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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

10. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 22. Jänner 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

10. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 22., und Donnerstag, 23. Jänner 2020

Dauer der Sitzung

                                               Mittwoch, 22. Jänner 2020: 10.00 – 24.00 Uhr

                                        Donnerstag, 23. Jänner 2020:   0.00 –   0.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer Ordnerin/eines Ordners

2. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Cyber-Vorfälle im BMEIA“

3. Punkt: Bericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behin­derung über die Tätigkeit im Jahr 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

4. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Ös­terreich (3. Freiwilligenbericht)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 139/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend armutsvermeidende Mindestsicherung

6. Punkt: Bericht über den Antrag 173/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes

7. Punkt: Bericht über den Antrag 146/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege

8. Punkt: Bericht über den Antrag 150/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die ge­setzliche Krankenversicherung

9. Punkt: Bericht über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erhaltung des österreichischen Tabakmonopols und fairer Nichtraucherschutz für unsere heimische Gastronomie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 2

10. Punkt: Bericht gemäß § 33 Abs. 6 GOG-NR über das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend mutmaßliche Käuf­lichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Ok­tober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967) geändert wird (39/A)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (41/A)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert werden (52/A)

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (54/A)

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (55/A)

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Begutachtung von Ministerialentwürfen von Regierungsvorlagen (Begut­achtungsgesetz – BegG) erlassen und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (64/A)

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Na­tionalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (65/A)

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (74/A)

19. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz und das Perso­nenstandsgesetz 2013 geändert werden (Ehe-Partnerschafts-Anpassungsgesetz 2020 – EPAG 2020) (80/A)

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 (StPO) geändert wird (109/A)

21. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern der Parlamentarischen Ver­sammlung des Europarates

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Inhalt

Nationalrat


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 3

1. Punkt: Wahl einer Ordnerin/eines Ordners ............................................................... 81

Wahlergebnis:

Ordner: Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ......................................................................... 81

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 23

Ordnungsrufe ......................................................................................................  227, 227

Geschäftsbehandlung

Einwendungen des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried gegen die Tagesord­nung gemäß § 50 GOG           ............................................................................................................................... 23

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 GOG .................................................. 66

Redner/Rednerinnen:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 66

August Wöginger ......................................................................................................... 67

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 69

Christian Hafenecker, MA ........................................................................................... 70

Eva Maria Holzleitner, BSc .......................................................................................... 72

Sigrid Maurer, BA ........................................................................................................ 73

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 75

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 76

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 77

Einwendungen finden keine Mehrheit ............................................................................. 78

Antrag des Abgeordneten Hermann Brückl, MA, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 174/A der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein „Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsge­setz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBI. Nr. 472/1986, zuletzt geändert mit BGBI. I Nr. 86/2019, geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 26. Februar 2020 zu setzen – Ablehnung  80, 272

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                     80

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................. 130

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 131

Aktuelle Stunde (4.)

Thema: „Grundrechte in Gefahr – Totalitäre Tendenzen an Schulen und Unis stoppen!“           ............................................................................................................................... 24

RednerInnen:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 25

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ......................................................................... 28

Mag. Dr. Rudolf Taschner ........................................................................................... 30

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ................................................................................. 31

Hermann Brückl, MA ................................................................................................... 33

Mag. Eva Blimlinger ..................................................................................................... 34

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 36


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 4

Nico Marchetti .............................................................................................................. 37

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 39

Mag. Dr. Martin Graf .................................................................................................... 40

Mag. Agnes Sirkka Prammer ...................................................................................... 42

Dr. Helmut Brandstätter .............................................................................................. 43

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (5.)

Thema: „Zeit für mehr Fairness in Europa: Online-Giganten endlich gerecht besteuern“             ............................................................................................................................... 45

RednerInnen:

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................. 45

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................. 47

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 50

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 51

MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG .................................................................... 52

MEP Dr. Monika Vana .................................................................................................. 53

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 55

MEP Dr. Angelika Winzig ............................................................................................ 56

MEP Mag. Andreas Schieder ...................................................................................... 57

MMag. DDr. Hubert Fuchs .......................................................................................... 59

Michel Reimon, MBA ................................................................................................... 60

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ...................................................................................... 61

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................. 62

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 63

Petra Steger .................................................................................................................. 65

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..............................................................................................  24, 80

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz betreffend Amtsenthebung der Bundesministerinnen ohne Portefeuille Mag. Karoline Edtstadler, Mag. (FH) Chris­tine Aschbacher und MMag. Dr. Susanne Raab bei gleichzeitiger Ernennung zu Bundesministerinnen im Bundeskanzleramt durch den Bundespräsidenten ............................................................................................................................... 24

Wahlen in Institutionen

21. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarates .................................................................................................................. 272

Ergebnis:

Mitglieder: Dr. Reinhold Lopatka, Franz Leonhard Eßl, Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, Doris Bures, Mag. Dr. Martin Graf und Michel Reimon, MBA

Ersatzmitglieder: Petra Bayr, MA MLS, MMMag. Dr. Axel Kassegger und Dr. Stephanie Krisper   ............................................................................................................................. 272

Ausschüsse

Zuweisungen .................................  78, 241, 244, 248, 252, 255, 258, 262, 264, 268, 272

Auslieferungsbegehren

gegen den Abgeordneten Michel Reimon, MBA ......................................................... 78

Dringliche Anfrage


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 5

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Auf­zeigen von Missständen in der österreichischen Bildungspolitik“ (576/J) ................................................................................................. 134

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ...................................................... 137

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ....................................................................... 142

Debatte:

Mag. Martina Künsberg Sarre .................................................................................. 149

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................... 151

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................... 152

Hermann Brückl, MA ................................................................................................. 156

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................... 157

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................ 159

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA ......................................................................... 160

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 162

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 163

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 165

Yannick Shetty ............................................................................................................ 166

Mag. Romana Deckenbacher .................................................................................... 168

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 170

Walter Rauch .............................................................................................................. 173

Mag. Sibylle Hamann ................................................................................................. 174

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................... 175

Philip Kucher .............................................................................................................. 177

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 178

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 179

Mag. Dr. Rudolf Taschner (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 180

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 180

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ethikunterricht für alle“ – Ablehnung                                                                155, 182

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Chancengerechtigkeit im Bildungssys­tem“ – Ablehnung .................  171, 182

Verhandlungen

2. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Cy­ber-Vorfälle im BMEIA“ ............. 81

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ............................................ 81

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 GOG .......................... 81

RednerInnen:

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 83

Eva-Maria Himmelbauer, BSc .................................................................................... 84

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 86

Mag. Georg Bürstmayr ................................................................................................ 87

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 88

Karl Mahrer, BA ............................................................................................................ 92

Mag. Dr. Petra Oberrauner .......................................................................................... 93

Alexander Melchior ...................................................................................................... 94

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................... 95


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 6

Henrike Brandstötter ................................................................................................... 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Herstellung des Verteidi­gungsfähigkeit im Cyberbereich“ – Ablehnung         91, 97

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung über die Tätigkeit im Jahr 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-69/26 d.B.)                       97

RednerInnen:

Heike Grebien ............................................................................................................... 97

Mag. Verena Nussbaum .............................................................................................. 98

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 101

Kira Grünberg ............................................................................................................. 104

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 106

Mag. Sibylle Hamann ................................................................................................. 108

Petra Wimmer ............................................................................................................. 109

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................... 110

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „rasche Maßnahmen im Bereich Barrierefreiheit“ – Ablehnung ..........................  100, 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg (NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA“ – Ablehnung      103, 113

Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitliche bundesweite Regelung für den Bereich Persön­liche Assistenz“ – Annahme (6/E)  107, 113

Kenntnisnahme des Berichtes III-69 d.B. ..................................................................... 112

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Österreich (3. Frei­willigenbericht) (III­85/27 d.B.) ............................. 113

RednerInnen:

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 113

Andreas Kollross ....................................................................................................... 114

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 115

Yannick Shetty ............................................................................................................ 118

David Stögmüller ....................................................................................................... 119

Michael Seemayer ...................................................................................................... 120

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 121

Norbert Sieber ............................................................................................................ 122

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................... 123

Christian Lausch ........................................................................................................ 124

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 125

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhalt des ,Dieselprivilegs‘“ – Ablehnung (namentli­che Abstimmung) ..............  128, 130


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 7

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................... 131

Kenntnisnahme des Berichtes III-85 d.B. ..................................................................... 130

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 139/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend armutsvermeidende Mindestsicherung (28 d.B.)           ............................................................................................................................. 132

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 173/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (29 d.B.) .......................................... 132

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 132

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 182

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 184

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 186

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 188

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................... 192

Dietmar Keck .............................................................................................................. 192

Peter Wurm ................................................................................................................. 193

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein System sozialer Sicherung“ – Ablehnung ...........................................................  189, 197

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 28 d.B. hinsichtlich des Antrages 139A(E)                     196

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 28 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Maßnahmen zur Halbierung des Anteils armutsgefährde­ter Menschen in Österreich“ (7/E)                       196

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 29 d.B. ....................................................... 196

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 146/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finan­zielle Anerkennung der häuslichen Pflege (30 d.B.) ........................................................................................................................ 197

RednerInnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 197

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................... 199

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 200

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 201

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................... 203

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) ............................................. 204

Mag. Christian Drobits .............................................................................................. 204

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 205

Philip Kucher .............................................................................................................. 206

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 207

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine zusätzliche Belastung der Menschen durch eine Pfle­geversicherung“ – Ablehnung  202, 209

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 30 d.B. ....................................................... 209


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 8

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 150/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbezie­hung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (31 d.B.) ................................................................. 209

RednerInnen:

Christian Lausch ...............................................................................................  209, 217

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 211

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 212

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 213

Ralph Schallmeiner (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 213

Michael Schnedlitz ..................................................................................................... 214

Dr. Josef Moser .......................................................................................................... 215

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 216

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................. 218

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 31 d.B. hinsichtlich des Antrages 150/A(E)                    218

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 31 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Prüfung der Optionen in Bezug auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung im Strafvollzug“ (8/E)        ............................................................................................................................. 218

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des österreichischen Tabakmonopols und fairer Nichtraucherschutz für unsere heimische Gastronomie (32 d.B.) .............................. 219

RednerInnen:

Peter Wurm ................................................................................................................. 219

Barbara Neßler ........................................................................................................... 221

Petra Vorderwinkler ................................................................................................... 222

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 223

Bettina Zopf ................................................................................................................ 223

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 32 d.B. ....................................................... 224

10. Punkt: Bericht des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 33 Abs. 6 GOG-NR über das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bun­desregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US / 33 d.B.)                   224

RednerInnen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 225

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 226

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 227

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................... 227

Mag. Nina Tomaselli .................................................................................................. 229

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................ 231

Mag. Klaus Fürlinger ................................................................................................. 232

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 233

David Stögmüller ....................................................................................................... 234

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 236

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 236

Michel Reimon, MBA ................................................................................................. 238

Walter Rauch .............................................................................................................. 238


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 9

Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 9 GOG mit 22. Jänner 2020        ............................................................................................................................. 224

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Bei­hilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) geändert wird (39/A) ............................................................................................................................. 238

RednerInnen:

Norbert Sieber ............................................................................................................ 239

Petra Wimmer ............................................................................................................. 239

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 240

Barbara Neßler ........................................................................................................... 241

Zuweisung des Antrages 39/A an den Ausschuss für Familie und Jugend ................. 241

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (41/A) .............................. 241

RednerInnen:

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 242

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 242

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 243

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 244

Zuweisung des Antrages 41/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ................. 244

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalra­tes (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (52/A)             ............................................................................................................................. 245

RednerInnen:

Andreas Kühberger ................................................................................................ ... 245

Sabine Schatz ............................................................................................................. 245

Christian Ries ............................................................................................................. 246

David Stögmüller ....................................................................................................... 247

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 248

Zuweisung des Antrages 52/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 248

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (54/A) .............................................. 248

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 249

Andreas Kollross ....................................................................................................... 250

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 251

Sabine Schatz ............................................................................................................. 251

Zuweisung des Antrages 54/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 252

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 10

über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (55/A) .............................................. 252

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 252

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 253

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 253

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 254

Zuweisung des Antrages 55/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 255

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesge­setz über das Verfahren der Begutachtung von Ministerialentwürfen von Regie­rungsvorlagen (Begutachtungsgesetz – BegG) erlassen und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (64/A) ............................................................................................................................ 255

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 255

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 256

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 257

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 257

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 258

Zuweisung des Antrages 64/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 258

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (65/A) ............................................................................................................... 258

RednerInnen:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 259

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................ 259

Petra Bayr, MA MLS .................................................................................................. 260

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 261

Zuweisung des Antrages 65/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 262

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungs­gesetz 1975 geändert wird (74/A)                        262

RednerInnen:

Michael Bernhard ....................................................................................................... 262

Johann Höfinger ......................................................................................................... 263

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................ 264

Zuweisung des Antrages 74/A an den Geschäftsordnungsausschuss ....................... 264

19. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden (Ehe-Partnerschafts-An­passungsgesetz 2020 – EPAG 2020) (80/A) ................................. 264

RednerInnen:


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Yannick Shetty ............................................................................................................ 264

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 266

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 266

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 267

Zuweisung des Antrages 80/A an den Justizausschuss ............................................. 268

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 (StPO) geändert wird (109/A) ................................................................................................... 268

RednerInnen:

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 268

Karl Schmidhofer ....................................................................................................... 269

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 270

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 271

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 271

Zuweisung des Antrages 109/A an den Justizausschuss ........................................... 272

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 78

Petition betreffend „Verordnung eines mautfreien Autobahnabschnittes der A9 zwischen Wildon und Graz“ (Ordnungsnummer 5) (überreicht vom Abgeordneten Walter Rauch)

Anträge der Abgeordneten

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend schuldnerfreundliche Regelun­gen im Bereich der Inkassogebühren (207/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung des
1-2-3-Österreich-Tickets (208/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Bundesgesetz, mit dem eine Abgabe auf die Lieferung und den Verbrauch elek­trischer Energie eingeführt wird (Elektrizitätsabgabegesetz) geändert wird (209/A)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Energiewende braucht Versor­gungssicherheit (210/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege (211/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanzielle Anerkennung der häuslichen Pflege (212/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozial­hilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (213/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zum Mercosur-Abkommen (214/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Ethik­unterrichts (215/A)(E)


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Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch als „Pausen­sprache“ (216/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend 9-Punkte Plan als Antwort auf das zunehmende Gewalt- und Konfliktpotenzial an Schulen (217/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung (218/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend gänzliche Abschaffung der Mehr­fach-Pflichtmitgliedschaften in den Wirtschaftskammern (219/A)(E)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen gegen isla­mische Radikalisierungen in Gefängnissen (220/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Medizin-Studienplätze (221/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (222/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenersatz durch Gewalt­täter im Gesundheitswesen (223/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (224/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine unsozialen Steuerge­schenke für Millioneneinkommen (225/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein unsozialer Familienbonus, jedes Kind muss gleich viel wert sein (226/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (227/A)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (228/A)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (229/A)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gebührengesetz 1957 geändert wird (230/A)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Öffnung der Schulleitung für Sonderpädagog_innen (231/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme von Karenzen und Karenzdauern in den Gleichbehandlungsbericht des Bundes (232/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) geändert wird (233/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ende der Mehrfachver­sicherung (234/A)(E)


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Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über Ausweitung und Anpassungsmöglichkeiten in der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge (235/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haus der Geschichte als ei­genständiges Bundesmuseum (236/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweit einheitliche Re­gelung für den Bereich „Persönliche Assistenz“ (237/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Aus­übung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG) geändert wird (238/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein System der sozialen Sicherung (239/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammer-Gesetz geändert wird (240/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz geändert wird (241/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammer-Gesetz geändert wird (242/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird (243/A)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz geändert wird (244/A)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz geändert wird (245/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (246/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Rechnungshof (Rechnungshofge­setz 1948 – RHG) geändert wird (247/A)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst geändert wird (248/A)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Doppelresidenzge­rechte Schulfahrtbeihilfe (249/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Soziale Absicherung für Selbstständige (250/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend CO2 sparen durch KMU-Bonus bei öffentlichen Aufträgen (251/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Begrenzung der Managerbezüge in der Privatwirtschaft“ (252/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Begrenzung der Managerbezüge in staatsnahen Unternehmen“ (253/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 14

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuergerechtigkeit für EPUs und KMUs statt Millionengeschenke für Parteispender und Großkonzerne (254/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ethikunterricht für alle (255/A)(E)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chancenge­rechtigkeit im Bildungssystem (256/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Aufstocken der Mittel für Hilfe bei Katastrophen im Ausland (257/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklungszusammen­arbeit zur Armutsminderung (258/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgaben der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) für fossile Energieträger (259/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Darstellung und parla­mentarische Begleitung der Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele in Öster­reich (260/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Erarbeiten einer ent­wicklungspolitischen Gesamtstrategie (261/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Erreichen der 0,7% BNE für ODA und das Aufstocken der bilateralen EZA-Mittel (262/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend entwicklungspolitische In­landsarbeit (263/A)(E)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Ver­besserung der Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderungen (264/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Demenzerkrankungen (265/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassende Pflegereform (266/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg(NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA (267/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg(NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA (268/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Sicherungshaft (269/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Dotierung des ERP-Fonds (270/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Aus­tria“ (AMA-Gesetz 1992) geändert wird (271/A)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschafts­gesetz 1985 – StbG), BGBl. I Nr. 96/2019, geändert wird (272/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 15

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001 – WG 2001, BGBl. I Nr. 102/2019, geändert wird (273/A)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014 geändert wird (274/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Ulrike Fischer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von Europäischen Bürgerinitiativen (Europäi­sche-Bürgerinitiative-Gesetz - EBIG), BGBI. I Nr. 12/2012, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 32/2018, geändert wird (275/A)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird (276/A)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommenstransparenzgesetz geschaffen wird (277/A)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenoffensive für Lohn- und Einkommensgerechtigkeit (278/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Bud­gets für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung (279/A)(E)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verarbeiten­den Eiern zugunsten von Tier, KonsumentIn und Österreichs Bauernhöfen (280/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verarbeiten­den Eiern zugunsten von Tier, KonsumentIn und Österreichs Bauernhöfen (281/A)(E)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem eine vorläufige Vor­sorge für das Finanzjahr 2020 getroffen wird, (Gesetzliches Budgetprovisorium 2020) und das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022 geändert werden (282/A)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (283/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau opferschutzorien­tierter Täterarbeit zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern sowie häusli­cher Gewalt (284/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und For­schung im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen (285/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend kostenlose Verhütungsmit­tel (286/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verhinde­rung von Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt in Kulturinstitutionen (287/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neustart der Standortsuche für das Umweltbundesamt (288/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klima- und Steuerpolitik mit Hausverstand“ (289/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 16

Zurückgezogen wurde das Verlangen auf erste Lesung binnen drei Monaten über die Anträge der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (26/A) (Zu 26/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (27/A) (Zu 27/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (28/A) (Zu 28/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (31/A) (Zu 31/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (34/A) (Zu 34/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien (Partei­engesetz 2012 – PartG) geändert wird (35/A) (Zu 35/A)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (Vorabprüfung von Staatsverträgen) (57A) (Zu 57/A)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaffung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Ehrenzeichens für Wissen­schaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz) (76/A) (Zu 76/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatange­stellten (Angestelltengesetz) geändert wird (79/A) (Zu 79/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (81/A) (Zu 81/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatan­gestellten (Angestelltengesetz) geändert wird (90/A) (Zu 90/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (Bundesministeriengesetz 1986 – BMG) und das Bundesgesetz über die Ausschreibung bestimmter Funktionen und Arbeitsplätze sowie die Besetzung von Planstellen im Bundesdienst und über die Änderung des Bundes-Personalvertre­tungsgesetzes (Ausschreibungsgesetz 1989 – AusG) geändert werden (108/A) (Zu 108/A)

Anfragen der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 17

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbeaus­gaben im Jahr 2019 (494/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe­ausgaben im Jahr 2019 (495/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Weitergabe vertraulicher Klimastrategie an Großkonzerne und Industrie-Lobbyverbände (496/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Ergänzung der Machbarkeitsstudie und Ankauf des ehemaligen KZ Gusen (497/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die Vernetzung Rechtsextremer online (498/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend die Schändung des niederländischen Denk­mals in der Gedenkstätte Mauthausen (499/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend die Schändung des niederländischen Denkmals in der Gedenkstätte Mauthausen (500/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die Schändung des niederländischen Denkmals in der Gedenkstätte Mauthausen (501/J)

Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Förderung privater und betrieblicher Pensionsvorsorge für die öffentliche Hand (502/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Ent­wicklung der Personalsituation in den politischen Kabinetten im Jahr 2019“ (503/J)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Entwick­lung der Personalsituation in den politischen Kabinetten im Jahr 2019“ (504/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Gesundheit im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (505/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Armutsbekämp­fung im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020 (506/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Pensionen im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (507/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Arbeit im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (508/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 18

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel_Menschen mit Behinderungen/Inklusion im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (509/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Gemeinnützig­keit, ehrenamtliches Engagement, Freiwilligentätigkeit und Zivilgesellschaft im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (510/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit des Pendlerpauschales (511/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Anzahl der Drogenlenker in der Steiermark in den Jahren 2017, 2018 und 2019 (512/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Anzahl der in Österreich geschlossenen Scheinehen in den Jah­ren 2016-2019 (513/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Bedrohungslage an der österreichischen Grenze (514/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme des freiwilli­gen Gütesiegels für Agenturen die Pflegebedienstete für die 24-Stunden-Betreuung vermitteln (515/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern (516/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend die unhaltbaren Zustände in der Justizanstalt Salzburg (517/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Pilotprojekt 140 (518/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend Förderungen von Stromspeichern 2017-2019 (519/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend aktueller Status bei der Bund-Länder-Vereinbarung für die Kinder- und Jugendhilfe (520/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kapitel Pflege im schwarz-grünen Regierungsprogramm 2020-2024 (521/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Kärn­ten im Jahr 2020 (522/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 19

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in Kärntner Asylheimen im Jahr 2019 (523/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in Vorarlberger Asylheimen im Jahr 2019 (524/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in burgenländischen Asylheimen im Jahr 2019 (525/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in oberösterreichischen Asylheimen im Jahr 2019 (526/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in niederösterreichischen Asylheimen im Jahr 2019 (527/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in Wiener Asylheimen im Jahr 2019 (528/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in Salzburger Asylheimen im Jahr 2019 (529/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in steirischen Asylheimen im Jahr 2019 (530/J)

Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Straftaten in Tiroler Asylheimen im Jahr 2019 (531/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Vorarlberg im Jahr 2020 (532/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Wien im Jahr 2020 (533/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Tirol im Jahr 2020 (534/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in der Steiermark im Jahr 2020 (535/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Oberösterreich im Jahr 2020 (536/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Niederösterreich im Jahr 2020 (537/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz im Burgenland im Jahr 2020 (538/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutz in Salzburg im Jahr 2020 (539/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Erhalt der Gleichenberger Bahn (540/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Petition gegen das Ende der Thermenbahn (541/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 20

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Terrorismus-Ermittlungen ge­gen Maximilian Zirngast in Österreich (542/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Missstände bei der Gebarung der niederösterreichischen Gemeinde Drosendorf – Zissersdorf (543/J)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Personelle Situation bei der Polizei mit dem Stichtag 1. Oktober 2019 (544/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend den Verbau des Heldenplatzes aufgrund der Errichtung eines Neubaus für das Haus der Geschichte (545/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend die Bestellung von Dr. Petra Bohuslav zur kaufmännischen Direktorin der Wie­ner Staatsoper (546/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Leihmutterschaft in Österreich (547/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Leih­mutterschaft in Österreich (548/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Leihmutterschaft in Österreich (549/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Gleich­zeitiger Bezug von Familienbeihilfe und Pflegegeld (550/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend aktuel­ler Status bei der Bund-Länder-Vereinbarung für die Kinder- und Jugendhilfe (551/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend so­zialversicherungsrechtliche Absicherung von Pflegeeltern (552/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Überwachungsmaßnahmen nach dem SPG im 2. Halbjahr 2019 (553/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Statusfeststellungen nach SV-Zuordnungsgesetz (554/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Begnadigungen durch den Herrn Bun­despräsident in den Jahren 2015 - 2019 (555/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Blutplasmaspenden (556/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme Bildungs­karenz 2018-19 (557/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Postenbesetzungen im BVT (558/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Protestwellen und Unruhen in Chile (559/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 21

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digi­talisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Web-Accessibility-Richtlinie (560/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Überwachungsmaßnahmen nach der StPO und Zuordnung zu einzelnen Delikten im 2. Halbjahr 2019 (561/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Weiterleitung des vertraulichen NEKP an die WKO (562/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Einstellung des MIT an steirischen Schulen (563/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Einfluss der WKO auf österreichische Klimapolitik (564/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Förderung für die öffentlichen Pensionsvorsorge (565/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeiliches Handeln im Zuge von Großereignissen (566/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­fassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Amtshandlung im Zuge der Klimademo (567/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Aufnahme der Kategorie drittes Ge­schlecht in die Gesundheitsbefragung ATHIS (568/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Umsetzung des Regierungsprogram­mes“ (569/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Umsetzung des Regierungsprogrammes im Bereich Bildung“ (570/J)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Einführung eines nationalen Glyphosatverbots (571/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einführung eines nationalen Glyphosatverbots (572/J)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltig­keit und Tourismus betreffend Versicherungen gegen Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen und gegen Tierkrankheiten und -seuchen (573/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Bauernhöfe – die neuen Kindergärten?“ (574/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhal­tigkeit und Tourismus betreffend „Bauernhöfe – die neuen Kindergärten?“ (575/J)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Aufzeigen von Missständen in der österreichischen Bildungspolitik (576/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 22

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen (214/AB zu 66/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (215/AB zu 70/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (216/AB zu 115/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (217/AB zu 126/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (218/AB zu 128/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (219/AB zu 83/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (220/AB zu 234/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (221/AB zu 248/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (222/AB zu 252/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen (223/AB zu 262/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen (224/AB zu 330/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen (225/AB zu 130/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (226/AB zu 153/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (227/AB zu 152/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schell­horn, Kolleginnen und Kollegen (228/AB zu 149/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schell­horn, Kolleginnen und Kollegen (229/AB zu 140/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (230/AB zu 163/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen (231/AB zu 158/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen (232/AB zu 154/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (233/AB zu 159/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karin Grei­ner, Kolleginnen und Kollegen (234/AB zu 173/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 23

10.00.25Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

10.00.27*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die 10. Sitzung des Nationalrates, diesmal erst um 10 Uhr, für eröffnet erklären.

Ich darf alle Abgeordneten recht herzlich begrüßen. Mein Gruß gilt auch den Damen und Herren auf der Galerie, den Journalistinnen und Journalisten und den Zuseherin­nen und Zusehern zu Hause vor den Fernsehgeräten. Herzlich willkommen!

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 8. Sitzung sowie das Amtliche Protokoll der 9. Sitzung vom 10. Jänner 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgele­gen und wurden nicht beanstandet.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Rosa Ecker, MBA und Wolfgang Zanger.

Herr Abgeordneter Leichtfried hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


10.01.17

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Das ist eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. Wir sind heute in der Früh Zeugen eines erstaunlichen Vorgangs im Geschäftsordnungsausschuss geworden, nämlich des Vorgangs des Zudeckens von Ibiza, der Einschränkung von Minderheits­rechten und der Torpedierung eines Untersuchungsausschusses. Kurz zusammenge­fasst: Für die Zuseherinnen und Zuseher, die diese Dinge nicht so im Detail verfolgt haben, möchte ich es kurz erläutern:

SPÖ und NEOS haben am 11. Dezember des Vorjahres ein gemeinsames Verlangen auf Einsetzung eines Ibiza-Untersuchungsausschusses gestellt. Das ist ein Minder­heitsrecht, das in diesem Haus erkämpft wurde. Heute in der Früh wurde der Untersu­chungsausschuss mit schwarz-grüner Mehrheit auf das zurechtgestutzt, was die Mehrheit akzeptabel findet. Es ist jetzt kein Minderheitsrecht mehr, es ist jetzt von der Mehrheit geduldet, geschätzte Damen und Herren, und das ist nicht das, was ur­sprünglich in dieser Frage intendiert war. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Es ist der unverhohlene Versuch von ÖVP und Grünen, zu verhindern, dass in einem Untersuchungsausschuss über Gesetzeskauf ermittelt wird. Es zeigt auch, was jetzt alles verhindert wird. Es wird verhindert, dass Gesetzeskauf untersucht wird. Es wird verhindert, dass Postenbesetzungen im staatsnahen Bereich untersucht werden. Die Soko Ibiza darf nach dem Willen der ÖVP und der Grünen nicht untersucht werden, auch die Reform der Finanzaufsicht nicht. (Abg. Wöginger: Das hat mit der Geschäfts­ordnung nichts zu tun!)

Geschätzte Damen und Herren! Zuerst ging den Grünen die Untersuchung nicht weit genug, jetzt liefern sie scheinjuristische Argumente, die in Wahrheit politisch nur zum Zudecken geeignet sind. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Herr Präsident, das ist ein An­schlag auf unser demokratisches, parlamentarisches System. Das wollen wir nicht hin­nehmen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 24

Ich möchte eines anmerken: Ich habe im Vertrauen darauf, dass die Usancen dieses Hauses eingehalten werden, dass für die Anfechtung der Inhalte im UsA diese 24-stün­dige Frist gilt, der Tagesordnung zugestimmt. (Abg. Wöginger: Das haben wir letztes Mal gesehen!) Gestern um 16 Uhr ist ein 60-seitiges Dokument gekommen, in dem die Inhalte des Untersuchungsausschusses angefochten werden. Das geht so nicht! Jetzt haben wir wieder einmal erlebt, dass die Usancen dieses Hauses von der Mehrheit nicht zur Kenntnis genommen, sondern gebrochen werden. Ich fühle mich wieder wie bei Schwarz-Blau, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Herr Präsident! Ich erhebe daher im Namen meines Klubs Einwände gegen die Tages­ordnung und verlange, den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über das Ver­langen auf Einsetzung eines Ibiza-Untersuchungsausschusses als TOP 1 der Tages­ordnung zu reihen und hier darüber eine Debatte zu führen. Die Menschen in Öster­reich haben sich verdient, dass sie erfahren, was hier zugedeckt werden soll. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

10.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben die Einwendungen gegen die Tages­ordnung gehört. Sie liegen auch schriftlich vor. Ich trete diesen Einwendungen nicht bei, weshalb der Nationalrat zu entscheiden hat.

Gemäß § 50 der Geschäftsordnung findet die Debatte darüber nach der Aktuellen Eu­ropastunde statt. Ich darf festlegen, dass die Redezeit auf 5 Minuten und die Zahl der Redner pro Klub auf drei beschränkt wird.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler wird ab dem Vormittag durch den Bun­desminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. vertreten.

Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vom Bundeskanzler ist ein Schreiben eingelangt, wonach der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 8. Jänner 2020 die Bundes­ministerinnen ohne Portefeuille Mag. Karoline Edtstadler, Mag. (FH) Christine Asch­bacher sowie MMag. Dr. Susanne Raab jeweils gemäß Art. 74 Abs. 3 des Amtes ent­hoben und gleichzeitig jeweils gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu Bundesministerinnen im Bundeskanzleramt er­nannt hat.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung wie üblich von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III bis 19.15 Uhr übertragen wird; anschließend wird die Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

10.06.12Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 25

„Grundrechte in Gefahr – Totalitäre Tendenzen an Schulen und Unis stoppen!“

Als Erster ist Herr Klubobmann Kickl zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.06.30

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Mein sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister Faßmann, ich heiße Sie ganz herzlich in unserer Mitte willkommen. Ich glaube, Sie waren heute nicht dabei, als andere Re­gierungsmitglieder eine Bäckerei zur frühen Morgenstunde heimgesucht haben. Das ist sehr, sehr schade, denn einen hätte es zumindest gebraucht, der den dort anwesen­den Hacklern dann erklärt hätte, dass es diese schwarz-grüne Bundesregierung ist, die jetzt verhindert, dass man mit 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei in Pension gehen kann. Schade um diese Chance, die Sie ausgelassen haben! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist aber nicht nur das ein Trauerspiel, meine sehr geehrten Damen und Herren – und da spreche ich Sie jetzt direkt an, Herr Bundesminister –, es ist in gewisser Weise beschämend für Sie und es ist enttäuschend für uns, beschämend für Sie und enttäu­schend für uns, dass es eine eigene Veranstaltung, eine Aktuelle Stunde des österrei­chischen Nationalrates braucht, damit Sie als der zuständige Bildungsminister, Sie als der für Universitäten zuständige Minister sich möglichweise, vielleicht – wir werden ja sehen, was Ihr Redebeitrag bringen wird – endlich dazu herablassen oder sich dazu aufraffen können, auch einmal ein paar Worte der Verurteilung im Zusammenhang mit den linksextremistischen Umtrieben auf der Universität Wien zu finden, die vor kurzer Zeit stattgefunden haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Darf er das sagen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja unglaublich, was da auf der Univer­sität abgeht! Da ist der linksextremistische, antifaschistische Mob von der Kette gelas­sen. (Abg. Heinisch-Hosek: Entschuldigung?!) Da ist ein Professor und da sind seine Studenten so etwas Ähnliches wie Freiwild, Freiwild für linke Gesinnungsterroristen; anders kann man das nicht bezeichnen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ordnungsruf!) Und der einzige Vorwurf, den man diesem Professor machen kann, ist, dass er kein Linker ist. Ich weiß, dass es manche gibt, die gar nicht glauben, dass so etwas auf der Univer­sität doch möglich ist, aber es gibt sie tatsächlich noch, nämlich den einen oder an­deren Professor, der sozusagen nicht der linken Reichshälfte zugehörig ist (Abg. Hei­nisch-Hosek: Unglaublich!); sie sind eigentlich eine schützenswerte Art. (Beifall bei der FPÖ.)

All das, was sich hier abspielt, findet selbstverständlich unter Applaus und unter Zu­stimmung der linken Österreichischen Hochschülerschaft statt (Zwischenruf bei der FPÖ – Abg. Heinisch-Hosek: Machen Sie sich keine Sorgen!) – jener Hochschüler­schaft, die zwangsgebührenfinanziert ist, jener Hochschülerschaft, die sozusagen der politische Kindergarten der jetzigen Klubobfrau Sigrid Maurer gewesen ist. – Verges­sen wir nicht, dass Sie als ÖH-Vorsitzende hier in diesem Haus ein Hausverbot ausge­fasst haben, weil Sie halt auch geglaubt haben, von der Balustrade her Radau schla­gen zu müssen! Das ist die Österreichische Hochschülerschaft, die das alles unter­stützt. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Dank dafür beschließt diese Regierung – so steht es zumindest im Regierungspro­gramm – eine Erhöhung der Zwangsbeiträge für die Österreichische Hochschüler­schaft: Um zwei Drittel soll valorisiert werden; das bedeutet dann statt 363 Euro 523 Euro – nicht dafür, dass man eine Serviceinstitution unterstützt, sondern dafür, dass diese linken Umtriebe weiter finanziert werden können.

Ich weiß nicht, Herr Bildungsminister, waren Sie im Ausland, haben Sie die letzten Wo­chen einfach geschlafen oder waren Sie so sehr mit der Maulwurfsuche in Ihrem Mi­nisterium beschäftigt? Hatten Sie so viel zu tun, dass Sie eine unliebsame Kritikerin


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wie Ihre in Ungnade gefallene Ombudsfrau Wiesinger mundtot machen wollen, weil sie einmal mehr den Finger in viel zu viele offene Wunden des Bildungssystems gelegt hat? Waren Sie so beschäftigt, dass Ihnen das alles entgangen ist, was sich auf der Universität abspielt?

Ich glaube, Sie sollten dieser Frau viel, viel mehr zuhören, anstatt sie auf die Straße zu setzen. Dann würden Sie nämlich erkennen, dass wir in den österreichischen Klassen­zimmern nicht ein ganz massives Problem mit Gegengesellschaften, sondern mit Doppelgesellschaften haben, dass wir nicht von Integration reden können, sondern Desintegration an der Tagesordnung steht. Wenn Sie ihr zuhören, dann wüssten Sie auch, wie absurd Ihre Debatte darüber ist, ob man Schülerinnen bis zum 14. Lebens­jahr das Kopftuch in der Schule verbietet – denn dann muss man auch darüber nach­denken, ob man das Gleiche bei Lehrerinnen tut. Also wenn man es den Schülern ver­bietet, dann wird es ja wohl notwendig sein, das auch bei den Lehrern zu tun. (Beifall bei der FPÖ.) Dass ausgerechnet die Lehrerin dann mit einer Flagge des Islamismus am Kopf vor den Schülern steht, ist ja wirklich ein Ding der Unmöglichkeit. (Zwischen­ruf bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zu den linksextremen Freunden Ihres Koalitionspartners: Vielleicht ist alles auch ganz anders und vielleicht sehen Sie über­haupt gar kein Problem im Universitätsbereich. Das ist gut möglich, denn (in Richtung Bundesminister Faßmann) Sie haben ja auch in einem Interview gesagt, glaube ich, dass Sie Sigrid Maurer Rosen streuen können. Ich habe schon gesagt, das ist die­jenige Sigrid Maurer, die hier herinnen ein relativ langes Hausverbot ausgefasst hat. Es mag schon sein, dass der grüne Koalitionsstar ein wenig den Blick für den tatsächli­chen Sachverhalt trübt.

Vielleicht ist es für Sie ja so, Herr Bundesminister, dass es überhaupt nicht verurtei­lenswert ist, wenn Lehrveranstaltungen gestürmt werden, wenn Studenten tätlich ange­griffen werden, wenn sie angepöbelt werden, wenn sie beschimpft werden, wenn sie angespuckt werden, wenn man versucht, die Leute mit Eiern abzuschießen und quasi als Faschisten zu markieren. Das alles wird von sogenannten Antifaschisten betrieben, von denen wir ja wissen, dass sie mit den Islamisten die wahren Faschisten unserer Zeit sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist alles für Sie nicht der Rede wert. Keine Silbe der öffentlichen Verurteilung ist da über Ihre Lippen gekommen – übrigens auch nicht anderen Bundesregierungsmitglie­dern, die haben sich alle aufgeführt, als wären sie Mitglieder eines Trappistenordens. Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre ja genau das Gegenteil ange­bracht; und deswegen schreibe ich Ihnen einen leicht modifizierten Satz von Ludwig Wittgenstein zur Erinnerung an die heutige Veranstaltung in Ihr politisches Tagebuch, Herr Bundesminister. Dieser Satz lautet: Worüber man nicht schweigen kann, darüber muss man reden. – Nehmen Sie das bitte als Handlungsauftrag für die Zukunft mit!

Laut aufschreien, deutlich verurteilen und konsequent durchgreifen (Zwischenruf bei den Grünen) – das wären die drei Punkte gewesen, die es im Zusammenhang mit die­sem linken Aktivismus auf der Universität gebraucht hätte.

Eines kann ich Ihnen sagen, Herr Bundesminister: Wäre ich noch Teil dieser Regie­rung, dann hätte ich Ihnen schon auf die Sprünge geholfen, ich wäre Ihnen auch mit ei­nem Assistenzeinsatz beigesprungen (Zwischenruf des Abg. Wöginger), um zu ver­hindern, dass man ohne jede Konsequenz vermummt an der Universität einen Hörsaal blockieren kann. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Gibt es jetzt ein Vermummungs­verbot in dieser Republik oder gibt es keines? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich war immer der Meinung, es gibt das Vermummungsverbot dafür, dass man es ge­gen Vermummte zum Einsatz bringt, aber offensichtlich ist der Herr Innenminister mit


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anderen Dingen beschäftigt. Ich glaube, die Gesetze sind dafür da, dass sie umgesetzt werden; und ich hätte auch dafür gesorgt, dass die Studenten und die Professoren ge­schützt sind, dass sie vor diesen tätlichen Angriffen der Linksextremisten sicher sind und dass es nicht jedes Mal ein Spießrutenlauf ist (Zwischenruf des Abg. Vogl), wenn man den Weg zu einer Lehrveranstaltung sucht, weil man als ordentlicher Student schaut, dass im Studium etwas weitergeht (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), und nicht nur zu jeder unsinnigen Angelegenheit demonstriert, so wie die Linken es tagein, tagaus machen. (Abg. Leichtfried: Wie war das mit Ihrem ...?) – Das, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, das wäre dann auch eine entsprechende Mitte-rechts-Politik, die (in Richtung ÖVP) Sie versprochen haben, und das ist ganz etwas anderes als Ihr Kurs, den Kopf bei Problemen in den Sand zu stecken. (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns ist klar, dass die Universität kein Tummelplatz für linksextreme Totalitäre ist (Zwischenruf bei der SPÖ), wo man dann die Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen treten kann, wo man untadelige Patrioten als Nazis verunglimpfen und anpöbeln kann und wo man offenbar versucht, eine Art gutmenschliches Zensursystem zu errichten, in dem dann irgendwelche linken Ideologen darüber bestimmen, „wer gut genug ist“ – un­ter Anführungszeichen –, um auf einer österreichischen Universität eine Vorlesung hal­ten zu dürfen. So wird es das mit der Freiheitlichen Partei nicht spielen, das kann ich Ihnen versprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr Verhalten – oder besser gesagt: Ihr Nichtverhalten – ist deshalb so überraschend und auch enttäuschend, weil ja diese Bundesregierung in den letzten Wochen abgese­hen von diesen Streitereien, bei denen der eine hü und der andere hott sagt – das zieht sich ja quer durch alle Felder, von der Mindestsicherung bis zur Sicherungshaft, jeden Tag tut sich etwas Neues auf –, nur ein Thema hatte, und das war doch der Kampf gegen den Hass. Alle waren Sie in tiefster Betroffenheit versunken. (Abg. Stög­müller: Der Hass kommt von Ihnen!) Ein Wettlauf der Betroffenheit hat da schon fast stattgefunden, das muss man wirklich sagen.

Keine Frage, sage ich in den Grünen-Sektor hinein, keine Frage, die Hasspostings, die es gegen die neue Justizministerin gegeben hat, sind absolut zu verurteilen! Da haben Sie mich ganz auf Ihrer Seite. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Habe aber ich Sie, Herr Minister, und vor allem diesen grünen Flügel und die Volkspartei auch auf meiner Seite, wenn ich Ihnen sage, dass der Hass eben nicht nur im Netz und in Form von Postings, sondern real, zum Beispiel auf der Universität, stattfindet? – Da bin ich mir nicht mehr so sicher. (Beifall bei der FPÖ.)

Habe ich Sie auf meiner Seite, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Hass natürlich nicht nur von rechts, sondern im verstärkten Maße eigentlich zunehmend von links kommt und dass er mitunter in der Gestalt der Satire daherkommt? – Da wird es dann ganz düster, denn da, glaube ich, habe ich niemanden von Ihnen auf unserer Seite; sonst wäre es Ihnen nicht passiert, dass Sie den Kampf gegen den Linksextremismus unter den Koalitionstisch haben fallen lassen und dass dieser Begriff in Ihrem Regierungs­übereinkommen mit keinem einzigen Wort vorkommt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Gleichzeitig setzen Sie alles, was rechts ist, mit rechtsextrem gleich. Das ist das zweite Bedenkliche an dieser Entwicklung. Da darf man sich dann nicht wundern, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn angesichts dieser Entwicklungen der Schwarze Block dann Oberwasser bekommt. Die fühlen sich jetzt ermutigt und bestärkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein letztes Wort: Es wäre nicht auszudenken, wenn diese Störaktionen unter umgekehrten Vorzeichen stattgefunden hätten, wenn der Professor ein Linker und die Demonstranten und Blockierer Rechte gewesen wä­ren; man hätte dann in diesem Land den moralischen Notstand ausgerufen. Das ist ei-


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ne unerträgliche Doppelmoral und Heuchelei, gegen die wir ankämpfen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: Wer ist der Schwarze Block, Herr Präsident? Die ÖVP-Frak­tion?)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Gym­nasiums Wieden recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Faßmann. – Bitte.


10.17.31

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Lassen Sie mich wie folgt zu den schwung­vollen Ausführungen von Klubobmann Kickl zum Thema totalitäre Tendenzen an Uni­versitäten Stellung beziehen: Universitäten sind unzweifelhaft Orte der freien wissen­schaftlichen Forschung und Lehre. „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“, so steht es im Staatsgrundgesetz und in großen Lettern am Stiegenaufgang des Neuen Insti­tutsgebäudes.

Universitäten sind auch der „Vielfalt wissenschaftlicher und künstlerischer Theorien, Methoden und Lehrmeinungen“ verpflichtet; so steht es auch im Zielparagrafen des UGs aus 2002. Darüber hinaus sind Universitäten Orte der intellektuellen Konfrontation und des demokratischen Diskurses. Der Austausch von Argumenten, das Abwägen derselben und das mögliche Finden gemeinsamer Positionen, aber möglicherweise auch der Dissens gehören zum Wesen einer Universität. Diese Auseinandersetzung ist immer eine geistige, niemals eine gewaltsame. Das ist mir extrem wichtig, meine Da­men und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Wissenschaftsfreiheit und auch die Meinungsfreiheit haben klarerweise ihre rechtli­chen Grenzen, die von der Rechtsordnung und auch von moralischen Geboten be­stimmt werden: Verbotsgesetz, Verleumdungen, aber im Bereich der Wissenschafts- und Forschungsfreiheit würden auch Experimente am menschlichen Genom dazu­zählen.

Werden diese Gesetze und Grenzen respektiert, ist Wissenschafts- und Meinungsfrei­heit vollumfänglich gegeben und müssen garantiert werden, insbesondere an den Uni­versitäten, denn sie sind, wie ich gesagt habe, Orte der Debatte, des Streits der intel­lektuellen Auseinandersetzung – und darum sind mir diese Universitäten auch so be­sonders wichtig.

Es ist daher keine Frage, Herr Kickl, dass eine Alice Schwarzer an der Universität für angewandte Kunst sprechen darf, auch wenn einige wohl dem linken Lager zuzurech­nende Aktivisten und einige ÖH-VertreterInnen ihr antimuslimischen Rassismus vor­werfen und die Veranstaltung durch minutenlange Gegenrede in Schreilautstärke stö­ren, wie es Lisa Nimmervoll berichtet hat.

Es muss auch möglich sein, dass ein Universitätslehrgang mit dem Titel „Flucht, Asyl, Migration“ an der Universität Klagenfurt abgehalten werden kann, auch wenn die wohl eher dem rechten Lager zuzurechnenden Aktivisten mit der Asyl- und Zuwanderungs­politik des Jahres 2016 nicht einverstanden waren, die Veranstaltung störten und dem Rektor einen Faustschlag versetzten.

Auch muss es unzweifelhaft möglich sein, dass Professor Höbelt eine Vorlesung zum Thema Die Zweite Republik im Hörsaal 50 der Universität Wien hält, auch wenn Bur­schenschafter im Publikum sitzen und einige ÖH-Funktionäre den Lehrveranstaltungs­leiter aus politisch-weltanschaulichen Gründen ablehnen.

Ich darf grundsätzlich auch auf die rechtliche Situation Bezug nehmen, wie die Ver­antwortungsteilung zwischen der Universität und dem Ministerium ausschaut.


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Erstens: Habilitierte – und Höbelt ist in diesem Fall ein Habilitierter – haben klarerweise die Aufgabe und auch das Recht, ihr Fach, welches durch die Venia Legendi definiert wird, in Lehre und Forschung selbständig zu vertreten. Habilitierte können Lehrveran­staltungen anbieten, deren curriculare Anrechenbarkeit – für die Spezialisten erklärt – dann von den StudienprogrammleiterInnen entschieden wird. Lehrveranstaltungen von Nichthabilitierten, insbesondere auch von Externen, müssen von den Studienpro­grammleitungen und den Dekanaten genehmigt und beauftragt werden.

Zweitens: Sind Studierende der Meinung, in der Lehrveranstaltung würden Inhalte ver­treten, die die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschreiten, sind sie berechtigt, dies dem Rektorat mitzuteilen oder klarerweise auch selbst Anzeige zu erstatten. Das Rek­torat wird solchen Vorwürfen in der Regel immer nachgehen, aber es ist klar, dass es sich um konkrete Äußerungen und Inhalte handeln muss. Pauschale Verunglimpfun­gen oder auch Aussagen von Studenten, dass ihnen der Professor oder die Professo­rin nicht passt, sind dafür nicht ausreichend.

Studierende haben klarerweise das Recht, Lehrmeinungen und politische Positionen sachlich begründet zu kritisieren. Die kritische und evidenzbasierte Diskussion in den Universitäten ist uns ja ein ganz wesentliches Anliegen. Sie haben allerdings nicht das Recht, zu entscheiden, wann eine bestimmte Lehrveranstaltung an einer Universität stattfinden darf oder wer diese besuchen darf. Das obliegt ausschließlich den Studien­programmleitungen und den Dekanaten.

Drittens: Bei der Sicherstellung eines geordneten Lehrbetriebes – und das ist das, was Sie, Herr Kickl, hier kritisiert haben – und damit auch im Zusammenhang mit der Aus­übung des Hausrechtes haben die Rektoren die entscheidende Funktion. Die Rektoren an einer autonomen Universität müssen dafür sorgen, dass das Hausrecht ausgeübt wird und Lehrveranstaltungen, die ordnungsgemäß von Habilitierten angekündigt sind, auch durchgeführt werden können. Das Rektorat kann dazu auch Sicherheitsdienste beauftragen, es kann eine entsprechende Hausordnung erlassen, und im Bedarfsfall kann man auch Hausverbote aussprechen. Das Rektorat kann klarerweise auch die Polizei heranziehen, wenn der Rektor der Meinung ist, dass es die Situation verlangt.

Viertens: Sollte das Rektorat in der Erfüllung dieser Aufgabe säumig werden, so kommt eine sogenannte Ersatzvornahme durch den Universitätsrat in Betracht. Der Universi­tätsrat ist ja eine Art Aufsichtsorgan innerhalb der Universität. Den Mitgliedern kommt dabei eine ganz wichtige Funktion zu. Sie können die Rektorate fragen: Was war denn da mit dieser Lehrveranstaltung los? Sie können Informationen einholen, und sie kön­nen auch handeln, wenn sie der Meinung sind, Rektorate handeln nicht.

Gerade im Fall der Universität Wien darf ich Sie erinnern: Universitätsräte sind immer breit zusammengesetzt. Von der letzten türkis-blauen Regierung, der ich angehört ha­be, sitzen auch zwei Vertreter im Unirat, die von Ihrer Fraktion nominiert worden sind.

Hohes Haus! Universitäten sind die Orte der Debatte, des Streits, der intellektuellen Auseinandersetzung und damit auch Teil eines allgemeinen demokratischen Diskur­ses. Mein Ministerium und ich werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um das sicherzustellen, was meine Vorstellung ist und was ich schon angedeutet habe. Es gehört zur – wenn Sie so wollen – Raison d’Être, zum Daseinsgrund, einer Univer­sität, den freien, sachlichen und rationalen Diskurs zu pflegen und sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen.

Wir werden gemeinsam mit den Rektoren und den Uniräten alles tun, damit das si­chergestellt wird. Wir passen auf und werden aufsichtsratsrechtlich vorgehen, wenn wir sehen, dass die universitären Gremien rechtswidrig handeln. Auch werden wir die ÖH über die jüngsten Vorfälle hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des österrei­chischen Hochschülerschaftsgesetzes befragen. (Abg. Kickl: Ein scharfes Schwert!)


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Ich schließe mit dem berühmten, Voltaire zugeschriebenen Satz, dem ich voll zustim­me: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie äußern dürfen.“ – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

10.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf als nächsten Redner Herrn Abgeord­neten Taschner zum Pult bitten. Die Redezeit beträgt 5 Minuten.


10.26.18

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Sehr geehrter Herr Klubobmann Kickl! Ich hatte eigentlich eine Art Wieder­sehenserlebnis bei Ihrer Rede: Sie hat mich an einen sozusagen geistigen Vorfahren von Ihnen, den Vetter des Chirurgen Ebenwald in „Professor Bernhardi“ erinnert, der auch eine Interpellation, wie man das damals genannt hat, wegen universitärer Vorfälle einberufen hat, und es war ebenso der Adressat eigentlich nicht der richtige. Die Uni­versität wäre nämlich der richtige Adressat, die Universität hat zu handeln. Das ist der wichtige Punkt. Tatsächlich ist die Universität ja autonom und in dieser Hinsicht auch verpflichtet, zu handeln. Ob sie das rechtzeitig und richtig gemacht hat, ist eine andere Frage, darüber kann man diskutieren. Ich kann mich erinnern, dass zum Beispiel an der Technischen Universität Wien Rektorin Seidler bei einer Veranstaltung, die nicht dem intellektuellen Diskurs entsprochen hat, sehr schnell, sehr zügig, sehr richtig ge­handelt hat und die Sache damit einfach erledigt war. – So ist es richtig durchzuführen.

Was also hier durch Ihre Rede geschehen ist, ist in gewisser Hinsicht die Wiederho­lung dessen, was damals bei „Professor Bernhardi“ der Fall war, und zwar in Art und Weise – wenn ich die Wiederholung betrachten darf – gleichsam einer Farce, denn da­mals hat man vielleicht noch ein bisschen anders gesprochen, als dass man sagt, man würde einem Minister auf die Sprünge helfen. – Wie dem auch sei.

Abgesehen davon ist es ja Gott sei Dank so, dass nicht ein Minister Flint aus Schnitzlers Stück, sondern gottlob ein Minister Heinz Faßmann Ihnen hier eine klare, nüchterne und saubere Replik liefern konnte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Eine allgemeine Unzuständigkeitserklärung!)

Die Universität ist zuständig. Die Universität ist zuständig, Herr Kollege Kickl! (Abg. Kickl: Aber politisch kommunizieren kann man schon auch, oder?!) – Das tun wir doch hier! (Abg. Kickl: Ja, ja!) Bitte, das ist hier geschehen! Sie dürfen nicht sagen, dass wir hier schweigen, in keiner Weise! (Abg. Belakowitsch: Natürlich haben Sie geschwie­gen!) Hier wurde genau gesagt, was Sache ist.

Es gibt, nebenbei gesagt, nicht nur auf der – wie Sie es nennen – linken Seite, sondern auch auf der rechten Seite manchmal Auswüchse, die sich nicht gehören. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Abgesehen davon, Herr Kollege Kickl: Es ist auch die Sprache manchmal etwas, wo­rauf wir achten müssen. (Abg. Kickl: Sie müssen aber schon so reden, dass die Leute Sie verstehen!) Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, dass das Kopftuch die „Flagge des Islamismus“ ist. – Das Kopftuch ist nicht die Flagge des Islamismus! Damit begin­nen Sie eigentlich, eine falsche Diskussion anzustacheln, und ich bin jetzt auch hier­hergekommen, um das ein wenig zu korrigieren. Herr Kollege Kickl! Wir gehen hier in diesem Lande im Zusammenhang mit dem Kopftuchverbot für unter 14-Jährige von der Religionsmündigkeit aus. Die Religionsmündigkeit ist wirklich ein entscheidender Punkt. Wir sind ja kein laizistischer Staat: Dort macht man es sich einfach, dort kennt man sozusagen den Begriff der Religion gar nicht, was an sich nicht gut ist. (Abg. Loa­cker: Das sagen Sie!)

Es ist besser, dass wir wissen, dass in der Condition humaine der Glaube eines Men­schen immer ein essenzieller Bestandteil ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Alle Men­schen glauben irgendwie.


