: Dies wäre eine Förderung über die gesamte Lehrzeit, auch für bestehende Lehrlinge, nicht nur für Lehrlinge, die neu eingestellt wer­den. Das wäre ein entsprechender Anreiz, denn durch diesen wurden auch in der Zeit zwischen 2004 und 2008 12 000 neue Lehrstellen geschaffen. Frau Minister, Sie haben ja selbst über die Einführung dieses Blum-Bonus nachgedacht, zumindest haben Sie es einmal in einer Pressekonferenz erwähnt.

Herr Blum hat diesen Blum-Bonus mittlerweile auch überarbeitet, und wir bringen hiermit einen Antrag betreffend diesen überarbeiteten Blum-Bonus als sogenannten Corona-Blum-Bonus ein, nämlich 400 Euro pro Monat im ersten Jahr, 200 Euro pro Monat im zweiten Jahr und 100 Euro pro Monat im dritten Jahr:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Corona“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der das Fördermodell ‚Blum-Bonus-Corona‘, welches einen monatlichen Zu­schuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer und weiterer Abgeordneter

betreffend Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Corona

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 15: Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird(832/A) in der 51. Sitzung des Nationalrates am 23. September 2020

„(…) Es bleibt zu befürchten, dass im Sommer/Herbst 2020 durch den krisenbedingt verringerten Fachkräftebedarf und den erhöhten Kostendruck vieler Unternehmen auch Auswirkungen auf das Lehrstellenangebot sichtbar werden könnten.“ Diese im Bericht zur Situation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung in Österreich 2018-2019 zum Ausdruck gebrachte Befürchtung hat sich mittlerweile in Anbetracht der Zahlen be­stätigt.

„August-Arbeitslose - Größere Lehrstellenlücke und weniger freie Jobs -

Die Lage für Arbeitslose und angehende Lehrlinge blieb auch im August schwierig. So gibt es mehr Lehrstellensuchende als angebotene Lehrstellen, es fehlen 2.822 Lehrstel­len. Die Lehrstellenlücke hat sich durch die Coronakrise deutlich erhöht. Den 10.483 sofort


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verfügbaren Lehrstellensuchenden (ohne überbetriebliche Lehrausbildung) standen 7.661 so­fort verfügbare Lehrstellen gegenüber.“ APA0260 01.Sep 2020

Besonders dramatisch ist die Situation in Wien: Hier lässt sich die größte Veränderung in der Stadt Wien feststellen, wo es im Juni 2020 ein um 41,2 Prozent geringeres Lehr­stellenangebot gab als im Juni des Vorjahres. (Wiener Zeitung, 06. August 2020)

Laut einer Market-Studie vom Mai dieses Jahres wird es im kommenden Herbst einen eklatanten Lehrstellenmangel geben.

„In Summe dürften das rund 10.000 Ausbildungsplätze weniger sein, als noch vor der Coronavirus-Krise geplant war“, so Studienautor David Pfarrhofer. Besonders betroffen sei dabei der Handel mit rund 3.500 Lehrstellen, der Bereich Gewerbe und Handwerk mit 3.000 und der Tourismus mit rund 2.000 Lehrstellen, die nicht besetzt würden.

Jeder dritte Betrieb, der im heurigen Herbst keine Lehrlinge einstellt, plant laut Umfrage, auch im nächsten Jahr keine Lehrlinge aufzunehmen. „Dies würde einen massiven Schaden für die duale Ausbildung bedeuten,“ so Pfarrhofer. https://ooe.orf.at/stories/
3048849/ 16.05.2020

Der beschlossene Lehrlingsbonus, wird aber das vorherrschende Problem nicht lösen können und ist – so Egon Blum in der von ihm kürzlich verfassten Lehrlingsbroschüre „Corona Bonus“ – „lediglich eine Anerkennung für all jene Unternehmen, die sich zum Teil über Jahrzehnte für eine optimale berufliche Qualifikation unserer Jugend mit hohem Engagement bemühen.“ In Zusammenhang mit der oben zitierten Market-Studie, wo­nach im Herbst bis zu 10.000 Ausbildungsplätze fehlen könnten, stellt Blum fest, dass „es aus seiner Sicht und Erfahrung realitätsfremd sei, diese Megaproblematik mit einer Prämie von 2.000 oder 3.000 Euro lösen zu wollen.“

Ein Unternehmen investiert allein im ersten Lehrjahr pro Lehrling im Schnitt 19.739 Euro, im dritten bereits rund 26.500 Euro.

Eine Lehrlingsförderung zur Schaffung und zum Erhalt von Lehrplätzen, die dem tat­sächlichen Stellenwert der Lehre für den Wirtschaftsstandort Österreich entspricht und die die Unternehmen, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen, auch eine finan­zielle Wertschätzung für ihr Engagement Fachkräfte auszubilden, entgegenbringt, ist da­her ein Gebot der Stunde.

Aus diesem Grund fordern die unterfertigten Abgeordneten die Umsetzung des nachste­hend dargelegten Fördermodells von Egon Blum:

Fördervorschlag „Blum-Bonus-Corona mit Erfolgspotential 400/200/100 für alle Erstjahr­lehrlinge im Jahre 2020“ (nicht nur für zusätzliche Lehrstellen).

Das erfolgreiche Lehrstellenfördermodell Blum-Bonus Modell 1, mit dem zwischen 2004 und 2008 über 12.500 zusätzliche betriebliche Lehrstellen geschaffen werden konnten, kann, bezogen auf die Förderphilosophie, auch zur Bewältigung der Corona Herausfor­derung erfolgreich angewendet werden, indem alle Lehrlinge des ersten Lehrjahres be­rücksichtigt werden und nicht nur die zusätzlichen Lehrlinge.

Rechnung:

- € 400,00 pro Monat 14x im ersten Lehrjahr € 5.600, --

- € 200,00 pro Monat 14x im zweiten Lehrjahr € 2.800,--

- € 100,00 pro Monat im dritten Lehrjahr € 1.400,--

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch Bundesministerin Magarete Schramböck Überlegungen in Richtung eines Blum-Bonus anstellt, wenn sie kürzlich in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten vom 18.01.2020 mitteilte, dass „wir


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prüfen, welche Anreize wir schaffen können und welche Strukturen Unternehmen brau­chen, um mehr Lehrlinge auszubilden. Da wollen wir den Blum-Bonus als Input mitneh­men,“ stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der das Fördermodell „Blum-Bonus-Corona“, welches einen monatlichen Zu­schuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.59.36

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich äußere mich zur No­velle zum 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz.

Das Gesetz ist an sich unproblematisch. Es sind darin die Fristverlängerungen vorge­sehen, die eben notwendig sind, weil uns die Pandemie nicht so schnell verlässt. Insbe­sondere betreffend die Insolvenzordnung ist es wichtig, dass die Frist erstreckt wird, damit die Unternehmen nicht wegen allfälliger Überschuldung in die Zwangslage kom­men, Insolvenzanträge stellen zu müssen.

Ich nutze aber die Gelegenheit, um weiters auch über eine Ampel zu berichten, die bis jetzt natürlich einen nicht so breiten Kreis der Bevölkerung betrifft. Es gibt auch eine Justizampel, und diese Justizampel blinkt sehr merkwürdig.

Im Bereich des Oberlandesgerichtes Innsbruck zum Beispiel hat sie nur drei Farben. Dort wird grün und gelb gleichgeschaltet, und bei orange ist zwingend vorgesehen, dass sich jeder Besucher des Gerichtes die Temperatur messen lassen muss. Das halte ich in rechtlicher Hinsicht für einigermaßen problematisch, weil es doch nach der Daten­schutz-Grundverordnung nicht so einfach ist, solche persönlichen Daten zu erheben. Im Bereich des Landesgerichtes Graz ist es ein bisschen lockerer, dort braucht man das nicht. Im Bereich des Justizzentrums Wien blinkt die Ampel für die Innere Stadt Wien wieder komplett anders. Dort ist generell vorgesehen, dass für die Dauer der von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Eindämmung der Pandemie die Verpflichtung besteht, sich mit einem kontaktlosen Fieberthermometer Fieber messen zu lassen.

Es gibt da also eine Zersplitterung, die Ampel blinkt ganz verrückt. Jetzt sage ich, es ist ja an und für sich ganz nett, wenn Lichter bunt blinken, das passt in eine Dorfdisco, aber als Mittel zur Pandemiebekämpfung ist das kein geeigneter Weg. Ich richte den dringen­den Appell an die Justizministerin, dass sie da einen rechtskonformen und vor allem österreichweit einheitlichen Zustand herstellt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

20.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Agnes Sirkka Pram­mer. – Bitte schön, Frau Abgeordnet


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 224

e.


20.02.32

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Noch einmal ist es notwendig, die Fristen zu verlängern, die es ermöglichen, Kredite zu stun­den und Insolvenzanträge wegen Überschuldung zu stellen. Warum ist es notwendig? – Weil immer noch viele KreditnehmerInnen in einer wirtschaftlichen Situation sind, in der es schlicht und einfach noch nicht möglich ist, wieder in normale Rückzahlungspläne zurückzufinden. Wir befinden uns nach wie vor in einer gravierenden Gesundheits- und Wirtschaftskrise.

Um den Menschen und den Unternehmen zu helfen, die in guten Zeiten Verbindlich­keiten eingegangen sind, die sie jetzt in dieser völlig unvorhersehbaren schwierigen wirt­schaftlichen Situation nicht mehr bedienen können, haben wir ursprünglich alle gemein­sam diese Bestimmungen im Covid-19-Justiz-Begleitgesetz geschaffen. Wir können mit der Verlängerung dieser Fristen aus zahlreichen Haushalten und Unternehmen enormen Druck herausnehmen und gleichzeitig vorzeitige Insolvenzverfahren verhindern, die nach einer Stabilisierung dieser Verhältnisse nicht mehr notwendig werden.

Die Regelung gibt genau jenen die Luft zum Atmen, denen jetzt unverschuldet das Was­ser bis zum Hals steht. Sie hilft ihnen, weiter durchzutauchen, bis die wirtschaftlichen Verhältnisse wieder so sind, wie sie sie beim Eingehen der Verbindlichkeiten eingeplant haben, und dann können sie auch die Rückzahlungen wieder aufnehmen. Gleichzeitig ersparen wir zahlreichen Unternehmen, eine weitgehend unberechenbare Fortbeste­hensprognose in Auftrag geben zu müssen und bezahlen zu müssen, und erleichtern die Gewährung von Darlehen durch Gesellschafter, indem wir die Bestimmungen für de­ren Rückzahlbarkeit noch etwas erweitern werden.

Ich hoffe deshalb auch hier wieder auf eine breite Zustimmung für diese sehr sinnvollen Regelungen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte schön.


20.04.43

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und liebe Kollegen! Wenn es dem Wiener Bürgermeister Ludwig und seinem Gemeinderat möglich ist, eine Lehrplatzgarantie auszusprechen, dann verstehe ich nicht, warum diese Bundesregierung sich mit Händen und Füßen da­gegen wehrt, eine Lehrplatzgarantie auszusprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, wie es jungen Menschen geht, die keine Perspektive haben? Wissen Sie, wie es jungen Menschen geht, die einen Beruf erlernen wollen und keine Lehrstelle fin­den?

Sebastian Kurz ist bei der Nationalratswahl angetreten, um etwas zu verändern. Er hat gesagt: Es ist Zeit! – Und ich frage: Aber wofür? Dafür, dass die Menschen Angst haben, dafür, dass viele Menschen keine Perspektive haben?

Das betrifft auch sehr, sehr viele junge Leute. 42 000 junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren waren im Sommer arbeitslos. Das war um die Hälfte mehr als im Ver­gleichszeitraum 2019. Vielleicht waren auch welche darunter, die zum Beispiel in Zu­kunft eine Tourismuslehre machen wollten, die die gefragtesten Hotel- und Gastronomie­ausbildungen weltweit absolvieren wollten, die bestausgebildete und international ge­fragteste Fachkräfte werden wollten? Was ist mit denen? – Die finden keine Lehrstelle. Für Gastronomiefachkräfte, wozu zum Beispiel der klassische Kellnerlehrling zählt, gibt es heuer im September um 50 Prozent weniger Anmeldungen als im vorigen Jahr.

Im Lehrberuf Reisebüroassistentinnen und -assistenten finden normalerweise 60 Lehr­anfänger österreichweit einen Lehrplatz oder eine Ausbildungsmöglichkeit. Diesmal sind es sechs Anmeldungen für einen Ausbildungsumfang von drei Jahren und ein paar ande­re mit einem verkürzten Lehrvertrag.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 225

Da ist eine vorausschauende Politik gefragt, die es trotzdem schafft, den jungen Men­schen eine Ausbildung zu ermöglichen. Deshalb bringen wir auch wieder einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein umfassendes Lehrlingspa­ket vorzulegen, das allen Jugendlichen, die in den nächsten Monaten eine Lehre starten möchten und in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise keinen Platz finden, einen ent­sprechenden Lehrplatz – in Kooperation mit den Ländern – in überbetrieblichen Lehr­werkstätten bzw. direkt bei der öffentlichen Hand garantiert.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Wir möchten, dass der Bund Lehrlinge aufnimmt, wir möchten, dass die Länder Lehrlinge aufnehmen, und wir wollen, dass der Bund die Gemeinden unterstützt, wenn es um Lehr­linge geht. (Beifall bei der SPÖ.)

20.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Klaus Köchl

Genossinnen und Genossen

Betreffend: Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona

Eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 15 Antrag der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (832/A)

Wir befinden uns am Beginn der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren. Die Auswirkungen am heimischen Arbeitsmarkt – auch aufgrund der katastrophalen Regie­rungsperformance in Österreich - sind schon jetzt dramatisch. Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im März binnen weniger Wochen um rund 200.000 gestiegen. Bis zu 1,2 Mil­lionen Menschen waren in Kurzarbeit. Ob alle davon in den Arbeitsmarkt zurückkehren können, bleibt zu bezweifeln.

Besonders betroffen sind schon heute die jungen Menschen in unserem Land: Bei jenen unter 25 ist die Arbeitslosigkeit um mehr als 1/3 gestiegen. Und der nächste harte Schlag wartet schon: tausende Jugendliche werden unter den jetzigen Voraussetzungen in den nächsten Monaten keine Lehre beginnen können.

Was ist das Problem?

Durch den weltweiten Wirtschaftseinbruch und damit verbundenen Nachfrageeinbruch fahren die Unternehmen nicht nur die Produktion zurück, sie stellen sich auch auf einen geringeren Absatz ein – somit halten sich Unternehmen auch mit der Neuanstellung von Lehrlingen zurück. Viele Unternehmen verhängen aufgrund der unsicheren Lage einen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 226

Aufnahmestopp. ExpertInnen gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten zwi­schen 7.000 und 8.000 Lehrstellen fehlen werden.

Die geplanten Maßnahmen der Regierung reihen sich in die schon getroffenen Maßnah­men ein: Plakative Überschriften statt echter Hilfe. Auch hier gilt: Die Regierung will das Problem nicht lösen, sie will es wegkommunizieren. Der Lehrstellenmangel wird nicht behoben, er wird von Seiten der Regierung geleugnet werden.

Was haben wir also zu tun?

Die Regierung muss allen betroffenen Jugendlichen, die in der Wirtschaft nicht unter­kommen, einen entsprechen Lehrplatz anbieten - entweder in einer überbetrieblichen Lehrwerkstatt oder direkt beim Bund.

Dafür ist eine entsprechende Aufstockung der Lehrstellen im Bund bzw. in den überbe­trieblichen Lehrwerkstätten notwendig.

Die Ausbildungsgarantie bis 25 muss wiedereingeführt werden.

2019 ist die Ausbildungsgarantie ausgelaufen, weil schwarz/blau sie nicht mehr budge­tiert hat. Sie muss wieder aktiviert werden.

Wir alle wissen, wer nur über einen Pflichtschulabschluss verfügt, ist vergleichsweise öfter von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Ausbildungsgarantie bis 25 qualifiziert junge Menschen für den Arbeitsmarkt und schützt sie am besten davor, keine Arbeit zu finden. Für die jungen Menschen in diesem Land ist es daher immens wichtig, die Ausbildungs­garantie wiedereinzuführen.

Halbierung der Lehrlingsentschädigung für über 19-jährige zurücknehmen

Unter schwarz-blau wurden die Lehrlingsentschädigungen – in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten – für ältere Lehrlinge halbiert. Diese Halbierung muss die Regierung sofort zurücknehmen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein umfassendes Lehrlingspa­ket vorzulegen, das allen Jugendlichen, die in den nächsten Monaten eine Lehre starten möchten und in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise keinen Platz finden, einen ent­sprechenden Lehrplatz – in Kooperation mit den Ländern – in überbetrieblichen Lehr­werkstätten bzw. direkt bei der öffentlichen Hand garantiert.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.07.52

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, wir haben wahrlich schwierige Zeiten hinter uns und wahrscheinlich noch für einen gewissen Zeitraum vor uns, und viele Menschen sind unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Wir haben in den letzten Monaten ein Bündel an Maßnahmen verabschiedet – mit dem Ziel, die Gesundheit zu schützen, die Wirtschaft zu stärken und Arbeitsplätze zu retten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 227

Im Rahmen dieser Maßnahmen und dieses Bündels haben wir unter anderem für Kleinstunternehmer und Private die Möglichkeit geschaffen, ihre Kredite bei den Banken zu stunden, um auf die Einkommensausfälle, die diese Kleinstunternehmer oder Priva­ten haben, eben entsprechend zu reagieren.

Das Zweite, das wir gemacht haben: Wir haben die sogenannte Insolvenzbremse ge­schaffen. Das heißt, alle Unternehmen, die schon ab März überschuldet sind, müssen nicht sofort den Insolvenzantrag stellen.

Die aktuelle Situation kennen Sie alle: Die Infektionszahlen steigen, die wirtschaftliche Situation ist nach wie vor schwierig, für manche Unternehmerinnen/Unternehmer, für manche Private verschlechtert sie sich noch immer, insbesondere dann, wenn sie den Arbeitsplatz verlieren. Wir wollen daher eben diese Regelung zur Kreditstundung verlän­gern und auf der anderen Seite auch die Insolvenzbremse wieder verlängern, denn un­sere Maßnahmen, die wir natürlich auch mithilfe der Wirtschaftsministerin beschlossen haben, helfen. Der Fixkostenzuschuss kommt an, die Kurzarbeit wirkt, und der Härtefall­fonds für Unternehmer hilft auch, und gerade deshalb glauben wir, dass die Unternehmer aus dieser ganz schwierigen wirtschaftlichen Situation auch wieder rauskommen.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Thema Kredite, Kreditstundungen sagen, einfach um Folgendes klarzustellen: Die Kreditstundungen verlängern die Laufzeiten automa­tisch, solange der Kreditnehmer mit seiner Bank nichts anderes vereinbart.

Klar ist auch, dass in dieser Zeit ebenso die anfallenden Sollzinsen erst später fällig werden; die Sollzinsen fallen aber natürlich an. Diese Vorgehensweise, das wurde auch bestätigt – das haben wir auch mit der Ausschussfeststellung im Juni festgemacht –, entspricht eben auch den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsicht. Diese Leitlinien besagen, dass diese Stundungen keine Auswirkungen auf die Vertragskonditionen ha­ben sollen, vor allem aber auch nicht auf die Zinsen. Daher ist es ganz klar: Die Zinsen fallen in dem Ausmaß weiter an, auf sie kann aber auch nicht verzichtet werden.

Ich hoffe, dass wir mit der Verlängerung der Kreditstundungsmöglichkeiten und der Insol­venzbremse Menschen und Unternehmen in Österreich helfen können und ihnen das Leben erleichtern. Ich ersuche Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, um die Zustimmung zu diesen Vorgehensweisen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

20.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.10.47

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Ministerin! Ich möchte kurz auf das Covid-19-Gesetz und die Fristverlängerung für Kredite eingehen. Wir haben diese Kredite bis 31. Oktober gestundet gehabt und jetzt geht es bis 31. Jänner, das sind dann zehn Monate. Ich habe in allen Gesetzen nachge­schaut: Mir ist nicht bekannt, dass nach diesen zehn Monaten auch eine Verlängerung des Kredites nach hinten dazugenommen wird. Ich habe das nirgendwo in einer gesetzli­chen Bestimmung gefunden.