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Ein Bürgermeister der Stadt Wien hat einmal an den Gott Dionysos geglaubt, ein Leiter einer Partei, die jetzt nicht mehr da ist, hat früher an die Vierte Internationale geglaubt und zum Schluss nur mehr an sich selbst; man glaubt vielleicht an Mutter Natur, es gibt aber auch Glaubensgemeinschaften, die wir anerkennen (Beifall bei der ÖVP  Abg. Belakowitsch: Im laizistischen Staat spricht ja niemand ...!), die wir auch deshalb an­erkennen, weil sie sich im öffentlichen Bereich – und das ist ganz entscheidend – den Gesetzen des Staates beugen. (Abg. Kickl: Aber Sie sollten mit Ihrer Integrationsmi­nisterin diskutieren! Die sieht das anders! – Abg. Wöginger: Sie müssen ihn einmal re­den lassen!) – Herr Kickl, lassen Sie mich bitte ausreden, damit Sie wissen, wie der Gedankengang läuft, sonst wäre das übertrieben. (Abg. Kickl: Das müssen Sie einmal innerparteilich klären! – Abg. Belakowitsch: ... immer über die Missstände ...!)

Dieses Kopftuch als Zeichen einer Religionsgemeinschaft ist natürlich auch, wie Houel­lebecq sagen würde, ein Zeichen der „Soumission“ – das ist vielleicht mit Unterwerfung falsch übersetzt –, einer gewissen Subordination. Diese Subordination – wollen wir ha­ben – wird erst geleistet, wenn man ein mündiger Mensch ist, denn sonst ist diese Sub­ordination ja ein Zwang, und genau davon wollen wir die Mädchen befreien. Diese Vorstellung ist ein Befreiungsakt (Ruf bei der SPÖ: Ein Zwangsakt!), das hat nichts mit dem Wesen des Kopftuchs als Zeichen eines Islamismus oder eines politischen Islam zu tun – überhaupt nichts –, sondern das ist ein Gesetz, das Freiheit liefert. (Ruf bei der SPÖ: Redezeit!) Ich habe vor Kurzem gehört, dass Gesetze nicht nur dazu da sind, Sicherheit zu geben, sondern auch dazu, Freiheit zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (fortsetzend): Diese Freiheit dient auch dem Wohle des Islam und nicht nur jenem der Kinder, mit dieser Vorstellung, dass sie das mit 14 Jahren machen. Diese Einführung ist vernünftig und hat nichts mit irgend­einer „Flagge des Islamismus“ zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Gut, dass viele Leute gehört haben, was die Position der ÖVP ist! Ruf bei der SPÖ: Das war eine verwirrende Rede! Rufe und Gegenrufe zwi­schen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen.)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Hammer­schmid. – Bitte.


10.32.01

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätz­te Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Ich möchte vom Kopftuch weg wieder zum eigentlichen Thema der heutigen Aktuellen Stunde (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen) und zur Diskussion überleiten, die zum Thema Bildungs­politik anlässlich der Publikation von Frau Wiesinger in den letzten Tagen sehr intensiv geführt wurde.

Sehr viel ist über das System Kurz und Zwänge der Messagecontrol, der sich auch ver­meintlich unabhängige Ombudsfrauen zu unterwerfen haben, diskutiert worden. Was mir bei dieser Diskussion aber gefehlt hat, worüber ganz wenig gesprochen wurde, ist die Frage, worum es denn wirklich geht: Es geht um die Kinder, es geht um unsere jungen Menschen und das Schulsystem, das sie erleben.

Wie also können wir Schule so gestalten, dass die Kinder gerne hingehen und dort auch gerne lernen, dass die Eltern wissen, dass ihre Kinder dort gut betreut sind, dass Lehrerinnen und Lehrer jene Unterstützung und jene Rahmenbedingungen vorfinden, die sie brauchen, um begeisternd unterrichten zu können, und dass jedes Kind die


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Schule gestärkt verlässt (Abg. Belakowitsch: Das hat aber auch nichts mit dem The­ma zu tun! Ich habe gedacht, Sie wollten doch zum Thema ...!) und alle Türen für sein oder ihr weiteres Leben offen stehen? – Darum geht es doch in dieser Diskussion und darum muss es uns gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau dann funktioniert Schule und dann stimmt auch die Leistung der Kinder und jungen Menschen in der Schule. Deshalb appelliere ich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nehmen wir die Probleme und die Kritik ernst! Arbeiten wir gemeinsam an ei­nem modernen Schulsystem, das unseren Kindern einfach bessere Zukunftschancen liefert, denn die Zukunftschancen unserer Kinder werden nicht größer, wenn wir Kritik wegschieben, unter den Tisch kehren, um davon abzulenken, oder sie gar diskreditie­ren.

Als Politikerinnen und Politiker haben wir alle eine gemeinsame Verantwortung und eine gemeinsame Aufgabe, nämlich die Rahmenbedingungen für Schule in Form von Gesetzen zu gestalten. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dieser Verantwortung se­riös nachzukommen, das heißt, wir müssen auf die Wissenschaft hören und wir müs­sen konstruktive Kritik ernst nehmen.

Was ist also zu tun? – Bei vielen Punkten bin ich da schon bei Frau Wiesinger und den Aussagen ihres Buches. Eine zentrale Forderung, die ich heute hier wieder einmal aufstelle, die auch im Buch nachzulesen ist: Wir brauchen dringendst die Aufstockung des Unterstützungspersonals in unseren Schulen – Psychologen, Sozialarbeiter. Sie wissen es ganz genau, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber in Wien ist es hausgemacht! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir brauchen dieses Personal, damit Probleme an den Schulen bis hin zu Gewaltsitua­tionen erst gar nicht entstehen können. Wir brauchen Peermediation, mit der Schü­lerinnen und Schüler frühzeitig darauf trainiert werden, Sensibilität für Konflikte zu ent­wickeln. Ich bitte Sie händeringend: Nehmen Sie dieses Unterstützungspersonal, das wir in meiner Regierungszeit schon an den Schulen hatten, das Sie abgeschafft haben, nehmen Sie diese helfenden Hände wieder und bringen Sie sie an unsere Schulen!

Zweites Thema, Ethikunterricht für alle: Nur so sind die Vermittlung von soliden Wert­orientierungen und das Erlernen von Pluralität und Demokratie in der Schule möglich. Das ist ein ganz zentraler Ort, denn dort können wir mit Kindern gut arbeiten. Ethik­unterricht soll es aber bitte für alle geben und nicht nur für Religionsabmelder! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Es versteht doch niemand, dass Kin­der mit einem katholischen, mit einem evangelischen oder mit einem muslimischen Be­kenntnis nicht gemeinsam mit Kindern (Abg. Kassegger: Turnen geht! Geht aber lei­der nicht!), die vom Religionsunterricht abgemeldet sind, über wichtige gesellschaftli­che Themen wie Gleichstellung, Gerechtigkeit und Demokratie diskutieren sollen.

Andere Wertehaltungen miteinander im Unterricht, in einer Unterrichtsstunde zu disku­tieren, bringt großen Mehrwert! Dieser liegt in der Begegnung und nicht in der Ab­schottung und im Separieren durch getrennte Religionsunterrichte. Das eine schließt ja das andere gar nicht aus, aber der Ethikunterricht für alle ist wirklich eine wichtige Initiative, die Frau Wiesinger in ihrem Buch auch beschreibt: „Verpflichtender Ethik­unterricht für alle als verbindendes Element ist in unserer multireligiösen Gesellschaft wichtiger denn je.“

Bitte, Herr Minister, nehmen Sie die Ableitungen der Ombudsstelle ernst! Steigen wir in die Diskussion darüber ein, was notwendig ist, um Schule besser zu machen, besser zu gestalten!

Liebe grüne Abgeordnete, ich hoffe, ihr findet euer bildungspolitisches Gewissen wie­der.


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Liebe Abgeordnete von ÖVP und FPÖ, stellen wir unsere Verantwortung wieder in den Mittelpunkt, und stellen wir in den Mittelpunkt, Schule so zu gestalten, dass die Kinder sie so abschließen, dass sie ein selbstbestimmtes, gutes Leben führen und ihre eigene Bildungskarriere gestalten können! Es ist unsere Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Das war jetzt interessant, hat aber mit dem Thema überhaupt nichts zu tun! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

10.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.


10.37.34

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen – dieser Spruch, Hohes Haus, wurde vor wenigen Tagen neu geschrie­ben: Wenn eine die Wahrheit ausspricht, dann kann sie was erleben.

Herr Bundesminister! Frau Wiesinger hat als Ombudsfrau Missstände aufgezeigt und Fehlentwicklungen angesprochen und wurde dafür vom System Kurz beinhart bestraft. Noch vor einem Jahr haben Sie Frau Wiesinger der Öffentlichkeit mit Stolz als neue Ombudsfrau präsentiert. Nun zeigt sich aber offenbar, dass man überhaupt kein, ja nicht das geringste Interesse daran hatte, in Ihrem Ministerium eine weisungsfreie und unabhängige Ombudsstelle zu schaffen. Sie diente lediglich zur Imageaufbesserung der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Herr Bundesminister, Sie wurden bereits darauf angesprochen: Sie haben Frau Wie­singer zwar sozusagen bestraft, weil sie ihre Meinung niedergeschrieben hat, Sie ha­ben aber zu den Attacken auf die Meinungsfreiheit, auf die Freiheit der Lehre, zu den Angriffen durch den linksextremen Mob an der Universität Wien bis vor 10 Minuten gar nichts gesagt, man hat dazu kein Wort von Ihnen gehört. Jetzt sprechen Sie darüber, weil wir Sie mit dieser Aktuellen Stunde dazu gezwungen haben.

Sie haben mit der Meinungsfreiheit ganz offenbar ein Problem, und zwar ein doppeltes, da Sie mit zweierlei Maß messen: Einerseits sind Sie untätig, und andererseits – das wissen wir noch aus der Zusammenarbeit in der Koalition – waren Sie immer einer, der gerne gebremst hat, wenn es darum gegangen ist, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, wenn es darum gegangen ist, totalitäre Tendenzen zu bekämpfen. Dahinter, Herr Bun­desminister, steht aber in Wirklichkeit nichts anderes als die pure Angst davor, dass man uns Freiheitlichen da in die Hände spielen könnte.

Frau Wiesinger macht ja nichts anderes in ihrem Buch, aber auch in ihrem Bericht, als dass sie eben diese Missstände aufzeigt, und sie schreibt ja unter anderem wörtlich: „In allen Bundesländern entscheiden Religion, Kultur und Migration darüber, ob ein normaler Unterricht möglich ist.“

Das sind die Probleme, die wir heute im Schulalltag vorfinden. Da müsste man han­deln – und Sie tun es nicht, Herr Bundesminister! Ich gehe davon aus – und davon kann man ausgehen –, dass diese schwarz-grüne Regierung die Probleme unter den Teppich kehren und vermutlich nur ein paar kosmetische Korrekturen vornehmen wird. Das ist es aber nicht, was wir brauchen, sondern wir brauchen eine Politik, die die Pro­bleme zuerst einmal zur Kenntnis nimmt, die sie aufgreift und dann auch versucht, Lö­sungen zu bieten und zu finden. Wie gesagt, Herr Bundesminister, da sind Sie unfähig, zu handeln, da tun Sie nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Um Ihnen weiterzuhelfen: Wir präsentieren heute ein Maßnahmenpaket an Forderun­gen, die wir in der heutigen Sitzung einbringen werden, die allesamt der Förderung der Integration an unseren Schulen dienen sollen, weil da die größten Probleme liegen. Schule ist ein Ort der Bildung, Schule ist ein Ort des Erlernens sozialer Fähigkeiten,


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Schule ist ein Schlüssel zur Integration und Schule ist mittlerweile auch ein Ort, an dem man massiv gegen den politischen Islam auftreten muss und auftreten soll.

Einer unserer Anträge, Herr Bundesminister, betrifft Deutsch im Pausenhof. Wie ge­sagt, Schule ist ein Ort der Bildung, und die deutsche Sprache ist ein eminenter Teil der Integration, sie ist ein eminenter Teil davon, dass unsere Kinder soziales Verhalten auch entsprechend lernen. Wir appellieren, diese Forderung auch umzusetzen und in ein Gesetz zu gießen, dass Deutsch als Pausensprache genutzt werden muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Erst vor wenigen Tagen wurde eine Grafik auf „Addendum“ veröffentlicht, die veran­schaulicht, wie eklatant die Probleme in diesem Bereich sind, Herr Bundesminister. 59 Prozent – ich spreche von Wien, weil Wien das eklatanteste Beispiel ist – aller Volksschüler in Wien sprechen im Alltag nicht Deutsch. – Das sollte uns zu denken geben! Im Österreichdurchschnitt sprechen 31 Prozent aller Volksschüler im Alltag nicht Deutsch. Ich spreche nicht vom Unterricht, ich spreche vom Alltag. Da besteht dringender Handlungsbedarf. (Abg. Maurer: Mehrsprachigkeit ist auch was wert, Herr Kollege!)

Ein weiterer Antrag betrifft den Ethikunterricht, Frau Kollegin Hammerschmid. Wir sind auch der Meinung, dass der Ethikunterricht ausgeweitet werden muss und als Alterna­tivgegenstand an den Schulen der Sekundarstufe II, also an den Oberstufen eingeführt werden soll. Es gibt seit den Neunzigerjahren dazu Schulversuche, diese wurden aber, wie gesagt, bislang nicht in den Regelunterricht übergeführt. Da beantragen wir - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident! Wir beantragen die Einführung des alternativen Ethikunterrichts.

Auch das Kopftuchverbot werden wir heute erneut beschließen. Ich wundere mich nur, Herr Professor Taschner, dass Sie das Kopftuch hier heute plötzlich verteidigen, ob­wohl Sie doch ein flammender Redner für dieses Kopftuchverbot gewesen sind. (Abg. Taschner: Sie können nicht differenzieren, Herr Kollege!)

Es geht darum – ich komme zum Schlusssatz –, dass Bildung nicht dem tagespoliti­schen Hickhack überlassen wird und dass unsere Schulen frei von parteipolitischem Einfluss sind – und dafür stehen wir Freiheitliche, dafür steht die FPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. – Bitte.


10.43.19

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Herren Minister! Liebe KollegInnen! Liebe Schüler und Schülerinnen auf der Ga­lerie! Liebe Menschen vor den Empfangsgeräten! Im Staatsgrundgesetz – Bundesmi­nister Faßmann hat das schon angesprochen – über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 lesen wir in Artikel 17: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ – Im Übrigen ist die Kunstfreiheit erst viel später dazugekommen.

Das Staatsgrundgesetz ist eine Folge der Revolution von 1848. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Die Studenten und nicht nur diese verlangten Pressefreiheit, eine Re­form des höheren Unterrichts mit Lehr- und Lernfreiheit und gleiche staatsbürgerliche Rechte für Angehörige aller Konfessionen. (Abg. Hafenecker: Da waren aber nicht die Grünen ...!) Revolutionen sind wohl nicht gewaltfrei, wie alle wissen. Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, sehen in dieser Revolution Ihren Ursprung (Abg. Meinl-Rei­singer – die Hand hebend –: Wir auch!), aber mit der Idee dieser Revolution haben Sie


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nichts mehr gemein, gar nichts mehr. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Baumgartner und Laimer.  Zwischenrufe bei der FPÖ.) Keine Freiheit, keine Gleich­heit, kein Liberalismus – das ist alles nicht mehr Ihres, was 1848 gefordert wurde.

Es wurde im Staatsgrundgesetz nicht nur die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre normiert, es regelte auch die vollständige Gleichstellung und Emanzipation der Juden sowie die Gleichberechtigung der Nationalitäten – auch etwas, was die Damen und Herren der FPÖ mit ihrem ausländerfeindlichen Gerede bis heute nicht akzeptieren wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn es hier um die Proteste gegen einen Universitätslehrer geht, kann ich nur sagen: Wer wie er das NS-Verbotsgesetz 1947 im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs von Frau Rosenkranz, Ihrer Nominierten, als Gesinnungsbestrafung bezeichnet, ak­zeptiert damit, dass die NSDAP wieder gegründet werden könnte. Wenn jemand in den rechtsextremen Medien „Zur Zeit“ und „Aula“ publiziert (Abg. Amesbauer: So ein Schmarrn!), wenn jemand in einer Festschrift des in zahlreichen Ländern verurteilten Holocaustleugners David Irving schreibt (weiterer Zwischenruf bei der FPÖ), wenn je­mand mit rechtsextremen Codes so spielt, dass er immer ganz knapp an der Grenze zum Verbotsgesetz vorbeischrammt – ich habe nur 5 Minuten, ich könnte jetzt noch Unzähliges aufzählen (Abg. Belakowitsch: Sagen Sie einmal was zur Universität!) –, dann kann ich, wenn dann eine universitäre Lehrveranstaltung, auch von jüdischen Hochschülerinnen und -schülern, gestört wird, nur sagen: leider fast zu spät, das hätte man alles schon viel früher machen müssen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abge­ordneten Gabriela Schwarz und Niss. – Abg. Kickl: Ach so!)

Das Thema Höbelt an der Universität Wien hat sich Gott und Göttin sei Dank aber bald erledigt. Er geht in Pension, seine Nachfolge ist geregelt, und ich hoffe damit auch die Frage seiner Art der Darstellung und seine ideologisch rechtsextreme Position außer­halb des Hörsaals – das sage ich gerne dazu. (Abg. Amesbauer: Das ist eine Frech­heit! Eine Frechheit ist das!)

Es sind Ihre Ballbesucher, die am Freitag alles lahmlegen werden (Ruf bei der FPÖ: Was?!), die rechtsextremen Identitären, die den Unfrieden und die Gewalt bringen. (Abg. Kickl: Das ist unglaublich! – Ruf bei der FPÖ: Das ist ein Skandal! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sie bringen die Identitären, den Unfrieden und die Gewalt. Sie boxen Rektoren nieder, wie meinen Kollegen Oliver Vitouch, und werden dafür strafrechtlich verurteilt. (Beifall bei den Grü­nen sowie des Abg. Laimer. – Abg. Amesbauer: Unerhört! – Ruf bei der FPÖ: Schan­de!)

Es sind nicht Ihre vielzitierten Linksextremen, es sind Ihre Parteigänger und nicht die Linken. Ihre Nationalratsabgeordneten wie der Abgeordnete - - (Anhaltende Zwischen­rufe bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten, die Rednerin ausreden zu lassen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie können sich zu Wort melden! (Zwi­schenruf des Abg. Rauch.) Das entspricht keineswegs der Haltung des Hohen Hau­ses. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Ja, das ist Ihr ...!)


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (fortsetzend): Ihre Nationalratsabgeordneten wie Roman Haider üben Druck auf Schuldirektoren aus, dass Vorträge über Rechtsextre­mismus unterbrochen werden müssen, nicht mehr abgehalten werden können. Der Kollege, der das macht, wird von Ihren Parteigängern überall denunziert und falsch be­schuldigt und kann seither kaum mehr Vorträge an Schulen, vor allen Dingen dort, wo Sie Ihren Einfluss geltend machen, halten. Das widerspricht allen Prinzipien, die 1848 – Freiheit, Gleichheit, Redefreiheit und Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, in dem Fall in der Schule – propagiert wurden. (Beifall bei den Grünen und bei Ab-


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geordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Jetzt wissen wir, wer in Österreich Rektor werden kann! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen! Bei allen Vorbehalten und aller Kritik – und ich bin für eine absolute Trennung von Kirche und Staat, aber dennoch –: Lieber Kopftuch, Kippa und Kreuz als Ihre Kappln von den schlagenden Verbindungen, die gehören ver­boten! (Anhaltender Beifall und Jubelrufe bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Kickl: Na servas! – Rufe bei der FPÖ: Frechheit! Unglaublich!)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Meinl-Reisin­ger. – Bitte.


10.48.30

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Das ist schon eine sehr lebendige Debatte, die un­glaublich viele Punkte enthält. Herr Klubobmann Kickl, es war schwierig, sich darauf vorzubereiten, weil ich nicht genau wusste, was jetzt angesprochen wird. Wird der Vor­fall an der Uni Wien angesprochen? Wird das Buch von Frau Wiesinger angespro­chen? Es ging um das Kopftuch, es ging offensichtlich um die Wünsche der Grünen, Burschenschaften zu verbieten.

Ich finde, das Spannende daran – und jetzt versuche ich, es ein bisschen auf eine Me­taebene zu heben – ist Folgendes: Es geht hier um ein Ringen, um die Frage, was of­fene Gesellschaft heißt, was aufgeklärte Gesellschaft heißt, was Meinungsfreiheit und Freiheit von Wissenschaft wirklich heißen. Ich finde, das ist etwas, was sich durch die gesamte Debatte durchzieht.

Wir haben aus gutem Grund – und da kommen wir als Liberale auch aus der Debatte von 1848, wenn Sie so wollen – ausgeprägte Grund- und Freiheitsrechte, die eine offe­ne Gesellschaft ermöglichen, die es jedem Einzelnen und jeder Einzelnen ermöglichen, sich frei zu entfalten, die Meinung kundzutun. Das ist als sehr hohes rechtliches Gut verankert. Es gibt Einschränkungen, ja, wie zum Beispiel – und da bin ich aus histori­scher Verantwortung sehr einverstanden – das Verbotsgesetz.

Es gibt andere Einschränkungen, und zwar da, wo es um strafrechtliche Komponenten geht. Wir erleben aber – das ist mir schon sehr wichtig – einen Diskurs, der vereinfacht gesagt bedeutet: Weil ich aus einem moralischen Anspruch der Überhöhung der Mei­nung bin, dass die geäußerte Position eine falsche ist, werde ich danach trachten, Sprechverbote, Meinungsverbote zu erteilen! – Dem halten wir als Liberale ganz ent­schieden dagegen.

Da bin ich ganz auf Ihrer Seite, Herr Minister, wenn Sie Voltaire zitieren. Das Leben geben, werden nicht viele, aber viele werden alles dafür tun, andere ihre Meinung auch in Reden, in politischen Reden äußern zu lassen, selbst wenn ihnen die Meinung nicht gefallen möge – revisionistische Weltbilder gefallen mir gar nicht, das kann ich Ihnen sagen! In der Freiheit der Wissenschaft bin ich der Meinung: Er muss es auch sagen können! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: ... wi­dersprechen Frau Blimlinger?) – Ja, ich widerspreche da Frau Blimlinger sehr. Ich bin nicht der Meinung (Zwischenruf bei den Grünen), dass es in einer offenen Gesellschaft legitim ist – ich meine, man kann alles fordern –, in Ordnung ist, Burschenschaften zu verbieten – mir gefallen die aber auch nicht, das kann ich Ihnen auch eindeutig sagen (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, außer sie streifen an Gesetze an, und dann steht es ja jedem frei, den Rechtsweg zu beschreiten. Wie gesagt, es mag mir nicht gefallen, was jemand sagt, aber ich werde alles dafür tun, dass er oder sie es sagen kann, weil das ein Kernwert unserer aufgeklärten und offenen Gesellschaft ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)


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Ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren Punkt einfügen und dann den Bogen zu dieser Polarisierung der Ideologien spannen. Wir erleben diese polarisierte Debatte ja gerade stärker in den ach so sozialen Medien, aufgrund von Ideologien gar nicht zuzuhören, was der oder die andere eigentlich sagt, sondern aus einem ideologischen Reflex heraus dagegen zu sein.

Dass das Eingang in Politikbereiche findet – nicht nur in die sozialen Medien, sondern seit Jahrzehnten in die tatsächliche Politik –, sieht man auch in dem Buch von Frau Wiesinger. Wenn man das genau liest – es ist sehr lang –, findet man darin einen Punkt, der sich immer wieder wiederholt: dass unsere Bildungspolitik seit Jahrzehnten im Argen liegt, weil ideologische Grabenkämpfe geführt werden, und zwar auf der einen Seite von den Konservativen, von der ÖVP, und auf der anderen Seite von den Progressiven, von der SPÖ und den Grünen. Diese ideologisch bedingten Graben­kämpfe (Zwischenruf bei der ÖVP), die auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer und auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen werden, führen dazu, dass sich nicht die besten Lösungen durchsetzen, sondern dass sich das durchsetzt, was man seiner eigenen Klientel oder seiner eigenen Anhängerschaft am besten ver­kaufen kann.

Da stelle ich wirklich die Frage, die sich auch Frau Wiesinger stellt: Wer denkt denn eigentlich an die echten evidenzbasierten Lösungen? – Es ist die Verantwortung eines Ministers – Sie haben ins Regierungsprogramm hineingeschrieben: „Verantwortung für Österreich“ –, nach den besten Lösungen zu suchen und nicht das zu tun, was gut klingt.

So, und nun komme ich noch – denn wir werden hoffentlich diese Debatte zu Frau Wiesinger heute noch länger führen – zu einem springenden Punkt. Sie, Herr Tasch­ner, haben vom Kopftuchverbot gesprochen. Ich finde es schon wichtig, zu fragen, wa­rum Sie Maßnahmen planen. Ist es ein Gag für die Zeitung? Geht es darum, ein biss­chen den Stammtisch zu bedienen? Geht es darum, antimuslimische Ressentiments zu schüren? (Abg. Taschner schüttelt den Kopf.) Oder gibt es eine Überlegung da­hinter?

Sie haben hier heute ausgeführt, dass es die Freiheit eines jeden Mädchens, einer je­den jungen Frau sein soll, sich frei zu entscheiden, und dass es ja eine Religionsmün­digkeit gebe. Das genau war unsere Argumentation vor eineinhalb Jahren, als noch un­ter Türkis-Blau das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen vorgeschlagen wurde, wozu wir gesagt haben: Na ja, also wenn es um die Freiheit und die Chancen der Mädchen geht und wir da ein Problem haben, müssen wir das doch an der Religionsmündigkeit festmachen.

Na gut, aber was machen Sie nun, was macht Ihre Ministerin für Integration? – Sie denkt über ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen nach. Das hat mit Religionsmündigkeit gar nichts zu tun. Diese sind mündig, sie können frei entscheiden. (Ruf bei der FPÖ: Na ja!) Sie müssen einmal darlegen, worum es Ihnen wirklich geht: echte Lösungen basierend auf klaren Gedanken oder Showpolitik. (Beifall bei den NEOS.)

10.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Studentinnen und Studenten der FH für Journalismus herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


10.54.29

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Es gab ja, wenn man den Reigen an Presse­aussendungen und Statements im Vorfeld verfolgt hat, irgendwie immer die Unterstel­lung, es fehle an klaren Bekenntnissen. Ich glaube, es gibt von unserer Seite genug klare Bekenntnisse. Das erste ist, dass wir sagen: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist


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frei.“ – Das steht im Staatsgrundgesetz. Dazu stehen wir und bekennen wir uns vollum­fänglich – der Minister, wir, die gesamte Volkspartei. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Dann setzen Sie es um! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die logische Konsequenz daraus, dass wir das vollumfänglich unterstützen, ist auch, dass die Lehre von Herrn Professor Höbelt frei ist. Das ist vollkommen selbstverständ­lich. Das muss die logische Konsequenz sein. (Abg. Kickl: Je nachdem, wie sich die linke Horde ...!) Der Umkehrschluss ist natürlich nicht, dass wir jede These von ihm un­terstützen, jede Aussage und jede Publikation gut finden. (Zwischenruf der Abgeordne­ten Belakowitsch.) Freiheit ist halt immer auch mit Verantwortung verbunden (Zwi­schenrufe des Abg. Kickl), und das ist nicht immer angenehm, lustig oder etwas, über das man nicht reden muss – deswegen tun wir das auch heute.

Es geht im Kern um Meinungsfreiheit. Die Grenze von Meinungsfreiheit ist nicht ein Parteiprogramm, nicht die eigene Meinung, sondern es gibt rechtliche Grenzen und moralische Grenzen, die wir setzen müssen, aber keine ideologischen, weil jemandem etwas nicht passt.

Da kommen wir auch zur politischen Verantwortung. Spinnen wir das einmal weiter, wenn die Ideologie oder die eigene Meinung zur Grenze der Meinungsfreiheit wird! Möchten Sie einen Minister haben, der sagt: Der Professor passt mir nicht, der ent­spricht nicht meiner Ideologie, deswegen regiere ich in die Universität hinein und ver­biete dem, dass er unterrichtet!? Wollen wir in so einem Staat leben? – Ich glaube nicht. Ich habe vollstes Vertrauen – er hat es heute auch gesagt (Zwischenrufe der Ab­geordneten Amesbauer und Hafenecker) –, dass Herr Faßmann das sehr wohl auch so sieht (Abg. Kickl: Bei der Ombudsfrau hat er das so gemacht!), weswegen er na­türlich in dieser Frage unser größtes Vertrauen genießt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Meinungsfreiheit heißt aber – das sage ich auch Richtung ÖH –, dass man diesen Diskurs an Universitäten zulässt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass da zwischen laut, unfreundlich und kämpferisch nicht unterschieden werden kann. Beim Fall Alice Schwarzer hat zum Beispiel die ÖH-Vorsitzende gesagt, ihr Verständnis von Mei­nungsfreiheit ist, dass sie dort hingeht, herumschreit und diese Vorlesung stört. Das ist nicht Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit heißt, dass man auch der anderen Meinung zuhören kann, ob das nun schön ist oder nicht, ob das links, rechts oder wie auch im­mer geartet ist, das ist vollkommen egal, denn es geht um viel mehr. (Beifall bei Abge­ordneten von ÖVP und FPÖ.)

Da bin ich bei Frau Meinl-Reisinger. Man muss da einfach ganz klar sagen: Wenn wir in einer offenen Gesellschaft leben wollen, wenn uns diese Werte wichtig sind, dann müssen wir uns einfach auch mit dem auseinandersetzen, auch wenn es nicht ange­nehm ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Amesbauer.)

Um die Frage der politischen Verantwortung noch zu konkretisieren: Abgesehen da­von, Herr Kickl, dass der ÖH-Beitrag nicht 200 oder 500 Euro beträgt, sondern tat­sächlich 20,20 Euro, glaube ich – ein großer Unterschied (Abg. Leichtfried: Der war halt schon länger nicht mehr auf der Uni!) –, sind noch ein paar Unfeinheiten bei Ihrer Analyse festzustellen, und zwar: Es gibt gar nicht das Recht beziehungsweise ist es nicht vorgesehen, dass ein Minister Entscheidungen über solche Sachen einer Univer­sität trifft. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Es geht darum, dass die Uni autonom ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Herr Kollege Taschner hat dafür auch ein Beispiel genannt. An der TU gab es ähnliche Vorkommnisse, wobei Räumlichkeiten besetzt wurden und der Unterricht gestört wur­de. Da hat Rektorin Seidler sehr gut reagiert und diese Situation auch geklärt. An die­ser Stelle ist auch die politische Verantwortung zu suchen, wenn es um den Fall Höbelt


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geht. (Beifall bei der ÖVP.) Rektor Engl, der Senat und die Führung der Universität müssen da reagieren. Das sollten sie meiner Meinung nach auch tun.

Was Kollegin Maurer betrifft, möchte ich auch noch ein Wort sagen. Ich glaube, mit einer Partei wie der Ihren, Herr Kickl, in der es diverse Jugendsünden gibt, die auch nicht unbedingt so angenehm sind, sollten Sie vorsichtig sein, wenn Sie hier stehen und darüber reden, dass jemand in seiner Jugend irgendwo ein paar Zettel herunterge­schmissen hat. Ich glaube, man sollte auch aufpassen, in welcher Art und Weise wir hier werten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen. – Abg. Kickl: Das ist auch eine seltsame Interpretation der Meinungsfreiheit!)

Ich glaube, dass wir in dieser ganzen Debatte (Zwischenruf des Abg. Hafenecker– ich möchte auf diesen Punkt noch einmal zu sprechen kommen – nicht vergessen dür­fen, was Meinungsfreiheit in einer Demokratie bedeutet, was es in einer Schule bedeu­tet, was es in einer Universität bedeutet, nämlich alles. Unsere offene Gesellschaft funktioniert nur unter der Grundannahme, dass wir Institutionen vertrauen und dass wir ordentlich miteinander umgehen. Ich glaube, das sollten wir überall tun, im Hohen Haus und sonst überall. Es sollten nicht Parteien entscheiden (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hafenecker), welche Debatten in diesem Land geführt werden dürfen oder nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mag. Kuntzl. – Bitte.


10.59.28

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bun­desminister! Ich kann, was den Teil betreffend Universitäten betrifft, die Ausführungen von Bundesminister Faßmann zum überwiegenden Teil voll unterstreichen.

Die Universitäten sind – das haben Sie ausgeführt, Herr Minister – Ort von Wissen­schaft und Forschung – das ist selbstverständlich für uns –, aber nicht nur das: Sie sind auch ein wichtiger Ort für Diskurs und für Auseinandersetzung, intellektuelle Aus­einandersetzung, und ein wichtiger Ort, diese zu führen und auch zu lernen.

Im gegenständlichen Fall, über den wir heute diskutieren, hat meiner Meinung nach Rektor Engl, der Rektor der Universität Wien, völlig korrekt und richtig reagiert. Rektor Engl hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht Protestaktionen Teil der universitären Kultur sind, Gewaltbereitschaft allerdings niemals. Die Universität Wien, deren Vizerektor Sie waren und an der ich vor langer Zeit Studentenvertreterin war, hat immer den Grundsatz gehabt und war stolz darauf, Konflikte an der Universität selber zu lösen und selber zu regeln und den Einsatz der Polizei nur als allerletztes Mittel zu verwenden. In diesem Sinne ist da diese Kultur, dieser Grundsatz eingehalten worden, und die Universität geht mit diesem Konflikt autonom und völlig korrekt um.

Bedenklich aus meiner Sicht ist allerdings, wenn die Universität, in diesem Fall die Uni­versität Wien, zum Aufmarschort für Rechtsextreme wird. (Zwischenruf der Abg. Bela­kowitsch.) Durch das Angebot einer Vorlesung von Lothar Höbelt, dem Nähe zum Rechtsextremismus nicht abzusprechen ist (Abg. Fürst: Das waren Linke! – Abg. Kickl: Die Chaoten gehören schon euch!), der Beiträge in rechtsextremen Publika­tionen veröffentlicht, ist seine Vorlesung zum Aufmarschort der rechtsextremen Identi­tären geworden (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Schallmeiner – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Hafenecker und Kassegger), und zwar nicht, weil die als Hörer, als Studenten (Ruf bei der FPÖ: Da geht es um die Zweite Republik!), aus Interesse an einer Vorlesung teilnehmen, sondern weil die dort als, sagen wir einmal, Fanklub, als ideologischer Fanklub aufmarschieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Ab­geordneten Litschauer und Schallmeiner.)


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Die Universität als Aufmarschort für Rechtsextreme (Abg. Amesbauer: Aber für Links­extreme ..., oder wie?) ist aus unserer Sicht sehr bedenklich. Ich gehe davon aus, dass Rektor Engl an der Universität Wien das sehr genau beobachtet und entsprechend da­rauf reagieren wird. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja nur mehr absurd! – Abg. Kickl: Un­glaublich! Wer war denn da gewalttätig?)

Worauf ich auch noch einmal hinweisen möchte, ist, dass die Aktion, über die Sie spre­chen, Kollegen von der Freiheitlichen Partei, nicht von der Österreichischen Hoch­schülerschaft organisiert wurde. Allerdings hat die Österreichische Hochschülerschaft eine politische Ausrichtung, die Ihnen nicht passt (Abg. Amesbauer: So ist es!), denn es ist keine rechte, sondern eine linke Ausrichtung. – „So ist es!“, sagen Sie.

Wie reagieren Sie darauf? Sie reagieren damit, dass Sie die Österreichische Hoch­schülerschaft als Vertretung der österreichischen Studierenden (Abg. Kickl: Schauen Sie sich einmal die Wahlbeteiligung an!) in ihren Rechten und ihren Handlungsmöglich­keiten beschneiden wollen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, lehnen wir entschie­den ab, gleich, welche Ausrichtung die gewählte Vertretung der österreichischen Stu­dierenden hat. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Sie wollen die Rechte der ÖH beschneiden (Abg. Amesbauer: Sie wollen die Freiheit der Wissenschaft beschneiden!), Sie wollen die finanziellen Mittel der ÖH um zwei Drittel kürzen, Sie wollen das politische Mandat der Österreichischen Hochschüler­schaft beschneiden (Abg. Amesbauer: Richtig!), und Sie wollen die Aufgaben der Ös­terreichischen Hochschülerschaft beschneiden. Nehmen Sie zur Kenntnis: Die Öster­reichische Hochschülerschaft ist die Vertretung der österreichischen Studierenden (Abg. Amesbauer: Nein! Ich hab mich nie vertreten gefühlt!) und hat ihre Berechtigung und ganz wichtige Aufgaben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Diese Aufgaben zu beschneiden, dagegen werden wir uns entschieden zur Wehr set­zen. Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen von den Grünen, da zählen wir auch sehr auf Ihre Unterstützung. Das darf nicht zugelassen werden. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen.)

11.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler und Schülerinnen der HAK St. Pölten recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.


11.04.24

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Kollegen und Kolleginnen! Ich könnte jetzt auf viele Aussa­gen eingehen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass uns Frau Kollegin Blimlinger ihr Amts­verständnis als Rektorin heute nähergebracht hat. Ich bin froh darüber, dass Sie, ob­wohl Sie jünger sind als ich, dort in Pension geschickt wurden und jetzt endlich dort sind, wo Sie hingehören: in die politische Auseinandersetzung und nicht als Rektorin an eine Universität. (Beifall bei der FPÖ.)

Was das Kopftuch betrifft, so tue ich mir bei der Linie der ÖVP immer schwerer, muss ich ganz ehrlich sagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich weiß jetzt nicht: Gilt das, was Frau Ministerin Edtstadler sagt, oder das, was Kollege Taschner sagt, oder das, was ir­gendjemand anderer sagt? Einer hat aber schon recht gehabt, nämlich jener Vorredner von der ÖVP, der gesagt hat, es gibt viele und „genug [...] Bekenntnisse“ von der ÖVP; aber, wissen Sie, in ein und demselben Sachverhalt sollte man nach jahrelanger Dis­kussion in der ÖVP irgendwann zu einem Bekenntnis kommen und das auch vertreten und nicht immer gerade dort, wo man es braucht, eine andere Meinung vertreten (Zwi­schenruf des Abg. Hörl), weil man dann nur dem jeweiligen Publikum nach dem Mund


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redet. Das würde man dann Populismus nennen, würde ich meinen. Vielleicht sollten Sie einmal eine Linie vertreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir tun hier, wenn wir die Hochschulen anschauen, als ob das seit einigen Wochen oder Monaten ein Sachverhalt wäre, der neu zu bewerten ist. Die meisten vergessen, dass wir diese Probleme mit den Linksextremisten an den österreichischen Hochschu­len – aber nicht nur dort, auch an den deutschen Hochschulen – in massivem Ausmaß haben, da diese ständig, tagelang, wochenlang, oft monatelang den Universitätsbetrieb lahmlegen, Veranstaltungen andersdenkender oder ihnen nicht genehmer Professoren, Dozenten zu verhindern versuchen und nicht nur versuchen, sondern es gelingt ihnen tatsächlich auch ständig, sie zu verhindern, wenn es sein muss auch durch Anwen­dung von Gewalt oder zumindest Androhung von Gewalt.

Das alles ist nicht neu, das war schon in Ihrer Zeit als Vizerektor gang und gäbe, das ist ständig vorgekommen. Man versucht dann immer, Nebelgranaten zu werfen und fantasiert eine rechte Gefahr und einen Kampf gegen rechts herbei, um sich selbst in den Debatten zu legitimieren, aber tatsächlich kommt das permanent von links, und man unternimmt eigentlich nichts. (Abg. Maurer: Die Identitären, die den Rektor nie­derboxen!) Man setzt auf Zeit, man versucht, Dinge hintanzuhalten.

Ich erinnere nur, um ein paar Namen zu nennen, an Professor Lucke, kein wirklich ausgewiesener Rechter: Dem ist es nicht möglich, in Deutschland eine Vorlesung zu halten. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) – Ja, nur unter Polizeischutz. Das ist traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Oder nehmen wir Herrn Christian Lindner, auch kein ausgewiesener Rechter, der in Wirklichkeit nicht in der Lage ist, an Universitäten in Deutschland und wahrscheinlich auch in Österreich auf Einladung von Studierenden das Wort zu ergreifen. Bei uns – Alice Schwarzer wurde schon genannt – geht das bis in die Lehre hinein.

Man tut immer so, als ob da ein neuer Sachverhalt gegeben wäre, den man dann prüft, und man rettet sich von einem Semester ins andere, ohne dass man einmal eine klare Linie hat, wie man gegen einen Mob von links vorgeht, der tatsächlich an der Universi­tät nichts verloren hat, der dort vermummt und uniformiert herumläuft und Gesetze bricht. Ich glaube, man könnte das schon längst erledigen.

Herr Bundesminister, Sie sind als Minister schon auch in der Verantwortung, quasi in der Letztverantwortung als Eigentümervertreter, und können nicht auf Dauer zuschau­en, wie da nichts passiert. Ich sage das jetzt in aller Deutlichkeit, weil Sie sonst als Minister für Wissenschaft gar nicht notwendig wären, wenn Sie eh keine Kompetenzen haben. Das muss man auch so sagen.

Aber wenn die Antifa diese Vorlesung stört und der linksextreme vermummte Mob dort steht (Ruf bei der SPÖ: ... heute zum zweiten Mal schon „Mob“!) und man sich dann noch in den Foren ärgert und sagt: Nächstes Mal bitte statt Eiern blutige Tampons verwenden!, und dann aber gleich auf Facebook weiter äußert: Nehmt keine Tampons, keine Eier, sondern nehmt Steine! – so lauten Aufforderungen! –, und am nächsten Tag an der Universität dann diese Steine gegen vermeintlich rechte Studenten fliegen, dann hat man schon blutige Köpfe und dann sind wir bei schwerer Körperverletzung (eine Tafel mit dem Foto einer Kopfverletzung und der Bildunterschrift „antifa_w.“ in die Höhe haltend) – und das alles durch den linksextremen Mob, der nichts gemacht hat. (Abg. Maurer: Das ist eine Lüge!)

Herr Minister! Sie müssen hier einschreiten, weil der Universitätsrat und das Rektorat de facto nichts machen.

Mein Schlusssatz ist: Quo usque tandem? Wie lange wollen Sie bei diesen linken Zu­ständen noch zuschauen? Sie als Minister sind gefordert, Sie wissen das. Retten Sie sich nicht von einem Semester zum anderen oder gar in Pensionierungen von Profes-


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soren, sondern unternehmen Sie diesbezüglich etwas, damit an der Universität endlich wieder Lehr- und Lernfreiheit einkehren kann! (Beifall bei der FPÖ.)

11.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sirkka Prammer. – Bitte.


11.10.58

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor allem die Schülerinnen und Schüler möchte ich bei diesem wichtigen Thema beson­ders begrüßen. Herr Klubobmann (in Richtung Abg. Kickl), danke für diese Gelegen­heit, dafür, dass ich bei meiner ersten Rede hier in diesem Hohen Haus gleich auf ein Thema Bezug nehmen kann, das mir sehr am Herzen liegt: „Grundrechte in Gefahr – Totalitäre Tendenzen an Schulen und Unis [...]“. (Ruf bei der FPÖ: Ja!)

Worüber spricht man bei totalitären Tendenzen? Was versteht man darunter? – Totali­tarismus ist etwas, das vom Staat ausgeht, von einem Staat, der versucht, in alle Le­bensbereiche der Menschen hineinzuwirken und die Menschen in all ihren Aktivitäten, in all ihrem Handeln und in all ihrem Tun im Sinne einer vorbestimmten Ideologie zu beeinflussen. – Unser Staat macht genau das nicht. Er garantiert eine offene, freie und pluralistische Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schrangl: Eben nicht!) Und genau das geschieht, indem er Grund- und Freiheits­rechte in der Verfassung verankert hat. Das sind Rechte, die es ermöglichen und ga­rantieren, dass die Menschen, die in diesem Staat leben, frei von Zwang, frei von Angst und vor Repression sagen und zeigen dürfen, was ihre Meinung, was ihre Posi­tion, was ihre Haltung ist.

Gleichzeitig verlangt der Staat von jedem Einzelnen und von jeder Einzelnen, es aus­zuhalten, dass andere Menschen Position zur jeweils eigenen Meinung beziehen. Da­her hat man es auszuhalten, wenn die eigene Meinung infrage gestellt wird. Man hat es auszuhalten, dass eine Gegenposition geäußert wird. Und man hat es auch auszu­halten, dass das nicht nur mit Worten geschieht, sondern dass das auch durch rein physische Präsenz geschieht und mit Mitteln einer friedlichen Demonstration.

Was genau das Gegenteil davon ist, ist zum Beispiel, wenn ein Vortrag über ein The­ma, das einem nicht genehm ist, von einem anerkannten Experten, der einem nicht ge­nehm ist, an einer Schule auf Zuruf gestoppt wird. Was bitte sollen diese Schüler aus solch einer Aktion lernen? (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Vogl.)

Was wir alle für uns als Gesellschaft daraus lernen sollten, ist, dass es richtig, wichtig und notwendig ist, immer und immer wieder von den Rechten, die uns die Verfassung gibt, Gebrauch zu machen, denn nur dann, wenn man sie gebraucht, bleiben sie uns auch erhalten.

Ich möchte jetzt hier nicht zum dritten Mal Voltaire zitieren (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), ich glaube, es ist jetzt bei allen angekommen, ich hoffe aber auch, dass es von allen verinnerlicht wird. Ich hoffe, dass wir wirklich verinnerlichen, was die Grundaussage ist, was auch dahinterstand und unter welchen Voraussetzungen diese Äußerung getätigt wurde – in einer Zeit, von der wir uns sehr weit wegbewegt haben, in eine, in der wir sehr gut und sehr gerne leben können, und wir wollen das auch wei­terhin so haben.

Grundrechte können viel, viel leichter in Gefahr geraten, als wir es uns vorstellen können, und zwar dann, wenn wir sie nicht mehr nutzen, wenn wir aufhören, auf Miss­stände hinzuweisen, wenn wir aufhören, laut hörbar und gut sichtbar Position zu bezie-


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hen. Wenn man Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, nicht mehr nützt, dann verkümmern sie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und wenn man staatlich verordnet, so wie es hier verlangt wird, dass Grundrechte nicht mehr genützt werden dürfen, dass gewisse Arten der Meinungsäußerung nicht mehr zugelassen werden sollen, dann schafft man sie ab – und das dürfen wir niemals zulassen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brand­stätter. – Bitte.


11.15.33

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass noch immer Schülerinnen und Schüler hier sind – ich werde auch gleich zu euch sprechen. Zunächst freue ich mich aber, dass zwei Bundesminister hier sind, die sicher Hommes de Lettres sind, also mit denen man über Bücher reden kann. Timothy Snyder, Herr Bundesminister, kennen Sie sicherlich auch, ein amerikanischer Historiker, der auch in Wien unterrichtet hat – er hat viele gescheite Bücher geschrieben, auf ein anderes wer­de ich später noch zu sprechen kommen (der Redner zeigt ein Buch) –: „Über Tyran­nei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand“. Lektion 1 kommt dann bei einer späteren Diskussion, Lektion 20 ist: „Sei so mutig wie möglich.“

Herr Bundesminister Faßmann, das sagt Ihnen doch etwas. Das haben Sie sicher Frau Wiesinger gesagt: „Sei so mutig wie möglich.“ – Und dann war sie es, und dann schmei­ßen Sie sie raus! (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich glaube, wir müssen die Dinge schon gemeinsam sehen: Da gibt es eine Frau Wie­singer, die Wahrheiten ausspricht, die manchen nicht genehm sind – auch der SPÖ ist ja vieles nicht genehm –, und da gibt es einen Professor Höbelt, da kann man schon zweifeln, ob das alles stimmt, was der sagt. (Abg. Michael Hammer: Das trifft auf Sie auch zu!) Aber ich würde aufstehen und stehe auch auf und sage: Herr Höbelt, hier ha­ben Sie nicht recht!, denn die Auseinandersetzung mit Herrn Höbelt müssen wir schon führen. Und jetzt sage ich einen Grund – und ich glaube, das muss auch allen Linken klar sein –, weil hier irgendjemand gesagt hat, Höbelt verwendet antisemitische Codes – das wird schon stimmen –: Was müssen wir unseren jungen Leuten beibringen? Was sind denn antisemitische Codes? Das müssen wir lernen, und sei es nur, dass wir es mit einem Lehrer wie Herrn Professor Höbelt lernen. Das ist ganz, ganz wichtig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und wir müssen Widerspruch lernen. Ich war selbst Funktionär der Hochschülerschaft, und was haben wir dort gelernt? – Den Professoren zu widersprechen. Leider hat die ÖVP dann das UOG zurückgefahren, es gibt nicht mehr so viel Mitbestimmung. (Zwi­schenruf des Abg. Michael Hammer.) Die Mitbestimmung ist etwas ganz Wesentliches.

Ich komme auf ein anderes Buch von Professor Snyder zu sprechen, nämlich „Der Weg in die Unfreiheit“. Warum bin ich da so engagiert und, wenn Sie wollen, manchmal auch aufgeregt? Und warum bin ich überhaupt hier? – Liebe junge Freunde auf der Galerie, ich habe das schon mehrfach gesagt: Weil die Freiheit, die wir heute hier ge­nießen, in Österreich und in vielen anderen europäischen Ländern – nicht in allen; die FPÖ will ein Mediensystem wie in Ungarn, das ist illiberale Demokratie und das ist Kor­ruption; das wollen wir nicht, in Österreich ist es noch anders – gefährdet ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir hier so miteinander reden dürfen, dass wir mitein­ander reden können. Dafür müssen wir kämpfen, dafür müssen wir etwas tun. Und das müssen wir hier tun, das müssen wir an den Schulen tun, das müssen wir auch an den Universitäten tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Noch einmal: Ich widerspreche Herrn Höbelt ganz massiv in einem Punkt, was das Verbotsgesetz betrifft – das muss ja wohl klar sein; aber das zeigt auch ein Stück Ideologie –: Wer nicht akzeptiert, dass der Holocaust ein einmaliges Ereignis in der Geschichte war, der hat es nicht verstanden. – Das ist Ihr Problem, das weiß ich (Bei­fall bei Abgeordneten der Grünen), und deswegen ist er gegen das Verbotsgesetz. Da­zu müssen wir aber stehen, und das müssen wir immer wieder laut und deutlich sagen. Und wer dagegen ist, dass Zeitzeugen – und Gott sei Dank leben noch einige wenige – uns erklären, wie dieser Weg in die Unfreiheit begonnen hat – es hat nicht in Auschwitz begonnen, es hat bei den kleinen Schweinereien begonnen, es hat bei den Ausgren­zungen begonnen –, wer das heute nicht mehr hören will, der möchte verharmlosen. Und das will Höbelt natürlich, und deswegen muss man gegen ihn argumentieren und ganz massiv gegen ihn argumentieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ja, so ist es.

Übrigens: Höbelt sagt nicht nur Sachen, die Ihnen gefallen. Ich habe einmal ein Inter­view mit ihm gemacht, da hat er gesagt: Na klar hat die FPÖ antisemitische Wurzeln. – Das weiß Herr Höbelt. Na ja, sicher, er ist Historiker, das weiß er natürlich. Er weiß auch, dass die FPÖ massiv antiklerikal ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Horchen Sie zu! – Wenn Herr Strache – er ist ja Ihr Freund gewesen, jetzt ist er es nicht mehr, aber Sie werden ja wieder mit ihm konfrontiert werden – mit dem Kreuz aufgetreten ist, dann war das ja schlimmste Heuchelei, weil die Wurzeln der FPÖ natürlich antiklerikale sind. Das wissen wir auch. Das alles müssen Sie sich von Herrn Professor Höbelt anhören.

Deswegen ist es gut, dass man auch Professor Höbelt anhört, ihm aber widerspricht, auch an der Universität – mit Worten und ganz sicher nicht mit Steinen oder so einem Geschrei, wie Sie es hier gerne aufführen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), denn das bringt uns auch nicht weiter.

Ich komme noch einmal zurück auf Timothy Snyder. Vergessen wir nicht: Alles, was wir haben, ist gefährdet, und wir müssen dafür kämpfen. Wir müssen für unsere Freiheit kämpfen! Wir müssen für die Freiheit an den Universitäten kämpfen! Wir müssen für die Freiheit eines Informationsfreiheitsgesetzes kämpfen, denn das, was Sie mit Frau Wiesinger aufführen, das könnten Sie, wenn es das Informationsfreiheitsgesetz gäbe, schon nicht mehr machen, das ist ja ganz klar. Sie ist Beamtin, und wenn das nicht etwas ist, das die Sicherheit Österreichs gefährdet, dann darf sie es nicht nur sagen, dann muss sie es sogar sagen. Und in der Tat hat sie viele interessante Sachen ge­sagt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen (in Richtung Bundesminister Faßmann), aber noch viel mehr von Herrn General­sekretär Netzer, der sagt: Bildungspolitik ist Parteipolitik. – Ja, wir wissen eh, dass es so ist, aber gerade von Ihnen hätte ich anderes erwartet. (Beifall bei den NEOS.)

Ich komme zum Schlusssatz: Herr Voltaire ist zitiert worden – ja, natürlich, der Geist der Aufklärung –, es war aber offenbar Beatrice Hall, eine Frau, die das gesagt hat. Es gibt aber ein anderes Zitat von Voltaire. Das habe ich Ihnen mitgebracht (in Richtung FPÖ weisend), und das passt zu Ihren Liederbüchern: „Alles, was zu dumm ist, um gesprochen zu werden, wird gesungen.“  Deswegen haben Sie Ihre Liederbücher. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. Heiterkeit der Abg. Rendi-Wagner.)


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11.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

11.21.26Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen unverzüglich zur Aktuellen Europa­stunde mit dem Thema:

„Zeit für mehr Fairness in Europa: Online-Giganten endlich gerecht besteuern“

Es wurden folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments für die Teilnahme an der Europastunde nominiert: die Abgeordneten Winzig, Schieder, Mayer und Vana. Ich darf die Abgeordneten, so sie schon hier sind, recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Ein paar habe ich schon gesehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner; 10 Minuten Re­dezeit. – Bitte.


11.22.18

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle haben ein Privileg. Wir haben das Privileg, in einem Land zu leben, in dem unsere Kinder in gute Schulen gehen können, in dem wir im Krankheitsfall in gute Krankenhäuser gehen können und dort gut versorgt werden, wenn es uns an Ge­sundheit mangelt. Wir leben in einem Land, in dem die öffentliche Infrastruktur gut funktioniert. Wir verlassen uns auf dieses System jeden Tag, jeder und jede Einzelne von uns.

Der Grund, warum wir uns auf dieses System verlassen können und warum dieses System funktioniert, ist eigentlich recht einfach. (Abg. Bösch: Nichts funktioniert! Abg. Belakowitsch: Nichts funktioniert! Haben Sie der Frau Wiesinger nicht zuge­hört? ... Schule nicht, Gesundheit, Infrastruktur ...!) Der Grund ist: Jede Frau, jeder Mann und fast jede Firma zahlt Steuern und leistet so einen Beitrag dafür, dass dieses System funktioniert – einen Beitrag für unsere Allgemeinheit, dafür, dass wir uns jeden Tag auf die Ärzte, auf die Krankenhäuser, auf die Sicherheit, auf die Infrastruktur, auf die öffentlichen Verkehrsmittel verlassen können. Was aber passiert, wenn sich je­mand weigert, seinen gerechten Anteil und Beitrag zu leisten? – Dann schwächt uns das. Es schwächt uns alle, es schwächt das System und die Gesellschaft, in der wir le­ben. Wir laufen vor den großen Herausforderungen im Hintergrund auf eine Situation zu, in der die Finanzierung dieses Systems, auf das wir uns jeden Tag verlassen, bald an seine Grenzen kommen könnte.