Ich sage Ihnen aber, was das in der Realität bedeutet: Wenn nach diesen zehn Monaten, am 31. Jänner, keine Verlängerung des Kredites stattfindet, dann muss, und das ist klar­gestellt, eine Neugewährung des Kredites vorgenommen werden. Das heißt letztendlich für Hunderttausende Kreditnehmer in Österreich, dass eine Prolongierung des Kredites aufgrund dessen, dass ihre wirtschaftliche Lage sich in den letzten zehn Monaten ver­schlechtert hat, eine Zinserhöhung nach sich zieht und dies letztendlich für jetzige Kredit­nehmer, die derzeit eine Verlängerung des Kredites haben, Beträge von Hunderten, Tausenden Euro, vielleicht sogar Millionenbeträge verursacht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 228

Das sollte man vielleicht gemeinsam mit der Ministerin, aber auch mit den zuständigen Stellen klären, denn wenn das wirklich der Fall ist, dann haben wir heute hier den Bock zum Gärtner gemacht, indem wir eine Stundung der Kredite vornehmen und am Ende des Tages erfolgt die Fälligstellung. Das sollten wir uns wirklich gemeinsam im Plenum anschauen und darüber nachdenken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Mag.a Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.12.33

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehr­te Damen und Herren! Hohes Haus! Bei der vorliegenden Änderung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes sollen Kreditnehmer und Kreditnehmerinnen weiter entlastet und Rückzahlungsstundungen bis 31. Jänner 2021 verlängert werden. Es geht also um Zins- und Tilgungsleistungen, um die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschul­dung sowie um Kredite nach dem Eigenkapitalersatz-Gesetz.

Viele, sehr viele rechtschaffene Menschen in Österreich sind aufgrund der Pandemie in Existenznöte geraten. Viele haben ihre Arbeit verloren und Unternehmerinnen und Un­ternehmer leiden unter Umsatzrückgängen oder mussten sogar ihren mit viel Engage­ment und Verzicht gegründeten Betrieb wieder zusperren. Die beschlossenen Hilfsmaß­nahmen greifen aber gerade bei Kleinst- und Kleinunternehmen oft nicht und zahlreiche Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer können ihre Rückzahlungsraten derzeit einfach nicht bezahlen. Dazu gehören leider auch Menschen, die – dem Rat des Bundeskanzlers folgend – den Mangel an leistbarem Wohnraum mit dem Kauf einer kleinen Wohnung beheben wollten.

Daher ist eine gesetzliche Fristverlängerung um weitere drei Monate dringend notwen­dig. Die Frage ist nur: Was kommt im Feber? Werden dann die vielen Menschen wieder einen Arbeitsplatz finden? Werden die Kleinst- und Kleinunternehmen wieder ausrei­chende Umsätze erzielen? – Ich befürchte, das wird nicht so schnell gehen.

Der Bundeskanzler sah noch vor kurzer Zeit Licht am Ende des Tunnels, jetzt sagt er, er hätte schon seit langer Zeit eine Verschärfung der Maßnahmen eingefordert – ein Zickzackkurs, der nicht nachvollziehbar ist. Gleiches gilt für die gesetzten Maßnahmen und deren Lockerungen. Die Menschen in Österreich sind durchaus in der Lage, eine Krisensituation zu bewältigen, wenn evidenzbasiert, eindeutig und verständlich kommu­niziert wird. (Beifall bei der SPÖ.) Wird aber in kurzen Abständen von einem Extrem ins andere verfallen, ist es schwierig, die nötige Akzeptanz zu erreichen – einmal die Ampel als wichtiges Signalinstrument und dann scheinbar als Spielzeug des Gesundheitsminis­ters ohne jegliche Aussagekraft.

Diese Krise ist eine Ausnahmesituation, die nicht in wenigen Wochen oder Monaten an uns vorüberzieht. Das Virus wird nicht verschwinden, und wir müssen alle gemeinsam die Auswirkungen für die Menschen in Österreich so gering wie möglich halten. Die SPÖ hat intensiv an dem heute beschlossenen Covid-Gesetzespaket mitgearbeitet, zahlrei­che Verbesserungen erreicht und zum wiederholten Mal der Regierung einen Vertrau­ensvorschuss gegeben – und dies, weil es uns um die Gesundheit der Menschen und das Leben der Menschen in unserem Land geht. Ich bitte darum, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung diesem Vertrauen gerecht zu werden versuchen und die ihnen übertragenen Machtbefugnisse unter Beachtung der Ergebnisse von Wissen­schaft und Forschung, aber auch von Grund- und Freiheitsrechten nutzen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Kaufmann gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte schön.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 229

20.16.11

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, aber vor allem auch liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zuallererst, liebe Kolleginnen und Kollegen, möch­te ich schon sagen, dass ich über Kollegen Matznetter von der SPÖ sehr verwundert bin. Das Berufsausbildungsgesetz und die Novelle stehen auf der Tagesordnung und er geht hier heraus und spricht kein einziges Wort über die duale Berufsausbildung. Jetzt wissen wir, was der SPÖ die Lehre in Österreich wirklich wert ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor dem Sommer noch brachte die SPÖ hier im Hohen Haus eine Dringliche ein, be­treffend die Sorge, dass kein Lehrling einen Ausbildungsplatz findet, dass es in ganz Österreich katastrophal sein wird und die Regierung nicht die richtigen Lösungen hat. Was aber ist passiert? – Die duale Berufsausbildung ist gestärkt worden – die duale Be­rufsausbildung, die international wertgeschätzt wird, die duale Berufsausbildung, die in Österreich unsere Fachkräfte ausbildet, die duale Berufsausbildung, die mit ihren Fach­kräften den Standort Österreich auch in Zukunft sichern wird.

Unsere Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck war es, die sofort Maßnahmen eingeleitet hat, die mit dem Lehrlingsbonus zur richtigen Zeit geholfen hat und vielen Unternehmerinnen und Unternehmern in wirklich schwierigen Zeiten Mut gemacht hat, dass sie Lehrlinge ausbilden, damit wir auch in drei und in vier Jahren Fachkräfte haben. Eines ist uns Unternehmerinnen und Unternehmern, die jetzt noch krampfhaft nach Lehr­lingen suchen, auch klar: Wir brauchen diese Fachkräfte. Wir werden auch in drei oder vier Jahren diese jungen Menschen brauchen, die jetzt den Mut haben, diese Lehre zu beginnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben jetzt im Herbst österreichweit 12 000 offene Lehrstellen, aber nur 10 000 Lehr­stellensuchende gehabt. Ja, es stimmt, in Wien schaut das ein bisserl anders aus, aber ich möchte auch an alle Jugendlichen, die in Wien sind, folgende Botschaft richten: Viel­leicht ist das die ideale Gelegenheit, den Traumjob auch in den Bundesländern zu be­kommen, denn ich kenne ganz viele Unternehmerinnen und Unternehmer in den Bun­desländern, die sich freuen würden, junge engagierte Menschen in ihren Betrieben aus­bilden zu können. Die duale Berufsausbildung ist die richtige Ausbildung für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

20.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Peter Weidinger. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


20.19.04

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Wirtschaftsministerin! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen! Liebe Zuhörer! Unser ge­meinsames Ziel ist es, die Gesundheit zu stärken, die Wirtschaft zu unterstützen und Arbeitsplätze zu sichern. Daher ist es für uns notwendig, meine Damen und Herren, jene Menschen, die Einkommensausfälle erlebt haben, bedingt durch die Pandemie, die be­stimmte Voraussetzungen ausgelöst hat, zu unterstützen und ihnen zu helfen.

Wie macht man das? – Ganz klar, indem man auf der einen Seite Geldabflüsse für die Menschen dämpft und reduziert, und auf der anderen Seite Geldzuflüsse für die Men­schen ermöglicht. Das machen wir mit der Kurzarbeit, das machen wir mit der Einkom­mensteuersatzsenkung von 25 auf 20 Prozent, das machen wir mit der Investitionsprä­mie und das machen wir mit dem Kinderbonus.

Und an die Adresse der SPÖ: Verbreiten Sie hier bitte keinen Pessimismus! Optimismus ist angesagt! Die Investitionsprämie wirkt und wir haben sie erweitert, weil viele Unter­nehmen an dieses Land glauben und die Zukunft hier sehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 230

Meine Damen und Herren, Geldabflüsse im Rahmen eines Kreditmoratoriums zu redu­zieren bedeutet, dass private Haushalte und Kleinstunternehmen, die vor dem 15. März Kredite aufgenommen haben, aufgrund der Pandemie nicht in die Fälligkeitsfalle tappen. Wir haben die Fälligkeit bis 31. Oktober ausgesetzt; wenn Sie diesem Gesetz zustim­men, wird die Fälligkeit bis 31. Jänner ausgesetzt. Das ist wichtig, das ist gut. Inhaltlich unterstütze ich voll und ganz die Ausführungen unserer Justizsprecherin Mag.a Michaela Steinacker. Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, dieses wichtige Gesetz für Österreich zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.20


20.21.00

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Gibt es seitens der Berichterstattung den Wunsch auf ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Es gibt wohl auch keinen Wunsch der Klubs auf eine Sitzungsunterbrechung.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15, über den im Antrag 832/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbil­dungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Er­win Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrstellen schaffen durch Einfüh­rung des Blum-Bonus-Corona“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16, über den im Antrag 831/A enthaltenen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu Covid-19 in der Justiz geändert wird, samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 231

20.23.0017. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (354 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds zur Förde­rung der Beiträge der selbständigen Künstler zur gesetzlichen Sozialversicherung (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG) geändert wird (372 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger. – Bitte schön, Frau Abgeord­nete.


20.23.27

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen oder Screens! Wir beschließen heute eine Erhöhung des Coronahilfsfonds im Künstler-Sozialversicherungsfonds von 5 auf 10 Millionen Euro, was mich besonders freut, weil in diesem Fonds insbesondere jene ansuchen können, die bei allen anderen Fonds Schwierigkeiten haben, weil ihre Einkommen und ihre Beschäftigungen so heterogen sind, die Einkommen so niedrig sind, dass es schwierig ist, in andere Fonds hineinzu­kommen.

Zur einer Erzählung, die sich eingebürgert hat, nämlich dass die Künstler und Künst­lerinnen als Letzte etwas bekommen haben, kann ich nur sagen: Wenn man sich an die Fakten hält, waren sie die Ersten, die etwas bekommen haben, weil der Künstler-So­zialversicherungsfonds schon im März, Mitte März begonnen hat auszuzahlen; in der ersten Phase mit 2,1 Millionen Euro, in der zweiten Phase, die ab 10. Juli gelaufen ist, sind es 2,8 Millionen Euro. Es gibt noch Anträge, die wir gerne bearbeiten würden, da sie die Voraussetzungen erfüllen, und daher haben wir uns entschlossen, diesen Fonds auf 10 Millionen Euro zu erhöhen.

Ich erwähne noch ein paar andere Maßnahmen im Bereich Kunst und Kultur. Beim Über­brückungsfonds sind ungefähr 5 500 Anträge erledigt, die meisten von ihnen positiv; auch da versuchen wir, noch eine Änderung zu kriegen. Die Kollegen Schellhorn und Drozda geben morgen eine Pressekonferenz, in der sie die Frage stellen: „Stirbt die Kul­tur den stillen Corona-Tod?“ – Selbstverständlich nicht!

Wenn Sie sich ein bisschen umschauen, sehen Sie, dass von Bregenz bis Eisenstadt die Kultur lebt: Peter Fischli im Kunsthaus Bregenz; die Klangspuren in Schwaz in Tirol; die Grenze in St. Jakob/Šentjakob – ein wunderbares Projekt –; der Steirische Herbst; „Graffiti & Bananas“; die Ars Electronica in Oberösterreich; „Ich bin im Bilde“ im Periscope und „Freak the Funk!“ in Salzburg, „Magda Leeb – Die Kaiserin von Österreich“, ein Ka­barett in Eisenstadt; „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ im Landestheater Nie­derösterreich; Europaballett St. Pölten.

In Wien ist wie immer am meisten, da kann ich natürlich nur ein paar aufzählen: die Design Week eröffnet morgen; die Parallel Vienna; die Vienna Contemporary; Sie kön­nen in der Oper „Madama Butterfly“ sehen; „Die lustige Witwe“; im Theater „Der deutsche Mittagstisch“ von Thomas Bernhard; Sie können im Sonnwendviertel in Favoriten „Jattle, BAM and Poetry“ von Danceability sehen; Huggy Bears; Filmmatineen; was auch im­mer. – Das heißt, die Kultur lebt.

Einigen Kolleginnen und Kollegen hier würde ich insbesondere die großartige Ausstel­lung „Nach der Flucht“ in der Hauptbücherei Wien anempfehlen. Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wozu es führen kann, wenn Österreich Flüchtlinge aufnimmt, wie sie sich in das Land integrieren und wie ihre Karriere verläuft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 232

Und im Übrigen bin ich selbstverständlich noch immer dafür, dass die Windisch-Kaserne in Klagenfurt in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Thomas Drodza. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.27.34

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden wir der Verdoppelung des Covid-19-Fonds im Künstler-Sozialversicherungsgesetz von 5 auf 10 Millionen Euro zustimmen. Dass es damit aber bei Weitem nicht getan ist, wissen wir auch alle, auch wenn diese Schilderung dessen, dass das Kulturleben zwischen Bregenz und dem Neusiedler See stattfindet, zweifellos zutrifft. Wir wissen aber, dass die Hilfen, die bisher adressiert wur­den, nicht dort angekommen sind, wo sie ankommen sollten.

Wir haben jetzt ein holpriges halbes Jahr hinter uns, über das wir mehr schlecht als recht drübergekommen sind. Wir stehen jetzt vor einem weiteren halben Jahr, wo wir davon ausgehen müssen, dass es massive Einnahmenentgänge geben wird. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden wir am Ende der Pandemie vor kulturellen Mondlandschaf­ten stehen.

Es braucht daher aus unserer Sicht sehr kurzfristig drei Dinge:

Erstens: Wenn wir wollen, dass im Frühjahr, im Sommer kulturelles Leben stattfindet, müssen jetzt die Planungen beginnen. Dafür braucht es jetzt staatliche Garantien. Nie­mand weiß, wie sich die Situation entwickeln wird. Niemand weiß, wie sich die Einnah­men entwickeln werden. Wir brauchen jetzt einen Haftungsschirm und wir brauchen jetzt eine Unterstützung für die Veranstalter. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens braucht es – wir haben das bereits vor dem Sommer gefordert, wir werden das auch morgen wieder adressieren – eine finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Hygienekonzepten. Das ist etwas, das im Tourismus zur Verfügung gestellt wurde; es wurden 150 Millionen Euro bereitgestellt, die nicht abgeholt werden. Es gibt keinen ver­nünftigen Grund, mit diesen Geldern nicht die Kulturbetriebe zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens – und das sieht man an der Vielzahl von Protestmaßnahmen, die es jetzt gibt ‑: Es ist dringend der Diskurs mit den Kulturschaffenden wieder aufzunehmen, um ihnen eine Perspektive zu geben. Es braucht also endlich einen wirksamen Rettungsschirm für Kunst und Kultur, denn sonst, fürchte ich, wird – um ein Zitat zu paraphrasieren – am Ende jeder ein Kulturinstitut kennen, das die Coronakrise nicht überlebt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Ich kenn schon zwei!)

20.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.30.18

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsse­kretärin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Lieber Kollege Drozda, ich war im März ja selbst am Coronavirus erkrankt, Sie leiden aber an etwas anderem. Ich glaube, Sie leiden an Erinnerungsverlust, aber ich helfe Ihnen gerne noch einmal weiter (Abg. Drozda: Bitte!): Sie sagen, die Hilfen sind nicht angekommen. Hätten Sie Kollegin Blimlinger aufmerksam zugehört, dann wüssten Sie – sie hat es gerade erzählt –, was alles angekommen ist, wo es angekommen ist und wie viel. (Abg. Drozda: ... glaubt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 233

das auch wirklich, gell?) Gerade heute blicken wir nach vorne und wissen, dass noch viel zu tun ist, deswegen wollen wir ja auch den Künstler-Sozialversicherungsfonds heu­te auf 10 Millionen Euro verdoppeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Bundesregierung hat in den letzten Monaten ein ganzes Kulturpaket geschnürt, um die vielen Menschen im Kulturbereich in Österreich zu unterstützen. Dazu gehören der Härtefallfonds der Wirtschaftskammer (Abg. Drozda: Ja, ganz super hat der funk­tioniert!), die Kurzarbeit, die natürlich auch für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kulturbereich, in Museen und in Theatern in Anspruch genommen werden konnte, der Überbrückungsfinanzierungsfonds für selbstständige Künstlerinnen und Künstler in der Höhe von 90 Millionen Euro und die Rückversicherung der Filmwirtschaft in der Höhe von 25 Millionen Euro. Verschiedene Unterstützungsfonds gab es auch von den Verwer­tungsgesellschaften wie zum Beispiel von der AKM. Der NPO-Fonds, der Fonds für die gemeinnützigen Vereine in allen Lebensbereichen, aber natürlich vor allem auch für die Kultur hat bereits über 900 Kulturvereine unterstützt. Per 31. August sind an diese über 900 Vereine 13,8 Millionen Euro ausbezahlt worden.

Die Umsatz- beziehungsweise Mehrwertsteuersenkung von 10 beziehungsweise 13 Pro­zent auf 5 Prozent haben wir schon, und sie wird auch für das ganze kommende Jahr 2021 verlängert – für Kunst- und Kulturbetriebe, aber auch für Umsätze aus künst­lerischer Tätigkeit, für Bücher, Zeitungen et cetera –, weil Kunst und Kultur dieser Bun­desregierung wichtig sind. An dieser Stelle auch ein großer Dank an unsere Staatssekre­tärin Andrea Mayer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, der Künstler-Sozialversicherungsfonds soll um 5 Millionen Euro aufgestockt werden. Er war schon vor Corona ein wichtiges Instrument und hat Künstlerinnen und Künstlern geholfen, wenn sie in Notsituationen geraten sind. Der Covid-19-Fonds hat sich jetzt speziell um diese Situation – wenn die Einnahmen einbrechen, nämlich nicht nur für Künstlerinnen und Künstler, sondern auch für Kulturvermittlerinnen und Kulturvermitt­ler – gekümmert. Bis jetzt, bis 17. September, wurden 2,8 Millionen Euro ausbezahlt, und es geht weiter.

Wir befinden uns jetzt wieder in einer kritischen Phase in dieser Krise. Die Infektionszah­len steigen, besonders auch in Wien. Es gibt Reisewarnungen. Das bedeutet für den Tourismus, für die Stadthotels einen neuerlichen Schaden, aber auch für die Kultur, denn laut einer Studie haben vor Corona 70 Prozent der Wientouristen gesagt, sie kommen wegen Kunst und Kultur nach Wien. Die Albertina lebt zu einem großen Teil von Kultur­touristen. Die Wiener Staatsoper hat bis zu einem Drittel Besucher aus anderen Ländern.

Ich möchte aber mit einem positiven Gedanken schließen. Der Kulturveranstaltungsbe­reich in Österreich hat besonders auch über den Sommer weltweit positiv Schlagzeilen gemacht. Ganz, ganz positiv herausstreichen möchte ich die Salzburger Festspiele oder auch das Grafenegg-Festival in Niederösterreich. Es war beeindruckend, wie professio­nell die Coronapräventionskonzepte umgesetzt wurden, und sie waren ein wichtiges Bei­spiel und ein wichtiges Vorbild für den Herbst und den Winter.

Das Ansteckungsrisiko bei Kulturveranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen und ei­nem professionellen Präventionskonzept ist ein recht überschaubares. Wenn ich zum Beispiel höre, dass im Wiener Konzerthaus im Großen Saal die Luft pro Stunde vier Mal komplett ausgetauscht wird – ohne Luftzug und mit perfekter Feuchtigkeit, sodass es nicht so trocken wird, dass jemand husten muss –, dann kann ich die Zuseherinnen und Zuseher auch nur animieren: Wir befinden uns zwar in einer Pandemie, aber bitte nutzen Sie die kulturellen Angebote, die jetzt möglich sind und die stattfinden! Gehen Sie ins Theater, ins Konzert, in die Oper! Leisten Sie damit bitte auch einen Beitrag für die Kultur und unterstützen Sie die Kultur! Kultur muss weiter stattfinden, und Kultur braucht Publi­kum. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.35



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 234

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Mag. Volker Rei­fenberger. – Herr Magister, bevor Sie das Wort ergreifen, noch eine Bitte an die Manda­tare und Mandatarinnen: Mir ist aufgefallen, dass relativ viele Mandatare ihre gebrauch­ten Masken auf das Rednerpult legen. Ich schlage vor, das nicht zu tun, weil wir sonst das Gegenteil von dem erreichen, was wir eigentlich mit den Masken bezwecken wollten. (Beifall des Abg. Rauch.)