Das gilt für Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, und das gilt vor allem auch für die Europäische Union. Daher ist eines im Zentrum unseres Denkens und politischen Gestaltens, nämlich die Steuergerechtigkeit. Steuergerechtigkeit ist zentral, wenn es darum geht, ob die Europäische Union in Zukunft geschwächter sein wird oder gestärkt in die Zukunft blicken wird. Tatsache ist, dass die Europäische Union derzeit von einer massiven Schieflage bedroht ist.

Kein Mensch kann verstehen, dass es einige US-Großkonzerne gibt, davon viele, die ihre jährlichen Millionenumsätze und -gewinne mit dem Onlinehandel machen, die mo­natlich wenig bis gar keine Beiträge in unser System zahlen, während jeder Arbeitneh­mer, jede Arbeitnehmerin, jedes Unternehmen brav seine, ihre Steuern zahlt, seine, ih­re Beiträge, damit unser System, in dem wir alle leben, funktioniert.

Eine internationale Kaffeehauskette, die uns allen, glaube ich, nicht unbekannt ist, zahlt in Österreich Steuern in der Größenordnung von 800 Euro pro Jahr bei einem Umsatz von 18 Millionen Euro pro Jahr. (Abg. Kickl: ... Kogler wieder einmal einen Kaffee trin­ken, dann passt das wieder!) Das ist eine Schieflage, sehr geehrte Damen und Herren,


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weil jedes kleine Kaffeehaus in Österreich, jedes Gasthaus in Wien mehr Steuern zahlt als diese internationale Kaffeehauskette, aber nur einen Bruchteil dieses Gewinnes er­zielt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: Wenn wir diese Schieflage in Europa nicht beseitigen, dann wird die EU niemals in der Lage sein, jene Stärke zu erlangen, die angesichts der globalen Ver­änderungen, Herausforderungen und internationalen Umbrüche notwendig ist – Europa muss stärker werden und gestärkt werden –, eine Stärke, die gut für die europäischen Bürgerinnen und Bürger ist, eine Stärke, die auch wichtig und notwendig für die eu­ropäische Wirtschaft ist. Ja, es ist Zeit für mehr Fairness in Europa, es ist Zeit für eine gerechte und faire Besteuerung von internationalen Onlinekonzernen. Es ist auch Zeit, den sozialen Zusammenhalt innerhalb Europas endlich mehr zu stärken. Wir brauchen ein gemeinsames Projekt – ein Projekt, das uns in Europa verbindet und eint, das die Integration fördert und das Auseinanderdriften des europäischen Kontinents verhindert.

Solche Projekte hat es in der Geschichte der Europäischen Union immer gegeben. Ganz zu Beginn, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde versprochen: Nie wieder! Es gab dann das gemeinsame Projekt des Binnenmarktes, später die gemeinsame Währung – derartige gemeinsame Projekte, an denen man gemeinsam arbeitet, verbinden und machen eine Union, einen Staatenverbund stark.

Wir müssen uns heute fragen: Was kann dieses gemeinsame, stärkende und einende Projekt in Europa sein? – Aus unserer Sicht ist es notwendig, dass dieses neue ge­meinsame Projekt den europäischen sozialen Zusammenhalt stärkt und die sozialen Unterschiede, die derzeit auf europäischer Ebene bestehen, verringert; denn Tatsache ist, dass die Kluft zwischen reichen und armen EU-Ländern immer größer wird, dass der Unterschied zwischen Ost und West, der Unterschied zwischen Nord und Süd in Europa immer größer wird.

Ist das gesund? Ist das stärkend? Macht uns das stark und widerstandsfähig für die Zukunft und alle Herausforderungen, die auf jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns und auf die Union warten beziehungsweise schon bestehen; Stichwort Klimakri­se? Diese Entwicklungen sind eine Gefahr. Sie sind eine Gefahr für unser gemeinsa­mes europäisches Friedensprojekt, sie sind eine Gefahr für den sozialen Frieden.

Schauen wir uns die Zahlen an! In Griechenland liegt die Jungendarbeitslosigkeit bei über 30 Prozent – über 30 Prozent! Schauen wir nach Deutschland! Dort liegt sie, und das ist gut, bei 6 Prozent. Das ist ein Unterschied von fast 30 Prozent zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union – ein extrem großer, ein signifikanter Unter­schied. Das ist nicht gesund, das ist eine Imbalance innerhalb einer Union, die eigent­lich gestärkt und geeint sein sollte. Des Weiteren wissen wir, dass ein Fünftel aller EU-Bürger – 20 Prozent, und da rede ich von über 100 Millionen Menschen in Europa – von Armut bedroht ist.

Die Lohnschere zwischen den europäischen Ländern ist in den letzten Jahren größer geworden. Sie ist enorm. Sie ist innerhalb der Länder, vor allem aber innerhalb der Union, größer geworden. Die sozialen Standards sind nicht vergleichbar – in Osteuro­pa herrschen ganz andere als in Westeuropa.

Auch die Unterschiede der Unternehmensbesteuerung innerhalb der Europäischen Union sind ungerecht. Es ist nämlich ungerecht, sehr geehrte Damen und Herren, dass eine Druckerei im Burgenland 25 Prozent Körperschaftsteuer, Unternehmenssteuer, zahlen muss, während es eine halbe Autostunde entfernt – über der ungarischen Gren­ze – Unternehmen gibt, ungarische Druckereien gibt, mit lediglich 9 Prozent Unterneh­mensbesteuerung. Das ist ein großer Unterschied. Ungarn hat – und das müssen wir wissen – die niedrigste Körperschaftsteuer Europas. (Abg. Loacker: Und was ist jetzt die Antwort? – Zwischenrufe der Abg. Doppelbauer und Schellhorn.) Das ist ein Steu­erwettlauf nach unten.


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Das ist auch den österreichischen Unternehmen und UnternehmerInnen gegenüber nicht gerecht, und Österreich muss sich stark machen, dass diese großen Steuerunter­schiede ein Ende haben, dass dieser Steuerwettlauf nach unten endlich beendet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ein faires Steuersystem, bei dem die Staaten nicht gegeneinander aus­gespielt werden. Ja, und es waren Sie, Herr Finanzminister Blümel, der Sie beim Fi­nanzministerrat unter anderem angekündigt haben, dass sich Österreich aus der Grup­pe der Staaten, die für die Finanztransaktionssteuer weiterarbeiten wollen, zurückzie­hen will. Ich finde, das ist der falsche Weg, denn wenn man gestalten will, Zukunft ge­stalten will, dann, Herr Bundesminister, muss man sich einbringen, aber auch mit Über­zeugungskraft Überzeugungsarbeit leisten, und dann braucht es Haltung.

Die Welt ist in einem großen Umbruch, und Europa muss stärker, handlungsfähiger werden, und es braucht ein klares politisches, gesellschaftliches Bekenntnis. Ihrem Re­gierungsprogramm müssen Taten folgen, das werden wir genau beobachten.

Die Stärkung kann aber nur gelingen, wenn Schieflagen überwunden werden. Nur wenn wir, sehr geehrte Damen und Herren, die Politik und die Gesellschaft, bereit sind, am Gemeinsamen zu arbeiten, am Konsens zu arbeiten, wenn wir bereit sind, gemein­sam Verantwortung zu übernehmen, dann wird es uns gelingen, trotz aller Umbrüche, die global, international passieren, auch in Europa erfolgreich in die Zukunft zu gehen. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind bereit, das Unsrige für ein star­kes Österreich in einem starken Europa zu tun. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Bundesminister für Finan­zen Blümel. – Bitte.


11.32.01

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Klubobfrau, danke für die Europastunde zum Thema Digitalsteuer, das in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Ich glaube, da sind wir uns prinzipiell sehr, sehr schnell einig; bei einigen anderen Themen, die Sie in Ihrer Rede, auf die ich gerne replizieren möchte, angesprochen haben, haben wir vielleicht gewisse Meinungsverschiedenheiten – aber vielleicht kön­nen wir die aufklären.

Zunächst zur Frage der großen Digitalsteuer. Wir haben gemeinsam mit den Kollegin­nen und Kollegen, die für die Finanzen zuständig sind, Montag und Dienstag in Brüssel auch darüber beraten, zunächst einmal in der Eurogruppe und dann auch im Ecofin. Ich kann Ihnen sagen, der Tenor dort war völlig klar. Alle sind für eine Digitalsteuer, al­le sind dafür, dass auch große internationale Onlinekonzerne dieselben Regeln ein­halten müssen, die auch für den Greißler ums Eck gelten. – Da gebe ich Ihnen völlig recht: Es braucht eine faire Besteuerung für alle Geschäftsmodelle, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe manchmal das Gefühl – nicht beim Steuerthema, aber bei sonstigen The­men –, dass man, wenn man über die Digitalisierung spricht, ein bisschen davon aus­geht und so tut, als ob das zwei verschiedene Welten wären, zwei verschiedene Reali­täten – nur, das ist nicht der Fall! Es gibt nur eine Welt, in der wir leben, und die ist für alle gleich, deswegen muss natürlich auch die Besteuerung der Wertschöpfungsketten bei digitalen Unternehmen die gleiche sein wie die, die für die realen Unternehmen gilt, wenn man so will.

Dennoch zahlen digitale Großunternehmen im Schnitt dreimal weniger Körperschaft­steuer als klassische Unternehmen, sagt die Europäische Kommission. Das ist nicht


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nachvollziehbar, das ist ungerecht, und wir wollen dort auch die Wettbewerbsbedingun­gen gleichmachen und für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Wir haben uns immer für eine Lösung dieser Digitalsteuer auf internationaler Ebene ausgesprochen, auf OECD-Ebene oder zumindest auf europäischer Ebene. Ich habe auch gestern im Ecofin die Unterstützung dafür zum Ausdruck gebracht, dass wir ge­meinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in Europa darauf drängen, dass es auf OECD-Ebene eine wirkungsvolle Digitalbesteuerung gibt. Da gibt es ja gerade Ge­spräche, und ich hoffe, dass es da rasch zu Lösungen kommen wird. Falls dem nicht so ist, wollen wir das auf europäischer Ebene gemeinsam vorantreiben.

Aber nicht einmal damit geben wir Österreicher uns zufrieden, denn wir haben bereits in der letzten Regierung als einer der Vorreiter innerhalb der Europäischen Union eine digitale Steuer beschlossen. Diese ist seit 1.1. in Kraft, Sie wissen das, und wir ge­hören damit zu den wenigen Ländern in Europa, die einen ersten Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit gemacht haben (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer), indem wir eine Abgabe auf Werbung im digitalen Raum und – sehr, sehr wichtig! – eine Mel­depflicht für Onlineplattformen, was die Transaktionen betrifft, eingeführt haben, denn das wäre die Basis für eine mögliche Besteuerung. Große multinationale Onlinekon­zerne müssen also genauso Steuern zahlen wie heimische Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich darüber hinaus kurz auf zwei Themen, die Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) angesprochen haben, replizieren. – Der Grund, warum der Unterschied bei den Arbeitslosenzahlen von Griechenland und Deutschland so groß ist, ist nicht, dass die Griechen zu wenig besteuert haben, sondern der Grund war, dass sie zu viele Schulden gemacht haben. Das sollte auch ein Denkzettel für uns alle sein, nämlich dass wir unseren Haushalt in Ordnung bringen sollten, denn dann passiert uns das nicht, was in Griechenland passiert ist, nämlich dass man nicht mehr Herr über seinen eigenen Haushalt ist, sondern dann kann immer das Parlament entscheiden, wofür laut Budget mehr Geld ausgegeben wird. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Das heißt, Schuldendisziplin ist angesagt, gerade im Hinblick auf die hohen Arbeitslosenquoten, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf zu dem Thema namens Finanztransaktionssteuer, das Sie (in Richtung Abg. Rendi-Wagner) angesprochen haben, kommen. Nun, wir haben im Regierungspro­gramm einen sehr klaren Standpunkt dazu festgeschrieben, nämlich – ich darf ihn zi­tieren –:

„Die Bundesregierung steht zu dem Ziel, hochspekulative Finanzprodukte, vor allem sogenannte Derivate und ,high-frequency trading‘-Aktivitäten“ besser „zu besteuern. Der momentane Vorschlag der FTT-Gruppe wird diesem Anspruch aber nicht gerecht, sondern benachteiligt heimische Unternehmen am internationalen Kapitalmarkt. Öster­reich wird sich auf EU-Ebene für die Umsetzung einer zielgerechten FTT“ – also Fi­nanztransaktionssteuer – „einsetzen.“

Dazu stehe ich, das habe ich auch gestern in Brüssel kundgetan.

Machen wir vielleicht, um die Debatte besser zu verstehen, einen Blick zurück: Was war denn der Ursprung für die Idee einer solchen Finanztransaktionssteuer? – Der ur­sprüngliche Gedanke war, dass wir die Exzesse, die wir im Vorfeld der weltweiten Fi­nanz- und Wirtschaftskrise erlebt haben, eindämmen wollten. Das heißt, verantwor­tungsloses hoch spekulatives Verhalten, Fremdwährungsgeschäfte, bei denen auf den Niedergang ganzer Volkswirtschaften gewettet worden ist, sollte bestraft werden, sollte eingedämmt werden. Die Spekulanten an die Leine zu nehmen und auch die Real­wirtschaft und die Anleger in echte Unternehmen ein bisschen zu bevorzugen und zu unterstützen, das war die Idee. Von diesem Ziel ist aber beim aktuellen Vorschlag nicht mehr viel übrig geblieben.


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Der aktuelle Vorschlag sieht nur mehr vor, dass der Erwerb von Aktien besteuert wird, und das ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man immer erreichen wollte, denn das heißt, dass es bestraft wird, wenn sich Österreicherinnen und Österreicher an österreichischen Unternehmen beteiligen, aber jene Spekulanten, die den Großteil der Derivatgeschäfte, den Hochfrequenzhandel, den Intraday Trade machen, werden außen vor gelassen.

Das heißt, der aktuelle Vorschlag ist genau das Gegenteil von dem, was ursprünglich intendiert war. Es war intendiert, Spekulanten zu bestrafen und die Realwirtschaft zu bevorzugen; dieser Vorschlag macht das Gegenteil: Er bestraft die Realwirtschaft und belohnt quasi die Spekulanten. Deswegen habe ich auch gesagt, wenn sich an diesem Vorschlag nichts ändert, wird Österreich aus dieser Gruppe austreten, weil wir eben für eine breite Besteuerung der Finanztransaktionen sind, für eine Stärkung der Realwirt­schaft und für ein Bestrafen des Spekulantentums. Das haben wir im Regierungspro­gramm verankert und dazu stehen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist auch aus einem weiteren Grund kontraproduktiv, den aktuellen Vorschlag um­setzen zu wollen, denn wenn wir uns ansehen, was das Zinsniveau mit dem Geld der heimischen Sparer macht, dann ist das ein alarmierendes Signal. Die Zinsen werden auf absehbare Zeit wohl niedrig bleiben – und die beliebteste Anlageform für privates Geld in Österreich ist noch immer das Sparbuch. 40 Prozent des privaten Geldvermö­gens liegt auf Sparbüchern, das heißt aber, dass es kontinuierlich weniger wert wird.

Ich habe erst vor Kurzem einen Artikel gelesen, in dem Herr Zadrazil, Vorstand einer großen österreichischen Bank, gemeint hat, das kostet die Sparerinnen und Sparer in Österreich pro Jahr 3 Milliarden Euro. Während es in den Neunzigerjahren noch mög­lich war, dass sich das Sparvermögen bei einer Verzinsung von 6, 7 Prozent im Schnitt alle 12 Jahre verdoppelt hat, braucht man heute 400 Jahre, damit sich das Geld ver­doppelt, und das ist eine schleichende Enteignung der Österreicherinnen und Öster­reicher.

Da müssen wir gegensteuern. Wir haben deswegen auch im Regierungsprogramm verankert, dass wir den Kapitalmarkt, das Anlegen in Aktien, das Aktiensparen, at­traktiver machen wollen, indem wir wieder über eine Behaltefrist diskutieren und damit auch die Kapitalertragsteuer danach abschaffen, damit eben für das Alter angespart und vorgesorgt werden kann. Das ist eine Investition in die Realpolitik, wie wir das in dieser Regierung verstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich orte auch einen gewissen Widerspruch in der Haltung der SPÖ zu diesem Thema, denn mit einiger Verwunderung habe ich gestern die Aussendung gelesen, in der Sie unsere Haltung zur Finanztransaktionssteuer kritisieren – und das, obwohl Herr Krainer im Dezember im Prinzip genau dasselbe gesagt hat, was ich gerade gesagt habe, nämlich dass der aktuelle Vorschlag, so wie er auf dem Tisch liegt, untauglich ist und dass er eigentlich genau das Gegenteil von dem ist, was ursprünglich intendiert war. Dass Sie diese Haltung jetzt geändert haben und irgendwie doch dafür wären, nur die Realwirtschaft zu besteuern und die Spekulanten außen vor zu lassen, muss ich zur Kenntnis nehmen, es ist nur nicht die Haltung dieser Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf hinweisen, dass die Rededauer auch für die Mitglieder des Europäischen Parlaments 5 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.



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11.41.21

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Sozialminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon eigenartig, dass die SPÖ versucht, die Bundesregierung in dieser Frage zu kritisieren. Also die Verzweiflung bei Ihnen muss wirklich schon sehr groß sein. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Selbst in einer solchen Frage schaffen Sie es nicht – wie der Finanzminister schon aufgezeigt hat –, zu einer Linie zu kommen. Der Finanzminister macht jetzt ge­nau das, was die Sozialdemokratie im Dezember – Ihr Finanzsprecher, der sich ja mit der Sache tatsächlich beschäftigt hat – noch gefordert hat, als er gesagt hat, dass die­ses Modell eigentlich am Ziel vorbeigeht. Lesen Sie die Aussendung von Leichtfried von heute, sagt er genau das Gegenteil und fordert, der Finanzminister solle endlich dieses Modell unterstützen. Und jetzt haben wir 10 Minuten lang die Rede der Klubob­frau gehört. Sie hat 10 Minuten lang geredet und nichts Konkretes zur Sache gesagt. (Abg. Haubner: Ja genau!) Wer soll sich da auskennen? Liebe Kolleginnen und Kolle­gen von der SPÖ, so kommen Sie nicht weiter! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haubner: Der Krainer ist eh gegangen!)

Selbst wenn man sich bemüht, zu verstehen, wofür Sie eigentlich stehen, es gelingt beim besten Willen nicht. Gilt das, was Ihr Finanzsprecher gesagt hat, gilt das, was Ihr Allessprecher Leichtfried – er redet ja zu allem – gesagt hat? (Abg. Scherak – erhei­tert –: Ja, weil er so gut ist!) Und Sie, Frau Klubobfrau, haben gar nichts gesagt. Es ist wirklich schwer, wenn ich mich auch noch so sehr bemühe, zu verstehen, was Sie wollen. (Abg. Leichtfried: Also bis jetzt eine wirklich schlechte Rede!) Gott sei Dank hat unsere Bundesregierung eine klare Linie. (Abg. Leichtfried: Das war die schlech­teste ..., und das will was heißen!) – Lieber Kollege Leichtfried, die österreichische Bundesregierung ist hier nicht hintennach, sondern vorne dabei. Es gibt nur fünf Staa­ten innerhalb der Europäischen Union, die das, was man auf nationalstaatlicher Ebene machen kann, ausgeschöpft haben, und das sind Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Österreich.

Jetzt kommen wir zu dem Punkt – wir sind ja in der Europastunde –: Ja, die Europäi­sche Union ist in vielen Bereichen noch nicht dort, was einen Nationalstaat auszeich­net, nämlich: ein einheitliches Steuersystem zu haben. Aber das ist nicht nationalstaat­lich und somit im österreichischen Parlament zu lösen. Wenn Sie das ernsthaft disku­tieren wollen, dann sind auch Sie eingeladen, beim Zukunftskonvent, den die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen am 9. Mai starten wird, mitzuarbeiten. Dort kann man natürlich auch darüber diskutieren, was man im Steuersystem noch verein­heitlichen soll, was bis heute nicht der Fall ist. Dafür kann man aber nicht die öster­reichische Bundesregierung verantwortlich machen, dass eben Europa noch nicht so weit ist, diese Steuerungleichheiten einzudämmen.

Wir haben schon ein klares Wahlprogramm vorgelegt, aber es verlangt niemand von der Sozialdemokratie, unser Wahlprogramm zu lesen. (Abg. Scherak: Das ist auch nicht so spannend!) Was Sie aber schon machen sollten, ist, das Regierungsprogramm zu lesen. Dort ist ganz klar festgehalten, dass wir als neue Bundesregierung gegen diese Spekulanten vorgehen wollen. Das ist klar festgehalten.

Wir haben auch festgehalten, dass wir uns auf europäischer Ebene weiter für die Ein­führung der Digitalsteuer für internationale Großkonzerne einsetzen; auf europäischer Ebene, da können wir direkt Einfluss nehmen. Viel wichtiger wäre aber natürlich, eine weltweite Sicht zu haben. Sie wissen, woran wir das letzte Mal gescheitert sind. – Es war unser letzter Finanzminister, der sich während der Ratspräsidentschaft für die Digi­talsteuer sehr starkgemacht hat. Es war Ihr sozialdemokratischer Kollege, der deut­sche Finanzminister, der das keinesfalls wollte. Warum? Da Deutschland als export­orientierte Nation, für die der US-Markt ganz wichtig ist, starke Befürchtungen hatte, dass eine entsprechende Reaktion von US-Amerika kommt.


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Wenn wir eine echte Lösung wollen, dann ist eine europäische Lösung zu wenig. Wir bräuchten eine weltweite Lösung, aber wie es gelingen soll, US-Amerika auf unsere Seite zu bekommen, das weiß ich bei der momentanen Administration nicht. Das, mei­ne Damen und Herren, wäre aber, wenn wir ehrlich an das Thema herangehen, der einzig richtige Weg: eine weltweite Lösung zu schaffen.

Für uns bedeutet Steuergerechtigkeit auch – und das möchte ich hier auch sehr deut­lich sagen und das hat die Regierung Kurz II auch ganz klar in ihrem Programm –, dass Österreich – als Hochsteuerland – auch im Land etwas tut.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Daher werden wir die Einkom­mensteuertarife von derzeit 25, 35 und 42 Prozent auf 20, 30 und 40 Prozent senken und auch für die Familien etwas tun. Das ist der Weg dieser Bundesregierung: in Ös­terreich steuerlich entlasten, in Europa dafür kämpfen, dass auch die Großkonzerne ih­ren Beitrag zu leisten haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klub­obmann Leichtfried. – Bitte.


11.47.04

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Die Europäische Union steht – ja – vor großen Herausforderungen. Man kann diese großen Herausforderungen im Großen skizzieren, indem man sagt: Ja, wir müssen die Klimakrise bekämpfen, wir müssen die Frage der sozialen Gerechtigkeit endlich intensiver angehen. Verteilungsgerechtigkeit, Gewinnbesteuerung (Abg. Haubner: ... zahlen eh schon so viele Steuern!), das alles sind Schlagworte, die zählen, die wichtig sind, aber man muss auch hinterfragen, wie sich das auswirkt.

Für mich waren es zwei Begegnungen, die für meine Haltung in vielen Fragen we­sentlich waren. Ich habe vor Kurzem mit einem Bauarbeiter aus der Südsteiermark ge­sprochen. Er sagte, er halte das nicht mehr aus. Die Firmen, wo er arbeitet, seien so unter Druck und sie seien deshalb so unter Druck, weil Firmen insbesondere aus Slo­wenien Lohndumping, Sozialdumping betreiben. Diese werden zwar schon verfolgt, verschwinden dann aber und tauchen als neue Firmen wieder auf, und man kann nichts dagegen tun. (Abg. Hörl: Das Gesetz habt ihr gemacht!) Deshalb findet dieser Bauarbeiter, die Europäische Union arbeitet nicht so, wie sie soll. Er hat das ein biss­chen unhöflicher gesagt, ich sage es jetzt übersetzt.

Die zweite Begegnung war mit einer jungen Frau – es ist schon länger her –, die mir erzählt hat, sie habe Architektur und Psychologie studiert, fertig studiert; in dieser Kom­bination deshalb, weil sie gemeint hat, Architekten könnten zwar schön bauen, verstün­den aber nicht viel von Menschen, weshalb sich Menschen in diesen Häusern nicht wohlfühlten; deshalb habe sie auch Psychologie studiert. Diese Frau hat über 200 Be­werbungsschreiben abgeschickt und keine einzige Antwort bekommen. – Das ist die Europäische Union, und dagegen ist aufzutreten, geschätzte Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Menschen in diesem Europa nicht so ver­loren und nicht so hoffnungslos sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um ein paar Dinge: um den Steuerwettlauf nach unten, um die Mindestkör­perschaftsteuer, die anzugehen endlich einmal an der Zeit wäre, um gemeinsame Steuerbemessungsgrundlagen. Ja, es geht um die Finanztransaktionssteuer, und da fangen Herr Lopatka und auch der Herr Finanzminister an, zu fabulieren, warum man bei den jetzigen Modellen nicht mittun will. Daher stelle ich einmal die Frage: Warum ist das jetzige Modell so schlecht, wie es ist? (Zwischenruf des Abg. Lopatka.) – Weil


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konservative Mehrheiten auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene diese Finanz­transaktionssteuer ruiniert und das ursprüngliche Modell zerstört haben. Das ist der Grund, warum wir jetzt vor diesem Modell stehen, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zu sagen: Ich stehe auf und gehe!, ist der letzte Schritt dieser Vernichtung. Nein, nicht aufzustehen und zu gehen, sondern dafür zu sorgen, dass es wieder besser wird, das wäre die Verantwortung eines österreichischen Finanzministers, geschätzte Da­men und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um viel mehr europäische Steuergerechtigkeit. Wie können Sie es hinnehmen, frage ich Sie, ohne ein Wort dazu zu sagen, dass jedes Jahr 1 000 Milliarden Euro an Steuergeldern in Europa verschwinden? Was hört man da von Herrn Lopatka? Was hört man da von Herrn Blümel? – Nichts hört man dazu, weil es ihnen wurscht ist – oder sogar recht ist. Das sind Dinge, die geändert werden müssen. (Abg. Haubner: Sie werden es nicht ändern!) Es geht um Steuergerechtigkeit, es geht aber auch um Verteilungsgerechtigkeit. Und wenn man weiß, dass das reichste 1 Prozent der Men­schen auf dieser Welt dasselbe Vermögen wie 6,9 Milliarden Menschen hat, wenn man weiß, dass die Hälfte der Bevölkerung nur 4 Prozent besitzt, dann weiß man, dass da auch etwas schiefläuft.

Wir brauchen, geschätzte Damen und Herren, endlich eine Europapolitik, die sich um die Ängste der Menschen und nicht um die Ängste der Großbanken und Großkonzerne kümmert. (Abg. Haubner: Darum sind wir so erfolgreich!) Das ist das Europa, das wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als die Zukunft für dieses Europa sehen, und nicht dieses Europa, das konservative Mehrheiten bis jetzt ruiniert haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete des Eu­ropäischen Parlaments Mayer. – Bitte.


11.51.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Ich freue mich, dass ich wieder einmal hier bei euch im Nationalrat im Hohen Haus sein darf, und freue mich auch über diese Debatte, die von den Sozialisten heute aus­gerufen wurde.

Eines aber sei euch einmal, liebe Sozialisten, mitgegeben (Abg. Leichtfried: Und Ihnen! ...!): Umsatz ist nicht gleich Gewinn, lieber Jörg, Umsatz ist nicht gleich Gewinn! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Drozda und Hammerschmid.) Das habt ihr vielleicht schon in euren Gründungssatzungen so drinnen stehen, aber vielleicht sollte man sich das einmal überlegen.

Was ich bis jetzt hier an Wortmeldungen gehört habe, war eine ziemliche Themenver­fehlung. Ich würde also, wenn ich ein Lehrer wäre, was ich Gott sei Dank nicht bin, sa­gen: Nicht genügend, setzen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Hörl: Bravo!)

Geschätztes Hohes Haus! Worum geht es aber tatsächlich? Die letzte Regierung hat – und diese Steuer ist ja mit 1.1.2020 in Kraft getreten – eine Digitalsteuer in Österreich eingeführt. Die Problematik ist natürlich, dass das in Österreich zwar Geltung hat, aber dass eine solche Digitalsteuer nur Sinn macht, wenn sie auch international verzahnt wird. Ich denke – und das ist, glaube ich, ein bisschen auch der Grund, warum diese Debatte ein wenig schleift –, niemand in diesem Haus und niemand in ganz Europa be­streitet, dass diese Internetgiganten ihren Gewinn, den sie in Europa machen, auch dort versteuern sollen, wo sie diesen Gewinn machen. Ich glaube, das können wir au­ßer Streit stellen, geschätzte Kollegen. Das scheitert aber bisher – und das wissen wir und dafür gibt es auch viele Beispiele – an einzelnen Mitgliedstaaten. Die Iren haben


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natürlich wenig Interesse daran, dass sie die großen Unternehmen, die bei ihnen mit geringer Versteuerung ihren Hauptsitz haben, aus dem Land vertreiben.

Man muss auch feststellen – und das sollte man auch festhalten –, dass man in dieser Steuerdebatte auch nicht überschießend sein darf, denn das schwächt am Ende des Tages den Wirtschaftsstandort Europa.

Was erleben wir? – Wir erleben ja jetzt schon, dass die Chinesen und die Amerikaner in Europa aktiv werden, dass die Chinesen vor allem sehr viel in Afrika aktiv werden und dass natürlich der Wirtschaftsstandort Europa in dringender Gefahr ist.

Warum ist das so? – Der Standort ist zum Beispiel deshalb in großer Gefahr, weil von Medien begleitet und mit den Grünen als Speerspitze die Klimahysterie ausgerufen wird. Wir haben ja vor Weihnachten im Europäischen Parlament den Klimanotstand in Europa ausgerufen. Das muss man sich auch einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben also jetzt in Europa Klimanotstand. Und was passiert da? Was prognosti­zieren etwa Wirtschaftsfachleute, die nicht europäischer, sondern asiatischer Herkunft sind? – Die prognostizieren für Europa, dass Europas Wirtschaft und Europa in 20 bis 30 Jahren zu einem Tourismuseldorado, zu einer historischen Kulisse für Chinesen und Amerikaner werden, weil es einfach keine vernünftige Wirtschaft mehr geben wird, weil wir mit völlig überzogenem, vermeintlichem Klimaschutz die Wirtschaft in Europa zu Tode regulieren werden. Das, geschätzte Kollegen, ist eine scheinheilige Politik der Sonderklasse, die von den Grünen an der Spitze, wie gesagt, mit medialer Begleitung ausgeführt wird.

Wie sieht denn tatsächlich die Klimapolitik der Grünen aus? – Die sieht nämlich so aus, dass man sich am Sonntag in Wien in einen Zug setzt, bis Montag 20 Stunden nach Brüssel fährt, sich am Dienstag wieder in den Flieger setzt, um hier in Wien im Na­tionalrat zu reden, und am Mittwoch geht es mit dem Flieger wieder zurück nach Brüs­sel. Das ist also grüne Klimapolitik realiter, geschätzte Kollegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Pharisäertum der linken Klimaschickeria halte ich für schädlich, halte ich für wirtschaftsschädlich für Europa, und es gefährdet den Wettbewerb in Europa. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf auf der Galerie recht herzlich die Schüle­rinnen und Schüler des BRG Wieselburg begrüßen. – Recht herzlich willkommen! (All­gemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Monika Vana. – Bitte.


11.57.04

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich bin es aus dem Wiener Landtag noch ge­wöhnt – ich habe jahrelang direkt nach Abgeordneten der FPÖ geredet –, und es ist immer wieder eine Herausforderung, auf die sachliche Ebene zurückzukommen. Herr Kollege aus dem Europaparlament, wenn Sie von Klimahysterie reden, haben Sie die Herausforderungen der Zeit nicht verstanden. Ich glaube, Sie sind es, der heute eine Themenverfehlung begangen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abg. Belakowitsch und Kassegger.)

Ich möchte aber vielmehr meiner Freude Ausdruck verleihen, auch als Europaparla­mentarierin hier im Nationalrat sprechen zu können. (Zwischenruf des Abg. Hafen­ecker. – Ruf bei der FPÖ: Wie sind Sie aus Brüssel gekommen eigentlich?) Ich denke, der Dialog zwischen EU-Ebene und nationalen Parlamenten, aber auch Landtagen, wo


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wir ja auch das Rederecht eingeführt haben, ist kaum zu überschätzen und ein Beitrag zur europäischen Demokratie. Ich denke, die Entwicklung der europäischen Demokra­tie ist neben der Klimakrise und neben der sozialen Frage und dem sozialen Zusam­menhalt wohl eine der wichtigsten Aufgaben für uns Abgeordnete – und das auch grenzüberschreitend.

Zum Thema der heutigen Europastunde, zur Onlinekonzernbesteuerung: Das ist für uns Europaabgeordnete natürlich auch ein aktuelles, wie schon angesprochen wurde, aber auch kein neues Thema. Wir im Europaparlament, und da darf ich für die meisten meiner KollegInnen reden, setzen uns seit Jahren für Steuergerechtigkeit ein (Abg. Be­lakowitsch: Und was ist bis jetzt herausgekommen?), für eine Digitalsteuer, aber na­türlich auch, weil es heute auch angesprochen wurde, für eine Finanztransaktions­steuer (Abg. Kickl: Offenbar sehr effizient!), aber für eine Finanztransaktionssteuer, die kein Etikettenschwindel ist, sondern die ihren Namen auch verdient und wirklich die Verursacher und Verursacherinnen – wobei man sich da das „innen“ fast sparen kann, es sind hauptsächlich Männer – auch zur Kasse bittet.

Gestern war Finanzministerrat, erneut auch zum Thema Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer und erneut ohne Ergebnis. Und warum? Warum haben wir seit Jahren keine Ergebnisse bei der Steuergerechtigkeit in Europa? Einerseits wegen des man­gelnden politischen Willens insbesondere der Konservativen und der Rechten, aber vor allem auch wegen eines Konstruktionsfehlers in den europäischen Verträgen – ich nenne es so –, und das ist das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat bei Steuerfragen. (Beifall bei den Grünen.) Ich denke, dieses Einstimmigkeitsprinzip beschert uns in vielen, vielen Fragen, die für Europa sehr wichtig wären, zum Beispiel auch in der So­zialpolitik, ein Begräbnis erster Klasse bei sehr wichtigen Vorhaben. Deshalb ist es na­türlich begrüßenswert, um hier auch Kritik gleich vorwegzunehmen, dass es nationale Vorstöße in diesen Fragen gibt, zum Beispiel die Digitalbesteuerung in Österreich.

Wir haben uns auch im Koalitionsübereinkommen – darüber freue ich mich ja sehr – für die Zukunft Europas darauf geeinigt, die Einstimmigkeit beziehungsweise die Mehr­stimmigkeit in weiteren Bereichen voranzutreiben. Ich als Grüne finde, dass die Steu­erfrage neben der sozialen Frage eine dringende wäre, und es wäre dringend, dort auch zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen.

Als Europaparlamentarierin ist es für mich klar: Die EU muss entschlossen und rasch bei der Frage der Steuergerechtigkeit, bei der Frage der Digitalsteuer handeln. Für uns Grüne ist auch klar, dass die Rechnung nicht weiter die europäischen BürgerInnen oder auch die Klein- und Mittelbetriebe zahlen dürfen, denen hier in Europa Milliar­den – Milliarden! – durch fehlende Besteuerung von Unternehmen, durch Steuerbetrug, durch Steuerhinterziehung, durch Steuervermeidung entgehen. Wir Grüne setzen uns im Europaparlament diesbezüglich seit Jahren massiv für eine Korrektur ein.

Fairness im Binnenmarkt erfordert, dass alle gerechte Steuern zahlen. Es ist Aufgabe der Politik und damit von uns Abgeordneten, Steuergerechtigkeit herzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Das Koalitionsübereinkommen ist da ganz klar, ich darf es zitieren: Die „Einführung ei­ner Digitalsteuer für [...] Großkonzerne auf internationaler oder europäischer Ebene“ und konsequentes Vorgehen „gegen internationale Steuerverschiebungen [...] und Steuervermeidung“ ist ein Kernstück der Arbeit dieser Bundesregierung.

Was also ist – und zwar dringend – zu tun? Ich sage es Ihnen ehrlich, ich liebe den Lissabon-Vertrag, weil er für alles, was man machen will, eigentlich wirklich eine Rechtsgrundlage schafft – es gibt kaum eine Ausnahme –, man muss sie nur suchen, und wir haben sie gefunden. Man kann das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat natürlich auch umgehen. Laut Artikel 116 ist Mehrstimmigkeit auch in Steuerfragen


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dann möglich, wenn der Binnenmarkt verzerrt wird und andere Maßnahmen geschei­tert sind. Ich denke, an dieser Stelle befinden wir uns, das heißt, die Kommission ist da aufgefordert, möglichst rasch einen neuen Vorschlag zu bringen, um eine Digitalsteuer umzusetzen.

Weiters brauchen wir in Europa selbstverständlich eine gemeinsame Unternehmensbe­steuerung, zum Beispiel bei der Körperschaftsbemessungssteuer, wir brauchen Steu­ertransparenz multinationaler Unternehmen und zero tolerance im Vorgehen gegen Steuersümpfe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!


Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (fortsetzend): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich auf eine Zusammenarbeit auch in den nächsten Jahren mit Ihnen, zum Beispiel in der „Zukunft Europas“, wo wir gemeinsam für diese Fragen kämpfen, für Österreich und für ein starkes Europa. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte. (Abg. Hörl: Jetzt bin ich gespannt! – Abg. Schellhorn – auf dem Weg zum Rednerpult –: Du kannst ruhig gespannt sein!)


12.01.39

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Geschätzte Minister auf der Regierungsbank! Lassen Sie mich eine Replik auf die Parteiobfrau der SPÖ machen, die nämlich angekreidet hat, dass eine Druckerei in Ungarn nur 9 Prozent Körperschaftsteuer zahlt und man in Österreich jetzt noch 25 Pro­zent zahlen muss: Das wäre so unsozial, weil mehr Steuern bedeuten, dass man so­zialer ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt frage ich Sie, liebe SPÖ: Was hat der hohe Steuersatz bewirkt? Wir haben kein funktionierendes Gesundheitssystem, wir haben kein funktionierendes Pensionssystem und wir haben überhaupt eine überteuerte Verwaltung. Wir zahlen sehr viele Steuern und leben in einem Hochsteuerland – also so gesehen ist da gar nichts passiert, da können Sie mir kommen, wie Sie wollen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich möchte an dieser Stelle Qualtinger zitieren, der sagt: „Wenn keiner weiß, was ge­schehen soll, sagen alle, es muss etwas geschehen.“ (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das eine, was aber auf europäischer Ebene mit der Digitalsteuer bewirkt werden soll, ist, dass alle gleichgeschaltet werden sollen. Die SPÖ polemisiert immer wieder, indem sie sagt: Wir müssen die Steueroasen schließen!, aber wir leben in Österreich eigent­lich in einer Steuerwüste, in der die Klein- und Mittelbetriebe vor lauter Bürokratie und Steuern im Treibsand untergehen. Das ist Fakt. (Beifall der Abg. Krisper.)

Lassen Sie mich jetzt zu dem, was vor der Wahl mit dieser Digitalsteuer beschlossen wurde – wir sind dem auch vor der Wahl sehr kritisch gegenübergestanden, weil wir gewusst haben, was dabei herauskommt –, etwas sagen: Diese Bagatellsteuer bringt dem Herrn Finanzminister satte 25 Millionen Euro. – Allerweil! Mit 25 Millionen können Sie aber keine Steuerentlastung herbeiführen, und es hilft nichts, weil diese 25 Mil­lionen an die Kunden weitergegeben und an die Kunden weiterverrechnet werden, und das ist das, wovor wir schon lange gewarnt haben.

Wir sagen nicht, dass wir dagegen sind. Wir haben immer gesagt, dass wir für ein fai­res System sind, und dieses faire System muss auch umgesetzt werden. Um es ganz klar zu sagen: Wir sind für eine faire Besteuerung von Onlineunternehmen. Wir sind aber auch der Meinung, dass es da auf europäischer Ebene ein Level Playing Field ge­ben muss, das umgesetzt werden muss, und eine faire Besteuerung von Internetkon-


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zernen mit ausreichendem Datenschutz für die Konsumenten. Der ist nämlich auch nicht gegeben, und davor hat auch Niki Scherak gewarnt. Dazu habe ich von Frau Rendi-Wagner nichts gehört. Ich habe auch von Herrn Leichtfried nichts gehört, was den Konsumentenschutz und den Datenschutz für die Konsumenten betrifft.

Ein wichtiger Schritt wäre eine gemeinsame Bemessungsgrundlage, zum Beispiel auch bei der Körperschaftsteuer, sowie die Einführung einer digitalen Betriebsstätte. Das sind unsere Positionen, aber generell ist das auf europäischer Ebene zu lösen.

Noch einmal: Ihr konzentriert euch auf die Steueroasen, und wir leben in einer Steu­erwüste, und dann wird von großer Entlastung gesprochen. Seit 2003 stellt die ÖVP den Finanzminister und verspricht uns immer wieder große Entlastung. – Na wo war sie bis jetzt? Wo war die Entlastung? Wir Klein- und Mittelbetriebe, wir KMUs gehen in dem Hochsteuerland Österreich unter. Wir Klein- und Mittelbetriebe gehen auch des­wegen unter – ich gebe Ihnen ein Beispiel –, weil sich seit 1990 die Körperschaftsteuer von einer Milliarde auf 9 Milliarden Euro erhöht hat. In den letzten zwei Jahren hat der Finanzminister alleine aus der Körperschaftsteuer 2 Milliarden Euro eingenommen, und ich denke, das ist viel zu viel, da muss eine Entlastung her, aber das kann nicht der einzige Punkt sein, bei dem eine Entlastung hermuss. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Aber es gibt ja hier diese Sesselkreiscombo (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz), diese Sesselkreiscombo, die alles, auch die kalte Progression, evaluieren muss. (Bei­fall bei den NEOS.) Das finde ich ja das Enttäuschende, Herr Finanzminister, dass da der Mut fehlt, Einsparungen vorzunehmen, Reformen anzugehen, was den Föderalis­mus und Förderalismus betrifft, damit wir die kalte Progression heute und nicht erst morgen abschaffen können. Das ist das Enttäuschende, und da brauchen wir nicht von europäischen Ebenen zu reden, sondern da reden wir alleine von Österreich.

Es ist enttäuschend, dass heutzutage Frau Rendi-Wagner sagt: Höhere Steuern sor­gen für mehr soziale Gerechtigkeit!, und eine mir sehr nahe stehende Person muss drei Monate für einen Termin beim Hautarzt warten – oder sie kann morgen zu einem Hautarzt gehen, wenn sie 200 Euro hinlegt. Warum zahlt sie eigentlich Sozialversiche­rung, warum zahlt sie eigentlich Krankenversicherung, wenn dieses System so kaputt ist? Das ist der Punkt, um den wir uns kümmern müssen: dass allen, die Steuern zah­len, auch ein gerechtes, schnell verfügbares Gesundheitssystem zugutekommt. (Beifall bei den NEOS. – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Sie sprechen davon, dass die Pensionen sicher sind, aber die nächste Generation – die von Yannick Shetty, der da oben sitzt – weiß genau, dass sie keine Pension mehr bekommt, weil Sie alles verbockt haben! Da ist die SPÖ genauso schuld wie die ÖVP. Das sind die Punkte, um die wir uns kümmern müssen.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kommen!


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Um die müssen wir uns kümmern, mit Mut, mit Ideen, ohne Sesselkreise, sondern mit Entscheidungen! Die Sesselkreiscom­bo hat ausgedient. (Beifall bei den NEOS – Abg. Michael Hammer: Er hat eh die SPÖ gemeint!)

12.07


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete zum Europäischen Parlament Angelika Winzig zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.07.34

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Protecting the European way of life“ ist das neue Motto, das Arbeitsmotto der Europäischen Kommission, und dazu zählt natürlich auch, dass wir faire Wettbewerbsbedingungen für alle europäischen Un­ternehmen vorfinden.


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Ich bin auch froh, dass dieses Thema heute gewählt wurde, denn es kann nicht sein, dass wir KMUs mit 25 Prozent Körperschaftsteuer – es werden ja hoffentlich bald 21 Prozent sein – belasten, während internationale Onlinekonzerne ihre Gewinne in Niedrigsteuerländern bis maximal 9 Prozent versteuern können.

Auch dank unserer Ratspräsidentschaft ist in dieses Thema überhaupt – zunächst auf österreichischer Ebene mit der Digitalsteuer, aber auch auf europäischer Ebene und auf OECD-Ebene – Bewegung gekommen. Auf Letzterer sollte ja bis Ende 2020, also Ende dieses Jahres, eine Einigung erzielt werden, denn in Wahrheit macht nur eine in­ternationale Digitalsteuer Sinn. Alles andere würde den Binnenmarkt noch mehr frag­mentieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch: Die Digitalsteuer, eine digitale Betriebsstätte werden diskutiert, die einheitliche Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuern, aber auch einheitliche Doppelbesteuerungsabkommen sind in Diskussion. Was mir vor al­lem wichtig ist – und das hat auch Herr Schellhorn, glaube ich, schon angeschnitten –, das ist, dass bei der Umsetzung keine neuen Bürokratiemonster geschaffen werden.

Zurzeit stehen zwei Säulen im Mittelpunkt, einerseits die Zuordnung der Gewinne und andererseits die Mindestbesteuerung. Grundsätzlich muss man einmal zwischen Um­satzbesteuerung und Gewinnbesteuerung unterscheiden, und ich bin auch froh, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt wurde, dass jetzt ab dem ersten Cent die Ein­fuhrumsatzsteuer eingehoben wird und dass das auch in Österreich ab 1.1.2021 pas­siert.

Sie wissen ja, wir haben auf europäischer Ebene ein Mehrwertsteuerproblem, nämlich dass uns durch Betrug bis zu 137 Milliarden Mehrwertsteuer verloren gehen, und die­ses Geld könnten wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sehr gut gebrauchen.

Wer wird das bezahlen? Herr Kollege Krainer hat das schon in einer Presseaussen­dung dokumentiert: Natürlich wird die Digitalsteuer der Konsument bezahlen. Auch wenn ich kein großer Fan von Steuererhöhungen oder neuen Steuern bin, halte ich es für wichtig im Sinne der Gerechtigkeit für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer und auch für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir werden uns dann auch die Preiselastizität der Nachfrage – ob sie hoch oder niedrig ist und ob die BürgerInnen wieder mehr zur Regionalität zurückgehen – anschauen.

Ich glaube, dass man das Rad nicht mehr zurückdrehen kann, weil der Internetkauf doch sehr viel Nutzen für unsere Bürgerinnen und Bürger bringt. Stichwort Nutzen: Was Nutzen bringt, das bleibt bestehen, und darum müssen wir eben auch mit Verän­derungen rechnen. Das Aussterben der Ortskerne und die Abwanderung in die Städte mit all den bekannten Folgen bedeutet, dass wir zusätzliche Steuereinnahmen brau­chen, um den ländlichen Raum weiterhin zu beleben.

Daher darf ich an Sie appellieren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns gemeinsam für Steuergerechtigkeit für unsere europäischen Betriebe einsetzen, wie es sowohl im Regierungsprogramm festgehalten ist, aber auch in der Agenda unserer Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das sichert die internationale Wettbe­werbsfähigkeit von und somit auch die Beschäftigung in Europa. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun das Mitglied des Europäischen Parlaments Andreas Schieder. – Bitte.


12.12.01

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst in den letzten Tagen ist eine aktuelle


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 58

Studie von Oxfam betreffend die Schieflage der weltweiten Vermögensverteilung veröf­fentlicht worden. Dieser Spalt zwischen Arm und Reich ist global auseinandergegan­gen, aber das ist natürlich auch ein Phänomen, das auf Europa sehr, sehr stark zutrifft und immer stärker sichtbar wird.

Einer der Gründe dafür ist auch, dass es im Steuerbereich nicht und nicht gelingt, die, die große Einkommen haben, und die, die große Vermögen haben, zu verpflichten. Es gelingt auch nicht, die, die sich an den Regeln des Steuersystems vorbeischummeln und Steuern über Schlupflöcher und dergleichen nicht zahlen – manchmal hinterzie­hen, manchmal legal nicht zahlen –, zur Verantwortung zu ziehen. Die Konzepte dafür gibt es, die aufbereiteten Daten ja auch.

Pamela Rendi-Wagner hat ja auch schon die internationale Kaffeehauskette erwähnt, bei der ein Super-Latte-Frappuccino 5,85 Euro kostet, die 18 Millionen Euro Umsatz macht, aber im Jahr 2018 bei 18 Millionen Euro Umsatz nur 1 144,50 Euro Körper­schaftsteuer gezahlt hat. Auf der anderen Seite, im tiefsten Floridsdorf draußen, wun­derschön in einer Kleingartensiedlung gelegen, zahlt das Wirtshaus Frohes Schaffen, das ein Schnitzel mit Salat und Beilage um 8,90 Euro anbietet, ein Vielfaches an Körperschaftsteuer, nämlich 4 500 Euro. Der globale Konzern zahlt nicht einmal ein Drittel von dem, was das Wirtshaus zahlt!

Da sind natürlich die Leute, auch die Wirtschaftstreibenden, die eigentlich geglaubt ha­ben, die ÖVP sei ihr Vertreter, verzweifelt, weil sie sagen: Bin ich der Depperte, der brav Steuern zahlt, während es sich andere richten? Man muss sich fragen, warum das so ist. Dann kommt man drauf, dass es die Ideen, wie man diese Steuerhinterziehung bekämpft, gibt, aber wenn sich die europäischen Finanzminister treffen, macht der ÖVP-Finanzminister, der hinfährt, nicht mit, sondern er blockiert. Das war in der Ver­gangenheit so und das ist heute – wenn man gehört hat, was Kollege Blümel geredet hat – wieder so. (Abg. Hanger: Das stimmt ja nicht!) Das Country-by-country-Re­porting, das einzelne Staaten veröffentlichen, wird von Österreich blockiert.

Jetzt geht man sogar so weit, dass man, laut Regierungsprogramm von Schwarz und Grün, die Körperschaftsteuer, ein super Steuergeschenk für Großunternehmen (Zwi­schenruf des Abg. Deimek), von 25 auf 21 Prozent senkt – das ist ein Steuerzuckerl in der Höhe von mindestens 1,6 Milliarden Euro. (Abg. Hörl: Gott sei Dank!) Der Ge­winnfreibetrag ohne Investitionserfordernis wird auf 100 000 Euro angehoben. Es war sogar kurz angedacht, den Spitzensteuersatz zu senken, dann hat man kalte Füße be­kommen und ist von dem Projekt wieder abgerückt. Die Spekulationssteuer, mit der man 300 Millionen Euro Einnahmen lukriert hat, wird gestrichen.

Auf der anderen Seite wird gleichzeitig die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene abgesagt. Das ist eine Umverteilungspolitik – die hier in Öster­reich genauso wie in Europa gemacht wird –, bei der die Kleinen draufzahlen und die Großen noch einmal ein bisschen mehr bekommen. Das ist unerhört und das muss ein Ende haben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja noch ein Stück ungerechter, wenn man sich anschaut, dass den Reichen ge­geben wird und gleichzeitig bei den Armen ordentlich draufgestiegen wird. Man entwi­ckelt Konzepte, wie man die Arbeitslosen ein Stück weiter karniefeln kann, und das heißt dann Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Das heißt natürlich, dass mehr Druck gemacht wird, dass die Leute, die es eh schon schwer am Arbeitsmarkt haben, noch mehr unter Druck gesetzt werden, während die, die eigentlich ein biss­chen mehr an solidarischem Beitrag zur Gesellschaft leisten sollten, von dieser Regie­rung wieder einmal – wie es dann heißt – entlastet werden. Das ist aber in Wahrheit keine Entlastung der Gesellschaft, sondern das ist ein Riesensteuerloch, das für die Großen geschaffen wird, und die Kleinen zahlen drauf. Das, sehr geehrte Damen und Herren, muss ein Ende haben, hier in Österreich und in Europa. (Beifall bei der SPÖ.)

12.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 59

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hubert Fuchs. – Bitte.


12.16.45

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminis­ter! Hohes Haus! Das Thema der Aktuellen Europastunde ist viel zu eng gefasst: Nicht nur Onlinegiganten sollen endlich gerecht besteuert werden, sondern alle multinationa­len Großkonzerne – egal, ob diese im Onlinebereich tätig sind oder nicht – sollen ge­recht besteuert werden. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es sollte auch ein weltweit anerkannter und auch umgesetzter Besteuerungsgrundsatz sein, dass Unternehmensgewinne dort besteuert werden müssen, wo diese entstehen, und nicht dort, wo der Steuersatz niedrig ist. Dazu braucht es aber insbesondere die Einführung der sogenannten digitalen Betriebsstätte als steuerlichen Anknüpfungs­punkt. Es macht jedoch keinen Sinn, eine digitale Betriebsstätte lediglich auf nationaler Ebene einzuführen, sondern das muss mindestens EU-weit, wenn nicht OECD-weit passieren.

Solange dies nicht geschieht, muss man eben an nationalen beziehungsweise EU-wei­ten Zwischenlösungen basteln, wie die Digitalsteuer, die wir gemeinsam mit der ÖVP eingeführt haben. Mir ist vollkommen bewusst, dass die Digitalsteuer die Besteue­rungsproblematik betreffend multinationale Großkonzerne nicht löst, aber die Digital­steuer leistet einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Steuergerechtigkeit. Ich kann Ihnen versichern, ich würde lieber heute als morgen eine digitale Betriebsstätte, und zwar weltweit, beschließen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Erhöhung der Steuertransparenz wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Steu­ergerechtigkeit. Die Einführung des Verrechnungspreisdokumentationsgesetzes, wel­ches unter anderem eine länderbezogene Berichtspflicht, das sogenannte Country-by-country-Reporting, vorsieht, war ein Schritt in die richtige Richtung. Ein wichtiger Kritik­punkt des Verrechnungspreisdokumentationsgesetzes ist aber die noch immer unzurei­chende öffentliche Publizitätsverpflichtung der länderbezogenen Berichterstattung. Die Unternehmensdaten von multinationalen Großkonzernen sollten nicht nur den Steuer­behörden zugänglich gemacht werden, sondern auch der breiten Öffentlichkeit. Dies würde das Vertrauen der Arbeitnehmer, aber auch der Klein- und Mittelbetriebe in das nationale Steuersystem stärken.