Bitte, Herr Magister.


20.35.28

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr verehrte Damen und Herren! Eines vorweg: Natürlich unter­stützen wir die Erhöhung des Künstler-Sozialversicherungsfonds von 5 auf 10 Millionen Euro. Es war eigentlich schon im Frühjahr klar, dass die 5 Millionen nicht für das ganze Jahr ausreichen werden. Daran ist aber nur zum Teil Covid-19 schuld, die wahren Schul­digen sitzen eigentlich links und rechts von mir auf der Regierungsbank, beziehungswei­se sie säßen hier, wenn sie heute anwesend wären.

Mit der Politik der Angst unserer Bundesregierung, mit völlig überzogenen Maßnahmen haben wir vieles in unserem Land zum Erliegen gebracht: die Wirtschaft, den Arbeits­markt, den Städtetourismus, die Nachtgastronomie und ganz besonders die Kunst- und Kulturlandschaft. Wer aus einer Fliege einen Babyelefanten macht, darf sich nicht wun­dern, wenn am Ende der Porzellanladen kaputt ist. Wenn Sie den Künstlern erlauben würden, ihre Kunst frei von sinnlosen Restriktionen auszuüben, und wenn Sie parallel dazu endlich damit aufhören würden, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu ver­setzen, dann bräuchten wir diese heutige Gesetzesnovelle gar nicht.

Sie aber spielen mit den niedrigsten und ältesten Instinkten und Gefühlen der Menschen, Sie versetzen sie in Angst. Menschen, die Angst haben, neigen dazu, alles zu glauben, hinzunehmen und über sich ergehen zu lassen, und wie wir inzwischen wissen, arbeiten Sie ganz gezielt mit der Angst der Bevölkerung. Der Mund-Nasen-Schutz ist das Symbol Ihrer Angstpolitik – die Maske ist nur ein Symbol, nicht mehr und nicht weniger –, und das Gefasel über die zweite Welle dient auch nicht unbedingt dazu, der Bevölkerung Sicherheit zu vermitteln. Diese toxische Mischung aus Beschränkungen und Grund­rechtseingriffen einerseits und der Verängstigung der Bevölkerung andererseits ist pures Gift für die heimische Kunst- und Kulturlandschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher müssen Sie jetzt viel Geld ausgeben, sehr viel Geld. „Koste es, was es wolle“, hat es geheißen – Sie reden sich leicht, denn es ist ja nicht Ihr Geld, es ist das Geld des Steuerzahlers, und das Geld der anderen auszugeben ist relativ einfach –, aber auch alle Ihre Rettungspakete werden es nicht schaffen, den Schaden wiedergutzumachen, den Sie – ja, Sie, die Regierung, und nicht das Virus – angerichtet haben.

Geben Sie den Künstlern, aber auch allen anderen Menschen die alte, die richtige Nor­malität wieder zurück, und beenden Sie diesen Coronawahnsinn! (Beifall bei der FPÖ.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


20.38.18

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Ja, Eva Blimlinger, ich weiß schon, es gibt einen gewissen Respekt davor, was Drozda und ich morgen machen und was wir auch besprechen werden. Die Wahrheit schaut halt ein bisschen anders aus, und wir können jetzt gerne schönreden, wie viele Kulturveranstal­tungen stattgefunden haben.

Ja, sie haben stattgefunden. Und warum haben sie stattgefunden? – Weil die Künstlerin­nen und Künstler selber das Bedürfnis gehabt haben, diese durchzuführen – ich kann


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das selber berichten –, weil sie auch in einer gewissen Hausarrestsituation waren und dann das Bedürfnis hatten, Kulturveranstaltungen stattfinden zu lassen, auch wenn sie diese mit dramatischen Abstrichen durchführen mussten. – Das ist Fakt.

Die Frage ist aber: Wie lange geht das noch gut? Was machen sie nächstes Jahr und übernächstes Jahr? Wenn wir an übernächstes Jahr denken, dann müssen wir jetzt be­reits nachfragen, Frau Staatssekretär: Was ist eigentlich mit der Kunst- und Kulturstra­tegie? Müssen wir die jetzt überarbeiten? Denn: Es wird, wenn wir der Wahrheit ins Ge­sicht sehen, de facto weniger Geld geben, es wird dramatisch weniger Geld geben, weil wir alle in irgendeiner Weise mit dem Budget klarkommen müssen, und dazu braucht es eine klare Strategie. Dazu braucht es eine Strategie, so wie sie zum Beispiel die Fran­zosen haben. Die sind nämlich auch stolz auf ihre Kulturnation, und die haben auch verankert, wie viel man im Budget für Kunst und Kultur vorsehen kann und wie viel das ist.

Verteilt man das und rechnet man das zusammen, auch mit all den Ministerien, denn die haben ein anderes System, dann kommen immerhin 2,4 Prozent des Budgets zusam­men. Bei uns sind es nicht einmal 0,3 Prozent, und das ist Fakt. Dann frage ich mich: Was ist das jetzt wert? – Natürlich stimmen wir dem zu, weil wir auch am Anfang schon gesagt haben: Das ist zu wenig, was hier passiert!

Dann noch zur Planungssicherheit und zu all diesen Kulturveranstaltungen: Wir haben uns in der letzten Zeit auch relativ viel mit kleinen Kulturinstitutionen unterhalten, die Veranstaltungen stattfinden lassen wollten und durchgeführt haben. Fakt ist aber in die­sem Chaos der Bezirkshauptmannschaften, dass die Bezirkshauptmannschaften dieses Gesundheits- oder Hygienekonzept nicht einmal gscheit angeschaut beziehungsweise gelesen haben oder Rückmeldungen geliefert haben; dass die von Pontius zu Pilatus geschickt worden sind, auch in Wien, aber auch in den Bundesländern. Da muss ich dann schon sagen: Wenn man Präventionskonzepte vorlegt und die nicht einmal gelesen wer­den, dann ist das eigentlich traurig.

Das braucht es: Es braucht in Zukunft eine vereinfachte Fördereinreichung und –ab­rechnung. Das ist das, was die auch kritisieren, und es braucht auch eine Finanzierung der Häuser und Vereine, die normalerweise ohne Förderung oder mit hohem Eigende­ckungsgrad auskommen, denn die fallen auch durch. Das ist auch das Problem, und da unterhalte ich mich noch gar nicht über die Bundesinstitutionen, denn denen fehlen in den nächsten Jahren Beträge, die in einer zweistelligen Millionenhöhe liegen, und nie­mand redet darüber. Gleichzeitig wissen wir, was passiert. Weniger Geld wird vorhanden sein, und dann sagt wahrscheinlich irgendjemand: Ja, du musst auch Einschnitte ma­chen, schaff halt deinen Chauffeur oder irgendetwas ab! – Wie absurd ist das?

Also das heißt, das Wichtigste, das wir jetzt brauchen, neben dem, dass wir heute hier zustimmen, ist eine Kunst- und Kulturstrategie für die nächsten zehn Jahre, denn eines dürfen wir nicht tun: sie einfach budgetär auszuhungern. Dann hungern wir uns geistig aus, dann hungern wir uns intellektuell aus, denn bei jeder Kulturveranstaltung, von mir aus auch bei einem Blasmusikkonzert, reißt es den Menschen das Hirn auf; bei jeder Theaterveranstaltung reißt es den Menschen das Hirn auf und sie lernen neue Sphären kennen. Wir unterstützen das nicht, sondern wir fahren sehenden Auges mit diesen klei­nen Kulturinstitutionen, aber auch mit den großen gegen die Wand, weil wir keine ver­nünftige Strategie haben, die einfach einmal eine Vision plakatiert und nicht nur eine Strategie für die nächsten drei Jahre ist. Eine Vision ist eine Richtlinie: Wohin wollen wir uns bewegen und wohin können wir uns bewegen, damit wir auch endlich einmal stolz auf diese Kulturnation sein können, von der auch Bundeskanzler Kurz spricht? (Beifall bei den NEOS.)

Das ist der Punkt, und das wünsche ich mir von Ihnen, Frau Staatssekretär, dass Sie hier auch entsprechend einmal auf den Putz hauen, damit Sie die Gelder bekommen,


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damit Sie diese Kulturstrategie verwirklichen können und damit wir gemeinsam daran arbeiten, dass die Kulturschaffenden in diesem Land etwas im Blick haben. Das Licht am Ende des Tunnels sollte nicht der Zug sein, der ihnen entgegenkommt. (Beifall bei den NEOS.)

20.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Staatsse­kretärin Mag.a Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


20.43.34

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat! Mit der vorliegenden Änderung des Künstler-So­zialversicherungsfondsgesetzes können wir sicherstellen, dass die Künstlerinnen und Künstler, die am unteren Einkommensrand leben, diese Krise überstehen. Die Künst­lerinnen und Künstler waren die Ersten, die von dieser Krise betroffen waren, und sie werden auch noch länger unter dieser Krise leiden.

Wir sind, Herr Abgeordneter Drozda, mit der gesamten Szene in Kontakt. Ich brauche mir nicht sagen zu lassen, dass wir keinen Kontakt haben. Wir reden mit jeder Branche, mit freischaffenden Künstlern, mit den Interessenvertretungen, mit großen Institutionen, mit kleinen Institutionen, mit kommerziellen und mit gemeinnützigen Anbietern. Die ge­samte Szene bestätigt das und ist darüber froh. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Drozda.)

Vor allem aber waren die letzten Tage und Wochen für die Kulturbranche nicht einfach. Wir haben im Sommer eine Aufbruchsstimmung erlebt. Frau Abgeordnete Blimlinger hat dankenswerterweise schon aufgezählt und berichtet, was in ganz Österreich alles an Kunst und Kultur möglich war, und das war auch möglich – da gebe ich Herrn Abge­ordnetem Schellhorn recht –, weil wir in Österreich sehr viele kreative Menschen haben, mutige Menschen, die auch in schwierigen Zeiten etwas auf die Beine stellen, sich Kon­zepte einfallen lassen und schauen, dass wir auch jetzt Kunst und Kultur erleben, weil das zu unserem Leben gehört, weil wir auch geistige Nahrung brauchen und weil mit Kunst und Kultur auch eine bestimmte Stimmung, eine positive Stimmung im Land ver­bunden ist und entsteht.

Die niedrigen Infektionszahlen haben es ermöglicht, dass wir nach einer mehrmonatigen Durststrecke Kunst und Kultur wieder erleben konnten und auch wieder Teil des Publi­kums sein konnten. Das hat ja vielen Menschen gefehlt, auch mir. Die Institutionen ha­ben sich sehr vorbildhaft auf diese Situation eingestellt und haben tolle Präventions- und Sicherheitskonzepte ermöglicht, wodurch das Risiko, das derzeit besteht, auch ein ver­tretbares ist und somit auch Sicherheit für das Publikum, so gut es geht, garantiert.

Leider ist die Pandemie ziemlich unerbittlich, Sie alle kennen die Zahlen. Sie kennen die erneut verschärften Maßnahmen, die die Bundesregierung setzen musste, und mir ist bewusst, dass diese Maßnahmen auch von diversen Stellen aus der Kulturbranche für einen Rückschritt gehalten werden. Daher halte ich es für das Mindeste, was wir als Bundesregierung tun können, auf der finanziellen Ebene für eine Abfederung dieser schwierigen Situation zu sorgen.

Mit der zweiten Phase des Covid-19-Fonds, des Künstler-Sozialversicherungsfonds, ha­ben wir Anfang Juli ein Auffangnetz für jene Künstlerinnen und Künstler und Kulturver­mittler geschaffen, die in den größeren Unterstützungsfonds nicht aufgefangen werden konnten, weil ihr Einkommen zu gering ist. Das sind zum Beispiel Mitversicherte, Arbeits­losengeldbezieherinnen und ‑bezieher oder eben auch Menschen, die überhaupt nicht versichert sind. Diese Gruppe kann seit Anfang Juli aus dem Covid-19-Fonds des KSVF eine Einmalzahlung von bis zu 3 000 Euro bekommen. Das haben rund 1 400 Menschen


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seit Anfang Juli in Anspruch genommen, und die Mittel des Fonds sind damit, zusammen mit der ersten Phase, ausgeschöpft. Mit der Aufstockung des Fonds von 5 auf 10 Mil­lionen Euro stellen wir jetzt sicher, dass dieser Gruppe auch weiterhin geholfen werden kann.

Doch das ist nur ein Teil der Maßnahmen, die wir in der Bundesregierung zur Überwin­dung dieser schweren Krise im Kunst- und Kulturbereich gesetzt haben. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen für die unterschiedlichen Bereiche getroffen, und wir haben dabei bis zum heutigen Tag schon insgesamt 160 Millionen Euro zusätzlich zum Kultur­budget in die Hand genommen – ich wiederhole: 160 Millionen Euro zusätzlich zum re­gulären Kunst- und Kulturbudget. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist mehr als ein Drittel des jährlichen Kulturbudgets. Nebenbei bemerkt ist das auch im viel zitierten Vergleich mit der deutschen Kulturmilliarde, Stichwort Faktor zehn, ein Betrag, der sich sehen lassen kann. Da spreche ich noch gar nicht von den Mitteln aus der Kurzarbeit oder dem Fixkostenzuschuss oder dem Härtefallfonds, die ebenfalls teil­weise der Kulturbranche zugutekommen. Ich möchte mich damit aber gar nicht rühmen, sondern es ist eine Notwendigkeit und eine Selbstverständlichkeit, dass die Bundesre­gierung in dieser Situation der Kunst- und Kulturbranche auch hilft, über diese Krise zu kommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt natürlich Bereiche und wir fahren auf Sicht und wir lernen dazu –, in denen wir nachschärfen müssen. Die Kulturbranche ist durch diese Krise natürlich schwer beein­trächtigt, aber es ist schon viel gelungen, und wir werden auch weiterhin dort, wo es notwendig ist, ausreichend Geld in die Hand nehmen, um die Branche jetzt zu unterstüt­zen, damit wir durch diese Krise niemanden verlieren.

Der Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds ist ein relativ kleiner, aber deshalb nicht unwichtigerer Schritt auf diesem Weg. Ich darf Sie um eine breite Zustim­mung ersuchen. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag. Maria Smodics-Neu­mann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.50.45

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich sehe jetzt Herrn Kollegen Matznetter nicht, was mir sehr leid tut, denn ich würde ihm gerne ein Kompliment machen: Er ist der lustigste Kollege in diesem Hohen Haus. Es ist kaum zu toppen, denn bei seinen Reden muss zum einen der ORF statt des Namens unten die Bauchbinde „Diese Sendung enthält Produktplatzierungen“ einblenden, und zum anderen hat er heute eine außergewöhnliche Aussage getroffen. Ich erinnere mich, wenn ich von einem Lehrer eine Schularbeit zurückbekommen habe und vor der Klasse dann gesagt wurde: Maria kann es besser!, dann war das meistens nicht unbedingt ein Kompliment, sondern ich habe mich zusammenreißen müssen, dass ich es besser mache – Herr Kollege Matznetter hat vielleicht dem Herrn Bürgermeister da ein Danaergeschenk gemacht. Ich gebe ihm aber vollkommen recht, die Wiener Stadtregierung könnte es besser. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber zum Thema: Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, herzlichen Dank für die sehr genauen Erläuterungen und auch diese großen Hilfen, die den Künstlerinnen und Künst­lern zugutekommen. Die sind wirklich notwendig, um die härtesten Härten auch abzufe­dern.

Ich glaube aber, es muss uns allen klar sein, dass wir es in Wahrheit alle gemeinsam in der Hand haben. Da richte ich jetzt ganz speziell den Blick geradeaus an die Kollegen der FPÖ, denn die Wahrheit ist – auch liebe Zuseherinnen und Zuseher –: Je schneller


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wir es gemeinsam schaffen, indem wir uns an die Maßnahmen halten, an die es sich zu halten gilt, dass die Infektionszahlen nicht mehr steigen, sondern sinken, umso schneller kommen sowohl die Wirtschaft, aber jetzt im Besonderen auch Kunst- und Kulturschaf­fende wieder in diesen Bereich, nicht von Förderungen abhängig zu sein, sondern ihr künstlerisches Leben wieder eigenständig und frei gestalten zu können und vor allem ihren Lebensunterhalt eigenständig und frei bestreiten zu können. Das muss doch unser Ziel sein.

Deswegen: Halten wir zusammen, dann kriegen wir es auch hin! Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Irene Neumann-Hart­berger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.53.05

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx streicht in einem Artikel über die Coronakrise Folgendes deutlich heraus: So schlimm eine Pandemie auch sein mag, sie bietet immer Chancen für die Gesell­schaft, gemeinsam an einer Krise zu wachsen und resilienter daraus hervorzugehen, wenn man das will.

Wir müssen also akzeptieren, dass uns diese Pandemie noch länger begleiten wird. Wir dürfen sie definitiv nicht verharmlosen, sondern wir müssen lernen, mit Optimismus und mit einem großem Maß an Eigenverantwortung und Verantwortungsbewusstsein unse­ren Mitmenschen gegenüber damit umzugehen. Nehmen wir diese Verantwortung nicht auf die leichte Schulter! Reagieren wir auf diese Krise mit Zuversicht und halten wir zu­sammen! Nicht Covid-19 wird unsere Gesellschaft spalten, sondern auf dem besten Weg dies zu tun, sind jene, die mit Ignoranz, Verharmlosung und den populistischen Aufrufen gegen die Maßnahmen dieser Bundesregierung negative Stimmung machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die unzähligen Vorwürfe der Opposition erwecken in mir den Anschein, dass manche wirklich der Meinung sind, dass Österreich alleine und nicht die ganze Welt von dieser Krise betroffen ist und es nur in Österreich böse Maßnahmen, Einschränkungen und wirtschaftliche Probleme gibt. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Je besser es uns gelingt, eine weitere Verbreitung dieses Virus einzudämmen, desto schneller wird ein Zurück in unseren normalen Alltag und ein Aufschwung und die wirtschaftliche Stabilisierung wie­der möglich sein. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dazu wird es die Anstrengung aller brauchen, nicht nur Einzelner.

Für viele Branchen und Bereiche ist die aktuelle Situation eine große Herausforderung, ohne eine Perspektive auf ein Ende eben dieser. Besonders die Künstlerinnen und Künstler mit ihrem Einnahmenausfall sind in ihrer Existenz bedroht, und deswegen ist es heute umso wichtiger, den Künstler-Sozialversicherungsfonds aufzustocken. Dieser ursprünglich 2015 gegründete Fonds wurde zusätzlich zu den bisherigen Covid-Unter­stützungsmöglichkeiten zur Abfederung von Einnahmenausfällen um 5 Millionen Euro erweitert und genau diese 5 Millionen Euro sind bereits ausgeschöpft. Es gibt aber noch offene Anträge, und es wird sie vermutlich auch künftig noch geben.

Ich freue mich, dass wir die Dotierung um weitere 5 Millionen Euro heute alle gemeinsam auf den Weg bringen. Die Künstlerinnen und Künstler werden es uns danken. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.56


20.56.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 239

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Unterbre­chung gewünscht wird. – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 354 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

20.56.5118. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 (307 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Kollege Nikolaus Prinz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.57.14

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Arbeit im Petitionsausschuss ist von der Behandlung verschiedenster Themenbereiche, die entweder als Petition durch Abgeordnete ins Haus kommen oder als Bürgerinitiative an uns gerichtet werden, geprägt. Es ist durchaus eine große Vielfalt darin enthalten, das macht die Diskussion sehr lebendig. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, Ex­pertenmeinungen und Stellungnahmen einzuholen, sodass wir sehr gut ausloten kön­nen, wie die weitere Vorgangsweise am besten gestaltet wird. Das hilft, durchaus emo­tionale Themen auf eine vernünftige Ebene herunterzubrechen, damit konstruktiv gear­beitet werden kann. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Generell darf man durchaus feststellen, dass die Arbeit im Petitionsausschuss trotz der Themenvielfalt und auch der Themenfülle eigentlich sehr konstruktiv abläuft. So ist es in der letzten Ausschusssitzung gelungen, fast 50 Tagesordnungspunkte zu verhandeln. Im Sammelbericht sind ja auch zwei verschiedene Petitionen und sieben Bürgerinitia­tiven entsprechend enderledigt worden beziehungsweise konnten einem Fachaus­schuss zugewiesen werden, und sie werden auch heute diskutiert. Es darf durchaus auch festgehalten werden, dass die Ausschussvorsitzführung durch Obmann Michael Bernhard sehr konsensorientiert erfolgt. – Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall und Bravorufe bei den NEOS.)

Im März wurde ja im Ausschuss einhellig die Zuweisung von drei Bürgerinitiativen an Fachausschüsse beschlossen, damit sie dort noch einmal diskutiert werden können; im Petitionsausschuss sind ja Anträge auf Fassung von Gesetzesbeschlüssen nicht mög­lich, aber im Ausschuss kann weiterdiskutiert werden. Die Bürgerinitiative „Wohnen darf nicht arm machen!“ ist eine dieser Bürgerinitiativen, die wir mit diesem Sammelbericht dem Ausschuss für Bauten und Wohnen zuweisen. In diesem Zusammenhang darf ich auch auf das Regierungsprogramm verweisen, in welchem die Einführung eines Bestel­lerprinzips betreffend die Provisionen geplant ist.


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Im Finanzausschuss soll die Einführung einer Finanztransaktionssteuer beraten werden. Im Menschenrechtsausschuss geht es um das Thema Organhandel, und wenn man an China denkt und daran, wie wenige Rechte die betroffenen Menschen haben, dann weiß man, wie wichtig es ist, dass dieses Thema im Menschenrechtsausschuss behandelt wird. In diesem Zusammenhang darf auch auf den Entschließungsantrag vom Juli, den wir einstimmig beschlossen haben, verwiesen werden, in welchem die Regierung aufge­fordert wurde, da auch in der Zukunft weiterhin entsprechend aktiv zu sein.

Auf die übrigen Petitionen und Bürgerinitiativen werden ja nachher meine Kolleginnen und Kollegen noch entsprechend eingehen. Es wurden aber beispielsweise Bildungs- und Verkehrsthemen angesprochen, oder man denke auch an den 5G-Ausbau.

Ich darf noch zwei Themen kurz ansprechen.

Im Petitionsausschuss wurde schon mehrmals vom Kollegen Bernhard das durchaus sensible Thema der Sterbehilfe angesprochen und die Petition „Selbstbestimmtes Ster­ben in Würde“ eingebracht. Wir haben deren Behandlung mehrheitlich vertagt, um noch die Stellungnahme des österreichischen Verfassungsgerichtshofs abzuwarten. Mögli­cherweise wird diese noch in dieser Woche erfolgen.

Für mich ist das ein Beispiel dafür, dass es gelingen kann, ein sensibles, emotionales Thema auf eine konstruktive Ebene zu bringen, und dass wir durchaus gemeinsam mög­liche Argumente und Maßnahmen ausloten und abklopfen.

Abschließend darf ich noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das mir persönlich durchaus wichtig ist. Ich habe ja gemeinsam mit Kollegen Singer und Kollegin Zopf eine Petition eingebracht, in der es um ein erfolgreiches Wolfsmanagement in Österreich geht, und Kolleginnen und Kollegen aus der Steiermark, aus Tirol und Salzburg haben dasselbe getan. Ich glaube, wir dürfen in diesem Themenbereich nicht länger zuschau­en, wir müssen handeln. Es geht um den Menschenschutz, es geht aber auch um den Tierschutz.

Ich bitte all jene Kolleginnen und Kollegen, die das Thema große Beutegreifer und spe­ziell Wolf nur aus Märchenbüchern kennen, vielleicht aus dem Schulunterricht oder aus dem Tiergarten, einmal auch eine etwas andere Facette anzuschauen. Schauen Sie sich einmal Bilder an! Gerade im alpinen Bereich hat es heuer sehr viele Risse durch Wölfe gegeben. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Schauen Sie sich Bilder von gerissenen Tieren an, ob das ein Schaf ist oder ein Kalb, schauen Sie sich das an! Wo bleibt da der Tierschutz? Schauen Sie sich ein Video an, wo ein Schaf, das vom Wolf angefallen wurde, versucht, sich auf drei Beinen weiterzubewegen, weil das vierte Bein sozusagen vom Wolf ausgerissen wurde! (Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Wo bleibt da der Tierschutz? Das würde ich bitten zu bedenken, wenn man über das Thema Wolf disku­tiert! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, zum Thema Herdenschutz: Ich bin selber Schafhalter (Abg. Amesbauer: Das ist ja ein Witz!), und wenn wir wollen, dass Weiden und Almen weiter bewirtschaftet werden, dann müssen wir einsehen, dass der Herdenschutz nicht funk­tioniert (Abg. Zanger: Ihr seid so super!), nicht auf der 200-, 300-Hektar-Alm, aber auch nicht in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Wer darüber diskutieren möchte, ist zu mir eingeladen. Er muss nur den Zaun mitnehmen, bitte mindestens 1,50 Meter Höhe, alles andere ist sinnlos; jeden Tag muss man umstecken. Finanzieren Sie ihn aus der Land­wirtschaft, nicht aus anderen wirtschaftlichen Bereichen. Das probieren wir dann einmal einige Monate, dann wissen Sie, wie viel Arbeit das ist und welche Kosten das verursacht (Abg. Amesbauer: Dann bringt einen Antrag ein!), und dann wird Hausverstand in diese Diskussion einziehen. Das werden wir brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich kann nur all jene, die diese Debatte jetzt zum Beispiel via Livestream verfolgen, bitten, diese Petitionen zu unterstützen. Im Übrigen darf ich noch


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darauf hinweisen, dass es auch möglich ist, Bürgerinitiativen und Petitionen einzubrin­gen. Wer etwas unterstützen möchte: Unter „Parlament aktiv“ und weiter unter „Beteili­gung der BürgerInnen“ finden Sie alles, was Sie dazu brauchen. – Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

21.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte.


21.03.15

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu einer Bürgerinitiative äußern, mit der leider nicht das passiert ist, was der Kollege von der ÖVP vorhin gesagt hat, sie ist nämlich nicht wie viele andere Peti­tionen und Bürgerinitiativen behandelt und dann im zuständigen Ausschuss einer ent­sprechenden Beschlussfassung zugeführt worden, sondern sie ist endverhandelt und abgeschlossen worden und liegt heute hier zur Letztberichterstattung. Darum ist es mir umso wichtiger, noch einmal zu dem Thema zu sprechen.

Es geht um die geplante Breitspurbahn. Ich möchte schon noch hinzufügen: Es ist ja nicht so, dass das ein Abgeordneter alleine eingebracht hat, ganz im Gegenteil, 4 000 Men­schen haben sich an dieser BürgerInneninitiative beteiligt. Dass man die ganz einfach endbehandelt, dazu sage ich jetzt einmal, okay, von der ÖVP erwartet man sich mögli­cherweise nichts anderes, aber dass die ehemalige Bürgerrechtspartei der Grünen eben­falls sagt, 4 000 Unterschriften sind nichts, wir wollen darüber nicht mehr reden, das finde ich schon ein bissl seltsam und schade. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es bei dieser Breitspurbahn? – Es geht darum, dass es ja die sogenannte Seidenstraße gibt. Das Problem ist, dass es halt unterschiedliche Schienenbreiten gibt und dass es deshalb, wenn es zu dieser Seidenstraße Richtung Österreich kommt, ir­gendwo einen Terminal braucht, der dann Endstation ist. Das ist entweder im Bezirk Neusiedl, im Bezirk Baden oder im Bereich Schwechat, also auf jeden Fall im Osten Österreichs, und wir wissen ja alle, dass es dort schon massiven Lkw-Verkehr gibt.

Wir glauben außerdem, dass es halt keine Lösung ist, dass man die Produkte mit dem Zug bis zu einem bestimmten Punkt bringt und von dort dann mit dem Lkw weiter­transportiert. Das ist in Wirklichkeit das Problem. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass sich Österreich mit dieser Thematik wirklich beschäftigt, dass man nicht einfach nur sagt: Okay, das ist ein lästiges Thema und da haben 4 000 Menschen unterschrieben, schauen wir, dass wir das so schnell wie möglich wegbekommen.

Das Regierungsprogramm gibt auch nicht wirklich Aufschluss darüber, was genau die Position Österreichs in diesem Bereich ist. Fakt ist jedoch: Ich glaube, dass es genau in dieser Frage und für diese Region umso wichtiger ist, eine aktive Verkehrspolitik zu be­treiben und nicht zu warten, wie sich das Ganze entwickelt, unter dem Motto: Schauen wir einmal! Es kann nämlich auch noch etwas anderes passieren: Es muss nicht der Bezirk Neusiedl sein, es muss nicht der Bezirk Baden sein, es muss nicht der Bezirk Schwechat beziehungsweise Bruck sein, wo dieser Terminal angesiedelt wird, sondern es kann auch gleich über der Grenze sein. Das bedeutet aber für die Region genau dasselbe, nämlich massiven Lkw-Verkehr.

Ich ersuche die Regierungsparteien, noch einmal darüber nachzudenken, ob man mit BürgerInneninitiativen und Tausenden von Unterschriften in Zukunft wirklich so umge­hen will. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 242

21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


21.06.36

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Bürgerinitiative gegen die Breitspurbahn wurde also von rund 3 300 BürgerInnen in den Bezirken Neusiedl und Bruck an der Leitha unterfertigt. Initiiert wurde diese Aktion von Funktionären der SPÖ Burgenland, bald darauf schlos­sen sich auch Funktionäre der ÖVP Burgenland an, als sie draufkamen: Hoppla, wir haben ja Gemeinderatswahlen, wir brauchen ein Thema.

Das ist meiner Meinung nach aber der falsche Ansatz, sich diesem Thema zu widmen. Pünktlich vor einer Wahl wurde also ein unkonkretes politisches Projekt hochgezogen, und dann wurde dieses Projekt von der ÖVP und den Grünen vorzeitig im Ausschuss beerdigt.

Damit hat man aber eine Gelegenheit versäumt. Man hat eine Gelegenheit versäumt, die Bürger umfassend zu informieren, denn diese Breitspurbahn kommt ja nicht, sie ist schon da, und zwar in der Slowakei; und das heißt, auch die Güter kommen bereits jetzt zu uns, und zwar größtenteils auf der Straße. Ist das nicht das, was wir nicht wollen? Ist das nicht das, wogegen sich die Grünen immer vehement eingesetzt haben? Jetzt sind die Grünen in der Regierung, und da blendet man das nonchalant großzügigst aus.

In der Stellungnahme des Ministeriums heißt es sinngemäß, die Stellungnahmen der Gemeinden und Regionen werden Eingang in die Entscheidung finden. Jetzt wird es aber keine weiteren Stellungnahmen geben, keine Stellungnahmen der Gemeinden und Regionen, in denen sie ihre Bedenken anmelden können, und keine umfassende Stellungnahme der ÖBB, in der sie die fünf möglichen Trassen, die es ja gibt, vorstellen können.

Durch dieses Abwürgen im Ausschuss wurde eine Diskussion auf Basis fundierter Ar­gumente verunmöglicht, und das in Zeiten, in denen eine Grüne im Verkehrsministerium sitzt, deren Parteicredo doch eigentlich lautet: von der Straße auf die Schiene. Aber nun könnte es heißen: von der slowakischen Schiene auf die österreichische Straße. Und wofür das alles? – Alles für ein schnelles Glück bei Landtagswahlen. 2022 haben wir Gemeinderatswahlen im Burgenland. Da, das kann ich Ihnen jetzt schon versichern, wird dieses lawinöse Verkehrsgespenst wieder seinem Grabe entsteigen. So viel ist sicher. Meiner Ansicht nach ist es peinlich und beschämend, wie da mit der Angst der Bevölke­rung umgegangen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

21.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weratsch­nig. – Bitte.


21.09.05

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Abgeordnete! Ich kann mich zuerst einmal anschließen, wenn es darum geht, den Vorsitzenden Michael Bernhard zu loben, der das, glaube ich, sehr gut im Griff hat und versucht, alle Meinungen und vor allem auch alle Fraktionen und alle Initiativen einzubinden.

Zum Zweiten: Herr Kollege Abgeordneter Nikolaus Prinz! Ich glaube, bei aller Wertschät­zung, dass du hier heute zu früh geschossen hast (Abg. Hörl: Hallo!), sprichwörtlich. Ich erwarte mir beim Thema Wolf eine faktenbasierte Auseinandersetzung. Wenn wir über dieses Thema reden (Zwischenruf des Abg. Hörl) – es gibt da zahlreiche Petitionen, Herr Abgeordneter Hörl –, dann werden wir auch darüber reden müssen, was Herden­schutz bedeutet (Abg. Hörl: Er frisst Schafe!), was Entschädigung bedeutet, was Almbe­wirtschaftung der Zukunft bedeutet, es wird da also mehrere Themen geben.

Es gäbe auch im Petitionsausschuss die Möglichkeit, werte Abgeordnete – darüber werden wir uns, glaube ich, verständigen –, zu einem Expertenhearing einzuladen. Es


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steht den Fraktionen offen, dieses Thema auch entsprechend zu behandeln. (Beifall bei den Grünen.)

Beim letzten Petitionsausschuss wurden Petitionen eingebracht, und es entspricht den Usancen des Hauses, nach den Entscheidungen des Petitionsausschusses Stellung­nahmen einzuholen. Diese Stellungnahmen laufen jetzt ein, und ich glaube, dass es seriös wäre, sich diese Dinge anzuschauen und sich, wie gesagt, dann faktenbasiert darüber zu unterhalten. Ich hoffe und bin überzeugt, dass wir da einen Weg finden.

Bei den Verkehrsthemen waren bei den Petitionen drei entscheidend, zum einen: „Für echte Qualität im Straßenverkehr!“. Da bedanke ich mich bei den UnterstützerInnen, die sich für weniger Verkehrsbelastungen und für mehr Verkehrssicherheit einsetzen. Ins­besondere geht es da um die Bezirke Scheibbs und Liezen, wo es Maßnahmen braucht und überlegt werden muss, wie wir es schaffen, den Verkehr auf dem höherrangigen System zu belassen und den Durchzugsverkehr durch die Ortschaften zu reduzieren. Da braucht es in Zukunft Möglichkeiten. Möglichkeiten bestehen aber bereits jetzt über die gesetzliche Lage, es braucht da weniger eine Änderung, eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung.

Eine weitere Petition betraf den gleisfreien Bahnsteigzugang im Bahnhof Kraubath an der Mur. Ich glaube, da ist es ganz wichtig – und das entnehmen wir bereits den Stellung­nahmen –, dass der Bahnsteigzugang in Kraubath bis 2025 mittels Durchgang und Überführung – das wird noch diskutiert – gleisfrei umgesetzt werden soll. Es ist ganz wichtig – und das ist unsere Position –, dass es gerade beim Ausbau der Bahnhöfe, den zukünftigen Mobilitätsdrehscheiben, vor allem eine sehr gute Einbindung der Ortsge­meinden und eine sehr gute Abstimmung mit diesen gibt. Ich erwarte mir in Zukunft noch mehr Einbindung der Ortsgemeinden und der entsprechenden Stakeholder in den Ge­meinden.

Die Bürgerinitiative „Gegen die Breitspurbahn“ wurde bereits angesprochen. Aus unse­rer Sicht, aus der Sicht der Grünen, muss der Warenumschlag dort passieren, wo jetzt bereits funktionierende Mobilitätsdrehscheiben vorhanden sind, wo Bahnhöfe dazu aus­gebaut werden. Wir sind überzeugt davon und das ist, glaube ich, eindeutig –, dass die Region Neusiedl am See und Bruck an der Leitha die falschen Standorte für diesen Endbahnhof sein werden. Dazu deklarieren wir uns ganz klar: Das wird nicht funktionie­ren. Man wird auch abwarten müssen, ob die Breitspur in Košice endet oder bis Bra­tislava weitergeführt wird. Wir stehen auf jeden Fall hinter der Bevölkerung, hinter den Menschen, um eine Lösung zu finden, sollte es da Ambitionen geben. Was mir allerdings wichtig ist, ist schon, dass die ÖBB in mögliche Projektplanungen auch immer eingebun­den sind, damit wir wissen, was da passiert.

Zum letzten Punkt: „Freies Pokerspiel in Österreich“. Ich glaube, das ist ganz klar, der VfGH hat sich bereits sechsmal mit dieser Thematik beschäftigt, und in diesem Sinne erkennen wir da keinen Änderungsbedarf. Das Suchtpotenzial ist auch beim Pokerspie­len ganz klar vorhanden, und die Reglementierung, mit der das auf das Wirtshauspokern und auf konzessionierte Spielhallen reduziert wird, ist die richtige Vorgangsweise; dazu stehen wir. Auf jeden Fall wurde aber auch diese Bürgerinitiative im Ausschuss behan­delt.

Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit im Petitionsausschuss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 244

21.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt der gelobte Ausschussvorsit­zende Bernhard. – Bitte.


21.14.15

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer! Ich möchte vielleicht mit etwas Allgemeinem begin­nen. Der Petitionsausschuss hat aus meiner Sicht noch nicht die Aufmerksamkeit, die er in Wirklichkeit verdient hätte.

Wir haben im Petitionsausschuss eine Tagesordnung mit 40 bis 60 Tagesordnungs­punkten. Das ist nicht nur eine Fülle von Punkten, sondern in Wirklichkeit der Spiegel der Themen, die die Menschen beschäftigen: ein Schulstandort in Favoriten, eine Bun­desstraße in der Steiermark, der Wolf in Tirol, die Seidenstraße im Burgenland, ver­schiedenste Themen werden rund um Covid-19 kommen. Man merkt, dass Menschen, die ein Anliegen haben, das sie beschäftigt, das sie möglicherweise auch verunsichert, durchaus zu diesem Werkzeug greifen und direkt im Parlament Gehör finden wollen.

Das ist in Wirklichkeit eine großartige Grundlage dafür, dass wir mehr direkte Bürgerbe­teiligung im Parlament etablieren könnten. Zu genau diesem Punkt haben wir NEOS seit 2013 immer wieder Anträge in zweierlei Hinsicht eingebracht, nämlich einerseits, dass die Parlamentsdirektion und der Nationalrat und somit auch Sie, Herr Präsident, tat­sächlich stärker über dieses Werkzeug in die Kommunikation gehen. Es müsste jeder Bürger und jede Bürgerin in unserem Land auch die Möglichkeit kennen, dass man sich direkt an den Nationalrat wenden kann.

Das ist heute noch nicht der Fall und das ist unglaublich schade, denn es funktioniert mittlerweile zumindest auf einem bestimmten Niveau, und es wäre etwas, wodurch wir die Demokratie, den Parlamentarismus nach draußen tragen können und noch stärker in Dialog treten können. (Beifall bei den NEOS.)

Der zweite Punkt, der damit zusammenhängt und der gerade durch Corona ganz augen­scheinlich geworden ist: Auch seit 2013 bringen wir Anträge auf die Digitalisierung des Petitionsausschusses ein. Was bedeutet denn das? – Dass ich ein Thema zu meinem Thema machen kann, dass ich 500 Unterstützerinnen und Unterstützer finde und diese Petition, diese parlamentarische Bürgerinitiative dann digital in den Nationalrat einbrin­gen kann – das wäre gerade jetzt in Covid-19-Zeiten von großem Vorteil gewesen –, dass man mit einer solchen Bürgerinitiative auch kampagnisieren kann, um Unterstüt­zung in der Bevölkerung werben kann und dass es ein eigenes Diskussionsforum gibt.

Man stelle sich vor, Menschen könnten ihre Anliegen in den Nationalrat bringen und dann auch über ihre Anliegen debattieren, sie könnten dafür werben, sie könnten sie auch verteidigen. – Das ist Bürgerbeteiligung im 21. Jahrhundert. Wir haben den Antrag das erste Mal im Jahr 2013 eingebracht, es liegt auch jetzt wieder ein entsprechender Antrag im Geschäftsordnungsausschuss, es hat sich in diesem Hohen Haus noch nie eine Mehrheit dafür gefunden. Der Petitionsausschuss befindet sich trotz der vielen Möglichkeiten noch ganz, ganz weit zurück im 20. Jahrhundert. Lassen Sie uns dies ins 21. Jahrhundert bringen! Ich glaube, das ist auch etwas, wogegen es wenige Argumente gibt.