Jeder Staatsbürger sollte sehen können, wo multinationale Großkonzerne ihre Steuern zahlen und auch wie viel sie zahlen. Ich habe vollstes Vertrauen in die österreichische Finanzverwaltung, die hervorragende Arbeit leistet, aber manchmal benötigt es den öffentlichen Druck auf die Großkonzerne, damit die Gewinne dort versteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden, und nicht dort, wo der Steuersatz niedrig ist. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Frau Abgeordnete Vana, Sie sollten sich nicht so sehr mit dem Vertrag von Lissabon beschäftigen und sich Gedanken darüber machen, wie Sie die Souveränität der Re­publik Österreich in Steuerfragen demontieren können, sondern Sie sollten einmal Ihr eigenes Regierungsprogramm lesen. Wenn man nämlich das türkis-grüne mit dem tür­kis-blauen Regierungsprogramm vergleicht, dann fällt einem einiges auf: Das türkis-blaue Regierungsprogramm sah auf Seite 131 noch vor: „Mehr (Steuer‑)Transparenz für multinationale Unternehmen auf Basis der EU-Vorgaben“. – Sie schwärmen von Transparenz, und in Wirklichkeit haben Sie sich mit Regierungseintritt von der Trans­parenz verabschiedet. Das finde ich sehr schade. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Übrigen muss auch dem Steuerwettbewerb in der EU, der die Körperschaftsteuer­sätze immer nach unten drückt, Einhalt geboten werden, und da braucht es einen EU-weiten Mindestkörperschaftsteuersatz. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

12.21



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 60

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


12.21.16

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die SPÖ hat jetzt sehr viel Richti­ges über Steuergerechtigkeit in Europa gesagt; Kollegin Rendi-Wagner und Kollege Jörg Leichtfried haben einige inhaltlich sehr gute Dinge gesagt. Darf ich beide Kollegen fragen: Wisst ihr noch, was ihr am 11. Oktober 2017 gemacht habt? – Wahrscheinlich nicht, ich werde es euch gleich sagen.

Steuergerechtigkeit muss man als europäisches Thema angehen, und da müssen die 28 – bald nur mehr 27 – Länder leider zusammenhalten. Ich rege mich nicht über die Konzerne auf, die keine Steuern zahlen wollen, ich ärgere mich über Irland, das mit seiner Steuergesetzgebung alle anderen EU-Länder so unterläuft, dass die US-Kon­zerne dort hingehen, dort ihre Zentrale hinsetzen und dann schlicht und einfach in der gesamten EU agieren können, ohne Steuern zu zahlen.

Was sollen die Konzerne sonst machen? Sie werden doch nicht freiwillig herkommen und das Zehnfache, Fünfzehnfache, Hundertfache zahlen! Sie machen einfach, was ih­nen möglich ist (Zwischenruf des Abg. Loacker); und Irland, auch die Niederlande, auch Belgien unterlaufen eine faire europäische Steuergesetzgebung. Dagegen sollten wir als Österreich vorgehen! (Beifall bei den Grünen.)

Das können wir aber nicht glaubwürdig tun. Wissen Sie, warum? – Irgendwann hat man ja Geld verdient und zieht es aus einem solchen Unternehmen heraus; man hat vielleicht Hunderte Millionen herumliegen und versteckt sie in einer Stiftung, vielleicht in einer Stiftung in Liechtenstein. Die Europäische Union hat sich vor einiger Zeit auf Liechtenstein draufgekniet und gesagt: Wir wollen wissen, welche Bürger der Europäi­schen Union ihr Geld da gebunkert haben, benachrichtigt unsere Finanzämter, damit wir das kontrollieren und eventuell besteuern können!

Liechtenstein hat nach einigen Jahren nachgegeben und hat sich bereit erklärt, die Fi­nanzämter der Union darüber zu informieren, was ihre Staatsbürger dort an Geld ge­bunkert haben. Das ist am 1.1.2018 in Kraft getreten. Am 11. Oktober 2017 war der letzte Ministerrat der Regierung Kern, und Österreich hat – als einziges Land – einsei­tig darauf verzichtet, diese Information zu bekommen. Unsere Finanzämter wollen nicht wissen, was die Österreicher dort gebunkert haben, und alle anderen ziehen jetzt über ein österreichisches Konto das Geld aus Liechtenstein nach Wien ab – und von Wien in die gesamte EU, und alles ist weg.

Wer ist in diesem Ministerrat gesessen und hat zugestimmt – das Resultat war einstim­mig? – Kollegin Rendi-Wagner und Kollege Leichtfried – einstimmig! Ihr habt am 11. Ok­tober 2017 beschlossen, dass Geld aus Liechtenstein vom österreichischen Finanzamt nicht kontrolliert wird und es von Österreich in die anderen Länder weiterfließen kann. Und jetzt redet ihr über Steuergerechtigkeit?! – Das ist das Problem. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass das auf europäischer Ebene besser organisiert wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir da harmonischer vorgehen, dass wir in Partnerschaft mit den anderen Ländern besser vorankommen. Da gibt es teilweise unterschiedliche Ansichten, wie kooperativ man sein wird, aber wir werden einen bes­seren Kurs zustande bringen.

Ich freue mich, dass – sehr symbolträchtig – der Finanzminister und der Sozialminister hier sitzen. Ich würde die Kohle in den nächsten fünf Jahren gerne vom einen zum an­deren umschichten, dafür werden wir kämpfen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.24



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 61

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer zu Wort ge­meldet. – Bitte.


12.24.33

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Mitglie­der der Bundesregierung! Das ist eine interessante Diskussion, ein gutes Thema und durchaus auch sehr, sehr spannend, aber ich glaube, man muss sich das Thema auch einmal anschauen, wenn es um Besteuerung und mehr Fairness in Europa geht. Da muss man auch einen Schritt zurückgehen und sagen: Unternehmen geben Menschen Arbeit und ein Einkommen – große Unternehmen geben vielen Menschen Arbeit und Einkommen (Abg. Loacker: Bessere!) – vielleicht sogar bessere Einkommen. Damit das auch so bleibt, muss man auf die Wettbewerbsfähigkeit achten.

Wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht, weiß natürlich jeder, der von Wirtschaft ein bisschen Ahnung hat, dass die Kosten eine ganz, ganz wichtige Rolle spielen – und Unternehmenssteuern sind aus Sicht eines Unternehmens eben genau das, nämlich Kosten. So wie das Wasser immer talabwärts rinnt und nie bergauf fließen wird, wer­den Unternehmer einfach immer versuchen, kostenoptimiert zu arbeiten – das ist auch gut so, das liegt in der Natur der Sache; Stichwort Wettbewerbsfähigkeit –, und dass sie freiwillig höhere Kosten in Kauf nehmen als die Mitbewerber, das wird wahr­scheinlich nicht passieren.

Das gilt, ob wir das jetzt gut oder schlecht finden, auch für die digitalen Riesen, das gilt auch für Google und Facebook. Natürlich werden sie ihre Vorteile immer nützen, natür­lich gehen sie dorthin, wo sie die Steuern optimieren können, wo sie am günstigsten davonkommen. Warum – und das ist eigentlich die Frage, die man sich stellen muss – passiert das? – Das passiert deswegen, weil man sich auf europäischer Ebene einfach nicht auf gemeinsame Spielregeln einigen kann. Diese Schlupflöcher, die alle kennen und von denen wir alle wissen, wie sie funktionieren, haben wir inzwischen schon fast seit Jahrzehnten, es gibt aber, wie gesagt, einfach keine Lösung, weil das politische Totalversagen in Europa jedes Jahr weitergeht und zu einem Milliardenverlust an Steu­ereinnahmen führt.

Was sollte man tun? – Eine Lösung auf OECD-Ebene wäre natürlich die weltweit beste Lösung, sie ist aber – das wurde auch schon angesprochen – relativ unrealistisch. Deshalb muss man auf europäischer Ebene aktiv werden. Statt sinnloser Alleingänge in Europa gibt es aber ein ganz, ganz wichtiges Tool, das auch schon angesprochen wurde: Es geht um die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in Steuerfragen, damit die Union auch wirklich geeint vorgehen und man von Digitalriesen gerechte Steuern einheben kann.

Ein erster Schritt – das hat mein Kollege Sepp Schellhorn schon gesagt – wäre eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, und auch die digitale Betriebsstätte ist ein ganz wichtiger Punkt. Natürlich müsste man auch die Steuersys­teme modernisieren; diese kommen einfach noch aus der Präonlineära, und wir alle wissen genau, dass daher auch die Ungleichheit rührt, denn die Kleinen und die Mittle­ren zahlen deswegen so hohe Steuern und die Großen entwischen dem System, die entschlüpfen, und wir erwischen sie eben nicht.

Dann gibt es noch die nationale Besteuerung, diese wurde auch schon ein paar Mal angesprochen, und diese sehen wir wirklich ganz anders. Zu der unseligen Digital­steuer, die Sie auf den Weg gebracht haben – nicht Sie (in Richtung Bundesminister Blümel), aber Ihr Vorgänger, Herr Bundesminister Löger –, dieser Onlineabgabe: Wir alle wissen jetzt, warum sie entstanden ist. Sie ist nur deswegen gekommen, weil man sich im Europäischen Rat nicht durchgesetzt hat. Man hatte dort den Vorsitz, es ist nichts passiert, man konnte auf europäischer Ebene nicht überzeugen – dann hat man


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halt schnell so ein Husch-pfusch-, ein Wischiwaschigesetz für Österreich aufgesetzt. Und was bewirkt diese Steuer? – Sie macht das Werben auf Facebook und Google für heimische Unternehmen teurer; das ist das Einzige, was passiert.

Es gibt genügend Studien darüber – auch eine sehr gute von Deloitte aus Frankreich, wo man ein ähnliches Gesetz hat –, aus denen klar hervorgeht, wer diese zusätzlichen Kosten zahlt: nämlich zu 23 Prozent die Unternehmen, die online Werbung schalten, und zu 77 Prozent die Kunden; an sie wird das nämlich weitergegeben. Die schnellen Rechner unter Ihnen haben es schon festgestellt: Das ergibt satte 100 Prozent. Was bleibt also für diejenigen übrig, die es eigentlich treffen sollte, für die Internetgigan­ten? – Exakt überhaupt gar nichts bringt diese Steuer, außer dass wir den Amts­schimmel wieder wiehern lassen. Das ist eine neue Bagatellsteuer mit einem Volumen von 25 Millionen Euro, die aus unserer Sicht wirklich nichts bringt. Wenn man hier sehr freundlich sein will, dann muss man sagen: Herr Blümel, dass Sie das als neuer Fi­nanzminister auch noch verteidigen, finden wir durchaus kurzsichtig!

Wenn wir schon beim Thema Kurzsichtigkeit sind, dann müssen wir aus aktuellem An­lass kurz noch auf die europaweite Finanztransaktionssteuer schauen, die von Genos­sen Scholz in Brüssel als Kompromiss vorgeschlagen wurde, um eine Finanztransak­tionssteuer zu schaffen. Bei diesem Kompromiss geht es darum, dass man Aktienge­winne besteuert, konkret nur Gewinne aus Aktien von Unternehmen, die ihren Sitz in den teilnehmenden EU-Ländern haben und die einen Marktwerkt von mehr als 1 Mil­liarde Euro haben. Die Steuer soll 0,2 Prozent vom Kaufpreis betragen, sprich diese Aktien sollen für die Käufer teurer werden, und zwar bereits ab 2021. Jetzt kommt das große Aber – und da bin ich durchaus mit Ihnen einer Meinung –: Im Zusammenhang mit Anleihen, Derivaten und andere Finanzinstrumenten wird auf Abgaben verzichtet. Das ist natürlich vollkommen absurd, meine Damen und Herren, wenn man sich an­schaut, was man mit so einem Gesetz eigentlich erreichen will. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss: Die Steuer würde nicht den Hochfrequenzhandel treffen, sie würde auch nicht die Spekulanten treffen, sie würde die kleinen Bürgerinnen und Bür­ger treffen, die investieren wollen. Das ist, wie gesagt, nicht der Sinn der Sache, da könnte ein wenig Nachhilfe in Financial Literacy – vor allem auch bei der SPÖ – nicht schaden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.


12.30.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir reden heute in der Aktuellen Europastunde zum einen über die Digitalsteuer.

Der politische Wille in Österreich ist eigentlich ganz klar: Wir wollen die Onlinegiganten besser besteuern, wir wollen dieses System stärken, nachzulesen in den Regierungs­programmen 2017 und 2019, nachzulesen in den verschiedensten Diskussionsbeiträ­gen, in den Beschlüssen der Europäischen Union und nachzulesen auch in der Initia­tive, die jetzt in Richtung OECD gemacht wird. Ich bin da nicht der Meinung der Kolle­gin Doppelbauer, Besteuerungsthemen nur auf der europäischen Ebene zu diskutie­ren, denn der Diskurs zwischen Frankreich und den USA zeigt, dass Steuerthemen auf jeden Fall auch auf internationaler Ebene diskutiert und einer Lösung zugeführt werden müssen.

Technisch heißt das, man muss dort, wo Gewinne entstehen, diese geografisch veror­ten und letztendlich auch ein Besteuerungsrecht davon ableiten. Und es braucht im globalen Kontext gesehen ein Mindestbesteuerungsniveau, mit dem politischen Ziel,


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weltweit mehr Steuergerechtigkeit zu etablieren, und mit dem zweiten politischen Ziel, letztendlich auch in die digitale Welt mehr Rechtsstaat zu bringen.

Hier sind wir Vorreiter, wenn ich mir die Digitalsteuer in Österreich anschaue, wenn ich mir die Transparenz bei Onlinegeschäften anschaue, wenn ich mir die Klarnamenpflicht anschaue. In Tagen wie diesen, bei Hass im Netz, brauchen wir auch mehr Regeln in den sozialen Netzen, das ist ein Gebot der Stunde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.) Wir sind mit Sicherheit gut beraten, diesen Weg, auch wenn es in der Diskussion manchmal hart ist, konsequent weiterzugehen: mehr Rechtsstaat in die digitale Welt.

Aber wir haben heute auch über die Finanztransaktionssteuer geredet, und ich möchte einige Missverständnisse aufklären. Die Volkspartei in Österreich und auch die Kon­servativen in ganz Europa sind seit der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren der Meinung, dass es dort stärkere Regulative steuerlicher Natur braucht. – Das ist das eine. Wir haben mit sehr vielen Initiativen, die auch von Öster­reich getragen oder ausgegangen sind, dazu wesentliche Diskussionsbeiträge ge­bracht. Herr Bundesminister, herzlichen Dank für dein Engagement, wir sind hier abso­lut auf dem richtigen Weg. Vielen Dank für dein Engagement! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber auch den Kollegen Schieder und den Kollegen Leichtfried zitieren. Die Aussendung von Kollegen Leichtfried in dieser Woche erweckt den Eindruck, das Mi­nisterium habe sich bei der österreichischen Position der Expertise von Kollegen Krai­ner angeschlossen, einem durchaus ambitionierten Sozialdemokraten, der in der Wirt­schafts- und in der Steuerpolitik immer tatkräftig mitredet, und die österreichische Posi­tion decke sich mit jener von Krainer: „Deutscher Entwurf geht am Ziel der Finanz­transaktionssteuer vorbei“ – wortwörtlich, in einer Schlagzeile diese Woche –, aber auch die Kritik an den europäischen Konservativen.

Dann finde ich im „Handelsblatt“ vom November 2018, und jetzt springe ich wieder zu­rück zur Digitalsteuer: „Vor Macron-Besuch: Scholz“ – Herr Kollege Leichtfried, Scholz, ein Sozialdemokrat, der Finanzminister in Deutschland – „bremst bei Einführung der Digitalsteuer“. Also auch ein interessanter Beitrag.

Und letztendlich im „Spiegel Online“, Wirtschaftsteil, Dezember 2019, jetzt wieder bei der Finanztransaktionssteuer: „Wehren Sie sich gegen die Scholz-Version“. – Also auch bei den Sozialdemokraten weiß oft eine Hand nicht, was die andere macht.

Was braucht es? – Es braucht keine Schuldzuweisungen, es braucht ein starkes Euro­pa, ein starkes Österreich in einem schlanken Europa. Und es braucht ein starkes in­ternationales Netzwerk, vor allem, wenn es um Steuer und Transparenz geht, darum, letztendlich Gerechtigkeit, Frieden, aber auch Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze abzusichern. Wir sind auf einem guten Weg und, geschätzter Herr Bundesminister, die­se Themen sind bei dir hervorragend aufgehoben. Ich wünsche dir viel Glück für die kommenden Diskussionen. Es liegen wichtige Entscheidungen vor uns. – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


12.35.15

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Herren Bun­desminister! Das Thema wurde ja heute schon teilweise gastronomisch erläutert, nämlich auch dieser gute Vergleich betreffend den gleichen Preis von Frappuccino und Schnitzel und die Ungerechtigkeit und Verwerfung aus der Art von Besteuerung, die wir haben.


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Ich bleibe gleich ein bisschen beim Thema und fange mit dem Double Irish with a Dutch Sandwich an, das in seiner Bekömmlichkeit deutlich unter dem Schnitzel aus dem Gasthaus Frohes Schaffen rangiert, da es in Wirklichkeit nichts anderes ist als ein Modell, wie Großkonzerne auf dieser Welt in einer Art Zechprellerei in Europa ihre Ge­schäfte tätigen. Wir haben gelernt, dass die Steuerunterschiede nur aus der Differenz der Steuersätze herrühren: Nein, Großkonzerne schaffen es, faktisch keine Steuer mehr im Land und in Europa zu zahlen.

Die Europäische Kommission hat 2016 ein Verfahren wegen unerlaubter Beihilfe ge­gen die Firma Apple angestrengt. Hat irgendjemand Applegeräte, vielleicht zum Tele­fonieren, die kleinen Zahnbürstenaufsätze fürs Ohr oder so etwas? Dort beträgt der Gewinnanteil vom Umsatz übrigens fast zwei Drittel. Und die Kommission hat festge­stellt, dass Apple am Ende des Tages gerade einmal 0,05 Prozent Ertragsteuern dage­lassen hat. Unfassbar! Gleichzeitig ist jeder andere Produzent in Österreich einer ho­hen Summe an Steuerbelastung ausgesetzt. Und dann kommen die Verteidiger von dem System – das haben wir ja heute schon hier gehört –, die sagen: Ihr verwechselt Umsatz mit Gewinn.

Na, schauen wir uns doch an, wie das im System funktioniert! Ich bleibe gleich beim Frappuccino, ich habe mir nämlich die Gewinn- und Verlustrechnungen der betreffen­den Tochtergesellschaft hier in Österreich angeschaut. Die hat 18 Millionen Euro Um­satz, die hat auch einen schönen Rohertrag, wenn man es sich anschaut, aber leider, leider wird das Endergebnis mit anderen Kosten belastet: Lizenzzahlungen, Aufwen­dungen, die notwendigerweise quer über die Welt fließen. Und wenn man sich dann anschaut, wie die Gesamtverlagerung des Konzerns ist, dann sind aus irgendeinem Grund die intelligentesten und kreativsten Köpfe irgendwo in der Karibik, denn dort fließt dann alles hin. Und am Ende kommt heraus, dass es in Österreich nie einen Ge­winn gibt, von dem eine Ertragsteuer gezahlt werden kann. Am Ende des Tages wird der Frappuccino verkauft und es ist null Cent Körperschaftsteuer da, weil es rundum wegfällt: 1 744 Euro im Jahr für 18 Millionen Umsatz.

Aber bei dem Schnitzel um 8,90 Euro zahlt man Steuern. Das ist unlauterer Wettbe­werb für unsere kleinen Betriebe, er ist genauso unlauter wie bei dieser Druckerei, bei dem Beispiel bezüglich Steuern dies- und jenseits der ungarischen Grenze. Es kann nicht sein, dass ein paar Kilometer weiter ein Bruchteil an Steuern gezahlt wird! Das ist genau der gleiche unlautere Wettbewerb, und den schaffen wir nicht ab, indem wir irgendwo ein bisschen berichtigen. Da müssen wir das Einstimmigkeitsprinzip aufge­ben und da muss der Herr Minister nicht die Arbeitsgruppe der Europäischen Union betreffend Finanztransaktionssteuer sprengen, sondern vielleicht statt beim Budget zu sagen, wir zahlen der Europäischen Union nur 1 Prozent, sagen, wir zahlen nicht, so­lange das Geld nach Ungarn fließt, wo dann damit Steuerdumping betrieben wird. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das wäre vielleicht entscheidend, selbst dann, wenn der Kollege Schellhorn, offenbar Sepp Orbán-Versteher Schellhorn glaubt, dass in Ungarn das Gesundheitssystem bes­ser sei. (Abg. Loacker: Jetzt geht es wieder los!) Was soll denn das? (Abg. Loacker: Was soll das mit dem Orbán?) Nur weil die Zahnärzte billiger sind? Auch dort gilt eine ähnliche Regelung.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der Zusammenschluss funktioniert. Und nein, wir ha­ben keine unterschiedlichen Positionen.

Und zum Kollegen Reimon: Ich weiß schon, ihr übt jetzt, die erweiterte Kommunika­tionsabteilung der ÖVP zu sein, aber vergleicht nicht Äpfel mit Birnen oder etwas an­derem! Wir haben bei Liechtenstein und auch der Schweiz auf Wunsch der ÖVP-Seite über Jahre hinweg das Verfahren der Abschöpfungssteuer und nicht der Berichterstat­tung gehabt. Kollege Reimon, das hat nichts mit unserem Thema hier zu tun, dass


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Apple, Starbucks oder andere zu wenig Steuern in Europa zahlen. Das ist Vernebe­lungstaktik, das habt ihr nicht notwendig! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Ste­ger. – Bitte.


12.40.25

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zuallererst gratuliere ich der SPÖ zum Thema der heutigen Aktuellen Europastunde! Der Brexit steht vor der Tür; die EU-Au­ßengrenzen stehen noch immer weit offen, jeden Tag kommen neue Flüchtlinge; der EU-Türkei-Konflikt ist noch immer nicht gelöst; Europa verharrt weiter in einer totalen Abhängigkeit von Erdoğan, der ständig damit droht, die Flüchtlingsschleusen wieder zu öffnen; die nächste Finanzkrise steht vor der Tür; die EZB entwertet weiterhin das Vermögen unserer Sparer; der Mehrjährige Finanzrahmen wird gerade verhandelt und Österreich steht vor höheren Zahlungen – und wir beschäftigen uns heute damit, wie wir noch mehr Kompetenzen an die Europäische Union abgeben können, denn genau darum geht es im Wesentlichen in Ihrem Vorschlag, den Sie heute hier unterbreitet haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, anstatt sich in der Aktuellen Europastunde über ak­tuelle Krisen und Themen in der Europäischen Union zu unterhalten, unterhalten wir uns halt über die Einführung von europäischen Steuern und über die Einführung eines europäischen Steuersystems, denn darum geht es im Wesentlichen in dieser gesam­ten Debatte.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Keine Frage, selbstverständlich gehören Onlinegigan­ten – aber nicht nur diese, auch Konzerne – endlich fair besteuert. Selbstverständlich ist auch die Steuerflucht ein Problem, das gelöst werden muss. Genau deswegen ge­hören auch – wie schon unser Experte Hubert Fuchs richtigerweise ausgeführt hat – eine digitale Betriebsstätte, Steuertransparenz, Mindesttarife – am besten nicht nur in Europa, sondern weltweit – eingeführt, aber nicht mit neuen europäische Steuern, nicht mit Zwang und Drüberfahren, sondern mit Verhandlung auf Augenhöhe, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie hier machen, ist, unter dem Deckmantel der fairen Besteuerung von Onlinegi­ganten die nationalstaatliche Souveränität einzuschränken, denn wenn Sie diese Be­steuerung – europäische Steuern in irgendeiner Form – einführen wollen, müssen Sie erst einmal das Einstimmigkeitsprinzip auf EU-Ebene aufheben. Dann müssen Sie erst einmal die österreichische nationalstaatliche Steuerhoheit an die Europäische Union abgeben. Genau das wäre ein nicht gangbarer großer Schritt hin zu einer Aufgabe Ös­terreichs als eigenständiger Nationalstaat, den wir mit Sicherheit nicht hinnehmen wer­den.

Das Traurige ist jedoch, dass nicht nur die SPÖ, sondern auch alle anderen Parteien ein europäisches Steuersystem haben wollen. Die Regierung schreibt im Regierungs­programm von CO2-Steuern, Herr Lopatka hat heute überhaupt ein Bekenntnis zu ei­nem europäischen Steuersystem abgelegt. Die NEOS finden sowieso alles gut, wo EU draufsteht. Das Traurige ist, dass Sie anscheinend noch immer nicht kapiert haben, dass ein gewisses Maß an Steuerwettbewerb für eine Europäische Union auch gesund und wichtig ist.

Solange es noch keine einheitliche Währung gegeben hat, so lange konnten wirt­schaftlich schwächere Länder ihre Währung abwerten und wirtschaftliche Anreize set­zen. Jetzt können sie das nur noch, indem sie diese Anreize zum Beispiel eben durch unterschiedliche Besteuerung setzen. Wenn Sie ihnen das auch noch nehmen, können


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Sie diese Länder gleich alimentieren. Wenn Sie das wollen, müssen Sie das bitte auch in dieser Deutlichkeit sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es schon gesagt: Wir wollen mit Sicherheit nicht das nationale Steuersystem auf europäischer Ebene. Wir wollen die Steuerhoheit und damit einen der wichtigsten Lenkungsmechanismen nicht an die Europäische Uni­on abgeben.

Sie setzen damit nicht nur einen großen Schritt zu noch mehr Zentralismus – übrigens einer der Hauptgründe für den Brexit, aber egal, schütten wir noch mehr Öl ins Feuer –, nein, Sie wollen damit eigentlich auch jede Budgetverhandlung für sinnlos erklären, denn in Zukunft müssen wir nicht mehr verhandeln, wie viel Geld wir in die Europäi­sche Union zahlen. Wenn die Europäische Union in Zukunft gleich einmal in die Steu­ertaschen hineingreifen kann, dann müssen wir in Zukunft verhandeln, wie viel Geld wir von der Europäischen Union noch bekommen, und das ist mit Sicherheit der falsche Weg.

Sehr geehrte Damen und Herren, was Sie auch überhaupt nie bedenken, ist, worum es in dieser Debatte eigentlich geht. Natürlich will die Europäische Union aus dem einfa­chen Grund eine Steuerhoheit haben, dass sie sich die mühsamen Verhandlungen beim Mehrjährigen Finanzrahmen ersparen will, nicht mehr von den einzelnen Ländern abhängig sein will. Sie braucht auch dringend mehr Geld, denn es kriselt in der Eu­ropäischen Union. Es kriselt aufgrund einer fehlgeleiteten falschen Geldpolitik der Eu­ropäischen Zentralbank, womit wir eine Umverteilungspolitik und eine Schuldenpolitik unterstützen. Genau deswegen will die Europäische Union mehr Geld.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie sehen, verbirgt sich oft hinter einem gut und richtig klingenden Titel wie der fairen Besteuerung von Onlinegiganten viel mehr als auf den ersten Blick scheint, in diesem Fall ein europäisches Steuersystem, ein Ausver­kauf unserer Steuerhoheit und unserer nationalstaatlichen Souveränität, dem wir mit Sicherheit niemals zustimmen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die De­batte geschlossen.

12.45.57Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 GOG


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen gleich zur Debatte betreffend die Einwendun­gen des Abgeordneten Leichtfried gegen die Tagesordnung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte. (Abg. Zarits: Nicht zu viel aufregen!)


12.46.21

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich darf zu Beginn etwas zitieren, nämlich die Grünen anlässlich der Beschlussfassung über Untersuchungsausschüsse als Minder­heitsrecht im Nationalrat am 10.12.2014:

„Ich hoffe, dass die Regierungsparteien die Opposition nicht zwingen werden, fortwäh­rend Verfahren beim Verfassungsgerichtshof zu führen. Ich hoffe, dass wir – in diesem Fall Werner Kogler und viele andere, die das gemeinsam untersuchen werden – uns von vornherein darauf einigen, und zwar alle gemeinsam, so wie wir dieses Gesetz vorbereitet haben, dass ein Maximum an Aufklärung mit Unterstützung der Regie­rungsparteien und nicht gegen sie ermöglicht werden soll.“

Na da schau her! Wie kann man sich so drehen? Wie kann man sich so drehen, ge­schätzte Damen und Herren? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Was ist beginnend mit


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gestern passiert? – Die Mehrheit, die Regierungsmehrheit, unter anderem die Partei, die die zitierten Sätze im Jahr 2014 geäußert hat, schränkt willkürlich und eiskalt das Recht der Minderheit, Inhalte im Untersuchungsausschuss untersuchen zu können, ein. Von den Regierungsparteien wird jetzt Ibiza und alles, was in Ibiza besprochen und dann umgesetzt wurde, eiskalt zugedeckt. Der Untersuchungsausschuss wird tor­pediert. (Abg. Belakowitsch: Wissen Sie alles, was dort gesprochen wurde?) – Jetzt brauchen Sie sich mit „Regierungsparteien“ nicht mehr angesprochen zu fühlen.

Geschätzte Damen und Herren, was dabei ganz erstaunlich ist – da darf ich der ÖVP gratulieren, denn es betrifft ja in dem Fall von den Regierungsparteien die ÖVP stärker als die Grünen, also im Gegensatz zu den Grünen wahrscheinlich fast zur Gänze –: Sie haben es geschafft, dass Ihr Regierungspartner in der Öffentlichkeit dafür die volle Verantwortung übernehmen muss. Das ist eine großartige Leistung, muss ich Ihnen sagen, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber was ist passiert? – Die SPÖ und die NEOS haben am 11. Dezember des Vorjahrs gemeinsam ein Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses ein­gebracht. Heute Früh ist der Untersuchungsausschuss mit schwarz-grüner Mehrheit zurechtgestutzt und eingeschränkt worden. Scheinbar gilt jetzt bei einem Minderheits­recht – und da bitte ich Sie, schon noch einmal darüber nachzudenken –, dass die Mehrheit zu bestimmen hat, was untersucht wird. Ist das ein Minderheitsrecht? – Ich glaube, das ist kein Minderheitsrecht mehr. Das Ergebnis Ihrer Zensur, was Sie unter­drücken und nicht untersucht haben wollen, ist, dass der Untersuchungsausschuss, wenn es nach Ihnen geht, jetzt nicht mehr den Vorwurf von Gesetzeskauf untersuchen darf. Er darf nicht Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen untersuchen, er darf nicht die Tätigkeit der Soko Ibiza untersuchen, und er darf auch nicht die Reform der Finanzaufsicht untersuchen, geschätzte Damen und Herren.

Wenn man sich das vom Umfang her anschaut, sieht man es wirklich sehr schön (eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Un­tersuchungsgegenstands“ Text in schwarzer und grüner Schrift zu lesen ist, in die Hö­he haltend): Das, was schwarz ist, ist übrig geblieben, und das, was grün ist, ist weg – und das heißt eigentlich, das meiste ist weg! Geschätzte Damen und Herren, das ist sicherlich kein gutes Zeichen für einen Untersuchungsausschuss. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist vielmehr ein Anschlag auf einen Teilaspekt der parlamentarischen Demokratie, nämlich auf dieses Recht der Minderheit, die Mehrheit zu untersuchen. (Abg. Gabriela Schwarz: ... Verfassung!)

Ich richte daher eine Aufforderung an Sie: Wenn Sie schon zu feig sind, für das ein­zustehen, was unter Schwarz-Blau passiert ist, seien Sie zumindest nicht zu feig, die­ses Anliegen jetzt schnell zu Beginn der Tagesordnung zu debattieren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann August Wöginger. – Bitte.


12.51.10

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Leichtfried, im Gegensatz zu dir habe ich – damals mit Kollegen Otto Pendl – das Minderheitsrecht mitverhandelt. Die Grünen wa­ren es übrigens, die sich massiv dafür eingesetzt haben, dass dieses Minderheitsrecht kommt. (Ruf bei der SPÖ: Ja eh!)

Wir haben dann darüber verhandelt, und es galt immer die grundsätzliche Bedingung: Wenn wir dieses Minderheitsrecht einführen, dass 46 Mandatare ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen können, muss es sich dafür beim


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Untersuchungsgegenstand um eine abgeschlossene Handlung der Bundesverwaltung, also einen eingrenzbaren Vorgang handeln. Das ist in der Verfahrensordnung für parla­mentarische Untersuchungsausschüsse ganz klar festgehalten, und das gilt auch für Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen. – Abg. Schellhorn: Wir brauchen keine Minderheit mehr, wir sind eh in der Mehrheit?!)

Das Zweite, das mich wirklich total verwundert (in Richtung Abg. Leichtfried): Du warst ja nicht in der Präsidialkonferenz, sondern Kollegin Kuntzl hat den SPÖ-Klub vertreten (Ruf bei der SPÖ: Und?) – und dann bekommen wir da jetzt etwas dahin gehend vor­gelegt, man möge die Tagesordnung ändern. Wir haben ausführlich über die Tages­ordnung gesprochen. Wir haben besprochen, dass wir, falls die Sitzung des Geschäfts­ordnungsausschusses stattfindet und es zur Einsetzung des Untersuchungsaus­schusses und damit auch zur Debatte im Plenum kommt, nach den Tagesordnungs­punkten betreffend den Sozialausschuss das Verlangen auf Einsetzung des Untersu­chungsausschusses hier behandeln. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Das ist auf Seite 5 im Präsidialprotokoll niedergeschrieben – ich brauche das hier nicht im Detail vorzulesen, das ist da ganz klar festgehalten. Jetzt kommt plötzlich heute in der Früh etwas, nicht einmal am Vortag! (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Im Übrigen haben wir das Verlangen damals am 11. Dezember, also am Tag der Ple­narsitzung bekommen – das ist 3 Stunden vor Beginn der Plenarsitzung übermittelt worden! Den anderen Antrag zur Beschlussfassung, was die Beweislage anbelangt, haben wir überhaupt erst in der letzten Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses erhalten. (Abg. Schellhorn: So ist das einmal mit Verlangen!) Wir haben gestern um 16 Uhr diesen teilweisen Abänderungsantrag an alle Fraktionen versendet. – Bevor Sie jetzt davon sprechen, dass wir die Usancen des Hauses nicht einhalten, kehren Sie lie­ber vor der eigenen Tür, Herr Kollege Leichtfried! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Schellhorn: Sagst auch mal was zum Thema?)

Ich lege Wert darauf, dass auch festgehalten wird, was ich in der Präsidialkonferenz gesagt habe: Ich habe gesagt, dass wir eine völlig andere Rechtsauffassung haben – da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln, Frau Kollegin Krisper (Zwischenruf der Abg. Krisper), denn Sie waren nicht in der Präsidialkonferenz; Kollege Scherak kann Ihnen das bestätigen –, was den Untersuchungsgegenstand anbelangt. Wir haben da­zu auch ein Rechtsgutachten von Herrn Universitätsprofessor Bezemek, das diese Auf­fassung bestätigt und untermauert, daher haben wir heute im Geschäftsordnungsaus­schuss dementsprechend gehandelt.

Ich halte auch fest: Wir verzögern nichts, wir verhindern nichts, sondern dieser Unter­suchungsausschuss kann schnellstmöglich seine Arbeit aufnehmen! Dafür habe ich mich als Obmann des Geschäftsordnungsausschusses auch in der Präsidiale einge­setzt, und das ist eingehalten worden, wir haben heute um 8 Uhr die Sitzung des Ge­schäftsordnungsausschusses abgehalten. Ich weise daher mit aller Entschiedenheit zurück, was uns hier unterstellt wird, nämlich wir wollten das nicht oder wir wollten es verzögern. Was wir aber schon wollen, ist Verfassungskonformität bei der Festlegung des Untersuchungsgegenstandes, dass das eingehalten wird – das fordern wir ein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es gibt ja auch überhaupt keinen Grund zur Aufregung, denn die Antragsteller bezie­hungsweise jene, die das Verlangen gestellt haben – Kollege Krainer wird mich sonst korrigieren –, haben natürlich die Möglichkeit, sich an den VfGH zu wenden, das ist ja in der Verfahrensordnung vorgesehen. Das können nur jene tun, die das Verlangen gestellt und von ihrem Minderheitsrecht Gebrauch gemacht haben, und das ist gut und richtig so.


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Der Verfassungsgerichtshof hat dann zu entscheiden, was verfassungskonform ist, und nicht die Minderheit im Nationalrat, meine Damen und Herren – und das ist eine gute Lösung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schellhorn: Ach so, dann geht es eh recht schnell!)

Es ist also gut und richtig, wenn das getan wird – aber ich lege Wert auf die Feststel­lung, dass wir das genau so besprochen haben, was das Prozedere im Geschäftsord­nungsausschuss anbelangt (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), und vor al­lem, was die Diskussion hier im Plenum betrifft. Das ist alles protokolliert, das haben wir gemeinsam vereinbart, und ich hoffe, dass in Zukunft das gilt, was wir in den Prä­sidialkonferenzen einvernehmlich festlegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper, Sie sind als Nächste zu Wort gemeldet. Bitte.


12.56.55

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, die zuhören! Es geht hier für mich um zwei Dinge: um den Umgang miteinander im Parlament und um das Verständnis von Aufklärung versus das Mauern.

Die ÖVP und die Grünen haben sehr wohl eine Verzögerungstaktik angewandt. Wa­rum? – Sie vertagen zuerst am 8. Jänner im Ausschuss die Entscheidung mit der Aus­sage, sie wüssten nicht genau, was ihnen nicht passt, so allgemein hätten sie ein schlechtes Gefühl dahin gehend, ob das verfassungskonform sei.

Jetzt wissen wir aber, dass die ÖVP Tage vor der Ausschusssitzung ein Gutachten erhalten hat, das sie ja bezahlt hat – und sie wird wohl wissen, was da drinnen steht; sie wird wohl lesen, wofür sie zahlt, und hätte genau argumentieren können, was sie stört. Ebenso hat Sigrid Maurer heute im Ausschuss gemeint, schon vor Weihnachten hätte sie ihre Bedenken formuliert, aber uns nicht mitgeteilt. (Abg. Maurer: Steht im Protokoll!)

Wie haben wir davon erfahren, obwohl wir oft mit den anderen Parteien im Gespräch waren? – Gestern über die Medien, weil die Medien schon Stunden davor davon erfah­ren haben. Was kann man damit verzögern? – Nur unseren Gang zum Verfassungsge­richtshof, das ist also lächerlich. Es bleibt aber dabei, dass das ein besonders schlech­ter neuer Stil ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Zufälligerweise werden da fast alle unsere Beweisthemen herausgestrichen bezie­hungsweise wird das versucht. Wo machen die Grünen der ÖVP da die Mauer? – Ge­nau bei jenen Bereichen, die nicht schon medial groß diskutiert wurden wie Casag, Sidlos Bestellung, die Öbag.

Was sollen wir uns laut ÖVP und Grünen nicht ansehen? – Den Vorwurf des Geset­zeskaufs. Wir erinnern uns: Eine Gesetzesvorlage ist plötzlich wieder verschwunden. Wir wissen auch, dass Novomatic seit Jahren alle Register zieht, um endlich an eine Lizenz im Bereich Onlinegaming zu kommen. Was gab es da bei der letzten Bundes­regierung eigentlich Interessantes? – Das beginnt damit, dass laut Anordnung der Hausdurchsuchung Thomas Schmid am 31.1.2019 noch als Kabinettschef von Hartwig Löger dem Novomatic-Chef Neumann eine Unterlage aus dem Finanzministerium zum Thema Lizenzen im Allgemeinen schickte; dies mit der Anmerkung: „Das sagen die Ex­perten bei uns – Gesetz für Entflechtung notwendig“.

Zufälligerweise findet 4 Stunden später ein Termin zwischen Graf, Neumann und Löger statt, bei dem wohl auch der Hintergrunddeal mit der Novomatic ein Thema war, denn


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gleich am nächsten Tag gibt Löger diese Information an Rothensteiner weiter. Wir er­innern uns an den Vermerk: „Löger hat mit Graf konferiert, der hat irgendeinen Hinter­grund Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muß.“ – Diesen potenziellen Deal, ob es den gab und wer da dahintersteckt – bis zur Spitze der ehemaligen Bundesregierung –, wollen sich ÖVP und Grüne anscheinend nicht ansehen.

Was noch? – Kompetenzverschiebungen zwischen Finanzmarktaufsicht, BMF und Oes­terreichischer Nationalbank, und auch die Postenbesetzungen dort sollen kein Thema sein, wenn es nach ihnen geht.

Drittens wollen die Regierungsparteien nicht, dass wir uns die Bestellung von Organen in Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, ansehen, abgesehen von der Bestel­lung Thomas Schmids – alles andere sollen wir uns nicht ansehen dürfen.

Und viertens: Die straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen infolge des Ibizavideos sollen wir nicht beleuchten dürfen. Dabei geht es einerseits um die Ermittlungen rund um das Ibizavideo – Stichwort: „Novomatic zahlt alle“ –, in dem laut einer anonymen Anzeige Gudenus gemeint haben soll, dass man mit schwesterlicher schwarzer Hilfe die bisherigen Zuwendungen an die Roten gut umleiten könne. Im Buch über die Ibiza­affäre findet sich eine Äußerung von Strache betreffend Casinolizenzen und legistische Änderungen, die dafür erforderlich sind. Zitat: „Das ist verdammt schwer“. „Aber das geht.“ – Auch darüber sollen wir keine Aufklärung betreiben dürfen. (Abg. Maurer: Das ist doch Blödsinn!)

ÖVP und Grüne wollen nicht, dass wir das beleuchten. Jetzt schützen die Grünen vor, sie seien redlich und nobel und würden da nur an der Rechtsfortbildung mitwirken wol­len, indem sie uns zum Verfassungsgerichtshof schicken. Sie sind also quasi Hüter der Verfassungsreinheit. Wären wir uns alle einig gewesen, dass wir uns all diese Dinge anschauen wollen, könnten wir es tun. Es ist ein aktiver Schritt von euch, da der ÖVP die Mauer zu machen und uns zum Verfassungsgerichtshof zu schicken. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Maurer: Wir haben aktiv angeboten, euch bei der Formu­lierung zu unterstützen!) Kein renommierter Verfassungsjurist in diesem Land hat euch medial in irgendeinem Punkt Schützenhilfe gegeben.

Von den Grünen mussten wir uns gerade in der letzten Nationalratssitzung – mit gro­ßer Selbstgerechtigkeit vorgebracht – anhören, dass mit ihrem Wiedereinzug in den Na­tionalrat Menschenrechte und Kontrolle hier endlich wieder eine starke Vertretung hät­ten. Schon jetzt scheint das aber bloß ein Lippenbekenntnis zu sein. Ich erwähne dies­bezüglich mit Blick auf die letzten Wochen nur das Stichwort Willkürhaft. Ich sage zu eurer Entscheidung betreffend Untersuchungsausschuss heute im Geschäftsordnungs­ausschuss: Das ist ein weiteres Thema, bei dem ihr gezeigt habt, dass ihr nicht mehr für Aufklärung und Kontrolle steht. Das bedauere ich sehr, aber wir werden weiter da­rum kämpfen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

13.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Hafen­ecker. – Bitte.


13.01.56

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Ja, auch wir ärgern uns über den heutigen Beschluss im Geschäftsord­nungsausschuss, einfach deshalb, weil wir wirklich Interesse daran gehabt hätten, die­se Fälle generell, diesen Fall speziell und alles, was da im Hintergrund passiert ist, restlos aufzuklären. Das ist unser Anspruch, und er bleibt es nach wie vor. Deshalb müssen wir natürlich darüber sprechen, und da hätte es eigentlich auch einen dafür vorgesehenen Tagesordnungspunkt gegeben, nur eben später am Tag.


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Kollegen Leichtfried, den ich grundsätzlich sehr schätze, möchte ich schon eines sa­gen: Lieber Kollege Leichtfried, du machst da heute einen Dreierdurchgang. Du stellst dich am Beginn der Sitzung dorthin und nutzt gleich einmal die beste Zeit im Fernse­hen, um eine Geschäftsordnungsdebatte dafür zu missbrauchen, diese Geschichte das erste Mal herunterzuleiern. Jetzt gibt es diese Einwendungsdebatte, und da stellst du dich noch einmal raus und erzählst uns die gleiche Geschichte ein zweites Mal. Als Nächste stellt sich dann Frau Kollegin Krisper raus, hat anscheinend vergessen, dass der Ausschuss noch gar nicht angefangen hat, und geht schon jetzt mitten in die Aus­schussuntersuchungsarbeit hinein. (Abg. Krisper: Entschuldigung!)

Liebe Kollegen, nutzen wir doch bitte die Geschäftsordnung des Hauses nicht dafür aus, unsere eigenen politischen Interessen voranzutreiben, in Bezug auf die Fernseh­zeit zu geizen und uns gleichzeitig auch gegenseitig Zeit zu stehlen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hofinger.)

Nichtsdestotrotz haben wir immer gesagt, dass wir nicht anstehen werden, bei der Aufklärung voll mitzuarbeiten, und das wollen wir auch. Und da ärgert mich natürlich, was da heute rausgekommen ist, es ärgert mich vor allem, dass es diese Krake ÖVP geschafft hat – denn der türkise Lack ist längst abgeblättert, ja –, dass es die Krake ÖVP geschafft hat, schon die ...


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich fordere Sie auf, sich in Ihrer Aus­drucksweise zu mäßigen. – Bitte. (Abg. Kickl: Na bitte, das ist ja bereits ein Klassiker!)


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (fortsetzend): Dann würde ich sagen, die ÖVP hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, die Grünen dermaßen über den Tisch zu ziehen, sodass diese ihre eigenen Prinzipien verraten müssen. Frau Maurer hat gestern in der „ZIB 2“ beim Brustschwimmen gegen Herrn Wolf eine olympische Leis­tung gezeigt. Es war sehr interessant, wie man da herumgeeiert ist und nicht gewusst hat, wie man den grünen Standpunkt da irgendwie genau klarmachen soll. Es ist also sehr, sehr spannend, was da passiert.

Gut, die Grünen haben sehr, sehr rasch von der ÖVP angezogen. Wie im Fall Chorherr gezeigt, ist es ihr höchstes Interesse, zu lernen, wie man Sachen möglichst rasch zu­deckt. In Wien versucht man das ja am laufenden Band, und da können Sie natürlich noch etwas von der ÖVP lernen.

Auch wenn jetzt dieser Ausschuss so zurechtgestutzt wird, wie das die ÖVP derzeit haben will, bin ich aber guter Dinge. Erstens einmal werden Sie es in eineinhalb Jahren bereuen, wenn Sie dann von der ÖVP aus der Regierung geschmissen werden. Wir wissen, wovon wir reden, das können wir Ihnen gleich sagen. (Abg. Zarits: Ihr habt euch selbst hinausgeschmissen!) – Das wäre einmal Punkt eins.

Punkt zwei: Ich habe kein Problem damit, mit einem von der ÖVP amputierten Unter­suchungsausschuss zu beginnen. Dann reden wir halt einmal nur über die Casinos, dann reden wir eben über Frau Glatz-Kremsner, da haben wir genug zu diskutieren, wie sie in ihr Amt gekommen ist. Sie war ja immerhin ÖVP-Vizechefin und hat dann einen guten Job bei den Casinos bekommen. (Abg. Steinacker: Den hat sie schon vorher gehabt!) Schauen wir uns das genau an! Dazwischen hat es dann noch eine Parteispende gegeben. Wenn sie vorher schon einen Job hatte – guter Einwand, Frau Kollegin –, dann werden wir uns auch anschauen, wie es eigentlich funktioniert, dass man im Betrieb selbst Abfertigungen mitnimmt. Wir haben also genug zu diskutieren. Ich freue mich sehr auf die Debatten, die dann im Untersuchungsausschuss auf uns zukommen werden.

Und noch etwas, und das sei der ÖVP ins Stammbuch geschrieben: Sie können den Ausschuss jetzt zwar rasieren, beschneiden oder sonst irgendetwas damit machen, aber es hindert uns ja nichts daran, dass wir einen kompakten Untersuchungsaus-


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schuss zur Casag machen – der kann ja auch nur ein paar Monate dauern, es muss ja nicht immer alles eineinhalb Jahre dauern –, und darin können wir natürlich auf alle anderen Dinge, die vor allem die ÖVP betreffen, in Ruhe eingehen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleit­ner. – Bitte.


13.05.45

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In seiner Rede hat Kollege Wöginger am Anfang gesagt, „wir verhindern nichts“. – Ich habe mir gedacht, etwas zu verhindern heißt eben genau, Punkte zu streichen, und nichts anderes passiert ja gerade. Punkte herauszugreifen, wenn es also eins, zwei, drei, vier gibt und dann heißt: Nein, zwei und vier mache ich nicht!, das entspricht doch genau der Bedeutung von verhindern, denn genau deswe­gen kann man sich dann bestimmte Dinge eben nicht mehr anschauen. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Michael Hammer: Man hätte es nur korrekt reinschreiben müssen!)

Wieso ist es so dringlich, diesen Punkt, den Ibiza-Untersuchungsausschuss jetzt als ersten Tagesordnungspunkt zu behandeln? – Ich würde sagen, das ist eigentlich fast der dringlichste Tagesordnungspunkt heute, denn so wie hier Minderheitsrechte be­schnitten und mit Füßen getreten werden, ist das wirklich noch nie passiert, und das bei einem so brisanten Verlangen. Das geschieht aufgrund der Mauer der Zudecker­koalition, nicht nur durch die ÖVP, sondern auch durch die Grünen, muss man trauri­gerweise leider sagen.

Eine kurze Rückschau: Vor einem guten Dreivierteljahr hat uns alle das Ibizavideo wirklich sehr bewegt, ein wahrer Skandal. Wozu hat dieses Video geführt? – Zu einem Schulterschluss dahin gehend, dass da wirklich aufgedeckt werden muss und dass man sich anschauen muss, was da passiert ist. Dass da mit dieser Laissez-faire-Hal­tung Dinge beinahe verkauft worden wären, dass es eventuell Einflussnahmen und Ge­setzeskauf gegeben hat, ist wirklich brisant. Während des Nationalratswahlkampfes hat es diesbezüglich wirklich einen Schulterschluss gegeben, dass man sich das gemein­sam anschaut, dass es so etwas eben nicht geben darf, dass so etwas nicht passieren darf und dass man sich eben alle Postenbesetzungen unter Schwarz-Blau in den letz­ten zwei Jahren ganz genau anschauen wird.

Unser Einwand dagegen, das heute auf diese Weise auf die Tagesordnung zu setzen, ist vor allem dadurch bestärkt worden, dass die Argumente dafür, die in den letzten Ta­gen, Stunden gekommen sind, wirklich sehr fadenscheinig waren, vor allem leider die vonseiten der Grünen. Zu eng gefasst, zu weit gefasst – was denn jetzt? Einen roten Faden kann ich da leider nicht wirklich erkennen, muss ich sagen. Wenn man dann noch anbietet, bei der Formulierung zu helfen, dann kann ich getrost sagen: Nein dan­ke! Dieser Zickzackkurs ist halt schon ein bisschen peinlich. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Man kann nur festhalten, dass Hochmut vor dem Fall kommt und die EinbringerInnen, in dem Fall von SPÖ und NEOS, sehr genau wissen, was sie tun und was sie auch in Zusammenwirken mit Verfassungsjuristen formuliert haben. Das Ganze wird noch da­durch getoppt, dass man gestern in der „ZIB 2“ gehört hat, das sei keine politische Ent­scheidung, sondern eine rechtliche. – Darüber kann man eigentlich nur müde lachen, denn die gesamte Blockade dieses Untersuchungsausschusses und die Streichung von wirklich relevanten Punkten ist eine politische Entscheidung; es ist die politische Entscheidung, die Opposition mundtot zu machen und dem Untersuchungsausschuss die Zähne zu ziehen. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Schellhorn: Sind das noch die Grünen?)


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Es ist wirklich ein Zusammenstutzen der Untersuchungsgegenstände auf die für den Koalitionspartner, die ÖVP bequemen Punkte. – Sehr Traurig! Die Brisanz ist nur zu unterstreichen, und das muss man sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Was soll nicht untersucht werden? – All das, was unbequem ist, was für die ÖVP unan­genehm sein könnte, wo es um möglichen Gesetzeskauf geht, also wirklich das Aller­allerletzte; und vor allem soll es keine Erstreckung auf die gesamte letzte Legislatur­periode geben, also auf all jene Punkte, in die natürlich auch die ÖVP involviert ge­wesen sein könnte, so ehrlich muss man sein. Es hat eine Koalition zwischen Schwarz und Blau gegeben, und natürlich sind da auch beide Partner der letzten Legislatur­periode relevant. Gerade das ist der zentrale Punkt! Da wollen auch die Bürgerinnen und Bürger Aufklärung, sie wollen wissen, was da passiert ist und ob es Zusammen­hänge zwischen Postenbesetzungen, Spenden, Gesetzeskauf et cetera gibt.

Dass die Grünen als vermeintliche AufklärerInnenpartei hier mitmachen, ist wirklich total schockierend, und wie das mit Gewissen oder Wahlversprechen zu vereinbaren ist, kann ich leider nicht verstehen. Wir bleiben jedenfalls dran. Wir werden den Verfas­sungsgerichtshof anrufen – zu Recht –, denn die Opposition kann nicht akzeptieren, dass Minderheitsrechte so beschnitten werden.

Zum Abschluss möchte ich auf eine Szene aus dem Wahlkampf verweisen, die mir in letzter Zeit sehr oft untergekommen ist. Kollege Wöginger hat in einem Bierzelt über die jungen Menschen, die nach Wien gehen und dann Grün wählen, gesprochen und gesagt: Wer die Füße unter unserem Tisch hat, hat ÖVP zu wählen! – Herr Kollege Wöginger, ich kann sagen, als Hirte können Sie stolz sein, denn die grünen Schäfchen kommen alle zurück in den ÖVP-Messagecontrol-Stall. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Haubner.)

13.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt jetzt Klubvorsitzende Sigrid Maurer. – Bitte.


13.11.06

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen! Mir liegen jetzt viele Dinge auf der Zunge, aber ich möchte trotzdem versuchen, ein bisschen Sachlichkeit in diese Debatte zu bringen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Oh-Rufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wir haben als Grüne seit jeher für Transparenz und für Aufklärung gekämpft. (Abg. Kassegger: Jetzt wird’s peinlich!) Dieses Minderheitsrecht auf einen U-Ausschuss, das jetzt genutzt wird, haben wir erkämpft, gegen den Widerstand vieler. (Abg. Kris­per: Das war einmal!) Wir haben dieses Gesetz verhandelt und mitformuliert. Was war der Hintergedanke bei diesem Gesetz? – Es war der Gedanke, dass eine Mehrheit eben nicht darüber entscheiden kann, ob und in welcher Form ein Untersuchungs­ausschuss eingesetzt werden kann. Und das ist auch so. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dieses Gesetz, das Werner Kogler, Gabi Moser und auch Peter Pilz hier verhandelt haben, an dem unser Klubdirektor Wolfgang Niklfeld, den Sie alle kennen und schät­zen, maßgeblich mitgeschrieben hat (Abg. Deimek: Die Moser würde rotieren!), garan­tiert, dass eine Minderheit jeden x-beliebigen U-Ausschuss einsetzen kann, unter der einzigen Bedingung, dass er verfassungskonform ist. (Abg. Brandstätter: So wie die Willkürhaft, oder was?!) Das sieht dieses Gesetz vor.

Es gibt in diesem Gesetz die Möglichkeit für eine Mehrheit, Dinge zu beschließen, zu beschließen, ob der gesamte U-Ausschuss oder Teile des Untersuchungsgegenstan­des zulässig sind oder nicht – und dann entscheidet die oberste Stelle in unserer De­mokratie. An dieser Stelle möchte ich schon sagen: Zu behaupten, es wäre ein An-


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schlag auf die Demokratie, wenn man dafür sorgt, dass der Verfassungsgerichtshof als unabhängige Instanz darüber entscheidet, halte ich für ernsthaft problematisch. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben uns in diesem Parlament gemeinsam diese Verfahrensregeln gegeben. Wir arbeiten hier auf Basis von Gesetzen – auch für U-Ausschüsse. Betreffend das, was hier formuliert worden ist – und das haben wir schon lange vor Weihnachten gesagt, auch wenn es anderslautende Darstellungen gibt; das ist alles nachzulesen, es gibt Protokolle, es gibt Ausschussprotokolle, unsere ReferentInnen sind viele Stunden zu­sammengesessen –, haben wir von Beginn an gesagt: Passt auf, da gibt es ein Pro­blem: unzulässige Sammlung von Themen, zu allgemeine Formulierungen, bei denen die Behörden nicht in der Lage sind, von sich aus zu wissen, welche Akten sie über­haupt liefern sollen! – Das sind die Regeln, auf die wir uns hier in diesem Haus geeinigt haben.

Kai Jan Krainer, du hast selber im Ausschuss gesagt: Wir diskutieren hier nicht weiter, der Verfassungsgerichtshof soll entscheiden! – Das wird er jetzt tun, und dann haben wir eine Judikatur zu einem Thema, zu dem wir bisher nie eine hatten, und wir wissen in diesem Haus, wie in Zukunft mit Untersuchungsgegenständen umzugehen ist. Das, glaube ich, ist für uns alle wichtig und gut, im Übrigen völlig unabhängig davon, wie diese Entscheidung, dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ausfallen wird.

Ich bin mir sehr sicher, dass wir recht haben und dass diese Zusammenstellung der Themen nicht zulässig ist. Es hat auch in der Vergangenheit, ich erinnere an den BVT-U-Ausschuss, Probleme mit der Formulierung seitens der SPÖ gegeben, was den Un­tersuchungsgegenstand betrifft; aber sei’s drum: Wir haben den Verfassungsgerichts­hof als unabhängige Instanz in dieser Frage, er wird darüber urteilen, und wir werden dann besser Bescheid wissen, was Sache ist. Ich bin mir sehr sicher, dass der Ver­fassungsgerichtshof uns recht geben wird und nicht euch, aber wenn es anders ist und ihr gewinnt, dann wissen wir es genauso. (Abg. Krisper: Gut verzögert!)

Fakt ist: Dieser Untersuchungsausschuss wird zu arbeiten beginnen. Wir werden ihn konstituieren. Die ersten Aktenlieferungen werden bis 19. Februar abzuschließen sein, und dann werden wir ihn einsetzen und alle gemeinsam an der Kontrolle und Aufklä­rung arbeiten.

Weil da jetzt die ganze Zeit behauptet wird, wir würden versuchen, die ÖVP zu schützen: Also für mich ist noch überhaupt nicht geklärt, ob es nicht auch betreffend Casinos ÖVP-Involvierungen gibt. Dazu ist dieser Untersuchungsausschuss da. Da werden wir auch schauen, wer insgesamt dahintersteckt. Auch das ist alles zu unter­suchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit der Abg. Krisper. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Transparenz ist in der DNA unserer Partei. (Abg. Schellhorn: Geh! – Zwischenruf der Abg. Greiner.) Wir haben in dieses Regierungsprogramm das Informationsfreiheitsge­setz reinverhandelt, wir haben ein Transparenzpaket reinverhandelt, was vor ein paar Wochen noch völlig unvorstellbar war. In dieser Frage stellen wir uns jetzt auf den Standpunkt, dass wir rechtlich klären wollen, was zulässig ist. Das soll der Verfas­sungsgerichtshof als höchste Instanz beurteilen, und danach können wir alle gut weiterarbeiten. Das tun wir auch, um der potenziellen Aushöhlung des Instruments, für das wir jahrelang gekämpft haben, entgegenzuwirken (Präsidentin Bures gibt das Glo­ckenzeichen), denn wenn in Zukunft hinsichtlich eines Untersuchungsausschusses ein­fach gesagt werden kann: Wir haben einen Verdacht, wir überprüfen einfach 100 Pro­zent der Gebarung!, dann ist gezielte Aufklärung nicht mehr möglich. Für eine solche Aushöhlung stehen wir nicht zur Verfügung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.16



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 75

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak zu Wort. – Bitte.


13.16.50

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Was ich in diesem Hohen Haus wirklich nicht vermisst habe, ist die moralische Überheblichkeit der Grünen. Frau Klub­obfrau Maurer hat es gerade wieder unter Beweis gestellt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Man muss nämlich die Geschichte ernsthaft und richtig erzählen. Die Grünen tun jetzt so, als ob sie die Einzigen gewesen wären, die den U-Ausschuss als Minderheitsrecht durchgesetzt haben. (Abg. Maurer: Ihr wart da aber nicht dabei!) – Wir waren da nicht dabei, sagt Frau Kollegin Maurer. Das ist offensichtlich geschichtlich schwierig. Also zur Genese: Als es um die Hypo-Verstaatlichung und die Frage ging, wie man das aufklärt, haben vier Oppositionsparteien gemeinsam, nämlich die FPÖ, die Grünen, das Team Stronach und wir, über Monate gemeinsam einen Untersuchungsausschuss gefordert, mit ganz vielen Menschen, Österreicherinnen und Österreichern, die ihn ebenfalls gefordert haben. Das Ergebnis war, dass es dann zu einer Arbeitsgruppe ge­kommen ist, die über das Thema U-Ausschuss als Minderheitsrecht verhandelt hat.

Jetzt kann man darüber diskutieren, wer dort federführend dabei war, wer die ganze Zeit dabei war. Ich war nur in Teilen dabei, das ist richtig. Es waren aber jedenfalls nicht nur die Grünen alleine, sondern auch der ehemalige Abgeordnete Gernot Dar­mann hat das sehr intensiv mitverhandelt. Es ist also einigermaßen lächerlich, sich hierherzustellen und so etwas zu behaupten. Selbst wenn man glaubt, dass es die Grünen die ganzen Jahre alleine gefordert haben, muss man sagen: Es hat offensicht­lich so lange gebraucht, bis die NEOS im Parlament waren, dass es endlich eingeführt wurde. Ihr habt lange gekämpft, ihr habt Hilfe gebraucht. (Beifall bei den NEOS. – Oh-Rufe bei den Grünen.)

Wie Klubobmann Wöginger angesprochen hat, haben wir uns in der Präsidiale auf et­was geeinigt, das ist vollkommen richtig, das haben wir getan, so wie immer, nämlich auf eine Tagesordnung. Das Problem ist nur: Seither ist etwas passiert.

Ich habe jetzt noch einmal das Taferl von Herrn Kollegen Leichtfried mitgenommen, weil man es vorhin nicht so gut lesen konnte – ich bin ein schlechter Maler, muss ich dazusagen, aber ich habe es probiert (eine Tafel in die Höhe haltend, auf der unter der Überschrift „Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegen­stands“ Text in schwarzer und grüner Schrift zu lesen ist; der Text in grüner Schrift ist von pinkfarbenen Klammern umgeben): Das, die ganze Seite, ist der ursprüngliche Un­tersuchungsgegenstand. Was die Grünen gemeinsam mit der ÖVP herauszustreichen versucht haben, ist all das, was Sie in den pinken Klammern sehen.

Das heißt, es wird nicht mehr viel untersucht werden, weil die Grünen der ÖVP offen­sichtlich die Mauer machen. Die Begünstigung von Dritten soll nicht mehr untersucht werden, die Neustrukturierung der Finanzaufsicht, alles im Zusammenhang mit Ibiza – dank der Grünen haben wir unter Umständen einen Ibiza-Untersuchungsausschuss ohne Ibiza! Was die Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen betrifft, soll nur die Bestellung von Herrn Schmid untersucht werden; der Verdacht des Gesetzeskaufs soll nicht untersucht werden.

Das ist der Grund dafür, dass wir jetzt hier stehen und diese Einwendungsdebatte führen: weil wir, genauso wie die SPÖ, der Meinung sind, dass man das früher disku­tieren sollte. Kollege Hafenecker hat gemeint, wir sollen uns nicht die Zeit stehlen und inhaltlich debattieren: Na ja, wir wissen ja schon, dass die Grünen wiederum das ma­chen werden, was ihr Koalitionspartner, die ÖVP, sich wünscht, dass wir die Tagesord­nung nicht umstellen werden; und deswegen muss man jetzt schon inhaltlich disku­tieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 76

Wieso ist das Ganze so skurril? – Frau Kollegin Maurer ist zutiefst davon überzeugt, dass das alles nicht passt und dass das nicht verfassungskonform ist und nicht dem Gesetz entspricht. Ich finde das spannend. Man kann ja dieser Meinung sein, man muss aber auch dazusagen, dass wirklich namhafte Verfassungsjuristen – und Sigi, du bist, glaube ich, keine Verfassungsjuristin – der Meinung sind, dass dieser Untersu­chungsgegenstand natürlich in sich abgeschlossen ist; jetzt gerade wieder nachzule­sen bei Professor Mayer und Professor Öhlinger, und das sind die Verfassungsrechts­koryphäen Österreichs.

Der Punkt ist aber, dass ich nicht verstehe, wie man auch politisch der Meinung sein kann, dass es nicht zusammenhängend ist. Wenn ihr euch gemeinsam das Ibizavideo angeschaut habt, dann hat man gesehen: Dort geht es in erster Linie darum, dass alles gemeinsam versprochen wird. Wie laufen denn solche Personaldeals? Es ist naiv, zu glauben, dass man sich einmal ausgemacht hat: Du kriegst den Posten, du kriegst den!, sondern es ist ein gesamtes Paket. Das ist ja die gesamte Geschichte dahinter.

Wenn man sich die Strache-SMS durchliest, in denen er schreibt: Ihr kriegt den Posten (Zwischenruf der Abg. Maurer), ihr kriegt den!, sieht man: Es ist immer ein gesamtes Paket. Man kann nicht einen Teil rausnehmen, weil man der Meinung ist, man will es halt nicht untersuchen, sondern insgesamt ist die Frage, was unter Schwarz-Blau unter Umständen an Personaldeals, an Gesetzeskauf passiert ist. Deswegen muss man es als Ganzes untersuchen und nicht den Untersuchungsgegenstand filetieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Der Verfassungsgerichtshof wird nun entscheiden. Ich hoffe – und bin überzeugt da­von –, dass er in unserem Sinne entscheiden wird. Was ich am spannendsten finde, und das ist der eigentliche Treppenwitz der Geschichte: Es ist ja nicht so, dass die Grünen der ÖVP die Mauer machen. Die Grünen sind wieder ins österreichische Par­lament eingezogen, um der FPÖ – ihrem größten Erzfeind – die Mauer zu machen und nicht mehr aufzuklären, was die FPÖ eventuell für Personaldeals gemacht hat. (Abg. Maurer: Wer jetzt?) Das ist der absurdeste Treppenwitz bei der ganzen Geschichte. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

13.21


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer zu Wort ge­meldet. – Bitte.


13.21.32

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe, dass man die Tagesordnung so gestalten will, dass diese Diskussion möglichst knapp gegen Mitternacht stattfindet (Abg. Maurer: Das war ... mit euch!), weil sie natürlich unangenehm ist. (Ruf bei der ÖVP: Für die SPÖ vor allem!)

Wir erleben heute einen schwarzen Tag für den Parlamentarismus, einen schwarzen Tag für die Kontrollkompetenz des Parlaments, für Untersuchungsausschüsse und vor allem einen schwarzen Tag für das Minderheitsrecht im Parlament. Dieser Tag ist ein schwarzer Tag für den Parlamentarismus. – Danke dafür, liebe Grüne! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Die ÖVP war immer gegen das Minderheitsrecht. Seitdem es hier beschlossen worden ist, haben sie immer versucht, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen. Das Einzige, was am Verfassungsgerichtshof passieren kann, ist, dass das Recht nicht mehr poli­tisch entschieden wird – dass es politisch legitim ist, Sachen zu untersuchen –, son­dern dass es rechtlich beschnitten wird. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Das ist das Einzige, was dort passieren kann.

Die ÖVP hat auch schon beim Hypo-Untersuchungsausschuss gesagt: Wir sollten zum Verfassungsgerichtshof gehen, denn es gibt rechtliche Bedenken, ob das überhaupt


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verfassungsmäßig ist oder nicht. – Das ist ja nicht unwahr, dass es diese Bedenken gegeben hat. Wir haben gesagt: Nein, das ist keine rechtliche Frage, es ist eine politi­sche Frage! – Und es ist natürlich politisch legitim, die Hypo zu untersuchen, deswe­gen haben wir als SPÖ es abgelehnt, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen.

Was jetzt passiert ist: Es gibt wieder ein Gutachten. Ich weiß nicht, ob Sie das Gutach­ten überhaupt genau gelesen haben, da steht nämlich genau das drinnen: dass der Hypo-Untersuchungsausschuss eigentlich schon wider die Verfassung war. Es war aber eine politische und nicht eine rechtliche Entscheidung, zu sagen: Da soll man un­tersuchen dürfen! – Das, was Sie heute machen, ist, die politische Entscheidung zu treffen: Ibiza und gekaufte Politik dürfen nicht untersucht werden. Das ist die politische Entscheidung der Grünen. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Die Grünen vor der Wahl (der Redner stellt eine Tafel mit einem Wahlplakat der Grü­nen mit der Aufschrift „Wen würde der Anstand wählen? 29. September: Zurück zu den Grünen“ vor dem Hintergrund eines Bildes aus dem Ibizavideo auf das Rednerpult): „Wen würde der Anstand wählen?“ – Der Anstand, vor der Wahl; hier (auf die Tafel weisend) ist Ibiza! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie sagen selber: Wer Ibiza aufklären will, der muss anständig sein und die Grünen wählen!

Was ist jetzt – ein paar Monate später, nicht ein paar Jahre später – die Praxis? – Die Evolution des Taferls (der Redner stellt eine mit Text bedruckte Tafel auf das Redner­pult, wobei Teile des Textes grün hinterlegt sind): Jetzt sehen wir, Grün ist nicht der Anstand, Grün ist die Zensur. Das ist unser Antrag (Beifall bei SPÖ und NEOS), hier sehen Sie die Zensur der Grünen. Sagen Sie uns nicht, das ist eine rechtliche Frage! Nein, es ist die politische Entscheidung der Grünen, zu sagen: Diese Teile (auf die Tafel weisend) dürft Ihr nicht untersuchen! Sie sagen: Nur die Teile, die wir zulassen, dürft ihr untersuchen; vielleicht lässt euch der Verfassungsgerichtshof die anderen Tei­le auch ansehen!

Grün ist nicht die Farbe des Anstandes. Grün ist nicht die Farbe der Kontrolle. Grün ist ab heute die Farbe der politischen Zensur und des Zudeckens. – Das ist das, was Sie hier machen! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Grün ist auch die Farbe der Willkür, nicht nur, wenn es um die Willkürhaft geht, son­dern auch, wenn es ums Untersuchungsrecht geht. Die Grünen sagen, dass jeder ein­zelne Punkt an und für sich untersuchungswürdig wäre, jeder einzelne. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Ihr entscheidet aber vollkommen willkürlich, welchen wir untersu­chen dürfen. Sie hätten auch das (auf die Tafel weisend), was weiß ist, streichen und das andere stehen lassen können. Das wäre dann nach Ihrer Sicht auch verfassungs­konform gewesen. Grün ist die Farbe der Willkür, nicht nur, wenn es um die Willkürhaft geht, sondern auch, wenn es um die Frage geht, was in diesem Parlament untersucht werden darf und was nicht. – Sie sollten sich eigentlich schämen! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Wurm: War diesmal ei­ne gute Rede!)

13.26


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl. – Bitte.


13.26.44

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Hohes Haus! Es war während der Koa­lition mit der SPÖ, als wir gemeinsam dieses Recht für die Minderheit, einen Untersu­chungseinschuss einzusetzen, beschlossen haben – gemeinsam, Herr Kollege Krainer! Gemeinsam haben wir festgelegt, dass man nicht als politische Partei entscheidet, was verfassungskonform ist, sondern dass wir das aus der politischen Diskussion raushal­ten wollen.


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Bei uns, in einem Rechtsstaat, in der Demokratie ist der Verfassungsgerichtshof für die Entscheidung zuständig, was verfassungskonform ist, und nicht eine politische Mehr­heit, auch nicht eine politische Minderheit, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Sie können einen Dienst an der Demokratie leisten, indem Sie den Verfassungsge­richtshof in Ruhe entscheiden lassen. Das wäre das, womit Sie heute einen Dienst für den Parlamentarismus leisten, und nicht, indem Sie von den Menschen verlangen, dass sie die Gesetze und die Verfassung einhalten, aber sich selbst nicht daran halten wollen, Herr Kollege Krainer. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.28

13.28.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die den Einwendungen Rechnung tragen wollen – das heißt für die Vorreihung des TOP 10 als TOP 1 sind –, um ein Zeichen der Zustimmung zu dieser Vorreihung. – Das ist die Minderheit und somit bleibt es bei der ausgege­benen Tagesordnung für diese heutige Sitzung.

13.28.53Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 494/J bis 576/J

2. Anfragebeantwortungen: 214/AB bis 234/AB

3. Anträge:

Zurückziehung des Verlangens auf erste Lesung binnen drei Monaten:

Zu 26/A bis Zu 28/A, Zu 31/A, Zu 34/A, Zu 35/A, Zu 57/A, Zu 76/A, Zu 79/A, Zu 81/A, Zu 90/A, Zu 108/A

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen der Landespolizeidirektion Wien, GZ. PAD/19/2387422/2, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Michel Reimon, MBA

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 5 betreffend "Verordnung eines mautfreien Autobahnabschnittes der A9 zwischen Wildon und Graz", überreicht vom Abgeordneten Walter Rauch

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 79/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienst­vertrag der Privatangestellten (Angestelltengesetz) geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 79

Antrag 90/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das das Bundesgesetz vom 11. Mai 1921 über den Dienstvertrag der Privatangestellten (Angestelltengesetz) geändert wird

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 76/A der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 2. April 1952 über die Schaf­fung von Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, das Bundesgesetz über die Verleihung von Bundes-Ehrenzeichen (Bundes-Ehrenzeichengesetz) sowie das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung eines Österreichischen Eh­renzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst geändert werden (Ehrenzeichenrechtsänderungsgesetz)

Verfassungsausschuss:

Antrag 26/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 27/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 28/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 31/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 34/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 35/A der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzie­rung politischer Parteien (Parteiengesetz 2012 – PartG) geändert wird

Antrag 57/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geän­dert wird (Vorabprüfung von Staatsverträgen)

Antrag 81/A der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

Antrag 108/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zahl, den Wirkungs­bereich und die Einrichtung der Bundesministerien (Bundesministeriengesetz 1986 – BMG) und das Bundesgesetz über die Ausschreibung bestimmter Funktionen und Arbeitsplätze sowie die Besetzung von Planstellen im Bundesdienst und über die Änderung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (Ausschreibungsgesetz 1989 – AusG) geändert werden

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 80

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Doris Bures: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Vertreten wird die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. ab Mittag durch den Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Doris Bures: Der Klub der NEOS hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 576/J der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolle­ginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Aufzeigen von Missständen in der österreichischen Bildungspolitik“ dring­lich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung der Dringlichen Anfrage frühes­tens 3 Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, also um 16.30 Uhr, erfolgen.

Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Herr Abgeordneter Hermann Brückl, MA beantragt hat, dem Unterrichtsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 174/A der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulunterrichtsgesetz eine Frist bis 26. Februar 2020 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 156, SPÖ 108, FPÖ 88, Grüne 80 sowie NEOS 64 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten, darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargelegten Redezeiten.

Ich bitte die Damen und Herren um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 81

13.32.041. Punkt

Wahl einer Ordnerin/eines Ordners


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es folgt ein kurzer Wahlvorgang.

Aufgrund der Verzichtserklärung von Frau Abgeordneter Sigrid Maurer, BA ist die Wahl eines Ordners/einer Ordnerin vorzunehmen. Der Vorschlag des Grünen Klubs für den zu wählenden Ordner lautet auf Herrn Abgeordneten Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich im Sinne des § 87 Abs. 7 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung hierüber nicht mittels Stimmzettel, sondern durch Aufstehen und Sitzenbleiben abstimmen lassen.

Erhebt sich gegen diese Vorgangsweise ein Einwand? – Das scheint nicht der Fall zu sein, daher werde ich auch so vorgehen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Damen und Herren Abgeordneten, die sich für den Vorschlag, Herrn Abgeordneten Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA zum Ordner zu wählen, aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Abg. Jakob Schwarz nimmt die Wahl an.)

*****

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

13.33.252. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Cyber-Vorfälle im BMEIA“


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden, ausreichend unterstützten Verlangen eine Debatte statt­finden.

Ich begrüße die beiden Herren Bundesminister und erteile dem Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres das Wort. – Bitte, Herr Minister.


13.34.07

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M.: Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es war mir ein persön­liches Anliegen, diese Gelegenheit zu nützen, um Sie heute über den aktuellen Stand des laufenden Angriffs auf das IT-System des Außenministeriums zu informieren. Es handelt sich nämlich tatsächlich um einen massiven Angriff auf unser IT-System. Lei­der sind ja solche Attacken, die sich manchmal auch über längere Zeiträume hinweg ziehen können, heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Mehrere andere Mitglied­staaten waren bereits mit ähnlichen Angriffen konfrontiert und auch nicht staatliche Ein-


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richtungen und Firmen sind davor nicht gefeit und regelmäßig Gegenstand solcher Vor­fälle.

Nach unserem heutigen Wissensstand handelt es sich bei diesem laufenden Angriff um eine gezielte Cyberattacke gegen das Außenministerium mit dem Ziel der Informa­tionsbeschaffung.

Mir ist es dabei wichtig, gleich zu Beginn zwei wesentliche Punkte klarzustellen:

Erstens: Es konnte bis jetzt kein Abfluss von Informationen aus dem Außenministerium festgestellt werden.

Zweitens: Zu keinem Zeitpunkt war die Funktionsfähigkeit unserer weltweiten konsula­rischen Dienstleistungen gefährdet.

Das heißt, die Services des Außenministeriums für die Bürgerinnen und Bürger – sei es an den Botschaften und Konsulaten, sei es auf der Homepage, sei es via Mail oder in den verschiedenen Apps auf den Handys – waren und sind sicher.

Ich kann Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, heute folgenden Über­blick über das bisherige Geschehen geben: Am 3. Januar ist der Angriff auf das interne IT-System des Außenministeriums bekannt geworden. Oft laufen solche Angriffe ja zum Teil tage-, wochen- oder sogar monatelang unbemerkt, bevor man überhaupt drauf­kommt. In diesem Fall hatten wir aber das Glück, dass das IT-Team des Außenministe­riums binnen weniger Tage diesen Angriff erkannt und umgehend Gegenmaßnahmen eingeleitet hat. Seit Bekanntwerden der Angriffe arbeitet ein großes Team aus mehre­ren Dutzend Expertinnen und Experten rund um die Uhr und mit Hochdruck daran, die­sen Angriff abzuwehren und die volle Datensicherheit wiederherzustellen.

Dabei steht das Außenministerium aber nicht alleine da. Von Anfang an arbeiteten die Fachleute aus meinem Haus mit den Expertinnen und Experten des Innenministeriums, der Landesverteidigung sowie des Bundeskanzleramtes engstens zusammen, wobei wir auch externe Experten hinzugezogen haben. Dieses ministeriumsübergreifende Team arbeitet nun seit über zwei Wochen rund um die Uhr, muss man sagen, und unermüd­lich an der Lösung der Situation. Ich konnte mich auch selbst davon überzeugen, wie gut diese Zusammenarbeit zwischen den Bundesstellen funktioniert.

Erlauben Sie mir daher, dass ich an dieser Stelle nicht nur den Expertinnen und Exper­ten aus meinem Haus, sondern vor allem auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller involvierten Dienststellen, insbesondere des Innenministeriums, des Verteidi­gungsministeriums und des Bundeskanzleramtes, meinen ganz herzlichen Dank für die wirklich beeindruckende Arbeit und den großen Einsatz, den sie hier zeigen, ausspre­che. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gerade in diesem Fall zeigt es sich wieder, dass Sicherheit eben doch eine Quer­schnittsmaterie ist – Sicherheit betrifft uns alle – und dass gerade in unserer digitali­sierten Welt eine enge Kooperation bei der Abwehr von Cyberattacken einfach uner­lässlich ist. Für dieses vernetzte Vorgehen gibt uns das Netz- und Informationssystem­sicherheitsgesetz den Rahmen vor. Ein interministerieller Koordinationsausschuss wur­de zur Beratung über die operativen Maßnahmen zur Bewältigung des Vorfalls einge­richtet. Ein Technikerstab wurde gebildet, der von unterschiedlichen Ministerien be­schickt wird. Da auch die Daten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Außenminis­teriums von diesem Vorfall betroffen sein können, wurden sie entsprechend den Be­stimmungen des Datenschutzgesetzes über den Vorfall informiert, damit sie selber ent­sprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen können. Ebenso wurde sicherheitshalber auch die Datenschutzbehörde eingeschaltet.

Selbstverständlich haben wir auch die europäische Ebene eingeschaltet. Auf Ebene der Europäischen Union wurde der Vorfall umgehend dem EU Rapid Alert System ge-


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meldet. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass wir bei diesem Vorfall – und bei ei­nem Vorfall dieser Größe selbstverständlich – auch eng mit unseren EU-Partnern zu­sammenarbeiten. Ich möchte mich daher an dieser Stelle ausdrücklich für die große Unterstützung bedanken, die wir von anderen Mitgliedstaaten bei diesem Vorfall erhal­ten haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Unsere Expertinnen und Experten arbeiten dabei nicht nur daran, den unmittelbaren Angriff abzuwehren und einzudämmen, sie arbeiten natürlich auch daran, Klarheit über die Hintergründe und die Herkunft des Angriffs zu kriegen. Derzeit, das muss ich ganz offen sagen, liegen aber noch nicht genügend greifbare Anhaltspunkte vor, um klar in eine Richtung zeigen zu können, um völlig zweifelsfrei und klar von einer Urheber­schaft zu sprechen.

Mitte Februar wird sich hier im Hohen Haus der Ständige Unterausschuss des Innen­ausschusses mit dieser Cyberattacke befassen. Dort werden Innenminister Karl Ne­hammer und ich selbst die jüngsten Entwicklungen darstellen, die neuesten Informa­tionen mit Ihnen teilen und weitere Aspekte dieses Vorfalls erörtern. Ich ersuche Sie aber um Verständnis, dass ich aus technischen und vor allem aus ermittlungstakti­schen Gründen derzeit keine weiteren Details bekannt geben kann.

Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes klarstellen: Die Löscharbeiten laufen sehr intensiv und hochprofessionell, aber noch können wir nicht Brand gelöscht mel­den. Die staatlichen Sicherheitsnetzwerke haben sich insgesamt bewährt. Nach der ra­schen Entdeckung des Angriffs arbeiten die Expertinnen und Experten nun mit Hoch­druck an der Eindämmung der Folgen.

Drittens, und das ist mir sehr wichtig: Die Services, die Dienstleistungen des Außenmi­nisteriums für die Bürgerinnen und Bürger, von der Ausstellung von Notpässen bei den Konsulaten und Botschaften bis zu den Reisewarnungen auf unserer Homepage, wa­ren zu jedem Zeitpunkt gesichert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Wir gehen aber im vorliegenden Fall auch über das unmittelbare Krisenmanagement hinaus. Wir nützen diesen Vorfall auch, um wichtige Lehren für die künftige Sicher­heitsarchitektur aller Bundesstellen zu gewinnen. Heute ist das Außenministerium be­troffen, aber es gilt, die richtigen Schlüsse zu ziehen, um künftig alle Bundeseinrichtun­gen noch besser schützen zu können.

Die in den letzten Tagen und Wochen gewonnenen Erfahrungen liefern uns dabei wichtige Erkenntnisse. Sie erlauben es, Verbesserungen für die IT-Sicherheit und das IT-Krisenmanagement des gesamten Bundesdienstes vorzunehmen, um sicherzustel­len, dass stets alle Dienstleistungen der öffentlichen Hand auf IT-Ebene, die die Bür­gerinnen und Bürger völlig zu Recht erwarten und von uns verlangen, immer zur Ver­fügung stehen und auch künftig wirklich gesichert sind. – Ich danke Ihnen für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.41


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gehen gleich in die Debatte über die Erklärung ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


13.41.35

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzter Herr Außenminister! Geschätzter Herr Innenminister! Ja, ich halte es für wichtig, dass Sie heute hier im Hohen Haus diese Erklärung über die Cyberattacke in Ihrem Ministerium abgeben. Ich habe mir allerdings von Ihrer heutigen Erklärung ein bisschen mehr erwartet, nämlich mehr inhaltliche Details. Ich hätte mir


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erwartet, dass man hier im Hohen Haus ganz klar sagt, wer hinter dieser Cyberattacke steckt und was die Hintergründe sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kickl und Steinacker. – Abg. Ernst-Dziedzic: ... Sicherheitsrisiko!)

Ich bin der Meinung, dass es auch Zeit wurde, dass Sie dem Hohen Haus berichten, denn es ist immerhin schon ein guter Monat vergangen, seit man erste Erkenntnisse gewonnen hat. Das war, glaube ich, Ende Dezember und Anfang Jänner ist es dann öffentlich geworden.

Inzwischen gab es nur das an Informationen – ob diese nun stimmen oder nicht –, was in den Medien kolportiert wurde. Dieser Vorfall zeigt aber ganz deutlich, dass es sich da nicht um irgendwelche theoretischen Szenarien handelt, sondern dass diese Cyber­attacken eine große Bedrohung sind, und dass wir diese Cyberbedrohungen auf kei­nen Fall unterschätzen dürfen. Die Bedrohungen für unsere Infrastruktur werden näm­lich nicht weniger, sondern mehr, weil es natürlich zu einer immer stärkeren Vernet­zung kommt.

Die entscheidende Frage wird sein: Wie reagieren wir, oder welche Schlüsse ziehen wir aus so einer Cyberattacke? Wo setzen wir an? Was sind die Erkenntnisse? Wie fließen die Erkenntnisse, die man jetzt gewonnen hat, in zukünftige Aktionen zur Ab­wehr solcher Sicherheitslücken und Cyberattacken ein?

Da kann man positiv anmerken, dass im Regierungsprogramm das Thema Cybersi­cherheit detaillierter ausgeführt ist als das eine oder andere in diesem Regierungspro­gramm, allerdings auch nicht mit einem Finanzierungsprogramm, mit klaren Zielset­zungen, wann eine Umsetzung erfolgen sollte, hinterlegt. Das fehlt dann wieder im Re­gierungsprogramm. Es ist einerseits ein guter Ansatz, gute Punktationen, gute Zwi­schenüberschriften, aber die Details fehlen.

Wenn das Budget da ist, werden wir dann ganz genau schauen müssen, ob überhaupt genug Geld für das Personal und für die Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden da ist, dass wir dann auch so ein Cybersicherheitszentrum haben können, denn es braucht eine Vernetzung, wie Sie sagen. Es ist eine Querschnittsmaterie, und es braucht eine Vernetzung aller möglichen staatlichen Stellen, damit wir bestmöglich ge­sichert sind.

Es braucht auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Es sind nämlich nicht nur die staatlichen Stellen betroffen, sondern auch die Wirtschaft, und da müssen wir schauen, dass wir gut zusammenarbeiten, die staatlichen Stellen mit der Privatwirtschaft, um möglichst viel Know-how in diesen Bereich zu bekommen und zukünftig entsprechend gut dazustehen.

Es braucht also einerseits Unterstützung von unserer Seite für Maßnahmen, die im Regierungsprogramm angeführt sind, und andererseits werden wir ganz genau darauf achten, ob es realistisch ist, dass sie dann auch im Budget so abgebildet werden, dass sie wirklich umgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.45


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Himmelbauer zu Wort. – Bitte.


13.45.07

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank starten, nämlich an den Herrn Bundesminister für seinen Bericht heute hier vor dem Hohen Haus. Ich darf allen Sicherheitsexperten, die sich in den letzten Tagen im Außenminis­terium um die Schadenseindämmung bemüht haben und gleichzeitig auch dafür Sorge tragen, dass die Services des Außenministeriums allen Bürgerinnen und Bürgern aus-


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nahmslos zur Verfügung stehen, herzlich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Cybersicherheit beschäftigt uns nicht erst seit Kurzem oder seit dem letzten Jahr, in dem einige auch uns betreffende Angriffe stattgefunden haben. Wir sehen dabei oft nur die Spitze des Eisbergs. Angriffe auf die IT-Systeme von Firmen, NGOs oder öffentli­chen Einrichtungen stehen an der Tagesordnung.

Erst vor Kurzem wurde ein Krankenhaus in Tschechien durch eine Erpressersoftware lahmgelegt – ein Schaden vor allem für die Patientinnen und Patienten. Ebenso ist 30 Stunden lang ein Hafen in den USA stillgestanden, weil eine genau solche Schad­software Daten verschlüsselt hat, weshalb der Frachttransfer nicht stattfinden konnte.

Wir erinnern uns an 2015, als der Deutsche Bundestag angegriffen wurde. Damals ha­ben sich Expertinnen und Experten monatelang bemüht, die Lage in den Griff zu be­kommen, was im Endeffekt dazu geführt hat, dass rund 20 000 PCs entsorgt werden mussten, weil bis zum Schluss nicht sichergestellt werden konnte, dass die Schad­software wirklich von den Geräten verschwunden ist.

In Österreich wurde 2016 ein Flughafen mit einer Vielzahl von digitalen Anfragen kon­frontiert, nämlich mit der Zielsetzung, die Systeme zu überlasten. Das wäre verheerend gewesen, wenn es tatsächlich möglich gewesen wäre.

Weiters sind natürlich die Angriffe im vergangenen Jahr vor allem auf politische Par­teien zu erwähnen, nämlich auf uns, die ÖVP, aber auch auf die SPÖ. Trotz der Tat­sache, dass vieles passiert, um solche Attacken abzuwehren, muss man jedes Mal aufs Neue feststellen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit im IT-Bereich gibt. Selbst als kleines und neutrales Land sind wir Ziel von Angriffen.

Es ist eine große Herausforderung, es ist vor allem ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Angreifer und Verteidiger der IT-Infrastruktur; wenn mehr oder weniger professionelle Angreifer Schadsoftwares in die Systeme einschleusen, dann breiten sich diese wie Krebsgeschwüre aus und trotz Behandlung kann es zu erneutem Befall kommen, wenn nicht alle Krebszellen erwischt werden. Das macht es besonders schwierig, des Pro­blems Herr zu werden.

Was vielleicht noch erschreckender ist: Man muss heute keineswegs ein Profi in die­sem Bereich sein, um angreifen zu können. Um 225 Dollar erhalten Sie Erpresser­software, um 60 Dollar pro Stunde erhalten Sie eine DDOS-Attacke auf einen Server Ihrer Wahl. Sie brauchen nur mit dem Finger zu zeigen.

Cybercrime as a service, aber auch eigene Hackertruppen werden von kriminellen Or­ganisationen, aber auch von Staaten eingesetzt, um deren Zwecke zu verfolgen.

Um dieser steigenden Gefahrenlage zu begegnen ist es besonders wichtig, zusam­menzuarbeiten. Das tun im aktuellen Fall die Expertinnen und Experten im Außenmi­nisterium mit jenen aus den Fachabteilungen für Cybersicherheit im Innenministerium und der Landesverteidigung, aber auch mit externen Sicherheitsunternehmen, und vor allem auch mit der europäischen Ebene, mit unseren Partnern in den EU-Mitglied­staaten.

Grundlage dafür – das hat der Herr Minister erwähnt – ist das 2018 beschlossene Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz, das eben ein Mehr an Zusammenar­beit fördert, auch auf EU-Ebene, und eine verbesserte Datenlage ermöglicht, um Ab­hilfemaßnahmen zu steuern.

Wir wissen aber, dass es in Österreich noch einiges zu tun gibt, dem wir uns auch in diesem Regierungsprogramm 2020 bis 2024 widmen. Wir wissen, es gibt in Österreich einen großen Mangel an IT-Fachkräften. Dieser besteht in vielen IT-Bereichen, aber


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auch im Bereich der Cybersicherheit. Daher wollen wir die Ausbildung stärken. Wir wollen vor allem junge Frauen motivieren, in diesem Bereich Fuß zu fassen, und wir wollen neue Angebote schaffen, beispielsweise eine Höhere Technische Lehranstalt für Cybersecurity.

Wir setzen Ausbildungsschwerpunkte im öffentlichen Dienst, insbesondere in der Exe­kutive, Spezialisierungen bei der Polizei hinsichtlich Cyberkriminalität in Richtung Cy­bercops und wir wollen die regionalen Ansprechpersonen in den einzelnen Bezirken ausbauen und stärken.

Wir wollen IT-Spezialistinnen und -Spezialisten durch Stipendiensysteme auch in den öffentlichen Dienst bekommen und sie langfristig bei uns binden.

Wir müssen außerdem präventiv handeln, das heißt, dass wir über Gefahren und die Möglichkeiten, sich zu schützen, aufklären. Zentral ist ebenfalls, die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich auszubauen, gemeinsam mit unseren Partnern an den Universitäten, aber auch in außeruniversitären Institutionen.

Wir müssen mutig sein, wenn es um einheitliche Sicherheitsstandards geht, gerade in interdisziplinären Feldern: 5G, künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Ähnliches.

In den letzten Wochen wurde vor allem auch viel darüber diskutiert, wer hinter dem Angriff auf das Außenministerium steckt. Ich habe schon versucht, zu verdeutlichen, wieso es auch so schwierig ist, das herauszufinden. Im ersten Moment ist natürlich die Reinigung der Systeme notwendig, es müssen die Services aufrechterhalten werden, und das bedeutet auch Zeit. Man sieht auch am Beispiel Deutschland, wie lange das dort gedauert hat.

Ich sehe auch, ohne die notwendige Beweislage ist heute nicht der Zeitpunkt, um über die Angreifer zu spekulieren oder sich auch die Frage zu stellen, ob der Angriff politisch motiviert war. Ich möchte aber klarstellen, dass sich die Politik, dass wir uns, egal, ob wir Abgeordnete hier oder die Bundesregierung, selbst wenn es staatliche Akteure wa­ren, selbst wenn der Angriff politisch motiviert ist, nicht davon abschrecken lassen und uns auch nicht Angst machen lassen werden. Wir werden auch weiterhin unsere Mei­nung sagen und wir werden auch weiterhin zu unserer Meinung stehen, in unserer Ver­antwortung für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.


13.51.47

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister, Sie haben uns erklärt, welche Bereiche im Rahmen Ihres Ministeriums trotz des Angriffes intakt geblieben sind. Das ist erfreulich, aber dennoch müssen wir feststellen, dass nichts sicher ist. Es ist nichts sicher in der Verwaltung und in allen Bereichen, die wir heute über das Netz verarbei­ten und über das Netz überhaupt gestalten können – in Ihrem Ministerium nicht, und in den anderen Ministerien auch nicht.

Ich kann dazu erklären, dass wir Freiheitliche dieses Thema schon im Rahmen unserer Regierungsbeteiligung mit der ÖVP als ein zentrales erkannt haben, unsere damaligen Minister Kickl und Kunasek ja in den entscheidenden operativen Bereichen, nämlich im Landesverteidigungs- und im Innenministerium, tätig waren und erkannt haben, wie wichtig es ist, dass man diese gesamtstaatliche Aufgabe neu aufstellt und neu organi­siert.

Ich lese das auch in Ihrem Regierungsprogramm, im Regierungsprogramm der neuen, türkis-grünen Regierung, und ich möchte vor allem Sie, Herr Außenminister, als Opfer,


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aber auch den Herrn Innenminister, der heute dankenswerterweise neben Ihnen sitzt, als einer, der in diesem Bereich, was die Cyberkriminalität und die Cyberdefence an­langt, eine operative Ebene in der Hand hat, auffordern, dieses Thema sehr ernst zu nehmen. Wir müssen nämlich diese gesamte Cyberkriminalität, aber auch den Cyber­defencebereich in der Republik Österreich neu aufstellen und auf neue Beine stellen.

Es muss uns gelingen, eine gesamtstaatliche Kooperation zu begründen. Wir müssen eine Aktualisierung der Österreichischen Strategie für Cyber-Sicherheit erwirken, und zwar möglichst rasch. Wir haben das gesehen: Dieser Angriff kam vollkommen überra­schend, niemand hat damit gerechnet, und die Dauer dieses Angriffes ist doch be­achtlich. Er wird erhebliche Schäden zurücklassen, und wir werden doch auch erheb­liche Kräfte aufwenden müssen, um das Ganze zu beseitigen.

Ich möchte Sie deshalb vonseiten der Freiheitlichen aufmuntern und auch auffordern, in diesen Bereichen vermehrt tätig zu sein. Sie sollten den Aufbau eines Cybersicher­heitszentrums in die Wege leiten. Sie sollten auch ein Cybersicherheitssystem auf­bauen. Es sollten im Bundeskanzleramt, das, würde ich sagen, jene Stelle ist, die das vernünftigerweise koordiniert, alle Ministerien zusammengefasst werden, nicht nur das Innen- und das Verteidigungsministerium, sondern alle Bereiche, die gefährdet sind – und es sind alle Ministerien gefährdet –, und wir sollten daraus eine gute Zusammenar­beit entwickeln.

Ich möchte Sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass ein Bereich, nämlich das österreichische Bundesheer, in diesem Cyberbereich schon erhebliche Kompetenzen aufgebaut hat, und es ist ja auch im Rahmen der Abwehr dieses Angriffes auf Ihr Mi­nisterium, Herr Außenminister, von Bundesministerin Tanner von einem Assistenzein­satz die Rede gewesen. Wir wollen dann beleuchten, in welcher Form das erfolgt ist; wir begrüßen das.

Ich möchte Sie aber doch daran erinnern, dass das österreichische Bundesheer aus­gezeichnete Expertise hat, ausgezeichnete Experten zur Verfügung stellen kann und dass es sich geradezu anbietet, dass das österreichische Bundesheer im Rahmen des Aufbaus dieser Kompetenzen und Kapazitäten federführend tätig ist. Es bietet Spe­zialisten im Cyberbereich an – hoch spezialisierte Kräfte –, es bietet eine Einrichtung an, die in der Stiftskaserne untergebracht ist, die bereits in der Lage ist, Angriffe, die jetzt auf das Bundesheer stattfinden, in Permanenz abzuwehren. Diese Kompetenz sollten wir nützen und auch in der gesamtstaatlichen Verteidigung unseres Cyberbe­reiches einsetzen.

Meine Herren auf der Regierungsbank, ich fordere Sie auf, in diesem Bereich massiv tätig zu sein, und möchte Sie daran erinnern, dass das österreichische Bundesheer, aber auch das Innenministerium ihre Kräfte bündeln und gezielt einsetzen sollten. Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


13.56.16

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Mitglieder der Bundesregie­rung! Das ist eine ernsthafte Angelegenheit, mit der wir es da zu tun haben, und, ja, ei­ne Bedrohung. Wenn es hart auf hart geht, können solche Bedrohungen Leben kosten.

Diese Situation sollte uns an einiges erinnern, nämlich daran, dass die neuen Bedro­hungen für unsere Sicherheit im 21. Jahrhundert nicht durch Panzer und Kanonen be­kämpft werden können und dass sie nicht durch Zäune an der Grenze abgehalten wer­den, und seien diese noch so hoch; dass wir in dieser Situation nicht allein sind, son-


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dern in eine Union solidarischer Staaten, in die Europäische Union, eingebettet; dass auch wir ab und zu Hilfe ganz gut brauchen können, auch wenn wir noch so gut aus­gestattet und im internationalen Vergleich noch so reich sind, und dass wir schon deshalb so solidarisch sein sollten, anderen, gerade europäischen Staaten, wenn sie Hilfe brauchen, diese auch zu leisten; dass es, wenn wir uns international unter den Besten auf diesem Gebiet Hilfe suchen, nicht darauf ankommt, welchen Reisepass der Programmierer hat, der uns die richtige Lösung anbietet, und auch nicht darauf, ob die IT-Spezialistin, die wir dazu brauchen, ein Tuch auf dem Kopf trägt (Abg. Kickl: Da werden Sie wenige finden!), sondern nur darauf, was sie im Kopf hat. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir heute hoffentlich lebhaft über unsere unterschiedlichen Standpunkte streiten, sollten wir zwischendurch auch für die ZuseherInnen doch deutlich machen, dass wir eines gemeinsam haben, nämlich dieses kleine, wunderschöne Land, in dem wir alle leben, und dann sollten wir uns vielleicht noch daran erinnern, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und NEOS, unsere Worte sorgfältig zu wählen.

Hier war die Rede von einem Anschlag auf die Demokratie, weil aufgrund von Bestim­mungen zu Untersuchungsausschüssen einzelne Teile eines Verlangens nicht durch­gegangen sind. (Abg. Brandstötter: Das ist ein Anschlag auf die Demokratie!) Wir reden hier von einem möglichen Anschlag auf die Republik. – Das ist ein bisschen et­was anderes! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es war hier die Rede davon, dass die Opposition mundtot gemacht werden sollte. Mei­ne Damen und Herren von der SPÖ! Ich habe viele Jahre lang Oppositionelle aus vie­len Staaten vertreten, die tatsächlich mundtot gemacht wurden, die ins Gefängnis ge­steckt wurden, deren Familienmitglieder bedroht wurden. (Abg. Belakowitsch: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Ich bitte Sie um eine sorgfältige Wortwahl. Von Mundtotmachen kann nicht die Rede sein (Bei­fall bei ÖVP und Grünen Zwischenrufe bei der SPÖ), wenn es möglich ist, einen Ver­fassungsgerichtshof anzurufen, der innerhalb weniger Wochen eine Entscheidung her­beiführt.

Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, Sie legen uns in diesem Zusammenhang ei­nen Entschließungsantrag vor, in dem der Nationalrat beschließen wolle, die Bundes­regierung aufzufordern, „ehebaldig ein Maßnahmenpaket vorzulegen, mit dem die Ver­teidigungsfähigkeit der Republik im Cyberbereich hergestellt wird“.

Wenn man eine Verteidigungsfähigkeit erst herstellen muss, dann impliziert das, und zwar notwendigerweise, dass diese Verteidigungsfähigkeit nicht existiert (Abg. Belako­witsch: Ja, eh!), und ich werde als Abgeordneter dieses Landes einem Antrag, der die­ses Land von vornherein für wehrlos erklärt, nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Steinacker: Ja, muss man schon auch denken, was man schreibt!)

14.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmans­dorff. – Bitte.


14.00.16

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Besucher und Besucherinnen auf der Galerie und zu Hause! Die Lage ist durchaus dramatisch, glaube ich, und wir dürfen das nicht wegwischen. Ich spüre in dieser Debatte und merke auch an der eher geringen Zahl der hier Anwesenden, dass das nicht ganz ernst genommen wird, und ich glaube, dass das ein großer Fehler ist. Österreich wird aktiv angegriffen, und ich glaube, man muss auch klipp und klar aus­sprechen, dass das ein Angriff ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 89

Wir haben in den IT-Systemen eines Schlüsselressorts – ein solches ist das Außenmi­nisterium – feindliche Software, Schadsoftware entdeckt – Sie haben gesagt, am 3. Jän­ner –, und die kann natürlich massiven Schaden anrichten. Dieses Schlüsselressort verfügt über ganz wichtige Daten: persönliche Daten der Bürgerinnen und Bürger, wichtige Daten, die den Zusammenhalt der Europäischen Union betreffen, auch ver­trauliche Dokumente et cetera. Das sind also wichtige Daten, die durchaus sowohl uns als Republik als auch unsere Freunde und Partner in der Europäischen Union und da­rüber hinaus betreffen und zu massivem Schaden führen können. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Aus unserer, aus meiner Sicht ist dieser Angriff ganz klar ein Super-GAU für die Repu­blik Österreich. Man muss schon offen und ehrlich sagen – es wird in diesem Zusam­menhang ja immer wieder gesagt, wir sind neutral und müssen uns nicht schützen und Ähnliches –, es gibt meiner Meinung nach zwei ganz klare Punkte, die man als Fazit ziehen kann: Die Neutralität alleine ist kein Schutz, und die Neutralität alleine ist keine Verteidigung, gerade wenn es um den Cyberbereich geht. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben im Bereich Cybersecurity – da muss ich dem Vorredner widersprechen – durchaus Probleme. Wir haben ein Kompetenzwirrwarr: Auf der einen Seite ist das BVT zuständig, auf der anderen Seite das Landesverteidigungsministerium, und dann muss jedes Ministerium selbst, wie im aktuellen Fall, einen Krisenstab bilden, um sich damit auseinanderzusetzen. Wir haben gerade das Landesverteidigungsbudget betref­fend massive Probleme, das wissen wir alle. Wir haben auch einen massiven Aufhol­bedarf in den Bereichen Cybersecurity, Cyberdefence, da müssen wir investieren – und das alles wird immer wieder weggewischt. Das wurde leider auch von der Vorgän­gerregierung zu wenig angegangen und zu wenig unterstützt.

Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass man da die Kräfte bündeln muss und dass wir schauen müssen, dass wir die verschiedenen Bereiche stärker zusammenfassen, und auch, dass wir besseres Personal bekommen. Wir haben unseres Wissens jetzt die Si­tuation, dass wir auf externe Hilfe angewiesen sind – Sie haben es auch angespro­chen –, und soweit ich das mitbekommen habe beziehungsweise es mir bekannt ist, war anscheinend die erste Reaktion der Beamten im Außenministerium – das war ja auch sehr gut geplant, muss man ehrlich sagen, es ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag vonstattengegangen oder zumindest wurde es da entdeckt –: Na ja, das müssen wir jetzt ausschreiben! Wir brauchen eine externe Firma, das müssen wir jetzt ausschreiben!

Das kann doch nicht die Reaktion sein! Wenn wir angegriffen werden und dann erst anfangen, uns darüber Gedanken zu machen, mit welchen externen Partnern wir zu­sammenarbeiten könnten, wenn wir selber nicht fähig sind, es abzuwehren – (in Rich­tung Abg. Bürstmayr) und das ist sehr wohl ein wichtiger Punkt, Herr Kollege –, und externe Expertise brauchen, wenn wir uns erst dann überlegen: Na, vielleicht schreiben wir das aus, fangen wir einmal an, jemanden zu suchen!, wenn der Angriff vonstatten­geht, wenn wir mittendrin sind, na dann: gute Nacht! Das wird nicht funktionieren, und genau deswegen brauchen wir in Österreich dringend die Verteidigungsfähigkeit, und die müssen wir auch herstellen. (Beifall bei den NEOS.)

Dementsprechend glauben wir – das ist ohnedies bekannt –, dass wir endlich einen nationalen Cyber-War-Room brauchen, in dem alle Interessen gebündelt sind, der auch mit den notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet ist – auch das ist ein ganz großes Thema in diesem Bereich – und uns da dementspre­chend unterstützen kann. Es wurde schon angesprochen: Es gibt fachliches Know-how, beispielsweise im Landesverteidigungsministerium, aber auch im BMI, jedoch muss man es, wie gesagt, zusammenfassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 90

Eine wichtige Frage stellt sich aber auch, und diese wichtige Frage ist aus meiner Sicht: Seit wann gibt es diese Schadsoftware in unserem System? Man muss offen und ehrlich sagen, dass eine solche Schadsoftware im Normalfall nicht in dem Moment hineinkommt, in dem der Angriff startet, sondern schon wesentlich länger da ist. Des­halb, Herr Minister, eine ganz konkrete Frage: Wissen Sie oder können Sie nachvoll­ziehen, wie lange diese Schadsoftware schon da ist? Handelt es sich vielleicht um eine sogenannte schlafende Schadsoftware, die möglicherweise schon jahrelang in unseren Systemen und dementsprechend auch in allen Back-up-Systemen sowie möglicher­weise auch in anderen Ministerien drinnen und nur noch nicht ausgelöst ist?

Wir als NEOS stellen dementsprechend folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Maßnahmen zur Herstellung des Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert

1. unverzüglich alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Angriff auf das Au­ßenministerium so rasch wie möglich abzuwehren und zu beenden.

2. unverzüglich alle notwendigen Nachforschungen anzustellen, ob auch die Systeme anderer Bundesbehörden durch gleiche oder ähnliche Schadsoftware kompromittiert sind.

3. zeitnah dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für Innere Angelegen­heiten sowie dem ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses des Nationalrates über die aktuellen Erkenntnisse über Urheberschaft, Beginn, Dauer, Ziel, Umfang, Gegenstand, Hintergründe, betroffene Daten/Dokumente, verursachte Schäden des Cyberangriffes auf das Außenministerium sowie die konkret getroffenen Abwehrmaßnahmen umfassend Bericht zu erstatten.

4. dem Nationalrat ehebaldig ein Maßnahmenpaket vorzulegen, mit dem die Verteidi­gungsfähigkeit der Republik im Cyberbereich hergestellt wird.“

*****

Liebe Damen und Herren, ich möchte, bevor ich zum Ende komme, noch kurz an den 16. Mai des Vorjahres erinnern. Viele erinnern sich vielleicht an die Ibizaaffäre einen Tag später, aber das ist es nicht, was ich anspreche. Wir haben hier im Parlament, im Hohen Haus, damals eine Dringliche Anfrage von NEOS debattiert, die sich mit genau solchen Themen befasst hat. Damals ging es um die Vorbereitung auf mögliche Desin­formationskampagnen oder Cyberanschläge durch Russland. Damals war es so, dass die ÖVP und die FPÖ uns ausgelacht haben. Ich war damals selber hier am Redner­pult, und Sie haben darüber gelacht.

Heute, nicht einmal ein Jahr später, stehen wir da und haben möglicherweise – egal von wem er kommt – genau so einen Angriff zu bewältigen, und jetzt, glaube ich, ist uns das Lachen vergangen. Wir sollten dringend daran arbeiten, dass wir solche An­griffe in Zukunft selbstständig abwehren können. (Beifall bei den NEOS.)

14.07

Der Antrag hat folgende Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 91

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Maßnahmen zur Herstellung des Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich

eingebracht im Zuge der Debatte in der 10. Sitzung des Nationalrats über Erklärung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema "Cyber-Vorfälle im BMEIA"– TOP 2

Seit 3. Jänner 2020 ist bekannt, dass ein gezielter und hochprofessioneller Cyberan­griff auf das Österreichische Außenministerium stattfindet.

In den IT-Systemen eines der Schlüsselressorts der Republik operiert seit geraumer Zeit ein feindliches System, hinter dem ein staatlicher bzw. staatsnaher Akteur zu ste­hen scheint.

In den Systemen des BMEIA laufen eine Reihe vertraulicher und höchst sensibler Da­ten zusammen. Angefangen von konsularischen persönlichen Daten von Österreiche­r_innen, über vertrauliche EU-Dokumente bis hin zu heiklen außenpolitischen Doku­menten. In den falschen Händen können diese Dokumente Österreich, seinen interna­tionalen Partnern und seinen Bürger_innen massiven Schaden zufügen.

Der Angriff auf das Außenministerium offenbart ernstzunehmende Schwachstellen in der Sicherheits- bzw. Verteidigungsarchitektur der Republik und beeinträchtigt die Inte­grität und Funktionsfähigkeit einer staatlichen Behörde und schadet damit der natio­nalen Sicherheit.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert

1.          unverzüglich alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Angriff auf das Außenministerium so rasch wie möglich abzuwehren und zu beenden.