Ich möchte mit einem weiteren Punkt abschließen: Wir haben in den letzten Jahren im Petitionsausschuss ein Instrument entwickelt, nämlich die Möglichkeit eines Hearings, wofür wir regelmäßig – zumindest zweimal im Jahr war es bisher der Fall – vonseiten jeder Fraktion ein Thema nominieren können, zu diesem Thema auch Expertinnen und Experten einladen und dann mit diesen über das Thema diskutieren können. Ob das die Sterbehilfe, der Wolf, die Seidenstraße oder die Arbeitslosigkeit ist, ist nachrangig, jede Fraktion kann ein solches Thema nominieren. Ich fände es großartig, wenn diese Dis­kussionen nicht mehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden würden. (Beifall bei den NEOS.)


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Ein Ausschuss der Bürgerinnen und Bürger unter Ausschluss der Bürgerinnen und Bür­ger ist ein ziemlich magerer Petitionsausschuss. Auch das sollten wir raschest verhin­dern und verändern. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Hintner. – Bitte.


21.18.40

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der parlamentarische Petitionsausschuss hat sich unter anderem mit der Bürgerinitiative „STOPP 5G-Mobilfunknetz“ auseinandergesetzt. Wir haben zwei Stellungnahmen einge­holt, zum einen beim Bundesministerium für Digitalisierung, das eine Nullmeldung abge­geben hat, weil es nicht zuständig ist, und zum anderen beim Gesundheitsministerium.

Das Gesundheitsministerium stellt in seiner Stellungnahme fest, dass die gegenwärtig vorliegenden wissenschaftlichen Daten nicht die Schlüsse zulassen, dass 5G-Mobil­funkstrahlung im Frequenzbereich der ersten Frequenz gesundheitsschädlich wäre. Es wird zwar eingeräumt, dass es immer wieder Stimmen gibt, diese aber in der Minderheit wären. Im Hinblick auf 5G betreffend die zweite Frequenz oberhalb von 24 Gigahertz kann keine Stellungnahme abgegeben werden, da Daten fehlen und diese zweite Fre­quenz auch frühestens erst in fünf bis zehn Jahren funktionieren wird.

Wir wissen, dass es bei jeder Einführung einer Technologie Ängste gibt. Es hat Ängste gegeben, als die Dampfmaschine eingeführt worden ist – die meisten von uns haben in Peter Roseggers „Als ich noch der Waldbauernbub war“ gelesen, wie großartig die Loko­motiven von der Bevölkerung zur Kenntnis genommen wurden. Ich denke an EDV und Internet, aber selbst die Mikrowelle hat damals viele Diskussionen ausgelöst, und später mussten amerikanische Hersteller sogar die Gebrauchsanweisung dahin gehend än­dern, dass man keine kleinen Tiere darin trocknen dürfe.

In der gegenwärtigen Situation ist das Thema auch von Verschwörungstheoretikern platziert. Bill Gates und 5G sollen ja angeblich auch für Corona verantwortlich sein, was wir hin und wieder auch in den sozialen Medien zur Kenntnis nehmen müssen. 5G ist aus unserer Sicht, aus der Sicht des Nationalrates, und aus der Sicht der Mehrheit der Bevölkerung eine Zukunftstechnologie am Weg der Digitalisierung. Wenn wir diese Digi­talisierung fortschreiben wollen, führt kein Weg an 5G vorbei. (Beifall bei der ÖVP.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


21.21.16

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Bür­gerinnen und Bürger! Als Mitglied des Ausschusses freue ich mich natürlich, wenn zahl­reiche Petitionen und Bürgerinitiativen eingebracht werden und ich als Fürsprecherin die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger im Parlament vertreten darf.

Die Bürgerinitiative mit dem Titel „Wohnen darf nicht arm machen!“ ist eine, die mir be­sonders am Herzen liegt.

Jeder Mensch hat das Recht auf leistbares, sicheres und zeitgemäßes Wohnen. Im Maß­nahmenkatalog finden sich Forderungen nach Einführung von einheitlichen und niedri­gen Obergrenzen für Mieten sowie eine Ausweitung des sozialen Wohnbaus.

Wohnen muss leistbar bleiben. Das ist im Hinblick auf die finanzielle Situation vieler Ös­terreicherInnen durch die Coronakrise noch viel brisanter geworden. Viele Menschen müssen ihre Ausgaben noch genauer durchrechnen, und die Miete ist nun einmal ein


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großer Kostenfaktor im Familieneinkommen. Daher ist es umso wichtiger, dass diese Bürgerinitiative im Fachausschuss weiterbearbeitet wird. Eine Mietrechtsreform und mehr Transparenz bei den Mietpreisen sind längst überfällig, und der Vorschlag der SPÖ für ein österreichisches Universalmietrecht liegt ja schon lange auf dem Tisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Um die Forderung nach besseren Bildungschancen geht es in der Petition mit dem Titel „mehr höhere Schulen für Favoriten“ meiner Kollegin Petra Bayr. Mit über 200 000 Ein­wohnerInnen ist Favoriten der mit Abstand bevölkerungsreichste Bezirk Wiens. Dieser hohen Zahl an EinwohnerInnen steht aber eine viel zu geringe Zahl an höheren Schulen gegenüber. Um den Favoritner Kindern und Jugendlichen gute Bildungschancen zu er­öffnen, wäre es nötig, das Angebot deutlich auszubauen. Unverständlicherweise wurde diese Initiative von den Regierungsfraktionen bloß zur Kenntnis genommen und keinem Fachausschuss zugewiesen. Eine weitere politische Debatte mit Umsetzungschancen wurde somit verhindert. Das nimmt den Kindern wertvolle Bildungschancen.

Sehr geehrte Damen und Herren, besonders wichtig ist mir persönlich und natürlich auch als Familiensprecherin unserer Fraktion, dass Familien, die durch Corona belastet sind und jeden Euro brauchen, beste Unterstützung bekommen. Daher habe auch ich eine parlamentarische Petition eingebracht. Diese lautet „Schluss mit den Hürden beim Fami­lienhärtefonds“ und kann natürlich von allen ganz breit unterstützt werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Andreas Minnich. – Bitte.


21.24.07

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Vor allem ein herzliches Grüß Gott an alle Zuseher, die so spät noch dabei sind! Ich möchte mich in meiner Rede zu den Vorlagen aus dem Petitionsausschuss auf die Bür­gerinitiative „Gegen die Breitspurbahn“ beziehen.

Speziell für die Bevölkerung im Südosten Österreichs, in Teilen Niederösterreichs und im Burgenland ist dieses Thema von immenser Bedeutung. Dieses Thema ist kein neues, und auch die Ängste der Bevölkerung kommen da nicht von heute auf morgen, diese Idee wird mittlerweile schon jahrelang herumgewälzt.

Lassen Sie mich gleich vorausschicken: Ja, wir wollen vom internationalen Handel profi­tieren, wir wollen das aber gemeinsam mit unseren europäischen Partnern und vor allem nicht zu Lasten der Bevölkerung und der Gemeinden. Eine Verlängerung der Breitspur­bahn alleine ergibt keinen Sinn. Das Projekt ist immer mit der Errichtung einer großen Logistikanlage verbunden, damit die Güter auf die Straße weitertransportiert werden können.

Schon jetzt ist der Bezirk Bruck an der Leitha eine der am stärksten vom Verkehr belas­teten Regionen Niederösterreichs. Auf der A4 bei Mannswörth gibt es täglich über 120 000 Fahrzeuge. Auch der Bezirk Neusiedl wäre mit über 8 Millionen Tonnen, die von der Schiene auf den Lkw umgeschlagen werden würden, massiv überfordert. Der mögli­che Breitspurbahnbau darf unsere Regionen nicht überfordern.

Dieses Projekt ist aber nicht nur eines, welches unsere Regionen massiv betrifft, sondern wir sprechen da von strategischen Fragen, die auch europäische Gemeinschaftspolitik betreffen. Das gilt sowohl für Mobilitätspolitik als auch für wirtschaftspolitische und si­cherheitspolitische Aspekte. Die Innovation im länderübergreifenden Handel braucht ein Gesamtkonzept für Schiene und Straße und ein Miteinander mit den Regionen und der Bevölkerung. Wir stehen da hinter der Bevölkerung und den Gemeinden. (Beifall bei der ÖVP.)

21.26



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 247

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte.


21.26.33

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich der Bürgerinitiative „Einführung einer Finanztransaktionssteuer“ widmen.

Aktuell handelt es sich um den bislang größten Betrugs- und Bestechungsskandal der Welt, die sogenannte Causa Odebrecht, die dank mutiger Journalisten – auch aus Öster­reich – dieser Tage aufgedeckt wurde. Bei diesem perfiden Kriminalfall stehen 2 100 Ver­dachtsmeldungen auf Geldwäsche sowie Schmiergeldzahlungen im Fokus der Ermitt­lungen. Der aktuell berechnete Schaden, der durch das Weißwaschen, Verteilen und Verbergen von Bestechungsgeldern entstanden ist, geht in Milliardenhöhe. Mittendrin in diesem Sumpf tauchen auch österreichische Banken auf, namentlich die Meinl Bank und die Raiffeisen Bank International, die in den Skandal verwickelt zu sein scheinen, wie „Profil“ und ORF publiziert haben.

Meine Damen und Herren, der soziale Ausgleich funktioniert nicht mehr (Beifall bei der SPÖ), was unter anderem an bizarrer Vermögensverteilung abzulesen ist. Die Reichsten werden reicher, arme Menschen hingegen verharren in Armut, und die Mittelschicht, vor allem in Österreich, kämpft mit aller Kraft darum, dass sie nicht nach unten rutscht. Dies kann jedoch schneller passieren, als man glaubt, zum Beispiel jetzt, in der Covid-Zeit, durch unverschuldete Arbeitslosigkeit und durch Massenentlassungen. Wenn man den Betroffenen auch noch ihr Auffangnetz wegnimmt, dann ist der freie Fall vorprogram­miert.

Um Stabilität zu garantieren, benötigt unser Staat Geld. Durch Steuermittel wird unsere Infrastruktur aufrechterhalten oder auch aufgebaut: Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Mo­bilität, Landesverteidigung.

Die soziale Marktwirtschaft wird aktuell zu Grabe getragen. Der Kapitalismus macht sich munter breit, auch bei uns auf der ehemaligen Insel der Seligen. Das Trügerische daran ist allerdings, dass er sich unter dem Deckmantel der sozialen Marktwirtschaft breitmacht und dieser Prozess schleichend, aber unerbittlich stattfindet. Wir müssen daher rasch und zwingend eine Finanztransaktionssteuer einführen, um wieder zu einer gerechteren Vermögensverteilung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich unterstütze vollends und mit Nachdruck jene Bürgerinitiative, die sich für die Fi­nanztransaktionssteuer einsetzt, die zu mehr Gerechtigkeit sowie zur Eindämmung der Gefahren von Finanzkrisen beitragen soll. Schätzungen zufolge wird täglich 1 Billion Eu­ro mit Finanztransaktionen umgesetzt. Kampf den Spekulanten und allen Wirtschaftskri­minellen, denn sie gefährden unsere Freiheit und unsere Demokratie! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scharzen­berger. – Bitte.


21.30.03

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! In vielen Regionen Österreichs gibt es ein Problem, unter dem die Qualität des Straßenver­kehrs massiv leidet: Es geht um die Mautflucht von Lkws. Die Bundesstraßen werden durch diesen zusätzlichen Verkehr überlastet – von diesem Lied können wir im Bezirk Liezen viele Strophen singen.

Immer mehr Verkehrsteilnehmer versuchen, dem Verkehrschaos auf den Hauptstraßen auszuweichen, wodurch sich das Verkehrsaufkommen auf den Nebenstraßen in den


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letzten Jahren vervielfacht hat. Gerade für die Anrainer ist das unzumutbar, wenn an einem Tag, zum Beispiel in meiner Gemeinde Irdning-Donnersbachtal, über 10 000 Fahr­zeuge durch die Ortskerne donnern.

Mein Papa ist Lkw-Fahrer und erlebt tagtäglich riskante Überholmanöver – ja, weil es das Natürlichste auf der Welt ist, dass einem irgendwann der Geduldsfaden reißt, wenn man kilometerlang hinter einem Lastwagen herfahren muss. Man will dann irgendwann überholen, ich glaube, das kennt jeder Autofahrer. Die Sicherheit im Straßenverkehr muss an oberster Stelle stehen und es gibt noch sehr viel Handlungsbedarf, um einen qualitätsvollen, vor allem aber – und viel wichtiger – einen sicheren Straßenverkehr zu gewährleisten.

Wir im Bezirk Liezen wissen, was für ein Kampf es war, dass wir auf der B 320 zumindest eine Tonnagenbeschränkung für Lkws zustande gebracht haben. Unsere Aufgabe ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Verkehrsbehörden neue Handlungsmöglichkeiten bekommen, damit sie diesen unerwünschten Mautum­gehungsverkehr unterbinden können. Eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung ist daher unumgänglich und höchst an der Zeit, insbesondere eine Ergänzung des § 43 Abs. 1 StVO, sodass präzisere und einfachere Möglichkeiten geschaffen werden, Maut­flüchtlinge zu vermeiden. (Beifall bei der ÖVP.)

Letztlich geht es um die Sicherheit und Qualität im Straßenverkehr unter Berücksichti­gung der Anrainer, der Kommunen und vor allem auch der regionalen Wirtschaft. – Vie­len Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Plakolm. – Bitte.


21.32.43

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu guter Letzt darf ich noch auf die Petition „mehr höhere Schulen für Favoriten“ eingehen. Dazu passend hat im Mai unser Bundesminister Heinz Faßmann das Schulentwicklungsprogramm 2020 vorgestellt, mit dem wir Schulen in ganz Öster­reich modernisieren, die Digitalisierung vorantreiben und das Angebot an schulischer Tagesbetreuung sicherstellen.

Im ganzen Land sind einige neue Schulstandorte und Erweiterungen vorgesehen, so auch in Wien. Was meiner Meinung nach Wien Favoriten aber viel dringender braucht, sind ernsthafte Anstrengungen und Maßnahmen für gelungene Integration. Gewaltsame Ausschreitungen, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben, sind absolut inak­zeptabel. Mehrere Tage lang kam es zu Auseinandersetzungen zwischen türkischen Extremisten und Teilnehmern der Kurdendemonstrationen, das Resultat waren massive Attacken, auch gegen die Polizei.

Das zeigt einmal mehr, wie stark Parallelgesellschaften in Wien ausgeprägt sind und welche Gefahren von ihnen ausgehen können. Das haben sich weder die Menschen in Favoriten noch die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz verdient, und daher werden wir nicht zulassen, dass Konflikte aus der Türkei auf unseren Straßen gewaltsam ausge­tragen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Krawalle sind auch das Ergebnis der Integrationsversäumnisse der Wiener Stadt­regierung. Bildung, so steht es in der Petition, ist ein Schlüssel zu gelungener Integration, sie ist aber bei Weitem nicht der einzige. – Vielen lieben Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.34


21.34.25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 249

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Können wir zum Abstimmungsvorgang kommen? FPÖ? Grüne? – Ja.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 307 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Num­mer 4 und 10 sowie der Bürgerinitiativen Nummer 2, 4, 8 und 9, 18, 21 und 22 zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

21.35.1519. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH – Reihe BUND 2018/30 (III­6/357 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend System der Bundessportförderung – Reihe BUND 2019/14 (III‑29/358 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf die Frau Präsidentin des Rechnungshofes sehr herzlich im Hohen Haus be­grüßen.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gahr. – Bitte.


21.35.50

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde ein Bericht zur Bundes­sportförderung: Der Rechnungshof hat die Bundessportförderung von September bis November 2017 geprüft.

Dabei hat es zwei Schwerpunkte gegeben, einerseits die Förderstrukturen und anderer­seits die Fördervergabe. Dazu kann man durchaus kritisch anmerken, dass die Förde­rungen sehr oft nach altem Muster als sogenannte Dauerförderungen vergeben wurden, was zu einigen kritischen Anmerkungen geführt hat.

Ziel dieser Gebarungsprüfung waren vier Bereiche: die Entwicklung der Bundessportför­derung, die Analyse und Beurteilung der Zielerreichung, natürlich das Aufzeigen von Systemschwächen und Verbesserungspotenzialen sowie die allgemeinen Belange von Transparenz bis zur Rolle der Funktionäre in den Entscheidungsgremien.

Insgesamt hat der Rechnungshof 40 Empfehlungen ausgesprochen. Dabei ist er ganz klar zu dem Schluss gekommen, dass das System der Bundessportförderung sehr stark am Erhalt von bestehenden Strukturen orientiert ist. Es hat durchaus Zweifel gegeben, was die Sparsamkeit und die Treffsicherheit der Förderungen anbelangt und natürlich auch, was die Weiterentwicklung und die Innovation betrifft.

Der Rechnungshof hat besonders eingemahnt – das zieht sich durch –, dass es gerade in den Entscheidungsfunktionen keine oder wenige Frauen gegeben hat. Das ist wirklich ein Manko. Bei sechs Geschäftsführern, sechs Aufsichtsräten und zwölf Mitgliedern der Kommission wurde nur eine Abteilung von einer Frau geleitet. Daher ist, glaube ich, ganz


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klar: Zukünftig müssen die Entscheidungsgremien auch mit Frauen versehen werden, damit sich diese einbringen können.

Kritisch hat der Rechnungshof gesehen, dass es eine Einbeziehung von Vertretern der Verbandsfunktionäre in die Vergabe gegeben hat und dass es da einen klaren Interes­senkonflikt gibt, wenn sich Funktionäre selbst Förderungen zukommen lassen. Das ist eigentlich ein untragbarer Zustand; auch der Herr Bundesminister hat im Ausschuss ge­sagt, dass es da einen neuen Ansatz geben muss.

Es ist natürlich so, dass gerade die größeren Verbände Förderungen lukrieren, der Brei­tensport in der Sportförderung in Österreich eigentlich zu kurz kommt und es zukünftig, was die Förderungen anbelangt, eine breitere Streuung geben muss. Es soll nicht nur um den Erhalt der Förderstrukturen gehen, sondern die Sportförderung in Österreich sollte hinterfragt und neu ausgerichtet werden.

Der Herr Bundesminister wünscht sich künftig – und es gibt aktuell diesbezüglich inten­sive Bemühungen – in drei Bereichen eine Verbesserung der Bundessportförderung: im Bereich der Frauenförderung, im Bereich Behindertensport und auch das Thema Anti­rassismus ist ein Thema, das in der Sportförderung durchaus zu berücksichtigen ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es drei klare Aufträge für die Zukunft gibt – die Frau Präsident hat das auch in ihrem Beitrag erwähnt –: Es braucht eine gezielte Förderung des Sports in Österreich, Interessenkonflikte sind zu vermeiden und Vereins­funktionäre sollten nicht in die Fördervergabe eingebunden werden.

Abschließend noch eine Bitte: Frauen müssen und sollen gerade auch im Bereich der Sportförderung eine wesentlich bessere und intensivere Rolle spielen. Ich glaube, es wäre wirklich an der Zeit! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Mag. Greiner. – Bitte.


21.39.50

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde kurz auf zwei Berichte Bezug nehmen: zum einen auf jenen über die Nada, die Anti-Doping-Agentur, und dann später auf jenen zur Bundessportförderung.

Die Anti-Doping-Agentur hat fundamentale Aufgaben. Welche sind das? – Wir alle wis­sen, dass sie Dopingkontrollen durchführt, und ein wichtiger Punkt ist die Präventionsar­beit. Bis Ende des Jahres sollte diesbezüglich ein neues Gesetz vorliegen, und es gibt dazu bereits die Zustimmung der internationalen Anti-Doping-Agentur – es ist also fertig­gestellt. Wie erfolgt die Präventionsarbeit? – Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist die Ju­gend, und zwar sowohl im Profi- als auch im Breitensport. Schulungen werden intensiv durchgeführt und Bewusstsein wird gebildet. Dopingkontrollen verbinden wir eher mit Profisport, sie finden aber auch zum Beispiel in Fitnesscentern statt. Warum ist das er­wähnenswert? – Weil die Anti-Doping-Agentur dadurch einen Überblick darüber be­kommt, was in Fitnesscentern passiert, und so kann man konkrete Maßnahmen setzen.