2.          unverzüglich alle notwendigen Nachforschungen anzustellen, ob auch die Sys­teme anderer Bundesbehörden durch gleiche oder ähnliche Schadsoftware kompromittiert sind.

3.          zeitnah dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für Innere Angele­genheiten sowie dem ständigen Unterausschuss des Landesverteidigungsaus­schusses des Nationalrates über die aktuellen Erkenntnisse über Urheber­schaft, Beginn, Dauer, Ziel, Umfang, Gegenstand, Hintergründe, betroffene Da­ten/Dokumente, verursachte Schäden des Cyberangriffes auf das Außenminis­terium sowie die konkret getroffenen Abwehrmaßnahmen umfassend Bericht zu erstatten.

4.          dem Nationalrat ehebaldig ein Maßnahmenpaket vorzulegen, mit dem die Ver­teidigungsfähigkeit der Republik im Cyberbereich hergestellt wird."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Nun ist Kollege Karl Mahrer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 92

14.07.19

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenmi­nister! Herr Innenminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich sage zuerst einmal herzlichen Dank für Ihre heutige, sehr klarstellende Erklärung, und ich sage auch Danke dafür, dass Sie im Hinblick auf die Ermittlungsarbeit, die geleistet wird, uns nicht alles berichtet haben, was Sie wissen.

Unser staatliches Sicherheitsnetzwerk – das kann man durchaus sagen und das be­weist der Bericht des Herrn Bundesministers – funktioniert, und ich bin in diesem Zu­sammenhang überzeugt, dass wir jetzt sagen können: Die Verteidigungsfähigkeit Ös­terreichs, auch auf diesem Gebiet, ist gegeben. Der Cyberangriff auf das Außenminis­terium wurde sehr, sehr rasch erkannt und es sind umgehend Sofortmaßnahmen er­griffen worden.

Cyberangriffe aber – und das soll man nicht wegleugnen, da möchte ich meinen Vor­rednern durchaus recht geben – bedrohen uns alle: kleine und große Unternehmen, staatliche und nicht staatliche Organisationen, Privatpersonen, die Industrie, nicht zu­letzt auch – das haben wir ja schmerzvoll erlebt – politische Parteien. Die Bandbreite ist ganz, ganz groß und sie sind allesamt gefährlich. Die Bandbreite reicht vom wirt­schaftlichen Schaden für Unternehmen bis zur Existenzkrise, wenn diese nach der Ver­schlüsselung ihrer Daten erpresst werden oder ihre Betriebsgeheimnisse nach einem Hackerangriff abgesaugt werden, über eine nachhaltige negative Beeinflussung der Sicherheitslage – und, meine Damen und Herren, die Sicherheitslage ist für internatio­nale Unternehmen schon längst eine Grundlage für ihre Standortentscheidung; da wird es also auch wirtschaftlich gefährlich – bis hin zum schon thematisierten Blackout, also dem Angriff auf unsere Netze und ihre Sabotage. Im digitalen Zeitalter ist alles möglich.

Wir haben es erst vor wenigen Tagen gehört und heute ist es auch angesprochen worden: Die immer engere Vernetzung von öffentlichen Stellen und die damit verbun­denen raschen und effizienteren Verwaltungsabläufe – alles im Sinne der Menschen in unserem Land – sind ein Beispiel für die großen Chancen im Zeitalter der Digitalisie­rung. Genauso wichtig ist es aber auch, dass die mit der Digitalisierung verbundenen Risken erkannt werden, dass wir sie adressieren können und dass wir diese moderne Welt, von der wir ja alle profitieren, effektiv schützen können.

Unsere Aufgabe, meine Damen und Herren, ist es daher aus meiner Sicht, nicht nur auf diese realen Bedrohungen zu reagieren und in vielen Fällen aktiv zu werden, noch bevor ein Angriff bevorsteht, sondern viel mehr zu tun – das ist heute auch angespro­chen worden –, nämlich ein Gesamtkonzept drüberzulegen.

Wir müssen einerseits auf Prävention setzen, andererseits aber auch auf den Ausbau und die Weiterentwicklung des entsprechenden Know-hows und der Ressourcen im öf­fentlichen Bereich. Das geht vor allem in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Ganz be­sonders wichtig ist gerade auch in diesem Bereich die Vernetzung. Das Erkennen, mei­ne Damen und Herren, ist das eine, aber ich weiß auch, dass ÖVP und Grüne in den Regierungsverhandlungen – ich war selbst dabei – gerade dem Thema Cybersicher­heit große Aufmerksamkeit gewidmet und gemeinsame Vorhaben vereinbart haben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Das ist einerseits die Personaloffensive bei der Polizei – daraus lukrieren wir Spezialis­ten für die Bekämpfung der Cyberkriminalität –, das sind Aus- und Fortbildungsmaß­nahmen für alle Ressorts, und das ist die heute schon angesprochene Schaffung eines Cybersicherheitszentrums. Zur Sicherstellung der Vernetzung auf allen Ebenen – das ist ganz, ganz wichtig – ist das andererseits die Förderung der strategischen Koordina­tionsfunktion im Bundeskanzleramt, damit wir das Thema auch ressortübergreifend und interdisziplinär aufarbeiten können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 93

Meine Damen und Herren, eines muss uns aber auch klar sein – auch das ist heute angesprochen worden –: Die Herausforderungen werden ständig andere. Wir werden das Thema ständig anpassen müssen. Wir müssen es an die jeweils aktuelle Bedro­hungslage anpassen, die heute möglicherweise ganz anders ausschaut als in einem Jahr oder in fünf Jahren. Unsere Aufgabe ist es, Menschen und Institutionen gerade im Bereich der Cyberkriminalität gleichermaßen zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich Folgendes sagen, weil das am Beginn der Arbeit dieser Bundesregierung stattfand: Gratulation zum Krisenmanage­ment! Das ist eine tolle Zusammenarbeit von Außenministerium, Innenministerium, Landesverteidigung und dem Bundeskanzleramt! Bei einer Gruppe von Menschen – viele arbeiten da mit – möchte ich mich besonders bedanken, und zwar bei den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern des BVT. Sie haben nämlich bewiesen, dass sie in einer für das BVT schwierigen Zeit eine ganz tolle und professionelle Arbeit leisten – euch al­len: danke dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, meine Damen und Herren, die heutige Debatte zeigt: Klar ist, nur gemein­sam und vernetzt werden wir die Herausforderungen meistern. Ich bin aber nach dem heutigen Bericht des Herrn Bundesministers sehr zuversichtlich. Die Professionalität dieser Bundesregierung, das vernetzte Arbeiten und das rasche Handeln garantieren auch in diesem Bereich Sicherheit für uns alle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag. Dr. Petra Oberrau­ner. – Bitte, Frau Kollegin.


14.13.19

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Minister! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir haben ei­ne Cyberattacke auf das Außenministerium erlebt und ich frage mich: Was ist die Zu­kunft? – Wir wissen, dass wir nicht sicher sind. Wir wissen, dass der öffentliche Raum und die öffentliche Hand bedroht sind. Wir wissen aber auch, dass die Zivilgesellschaft keine Möglichkeit hat, das erstens festzustellen und sich zweitens dagegen zu wehren. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen: Wo ist der Schutz der Privat­sphäre?

Was ist der Grund solcher Attacken? – Es gibt mehrere Gründe, aber die Hauptgründe sind entweder Wirtschaftskriminalität oder Industriespionage. Es geht darum, sensible Daten zu bekommen, um sie dann missbräuchlich zu verwenden oder eine Erpressung durchzuführen. Es gibt auch sehr viele Dienstleister wie Ärzte und Juristen, die nach so einer Cyberattacke den gesamten Stand ihrer Klienten und Kunden verlieren, diesen nicht mehr neu aufbauen können und aus diesem Grund ihren Dienstleistungsbetrieb schließen müssen. Da haben wir einige Fälle mitbekommen.

Was ist zu tun? – Ich glaube, das Erste, das zu tun ist, ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir uns von China und den USA auch im Softwarebereich unabhängiger machen. Wir sind als Hightechstandort einer der besten Standorte in der angewandten Forschung, wir sind in der Technologiebeschaffung und in der Technologieentwicklung Vorzeigeland. Warum können wir uns nicht in Europa dazu committen, uns von Anbie­tern aus Amerika und China unabhängig zu machen? (Beifall bei der SPÖ.)

Die Unabhängigkeit und der Besitz dieses Know-hows und die Umsetzung in konkreten Geräten und infrastrukturellen Anbindungen sind der wichtigste Schutz, den wir haben können, weil wir da Einfluss darauf haben, was wir verwenden und wie wir es verwen­den, und auch strategisch vorgehen, das Ganze strategisch machen können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 94

Ich möchte ein Beispiel nennen: Den Gemeinden wird immer wieder angeboten, dass Betreiber Infrastruktur wie 5G bauen und sich dann sozusagen der Bevölkerung als Anbieter zur Verfügung stellen. Wir sollten schon darüber nachdenken, wo die öffent­liche Hand eine Sicherheitsmaßnahme ergreifen kann und das selbst schaffen, strate­gisch aufbauen und betreiben kann oder den Betrieb – und zwar zu Konditionen, die wir festhalten, zum Schutz der Bevölkerung – jemandem übergibt, aber kontrolliert und mit der Auflage, dass die Daten nicht missbräuchlich verwendet werden können und der Schutz dieser Infrastruktur entsprechend gegeben ist. Das wäre auch für den öf­fentlichen Haushalt relevant, denn da könnten wir vielleicht auch Einnahmen lukrieren und die Bevölkerung, die Wirtschaft und den öffentlichen Bereich schützen.

Ich glaube, wir müssen da ganz konkret umdenken. Es wird um grenzüberschreitende Kooperationen in Europa gehen, und es wird darum gehen, sich in Europa in dieser Frage endlich als Kontinent im Wettbewerb mit anderen zu verstehen, mit einem eige­nen Sicherheitssystem, denn auch das ist in Zukunft eine Standortfrage. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege Alexander Melchior. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.16.34

Abgeordneter Alexander Melchior (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte zuallererst einmal dem Außenminister danken: vielen Dank, dass das Thema Cybersicherheit heute hier auf der Agenda ist! (Abg. Kickl: Da haben wir schon ein bisschen nachhelfen müssen!) Es ist ein sehr wichtiges Thema, und es ist ein Thema, das oftmals sehr abstrakt ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir sehen bei einem Hackerangriff oftmals keine Spuren. Oftmals entdeckt man ihn gar nicht, ab und zu entdeckt man ihn zu spät, und manchmal entdeckt man niemals, wer dahintersteckt.

Wenn wir das Ganze auf die reale Welt ummünzen, dann würden wir ganz andere Bil­der sehen. Wir würden eingeschlagene Fensterscheiben, aufgesprengte Türen, durch­wühlte Laden sehen – all das gibt es nicht. Genauso wichtig aber, wie es ist, dass wir die Kriminalität in der realen Welt bekämpfen, ist es, dass wir auch die Kriminalität im digitalen Raum bekämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist ein Thema, das uns noch länger beschäftigen wird. Eva Himmelbauer hat es schon angesprochen: Es gab im Deutschen Bundestag eine ähnliche Situation, es gab Angriffe auf das belgische Außenministerium, aber auch hier in Österreich gab es letz­ten Sommer einen massiven Hackerangriff auf die neue Volkspartei und einige Zeit später auf die SPÖ. Eines möchte ich hier schon sagen: Egal ob es ein Angriff auf Ins­titutionen der Republik oder auf Parteien ist, es ist immer ein Angriff auf die Demo­kratie. Wir müssen da zusammenhalten und zusammenstehen, und wir müssen das gemeinsam angehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei allen Gefahren, die es im Zusammenhang mit diesem Thema natürlich gibt, dürfen wir eines nicht vergessen: Der digitale Wandel findet statt, er ist in ganz vielen Lebens­bereichen Realität und gibt uns ganz viele Chancen. Diese Chancen müssen wir nutzen, gleichzeitig müssen wir aber auch mit dem Thema Sicherheit zurande kom­men. In der realen Welt würden wir unsere Fenster schließen und die Tür zusperren, wenn wir das Haus verlassen, und genauso müssen wir das im digitalen Raum an­gehen.

Ich bin besonders dankbar dafür, dass die Bundesregierung beides verbindet, einer­seits den digitalen Wandel begleitet und entsprechende Maßnahmen setzt, damit wir in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 95

allen Lebensbereichen die Chancen nutzen können, andererseits aber Sicherheits­maßnahmen setzt, damit wir in diesem Bereich weiterhin sicher sein können. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte mich zum Schluss noch ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern in den Ministerien bedanken, die eng zusammenarbeiten, um das alles möglich zu machen, um Österreich auch in diesem Bereich zu schützen. Ich bin zuversichtlich, dass auch wir hier im Parlament unseren Beitrag leisten werden, um dabei mitwirken zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt unser Kollege Mag. Hannes Ames­bauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.20.23

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Bei dem hier de­battierten Thema handelt es sich ja nicht um irgendeine Lappalie, um irgendetwas, was man so nebenbei behandelt und herunterspielen sollte, sondern es handelt sich tat­sächlich um einen Angriff, nämlich um einen Angriff auf die Republik Österreich. Da bin ich ganz der Meinung des Kollegen Hoyos, der das sehr klar ausgeführt hat, und möchte an dieser Stelle auch sagen, dass wir als Freiheitliche Partei dem Entschlie­ßungsantrag der NEOS selbstverständlich unsere Zustimmung geben werden.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Schallenberg, ich danke Ihnen ebenfalls für Ihre Ausführungen, muss aber schon auch kritisch anmerken, dass diese ein bisschen spät kommen, denn diese Cyberattacke läuft jetzt schon seit mehreren Wochen, und erst am heutigen Tag befinden Sie es für notwendig, dem Parlament hier Rede und Antwort zu stehen. Ich muss auch sagen, es war ein bisschen oberflächlich, wirklich in die Tiefe gegangen sind Sie nicht. Mir ist schon klar, dass man aus ermittlungstaktischen Grün­den jetzt nicht alle Details preisgeben kann, aber die Öffentlichkeit und auch das Par­lament als gewählte Volksvertretung haben sich Information und Transparenz verdient, vor allem wenn es um die Sicherheit unseres Landes geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich begrüße es, dass der Herr Innenminister Ihnen zur Seite sitzt und der Debatte folgt, es hätte jedoch ein noch runderes Bild ergeben, wenn auch die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung anwesend wäre, da ja das Bundesheer mit einer sicherheits­polizeilichen Assistenzleistung ebenfalls in den Fall involviert ist und einen Beitrag leistet.

Was mich aber massiv stört und was, glaube ich, noch nicht angesprochen wurde, ist, dass sich die Frage stellt: Wo ist eigentlich Sebastian Kurz? Wo ist der Bundeskanz­ler? (Abg. Wöginger: Der regiert! – Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.) Es sind von dieser Thematik drei Ressorts, drei Ministerien dieser Republik, drei mit seinen Parteigängern besetzte Ressorts betroffen, und der Herr Bundeskanzler als Regie­rungschef findet es nicht notwendig, dieser Debatte beizuwohnen und sich dazu zu äu­ßern. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Recht hat er!)

„Recht hat er!“, hört man da vonseiten der ÖVP. – Na das ist ein Verständnis von Par­lamentarismus, das Kollege Haubner da gerade zum Besten gibt; aber gut, sei’s drum! Ich erinnere nur daran: Als im Wahlkampf diese mutmaßliche, ominöse Cyber- und Hackerattacke auf die ÖVP-Zentrale stattgefunden hat, da gab es sofort am nächsten Tag eine große Inszenierung und eine große Show. Es hieß: Wir werden bedroht!, und: Ein Angriff auf die Demokratie! – Jetzt gibt es tatsächlich Angriffe, mutmaßlich, so wie die Hinweise jetzt ausschauen, staatliche Angriffe, von wem auch immer, auf sensi­belste Daten unseres Landes, auf das Außenministerium – und da herrscht Schweigen im Walde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 96

Meine Damen und Herren! Lange Rede, kurzer Sinn: Wir als Freiheitliche Partei wer­den selbstverständlich alle Schritte und Maßnahmen, um diese Situation zu verbessern und in den Griff zu bekommen, unterstützen, aber ich erwarte mir in Zukunft auch et­was. Vorredner Melchior hat gesagt, das Parlament steht gerne zur Seite. – Ja, das machen wir fraktionsübergreifend. Dann wünsche ich mir für die Zukunft aber auch, dass das Parlament eingebunden und rechtzeitig informiert wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Kollegin Henrike Brandstötter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.23.40

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bild­schirmen! Kriege werden heute am Computer geführt, sie werden nicht mehr in den Schützengräben geführt, und das wird vor allem auch in der Zukunft verstärkt so sein. Der Cyberangriff auf das Außenministerium stellt auch einen Angriff auf unser Land dar. Das kann signifikante Auswirkungen haben, auch wenn dabei kein einziger Trop­fen Blut fließt, denn, Herr Minister, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind kompro­mittiert, und nicht umsonst nennt „Die Presse“ das Außenamt bereits ein „offenes Buch für Hacker“.

In diesem Zusammenhang wäre es schon interessant, zu wissen, welche Hintergründe dieses Angriffs Sie mittlerweile kennen. Immer mehr Expertinnen und Experten veror­ten ja die Spuren in Russland, und ich frage mich, ob das vielleicht auch mit dem nicht ganz freiwilligen Ende der doch recht russlandfreundlichen FPÖ-Regierungsbeteiligung zu tun hat, dass hier neue Kanäle aufgemacht werden, um sich über die neue Re­gierung und ihr Verhältnis zu Moskau zu informieren. Es gilt also, zu klären, ob das der Grund für die Angriffe ist.

Oder geht es in erster Linie gar nicht um Österreich, sondern ist es ein Angriff auf Europa? In der digitalen Auseinandersetzung gibt es heute keine nationalen Grenzen und keine Nationalstaaten mehr, das ist total überholt. Damit ist auch klar, dass die Neutralität überholt ist. Einzelstaatliche Sonderwünsche sind überkommen. Unser Schutz liegt darin, Teil von Europa zu sein. Deshalb müssen wir auch Cyberdefence völlig neu denken, und das bedeutet: Raus aus der Kleinstaatlichkeit! Cyberdefence ist gemeinsame Verteidigung und gehört in die Europäische Union. (Beifall bei Abgeord­neten der NEOS.)

Natürlich – leider ist Sebastian Kurz heute nicht hier – müssen wir auch angemessene Beiträge dafür bezahlen. Ein Budget muss die Anforderungen an die Europäische Uni­on reflektieren und nicht das Bedürfnis des Herrn Bundeskanzlers, gebetsmühlenartig immer wieder zu wiederholen, dass wir nicht mehr als 1 Prozent beitragen wollen.

Wir brauchen natürlich auch eine Anpassung unserer Strukturen. Die ÖVP hat da jahr­zehntelang geschlafen. Jahrzehntelang hat man nicht dafür gesorgt, dass ein Exper­tenpool aufgebaut wird, und jetzt steht man ganz am Anfang.

IT-Expertinnen und -Experten werden jedoch händeringend gesucht, sie können sich aussuchen, welchen spannenden und gut bezahlten Job sie in welchem Unternehmen machen, wo, in welchem Start-up sie anheuern. Ein Job als Cybergrundwehrdiener und andere schlecht bezahlte Beamtenjobs in verfehlten Strukturen, in veralteten Orga­nisationen sind da nicht attraktiv. Daran müssen wir arbeiten, sonst werden wir den Kampf nicht einmal beginnen können, geschweige denn gewinnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.26

14.26.45



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 97

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Herstellung des Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich“.

Ich bitte jene Kollegen, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

14.27.113. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung über die Tätigkeit im Jahr 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz (III-69/26 d.B.)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Kollegin Heike Grebien. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.27.40

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte KollegInnen in diesem Hohen Haus! Sehr geehrte ZuseherInnen auf der Galerie und natürlich vor den Bildschirmen! Zunächst möchte ich heute in meiner ersten Rede als Sprecherin für Menschen mit Behinderungen der grü­nen Fraktion auf den Tätigkeitsbericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung über das Jahr 2018 eingehen. Abschließen möchte ich mit den Aspekten, die mir persönlich vor allem in meiner Funktion als Sprecherin am Her­zen liegen.

Ich möchte mich bei Herrn Dr. Hofer und seinen MitarbeiterInnen herzlichst für ihren unermüdlichen Einsatz im Interesse der Menschen mit Behinderungen in Österreich bedanken. Der umfassende Tätigkeitsbericht und die hohe Zahl der Kontaktstunden zeigen, wie wichtig ihre Rolle ist. Vielen Dank! (Beifall bei Grünen, ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Wie Herr Dr. Hofer und sein Team darlegen, hat sich im letzten Jahrzehnt die Rechts­durchsetzung bei Verletzung des Diskriminierungsverbots verbessert. Auch die Vernet­zung von Einrichtungen, die sich aktiv gegen Diskriminierungen aufgrund einer Behin­derung einsetzen, wurde international ausgebaut. Damit jedoch – und das wissen wir alle hier – Menschen mit Behinderung in Österreich wirklich selbstbestimmt an unserer Gesellschaft teilhaben können, würde ich jetzt einmal sagen, gibt es in folgenden Le­bensbereichen Optimierungs- beziehungsweise Handlungsbedarf: von der inklusiven Bildung als wesentlicher Voraussetzung für den inklusiven Arbeitsmarkt, dem Fördern des inklusiven Sportangebots über Lohn statt Taschengeld bis hin zur Erarbeitung bun­deseinheitlicher Rahmenbedingungen für die persönliche Assistenz. Zu diesem Zweck prüfen wir ja die Einführung eines Inklusionsfonds. Ich möchte dazu auch anmerken, dass ein Entschließungsantrag der NEOS eingebracht werden wird, dem wir natürlich gerne zustimmen werden. Vielen Dank dafür.

Zum Thema Abbau von Barrieren, sowohl physischer wie auch psychischer, ist es not­wendig, in der Stadt- und Wohnbauplanung wie in der Verkehrsplanung Sensibilisie­rungsmaßnahmen zu starten.

Es ist essenziell, die VertreterInnen der Selbstbestimmt-Leben-Vereine einzubeziehen und Bedürfnissen nach barrierefreiem Wohnen und barrierefreien Städten und Umge-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 98

bungen nachzukommen. Gleichzeitig soll Barrierefreiheit als Pflichtfach in einschlägi­gen Ausbildungen verankert werden.

Ich durfte zwei Jahre lang als Inklusionsassistenz und Mitbewohnerin einer inklusiven Wohngemeinschaft in Graz wertvolle Erfahrungen no na net – sammeln und habe mit Menschen mit Behinderungen und mit Menschen ohne Behinderung gewohnt. Einige Vorurteile und Meinungen habe ich da in meinem Zusammenleben und Arbeiten natür­lich abbauen können, und daher ist es mir ein besonders wichtiges Anliegen, dass wir über die stereotype Darstellung von Menschen mit Behinderungen in der Werbung sprechen und diese aufbrechen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich will gemeinsam mit den Vereinen, mit den Organisationen, aber natürlich auch mit Ihnen, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, eine Strategie erarbeiten, wie wir das Bild, die Darstellung von Menschen mit Behinderungen in Österreich in den Köpfen und auch in der Öffentlichkeit aufbrechen. Wir müssen endlich weg von diesem Bild von Menschen mit Behinderungen als EmpfängerInnen von Leistungen hin zu einem Bild von Menschen mit Behinderungen als TrägerInnen von Rechten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Künsberg Sarre.– Danke.

Ein weiterer wichtiger Punkt meinerseits ist das Thema Sexualität und Behinderung. Es fehlt an Ansprech- und Vertrauenspersonen, damit Menschen mit Behinderungen ös­terreichweit und flächendeckend einen niederschwelligen Zugang zu guter, professio­neller sexualpädagogischer Aufklärung bekommen, denn die Autorinnen der Studie des Sozialministeriums mit dem Titel „Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Men­schen mit Behinderungen“ schreiben wortwörtlich, dass dieser große „Mangel an Per­sonen, mit denen die befragten Menschen [...] über sehr persönliche Themen wie Se­xualität sprechen können“, auch Auswirkungen auf die Möglichkeit hat, „Erfahrungen sexueller Gewalt“ anzusprechen. Die Studie ergab weiters, dass die BetreuerInnen – nicht ganz überraschend – die wichtigsten Ansprechpersonen für persönliche Themen sind. Daraus ergibt sich auch, dass die Betreuungsschlüssel verbessert werden müs­sen, dass gut geschult werden muss oder dass mit einem entsprechenden Angebot entlastet werden muss. Ich kann dem aus meiner persönlichen Erfahrung nur zustim­men.

Selbst wenn ich nur ein wenig Erfahrung in dieses Parlament mitbringe, möchte ich klarstellen, dass ich mich als repräsentative Sprecherin sehe. Das bedeutet, dass nie­mand die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen besser kennt als Menschen mit Behinderungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Wurm.)

Ich werde in den kommenden Wochen und Monaten, hoffentlich Jahren viele Gesprä­che führen und freue mich auf einen konstruktiv-kritischen Dialog mit betroffenen, be­teiligten, interessierten KollegInnen, völlig egal: Alle her an einen Tisch! Lassen Sie uns einander kennenlernen! Lassen Sie uns gut miteinander diskutieren, und lassen Sie mich bitte an Ihren Erfahrungen und an Ihrem Wissen teilhaben!

In diesem Sinne ein letztes Wort an meine wertgeschätzten Kolleginnen und Kollegen: Ich freue mich auf eine fraktionsübergreifende gute Zusammenarbeit. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Mag.a Verena Nussbaum. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.33.41

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Dr. Hofer auf der Zuschauergalerie! Ich darf mich bei Ihnen zuallererst für den ausführlichen Bericht bedanken. Vielen Dank an Sie und an Ihre


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 99

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Sie leisten tagtäglich wertvolle Arbeit, denn gerade die Behindertenanwaltschaft ist eine wichtige Anlaufstelle für Personen, die sonst oft alleingelassen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich finde es höchst problematisch, dass Menschen mit Behinderungen immer noch an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden, sei es aufgrund von baulichen Bar­rieren, die eine komplette Teilnahme am alltäglichen Leben nicht ermöglichen, oder aufgrund der Ungleichbehandlungen in der Arbeitswelt. Inklusion in den Arbeitsmarkt ist eine wichtige Voraussetzung für die Inklusion auch in unsere Gesellschaft. Durch Arbeit können Menschen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen. Das sollte auch für Menschen mit Behinderung gelten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Finanzielle Abhängigkeit geht meistens auch mit sozialer Abhängigkeit einher. Derzeit sind etwa 24 000 Menschen mit Behinderung in Einrichtungen der Tagesstruktur, sprich Beschäftigungstherapie, tätig. Das sind allerdings rechtlich gesehen keine Arbeitsver­hältnisse, weshalb die betroffenen Menschen nicht eigenständig kranken- und pen­sionsversichert sind und anstatt eines Lohns lediglich Taschengeld erhalten. Damit bleiben diese Menschen mit Behinderung ewig im Status von Kindern. Wer arbeiten geht, soll Lohn erhalten und nicht nur mit Taschengeld abgespeist werden. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.) Nur so kann es möglich werden, in Zukunft auch Pensions­versicherungsansprüche zu erwerben und eine eigenständige Pension zu erlangen.

Ich möchte auch noch auf die persönlichen Assistenz zu sprechen kommen. Assistenz am Arbeitsplatz ist bundesweit geregelt, für Assistenz im Freizeitbereich sind allerdings die Länder zuständig. Dort gibt es extrem unterschiedliche Regelungen. Man kann sa­gen, das Angebot reicht von relativ zufriedenstellend bis praktisch nicht vorhanden. Wir fordern daher die Schaffung eines Inklusionsfonds, um österreichweit einheitliche Re­gelungen für die persönliche Assistenz im Freizeitbereich sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Hamann.)

Wir sollten Menschen mit Behinderungen einen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft bieten. Damit sie dort auch im wahrsten Sinne des Wortes ankommen können, soll schnellstmöglich ein Umdenken im Bereich der Barrierefreiheit einsetzen. Barrierefrei­heit soll als verpflichtendes Unterrichtsfach in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien eingeführt werden. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ra­sche Maßnahmen im Bereich Barrierefreiheit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Anregungen des Behindertenanwaltes vor allem im Bereich der Barrierefreiheit rasch umzusetzen:

- Verankerung eines Pflichtinhaltes ‚Barrierefreiheit‘ in den einschlägigen Ausbildungs­vorschriften in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien

- Vergabe von Wohnbauförderungen nur bei einer barrierefreien Planung und Umset­zung im Sinne der einschlägigen Ö-Normen

- Keine Aufweichung der OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik) Richtlinie 4 (Barrierefreiheit)“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

14.37


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 100

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Verena Nußbaum, Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Maßnahmen im Bereich Barrierefreiheit

eingebracht im Zuge der Debatte zu III 69 dB

Barrierefreiheit ist ein Grundrecht. Solange dieses nicht umgesetzt ist, sind alle Be­kundungen Menschen mit Behinderungen gleichzustellen, nur Sonntagsreden. Men­schen mit Behinderungen muss die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ohne Ein­schränkungen ermöglicht werden. Der Bericht des Anwaltes Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung zeigt eindeutig, dass die Umsetzung der Barrierefreiheit zu langsam erfolgt.

Ein Beispiel: Das Österreichische Institut für Bautechnik („OIB“) ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Mitglieder die Bundesländer sind. Das OIB veröffentlicht, um landes­spezifische Bauordnungen zu harmonisieren, sog. „OIB-Richtlinien“ (u.a. betreffend Barrierefreiheit = OIB RL4), welche von den Ländern in den Bauordnungen als ver­bindlich erklärt werden können.

OIB Richtlinien werden durch Beschlussfassung der Generalversammlung (der Mitglie­der) des Vereins erzeugt und unterliegen daher nicht derselben Inklusion bzw. Partizi­pation der Zivilgesellschaft insb. Interessensvertretungen der Menschen mit Behinde­rung.

Im Gegensatz dazu, sind Menschen mit Behinderungen im Normerzeugungsverfahren („ÖNORM“) nach dem Bundes-Normengesetz 2016 explizit Beteiligte (§ 2 Zif. 6 i.V.m. § 4 Abs 2 Zif 2)

Um beispielsweise Baukosten in den Ländern zu senken, werden einzelne OIB-Richt­linien (z.B. RL 4 Barrierefreiheit) angepasst i.S. einer „Verschlechterung“ der Barriere­freiheit für Menschen mit Behinderungen. Die OIB-Richtlinie wird von den Bundeslän­dern per Bauordnung als verbindlich erklärt. Das OIB verweist auf § 5 Abs 1 Zif 9 Normengesetz, wonach eine Norm nicht den Gesetzen widersprechen darf. (implizit: Das höhere Niveau der Barrierefreiheit gem. ÖNORM widerspricht dem geringeren Ni­veau der verbindlich erklärten OIB RL, die Norm müsste in dieser Argumentation an die „schlechtere“ OIB RL angepasst werden)

Auf diese Weise könnten die Bundesländer ohne Beteiligung der Interessensvertretung betroffener Menschen die Standards für Barrierefreiheit in großem Maße frei definieren.

Die Bundesregierung ist daher gefordert rasch zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Anregungen des Behindertenanwaltes vor allem im Bereich der Barrierefreiheit rasch umzusetzen:

•             Verankerung eines Pflichtinhaltes „Barrierefreiheit“ in den einschlägigen Ausbil­dungsvorschriften in den Bereichen Bau, Verkehr und Medien

•             Vergabe von Wohnbauförderungen nur bei einer barrierefreien Planung und Umsetzung im Sinne der einschlägigen Ö-Normen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 101

•             Keine Aufweichung der OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik) Richt­linie 4 (Barrierefreiheit)

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.38.00

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Dr. Hofer! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Wir dis­kutieren, wie schon mehrmals gesagt worden ist, den Bericht des Behindertenanwalts. Es sind sehr viele Punkte, die er dargestellt hat und bei denen es notwendig ist, dass sie endlich einer Umsetzung zugeführt werden.

Wir wissen, dass Menschen mit Behinderungen dreimal so häufig arbeitslos sind wie jene ohne Behinderung. Ich glaube, da ist es dringend notwendig, wirklich einmal ein Arbeitsprogramm einzuführen. Ich weiß, das ist jetzt eine schwierige Situation, in der wir sind, weil Sie, Herr Bundesminister, die Arbeitsagenden nicht mehr bei sich im Haus haben. Das heißt, es sind zukünftig zwei Ministerien, die das regeln sollen. Das macht wahrscheinlich die Umsetzung nicht besonders einfach.

Was es weiters braucht, ist eine verstärkte Partizipation von Menschen mit Behinde­rungen an unserer allgemeinen Gesellschaft. Da muss, glaube ich, jeder Einzelne an sich selbst arbeiten, weil die Ausgrenzung oftmals bereits im Kindesalter beginnt. Oft­mals werden Kinder mit Behinderungen gar nicht geboren. Das sind schon Dinge – da muss man wirklich ehrlich sein –, bei denen in der Gesellschaft endlich ein Umdenken einsetzen muss. Das müssen wir wirklich schaffen, denn ich glaube, dass wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, die nur noch den perfekten Menschen sucht. Das soll es nicht sein, das darf es nicht sein.

Wir wissen: Jeder oder jede Einzelne von uns kann morgen einen schweren Unfall ha­ben und ein Mann oder eine Frau mit Behinderung sein. Niemand ist davor gefeit, und daher braucht es dieses Bewusstsein.

Neben diesen Sensibilisierungsansätzen, die alle betreffen sollen, braucht es auch Ver­besserungen auf dem Arbeitsmarkt, auch im Ausbildungsbereich. Ich bin wirklich kein Gegner von Sonderschulen, aber man muss genau schauen, ob es wirklich bei allen Kindern, die wir jetzt in den sogenannten Sonderschulen unterrichten, notwendig ist, oder ob es nicht auch viele gibt, die man durchaus in das Regelsystem integrieren kann und auch soll. Da muss man also wirklich genau hinschauen.

Man muss aber auch den Sonderförderbedarf bei den Kleinsten ausbauen, man muss am Arbeitsmarkt schauen, es braucht gezielte Förderungen für Menschen mit Behin­derungen, es braucht Barrierefreiheit, und es braucht etwas, das wir seit vielen Jahren einfordern: Es braucht das Vorbild des Bundes. Wir wissen, die Barrierefreiheit ist im Bund jetzt schön langsam umgesetzt; während ja Private das schon vor vielen Jahren haben umsetzen müssen, hat sich der Bund da wirklich nicht unbedingt mit Ruhm be­kleckert und hat seine eigenen Fristen immer wieder verlängert. Gerade da braucht es aber das Vorbild der öffentlichen Hand, von Bund und Ländern, die hier wirklich auch aufgefordert werden sollten – und die sich auch selbst einmal an der Nase nehmen sollten –, für Menschen mit Behinderungen viel mehr zu machen.

Ein ganz großer Punkt ist – das wurde auch schon mehrmals gesagt – das Taschen­geld in den Tagesstruktureinrichtungen. Ich glaube, eine Gesellschaft und der Grad


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 102

der Entwicklung einer Gesellschaft misst sich schon auch daran, wie man mit den Schwächsten in dieser Gesellschaft umgeht. Das sind Menschen mit Behinderungen, Menschen, die sich überhaupt nicht selbst helfen können, die in Tagesstrukturen um ein Taschengeld arbeiten müssen. Ich denke, das ist eine Schande für unsere Gesell­schaft und das kann sich Österreich leisten, das muss sich Österreich leisten! Ich hoffe sehr, dass es da jetzt wirklich schrittweise Verbesserungen gibt, bis hin zur kompletten sozialrechtlichen Absicherung dieses Personenkreises.

Ein weiteres Thema, auf das ich noch zu sprechen kommen möchte: Wir haben aus den Medien erfahren, dass das Rehabilitationszentrum Weißer Hof in Klosterneuburg, das jährlich über 1 600 Patienten behandelt, geschlossen werden soll. Es ist ein Reha­bilitationszentrum mit 200 Betten, in dem hochprofessionell in einer Zusammenarbeit von Spezialisten – Ärzten, Physiotherapeuten, Sportlehrern, Psychologen und Thera­peuten – gearbeitet wird, in dem Menschen nach Arbeitsunfällen, aber auch nach Frei­zeitunfällen – je nach Platzkapazität – behandelt werden. Dieses Rehabilitationszen­trum soll 2026 nach Wien Meidling verlegt werden.

Allein wenn man sich die Umgebung rund um den Weißen Hof anschaut: Da gibt es Natur, da gibt es auch die Möglichkeit für Patienten, für Menschen, die dort zur Rehabi­litation sind, nach der Therapie gemeinsam mit ihrer Familie in sogenannte Therapie­wohnungen zu ziehen, um sich auf ein neues Leben als Mensch mit Behinderung ein­stellen zu können. All das soll jetzt geschlossen werden.

Man fragt sich dann schon: Warum ist das denn so? Warum soll ausgerechnet ein The­rapiezentrum mit Lage in Klosterneuburg geschlossen werden? – Die Frage stellt sich vor allem in Richtung ÖVP: Soll das verkauft werden, damit die AUVA genug Geld für die Pflegeversicherung hat? (Abg. Vogl: ... Beitragssenkung! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Und wo sind die Investoren? – Also wir werden uns ganz genau an­schauen, was Sie jetzt in diesem Bereich wirklich tun werden, denn ich denke, es ist eine Schande, wenn da wieder öffentliches Eigentum – in diesem Fall Eigentum der AUVA – an irgendwelche Investoren verscherbelt wird. Wir wissen, Grund und Boden in Klosterneuburg ist nicht nur extrem begehrt, sondern auch extrem hochpreisig. Wir wollen aber, dass es für die Patienten erhalten bleibt, daher stelle ich folgenden An­trag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg(NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, alle notwendigen Maßnah­men zu setzen, damit der Weiße Hof als Rehabilitationszentrum an seinem Standort Klosterneuburg erhalten bleibt.“

*****

Ich möchte ganz ehrlich all jenen, die dort arbeiten, auch dafür danken, dass sie unse­ren Nationalratspräsidenten Norbert Hofer wiederhergestellt haben, dass er heute so mobil ist, wie er es ist. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Sieber.)

14.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 103

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg(NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA

eingebracht im Zuge der Debatte in der Sitzung des Nationalrates am Mittwoch, den 22. Jänner 2020 zu Top 3.) Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht des Anwalts für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung über die Tätigkeit im Jahr 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz (III-69/26 d.B.)

Eine entsprechende Rehabilitation ist für jene Gruppe von Betroffenen, die durch einen Unfall oder eine Krankheit eine vorübergehende oder dauerhafte Beeinträchtigung (Be­hinderung) ihrer physischen oder psychischen Konstitution erleiden, die zentrale Maß­nahmen um eine möglichst umfassende Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben zu erhalten bzw. wiederzuerlangen.

Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer listet in seinen Anregungen in seinem Bericht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Eingliederung bzw. Wiedereingliederung von Personen mit vorübergehenden oder dauerhaften Beeinträchtigungen(Behinderungen), d.h. Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf, deren Voraussetzung eine entspre­chende medizinische Rehabilitation ist, wie sie im Rehabilitationszentrum Weißer Hof in ausgezeichneter Art und Weise angeboten werden.

Das Rehabilitationszentrum (RZ) Weißer Hof verfügt über 200 Betten und ist die füh­rende Einrichtung dieser Art in Österreich. Jährlich werden rund 1.600 Patientinnen und Patienten stationär aufgenommen. Es gibt keine ambulanten Behandlungen. Das Zentrum verfügt über hochprofessionelle Ärzte, Physiotherapeuten, Psychotherapeu­ten, Sportlehrer, Pflegeassistenten, Pflegefachassistenten, sowie Fachleute zur Her­stellung und Wartung von Prothesen und anderen Gesundheitsbehelfen. Das RZ ver­fügt über Übungswohnungen, die den Patienten und ihren Familien helfen, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Die Patienten müssen oft monatelang im Bett lie­gen. Wenn sie dann wieder mobil sind und das Zimmer verlassen können, hilft die Na­tur in Klosterneuburg, um die weiteren Schritte zurück ins Leben zu machen.

Vorrangig werden Arbeitsunfallversehrte betreut. Je nach freien Kapazitäten auch Ver­letzte nach anderen Unfällen.

Das RZ ist eine Einrichtung der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA). Es ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern auf die bestmögliche Wiedereingliederung von Un­fallopfern in ihr gewohntes Leben.

Therapien

Im Rehabilitationszentrum werden über hundert (!) verschiedene Therapien angeboten. Noch am Tag Ihrer Aufnahme werden Sie untersucht. Danach wird für Sie ein spe­zielles Therapieprogramm zusammengestellt. Die Therapien werden Montag bis Sams­tag durchgeführt.

Die Therapien umfassen:

• Physiotherapie • Elektrotherapie • Balneotherapie • Ergotherapie • Arbeit in Therapie­werkstätten (Holz, Metall, Keramik, Technik, Garten) • Aquatherapie • Psychologische Beratung • Logopädie • Maltherapie • Musiktherapie

Soziale Unfallversicherung in Österreich

Die AUVA führt die soziale Unfallversicherung für 3,4 Millionen Erwerbstätige und rund 1,4 Millionen Schüler, Studierende und Kindergartenkinder durch.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 104

Zu den gesetzlichen Aufgaben der AUVA gehören vor allem: ■ die Verhütung von Ar­beitsunfällen und Berufskrankheiten ■ die Vorsorge für Erste Hilfe ■ die Heilbehand­lung von Arbeitsunfallopfern ■ die Rehabilitation von Arbeitsunfallopfern ■ die finan­zielle Entschädigung von Arbeitsunfallopfern oder ihren Angehörigen ■ die Forschung nach den wirksamsten Methoden zur Erfüllung dieser Aufgaben.

Jetzt gibt es Pläne, das Rehabilitationszentrum Weißer Hof der Allgemeinen Unfallver­sicherungsanstalt (AUVA) nur noch bis 2026 in Klosterneuburg weiter zu betreiben. Dann soll der Standort danach in das UKH Wien-Meidling übersiedeln, wo die Pa­tienten diese intakte Natur vergeblich suchen und stattdessen nur auf Wohn- und Bü­robunker blicken. Dazu kommt, dass erst vor wenigen Monaten die Übersiedlung des Umweltbundesamtes von Wien nach Klosterneuburg beschlossen wurde – unter ande­rem mit der Begründung, den ländlichen Raum zu stärken. Nun soll Klosterneuburg ei­ne wichtige Einrichtung an die Bundeshauptstadt verlieren. Dies steht im krassen Ge­gensatz zur Stärkung des ländlichen Raums.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der zuständige Bundesminister für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird ersucht, alle notwendigen Maßnah­men zu setzen, damit der Weiße Hof als Rehabilitationszentrum an seinem Standort Klosterneuburg erhalten bleibt.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herzlichen Dank.

Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun unsere Kollegin Kira Grünberg. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.44.25

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möch­te mich zuallererst meinen Vorrednerinnen anschließen und mich bei unserem Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, Herrn Dr. Hansjörg Ho­fer, und seinem gesamten Team bedanken. – Danke für Ihren ausführlichen Tätigkeits­bericht, Ihr Engagement für uns Menschen mit Behinderung und Ihren unermüdlichen Einsatz! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Der Behindertenanwalt leistet sehr wertvolle Arbeit im Bereich der Beratung und Un­terstützung von Menschen mit Behinderung, die sich im Sinne des Bundes-Behinder­tengleichstellungsgesetzes und des Behinderteneinstellungsgesetzes diskriminiert fühlen. Neben seinen Hauptaufgaben erfüllt Herr Dr. Hofer weitere wichtige Aufgaben, von denen ich einige hervorheben möchte.

Herr Dr. Hofer hat im Jahr 2018 einige Stellungnahmen zu unterschiedlichsten Gesetz­entwürfen verfasst und hat damit immer wieder seine Expertise im Bereich Menschen mit Behinderung eingebracht.

Auch die Vernetzungsarbeit darf man auf gar keinen Fall unterschätzen. Erst als ich vor etwas mehr als zwei Jahren in die Politik gekommen bin, ist mir bewusst geworden, wie viele Vereine, Einrichtungen und Organisationen es gibt, die sich mit dem Thema


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 105

Menschen mit Behinderung befassen. Da immer mit allen in Kontakt, im Austausch zu sein ist keine leichte Aufgabe, aber Herr Hofer macht das echt mit Bravour. Bei Ver­anstaltungen, die irgendetwas mit Menschen mit Behinderung zu tun haben, egal ob sie in Tirol oder in Wien stattfinden, ist Herr Hofer immer anwesend.

Ein ganz wichtiger Punkt ist für mich auch die Öffentlichkeitsarbeit. Wir Menschen mit Behinderung werden leider immer noch viel zu oft unterschätzt. Uns wird meist zu we­nig zugetraut. Es muss endlich ein Umdenken in unser aller Köpfen stattfinden. Jeder Mensch hat seine Fähigkeiten, und wir müssen jedem und jeder die Möglichkeit geben, diese auch zeigen zu können. Am Ende des Tätigkeitsberichts hat Herr Dr. Hansjörg Hofer Anregungen und Vorschläge festgehalten, die er letzte Woche im Sozialaus­schuss noch einmal bekräftigt hat. Einige Punkte finden sich auch in unserem Regie­rungsprogramm wieder. Ich möchte ein paar davon herausgreifen, die mir wesentlich erscheinen.

Da wäre zum Ersten die Einführung eines Lohns statt des Taschengelds in Einrichtun­gen der Tagesstruktur. In Österreich arbeiten rund 24 000 Menschen – mit der Beto­nung auf arbeiten – in sogenannten Tagesstrukturen. Doch sie stehen dabei nicht in einem Arbeitsverhältnis, sie bekommen lediglich ein Taschengeld. Deshalb sind diese Menschen selbst weder kranken- noch pensionsversichert, sondern bei ihren Eltern mitversichert.

Menschen mit Behinderung haben das Recht auf volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens und müssen dementsprechend unterstützt werden. Für die Umsetzung betref­fend Lohn statt Taschengeld müssen unbedingt Gespräche mit allen wichtigen Stake­holdern und Betroffenen geführt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schaffung bundeseinheitlicher Rahmenbedingun­gen für die persönliche Assistenz. Die NEOS werden dazu heute auch einen Entschlie­ßungsantrag einbringen. Das finde ich grundsätzlich sehr positiv, aber irgendwie ver­stehe ich nicht ganz den Sinn dahinter, denn der Antrag, den die NEOS heute ein­bringen, beschreibt genau auch unsere Vorhaben, die wir im Regierungsprogramm festgehalten haben. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir möchten nicht nur bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die persönliche Assistenz in allen Berei­chen, sondern wir möchten das zudem auch unabhängig von der Art der Behinderung gestalten, was ein ganz entscheidender Punkt ist. Weder der Wohnort noch die Art der Behinderung darf darüber entscheiden, ob jemand persönliche Assistenz bekommt oder nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Die Relevanz dieses Entschließungsantrags ist also etwas fraglich, aber wir werden dem natürlich zustimmen, da wir es ja auch im Regierungsprogramm so festgehalten haben.

Noch kurz zur Erklärung: In Österreich unterscheidet man immer noch zwischen der persönlichen Assistenz und der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz. Die persönli­che Assistenz am Arbeitsplatz ist bereits bundeseinheitlich geregelt, dies gilt es nun auch in der persönlichen Assistenz in allen anderen Bereichen umzusetzen. Mir ist be­wusst, dass dies eine Ländersache ist, aber den Menschen da draußen, die auf As­sistenz angewiesen sind, um morgens aufzustehen, um sich anzuziehen, um ihren Tag zu gestalten, ist es im Endeffekt egal, wer wie wo zuständig ist. Es muss uns einfach gelingen, eine Regelung zu schaffen, damit auch sie ein selbstbestimmtes Leben füh­ren können, so wie es viele Menschen, die keine Behinderung haben, eben auch tun.

Im Regierungsprogramm bekennen wir uns zudem zur Stärkung des inklusiven Schul­systems, und nicht zu vergessen ist die Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Be­hinderung, denn die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung ist – wie wir alle wissen – so hoch wie noch nie, und da gilt es, wirkungsvolle Maßnahmen zu set­zen, damit die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung endlich sinkt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 106

Wie Sie alle gerade gehört haben, gibt es noch viel zu tun, damit Menschen mit Behin­derung ein gleichgestelltes Leben führen können. Es ist auch nicht nur ein Ministerium zuständig, denn Barrierefreiheit und Inklusion sind Querschnittsmaterien.

Ich freue mich schon auf die Gespräche mit den unterschiedlichen Ministerinnen und Ministern und auf die Zusammenarbeit hier im Hohen Haus, damit wir es endlich schaf­fen, dass Menschen mit Behinderung ein gleichgestelltes Leben führen können. – Dan­ke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

14.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Kollegin Fiona Fiedler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.51.00

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Dr. Hofer! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Aufgrund des ausführlichen Berichts des Behindertenanwalts Dr. Hansjörg Hofer sollte sich spä­testens jetzt jeder in diesem Hohen Haus bewusst sein, wie wichtig Inklusion ist und wie notwendig es ist, dass ehestmöglich Maßnahmen gesetzt werden, um Menschen mit Behinderung das Leben zu erleichtern.

Was ist Inklusion eigentlich? – Der Österreichische Behindertenrat hat in seinem The­menheft „Strategische Vorschläge für einen inklusiven Arbeitsmarkt“ Folgendes ge­schrieben: Inklusion beschreibt die Gleichwertigkeit einer Person, ohne Normalität vo­rauszusetzen. Aber was ist normal? – „Normal ist [...] das Vorhandensein von Unter­schieden.“ Normal ist eine große Vielfalt an unterschiedlichen Individuen.

Sehen Sie sich Ihren Nachbarn an! Ist er gleich wie Sie? – Gott sei Dank ist er es nicht, aber genau das ist normal. Einer hat braune Haare, die andere rote; der eine ist groß, die Nächste klein; einer hat dunkle Haut, die andere helle; einer bewegt sich mit seinen Beinen fort und eine andere im Rollstuhl – und trotzdem sind wir alle lebens- und lie­benswerte Menschen.

Das Ziel von Österreich sollte es sein, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, eine Ge­sellschaft, in der Menschen mit Behinderung ein eigenständiges Leben führen können. Neben zahlreichen anderen Themen, die es gibt, wie umfassende Barrierefreiheit, Inklusion am Arbeitsmarkt und Inklusion in der Bildung, ist es das Thema persönliche Assistenz, das ich heute aufgreifen möchte.

Persönliche Assistenz ist für viele Menschen mit Behinderung Grundvoraussetzung für eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft und ein selbstbestimmtes Leben. Für Men­schen mit Behinderung ist diese Selbstbestimmtheit nur teilweise gegeben. Eine per­sönliche Assistenz wird, wie eben gehört, bundesweit für den Schulbesuch und für die Arbeitswelt gestellt, die Assistenz in der Freizeit ist aber Ländersache und deshalb nicht einheitlich geregelt. So passiert es, dass Menschen mit Behinderung zwar täglich zur Arbeit begleitet werden und danach auch wieder zur Wohnungs- oder Haustüre, ih­ren Alltag zu Hause aber oft alleine bestreiten müssen.

Da besteht dringender Handlungsbedarf, und daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitliche bun­desweite Regelung für den Bereich Persönliche Assistenz“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 107

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, ein Konzept für eine bundesweit einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen auszuarbeiten und dem Nationalrat vorzulegen.

*****

Da dieser Antrag von meinem Kollegen Loacker 2018 schon einmal eingebracht wurde und nun wieder im Bericht von Dr. Hofer gestützt wird, ist er seit zwei Jahren überfällig, und ich bitte Sie, heute im Sinne einer inklusiven Gesellschaft für diesen Antrag zu stimmen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

die Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einheitliche bundesweite Regelung für den Bereich Persönliche Assistenz

eingebracht im Zuge der Debatte in der 10. Sitzung des Nationalrats über über den Be­richt des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht des Anwalts für Gleich­behandlungsfragen für Menschen mit Behinderung über die Tätigkeit im Jahr 2018, vorgelegt von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz (III-69/26 d.B.) - TOP 3

Im Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012-2020, der Strategie der österreichischen Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, ist im Kapitel 6.3. „Persönliche Assistenz“ folgende Maßnahme enthalten:

„Erarbeitung des Konzeptes für eine bundesweit einheitliche Regelung der Persönli­chen Assistenz in allen Lebensbereichen unter Beteiligung von Menschen mit Behinde­rungen“

Diese Maßnahme ist leider noch nicht ausreichend umgesetzt. Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz ist bundesweit einheitlich geregelt und wird vom Bund über das Sozial­ministeriumservice den Betroffenen zur Verfügung gestellt. Im Freizeitbereich sind aber die Länder zuständig. Dort gibt es sehr unterschiedliche Regelungen. Das Angebot reicht von relativ zufriedenstellend bis praktisch nicht vorhanden. Hier besteht dringen­der Handlungsbedarf.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, unter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und in Zu­sammenarbeit mit den Bundesländern, ehestmöglich ein Konzept für eine bundesweit einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen auszuar­beiten und dem Nationalrat vorzulegen."

*****



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Nun gelangt Frau Kollegin Mag.Sibylle Hamann zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.54.13

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für den Bericht, den wir heute vorgelegt bekommen haben. Viele großartige Dinge wurden schon gesagt; ich möchte noch ein paar Worte speziell betreffend Inklusion in meinem Bereich, dem Bildungsbereich, anfügen.

Ich möchte die Anregung von Kollegin Grünberg aufgreifen, die gemeint hat, wie wich­tig Öffentlichkeitsarbeit ist. In diesem Sinne habe ich Ihnen ein Bild von jemandem mit­gebracht, um den es heute geht. (Die Rednerin stellt ein Foto eines Jugendlichen mit Downsyndrom mit den Aufschriften „Down-Syndrom. Na und.“ sowie „Ich schließe dich nicht aus. Und du?“ auf das Rednerpult.) Das ist Emil; er ist 14 Jahre alt. Ich habe ihn gefragt, ob ich sein Bild verwenden darf, und er hat gesagt: Klar! – Sein Bildungsweg ist typisch für den vieler Kinder, insbesondere für Kinder mit Downsyndrom.

Der schaut nämlich so aus: Ja, es gibt ein Recht auf Inklusion, und Emil hat das auch, allerdings ist immer ein Aber dabei. Das fängt schon im Kindergarten an, in den er na­türlich schon gehen darf, aber er muss beziehungsweise seine Eltern müssen bewei­sen, dass er in diese spezielle Institution hineinpasst. In die Schule darf er natürlich auch gehen – da muss er sogar hin –, aber da darf er ebenfalls nicht in die, die er sich aussucht oder die die Eltern sich aussuchen, sondern er wird zugeteilt. Leider, so ha­ben wir im letzten Jahr beobachtet, werden Kinder wieder öfter als in der Vergangen­heit einer Sonderschule zugeteilt.

Emil muss natürlich auch nachmittags wohin, in den Hort zum Beispiel. Ganz oft ist der aber nicht bei seiner Schule, und dann wird er mit einem Fahrtendienst durch die halbe Stadt geführt – meistens dürfen das die Kinder aber auch nur bis zum zwölften Lebens­jahr. Dann gibt es natürlich auch, wie alle Eltern wissen, die Ferien, und da gibt es für Schulkinder Feriencamps, neuerdings sogar inklusive Feriencamps – eine ganz tolle Sache! –, in Wien heuer zum ersten Mal. Jedoch: Wo ist mein Aber? – Diese inklusiven Feriencamps gibt es natürlich nicht an allen Orten, und wie ich schon gesagt habe: zum ersten Mal heuer in Wien.

Jetzt ist Emil 14 und wird im Herbst in einen Berufsvorbereitungslehrgang kommen, bei dem es aber Stundenkürzungen gab. Der Berufsvorbereitungslehrgang wird immer um 12 Uhr mittags aus sein, und als seine Eltern gefragt haben, was er denn dann am Nachmittag machen solle, wurde ihnen nahegelegt: Dann müssen Sie halt Ihre Arbeits­stunden kürzen.

Ich sehe es also wirklich als Auftrag – nicht nur an unsere neue Regierung, sondern auch an uns als Gesellschaft insgesamt –, dass dieses Aber wegmuss.

Ein paar konkrete Schritte dazu haben wir im Regierungsprogramm festgeschrieben. Manche von diesen Schritten sind deutlich sichtbar: zum Beispiel dass – im Gegensatz zu dem der vorvorigen Regierung, die die Sonderschulen noch ausdrücklich festge­schrieben hat – in unserem Programm jetzt die aktive Inklusion und der gemeinsame Unterricht als ausdrückliche Ziele drinstehen.

Es gibt aber auch noch ein paar verstecktere Maßnahmen im Regierungsprogramm. Da man diese manchmal nicht auf den ersten Blick sieht, werde ich jetzt ausdrücklich auf sie hinweisen.

Die Vergabepraxis der SPF-Bescheide – eine etwas technisch klingende Passage – wird evaluiert, steht im Regierungsprogramm, und an den tatsächlichen Bedarf ange-


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passt. Was heißt denn das? – Das heißt – für alle, die sich auskennen – ziemlich viel! Damit wird der sogenannte Deckel aufgehoben.

Wie war denn das bisher? – Bisher gab es für Kinder mit sonderpädagogischem För­derbedarf an den Schulen zusätzliche Stunden – das ist an sich gut –, aber nur für ma­ximal 2,7 Prozent der Kinder. Das ist ungefähr dasselbe, als ob man sagen würde, ma­ximal 2,7 Prozent der Kinder dürfen Brillen bekommen, egal wie viele Kinder kurzsich­tig sind. Damit wird es, wenn wir das umsetzen, nach dieser Evaluierung vorbei sein. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Grünen: Das ist der erste Schritt! – Abg. Vogl: Ein guter erster Schritt!)

Ein zweiter Punkt: Wir wollen in unserem Bildungsprogramm auch eine Bildungspflicht einführen, und diese gilt ausdrücklich für alle in diesem Land lebenden Jugendlichen. Das heißt, das Bildungssystem darf Jugendliche nicht einfach nach neun Schuljahren entlassen, sondern erst, wenn sie lesen, schreiben, rechnen gelernt haben. Das wird ausdrücklich auch für Kinder mit Behinderungen gelten, die mehr Zeit brauchen. Bei­spiel Emil: Er liest und schreibt jetzt mit 14 ungefähr auf dem Level eines Siebenjähri­gen, er ist gerade im Zahlenraum 100 bis 1 000 unterwegs, aber da geht jeden Monat etwas weiter – er lernt dazu und es macht ihm Spaß. Er lernt gern, und wenn es nach unserem Regierungsprogramm geht, dann wird er weiterlernen können, bis er 18 ist.

Kurz noch ein letztes Wort: Mein ausdrücklicher Dank geht auch an die Gebärdendol­metscherInnen hier im Raum. Es ist mir ja immer eine Riesenfreude, ihnen zuzu­schauen. Ich habe das Gefühl, ich lerne dabei auch etwas über unsere Sprache und darüber, wie unsere Sprache funktioniert. Auch das wollte ich einmal gesagt haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS sowie der Abgeordneten Belakowitsch.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Petra Wimmer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.00.06

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren! Eine Erhebung der Statistik Austria zeigt auf, dass 15 Prozent der Befragten aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung in vie­len Lebensbereichen benachteiligt sind. Wenn wir diese Statistik hochrechnen, dann kommen wir auf die beachtliche Zahl von 1,3 Millionen ÖsterreicherInnen, die aufgrund einer Behinderung nicht die gleichen Möglichkeiten wie alle anderen haben. Genau aus diesem Grund ist die Behindertenanwaltschaft eine so wichtige Institution, um diese Ungleichheiten aufzuzeigen, um zu vermitteln und Empfehlungen abzugeben. – Herzli­chen Dank für diese wichtige Arbeit!

Auch unser Bundes-Verfassungsgesetz sagt: „Niemand darf wegen seiner Behinde­rung benachteiligt werden. Die Republik [...] bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Le­bens zu gewährleisten.“

Nicht gewährleistet ist diese Gleichbehandlung – wie bereits von einigen VorrednerIn­nen angesprochen – für Beschäftigte in den geschützten Werkstätten. Ihre Tätigkeit wird nicht als Erwerbsarbeit gewertet, obwohl sie wie andere Menschen im Erwerbs­leben auch regelmäßig zur Arbeit gehen, obwohl sie an Geräten arbeiten, Produkte herstellen oder Dienstleistungen anbieten. Es handelt sich vielmehr um unterschiedlich geregelte Maßnahmen der Länder nach dem jeweiligen Sozialhilfe- beziehungsweise nach dem Behindertengesetz. Das heißt, sie erhalten für ihre Arbeit kein Entgelt, kei­nen Lohn, kein Gehalt, sondern – wie bereits gesagt – ein sehr geringes Taschengeld. Dazu sagen die Sprecher der Lebenshilfe Oberösterreich, Roland Öhlinger und Karin


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Riegler, zu Recht: „Taschengelder bekommen Kinder oder Schüler. Die Arbeit, die wir machen, soll endlich als Leistung anerkannt werden!“

Auch die Volksanwaltschaft weist darauf hin, dass fehlende kranken- und pensionsver­sicherungsrechtliche Absicherung Beschäftigte in geschützten Werkstätten in die Rolle von Kindern drängt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Menschen mit intellektuellen Behinderungen sind er­wachsene Bürgerinnen und Bürger Österreichs und sollen nicht länger wie Kinder be­handelt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Ermöglichen wir ihnen ein selbstbestimmtes Leben mit eigenem Einkommen und eigenen Pensions­ansprüchen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Laurenz Pöttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.02.59

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich kann mich dem Dank meiner VorrednerInnen an Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer nur anschließen. Herr Dr. Hofer hat in seinem Tätigkeitsbericht sehr ausführlich be­schrieben, mit welchen Problemen Menschen mit Behinderung tagtäglich zu kämpfen haben.

Das spiegelt sich auch in unserem Regierungsprogramm wider. Die Bundesregierung bekennt sich zu klaren Maßnahmen, die eine bestmögliche Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft und in die Arbeitswelt ermöglichen und vorhande­ne Barrieren in allen Lebensbereichen beseitigen. Generell gilt es, Unterstützungsleis­tungen für Menschen mit Behinderung niederschwelliger und einfacher anzubieten so­wie den bürokratischen Aufwand so klein wie möglich zu halten. Wichtige Bereiche um­fassen die Inklusion im Bildungssystem bis zum tertiären System, die Inklusion am Ar­beitsmarkt und das selbstbestimmte Leben in der Gemeinschaft.

Im Bericht von Dr. Hansjörg Hofer zeigt sich, welche Schwerpunkte den Betroffenen wichtig sind. Das sind zum einen die Barrierefreiheit, die Bildung, Wohnen und die Arbeit. Es gab im Jahr 2018 in Österreich 644 Akte, davon betrafen 88 den Bereich der Arbeitswelt, 36 die Bereiche Arbeitsuche, Beschäftigung, Betreuung und 17 betrafen Arbeitsrecht und Kündigungsschutz. Somit beziehen sich rund 20 Prozent davon auf das Thema Arbeit; und auf diese Thematik möchte ich hier nun näher eingehen.

Insgesamt gibt es in Österreich 110 748 begünstigte behinderte Personen. Davon sind 62 382 erwerbstätig; international gesehen ein sehr hoher Wert. Beim AMS sind rund 6 000 begünstigte behinderte Personen als arbeitslos gemeldet. Sehr oft werden die begünstigten behinderten Personen zu rasch als arbeitsunfähig eingestuft. Gut für Be­triebe und Menschen mit Behinderung wäre ein One-Stop-Shop, der Einstellung, Be­schäftigung und Förderung von begünstigten behinderten Personen und deren Arbeit­gebern abdeckt und die Förderungen besser aufeinander abstimmt. Derzeit sind die Zuständigkeiten zwischen Sozialministeriumservice, Land und AMS aufgeteilt.

Dass es auch andere Wege gibt, Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen, wur­de letztes Jahr bei der Ö3-Aktion „Ich will & ich kann arbeiten“ bewiesen: „Am Ö3-Ak­tionstag am 2. Mai hat Magdalena, 16 Jahre aus Mils, on Air auf Ö3 gesagt: ,Mir geht’s auf die Nerven, dass man mir einfach nichts zutraut. Ich sitze im Rollstuhl, aber trotz­dem kann ich was leisten!‘ Ihre Botschaft hat das Land erreicht und die große Ö3-Ge­meinde hat sofort reagiert: In nur 14 Tagen haben Betriebe 145 neue Lehrstellen ange­boten!“


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Ich möchte an dieser Stelle dem ORF und insbesondere unserem früheren Kollegen Franz-Joseph Huainigg für die sehr positive und wirkungsvolle Initiative auf Ö3, durch die diese große Anzahl an Anstellungen erreicht werden konnte, meinen Dank aus­sprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

In meiner Heimatgemeinde Grieskirchen gibt es einen jungen Mann, der seit seiner Geburt beeinträchtigt und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Im Gespräch mit der Re­gionalzeitung „Tips“ hat er damals erzählt, dass er sich nichts sehnlicher wünsche, als eine Arbeit zu finden. Der Zeitungsartikel über den 22-Jährigen sorgte weit über die Bezirksgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit und wurde mehr als 3 400-mal auf Face­book geteilt. Daraufhin meldete sich ein Unternehmer aus Wallern, AV Stumpfl, und sagte ihm eine Arbeitsstelle zu. Diese Arbeit ist sehr erfüllend, er ist in den gesamten Betrieb gut integriert und sehr, sehr zufrieden. Die Medien können ein sehr wertvoller Partner sein, um die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich zu verringern.

Als lobenswert sei auch die Firma Fröling aus Grieskirchen erwähnt, die seit vielen Jahren eine Kooperation mit dem Joker Hof Tollet im Bereich Arbeitsassistenz pflegt und bereits vielen Jugendlichen eine Fixanstellung ermöglicht hat.

Nach meiner Meinung wäre ein Anreizsystem für Betriebe, die Menschen mit Behinde­rung einstellen, effektiver, als Sanktionen zu verhängen. Erfolgreich kann da wohl nur ein Weg des Miteinanders, des Förderns und der Kooperation sein. Ausgrenzung, Dis­kriminierung, aber auch Bestrafung sollten in einer modernen Inklusionspolitik eigent­lich keinen Platz finden. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

15.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


15.09.01

Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte ganz gern auf diese Debatte eingehen und zu dem Tätigkeitsbericht kurz Stellung beziehen. Beginnen möchte ich sozusagen mit zwei Dankesworten, näm­lich zum einen: Danke für diesen hervorragenden Bericht und die Arbeit von Dr. Hofer. Das ist auch jetzt in der Diskussion quer durch die Fraktionen ein Grundkonsens ge­wesen. – Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben letzte Woche schon eine erste Gelegenheit für ein Kennenlerngespräch ge­habt, das schon sehr stark in die Zukunft gegangen ist, sehr inhaltlich war. Ich freue mich auf die Kooperation und auf das gemeinsame Tun in diesem wichtigen Arbeits­feld.

Das zweite Danke: Ich habe heute den ganzen Tag die gesamte Diskussion verfolgt, und ich muss schon sagen, dass es bei diesem Tagesordnungspunkt ein besonderes Klima gab, ein besonders konstruktives, eine besondere Kultur des Miteinanders, des einander Zuhörens, auch einen anderen Umgangsstil. Ich muss sagen: Vielleicht ler­nen wir insgesamt etwas daraus, nämlich wie man auch miteinander Politik machen kann. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Mein zentrales Anliegen in diesem Tätigkeitsbereich, in dem ich viele Vorbilder habe – eines davon, die Ulli, sitzt heute hier oben und hört und sieht sich die Debatte an –, ist einerseits, das Thema als Querschnittsmaterie zu behandeln und zu sehen, dass es sich durch alle Themenbereiche unserer Gesellschaft zieht und alle geöffnet werden müssen und sollen. Der andere Zugang ist aus meiner Sicht, dass ich wie in anderen Themenfeldern ein gemeinsames Arbeiten verwirklichen möchte, ein gemeinsames Ar­beiten mit den vielen Fachexpertinnen und Fachexperten und vor allem mit den Be­troffenen, damit wir parteiübergreifend und grenzüberschreitend gemeinsam etwas be-


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wirken und erreichen, ganz im Sinne des Berichtes. – Das ist der eine Bereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum dritten Punkt kommend möchte ich kurz erwähnen, dass dieser Tätigkeitsbericht, der Bericht von Dr. Hofer und seinem Team, eigentlich sehr viele Ähnlichkeiten mit dem hat, was im Regierungsübereinkommen zu diesem Thema festgeschrieben ist, und das ist gut so, denn damit wissen wir, dass wir in etwa in die richtige Richtung un­terwegs sind.

Für mich sind in diesem Regierungsübereinkommen vor allem zwei große Grund­satzbereiche besonders wichtig. Der eine ist der Bildungsbereich, da bin ich stolz da­rauf, dass erstmals ein wirklich inklusives Bildungssystem als Ziel festgeschrieben ist. Das ist jetzt einmal ein Ziel. An uns wird es liegen, dass wir das Schritt für Schritt in die Wirklichkeit führen.

Der zweite wurde von vielen Vorrednern und Vorrednerinnen bereits genannt, das ist die berufliche Teilhabe – selbstständig handeln zu können, selbstständig im Leben zu sein und selbstbestimmt leben zu können. Diese Themenfelder sind uns sehr wichtig.

Vielleicht noch kurz zur Frage: Was ist ein Regierungsübereinkommen? – Dazu sei in Erinnerung gerufen: Es kann nie die Details darstellen, sondern wir haben versucht, Schwerpunkte zu verankern, Ziele zu definieren. Jetzt wird es um die Detaillierung, um die konkrete Umsetzung gehen, und da ergeht meine Einladung ganz stark an Sie alle: Arbeiten wir gemeinsam an diesem Themenfeld! Sie haben eine ausgestreckte Hand von meiner Seite. Nützen wir diesen Grundkonsens, der in diesem Themenfeld in der Politik eigentlich spürbar ist, um eine gemeinsame Umsetzung, ein gemeinsames Tun, ein schrittweises gemeinsames Verbessern zu realisieren!

Ein guter Aufhänger und eine gute Möglichkeit kann der Nationale Aktionsplan für die­ses Themenfeld werden, der für die Periode 2022 bis 2030 geplant ist. Das heißt, vor uns liegen viele Monate des intensiven Konkretisierens und Arbeitens. Der Nationale Aktionsplan ist aus meiner Sicht der große Schlüssel für die konkrete Umsetzung der Ziele, die wir gemeinsam definiert haben, sowohl im Tätigkeitsbericht als auch im Re­gierungsübereinkommen.

Daher ist meine Bitte, mein Ersuchen, aufbauend auf diesem konstruktiven Stil, der bei dieser Debatte geherrscht hat, in diesem Bereich gemeinsam zu arbeiten, gemeinsam parteiübergreifend, vor allem aber auch mit den Fachexpertinnen und Fachexperten – und zuallererst mit den Betroffenen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

15.13

15.13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist offenbar nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-69 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag.a Verena Nussbaum betreffend „rasche Maßnahmen im Bereich Bar­rierefreiheit“.

Ich bitte jene Kollegen, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ho­fer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhaltung des Weißen Hof/Klosterneuburg (NÖ) als Reha-Zentrum der AUVA“.

Ich bitte jene Kollegen, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitliche bundesweite Rege­lung für den Bereich Persönliche Assistenz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (6/E)

15.15.274. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundes­ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Österreich (3. Freiwilli­genbericht) (III-85/27 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist nun Kollege Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Kollege.


15.15.49

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Sozialminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Laut dem vorliegenden Freiwilligenbericht engagieren sich in Österreich 3,5 Millionen Menschen ab dem 15. Le­bensjahr ehrenamtlich und freiwillig, 3,5 Millionen Menschen, die aktiv zum Zusammen­halt unserer Gesellschaft beitragen, 3,5 Millionen Menschen, die mit ihren kleinen und größeren Tätigkeiten unserem Staat zur Seite stehen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich auch namens meiner Fraktion bei diesen 3,5 Millionen Menschen be­danken. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty.)

In Wirklichkeit sind es aber mehr als diese 3,5 Millionen Menschen, die sich in Öster­reich aktiv einbringen. Was nämlich nicht im Bericht niedergeschrieben ist, sind die vie­len Aktiven der NGOs, die in Österreich auch ehrenamtliche Arbeit leisten. Ich möchte daher an dieser Stelle noch einmal, so wie auch letzte Woche im Ausschuss, darauf hinweisen, dass wir auch das in Zukunft in diesen Freiwilligenbericht aufnehmen soll­ten. Die Bereitschaft dazu wurde bereits letzte Woche von Minister Anschober signali­siert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei aller Freude über diese durchaus positiven Zahlen und Fakten dürfen wir aber die Herausforderungen, die aus diesem Bericht hervorgehen, nicht vergessen. Zum einen gibt es einen Gendergap. Konkret heißt das, dass soziales Engagement in der Freiwilli­genarbeit eine eher weibliche Sache ist, Katastrophenschutz und technische Hilfsleis­tungen eine männliche Sache. Ich denke, wir sind gut beraten, das zu ändern. Ich den­ke, es ist gut, wenn die Freiwilligenorganisationen – das Ministerium zur Seite ste­hend – auf eine Änderung dieses Umstandes hinwirken. Eine Idee wäre beispielswei­se, dass Feuerwehren oder Rettungen sich stärker um Frauen als Ehrenamtliche be­mühen, während die sozialen Dienste sich verstärkt um Männer als Mitglieder und Akti­ve bemühen. Sie wissen ja: because it‘s 2020.

Zum anderen gibt es auch einen Bildungsgap. Formelle Freiwilligenarbeit hängt auch mit dem Grad der formalen Bildung zusammen. Während sich 21 Prozent der Men-


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schen mit Pflichtschulabschluss freiwillig engagieren, sind es 45 Prozent jener mit Ma­tura oder einem höheren Bildungsabschluss. Ganz arg ist die Sache überhaupt beim Freiwilligen Sozialjahr, wo 76 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Matu­ra verfügen. Auch da ist es eine Aufgabe, dass wir eine Verschiebung herbeiführen, von der formalen Bildung hin zum allgemeinen Engagement. (Beifall bei den Grünen.)

Apropos Freiwilliges Sozialjahr: Hier lassen wir als Gesellschaft großes Potenzial lie­gen. Es gibt keine einheitlichen Anrechnungsverfahren für weitere Ausbildungen, und überhaupt wird dabei ignoriert, dass das Freiwillige Sozialjahr der perfekte Einstieg in den Sozialberuf wäre. Dabei wäre aber eine anständige Ausbildung oder eine anstän­dige Anrechnung ein Gebot der Stunde.

Da es im Ausschuss kurz Thema war, ist es mir auch ganz wichtig, darauf hinzu­weisen, dass freiwilliges Engagement keine Frage der Herkunft ist. Das zeigt auch die­ser Bericht. Was sich zeigt, ist, dass das Engagement bei Menschen mit und ohne Mi­grationshintergrund annähernd gleich hoch ist, jedoch unterschiedlich aussieht. Men­schen ohne Migrationshintergrund sind verstärkt in formellen Organisationen tätig, Menschen mit Migrationshintergrund eher in den informellen Strukturen. Auch da gibt es einen klaren Auftrag an uns als Gesellschaft, an uns als Rechtsgeber, auch an das Ministerium, dem entgegenzuwirken, damit wir in Zukunft im Sinne der Integration Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt in die Freiwilligenstrukturen bringen – frei nach dem Motto: If you can see it, you can be it. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zwei kurze Punkte habe ich noch, und dann bin ich wirklich schon fertig. Der eine: Als Gemeindepolitiker erlebe ich immer öfter, dass gerade Lokalpolitikerinnen und -politi­ker, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Freiwilligen sozusagen als Ersatzkraft zur Erledigung ihrer eigenen Aufgaben verwenden wollen. (Abg. Michael Hammer: Das stimmt nicht!) Das geht nicht. Dem müssen wir entgegenwirken. Personen, die in der Freiwilligenarbeit tätig sind und sich ehrenamtlich engagieren, können nicht dazu da sein, als billige Arbeitskraft und Ersatzkraft für die Erledigung öffentlicher und staat­licher Aufgaben herangezogen zu werden.

Der zweite Punkt, der mir auch noch wichtig ist: Wir müssen uns darum kümmern, dass es bei den Freiwilligenorganisationen eine anständige Nachwuchsarbeit gibt. Es gibt dazu entsprechende Forderungen der Bundesjugendvertretung, auf die ich hinwei­sen möchte. Wir sollten uns damit ernsthaft auseinandersetzen. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Andreas Koll­ross. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Michael Hammer: Jetzt sind wir gespannt!)


15.21.00

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn wir über das Freiwilligenwesen diskutieren, dann fallen uns in erster Linie – und natürlich völlig zu Recht – die Blau­lichtorganisationen ein, und diese leisten ohne Zweifel eine hervorragende Arbeit in un­serer Gesellschaft.

Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass wir auch wissen und berücksichtigen, dass es über die Blaulichtorganisationen hinaus eine Vielzahl an Menschen gibt, die sich in anderen Vereinen, in anderen Institutionen engagieren, und dass unsere Gesellschaft, dass unsere Städte und Gemeinden in keiner Weise funktionieren würden, wenn es die vielen Tausenden ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sportvereini­gungen, in den Kinder- und Jugendvereinigungen, in den Seniorenvereinigungen, in den Kulturvereinigungen und so weiter und so fort nicht gäbe. Es sähe in Niederöster-


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reich und in ganz Österreich sehr ärmlich aus, wenn wir diese vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht hätten. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir uns auch ansehen: Werden überhaupt alle ehrenamtlichen Vereinigungen vom Staat gleich behandelt?

Herr Minister, da würde ich bitten, dass wir uns, was zum Beispiel die Sportlerinnen- und Sportlerregelung betrifft, in der Zukunft diesbezüglich noch einmal unterhalten. Es ist natürlich völlig korrekt und sehr toll, dass es diese Regelung gibt, aber ich glaube, dass es an der Zeit ist, darüber zu diskutieren, dass wir sie möglicherweise auch auf andere ehrenamtliche Vereinigungen ausweiten und dass wir diese Sonderregelung nicht nur im Sportbereich haben. (Abg. Schellhorn: Unterhalten wir uns über Steuer­gerechtigkeit!)

Einen letzten Punkt möchte ich noch, auch aufbauend auf die Worte meines Vorred­ners, der das auf die Kommunalpolitik bezogen hat, ansprechen: Ja, auf das müssen wir aufpassen, da gebe ich dir völlig recht. Ich glaube aber, dass wir generell aufpas­sen müssen, dass sich der Staat nicht zu sehr der Ehrenamtlichen bedient und Auf­gaben, die klar staatliche Aufgaben wären, auf das Ehrenamt abschiebt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte das an einem Punkt aufzeigen, bei dem ich glaube, dass wir da alle ge­meinsam aufpassen müssen, und zwar an der Frage der Pflege, bei der im Regie­rungsprogramm angekündigten Einführung eines Pflege-daheim-Bonus für pflegende Angehörige. Da bin ich der Meinung, dass das schon so ein Punkt ist, wo man aufpas­sen muss, dass nicht versucht wird, von den Ehrenamtlichen und den Freiwilligen staat­liche Aufgaben erledigen zu lassen.

Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, wenn wir über Pflege diskutieren, dass wir es nicht dazu kommen lassen, dass die Pflege halt ein bisschen mit den Ehrenamtlichen, ein bisschen mit Familienangehörigen, ein bisschen mit einem finanziellen Zuckerl be­werkstelligt wird, sondern dass wir dafür sorgen, dass es die notwendige finanzielle Ausgestaltung in diesem Bereich gibt, dass es ein höheres Pflegegeld gibt und dass es vor allen Dingen höhere Einkommen für Pflegekräfte gibt, damit dieser notwendige Be­rufszweig zukünftig ein attraktiver Berufszweig in unserer Gesellschaft wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Andreas Hanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.24.55

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir debattieren den Freiwilligenbe­richt 2019, die aktuellen Zahlen, und das ist natürlich wieder einmal eine gute Gele­genheit, auf das Freiwilligenwesen in Österreich ein bisschen genauer hinzuschauen.

Es wurde von meinen Vorrednern schon gesagt, dass wir da in Österreich auf eine be­achtliche Zahl verweisen können: 3,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher ab 15 Jahren engagieren sich freiwillig, ehrenamtlich entweder institutionell in einem Ver­ein oder auch in der Nachbarschaftshilfe. Ich glaube, das ist die große positive Bot­schaft des Tages, denn damit sind wir nämlich auch im europäischen, im weltweiten Vergleich führend. Das ist ein Wert, der im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar ist, weil die Freiwilligen, die Ehrenamtlichen zum einen natürlich viele Leistungen überneh­men, die vielleicht auch staatliche Aufgabe sein könnten, die so aber jedenfalls auch finanzierbar werden. Viel wichtiger noch ist aber, dass dieser Bereich der soziale Kitt ist, der unsere Gesellschaft zusammenhält.


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Ich darf mich jetzt seit einigen Jahren mit diesem Thema beschäftigen und ich habe mir für die heutige Rede vorgenommen, ein bisschen genauer zu schauen: Wer sind denn da die Akteure, denen wir, glaube ich, sehr, sehr dankbar sein müssen? Natürlich fal­len uns beim Thema Ehrenamt zuallererst unsere freiwilligen Feuerwehren ein. Ich bin mit den freiwilligen Feuerwehren – 350 000 Kameradinnen und Kameraden, die tagtäg­lich für unsere Sicherheit sorgen – laufend im Dialog. Ich behaupte wirklich – und da bin ich mir ziemlich sicher –, dass wir in puncto Einsatzstärke, Ausbildungsstand der Kameradinnen und Kameraden, vorhandener Infrastruktur wahrscheinlich sogar das beste Feuerwehrwesen weltweit haben. Ich hatte Gelegenheit, bei der Bundeskatastro­phenübung in Linz dabei zu sein, und wenn man sich da vor Ort überzeugen kann, was da – fast ausschließlich ehrenamtlich – geleistet wird, dann ist das sehr, sehr beeindru­ckend.

Ich kenne auch die Sorgen. Wir haben einiges – Entgeltfortzahlung bei Großschadens­lagen – erreicht. Ich kenne auch die anderen Themen, die auf der Agenda sind. Wir ha­ben schon im Ausschuss darüber gesprochen – Hepatitisimpfung oder Tauglichkeits­untersuchungen –, da werden wir natürlich weiter dranbleiben. (Beifall bei der ÖVP.) – Danke, Hörl, unsere Feuerwehren verdienen natürlich immer einen Applaus!

Ein zweiter großer Bereich sind unsere Rettungsdienstorganisationen. Das ist nicht nur das Rote Kreuz, das ist natürlich auch der Arbeiter-Samariter-Bund, das sind die Jo­hanniter, das sind die Malteser, aber gestatten Sie mir, dass ich ein bisschen näher auf das Rote Kreuz eingehe. Ich darf dort selber Bezirksstellenleiter sein. Es ist unglaub­lich, was da geleistet wird, nicht nur im Rettungsdienst, im Krankentransport, sondern auch darüber hinaus.

Das Spannende beim Roten Kreuz ist, finde ich persönlich, dass da das Zusammen­spiel zwischen hauptberuflichen Kräften, Zivildienstleistenden und natürlich auch vielen Ehrenamtlichen hervorragend funktioniert. Ich sage immer, das ist ein Gesamtkunst­werk, aber da geht es genauso um die Team-Österreich-Tafel, in deren Rahmen jeden Samstag Lebensmittel, die sonst auf der Müllhalde landen würden, von den Super­märkten abgeholt werden, da geht es um die Henry-Läden, die einen Secondhandver­kauf machen, da geht es um die Blutspende-Damen, die immer das Blutspenden orga­nisieren – die Blutspende selbst muss natürlich vom Fachpersonal gemacht werden –; also unglaublich, was da geleistet wird, das ist sehr beeindruckend.

Weiter geht es natürlich mit den anderen Blaulichtorganisationen. Manchmal viel zu wenig gesehen wird zum Beispiel unsere Bergrettung. Sie ist fast ausschließlich – mit kleinen Ausnahmen vielleicht bei den Bundesverbänden – ehrenamtlich organisiert. Da wird jetzt der Hörl wieder applaudieren, oder? Gerade in den westlichen Bundeslän­dern ist das ja ein Thema. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schellhorn: Die wollt ihr euch jetzt einverleiben! – Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die sind da echt cool drauf und gehen manchmal in der öffentlichen Aufmerksamkeit ein bisschen unter. Tag und Nacht da zu sein, wenn jemand am Berg in Not ist, das ist schon sehr, sehr bemer­kenswert. Es gibt aber auch eine Höhlenrettung, eine Wasserrettung, also das Thema ist wirklich unheimlich breit. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Ein großes Thema – das hat auch mein Vorredner schon angesprochen – sind auch unsere Sportvereine. Ich war einmal bei einer Veranstaltung des niederösterreichi­schen Skisportverbandes. Da bin ich darauf aufmerksam geworden, dass es auch wahn­sinnig viele Funktionäre dort sind, die das ehrenamtlich machen: Nachwuchstrainer, Funktionäre, die Veranstaltungen organisieren. Das ist sehr, sehr bemerkenswert. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) – Herr Loacker, das ist nicht zum Lachen, sondern das ist wirklich ausdrücklich wertzuschätzen! – Sowohl in unseren Fußballvereinen, von den Funktionären dort, aber auch in allen anderen Sportarten wird sehr viel Arbeit ge­leistet.


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Auch in der Infrastrukturentwicklung: Bei uns in Niederösterreich ist es üblich, dass, wenn ein Sporthaus gebaut wird, dann die Vereinsmitglieder da sind, die Funktionäre da sind, da wird in den Vereinen zusammengeholfen, das ist ausdrücklich bemerkens­wert.

Ein anderer Bereich, den ich ausdrücklich erwähnen möchte, ist der Kulturbereich. Ich möchte mit der Blasmusikszene beginnen. Ich weiß nicht, ob ihr das mitverfolgt: Wenn man bei uns in Niederösterreich auf einem Bezirksmusikfest ist – das wird in Vorarl­berg auch so sein –, ist das etwas ganz, ganz Besonderes, das muss man echt sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser Zusammenhalt über Generationen, der dort passiert, ist beeindruckend. In der Nachwuchsarbeit sind das Vereine, die generationenübergreifend agieren, aber es sind natürlich auch andere Kulturvereine. Da gibt es die tollsten Ensembles, da gibt es die Kulturvereine in den Gemeinden. Das ist ausdrücklich sehr, sehr bemerkenswert.

Ich möchte auch den sozialen Aspekt ansprechen. Ehrenamtliche Arbeit ist oft auch so­ziale Arbeit. Ich denke an unsere gemeinnützigen Träger, an die Caritas, an das Hilfswerk, an die Volkshilfe. Da wird neben der professionellen Pflege auch ehrenamtliche Arbeit or­ganisiert. Zum Beispiel Essen auf Rädern: In vielen Gemeinden wird das Essen zu den Menschen ehrenamtlich auf den Weg gebracht. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Ich möchte auch die Politik erwähnen, über alle Parteigrenzen hinweg. Wir als ÖVP sind darauf natürlich besonders stolz, dass wir in allen Ortschaften Gemeindeparteien haben, bündische Organisationen, die Veranstaltungen oder Diskussionen organisie­ren. Auch diesen sei an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön gesagt. Ihnen kann man wirklich applaudieren, denke ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch unsere Brauchtumsvereine ansprechen, auf die wird immer ein biss­chen vergessen. Ob das Schuhplattlergruppen, Volkstanzgruppen oder die Schützen sind – alle werken in Österreich und stärken die Gemeinsamkeit. (Abg. Schellhorn: Der Pendl der ÖVP!) Das muss man wirklich wertschätzen – das ist nichts zum La­chen, das meine ich ganz, ganz ernst – weil sie ja, da dieses Wissen von der einen Generation zur anderen weitergegeben wird, auch Identitätsgeber für uns sind.

Ausdrücklich erwähnen möchte ich auch noch ganz kurz die Bundesjugendvertretung, in der 36 Jugendorganisationen organisiert sind. Als Beispiel nenne ich die Landju­gend, da werden vielleicht wieder manche lächeln. Was die Landjugend bei uns am Land in der Lage ist zu bewerkstelligen, ist ausdrücklich bemerkenswert. Ich nenne nur den Projektmarathon: Innerhalb von 42 Stunden wird für die Öffentlichkeit ein Projekt im eigenen Ort umgesetzt. Diese Liste würde sich lang fortsetzen lassen: Kamerad­schaftsbünde, der Alpenverein, Dorferneuerungsvereine und, und, und. Österreich ist das Land der Vereine, und darauf können wir wirklich stolz sein. Das ist meine tiefe Überzeugung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller. – Abg. Michael Ham­mer: Bravo!)

Ich möchte auch noch ganz kurz auf das Regierungsprogramm eingehen. Es ist erst­mals so, dass wir dem Thema Ehrenamt, Freiwilligkeit, Gemeinnützigkeit einen wirklich breiten Raum im Regierungsprogramm eingeräumt haben. Ich darf alle einladen, bei der Umsetzung des Regierungsprogramms mitzuarbeiten. Grundsätzlich glaube ich, dass Ehrenamt und Freiwilligkeit natürlich eine Konsensmaterie ist. Dafür haben wir eine gute Grundlage.

Ich möchte das wiederholen, was ich im Ausschuss gesagt habe: Interessanterweise ist es so, dass es anfangs nur bei uns, bei der ÖVP, einen Freiwilligensprecher gab. Mit David Stögmüller gibt es jetzt auch einen bei den Grünen. Ich habe mir die Be­reichssprecherliste der anderen Fraktionen durchgeschaut, bei denen gibt es keine Freiwilligensprecher. Ich darf Sie einladen, auch welche zu ernennen. Das erleichtert


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den Dialog. Wir haben hier im Parlament eine gute Grundlage, das Ehrenamt weiterzu­entwickeln und dessen Rahmenbedingungen noch zu verbessern. Ich glaube, das ist unser gemeinsamer Auftrag. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.32.01

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Hohes Haus! In Österreich, das haben wir jetzt schon groß und breit gehört, wird Freiwilligenengagement großgeschrieben, und das ist auch gut so; sei es bei den Blaulichtorganisationen oder bei den zahlreichen anderen Organisationen, die schon genannt wurden. Ich als gebürtiger Tiroler darf da natürlich die Bergrettung hervorhe­ben, die jede Saison Unmenschliches leistet.

Der Freiwilligenbericht zeigt, dass sich unglaublich viele Menschen in Österreich frei­willig engagieren. Es sind 3,5 Millionen, die sich in Vereinen, Organisationen, Initiativen ehrenamtlich engagieren. Als Jugendsprecher freut es mich auch besonders, dass der Anteil junger Menschen, die sich freiwillig engagieren, besonders hoch ist.

Ich möchte diese Gelegenheit hier auch nutzen, um ehrenamtliche Initiativen vor den Vorhang zu holen, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen wie jene, die heute schon erwähnt wurden. Da würde ich gern zwei Initiativen herausgreifen, die, wie ich finde, wahnsinnig wichtige Arbeit machen. Das ist einerseits der Verein Sindbad, der 13- bis 15-jährige Schülerinnen und Schüler vor allem in Brennpunktschulen in ei­ner Phase, in der sie es vielleicht nicht so leicht haben, mit Mentorinnen, Mentoren über ein Jahr begleitet. Seit der Gründung von Sindbad haben 1 000 Jugendliche an diesem Mentoringprogramm teilgenommen. 77 Prozent davon haben das Programm abgeschlossen, und ganze 93 Prozent davon haben das Ziel dieses Programms er­reicht, nämlich den Einstieg in eine Lehre oder eine weiterführende Ausbildung ge­schafft.

Eine andere solche tolle Initiative ist der Verein Frida, der vor einem Jahr gegründet wurde und sich auf die kostenlose und unabhängige Beratung in Asyl- und Fremden­rechtsfragen spezialisiert hat. Mehr als 25 ehrenamtliche Juristinnen und Juristen, Dol­metscherinnen und Dolmetscher, Beraterinnen und Berater leisten unglaublich wichtige Arbeit. Allein im ersten Jahr wurden circa 500 Klienten und Klientinnen ehrenamtlich und kostenlos beraten. Damit wurde ihnen der wichtige Zugang zu Recht gewährleistet. Gerade im Hinblick auf die bevorstehende Verstaatlichung der Rechtsberatung durch die türkis-grüne Regierung kann die Bedeutung von solchen Organisationen gar nicht überschätzt werden. (Beifall bei den NEOS.)

Das waren natürlich nur zwei wertvolle Initiativen unter ganz vielen Vereinen und Orga­nisationen, in denen sich Ehrenamtliche für ihre Mitmenschen einsetzen und mit ihrer Arbeit das Leben ihrer Mitmenschen ein Stück besser machen. Gerade jene Ehrenamt­lichen, die nicht so sehr im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen, brauchen un­sere besondere Anerkennung und Unterstützung.

Abschließend möchte ich etwas wiederholen, was hier schon zwei, drei Mal gesagt wurde: Ich möchte Ihnen, liebe Österreicherinnen und Österreicher, Danke dafür sa­gen, dass Sie sich ehrenamtlich engagieren. Sie leisten einen großen Beitrag zu einem funktionierenden Miteinander, Ihr Engagement ist für unser Land unverzichtbar. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

15.35



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege David Stögmüller. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.35.15

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Werte Damen und Herren! Ehrenamt ist in Österreich ein hohes Gut, es bringt die Menschen zusammen und trägt dazu bei, Brücken in unserer Gesellschaft zu bauen, wo sonst vielleicht Gräben wären. Dass sich in Österreich – und das haben wir heute schon ein paarmal gehört – etwa 3,5 Millionen Menschen freiwillig engagieren, ist eine unglaublich große Bereicherung für unser Land. Bereits in jungen Jahren sind viele Menschen – von Kollegen Hanger haben wir schon von der Bundesjugendvertre­tung gehört – in Vereinen, Organisationen, Initiativen oder in der Nachbarschaftshilfe tätig. Dieses Engagement soll gewürdigt und auch mit dem nötigen Respekt behandelt werden. Es hebt das Menschliche in uns hervor und zeigt, wie sehr wir uns gegenseitig brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der vorliegende Bericht zeigt auch deutlich, dass das Ehrenamt gestärkt werden muss; es muss gestärkt und durch den Staat gefördert werden. Dieses Engagement zeigt aber auch, dass oft Menschen mit freiwilligen Leistungen dort einspringen, wo der Staat versagt hat oder zu spät handelt. Allein im Sozial- und Gesundheitsbereich enga­gieren sich pro Jahr rund 360 000 Menschen, im Umweltbereich rund 294 000 Men­schen und im Bereich der Katastrophenhilfs- und Rettungsdienste sind es sogar über 514 000 Menschen. Das sind keine schlechten Zahlen.

Ohne diese Menschen könnte der Staat nicht funktionieren, wie er es tut. Deshalb ist es uns Grünen ein großes Anliegen, diesen Bereich und die Menschen darin weiter in ihrem Engagement zu stärken, ohne gleichzeitig die nötige Verantwortung an sie abzu­schieben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte hier beispielhaft drei Bereiche der Freiwilligkeit herausgreifen, die für uns essenziell sind und für die wir uns in den nächsten Jahren auch einsetzen werden. Das Erste ist das Freiwillige Umweltschutzjahr. Das Umweltschutzjahr muss gestärkt wer­den. In Zeiten der Klimakrise und der drohenden Herausforderungen für unsere Um­welt gilt es, Interesse an Umwelt-, Naturschutz- und Nachhaltigkeitsthemen zu fördern. Engagement und ehrenamtliche Tätigkeit gerade in diesem Bereich sind wichtig für unsere Zukunft, und deshalb ist es umso wichtiger, das Freiwillige Umweltschutzjahr zu fördern und für junge Menschen attraktiv zu gestalten.

Zweitens, der Gedenk-, Friedens- und Sozialdienst: Der Gedenkdienst, der unter der FPÖ-Regierungsbeteiligung ausgerechnet im Gedenkjahr 2018 eine Existenzkrise er­lebt hat, wird dank uns wieder in den Mittelpunkt der Debatte gerückt. Insbesondere jetzt, wo die letzten Überlebenden des Holocausts älter und die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen immer weniger werden, ist es uns wichtig, dass wir die bestehende Ge­denkkultur auch noch an zukünftige Generationen weitergeben können. (Beifall bei den Grünen.)

Der Gedenkdienst, mit dem junge Menschen die Möglichkeit haben, diese Gedenkar­beit im Ausland zu leisten, spielt dabei eine wichtige Rolle. Deshalb setzen wir uns da­für ein, dass der Gedenkdienst aufgewertet wird und die Trägerorganisationen gestärkt werden.

Das Dritte ist die Freiwilligkeit in der Katastrophenhilfe. Als Sprecher für Katastrophen­schutz und als freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes ist es mir natürlich ein beson­deres und persönliches Anliegen, dass dieser Bereich ausgebaut und gestärkt wird. Organisationen wie das Rote Kreuz, der Samariter-Bund, die Johanniter, die Malteser und wie sie auch alle heißen, sind ein Paradebeispiel für soziales Engagement. Sie stellen nicht nur die primärmedizinische Versorgung in den – das ist ja bekannt – peri-


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pheren Gebieten sicher, sondern erledigen in vielen großteils unbezahlten Stunden ein enormes Ausmaß an sozialen Tätigkeiten, die ohne sie sonst schwer bis gar nicht möglich wären. So stellen die Ressourcen der freiwilligen Rettungsorganisationen ne­ben den Ressourcen der freiwilligen Feuerwehr auch das Rückgrat der Katastrophen­abwehr insbesondere bei Großeinsatzlagen dar.

Aus diesem Grund ist es mir ein Herzensanliegen, dass wir auch diesen Bereich stär­ken und mit den notwendigen Ressourcen versorgen. Damit ehrenamtliche Arbeit in diesem Bereich nicht nur geschätzt und respektiert wird – das hören wir hier –, sondern auch funktionieren und im Krisenfall auch wirken kann, braucht es eine gute Zusam­menarbeit zwischen den Akteuren – zwischen dem Staat und den betroffenen Organi­sationen.

Im Regierungsabkommen bekennen wir uns gemeinsam mit der ÖVP zur Anerkennung und Wertschätzung des Ehrenamtes, dazu sind zum ersten Mal ein paar Seiten – wirklich gute Seiten – enthalten. Wir bekennen uns zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Organisationen und Freiwilligen und sind auch bereit, in den nächsten Jahren die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sich da etwas wesentlich verän­dert. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Kollege Michael Seemayer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.40.23

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! In den Vorreden wurde schon sehr viel Lob, Anerkennung und Dank ausgesprochen – ich kann mich dem nur voll und ganz anschließen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sich dreieinhalb Millionen Men­schen in Österreich in den unterschiedlichsten Organisationen und Vereinen freiwillig und ehrenamtlich engagieren und damit oft Hilfe bei der Bewältigung von Herausforde­rungen und Problemen leisten oder einfach das gemeinschaftliche Zusammenleben stär­ken. Das verdient großen Respekt.

Der Bericht zeigt aber nicht nur die Vielfalt des freiwilligen Engagements in Österreich, sondern auch die Motivation, die dazu führt. Oftmals beginnt das schon im Kindesal­ter – man denke an die Feuerwehrjugend oder an unsere Jugendorganisationen der Rettungsdienste. Oftmals ist aber auch der Zivildienst ausschlaggebend und ein An­stoß, sich ehrenamtlich zu engagieren. Viele ehemalige Zivildiener bleiben den Organi­sationen, bei denen sie Zivildienst geleistet haben, als ehrenamtliche Mitarbeiter wei­terhin erhalten.

Dem Bericht zu entnehmen ist auch, dass gerade ältere Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Wenn man fragt, was die Gründe dafür sind, dann hört man oft, es sei ein gutes Gefühl, noch gebraucht zu werden, oder dass man jemanden zum Reden habe, jemanden, mit dem man seine Zeit verbringen kann. Ein freiwilliges Engagement im Al­ter kann somit helfen, den gesellschaftlichen Anschluss nicht zu verlieren und nicht zu vereinsamen. Generell sind Anerkennung und Wertschätzung die größte Motivation da­für, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Wir hier haben die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die freiwillige Arbeit in Öster­reich zu gestalten. Die Absicht der neuen Bundesregierung, das freiwillige Engagement zu fördern, ist löblich, darf aber nicht dazu führen, dass staatliche Verantwortung auf Freiwillige abgeschoben wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

Natürlich ist uns bewusst, dass sich die Menschen nicht wegen des Geldes engagie­ren, sondern aus voller Überzeugung. Es soll ihnen dadurch aber auch kein Schaden


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oder Verlust entstehen. Gerade wenn es um sofortige Hilfeleistung geht, etwa bei Über­schwemmungen, Bränden oder Lawinen- und anderen Katastropheneinsätzen, sind freiwillige Helfer oft auf den guten Willen ihrer Arbeitgeber angewiesen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war daher die Regelung betreffend Entgeltfortzahlung. Viele Betriebe, Betriebsrätinnen und Betriebsräte haben sich dafür eingesetzt, dass die Kosten für Fehlzeiten bei solchen Einsätzen und das Entgelt vom Katastrophenfonds übernommen werden. – Dafür ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

Der häufigste Grund dafür, dass sich Menschen aus der Freiwilligenarbeit zurückzie­hen, ist der Zeitfaktor. Familie, Beruf und Ehrenamt zu vereinbaren wird immer schwie­riger. Manche Maßnahmen der blau-schwarzen Bundesregierung haben da nicht zu ei­ner Verbesserung beigetragen; die Ausweitung der täglichen beziehungsweise wö­chentlichen Normalarbeitszeit auf 10 beziehungsweise 60 Stunden hat nicht dazu ge­führt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Zeit für ein Ehrenamt zur Ver­fügung haben (Zwischenrufe der Abgeordneten Michael Hammer und Zarits), sondern genau das Gegenteil bewirkt. Denken wir in Zukunft daran, wenn wir solche Entschei­dungen treffen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

15.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Rebecca Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.44.00

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her auf unserer Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Liebe SPÖ, jetzt schlägt es wirklich bald einmal dreizehn! Nicht einmal beim Thema Freiwillige schafft ihr es, zu berücksichtigen, dass es nicht immer darauf ankommt, wie viele Stunden wer irgendwo wann wie arbeitet. Das ist echt unglaublich! (Beifall bei der ÖVP.) Es ist wirklich tra­gisch, dass man so einen positiven Bericht mit irgendwelchen Darstellungen, die abso­lut nicht der Wahrheit entsprechen, beschmutzen muss. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Das war bis jetzt keine gute Rede ...!)

3,5 Millionen Menschen – genauer: 46 Prozent der Österreicherinnen und Österrei­cher – sind tagtäglich ehrenamtlich für unser schönes Österreich im Einsatz. Vor eini­gen Wochen durfte ich bei mir zu Hause bei der 135. Jahreshauptversammlung der Frei­willigen Feuerwehr Polling dabei sein, und eine unglaubliche Zahl hat mich da beein­druckt: Im vergangenen Jahr, 2019, haben ihre Mitglieder 8 000 Freiwilligenstunden geleistet; ein Jahr zählt 8 760 Stunden – da kann man sich vorstellen, wie viel sie im Einsatz sind. Ich möchte dazusagen: Sie machen das gerne, freiwillig, mit Enthusias­mus und mit Überzeugung. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Tätigkeiten sind sehr vielfältig: von Fahrzeugtechniküberprüfung über Florianischu­lung, Nachwuchs- und Jugendförderung bis hin zu Atemschutzübungen, und man holt auch die Katze einer alten Dame vom Baum. – Dafür sagen wir recht herzlich Danke.

Nicht nur bei den Feuerwehren, sondern auch bei der Rettung, der Bergrettung, den Amateurfunkern – vor 20 Jahren konnte ein Amateurfunker in Galtür die Kommunika­tion zur Außenwelt aufrechterhalten – werden Freiwilligentätigkeiten verrichtet. Auch in vielen sozialen Einrichtungen, sozialen Diensten wie bei Essen auf Rädern oder auch bei Ü-50-Veranstaltungen, bei denen junge Menschen mit älteren Menschen Schach spielen, Karten spielen oder ihnen einfach nur zuhören, sind Freiwillige tätig.

Ich selbst bin auch ehrenamtlich unterwegs: angefangen von der Musikkapelle über das Schuhplatteln bis hin zu Frauen helfen Frauen – ich kann bei der Frage, wie es


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Frauen in unserer Gesellschaft geht, auch ein Wort mitreden, nicht nur die SPÖ. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was mich sehr freut, ist, dass es jetzt im Regierungsprogramm ein ganzes Kapitel be­treffend die Freiwilligentätigkeit gibt, dass festgeschrieben ist, dass ein Ehrenamtgüte­siegel installiert werden soll. Wir werden weltweit um das freiwillige Engagement in Ös­terreich beneidet, und ich glaube nicht, dass hier der Ort und der Rahmen ist, das so zu diskreditieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

15.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege Norbert Sieber. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.47.14

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es wurde schon sehr viel zur Frei­willigentätigkeit in Österreich gesagt, aber es ist ein so erfolgreicher, so wichtiger Be­reich, dass man diesen Bericht, den wir heute diskutieren, gar nicht genug loben kann.

Ehrenamtlichkeit, Freiwilligkeit durchwirkt unsere Gesellschaft, ja, und sie wirkt auch unglaublich positiv. Es wurde bereits gesagt: 3,5 Millionen Personen engagieren sich ehrenamtlich, das sind beinahe 46 Prozent aller über 15-jährigen Österreicherinnen und Österreicher. Meine Damen und Herren, das ist ein Schatz, den wir gar nicht ge­nug hegen und pflegen können. Ich möchte von dieser Stelle aus allen Personen, die sich ehrenamtlich engagieren, ein ganz herzliches, ein ganz persönliches Danke aus­drücken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Der Bericht zeigt auch – und das ist sehr positiv zu er­wähnen –, dass wir noch Luft nach oben haben, dass es möglich wäre, gerade im Be­reich der jungen und der älteren Menschen über 60 noch weitere Personen für die Frei­willigenarbeit zu gewinnen. Ich glaube, Herr Minister, in der kommenden Legislatur­periode sollten wir darüber nachdenken, wie wir die Vereine, wie wir die Organisa­tionen in ihrem Bemühen, diese Gruppen noch für die Freiwilligenarbeit zu gewinnen, unterstützen können.

Es ist tatsächlich so, dass es sehr beachtliche Zahlen sind: Im Bereich Sport und Bewegung sind über 576 000 Personen freiwillig tätig, im Bereich Kunst sind es 432 000 Personen, im Bereich Kirche und Religionen 360 000 Personen und im Be­reich Gemeinwesen, beim Katastrophen- und Rettungsdienst ebenfalls 360 000 Perso­nen. Dieser Wert war noch niemals so hoch wie heute, und ich freue mich, dass wir diesen Wert in Österreich vorzuzeigen haben – ein international absoluter Spitzenwert, auf den wir auch stolz sein können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Schnelllebigkeit unserer Zeit macht aber auch vor den Vereinen nicht halt. So be­klagen viele Vereine, dass die Verweildauer in den Organisationen immer kürzer wird. Auch die Freiwilligenkonferenz 2019 hat sich mit diesem Phänomen, mit diesem Pro­blem auseinandergesetzt, wie die Verweildauer in den Vereinen wieder verlängert wer­den kann, wie die Verweildauer stabilisiert werden kann. Herr Minister, ich denke, auch diesen Bericht, die Ergebnisse dieser Konferenz sollten wir uns dahin gehend, wie wir damit umgehen können, genau ansehen. Leider ist jetzt nicht genügend Zeit, um da­rauf entsprechend einzugehen.

Nun haben wir aber auch – und das möchte ich heute auch erwähnen – in der ver­gangenen Gesetzgebungsperiode schon viel Positives für Vereine gemacht. Allein der Beschluss, dass wir hinsichtlich Blaulichtorganisationen, Feuerwehren und anderen Or­ganisationen, die bei Großschadensereignissen im Einsatz sind, die Möglichkeit gege-


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ben haben, dass der Lohn weiterbezahlt wird und der Unternehmer sich dann pro Tag 200 Euro wieder zurückholen kann, war ein sehr wichtiger Schritt, mit dem wir die Frei­willigkeit nicht unterlaufen haben, aber eben auch die Unternehmer unterstützt haben, damit sie da schlussendlich nicht übrig bleiben. Damit ist auch gewährleistet – und das darf man nicht übersehen –, dass auch in Zukunft gerade für den gehobenen Dienst – ganz im Speziellen bei der Feuerwehr – etwa Kommandanten und so weiter gefunden werden, denn sonst wäre es sehr schnell möglich, dass ein Unternehmer sagt, er kann niemanden beschäftigen, der allzu oft in den Einsatz geht. Das haben wir damit prak­tisch verhindert.

Ich bedanke mich für diesen Beschluss und freue mich jetzt schon darauf, all das, was wir im Regierungsprogramm stehen haben, auch in der kommenden Periode gemein­sam umzusetzen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.51.28

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es wurde eigentlich schon ein sehr breiter Rah­men gespannt, und ich versuche nun, das alles vielleicht ein bisschen zusammenzu­führen.

Ja, Österreich ist das Land der Freiwilligenarbeit, Österreich ist das Land mit sehr gro­ßem ehrenamtlichen Engagement. Ich glaube, wir können darüber sehr froh sein. Wenn sich fast die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagiert, dann spricht das für sich. Auch mir fallen, wie vielen anderen, zuallererst die Blaulichtor­ganisationen ein, vor allem auch deswegen, weil wir leider im letzten Jahr in Kärnten einige schwere Naturkatastrophen gehabt haben. So schrecklich das ist, so hat es ein­mal mehr gezeigt, wie großartig der Zusammenhalt ist, die Nachbarschaftshilfe, aber auch die Rettungsdienste, die Katastrophenhilfe. Noch einmal ein großes Danke allen, die sich, wenn es zu Naturkatastrophen kommt, immer sofort und unbürokratisch enga­gieren und einsetzen – ein großes Danke! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wurde schon gesagt und es hat mir gerade eine Bürgermeisterin auch bestätigt: In den Gemeinden würde es traurig ausschauen, gäbe es nicht die Kulturvereine, die Sportvereine, ob das jetzt der Jugendsport ist, ob das die vielen verschiedenen kultu­rellen Aktivitäten sind, von der Blasmusik bis ich weiß nicht wohin. Ich glaube, wir kön­nen froh sein, dass wir dieses Engagement der Bürgerinnen und Bürger haben, auch im Sozialbereich.