Einen Punkt habe ich im Ausschuss angesprochen, weil er relevant und aktuell ist: jenen des Gendopings, und dazu wollten wir wissen, welche Maßnahmen aktuell gesetzt wer­den. Man versichert diesbezüglich, dass ein laufender Prozess und ein Austausch mit der Ethik- und ÄrztInnenkommission stattfindet.

Kurz zur Bundessportförderung: Wofür werden diese Förderungen eingesetzt? – Für Trainerausbildungen, Ausrichtung von Sportveranstaltungen, Errichtung von Sportinfra­struktur. Das Fördersystem fußt auf zwei Säulen: einerseits auf dem Verfügungsbudget


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des Ministeriums, andererseits auf über die Verbände ausgezahlten Förderungen. Die Dachverbände in Österreich servicieren 14 000 Vereine.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, Sie alle kennen Beispiele: Gerade in den letzten Monaten mussten viele dieser Sportvereine herbe Verluste hinnehmen. Sie konn­ten keine Veranstaltungen durchführen, und es ist auch schwierig mit den Funktionären, die in Scharen davonlaufen, und neue sind schwer zu gewinnen. Ich habe den Herrn Vizekanzler im Ausschuss gefragt, ob es schon Zahlen über in Anspruch genommene Förderungen gibt. Wir wissen, dass mit Stand Mitte September 2 500 Vereine insgesamt 55 Millionen Euro erhalten beziehungsweise zugesagt bekommen haben. Wir als Frak­tion haben wirklich vehement eingefordert, dass der Herr Vizekanzler gezielte Förder­konzepte ausarbeiten und vorlegen möge, um gerade die Vereine – insbesondere auch Sportvereine – vital zu halten, weil wir uns alle wahrscheinlich nicht vorstellen wollen, was es bedeutet, wenn diese Vereine ihrer Arbeit nicht nachkommen können.

Wie gesagt, der Appell ist deponiert, unsere Unterstützung ist voll und ganz gegeben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zanger. – Bitte.


21.43.04

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Jetzt muss ich mir das einmal von vorne anschauen. Das ist wieder eine Maßnahme – und ich habe mich heute schon richtig auf das Hereinkommen gefreut, um zu sehen, wie das in etwa ausschauen mag –, die genauso sinnlos ist, wie sie schiach ausschaut. Ich habe mich dadurch bestätigt gefühlt, dass ich heute einen Anruf von jemandem bekommen habe, der bei mir daheim zugeschaut und gesagt hat: Mit diesen Glaskobeln schaut ihr alle aus wie ein Haufen Hendln in einer Legebatterie! – Und ge­nauso ist es: Bringen tut es nichts, und man macht sich damit lächerlich. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Es ist wieder eine tolle Geschichte der ÖVP und der Grü­nen, dass man hier solche Sachen aufstellt.

Abgesehen davon – das ist jetzt gleich der Bezug zum Rechnungshof – möchte ich gar nicht wissen, was das gekostet hat. Wenig wird es nicht sein. Bringen tut es gar nichts, denn nach vorne und nach hinten habe ich überhaupt keinen Kontaktschutz – den brau­che ich auch nicht, ich rede normal mit den Leuten –, und wenn ich mich mit meinem Nachbarn links oder rechts unterhalten will, lehne ich mich auch zurück. Also ist es völlig umsonst (Abg. Gabriela Schwarz: Wie wäre es mit einem Mund-Nasen-Schutz?) und kostet, wie gesagt, nur einen Haufen Geld, Frau Kollegin Schwarz. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Das wird ja auch noch eine Sache sein, der man auf den Grund gehen kann: wie viel diese ganzen Maßnahmen wirklich ausgemacht haben; und wie gesagt, der Nutzen ist null. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Frau Präsidentin, danke für den Bericht über die Sportförderung, den wir im Ausschuss eingehend behandelt haben. Wir wissen um die Problematik bei der Sportförderung, die sehr verschachtelt ist, weil der Sport in Wahrheit von drei Ebenen gesponsert wird: von den Gemeinden, den Ländern und dem Bund. Natürlich ist es auch eine wichtige Di­mension – wenn man sieht, wie wenig Bewegung heute die Jugend macht –, dass man mit entsprechenden Maßnahmen, die natürlich Geld kosten, etwas erreicht. Das ist auch etwas Gesundheitsförderndes, etwas Vorbeugendes, denn so, wie wir als Kinder noch gespielt haben – vielfach in viel Schmutz –, sind wir in Wahrheit alle immunisiert worden und haben auch viele Krankheiten überstanden. Es würde heute nicht schaden, wenn man die Kinder mehr hinauslässt und ihnen vielleicht nicht dauernd mit irgendeinem Hy­gienespray nachrennt, um das Kind möglichst sauber und hygienisch rein zu halten, weil das in Wahrheit wie gesagt auch Immunität kostet.


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In diesem Sinne noch einmal danke für den Bericht, Frau Präsidentin! Wir sehen uns beim nächsten Ausschuss. (Beifall bei der FPÖ.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zanger, ich darf Sie vielleicht informieren: Ich weiß nicht, ob Sie es am Anfang gehört haben, es ist ähnlich wie im Schweizer Nationalrat, dort liegt ein Gesundheitsattest vor: Es ist nicht sinnlos. Wir dür­fen aber auch durchaus annehmen, dass Abgeordnete Eigenverantwortung wahrneh­men und als Beispiel für die Bevölkerung arbeiten. (Beifall von ÖVP und Grünen.)

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Stögmüller zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.46.25

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Werte Damen und Herren! An diese Rede anzuknüpfen wird jetzt hart sein. (Heiterkeit des Redners.) Ich versuche, wieder zur Sache zu kommen. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit des Abg. Zarits.)

Es liegen zwei Prüfberichte des Rechnungshofes vor. Zuerst einmal vielen Dank für die­se Prüfberichte an Ihr gesamtes Team, Frau Präsidentin! Es geht um den Sport. Diese Berichte zeigen wieder einmal, dass die Berichte aus dem Rechnungshof auch wirklich ernst genommen werden, denn viele Punkte daraus sind bereits umgesetzt worden, auch in den letzten Jahren.

Sport und Bewegung nehmen einen riesigen Platz im Leben der Menschen in Österreich ein. Sport ist oft nicht nur ein Teil des Alltages, sondern für viele Menschen auch mit sozialen Kontakten und einem Ausgleich zur Erwerbsarbeit verbunden. Damit es ein breites Sportangebot für die Menschen gibt, gibt es viele Vereine und Träger, die dieses Angebot umsetzen. Dafür braucht es finanzielle Mittel, egal ob es sich um den Breiten­sport oder um den Spitzensport handelt.

Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt nun um zwei verschiedene Rechnungshofbe­richte. Der eine ist der Bericht zur Bundessportförderung, der zweite der Bericht über die Nationale Anti-Doping-Agentur. Ein paar Punkte, die mir in diesen Berichten aufgefallen sind, möchte ich als Rechnungshofsprecher aber schon auch kritisch anmerken.

Beginnen wir bei den Bundessportförderungen! Dabei ist mein größter Kritikpunkt, dass das BSFG 2013 und auch das BSFG 2017 eine Mitgliedschaft von VertreterInnen der FördernehmerInnen in den Entscheidungsgremien der Bundes-Sport GmbH vorsehen. Die FördernehmerInnen entscheiden also weitgehend selbst über ihre eigenen Förde­rungen. Das zieht natürlich die berechtigte Kritik auf sich, dass es zu Interessenkonflikten bei der Vergabe der Bundessportförderungen kommen kann. Ich bin sehr froh darüber, dass unser Sportminister bereits im Rechnungshofausschuss erklärt hat, dass das Pro­blem bekannt ist und man dabei ist, sich zu überlegen, welche Verbesserungen möglich wären.

Ein zweiter Punkt, der sich durch beide Berichte wie ein roter Faden zieht, ist der niedrige Frauenanteil. Die Erhöhung des Frauenanteils in den eigenen Gremien, sowohl bei der Bundes-Sport GmbH als auch bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur, ist dringend er­forderlich. Die Nada hat beispielsweise kaum Frauen in ihren Kommissionen. Bei der Ethikkommission und der Ärztekommission lag der Frauenanteil gerade einmal bei 20 Prozent. In der Auswahlkommission waren überhaupt keine Frauen vertreten. Was mich besonders freut ist die Zusage des Sportministers im Rechnungshofausschuss, dass der Umstand, dass keine einzige Frau in einer Entscheidungsfunktion in der Bun­des-Sport GmbH vertreten ist, endlich angegangen und geändert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, das ist begrüßenswert. Das ist besonders wichtig, weil gerade jene Sport­arten, in denen Frauen sehr erfolgreich unterwegs sind – oftmals viel erfolgreicher als


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die männlichen Kollegen in dieser Sportart –, noch sehr im Hintergrund sind, auch in der medialen, der öffentlichen Wahrnehmung, und gefördert werden. Diese Erhöhung ist zu­mindest ein kleiner, aber wichtiger Schritt.

Ebenfalls bin ich mir sicher, dass sich auch bald eine Gendermainstreamingstrategie bei der Vergabe von Förderungen erarbeiten lässt, mit der Frauen und Sport nicht nur als Sonderprojekte gesehen, sondern auch aktiv gefördert werden. Ich glaube, das ist wich­tig und auch notwendig. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend möchte ich noch zu einem anderen Thema im Bereich des Sports kom­men. Was mich freuen würde, wäre, wenn der Fokus nicht nur auf die großen – wie etwa den ÖFB, der mit 15 Millionen Euro im Jahr 2016 eindeutig der größte Fördermittelemp­fänger ist –, sondern auch auf die kleinen Vereine und Verbände gerichtet wird. Da wäre auch eine zielgerichtete Förderung wünschenswert. Warum zielgerichtet? – Momentan erhalten die kleinen Vereine und Verbände ihren Förderanteil von den Dachverbänden. Dadurch besteht wenig Möglichkeit, Bundesförderungen ganz gezielt bestimmten klei­nen Vereinen zukommen zu lassen. Das wäre mir, gerade auch als Sprecher für Ehren­amt und Freiwilligkeit, persönlich ein Anliegen. Es gibt so viele, die sich freiwillig und ehrenamtlich in Sportvereinen engagieren, sei es als Trainer, als Schiri, als SportlerIn und so weiter. Auch dafür soll die Förderung da sein und auch gezielt stärker eingesetzt werden und nicht nur für den Spitzensport oder die großen Verbände.

Vor allem da das Volumen der Sportförderung seit dem Jahr 2000 doch immens ge­stiegen ist und deutlich mehr als das Doppelte an Mitteln zur Verfügung steht, sollte gerade auch darauf in Zukunft der Fokus gesetzt werden. Ich bin mir auch sicher, dass unser Sportminister das gerne aufnehmen wird. – Noch einmal vielen Dank an Sie und an den Rechnungshof für diesen Bericht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos‑Trautt­mansdorff. – Bitte.


21.51.42

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsi­dentin! Vorweg darf ich mich bei Ihnen und bei Ihrem Haus wieder sehr für die drei Be­richte bedanken, die heute in Verhandlung stehen. Ich werde insbesondere auf zwei eingehen. Ich möchte mich aber auch bei den Auskunftspersonen bedanken, die wir geladen haben und die uns in der Diskussion durchaus weitere Aspekte geliefert haben, und auch beim Herrn Minister und Vizekanzler, der anwesend war und zu allen unseren Fragen durchaus ausführlich Stellung genommen hat.

Vorweg vielleicht ganz kurz zum Nada-Bericht, er wurde schon von ein, zwei Vorrednern angesprochen: Dieser ist durchaus als sehr erfreulich zu beurteilen, gerade auch in Bezug auf die Forderungen des Rechnungshofes, weil diese nahezu alle, sowohl vom Ministerium als auch von der Nada, umgesetzt wurden. Das ist etwas sehr Positives, das man auch hervorheben muss, denn man sieht, dass die Arbeit von uns als Hohem Haus, aber auch die des Rechnungshofes da wirkt.

Weniger positiv, würde ich sagen, schaut es beim zweiten Bericht aus, den wir uns auch sehr lange und sehr intensiv zu Gemüte geführt haben, und zwar dem Bericht zur Bun­dessportförderung. Da gibt es durchaus umfangreichere Empfehlungen, die allesamt nicht umgesetzt beziehungsweise auch nicht angegangen wurden. Ich glaube durchaus, dass das zu erwähnen ist und dass wir uns als Hohes Haus auch intensiv mit dem, worum es da geht, auseinandersetzen sollten.

Es geht da einerseits um die Förderungen. Die Situation ist so – und das hat der Rech­nungshof aus meiner Sicht auch zu Recht kritisiert –, dass der Geschäftsführer För­derungen anregen kann, auszahlen kann, aber die Förderentscheidung jeweils die


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Zustimmung einer Kommission braucht. Das Absurde ist, dass diese Kommission wie­derum mit jenen besetzt wird, die die Förderungen bekommen, also mit den Förderneh­mern, und dadurch eine Situation entsteht, in der der Fördernehmer selbstständig ent­scheiden kann, ob er diese Förderungen eigentlich bekommen soll oder nicht, was man nicht wirklich nachvollziehen kann und womit sich natürlich die Katze in den Schwanz beißt. Daran hat der Rechnungshof sehr starke und sehr eindeutige Kritik geübt.

Wir haben im Ausschuss auch einen Antrag gemäß § 27 eingebracht und versucht, die­sen zu debattieren. Leider wurde er von den Grünen, der SPÖ und der ÖVP abgelehnt, ohne eine Begründung zu liefern. Das finde ich sehr schade, weil ich glaube, dass es diese Diskussion auch genau im Rechnungshofausschuss geben sollte, denn es hat sich da um eine klare Empfehlung des Rechnungshofes gehandelt. Deswegen haben wir die­sen Antrag auch heute wieder eingebracht.

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte – Kollege Stögmüller hat es vorhin kurz erläutert –, ist der Frauenanteil. Es ist so, dass in der Bundes-Sport GmbH weder in der Geschäftsführung noch im Aufsichtsrat noch in den zwei Kommissionen eine einzige Frau ist beziehungsweise zum Berichtszeitpunkt war. Das heißt, wir haben hier eine Quote von 0 Prozent Frauenanteil – und das ist, glaube ich, durchaus beschämend. Das kann und muss man auch so ansprechen, und ich hoffe, dass da wirklich schleunigst Maßnahmen eingeleitet werden, um diese Quote zu verbessern.

Ein weiteres Thema ist die Förderkaskade, das heißt, dass man die Förderungen auf Bundesebene auszahlt, diese dann an die Dach- und Fachverbände ausgezahlt werden, die dann wiederum selbstständig an die unteren Organisationen auszahlen. Dadurch haben wir als Parlament, aber auch der Rechnungshof – und darüber hinaus auch sonst – keine Kontrolle darüber, wie mit diesen Mitteln umgegangen wird, wofür sie ei­gentlich weitergegeben werden. Auch das ist ein Punkt, den der Rechnungshof kritisiert hat und bei dem bislang leider keine Verbesserung eingetreten ist.

Zuletzt möchte ich noch auf den Punkt der Parallelen eingehen. Wir haben in der Sport­förderung die Situation – der Rechnungshof hat das sehr eindeutig und auch grafisch sehr gut dargestellt –, dass Sportförderung auf verschiedenen Ebenen stattfindet, auf Bundesebene, auf Landesebene und auch auf Ebene der Gemeinden, sodass es durch­aus zu Parallelförderungen kommt und wir diese wenig bis nicht nachvollziehen können.

Das liegt unter anderem daran, dass die Transparenzdatenbank insbesondere von den anderen Ebenen nach wie vor viel zu wenig genutzt wird. Es gibt durchaus Potenzial, einzusparen, um dann auch neue, moderne Sportarten hineinnehmen zu können – wir haben vorhin schon von Kollegen Stögmüller gehört, dass die Sportförderung sehr stark an alte Strukturen geknüpft ist –, damit wir da auch mehr Diversität hineinbekommen und Sport dementsprechend auch breiter aufstellen können. Ich glaube, das ist etwas, was uns allen am Herzen liegen würde.

Ich darf mich bei Ihnen, Frau Rechnungshofpräsidentin, im Namen unserer Fraktion – und, ich glaube, auch teilweise der anderen Fraktionen – für diese Berichte bedanken und bitte Sie, diesen Dank auch an Ihr Haus weiterzugeben.

Ich hätte auch noch einen Appell an die Grünen und generell an die Regierung – aber insbesondere an die Grünen, da Vizekanzler Kogler ja auch für den Sport zuständig ist ‑: Ich bitte euch wirklich, nehmt euch endlich des Themas Sportförderung an und schaut, dass es da zu einer Modernisierung kommt, bei der am Ende wirklich der individuelle Sportler gefördert wird und das Geld nicht in irgendwelchen großen, aufgeblähten, meis­tens parteinahen Apparaten versickert! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

21.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandwei­ner. – Bitte.



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21.57.12

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Sport verbindet, sei es in der Schule, wo neben der körperlichen Betätigung auch soziale Kontakte geknüpft werden, oder in der Freizeit in Vereinen, wo die Kinder und Jugendlichen Respekt und den Umgang miteinander lernen und gleichzeitig ihren Körpern etwas Gutes tun.

Natürlich gehören zum Sport auch Wettkämpfe, und auch da wird von klein auf gelernt, fair und sauber zu sporteln. Leider vergessen das manche Sportlerinnen und Sportler auf dem Weg in den Spitzensport, wenn es darum geht, andere zu schlagen und besser zu sein. Ich selbst bin leidenschaftlicher und begeisterter Zuschauer – egal ob in der Zwettler Sporthalle, wenn unsere Waldviertler Volleyballer baggern und pritschen, oder bei den vielen TV-Übertragungen, wenn unsere Spitzensportler um Medaillen, Titel und Punkte kämpfen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Unsere SportheldInnen haben schon für viele großartige Momente gesorgt, aber leider gibt es eben auch weniger schöne Erinnerungen. Infolge des Dopingskandals 2006 bei den Olympischen Winterspielen in Turin wurde im Jahr 2008 die Nationale Anti-Doping-Agentur, kurz Nada, gegründet. Die grundsätzlichen Aufgaben der Nada umfassen ne­ben der Aufklärung und Information über Doping – natürlich mit dem Ziel der Präven­tion – auch die Einleitung von Verfahren gegen Personen, die sich nicht an die Regeln halten oder bei denen der Verdacht besteht.

Da die Nada durch Bundesmittel finanziert wird, hat der Rechnungshof im November und Dezember 2016 die Nada hinsichtlich Aufgabenerfüllung, wirtschaftlicher Lage, Ei­gentümerrechte und Förderungssituation geprüft. Generell wurde die Zusammenarbeit der Nada mit den Haupteigentümern – also Bund und Bundesländern – als gut bewertet. Die wesentlichen Empfehlungen, die Förderungen beziehungsweise Abrechnungsunter­lagen möglichst schnell abzuwickeln und Berichtspflichten einzuhalten, werden von bei­den Seiten laufend verbessert und klarerweise auch evaluiert.

Deshalb möchte ich mich abschließend auch beim Kollegium des Rechnungshofes für die Prüfung und den Bericht bedanken, aber natürlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Nada für ihren Einsatz für einen sauberen Sport in Österreich.

Österreich ist ein Sportland mit vielen großartigen Sportlerinnen und Sportlern, die uns nicht nur viele schöne TV-Momente bescheren, sondern auch Botschafter für unser schö­nes Land auf der Weltbühne sind. Wir alle haben wahrscheinlich erst kürzlich mitgefie­bert, als Dominic Thiem die US Open im Tennis gewonnen hat. Das sind Schlagzeilen und Erinnerungen, über die wir uns gerne freuen, und natürlich großartige, faire Sportler, auf die wir zu Recht stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Köllner. – Bitte.


22.00.33

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Der Viertel-neun-Film ist schon fast aus, alle wollen heim, jetzt reden wir noch über den Rechnungshofbericht. – Nein, Spaß bei­seite! Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich persönlich freue mich wirklich sehr, denn so haben wir endlich die Möglichkeit – auch wenn der zuständige Minister nicht hier ist –, den Sport wieder einmal in den Vordergrund zu rücken.

Bevor ich dazu komme, lassen Sie mich noch ein paar Worte an meinen Kollegen Koll­ross anschließen, der sich zur Bürgerinitiative „Gegen die Breitspurbahn“ geäußert hat!


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Mir ist das persönlich ein sehr wichtiges Anliegen, denn Tausende Menschen haben ge­gen dieses Monsterprojekt in der Region Nordburgenland und Niederösterreich unter­schrieben. Warum? – Weil sie einfach ihre Lebensqualität erhalten möchten. Dass diese Bürgerinitiative im Petitionsausschuss einfach so abgewürgt wird, halte ich persönlich nicht nur für herablassend, sondern sogar für demokratiepolitisch bedenklich.

Nun aber zum Rechnungshofbericht: Frau Präsidentin, der Rechnungshof hat sich ein Bild von der Nationalen Anti-Doping-Agentur und von der österreichischen Bundessport­förderung gemacht, und ja, es muss da wie dort noch an der einen oder anderen Schrau­be gedreht werden, um noch effizienter zu werden, damit die Sportfördergelder direkt dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich bei den Vereinen und bei den Athle­ten.

Viele tolle Erfolge im österreichischen Sport wurden leider immer wieder durch Blutbeu­telaffären in den Hintergrund gerückt, was vor allem für jene sehr, sehr schade ist, die sauberen Sport betreiben. Wir dürfen uns daher auch kein Blatt vor den Mund nehmen, was Doping betrifft. Ist es verhältnismäßig, wenn man für einen kleinen Diebstahl in ei­nem Lebensmittelgeschäft eine unbedingte Haftstrafe ausfassen kann, für systemati­sches und wiederholtes Doping, das den gesamten Sport schädigt, aber mit bedingten Strafen davonkommt? Da braucht es klare, strenge und einheitliche Regelungen auch auf internationaler Ebene, denn sonst geraten unsere österreichischen Sportler gegen­über den anderen ins Hintertreffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Großen und Ganzen wird aber sowohl bei der Nada als auch bei der vom früheren Sportminister Doskozil ins Leben gerufenen Bundes-Sport GmbH und den Sportdach­verbänden hochprofessionelle Arbeit geleistet, wozu man den Verantwortlichen auch ein­mal gratulieren darf.

Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zum Verordnungschaos der Bundesregierung! Mein ehemaliger Fußballtrainer hat immer gesagt: Du kannst Fehler machen, aber mach den Fehler nicht zweimal! – Anstatt selber das Spiel zu machen, hat das Regierungs­team den Coronavorsprung verspielt und läuft nun wieder hinterher, weil es anscheinend wichtiger war, sich bei Pressekonferenzen vor die TV-Kameras zu stellen und sich zu inszenieren, statt einfache und klare Lösungen zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Resultat ist, dass im Bereich des Sports nach der letzten Ankündigung beziehungs­weise Verordnung wieder die gleiche Verunsicherung herrscht wie im Frühjahr. Die Be­völkerung stellt sich Fragen wie: Wann und wo brauche ich denn die Maske? Wie viele Leute dürfen am Yogakurs teilnehmen? Wie geht es weiter in den Fitnessstudios, auf den Sportplätzen und so weiter?

Viele FreizeitsportlerInnen schreckt dieses Chaos einfach ab – und das ist ganz logisch, wenn man sogar dafür bestraft werden kann. Sie meiden das Fitnessstudio, die Yoga­stunde und manchmal sogar den Sport im Freien. Und das geschieht gerade jetzt, da uns die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, zur Stärkung des Immunsystems beson­ders in Zeiten von Pandemien Sport und Bewegung zu machen. Fakt ist, kaum jemand kennt sich noch aus, aber daran sind sicher nicht die Leute schuld, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.


22.04.41

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Rechnungshof­präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Eines vorweg: Mich haben in der Vergangenheit schon einige Berichte des Rechnungshofes


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und die Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge verwundert. Ich habe es nie für möglich gehalten, dass es von den geprüften Stellen ein so sorgloses Vorgehen im Zu­sammenhang mit Vorschriften geben kann. Meines Erachtens ist das leider so ein Be­richt.

Die Generalversammlung hält zweimal pro Jahr eine Sitzung ab, jedoch stellte der Rech­nungshof fest, dass es in den Sitzungsprotokollen oftmals an der Beschlussfassung man­gelte, insbesondere in Bezug auf die Budgets der Jahre 2011 und 2012.

Die Erfüllung der Aufgaben des Kuratoriums stellt sich ebenfalls als mangelhaft heraus. In den Jahren 2012, 2013 und 2015 wurden die vierteljährlichen Kuratoriumssitzungs­intervalle nicht eingehalten. Kritisch beurteilt der Rechnungshof außerdem die Tatsache, dass die Nada dem Geschäftsführer einen Dienstwagen zur Verfügung stellte, den er auch privat nutzen konnte, jedoch ohne schriftliche Vereinbarung in Bezug auf die Kos­tentragung der Treibstoff- und Mautkosten sowie eventuelle Verkehrsstrafen und Kosten für Schäden am Auto.

Weiters beschäftigt sich der Rechnungshof auch noch mit dem Rücktritt des Geschäfts­führers im Jahre 2012. Schlussendlich einigte er sich mit dem Ministerium auf eine Ge­haltsfortzahlung von elf Monaten bei gleichzeitiger Dienstfreistellung. Der Rechnungshof beurteilte diese Einigung als überaus großzügig, und dem kann ich nur zustimmen, denn die Prüfung von Alternativen war definitiv mangelhaft.

Was mich wirklich verwundert: Warum gibt es so viele Missstände? – In jeder noch so kleinen Gemeinde vor Ort gibt es eine Mindestvorgabe an Gemeinderatssitzungen, wo­ran sich jeder Bürgermeister auch hält; die unendlich vielen Vereinsobmänner vor Ort erarbeiten sich ihr Vorgehen gemäß ihrer Statuten und absolvieren es ordnungsgemäß.

Meine Damen und Herren, ich denke, da gibt es einen enormen Nachholbedarf und Or­ganisationsbedarf, nicht nur für die Nada selbst, sondern auch im Ministerium. Ich hoffe daher, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes baldigst umgesetzt werden, um die­sem Chaos ein Ende zu bereiten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte.


22.07.31

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kennen Sie die Spender für Frühstücksflocken, wie es sie in Hotels gibt? Das sind so Plexiglaszylinder mit einem Rad unten, an dem man drehen kann. Das betätigt dann eine Spirale, man hält die Schlüssel darunter und dreht so lange an dem Rad, bis man genug in der Schüssel hat. Das ist ungefähr das Prinzip, nach dem in der Vergangenheit die Sportförderung in Österreich funktioniert hat: Wer zuerst kommt, dreht nach Gusto so lange, wie er möchte; wer später beim Buffet ist, kriegt nur mehr den Rest. (Zwischen­ruf des Abg. Loacker.)

Das Sportfördersystem der Zukunft stellen wir uns im Gegensatz dazu wie eine Essens­ausgabe vor: Man kommt mit seiner Schüssel hin und bekommt so viel, dass man satt wird. Jemand, der aufgepäppelt werden muss, bekommt auch dafür genug; jemand, der die Möglichkeit hat, sich auch an anderen Buffets zu bedienen, dafür umso weniger. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist dringend notwendig, dass wir ein System der Sportförderung schaffen, in dem die Mittel wirklich dafür verwendet werden, wofür sie gedacht sind. Das ist natürlich die För­derung des Spitzensports, der Österreich international Erfolge feiern lässt und der Nach­wuchsathletInnen die Vorbilder liefert, denen sie nacheifern wollen. Es sind aber ge­nauso die Strukturen im Breitensport. Dort, wo jeden Tag Tausende Menschen in


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Österreich in ihrer Freizeit ehrenamtlich und mit ganz, ganz viel Engagement möglich machen, dass sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene sportlich betätigen können, muss auch ausreichend Geld ankommen.

Es muss auch dafür genutzt werden, dass bis auf die elementarste Ebene die Möglichkeit besteht, ÜbungsleiterInnen, TrainerInnen, SchiedsrichterInnen auszubilden, FunktionärIn­nen Wissen zu vermitteln und Sportstätten und Ausrüstung zu erhalten.

Gerade die jüngste schwierige Zeit hat gezeigt, welch enormes Potenzial in den Sport­vereinen steckt – ich meine nicht nur in sportlicher Hinsicht, das haben sie auch in der Vergangenheit genug bewiesen –: Jetzt hat sich offenbart, wie viel Kreativität, Mut, Lö­sungskompetenz und vor allem Wille zum Ermöglichen da vorhanden ist, von den je­weiligen Bundesverbänden bis hinunter zu den kleinsten Vereinen. Da kann man nicht genug Danke sagen. Vielen Dank an alle, die sich da engagieren und die nicht aufgeben, auch wenn die äußeren Umstände jetzt gerade alles andere als leicht sind und ihnen sehr viel abverlangen.

Wir werden uns diesen Mut und diesen Tatendrang zum Vorbild nehmen und mit dem Herrn Sportminister nicht nur die Empfehlungen des Rechnungshofes, für die ich mich hier sehr bedanke, weiter beherzigen und umsetzen, sondern das System der Sportför­derung so gut machen, wie es dem Sportwesen in Österreich gerecht wird, mit dem Ziel: Jede Institution bekommt das, was sie braucht. (Beifall bei den Grünen.)

22.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Shetty. – Bitte.


22.10.44

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Hoyos hat ja schon angesprochen, was unsere grundsätzliche Kritik an diesem Bundes-Sportförderungsgesetz ist: Es ist intransparent, es begünstigt Freunderlwirtschaft und Steuergeldverschwendung, und das findet sich auch im Rechnungshofbericht wieder.

Um vielleicht ein ganz konkretes, anschauliches Beispiel dafür zu bringen, was da für kritische Vorgänge passieren – das ist eine aktuelle Geschichte, der „Falter“ hat darüber berichtet, nämlich über eine Anfrage von uns, und es betrifft einen Sachverhalt, der sich schon vor längerer Zeit zugetragen hat –: Der letzte Diktator Europas, Aljaksandr Luka­schenka, hat auf Einladung des ÖOC, des Österreichischen Olympischen Comités, eine Woche lang um sage und schreibe 200 000 Euro in Österreich geurlaubt.

Gezahlt wurde das alles vom Österreichischen Olympischen Comité – dem ÖOC, das jedes Jahr Millionen an Sportförderung bekommt; dem ÖOC, dessen Funktionäre, das muss man sich einmal vorstellen, in den Gremien sitzen, die die Sportförderung auszah­len. Dieses ÖOC hat diesen Luxusurlaub finanziert. Ich glaube, dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, dass wir ein Riesenproblem mit Intransparenz und struktureller Kor­ruption auch im Bereich der Bundessportförderung haben. (Beifall bei den NEOS.)

Das Problem in der Sportförderung ist, dass das Geld bei den Funktionären bleibt, in den Funktionärsebenen versickert und nicht bei jenen ankommt, die es wirklich benöti­gen, nämlich den Sportlerinnen und Sportlern.

Da die Anfragebeantwortungen von Vizekanzler Kogler zu dieser Thematik eher wirr sind, habe ich relativ wenig Hoffnung, dass sich da in der Bundessportförderung Grund­legendes verändert, aber genauso wenig Hoffnung habe ich leider mittlerweile auch, was – um da die Brücke zu schlagen – das Krisenmanagement im Sport während der Covid-Krise betrifft.


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Kollege Köllner hat es schon angedeutet: Zum Beispiel herrschen in den Yoga-, Sport- und Tanzstudios Verwirrung, Unsicherheit und Chaos. Die Betriebe wussten am Montag nicht, ob sie überhaupt aufsperren dürfen. Sie mussten sich die Infos auf den unter­schiedlichen Homepages des Gesundheitsministeriums und des Sportministeriums zu­sammenklauben, und es ist immer noch unklar, ob Sport- und Yogakurse unter den Ver­anstaltungsbegriff des § 10 der COVID-19-Maßnahmenverordnung fallen. – Das war al­so eine katastrophale Informationspolitik.

Heute ist schon wieder eine neue Regelung auf der Homepage zu finden, die besagt, dass diese Zehnpersonenregelung zwar für Yogakurse gilt, es aber möglich ist, in großen Räumen mehrere Gruppen gleichzeitig trainieren zu lassen, wenn sie sich nicht vermischen. Was das bedeutet, ob sie sich vermischen oder nicht, ist weiterhin unklar. Auf welcher Grundlage auch diese Aussage wieder beruht, ob sie überhaupt auf einer gesetzlichen beziehungsweise auf einer Verordnungsgrundlage beruht, ist weiter unklar.

Hier wird und wurde schon beim ersten Lockdown oder in der ersten Phase der Krise absolut willkürlich und sinnbefreit agiert. Es ist zum Beispiel jetzt so, dass sich in einem kleinen Raum in einem Fitnesscenter 100 Personen versammeln dürfen, aber in einem großen Yogastudio nicht mehr als zehn Personen gleichzeitig einen Kurs besuchen dür­fen. Ich sage Ihnen eines: Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof hält, wenn ein Einzelfall wirklich bis zum Verfassungsgerichtshof getragen wird.

Wir haben Ende Mai gesagt – und das ärgert mich da besonders auch im Hinblick auf den Vizekanzler und zuständigen Sportminister –, es braucht maßgeschneiderte Lösun­gen für den Sport. Wir haben gewarnt, dass wir im Oktober, wenn die zweite Welle droht, Lösungen brauchen, die anders sein müssen, als jene damals im März und April, weil man in der kalten Jahreszeit nicht ins Freie ausweichen kann.

Es ist mir auch ganz wichtig, zu sagen, dass wir gerade im Sport diese Kollateralschä­den, diese negativen Auswirkungen, wenn Yogastudios, Fitnessstudios, Sportstudios zumachen, nicht außer Acht lassen dürfen. Wir haben damals schon gesagt, dass es für die vielen KMUs und kleinen Betriebe existenzbedrohend sein kann und sein wird, wenn sie vor so unklare Regeln gestellt werden.

Ich wünsche mir vom Sportminister, dass er da auf maßgeschneiderte Lösungen setzt, dass man mehr auf Abstandsregeln setzt anstatt auf Personenobergrenzen. Mich macht es wirklich wütend, dass wir, vier Monate nachdem wir das erste Mal darauf aufmerksam gemacht haben, wieder vor dem Punkt stehen, dass keine neuen Lösungen da sind. Ich frage mich – so wie das Kollege Loacker auch schon bei anderen Punkten gesagt hat ‑: Was haben die Zuständigen die letzten vier Monate eigentlich gemacht? (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Rauch.)

Es ist mir auch wichtig, zu sagen, gerade im Sportbereich – der Vizekanzler ist jetzt nicht da –: Es geht nicht darum, ihn oder Mitglieder der Bundesregierung schlechtzumachen, aber der Unmut und die Wut unter den Betroffenen sind wirklich riesig.

Ich habe am Wochenende mit vielen Betreiberinnen und Betreibern gerade von Yoga- und Sportstudios telefoniert. Die kennen sich nicht mehr aus. Die sind wirklich fertig, weil sie nicht damit gerechnet haben, dass sich das, was damals im März und April gesche­hen ist, wieder eins zu eins wiederholt.

Deswegen möchte ich mit einem Appell schließen, nämlich an den Sportminister oder auch an die Zuständigen im Sportministerium: Finden Sie bitte klare, maßgeschneiderte Lösungen, weil wir sonst wirklich erleben werden, dass ganz, ganz viele von diesen klei­nen und mittleren Betrieben in ihrer Existenz zerstört werden! (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Rauch und Strache.)

22.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 260

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zarits. – Bitte.


22.16.21

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sport­freundinnen und Sportfreunde, sofern Sie noch vor den Fernsehgeräten zusehen, ich darf euch ganz herzlich begrüßen! Ich glaube, der Rechnungshofbericht zur Sportförde­rung wurde heute sehr unterschiedlich diskutiert und es gibt dazu unterschiedliche Be­wertungen.

Ich als Sportsprecher der größten Fraktion hier im Haus, der Volkspartei, möchte die Gelegenheit nutzen, den Ehrenamtlichen ganz herzlich zu danken. In einer herausfor­dernden Zeit, in der Coronazeit, waren es gerade die Ehrenamtlichen, die die Strukturen des Sports aufrechterhalten und vieles geleistet haben. 2,2 Millionen Arbeitsstunden werden in 15 000 Vereinen ehrenamtlich geleistet und 580 000 Ehrenamtliche sind im Sportbereich tätig. Dafür gilt ihnen ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Danke sagen, weil es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich die Sport­lerinnen und Sportler, die Funktionärinnen und Funktionäre an die Regeln gehalten und sehr, sehr viele Konzepte auf Vereinsebene ausgearbeitet haben. Sie haben auch sehr, sehr viel dazu beigetragen, dass die Krise in dieser Zeit in Österreich besser bewältigt wurde als in anderen Ländern. Sie haben auch viel dazu beigetragen, dass das Risiko nicht vom Sport ausgegangen ist.

Ein Appell an alle, die sportbegeistert sind, an alle, die Mitglieder in den Sportvereinen sind: Bitte bleiben Sie Ihrem Verein treu! Die Vereine brauchen jedes Mitglied, die Vereine brauchen jeden einzelnen Mitgliedsbeitrag. Bitte bleiben Sie Ihrem Verein treu und unterstützen Sie die Vereine!

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viele Projekte im Sportbereich hier im Parlament gemeinsam beschlossen. Ich erinnere da an den NPO-Fonds mit einem Volu­men von 700 Millionen Euro, ich erinnere auch an den Fonds für die Sportligen im profes­sionellen Bereich, mit dem wir die Vereine und auch die Profiligen abgesichert haben. Wir haben es hier im Hohen Haus auch geschafft, Bestimmungen zur Prae an die der­zeitige Lage anzupassen, und wir haben es in guten Gesprächen mit Bundesminister Heinz Faßmann geschafft, dass der Sport und die Bewegung wieder in die Schule zu­rückgekehrt sind. Ein herzliches Dankeschön dafür! Es ist vor allem der Expertise un­serer Vereine zu verdanken, dass die Covid-19-Lockerungsverordnungen vorbildlich umgesetzt wurden, nämlich mit verschiedensten Präventionskonzepten.

In der Krise hat sich für mich aber eines gezeigt, nämlich wie effizient und engagiert und professionell der Sport in Österreich organisiert ist. Die Einzigartigkeit unseres Ehren­amtes ist das unbestrittene Argument für die Autonomie des österreichischen Sports. Der Sportbereich mit seinen Spezifika ist daher mit keinen anderen Förderbereichen in Österreich vergleichbar. Wir als Volkspartei stehen zur Autonomie des Sports und wollen die Autonomie des Sports natürlich weiter stärken.

Der Prüfungszeitraum des gegenständlichen Rechnungshofberichtes liegt vor dem In­krafttreten der heutigen Rechtslage zur Sportförderung. Viele angesprochene Forderun­gen meiner Vorredner wurden bis jetzt auch schon umgesetzt. Ich denke da zum Beispiel an Schwerpunkte im Förderbereich wie zum Beispiel das bundesweite Programm Kinder gesund bewegen.

Wie läuft die Förderung heute ab, seit dem Jahr 2017, in dem es Verbesserungen gege­ben hat? – Der Bundesminister gibt Förderschwerpunkte vor. Die Geschäftsführung, die vom Sportminister bestellt ist, entwickelt auf dieser Basis die Förderprogramme. (Beifall bei der ÖVP.) Die Kommissionen müssen dann zwar freigeben, aber wenn es keine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 261

Einigung gibt, liegt die Letztentscheidung beim Aufsichtsrat, in dem Gleichstand herrscht und bei dem der Sportminister das Dirimierungsrecht hat. Jedenfalls ist zu betonen, dass jeder Fördernehmer auch ein Verbandskonzept vorlegen muss, das mit der Geschäfts­führung auch diskutiert werden muss. Ich möchte betonen, dass die Fördermittelverwen­dung klar definierte Ziele haben muss und dass das Förderprogramm natürlich klar be­legt werden muss.

Meine geschätzten Damen und Herren, es ist auch positiv zu erwähnen, dass das Sport­ressort in den letzten Jahren den Rückstand bei den Förderabrechnungen wesentlich aufgeholt hat. Es ist auch sehr, sehr positiv zu erwähnen, dass die Bundessportförde­rungsmittel in den vergangenen Jahren angestiegen sind.

Meine geschätzten Damen und Herren, zwei Millionen Mitglieder in 15 000 Vereinen in ganz Österreich, davon 570 000 Kinder und Jugendliche, 80 Millionen Euro Verbands­förderung: Das bedeutet 40 Euro pro Mitglied, und ich denke, diese Förderung ist auch zu rechtfertigen.

Was wir aus dem Bericht noch lernen, ist, dass wir eine bessere Abstimmung zwischen den verschiedenen Förderungen wie zum Beispiel Gemeindeförderungen, Landesförde­rungen und Bundesförderungen brauchen. Seitens des Sports wird auch angeregt, dass die Bundes-Sport GmbH in Zukunft eine zentrale Abwicklungsstelle sein sollte.

Meine geschätzten Damen und Herren, ich glaube, es hat sich gerade in der schwierigen Zeit in den letzten Monaten gezeigt, dass wir die Expertise der Experten und Expertinnen aus dem Sport brauchen, um den Sport und die Autonomie des Sports weiterzuentwi­ckeln. Das ist im Regierungsprogramm auch verankert, und ich bin guter Dinge, dass wir das schaffen werden.

Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich ehrenamtlich für den Sport engagieren. Ich glaube, wir sind seit dem Jahr 2017 auf einem guten Weg. Seit dem Rechnungshofbe­richt wurden schon viele Verbesserungen in die Realität umgesetzt. Ich denke, dass es gute Tradition in Österreich war, dass es einen Dialog zwischen Politik und dem organi­sierten Sport gegeben hat. Diesen soll es auch in Zukunft geben und der Sport soll im Einvernehmen in Österreich gestaltet und weiterentwickelt werden. – Ein herzliches Dan­keschön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich die Präsidentin des Rechnungshofes. – Bitte.


22.22.48

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Abgeordnete! Ich bedanke mich dafür, dass nun eine Debatte zu den beiden Berichten des Rechnungshofes zum Thema Sport stattgefunden hat; diese waren letzte Woche auch im Rechnungshofausschuss Thema, und zwar die Berichte zur Nada GmbH und zum System der Bundessportförderung.

Natürlich weiß auch der Rechnungshof, dass der Sport eine enorme gesellschaftliche Bedeutung hat und dass er sehr viele Stakeholder hat, egal ob wir vom Spitzen- oder Breitensport sprechen. Das Thema der Autonomie des Sports wurde eben auch schon als ein Spezifikum der Bundessportförderung angesprochen.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns das System dieser Sportförderung angeschaut und geprüft. Wir haben geprüft, wie die Fördermittel auf die Fördernehmer verteilt wer­den, ob die Förderabrechnungskontrolle funktioniert – ich kann sagen, diesbezüglich ha­ben wir wirklich Schwächen festgestellt, etwa auf der Ebene des Ministeriums – und ob es Systemschwächen gibt, etwa in der Form von Interessenkonflikten oder Parallelstruk­turen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 262

Der Sport finanziert sich – das wissen Sie – einerseits aus dem allgemeinen Haushalt und andererseits sehr wesentlich aus Glücksspieleinnahmen, nämlich in der Höhe von 82,7 Millionen Euro im Jahr 2017. Der größere Teil dieser Fördermittel wird von der Bun­des-Sport GmbH vergeben. Die Mittel sind sehr stark gestiegen, nämlich um 153 Prozent in den Jahren 2000 bis 2017. Angesichts der Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel geht es dem Rechnungshof um eine transparente Ausgestaltung des Förderwesens im Sportbereich sowie um eine effiziente Fördermittelvergabe.

Wir haben festgestellt, dass dem Ministerium vielfach der Überblick darüber fehlte, wer letztendlich von den Fördermitteln profitierte. Die Transparenzdatenbank hat da nur be­dingt weitergeholfen, weil die Endempfänger eben nicht aufgelistet und nicht sichtbar werden. Die Förderlandschaft im Bereich des Sports selber ist stark zersplittert und schwer überschaubar. Es finden sich in sämtlichen Bereichen ähnliche Schwerpunkte, und zwar auch zwischen dem Ministerium und der Bundes-Sport GmbH und dann noch zwischen den Gebietskörperschaften, denn auch Länder und Gemeinden fördern den Sport sehr stark. Umso wichtiger ist es nach Auffassung des Rechnungshofes, dass es eine Abstimmung der Fördertätigkeit gibt und dass das Risiko von Mehrfachförderungen und einem ineffizienten Mitteleinsatz möglichst minimiert wird.

Etwas, das wir natürlich sehr stark angesprochen haben, wenn wir das System der Bundessportförderung prüfen, ist die Frage nach systemimmanenten Interessenkonflik­ten. Was verstehen wir darunter? – Wir verstehen darunter die Einbeziehung von Vertre­tern von Fördernehmern etwa in Form der Bundes-Sportorganisation in die Entschei­dungsgremien des Bundes-Sportförderungsfonds und der Bundes-Sport GmbH. Förder­konzeption und -vergabe erfolgen nämlich im wesentlichen Einflussbereich der Förder­nehmer. Da wiederholen wir unsere ständige Empfehlung, Fördernehmern keine Mitent­scheidungsfunktion zu übertragen, sondern diese auf eine beratende Funktion zu be­schränken. Wir haben auch bei der Abrechnungskontrolle gesehen, dass dem oft nicht mit dem nötigen Nachdruck begegnet wird.

Allgemein ist zu sagen, dass wir es begrüßen, dass das Ministerium durch das neue Sportförderungsgesetz die Rolle des Strategiegebers hat. Diese Rolle muss natürlich ausgefüllt werden und da muss die Steuerungskompetenz genutzt werden. Die Bundes-Sport GmbH soll eine einheitliche Abwicklungsstelle für den Sport auf Bundesebene werden; das muss man noch in die Praxis umsetzen und sozusagen die Mittel dahin übertragen.

Der zentrale Kritikpunkt – das ist natürlich wichtig – betrifft eine adäquate Vertretung von Frauen in den Sportgremien. Frauen waren und sind in sämtlichen Entscheidungsfunk­tionen im Sportbereich extrem unterrepräsentiert. Wir haben deutlich kritisiert, dass we­der im Aufsichtsrat noch in der Geschäftsführung noch in den Kommissionen der Bun­des-Sport GmbH eine Frau vertreten war – sämtliche Gremien waren ausschließlich mit Männern besetzt. Im Nachfrageverfahren haben wir positive Rückmeldungen bekom­men. Ich hoffe, dass der Bericht zum System der Bundessportförderung etwas auslösen wird.

Beim Nada-Bericht möchte ich mich ausschließlich auf das Nachfrageverfahren bezie­hen, auch auf die Diskussion im Ausschuss. Wir haben gesehen, dass da vonseiten der Geschäftsführung ernsthaft versucht wird, allen Empfehlungen des Rechnungshofes im Sinne der Effizienz und der Transparenz nachzukommen. Das will ich auch positiv her­vorheben, denn der Nada kommt als nationaler Stelle eine wichtige Funktion im Bereich der Dopingkontrolle, der Prävention und auch der Dopingverfolgung zu. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

22.28


22.28.23

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 263

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob alle so weit sind. – Okay.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH, III­6 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend System der Bundessportförderung, III-29 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig an­genommen.

22.29.2221. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Disziplinarwesen der Bundesbediensteten – Reihe BUND 2019/48 (III­73/359 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 21.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Hanger zu Wort. – Bitte.


22.29.41

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich darf mit einer positiven Nachricht beginnen: Nach über 13 Stunden Sitzungs­dauer sind wir jetzt mittlerweile beim letzten Tagesordnungspunkt angelangt – ich sehe bei manchen Abgeordneten erleichterte Gesichter.

Deswegen in der gebotenen Kürze: Jetzt geht es, wie schon angekündigt, um das Dis­ziplinarwesen für Bundesbedienstete. Der Rechnungshof hat eben dieses Disziplinarwe­sen in vier Ministerien geprüft. Worum geht es? – Grundlage für den öffentlichen Dienst sind das Beamtendienstrecht und das Vertragsbedienstetengesetz. Im Beamtendienst­recht kennen wir die Pragmatisierung. Ein Dienstverhältnis kann nur dann aufgelöst wer­den, wenn eine strafrechtliche Verfolgung vorliegt oder wenn es eben zu disziplinären Maßnahmen kommt, die von einer Disziplinarkommission geprüft werden.

Was war der Hauptkritikpunkt des Rechnungshofes? – Der Rechnungshof hat bemän­gelt, dass es da eine zersplitterte Struktur gegeben hat – in den einzelnen Ministerien hat es immer eigene Disziplinarkommissionen gegeben –, und die zentrale Forderung des Rechnungshofes war, da für eine Vereinheitlichung zu sorgen.

Ich darf diesbezüglich abschließend festhalten: „Die zentrale Empfehlung an das Bun­desministerium für öffentlichen Dienst und Sport, im Sinne einer Professionalisierung, Qualitätssteigerung, gleichmäßigen Auslastung, einheitlichen Rechtsprechung und Kos­tentransparenz die Konzentration des Disziplinarverfahrens bei einer zentralen Diszipli­narkommission vorzusehen, wurde im Rahmen der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I 58/2019, umgesetzt.“ – Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Es gab ei­ne gute Zusammenarbeit zwischen der Regierung, dem Rechnungshof und dem Parla­ment.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 264

Abschließend möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst auf Bundesebene, auf Landesebene und auch auf Gemeindeebene zu bedanken. Da gibt es auch wissenschaftliche Evidenz dazu, nämlich den Public-Sector-Performance-Index der Weltbank: Unter 135 Ländern belegen wir da Platz 16, das ist sehr erfreulich. – Danke für die Aufmerksamkeit und noch einen schönen Abend. (Beifall bei der ÖVP.)

22.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Becher. – Bitte.


22.32.02

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Herr Präsident! Auch ich möchte mich bei der Frau Präsidentin für den Bericht des Rechnungshofes sehr herzlich bedanken. Die Beamtin­nen und Beamten der Republik stehen natürlich in einem besonderen Treuverhältnis zum Staat. Durch den Aufnahmestopp ist die Zahl der BeamtInnen gesunken, die Zahl der Disziplinarorgane aber nicht, und das wird auch im Rechnungshofbericht kritisiert. Das ist aber durch die Dienstrechts-Novelle 2019 behoben worden.

Trotzdem ist die Arbeitswelt der Beamtinnen und Beamten in den letzten Monaten nicht schlechter, aber auch nicht besser geworden, denn das besondere Treueverhältnis zur Republik darf keine Einbahnstraße sein. Beamte haben natürlich auch das Recht, dass sie Vertrauen in die Republik setzen können, aber seitdem die türkise Regierung ihre Herrschaft aufgebaut hat (Zwischenrufe bei der ÖVP), sind die Netzwerke und die Seil­schaften, die über die Karrieren der Beamten entscheiden, doch dichter und skrupelloser geworden.

Ich möchte hier auch an einem konkreten Beispiel darstellen, wie mit den Menschen umgegangen wird: Herr F. arbeitet im Bildungsministerium. Er ist ein Beamter mit sehr großem Engagement und Fleiß. In seiner Freizeit hat er dieses Buch (ein Buch mit dem Titel „Das österreichische Hochschulgesetz 2005“ in die Höhe haltend) geschrieben, das ein Standardwerk für alle, die sich mit den Hochschulgesetzen beschäftigen, ist. Er ist das, was man in Wirklichkeit als Koryphäe bezeichnet. Es ist nicht verwunderlich, dass sich Herr F. für die Stelle als Vizerektor der Pädagogischen Hochschule Wien beworben hat. Er ist vom Hochschulrat auch zum bestgeeigneten Kandidaten gekürt worden, und der Hochschulrat ist jenes Gremium, das auch das gesetzliche Vorschlagsrecht hat.

An sich ist es für das Ministerium dann nur mehr eine Formsache, diesen Vorschlag auch anzunehmen – aber jetzt wird es sehr schwierig: Das Ministerium hat nicht zuge­stimmt. Ein externes Gutachten ist bestellt worden – ein Gutachten auf einem Zettel, das sehr dürftig ist und für das auch nur 600 Euro ausgegeben wurden –, und dann ist plötz­lich das türkise Wunder geschehen: Obwohl die Personalvertreter der Hochschullehren­den, die Personalvertretung der Verwaltung, das Hochschulkollegium, der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen und die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien eine Stellungnahme abgegeben haben, dass Herr F. eindeutig der beste Beamte für die­sen Job ist, entscheidet sich Herr Minister Faßmann für jenen Namen, der auf dem Zettel gestanden ist.

Ich glaube, die Beamtinnen und Beamten haben die Nase voll von diesen Vorgangswei­sen und Machenschaften und brauchen keine Disziplinierung durch Türkis, sondern Fair­ness und objektive Wertschätzung ihrer Arbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 265

22.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


22.35.51

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es geht um das Disziplinarwesen des Bundes; es wurde schon viel gesagt. Ein Danke geht einmal an den Rechnungshof, an (in Richtung Rechnungshofpräsidentin Kraker) Sie und Ihr Team, für den umfassenden Bericht.

Das Stichwort lautet einheitliche Bundesdisziplinarbehörde. Diese ist längst notwendig und war mit 1.7.2020 geplant; jetzt kommt sie mit 1.10.2020 – das wurde wegen Corona verschoben. Bis dato gibt es keine Geschäftseinteilung. Man darf gespannt sein, wie es dann in sieben Tagen mit der Bundesdisziplinarbehörde losgeht.

Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass wegen Dienstpflichtverletzungen im Baga­tellbereich vermehrt schriftliche Ermahnungen oder Belehrungen veranlasst wurden. Da­bei gibt es nur ein Problem: Sie entsprechen nicht ganz der Rechtsordnung. Der Bundes­bedienstete hat kein Recht, sich dagegen zu beschweren oder dagegen zu berufen. Er kann lediglich zur schriftlichen Ermahnung, die in seinem Personalakt abgelegt wird, eine Stellungnahme schreiben. Das entspricht nicht ganz unserer Rechtsordnung.

Ich habe im Ausschuss versucht, den Vizekanzler und Beamtenminister darauf aufmerk­sam zu machen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er es so recht verstanden hat. Ich erwarte mir da keine großartigen Änderungen. Wir werden aber schauen, auch in diesem Bereich für die vielen Bundesbediensteten Klarheit zu schaffen, und werden in nächster Zeit den einen oder anderen Antrag in diese Richtung einbringen. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

22.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Blimlin­ger. – Bitte.


22.37.36

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren vor den Screens! Herzlichen Dank für diesen Bericht des Rechnungshofes zum Dis­ziplinarecht insgesamt.

Lassen Sie mich ein paar Zahlen nennen: Allein im Bundesministerium für Bildung, Wis­senschaft und Forschung hat es 33 Dienstbehörden gegeben, zehn Disziplinarkommis­sionen mit 57 Senaten; das ist den Universitäten und Schulen geschuldet. Im Finanzmi­nisterium gab es 63 Dienstbehörden und nur eine Disziplinarkommission mit drei Se­naten.

Einige von Ihnen wissen, ich bin Historikerin, deswegen kurz zum Disziplinarrecht der Beamten, weil sich das ja doch ganz grundsätzlich vom Arbeitsrecht unterscheidet: Die­ses wurde 1914 mit der Dienstpragmatik eingeführt; davor war der Beamte, die Beam­tin – auch die Beamtinnen hat es schon vor 1914 gegeben, zwar ganz wenige, aber doch – einer Art Inquisitionsprozess ausgesetzt, weil sie überhaupt keine Möglichkeit hatten, sich irgendwie zu verteidigen.

Mit der Dienstpragmatik ist dann das Disziplinarrecht eingeführt worden, das sich an den Regelungen des Disziplinarrechts der Richter, die schon aus 1868 stammen, orientiert hat. Es hat sich immer weiterentwickelt, aber die wirklich essenzielle Änderung kam 1979 mit dem Beamten-Dienstrechtsgesetz, als sich das Disziplinarrecht nicht mehr auf Amts- und Standespflichten, sondern auf die Dienstpflicht bezogen hat.

Unter Beamten und Beamtinnen wird noch immer gerne die Geschichte erzählt, dass in den 1980er-Jahren Sektionschefs, die mit dem Fahrrad auf den Ballhausplatz gekom­men sind, disziplinarrechtlich ermahnt worden sind, dass das standesrechtlich nicht möglich ist. Gott sei Dank können heute alle mit dem Fahrrad kommen, das verletzt keine Dienstpflicht. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 266

Resultat dieser Rechnungshofprüfung ist die Einrichtung einer zentralen Behörde. Man ist weitestgehend den Empfehlungen des Rechnungshofes gefolgt. Diese Bundesdiszi­plinarbehörde wurde mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 eingerichtet, sie ist jetzt auch besetzt. Wir werden sehen, wie sich diese Bundesdisziplinarbehörde entwickelt, und werden das begleiten.

Beamte, Beamtinnen wissen, ein Disziplinarverfahren ist nicht wirklich lustig. Das Ins­trument der Ermahnung und Belehrung erinnert einen ja immer ein bisschen an die Schulsituation, und eigentlich sollte man als Beamter, Beamtin mehr in eine Erwachse­nensituation kommen. Also auch da wird in Zukunft aus meiner Sicht ein Reformbedarf gegeben sein.

Im Übrigen bin ich dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne um­benannt wird. Ich wünsche einen schönen Abend. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

22.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Präsidentin Kraker. – Bitte.


22.41.20

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Hohes Haus! Der Bericht zum Disziplinarwesen der Bundesbediensteten wurde jetzt kurz besprochen. Es ist richtig, dass es die Bundesdisziplinarbehörde gibt, das sehen wir als Umsetzung. Einen Punkt möchte ich aber doch noch ansprechen, das ist das Thema der unterschiedlichen Be­handlung von Beamtinnen und Beamten und Vertragsbediensteten im Falle einer Dienst­pflichtverletzung. Für die Vertragsbediensteten fehlt eben ein abgestufter Sanktionenka­talog und das formelle Disziplinarrecht gilt nur für Beamte.

Der Bund setzt allerdings verstärkt Vertragsbedienstete zur Aufgabenerfüllung ein. Die Beamtenzahl ist rückläufig, gleichzeitig steigt die Zahl der Vertragsbediensteten an. Da­mit hängt die Frage der Anwendbarkeit des Disziplinarrechts vom Tag des Diensteintritts ab. Es drängt sich somit die Frage nach einem einheitlichen Disziplinarrecht für alle öf­fentlich Bediensteten auf, wobei man dann natürlich auch systematische Überlegungen anstellen muss, wie man beide Systeme zusammenführen kann.

In dem Zusammenhang erinnere ich auch daran, dass sich in vielen Regierungspro­grammen immer wieder die Forderung nach einem einheitlichen Dienstrecht für Beamte und Vertragsbedienstete findet. Die Umsetzung steht aber noch aus. Daher frage ich: Was hindert einen eigentlich daran, ein einheitliches gebietskörperschaftenübergreifen­des Dienstrecht für alle öffentlich Bediensteten in Angriff zu nehmen? – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

22.43


22.43.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, frage ich wieder: Sind alle bereit? – Das ist der Fall.

Dann kommen wir sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofaus­schusses, den vorliegenden Bericht III-73 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 267

22.43.48Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Fuchs, Krainer, Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 421/A eine Frist bis zum 29. September 2020 zu setzen.

Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

22.44.20Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Ab­geordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1, 2, 6, 9, 11 bis 13, 15 und 17 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich verlese:

Tagesordnungspunkt 1:

„Der Rückverweisungsantrag Beilage 1/I wird abgelehnt [...].“

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 370 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 1/2 in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung [...] und in dritter Lesung [...] angenommen.

Der Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung Beilage 1/III wird abgelehnt [...].“

Tagesordnungspunkt 2:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 371 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 6:

„Der Abänderungsantrag Beilage 6/1 wird abgelehnt [...].

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 361 der Beilagen in zweiter [...] und [...] dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 9:

„Der Abänderungsantrag Beilage 9/1 wird abgelehnt [...].

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 364 der Beilagen in zweiter [...] und [...] dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 11:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 366 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 12:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 367 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 13:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 368 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

Tagesordnungspunkt 15:

„Der im Antrag 832/A enthaltene Gesetzentwurf wird in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll51. Sitzung, 23. September 2020 / Seite 268

Tagesordnungspunkt 17:

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 372 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsord­nung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

22.46.31Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sit­zung die Selbständigen Anträge 833/A(E) bis 903/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.47 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.46.55Schluss der Sitzung: 22.46 Uhr

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