Da einer meiner Vorredner gemeint hat, wir wollen die Pflege irgendwie ehrenamtlich organisieren: Nein. Ich bin selbst seit Jahrzehnten in diesem Bereich engagiert und tätig und glaube ganz einfach, dass man durch soziales und ehrenamtliches Engage­ment einen Mehrwert in der Gesellschaft bekommt. Dass die Freiwilligen und die Eh­renamtlichen eine wertvolle und wichtige Stütze der Gesellschaft sind, das steht, glau­be ich, außer Frage.

Daher ist es auch wichtig – das hat auch mein Vorredner gesagt –, dass wir im Regie­rungsprogramm ein eigenes Kapitel haben, das sich mit diesen Themen beschäftigt, dass wir sehr konkrete Maßnahmen aufgenommen haben, die die freiwillige Arbeit und damit auch die unterschiedlichen Ebenen – auch für die Wirtschaft sehr wichtig – be­leuchten, und dass wir auch das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Enga­gement weiter ausbauen und weiterentwickeln werden. Wie gesagt, auch für die Wirt­schaft ist das ein sehr wichtiger Punkt.


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Ich glaube, wir brauchen aber auch mehr Finanzierungen für Freiwilligenbörsen, wir brauchen mehr Koordination der Freiwilligenarbeit, da geht es auch um Finanzierun­gen. Wir sollten ein Gütesiegel überlegen, wir sollten darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es gibt, freiwilliges Engagement und Ehrenamt noch stärker anzuerken­nen. Ich denke, es geht aber auch darum, noch verstärkt Anreize zu schaffen, um Frei­willigentätigkeit attraktiver zu machen, und vor allem auch das Bewusstsein dafür in der Gesellschaft zu schaffen. Ich denke, ohne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger kann eine Gesellschaft auf dem Niveau, wie sie derzeit besteht, nicht funktio­nieren. Hier geht es vor allem darum, auch die Jugend verstärkt einzubauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, wenn man sich die Möglichkeiten und die verschiedenen Bereiche anschaut, dann, denke ich, wird klar, dass wir in einem Bereich ganz große Herausforderungen zu bewältigen haben werden. Da es noch nicht erwähnt wurde, sage ich es jetzt: im Bereich der Versorgung der älteren Menschen. Wir reden von Pflege, von medizinischer Versorgung, von Mobilität, von Nahversorgung und so wei­ter, aber ein großes Thema wird auch die Einsamkeit und das Alleinsein sein, und ge­rade da wird ehrenamtliches Engagement eine große Rolle spielen. Gerade da geht es darum, dass wir Menschen finden, die zuhören, die mit jemandem, der alleine ist, re­den, die vielleicht einmal ein tröstendes Wort finden, die jemanden besuchen, wenn er krank ist. In diesem Bereich werden wir viel zu tun haben und da wird uns auch noch einiges einfallen.

Was auch wichtig und, ich glaube, das Wichtigste ist, ist, dass wir in unserer ehren­amtlichen Arbeit einen Sinn sehen. Viele Menschen sehen das vielleicht als die wich­tigste Motivation, sich freiwillig zu engagieren: einen Sinn zu finden in dem, was man tut. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um auch zufrieden zu sein, und das streben wir ja letztlich alle an.

In diesem Sinn noch einmal ein großes, großes Dankeschön allen, die sich im Bereich des Ehrenamtes, in der Freiwilligenarbeit in allen Bereichen engagieren. Unsere Ge­sellschaft wäre um vieles ärmer, hätten wir dieses ehrenamtliche Engagement nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Kollege Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.56.05

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vorweg möchte ich mich ebenfalls, auch im Namen meiner Fraktion, recht herz­lich bei den 3,5 Millionen Freiwilligen und Ehrenamtlichen in dieser Republik bedanken. Ohne sie würde es nicht gehen, das haben schon meine Vorredner festgestellt.

Es ist schon sehr vieles gesagt worden. Was bei Ehrenämtern und bei Freiwilligen im­mer wichtig ist, ist, dass man darauf schaut, dass es genügend Nachwuchs gibt, dass man Anreize für die Kinder, für die Jugend schafft, damit man die Freiwilligen hat, wenn man sie braucht. Wenn man sich all die Natur- und Umweltkatastrophen an­schaut, mit Hochwasser, Waldbränden und so weiter, ist davon auszugehen, dass das nicht weniger, sondern eher mehr werden wird. Und man darf ja nicht vergessen: Das macht jeder ehrenamtlich – da steckt das ja schon im Wort drinnen – und freiwillig, also unentgeltlich, unbezahlt, aber das heißt nicht, dass das Ganze nichts kosten soll. Man muss eben bei der Ausbildung unterstützen, Anreize schaffen, den Nachwuchs för­dern – Stichwort Kinderfeuerwehren, eine gute Sache –, nur so kann es mit den Ehren­ämtern und mit der Freiwilligkeit weitergehen, nur so kann man sich weiterhin rühmen.

Ich glaube, das ist überparteilich, man hat aber, wenn hier Kollegen von der ÖVP ans Rednerpult treten, oft das Gefühl, als wären das Ehrenamt und die Freiwilligen eine


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Domäne der ÖVP. (Abg. Michael Hammer: Das ist es auch!) Als Niederösterreicher ist man da überhaupt sehr, sehr feinfühlig. (Abg. Hanger: Ist es auch!) – Ja, Kollege Han­ger sagt: Ist es ja auch. – Nein, nicht alles ist ÖVP, nicht alles ist politisch! Ich glaube, fürs Ehrenamt und für die Freiwilligen treten – und das ist gut so – wir überparteilich ein (Beifall bei der FPÖ), und das ist eine Spitzensache und keine Domäne einer einzelnen Partei, auch wenn man hier oder auch bei Veranstaltungen in Niederösterreich das Ge­fühl bekommen könnte, dass man diese Ehrenämter und diese Freiwilligen gerne ein­färben würde – aber das gelingt euch sowieso nicht.

In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank an alle, die ein Ehrenamt ausführen und freiwillig für die Österreicherinnen und Österreicher Gutes leisten. Einen herzlichen Dank und bleibt gesund, verletzt euch nicht bei euren Einsätzen – das gilt vor allem für die Blaulichtorganisationen –, kommt gut wieder nach Hause! In diesem Sinne alles, al­les erdenklich Gute! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

15.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


15.58.44

Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Ich glaube, es wurde bei dieser Debatte sehr, sehr deutlich, wie fantastisch die Situation im Bereich Engagement in Österreich ist. Es ist ein Engagement, das extrem vielfältig ist, von den klassischen Säulen des Ehrenamtes, die aufgezählt wurden, die perfekt organisiert sind, höchst professionell arbeiten, bis hin zu kleinen Vereinen, die in den unterschiedlichsten Bereichen eine genauso wich­tige Arbeit machen.

Wichtig ist das Tun, gleichgültig, wo man steht oder wie das parteipolitisch besetzt ist. Ich finde, das hat in diesem Bereich überhaupt nichts verloren, sondern da sollten wir einfach fördern, unterstützen und die Betroffenen ermutigen, dass sie weitermachen, denn ehrenamtliche Tätigkeit und Engagement ist kein Sprint, das ist im Regelfall ein Marathonlauf, mit dem man viele Jahre seines Lebens verbringt – und das ist gut so.

Wir haben heute von dieser Vielfalt gehört und sie gesehen. Ich habe heute auch erstmals von manch kleineren Projekten gehört. Es ist total spannend, diese Palette zu sehen.

Für mich war ein besonderer Bereich auch die Aufforderung, dass wir den Bericht in Zukunft noch stärker in Richtung Zivilgesellschaft erweitern. Ich werde das sehr, sehr gerne aufgreifen, weil die Zivilgesellschaft im ehrenamtlichen Engagement ein Teil des Ganzen ist und fix dazugehört. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich persönlich habe das im Jahr 2015 besonders klar und deutlich erlebt, als die Nach­richt gekommen ist, dass viele Menschen auf der Flucht sind und nach Österreich kommen. (Abg. Kickl: Auf der Flucht! Auf der Flucht!) Dabei zu erleben, wie innerhalb von wenigen Stunden Tausende aktiv wurden, Tausende gesagt haben: So, jetzt lasse ich alles andere liegen, jetzt ist alles andere zweitrangig, und ich leiste meinen per­sönlichen Beitrag!, das war großartig. Das ist Österreich! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

In den Folgejahren hat es Zehntausende Menschen gegeben, die mit den Betroffenen fast tagtäglich Deutsch gelernt haben, die versucht haben, Arbeitsplätze zu organisie­ren, die in die Schule mitgefahren sind, die für viele Kinder und Jugendliche de facto eine Art Elternrolle übernommen haben und einen extremen Beitrag dafür geleistet ha­ben, dass wir diese Herausforderung – denn es ist kein Problem gewesen, es ist keine


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Krise gewesen, es war eine Herausforderung für diese Gesellschaft – gemeinsam mit den Betroffenen bestanden haben. Und darauf bin ich stolz! (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich finde es auch sehr beachtlich – auch wenn jetzt manche ein bissl verdutzt schauen, aber das ist vielleicht auch gut so (Abg. Kickl: Na ja, bei dem, was Sie daherreden!) –, Herr Klubobmann, ich finde es auch sehr beachtlich, dass wir in diesem Bericht statis­tisch herausgearbeitet haben, dass es de facto keinen Unterschied mehr zwischen Menschen, die hier geboren sind, und Menschen, die woanders geboren sind, gibt, was das gesellschaftliche ehrenamtliche Engagement betrifft. Das ist auch ein Grad­messer für das Gelingen von Integration und Zusammenwachsen. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und viel mehr will in Zukunft verstärkt ein Ministerium für Zusammenhalt werden, und da hat das Ehrenamt, da hat die Zivilge­sellschaft eine ganz besondere Bedeutung. Das ist wichtig für uns, und deswegen möchte ich mich um diesen Bereich ganz besonders auch in den Strukturen kümmern. Wir werden selbstverständlich versuchen, das Regierungsübereinkommen, das viele Verbesserungen beinhaltet, in diesem Bereich möglichst konsequent gemeinsam um­zusetzen. Das ist der eine Bereich. Wir werden den Bericht weiterentwickeln, das ist auch ein Beitrag des Hauses.

Ganz wichtig ist mir aber, dass wir die Strukturen unterstützen wollen, das heißt, dass wir auch im politischen Bereich, auch im Regierungsbereich auf gleicher Augenhöhe mit engagierten Menschen Betroffene einbeziehen wollen. Das soll das Grundprinzip des zukünftigen Arbeitens in diesem neuen Sozialministerium in Österreich werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir arbeiten bereits mit den NGOs und mit vielen anderen daran, wie das gelingen kann. Ich habe schon mehrfach gesagt, ich möchte eine Aufwertung, eine Wiederauf­wertung der Sozialpartnerschaft. Ich halte das für wichtig, auch als ein Signal dafür, dass wir in diesem Land den Dialog wieder auf gleicher Augenhöhe führen wollen. Das war ja in der Vergangenheit nicht immer so. Ich halte es aber für genauso wichtig, dass wir diese Sozialpartnerschaft um jene Menschen erweitern, die in der Zivilgesellschaft tätig sind. An Strukturen, an Ideen arbeiten wir, und ich glaube, da kann uns Wichtiges gelingen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafen­ecker. – Bitte.


16.04.02

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Ja, es ist sehr, sehr wichtig, hier im Hohen Haus über den Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligenwesens in Österreich zu sprechen. Auch ich möchte mich für die Leistungen, die hier tagtäglich erbracht werden, wirklich bei jenen bedan­ken, die sie auch erbringen. Genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch der Punkt, warum wir hier in Österreich vom Ausland überall beneidet werden: weil dieses System in Österreich so gut funktioniert. Das ist aber nicht das Verdienst von uns Politikern hier im Hohen Haus, sondern es ist das Verdienst dieser Leute, die jeden Tag hinausgehen und ihre Freiwilligenarbeit leisten. Daher würde ich noch ein­mal um einen großen Applaus für diese Menschen bitten. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Was ist in diesem Zusammenhang aber jetzt die Pflicht der Politik? – Pflicht der Politik ist es, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und diesen Freiwilligenor-


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ganisationen eben nicht Steine in den Weg zu legen, diese Freiwilligenarbeit nicht zu sabotieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das passiert aber gerade, denn während hier irgendwelche Sonntagsreden abgehalten werden, wird auf der anderen Seite darüber diskutiert, das Dieselprivileg abzuschaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus, das trifft selbstverständ­lich auch die Freiwilligen in unserem Land, das trifft die Blaulichtorganisationen, das trifft die Feuerwehren, das trifft die Rettungsorganisationen. Darüber habe ich hier heu­te aber nichts gehört.

Nicht nur dort wird das ein massiver Einschnitt sein, es geht weiter: Es trifft die Pend­ler, die tagtäglich zu ihren Arbeitsplätzen fahren müssen. Das sind über 50 Prozent der Österreicher, die nicht am Arbeitsort wohnen, die trotzdem zum Arbeitsort gelangen müssen, die kein Verkehrsmittel haben, wie es vielleicht der eine oder andere grüne Bobo im 7. Bezirk hat. Nein, die müssen in ihr Auto steigen und an ihren Arbeitsort kommen. Und diese Leute sabotieren Sie mit diesen Maßnahmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber nicht nur das: Man hat sich auch keine Gedanken darüber gemacht, wie sich das auf die Wirtschaft auswirkt. Na selbstverständlich werden die höheren Preise beim Die­sel dann am Ende des Tages beim Konsumenten aufgeschlagen. Selbstverständlich wird auch der grüne Amazon-Belieferte irgendwann einmal mehr für sein Packerl zah­len müssen, weil er sich halt irgendwo einen schönen Schal bestellt hat, der irgendwo ökomäßig gestrickt worden ist. Auch das wird so sein, und da werden alle Konsumen­ten für Ihre Ideen bluten müssen.

Vielleicht auch noch kurz ein Wort zur Landwirtschaft, die die ÖVP immer so be­schwört: Natürlich werden auch die Produktionskosten der landwirtschaftlichen Produk­te entsprechend steigen. Es werden weitere Betriebe schließen müssen; die Situation ist jetzt schon schlimm genug. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann schaue ich mir die Grünen an, ob sie demonstrieren, wenn sie ihre Bioäpfel dann aus dem benachbarten Ausland kriegen müssen, weil auch die noch mit dem Lkw bis vor die Tür geliefert werden müssen. Das wird der Effekt Ihrer Politik sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ganz nebenbei reißen wir auch noch ein Loch in der Höhe von circa 200 Millionen Euro in die Kassa des Finanzministers, das nicht geschlossen wird – aber das ist dann Ihr Problem. (Zwischenruf des Abg. Weratschnig.) Auch sonstige Einnahmen fallen einfach weg, nicht nur die aus der Mineralölsteuer, sondern auch jene von den Kon­sumenten, die sonst noch in diesem Rahmen in Österreich Einkäufe tätigen.

Was wird dann aber auf der anderen Seite mit den Mehreinnahmen gemacht? – Das kommt in ein allgemeines Budget. Na, da wird halt dann die eine oder andere grüne NGO gefördert werden, da wird man den einen oder anderen Krawallverein vom Schwarzen Block fördern, der dann die Uni wiederum lahmlegt, oder vielleicht die eine oder andere Asylgeschichte damit quersubventionieren – und das mit dem Geld der Autofahrer, der Freiwilligenorganisationen und der Pendler. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr gut gemacht! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ernst-Dziedzic: Themenverfeh­lung!)

Ich sage Ihnen aber eines: Diesen Zickzackkurs vor allem von der ÖVP werden wir hier nicht akzeptieren. Deswegen werden wir heute auch eine technische Hilfeleistung für Sie erbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir werden einfach einen An­trag einbringen, der gleichzeitig auch ein Lackmustest für die neue Bundesregierung sein wird, dahin gehend, ob Sie sich vielleicht auch einmal innerhalb der Regierung da­rüber klar geworden sind, ob man das Dieselprivileg abschaffen möchte oder nicht. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des ‚Dieselprivilegs‘“

eingebracht in der 10. Sitzung des Nationalrates, XXVII. Gesetzgebungsperiode, am 22. Jänner 2020 im Zuge der Behandlung des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligenengagements in Österreich (3. Freiwilligenbericht) (III-85/27 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, in dieser Gesetzgebungsperiode keine Maßnahmen zu treffen, die zu einer Er­höhung der Mineralölsteuer (MÖSt) auf Diesel führen.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Hilfeleistung der FPÖ für die neue Bundesregierung. Zur Dokumentation, wie die ÖVP ihren Slalom in Zukunft fort­setzen möchte oder fortsetzen wird, haben wir auch um eine namentliche Abstimmung gebeten. – Viel Spaß beim nächsten Koalitionsausschuss! (Beifall bei der FPÖ.)

16.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhalt des „Dieselprivilegs“

eingebracht in der 10. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 22. Jänner 2020 im Zuge der Behandlung des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz zur Lage und zu den Perspektiven des Freiwilligen Engagements in Österreich (3. Frei­willigenbericht) (III-85/27 d.B.)

Die vielen Organsiationen in die freiwilliges und ehrenamtliches Engagement investiert wird, wären bei einem Wegfall des sogenannten „Dieselprivilegs“, also der Streichung der steurlichen Begünstigung und somit der Verteuerung des Diesels, massiv be­troffen.

In einem Interview bekräftigte Bundesministerin Elisabeth Köstinger gegenüber der "Ti­roler Tageszeitung" (Ausgabe vom 15.01.2020), dass das Dieselprivileg bleibt:

Werden Sie den Steuervorteil verteidigen?

Köstinger: In unseren Nachbarländern gibt es immer noch steuerliche Begünstigungen für Agrardiesel, die haben wir schon seit vielen Jahren abgeschafft. Es geht um Alter­nativen. Im Individualverkehr kann ich auf öffentliche Verkehrsmittel oder ein E-Auto umsteigen, bei Traktoren wird das noch dauern. Ein sehr guter Hebel sind Biotreib­stoffe. Wir produzieren Bioethanol und wir haben viel Potenzial, grünes Gas in die Net­ze einzuspeisen.

Das Dieselprivileg bleibt?

Köstinger: Genau. Es wird aber an verstärkter Beimischung von alternativen Treibstof­fen gearbeitet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 129

Ganz anders der Koalitionspartner. Bundesministerin Leonore Gewessler. Als Antwort auf einen tweet von Sepp Schellhorn:

Noch unvernünftiger könnte man es nicht machen. Dieselprivileg bleibt laut Köstinger. Also @sigi_maurer - da jetzt auch umgefallen? Echt jetzt?

schrieb Gewessler:

Wir machen es vernünftig, keine Sorge. Dieselprivileg wird Thema in d. Taskforce zur ökologischen Steuerreform. Wir wollen tabulos diskutieren. Klimaneutralität 2040 ist ein klares Ziel, Ökologisierung d. Steuersystems zentraler Baustein, darin Chancen zu­hauf.

Auch der grüne Verkehrssprecher Hermann Weratschnig will die Abschaffung des Die­selprivilegs, wie dem ORF-Online-Portal am 20.1.2020 zu entnehmen war:

Der Verkehrssprecher der Grünen im Nationalrat, Hermann Weratschnig, pocht auf die Abschaffung des Dieselprivilegs. „Wir werden dafür kämpfen, dass es nicht auf die lange Bank geschoben wird“, sagte Weratschnig heute bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Bereits in den kommenden Wochen oder Monaten soll eine Taskforce ein­gesetzt werden.

Auf oe24.at wurde am 20.1.2020 wurde eine Berechnung eines ÖAMTC-Experten ver­öffentlicht, demnach der Diesepreis um 10,2 Cent je Liter steigen wird:

Die Pläne der Grünen kosten alle Österreicher, die Diesel-Fahrzeuge lenken, ziemlich viel Geld - jede Füllung eines 50-Liter-Tanks würde künftig 5 Euro teurer werden, rech­net ein Experte des ÖAMTC vor: "Fällt das Dieselprivileg weg, steigt der Steueranteil auf jenen für Super-Benzin, also von 39,7 auf 48,2 Cent. Jeder Liter Diesel kostet dann mit der einzukalkulierenden Umsatzsteuer 10,2 Cent mehr. Werden 50 Liter getankt, kommt das um fünf Euro teurer." Wer viermal pro Monat tankt, hat also Mehrausgaben von 20 Euro.

Noch als Beispiel für alle Pendler: Ein 20 Kilometer weiter Weg zum und vom Arbeits­platz retour wird mit einem VW Golf TDI (5,6 Liter auf 100 Kilometer) etwa 14 Cent mehr kosten. Bei fünf Fahrten pro Woche sind das allein für diese Strecke 2,85 Euro mehr im Monat oder 34,20 Euro mehr im Jahr.

Um für „Freiwilligen-Organisationen“, aber auch für alle anderen Dieselfahrzeugbe­sitzer und für jene die sich gerade einen Autokauf überlegen, Rechts- und Planungs­sicherheit zu schaffen, stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 130

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, in dieser Gesetzgebungsperiode keine Maßnahmen zu treffen, die zu einer Er­höhung der Mineralölsteuer (MÖSt) auf Diesel führen.“

*****

16.09.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Der Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, steht somit in Verhand­lung und wird, wie es verlangt wurde, namentlich abgestimmt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den vorliegenden Bericht III-85 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des ‚Dieselprivi­legs‘“.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Ab­stimmung durchzuführen.

Ich gehe folgendermaßen vor – für die neuen Abgeordneten –: Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in Ihren Laden, sie tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können Sie nur diese und kei­ne anderen Stimmzettel verwenden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich darf die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Steinacker, bitten, mit dem Namens­aufruf zu beginnen. Es ist nicht Usance des Hauses, dass das nur Schriftführer aus ei­ner Fraktion durchführen, die anderen waren aber nicht anwesend. Kollegin Steinacker wird mit dem Namensaufruf beginnen, Kollege Gahr wird dann fortsetzen.

Es darf nur ein Stimmzettel verwendet werden: „Ja“-Stimmzettel von jenen, die zustim­men, „Nein“-Stimmzettel von jenen, die dagegen sind. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch die SchriftführerInnen Steinacker und Gahr werfen die Ab­geordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Stimmabgabe ist beendet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 131

Ich darf die Bediensteten des Hauses um die Vornahme der Stimmenzählung ersuchen und unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung. Ich hoffe, wir haben noch vor dem Aufruf der Dringlichen Anfrage ein Ergebnis.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.19 Uhr unterbrochen und um 16.26 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben.

Abgegebene Stimmen: 172; davon sind 27 „Ja“- und 145 „Nein“-Stimmen.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kolleginnen ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Belakowitsch Dagmar, Bösch, Brückl;

Deimek;

Fuchs, Fürst;

Graf Martin;

Hafenecker, Hauser;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kickl;

Lausch;

Mühlberghuber;

Ragger, Rauch, Reifenberger, Ries Christian;

Schmiedlechner, Schnedlitz, Schrangl, Stefan, Steger Petra;

Wurm.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Baumgartner, Bayr, Becher, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Blimlinger, Brandstätter Helmut, Brandstötter Henrike, Brandweiner, Bürstmayr;

Deckenbacher, Diesner-Wais, Disoski, Doppelbauer, Drobits, Drozda;

Einwallner, El-Nagashi, Engelberg, Ernst-Dziedzic, Eypeltauer;

Fiedler, Fischer, Fürlinger;

Gahr, Gerstl, Gödl, Götze, Graf Tanja, Grebien, Großbauer, Grünberg;

Hamann Sibylle, Hammer Lukas, Hammer Michael, Hammerschmid, Hanger Andreas, Haubner, Hechenberger, Heinisch-Hosek, Herr, Himmelbauer, Hintner, Hofinger Man­fred, Höfinger Johann, Holzleitner, Hörl, Hoyos-Trauttmansdorff;

Jachs, Jeitler-Cincelli;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 132

Kaufmann, Kirchbaumer, Köchl, Köllner, Kollross, Kopf, Koza, Krainer Kai Jan, Krisper, Kucharowits, Kucher Philip, Kugler Gudrun, Kühberger, Künsberg Sarre, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lercher, Lindinger, Litschauer, Loacker, Lopatka;

Mahrer, Marchetti, Margreiter, Matznetter, Maurer, Meinl-Reisinger, Melchior, Minnich, Moser, Muchitsch;

Neßler, Neumann-Hartberger, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Oberrauner Petra, Ofenauer Friedrich, Ottenschläger;

Pfurtscheller, Plakolm, Pöttinger, Prammer, Prinz;

Reiter, Rendi-Wagner, Ribo, Rössler;

Salzmann, Schallmeiner, Scharzenberger, Schatz, Schellhorn, Scherak, Scheucher-Pichler, Schmidhofer, Schmuckenschlager, Schnabel, Schroll, Schwarz Gabriela, Schwarz Jakob, Seemayer, Shetty, Sieber Norbert, Silvan, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Sobotka, Stammler, Stark, Steinacker, Stocker, Stöger Alois, Stög­müller, Strache, Strasser;

Tanda, Taschner, Tomaselli, Totter, Troch;

Vogl, Voglauer, Vorderwinkler;

Weber, Weidinger, Weratschnig, Wimmer Petra, Wimmer Rainer, Wöginger;

Yildirim;

Zarits Christoph, Zopf, Zorba.

*****

16.27.215. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 139/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend armutsver­meidende Mindestsicherung (28 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 173/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungs­gesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grund­satzgesetzes (29 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung ist verzichtet worden.

Ich darf Abgeordneten Muchitsch das Wort erteilen. – Bitte.


16.28.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Ich darf zum Tagesordnungs­punkt 5, Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über unseren SPÖ-Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „armutsver­meidende Mindestsicherung“, Stellung beziehen. Es war für uns doch sehr enttäu­schend, dass dieser Antrag im Ausschuss abgelehnt wurde, und ich darf nun kurz er­läutern, warum.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 133

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsabkommen eindeutig festgeschrie­ben, den Anteil der armutsgefährdeten Menschen zu halbieren, auch betreffend Kin­derarmut. Das ist ein sehr begrüßenswertes Ziel. Was aber komplett fehlt, sind die ent­sprechenden Maßnahmen dazu, also wie Sie dieses Ziel erreichen wollen.

Gerade die Mindestsicherung ist ein wichtiges Instrument, wenn es darum geht, ar­mutsgefährdeten Menschen zu helfen oder auch Kinderarmut zu reduzieren. Leider haben wir in den ersten vier Wochen dieser neuen Bundesregierung genau das Ge­genteil davon erleben müssen. Sie setzen keine Maßnahmen, um Armut zu bekämpfen und Kinderarmut zurückzudrängen, sondern die ersten Aktivitäten, die Sie durchgeführt haben, waren, kundzutun, dass beim Familienbonus die bessergestellten Familien mehr erhalten sollen, nämlich plus 250 Euro pro Jahr, Kinder aus armen Familien, de­ren Eltern arbeiten, aber keine Lohnsteuern zahlen, nur 100 Euro bekommen sollen.

Jetzt gibt es auch noch diese Debatte zum Arbeitslosengeld. Sie wollen arbeitsu­chenden Menschen, die Alleinerziehende sind – überwiegend Frauen –, die 0 Euro Fa­milienbonus bekommen, die da also komplett durchs Netz fallen, nun auch noch die Ar­beitslosenunterstützung mittels Strafsanktionen reduzieren. Das ist nicht Politik zur Ar­mutsbekämpfung.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie regieren im Bereich der Sozialpolitik in eine komplett falsche Richtung. Wenn Ihnen der Verfassungsgerichtshof einen Elfmeter auflegt und sagt: Dieses Sozialhilfegesetz Neu ist in verschiedenen Punkten zu reparieren!, kann es nicht sein, dass nicht eine Zeile davon im Koalitions­abkommen steht. Das ist Regieren in die falsche Richtung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir Ihnen dann dabei helfen wollen, indem wir einen Antrag einbringen, der genau das reparieren soll, nämlich eine armutsvermeidende Leistungshöhe schaffen, Mindestrichtsätze einführen, die ein Fundament an Mindestsicherung bedeuten, damit Armut nicht erweitert wird, Hilfe zu Arbeit und Qualifikation durch verstärkte Arbeits­anreize und Arbeitsmarktintegration schaffen, oder der diese diskriminierende Kinder­staffelung – beim ersten Kind 25 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes, beim zweiten Kind 15 Prozent und beim dritten Kind 5 Prozent – abschaffen soll, und der Verfassungsgerichtshof Ihnen einen Elfmeter auflegt, dann kann es nicht sein, dass Sie diesen nicht nutzen.

Ein Fakt zu dieser ständigen Diskussion, die Mindestsicherung sei nicht finanzierbar: Von den gesamten Sozialausgaben in Österreich betragen die Ausgaben für die Min­destsicherung 0,9 Prozent des gesamten Budgets. (Abg. Kassegger: 3 Milliarden Eu­ro!) Von diesem letzten Netz, in das niemand freiwillig hineinfällt, Verschärfungen nicht wegzubringen, ist aus unserer Sicht einfach unsozial.

Ich möchte dieses Angebot des Herrn Bundesministers gerne annehmen, gemeinsam einen Grundsatzkonsens im Bereich der Sozialpolitik zu schaffen. Sozialpolitik gemein­sam machen, hat er gesagt. Herr Bundesminister, wir sind gerne dazu bereit, aber nur dann, wenn nicht Reiche reicher werden, während Arme immer ärmer werden; denn dann sind wir nicht bereit, dabei mitzutun.

Abschließend: Es tut gut, jetzt wieder einen Sozialminister zu haben, der sich in diesen Materien auskennt und ein wirklicher Profi ist. Wir bieten Ihnen gerne unsere Zusam­menarbeit an, wenn es darum geht, Armut in Österreich zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)


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16.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit unterbreche ich nun die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6. Diese werden im Anschluss an die Debatte zur Dringlichen Anfrage fortgesetzt.

16.33.11Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Aufzeigen von Missständen in der österreichischen Bildungspolitik“ (576/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 576/J.

Da inzwischen allen Abgeordneten die Dringliche Anfrage zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Das Parteibuch ist nach wie vor das wichtigste Buch in österreichischen Schulen. Echte Reformen werden durch den parteipolitischen Zugriff auf unser Bildungssystem verhindert. Seit 100 Jahren werden die gleichen ideologischen Grabenkämpfe geführt. Eigentlich wäre es aber Aufgabe der Politik, sich auf gemeinsame, evidenzbasierte und langfristige Ziele (bis 2030) zu verständigen, die auch über Legislaturperioden hinweg verbindlich sind. Genau genommen ist der Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung dafür zuständig, den partei- und machtpolitischen Zugriff auf das Bil­dungssystem zukünftig hintanzuhalten und evidenz-basierte gemeinsame Ziele zu de­finieren. Es ist längst überfällig, dass diese Ziele in einem gesamtgesellschaftlichen Dialogprozess mit allen wichtigen Stakeholdern erarbeitet werden. Doch nach wie vor kommt es auf Kosten aller Generationen immer wieder zu einer verstärkten Vermi­schung von Parteipolitik und Bildungspolitik.

Aber nun zu den jüngsten Vorkommnissen: Vor kurzem wurde bekannt, dass die Om­budsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bundesministerium für Bildung, Wis­senschaft und Forschung von diesem freigestellt wurde, da sie neben dem unabhängi­gen Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle das Buch "Machtkampf im Ministerium" veröf­fentlicht hat. In diesem prangert Frau Wiesinger Missstände im Ministerium und an Schulen an. Sie beschreibt zahlreiche Treffen und Gespräche mit Schulleiter_innen und Pädagogen_innen und kommt zum Schluss, dass Parteipolitik über den - für ein gutes Zusammenleben unserer Gesellschaft - dringend notwendigen Bildungsreformen steht. Sie spricht von Kabinettsmitarbeiter_innen und den verschiedenen Bildungsdi­rektionen, die sich in ihrer Arbeit anscheinend konkurrieren und konterkarieren. Sie zeigt auf, wie das parteipolitische System jegliche Reform verhindert und wie Integra­tionsmaßnahmen auf der Stelle treten.

Die bildungs- und gesellschaftspolitischen Probleme, die von der Ombudsfrau aufge­zeigt werden, sind nicht neu. Sie werden aber in einer Dimension beschrieben, die haarsträubend ist. Das Buch untermauert den Eindruck, dass es in Österreich nicht primär um das Wohl und die Ausbildung unserer Kinder geht, sondern einzig um Macht, Einflussnahme, Postenschacher und Message Control im Sinne der eigenen Ideologie.

Das Buch macht noch einmal deutlich: Parteipolitik muss endlich raus aus der Schule! Parteipolitik hat in der Bildungspolitik nichts verloren. Was Österreich braucht, ist eine echte Bildungsrevolution ohne ideologische Scheuklappen, denn ohne diese verspielen wir die Zukunft unserer Kinder.

Bildung ist der Schlüssel zur Entfaltung eines freien und selbstbestimmten Lebens. Ei­nes Lebens, in dem unsere Kinder Chancen selbständig erfassen und nutzen können. Und trotzdem ist es so, dass wir in Österreich seit Jahrzehnten über Systeme und


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Strukturen, aber nicht über unsere Kinder und ihr Können diskutieren. Wir lassen zu, dass unsere Kinder in Schubladen gesteckt werden, bevor sie ihre Talente zeigen konnten. Das ist grundfalsch. Und wir akzeptieren das nicht mehr: Weil wir überzeugt sind, dass in jeder und jedem Großes steckt.

Es gibt keinen Grund zu glauben, dass Schulen besser werden, je mehr gut gemeinte Vorgaben die Schulbehörden machen. Eine echte, wirksame Bildungswende kommt von unten, getragen von den Bildungsexpert_innen aus der Praxis. Unser Ziel: Die Politik konzentriert sich darauf, verlässliche rechtliche und finanzielle Rahmenbedin­gungen sicherzustellen und gibt den Schulleitungen sowie den Pädagog_innen die Freiheit und Verantwortung zur Umsetzung und Gestaltung. Daher braucht es umfas­sende pädagogische, personelle und finanzielle Autonomie und Verankerung der Ele­mentarpädagogik im Bildungsbereich.

Wir brauchen pragmatische Lösungen, in deren Zentrum immer die Selbstermächti­gung des Menschen steht.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

1.          Was werden Sie tun, um den parteipolitischen Zugriff auf unser Schulsystem zu unterbinden?

2.          Im Bildungsreformpaket 2017 wurde in § 5 Abs. 4 des Bildungsdirektionen-Ein­richtungsgesetzes Folgendes verankert: „Die Bewirtschaftung der Lehrpersonal­ressourcen hat sich jedenfalls an der Zahl der Schülerinnen und Schüler, am Bildungsangebot, am sozio-ökonomischen Hintergrund, am Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler sowie an deren im Alltag gebrauchter Sprache und an den regionalen Bedürfnissen zu orientieren. Das zuständige Mitglied der Bundesregierung kann zur Berücksichtigung des sozio-ökonomischen Hinter­grunds der Schülerinnen und Schüler durch Verordnung entsprechende Krite­rien festlegen.“ Wann ist mit dieser Verordnung zu rechnen? Auf welche sozio-ökonomischen Faktoren werden Sie fokussieren und wie viel „frisches“ Budget wird dafür in die Hand genommen?

3.          Wie werden Sie in unserem Schulsystem hinkünftig für mehr Autonomie in a) pädagogischer b) personeller und c) finanzieller Hinsicht sorgen?

4.          Was war die Aufgabenstellung der Ombudsstelle für Wertefragen und Kultur­konflikte?

5.          Aus welchem Grund wurde der Ombudsfrau Susanne Wiesinger die externe Beraterin Heidi Glück an die Seite gestellt?

6.          Was war die Aufgabenstellung der externen Beraterin?

7.          Wurde diese Beratungsleistung ausgeschrieben? Wenn ja, wie erfolgte die Aus­wahl? Wenn nein, warum nicht?

8.          Welche Kosten für die externe Beraterin fielen seit der Einrichtung der Ombuds­stelle für Wertefragen und Kulturkonflikte an? Bitte um Nennung der genauen Beratungsleistung und Anzahl des verrechneten Aufwandes in Euro bzw. der verrechneten Stunden.

9.          Wie viele Treffen gab es zwischen der Ombudsfrau und der externen Beraterin?

10.        Ist es überhaupt üblich, Mitarbeiter_innen externe Berater zur Seite zu stellen? Wenn ja, auf welche Fälle trifft das zu? Wenn nein, warum dann bei einer wei­sungsfreien Ombudsstelle?


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11.        Welche Kosten fielen außerdem seit der Einrichtung der Ombudsstelle für Wer­tefragen und Kulturkonflikte an? Bitte um detaillierte Auflistung der einzelnen Kostenstellen.

12.        Mit welcher Begründung wurde Frau Wiesinger von ihrem Dienst als Ombuds­frau freigestellt?

13.        Inwiefern hat Frau Wiesinger ihre vertraglichen (oder gesetzlichen) Pflichten ge­genüber dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung verletzt?

14.        Welche Kosten entstehen dem BMBWF durch die vorzeitige Auflösung des Ver­trages mit Frau Wiesinger?

15.        Wie erfolgte die Kommunikation zwischen der Ombudsstelle für Wertefragen und Kulturkonflikte und

a. dem Bundesminister bzw. der Bundesministerin?

b. dem Kabinett des Bundesministers bzw. der Bundesministerin?

16.        Was war die Erwartungshaltung bzgl. des Tätigkeitsberichtes? Wurde eine Vor­gehensweise vereinbart, die bestimmte Themen aussparen sollte? Wenn ja, welche waren das und von wem wurde diese Vorgehensweise vorgeschlagen?

17.        Wie kommt Ihres Erachtens Frau Wiesinger als weisungsfreie Ombudsfrau zu dem Schluss, dass ihre erwarteten Ergebnisse nur "die Positionen der ÖVP un­termauern" sollten?

18.        Wer aus dem Kabinett hatte Kontakt mit Frau Wiesinger?

19.        Was meint Ihres Erachtens Generalsekretär Martin Netzer in der ZiB vom 19.1.2020 mit der Aussage "Bildungspolitik ist immer auch Parteipolitik"?

20.        Aus den Ausführungen von Frau Wiesinger kann eine breite Zustimmung bei den von ihr besuchten Personen und Institutionen zu einem Ethikunterricht für alle zusätzlich zum Religionsunterricht herausgelesen werden. Wie stehen Sie dazu, dass offenbar nicht nur zahlreiche Bildungs- und Integrationsexpert_in­nen, sondern auch Praktiker_innen die Einführung eines solchen Faches unter­stützen und als gesellschaftlich relevant sehen?

21.        Welche Maßnahmen sind seitens des Ministeriums konkret geplant, um folgen­den im Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle identifizierten Missständen entge­genzuwirken?

a. fehlende soziale Durchmischung an Brennpunktschulen

b. fehlende Sanktionsmöglichkeiten bei fehlender Kooperation der Schüler_in­nen und/oder ihrer Obsorgeberechtigten

c. fehlende Dolmetscher_innen an Schulen

d. fehlendes Personal (Lehrer_innen, Schulsozialarbeiter_innen, Schulpsycho­log_innen, Schulärzt_innen)

e. fehlende administrative Bürokräfte zur Unterstützung der Pädagog_innen und Schulleiter_innen

f. fehlendes Mitspracherecht der Schulleiter_innen bei der Auswahl von Re­ligionslehrer_innen

g. fehlende Autonomie bei der Entwicklung und Implementierung von politi­schen Maßnahmen, u.a. bei der Deutschförderung

h. fehlende Autonomie über den Einsatz von Ressourcen


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i. fehlende Burn-Out-Prävention

j. fehlender Leitfaden im Umgang mit Werte- und Kulturkonflikten, der den rechtlichen Rahmen erläutert, Anlaufstellen auflistet und Anregungen für ein schrittweises Vorgehen beinhaltet

k. nicht ausreichend Praxis in der Ausbildung von Pädagog_innen

l. fehlende Möglichkeiten, schwierige Situationen schnell und unbürokratisch an der Schule zu lösen (Wertekonflikte, Gewaltvorfälle)

m. schlechtes Image des Lehrer_innenberufs

n. fehlende anonyme schulinterne Befragungen zu heiklen Themen wie Rassis­mus und Diskriminierung

o. schlechte Vorbereitung auf Konfliktsituationen und den Alltag an Brennpunkt­schulen in der Lehrer_innenausbildung

p. fehlende "Brückenbauer_innen", Pädagog_innen mit Migrationshintergrund

q. fehlende Primär-, Sekundär- und Tertiärgewaltprävention an Schulen (Tätig­keitsbericht S. 47/48)

r. fehlende Kommunikation beim Wechsel von Schulen bzw. dem Übergang vom Kindergarten in die Volksschule

s. fehlende Handlungsmöglichkeiten bei Verdacht auf Zwangsheirat/FGM/Ge­walt in der Familie

t. nicht ausreichende politische Bildung von Schüler_innen

u. negativ behafteter Integrationsbegriff

v. fehlende Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischer Jugend- und Kinderarbeit, Vereinen und Netzwerken der Nachbarschaft

w. fehlende verpflichtende Elternbildung bei Verdacht auf Extremismus o.ä.

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und der Erstanfragestellerin Gelegen­heit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Abgeordneter Klubobfrau Meinl-Reisinger als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Bitte.


16.34.01

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau und Herren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Parteipolitik regiert in unsere Schulen hinein. Bevor ich zum Buch von Frau Wiesinger komme, das ja der Anlass für diese Dringliche Anfra­ge an Sie, Herr Bundesminister, ist, möchte ich Ihnen etwas erzählen. Meine beiden Großmütter waren Pädagoginnen, Lehrerinnen; die eine hat Geografie und Geschichte unterrichtet, die andere Englisch und Latein. Besonders schön ist, dass sie mir immer vermittelt haben, dass das der schönste Beruf der Welt ist, weil es wirklich darum geht, jungen Menschen – in ihrem Fall damals jungen Mädchen in zwei verschiedenen Schu­len –, auf ihrem Lebensweg zu helfen, gerade auch Mädchen, die aus sozialen Verhält­nissen gekommen sind, wo es nicht selbstverständlich war, dass der Aufstieg gelingt.


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Was ich sehr berührend finde, ist, dass mich, obwohl meine Großmütter leider beide schon gestorben sind, immer noch Menschen – teilweise für mich wildfremde Men­schen – auf der Straße ansprechen und sagen: Ihre Großmutter hat mein Leben verän­dert, sie hat mir Chancen eröffnet! Ganz, ganz oft höre ich den Satz: Ihre Großmutter hat an mich geglaubt! Das ist natürlich nicht nur für mich sehr berührend, sondern es sagt auch viel darüber aus, mit welchem Engagement, mit welchem Einsatz ganz viele junge Menschen in diesen Beruf der Pädagogin oder des Pädagogen streben, nämlich mit dem Ziel, junge Menschen auf ihrem Weg zu ihrer Selbstentfaltung, zu einem selbstbestimmten Leben zu begleiten, ihnen die Flügel zu heben.

Ich habe jetzt mit meinen Großmüttern angefangen, weil ich mich an eine Geschichte erinnere, die eine meiner Großmütter mir immer erzählt hat. Sie ist nämlich Schullei­terin geworden – das war nicht möglich ohne Parteibuch. Also hat sie ein Parteibuch bekommen, das rückdatiert wurde, damit es auch ja klappt. Jetzt kann man das natür­lich abtun und sagen, das ist aus einer vergangenen Zeit, als sich Rot und Schwarz noch die Republik aufgeteilt haben. – Das ist es aber nicht, und das wissen wir. Gera­de wir NEOS prangern das Monat für Monat, Jahr für Jahr an, und es wird immer vom Tisch gewischt. Und jetzt ist das Buch von Frau Wiesinger da, das genau das anpran­gert. (Beifall bei den NEOS.)

Worum geht es? – Frau Susanne Wiesinger, eine Lehrerin in Wien, hat vor einiger Zeit ein Buch über den „Kulturkampf im Klassenzimmer“ geschrieben. Sie hat darin sehr drastisch geschildert, wie die zunehmende Diversität der Schülerinnen und Schüler, insbesondere was religiöse Bekenntnisse angeht, zu kulturellen Konflikten führt, wie Schulen, Lehrerinnen und Lehrer teilweise hilflos sind und wie vor allem die Politik komplett wegschaut. Sie ist damals – daran kann ich mich gut erinnern –, obwohl sie aus der Sozialdemokratie kommt, obwohl sie sogar sozialdemokratische Gewerkschaf­terin war, von den Linken massiv angegriffen worden.

Sie, Herr Faßmann, haben Frau Wiesinger das Angebot gemacht, dass sie sich als Ombudsfrau in einer unabhängigen Ombudsstelle im Ministerium um genau diese Fra­gen kümmern und sich das anschauen soll. Ich habe auch mindestens ein Gespräch, ich glaube, sogar mehrere, mit Frau Wiesinger geführt, über ganz viele Themen.

Und es ist etwas Spannendes passiert: Jetzt hat Frau Wiesinger ihren Job doch tat­sächlich so aufgefasst, wie er beschrieben war, nämlich wirklich als unabhängige Om­budsfrau, die auf eine durchaus beachtliche Zuhörtour gegangen ist. Ich glaube nicht, dass ihr Buch den Anspruch erhebt, eine wissenschaftliche Erhebung zu sein, aber es ist eine Darlegung der Ergebnisse aus den Gesprächen, die sie geführt hat. Und was sieht sie da? – Wir haben nicht nur einen Kulturkampf im Klassenzimmer, sondern wir haben seit Jahrzehnten eine Politik, die durch parteipolitische Scheuklappen und Hick­hack geprägt ist, die letztlich auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen wird, auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer und auf dem Rücken vernünftiger, ehrlicher Lösungen für eine echte Bildungsreform. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Da kam dann der Vorwurf, sie sei ein Maulwurf, es war die Rede von Anpatzen, und es wurde gesagt, so etwas macht man ja nicht. Ich habe aber auch andere Kommentare gelesen, die von ihrem Mut gesprochen haben und davon, dass sie im einen wie im anderen Fall ihrem Gewissen gefolgt ist.

Was ich vergessen habe zu sagen: Diesmal ist sie natürlich von konservativer Seite angegriffen worden. Man sieht also, wenn man bei seinen Themen bleibt, die Wahrheit sagt, sagt, was sich wirklich abspielt, kann man es vor allem diesen ideologischen Polen nicht recht machen, man wird auf jeden Fall angegriffen und diffamiert. Wir NEOS nehmen für uns in Anspruch, dass wir sie in beiden Fällen tatsächlich ernst genommen haben und das auch weiter tun werden.


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Natürlich kann man kritisieren, dass sie da jetzt ein Buch veröffentlicht und damit auch wirklich für Wirbel gesorgt hat. Aber wirkliche Verantwortung und auch Leadership, wie man sie ja auch von einem Manager eines Unternehmens erwarten würde, der von Missständen in seinem Unternehmen hört, würden ja bedeuten, dass man sie ernst nimmt und wirklich darauf eingeht, anstatt darüber zu diskutieren, wie dieses Buch zu­stande gekommen ist. Das erinnert mich ein bisschen an diese Ibizavideodiskussion, wo wir auch sehr schnell darüber diskutiert haben, wieso es dieses Video gibt und wer das gemacht hat. Das sind alles relevante Fragen, aber viel wichtiger ist die Frage: Was ist in diesem Video passiert?

Genauso ist für mich die Frage: Was steht in diesem Buch und was wird seit Jahr­zehnten ignoriert?, viel wichtiger. Frau Wiesinger richtet einen Appell, einen wirklichen Appell, und zwar, glaube ich, an alle Entscheidungsträger in Österreich und natürlich auch an die Öffentlichkeit, endlich Parteipolitik aus den Schulen rauszubringen, dass nicht mehr das Parteibuch das wichtigste Buch in den Schulen sein darf, dass man endlich damit aufhört, Diskussionen entlang der Frage: Was nutzt meiner Partei und was schadet der jeweils anderen?, mit ideologischen Scheuklappen zu führen, und endlich beginnt, sich die Fragen zu stellen: Was nützt den Kindern? Was nützt den Lehrerinnen und Lehrern? Was müssen wir tun, wenn wir wirklich an übermorgen den­ken? (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fischer.)

Was sie sagt, wissen wir auch schon längst: Dieses parteipolitische System blockiert Reformen. Es ist ein jahrzehntelanger ideologisch geprägter Stellungskrieg zwischen ÖVP und SPÖ, teilweise plus Grüne, der zu keinen Lösungen kommt. Man diskutiert über die Schulform, über die Organisation, und die Lehrerinnen und Lehrer tun, was sie in diesem System der Unfreiheit tun können.

Wir wissen auch, dass Ministerien und insbesondere natürlich die Kabinette, aber auch die von uns so kritisierten Bildungsdirektionen – das wird ja sehr drastisch beschrie­ben – ein bisschen wie Politbüros agieren, wobei es halt darum geht, die eigene Macht, die eigene Parteimacht auszudehnen, aber nicht um wirklich Sinnvolles: Was nutzt uns? Was darf gesagt werden? Was schadet uns?

Wir wissen auch, dass wir bei Integrationsmaßnahmen beschämend auf der Stelle tre­ten, dass viele Maßnahmen, die gesetzt wurden, nicht greifen beziehungsweise falsch greifen. Man gewinnt wirklich den Eindruck, in der Bildungspolitik geht es oft um das Image der Politikerinnen und Politiker, um Macht, das wissen wir auch, um Postenbe­setzungen, das ist immer wichtig, dass man etwas zu verteilen hat, diese Ideologie wird sehr stark auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler und auf dem Rücken der Pädagoginnen und Pädagogen ausgetragen.

Ich habe nicht solch eine Tour hinter mir, aber natürlich reden wir mit genügend Päda­goginnen, Pädagogen, Eltern, Schülerinnen und Schülern. Sehr oft hört man das kommt in dem Buch ja auch sehr deutlich zur Sprache –, dass es einen unglaublichen Frust darüber gibt, dass man eigentlich gegen Mauern rennt. Man bemüht sich, man ist engagiert, aber man wird in dem System aufgerieben. Es ist ja auch ein System, in dem man nach Jahrzehnten keinen Unterschied zwischen den Pädagoginnen und Pä­dagogen, die sich wirklich engagieren oder aufreiben, und denen, die das nicht tun, sieht. Es gibt ja keinen Unterschied da drinnen. Es ist ja quasi oft das Privatvergnügen, die große private Leistung von vielen Lehrerinnen und Lehrern, dass sie eben diesen Schritt, der nötig ist, mehr machen, als es viele andere tun.

Was sie auch oft sagen: Es ist unglaublich viel Bürokratie da drinnen, Zettelwirtschaft, Erlässe, Verordnungen, ein ganz, ganz enges Korsett. Ganz ehrlich, Herr Minister, ich habe das auch schon öffentlich gesagt: Wenn ich jetzt dieses Regierungsprogramm und das, was Sie bezüglich Chancenindex formuliert haben, lese – es können sich viel­leicht Schulen mit ihren Konzepten bewerben –, klingt das wieder nach wahnsinnig viel


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Bürokratie, Aufwand, Zettelwirtschaft und nicht nach Freiheit. Freiheit brauchen wir in diesem System. (Beifall bei den NEOS.)

Ich finde es gut, dass mit diesem Buch die bildungspolitische Debatte wieder einmal an der Tagesordnung ist und in die Öffentlichkeit kommt. Wir haben in Österreich nicht erst heute, nicht erst seit gestern – übrigens auch nicht nur in Wien, auch wenn das die ÖVP gerne erzählt – eine veritable Bildungs- und Schulkrise. Warum erzählt das die ÖVP gerne? – Weil dort die SPÖ am Ruder ist, es geht um eine Wienwahl, da kann man wieder schön draufhauen, das ist das Spielchen, das man jetzt schon jahrzehn­telang kennt.

Wir haben eine Bildungs- und Schulkrise. Die Realität ist schockierend. Ich erzähle Ih­nen ein Beispiel von einer Lehrerin, das sie uns im Wahlkampf erzählt hat: Sie hatte keine Tafel in ihrem Klassenzimmer. Ja, da kann man ja sicher irgendwie einen Anfor­derungsschein schreiben, denn ohne Tafel kann man ja nicht unterrichten. Das kann man schon machen, aber man kann auch sozusagen sehr viel irregehen. Die Ge­schichte geht dann sehr lange, ich kürze sie ab: Sie hat die Tafel selber gekauft und finanziert, damit sie unterrichten kann. Oder eine andere Geschichte von einer Päda­gogin: Sie hat bei ihrem Mann, der Unternehmer ist, das Kopierpapier geklaut, weil es in der Schule zu wenig gibt.

Man kann natürlich sagen, ja, irgendwie lustige Geschichten, Einzelfälle, aber es ist der Arbeitsalltag in den Schulen, in einem System, das gar nicht so wenig Geld verschlingt, und das mit solch einem Output! Ich habe also ein bisschen den Eindruck, es liegt nicht daran, dass die Schulen so schlecht wirtschaften, sondern daran, dass es eher noch immer wie unter Maria Theresia sozusagen eine untertänige Behördenstruktur gibt, in der es tendenziell zu wenig Freiheit als zu viel gibt.

Wir haben viele Ziele, die wir erreichen wollen. Ich möchte jetzt nur ein paar skizzieren. Natürlich geht es um den Anspruch – ich glaube, das ganze Arbeiten und Streben von Frau Wiesinger ist auch darauf ausgerichtet –, kein Kind zurückzulassen.

Natürlich gibt es keine Gleichheit und natürlich sind wir auch nicht so naiv zu glauben, ich habe das ohnehin schon öfters gesagt, dass alle Kinder von Anfang an die gleichen Chancen haben. Nein, wahrscheinlich gibt es schon im Kreissaal keine Chancengleich­heit, aber der Anspruch eines Bildungssystems muss immer sein, möglichst für faire Chancen für alle, für Chancengleichheit zu kämpfen. Kein Kind zurücklassen!

Ich habe schon gesagt, dass es natürlich Engagement braucht, um für diese Chan­cengleichheit zu kämpfen. Frau Wiesinger schreibt das sehr eindrucksvoll: Ohne Eltern wird es nicht gehen. – Klar, keine Frage, ohne die Bereitschaft der Eltern zur Mitarbeit wird es nicht gehen, wobei ich zu den Eltern noch kommen möchte. Ich habe vernom­men, dass Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) das Thema jetzt aufgreifen, aber, wie gesagt, Interviews sind ja sehr geduldig. Die Frage ist ja: Welche Maßnah­men werden auf den Weg gebracht? Es geht um Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmtheit – das kommt in vielen Schulen viel zu kurz –, kritisches Denken, darum, Talente, Neigungen und Begabungen zu fördern, natürlich auch um ein Be­kenntnis dazu, dass wir Eliten brauchen. Wir können derzeit in die Klassenzimmer ge­hen und die Alberta Einsteins nicht erkennen. Die werden auch nicht gefördert. Es ist zwar ein Lippenbekenntnis zur Exzellenz da, aber wenn diese Alberta Einstein in einer Brennpunktschule im 15. Wiener Gemeindebezirk sitzt, wird sie wahrscheinlich nicht exzellent werden.

Integration und Zusammenleben in einer immer diverseren Gesellschaft, das ist Thema einer ganz großen und wichtigen Diskussion, die wir alle zusammen führen müssen. Das ist Reibung, das ist Konflikt. Wie ich heute schon eingangs in der Debatte zur Ak­tuellen Stunde in Bezug auf die Debatte zum Kopftuch gesagt habe, glaube ich, dass


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wir sie sachlich und wirklich entlang der Frage: Was sind unsere Grundwerte?, führen müssen. Da glaube ich daran, dass wir auf dem Boden der Aufklärung, des Humanis­mus in einer offenen Gesellschaft, in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, die sagt, Religion ist Privatsache. Das müssen wir auch in diesen kulturellen Konflikten hoch­halten und nicht dem Islam das Kreuz entgegenhalten. Davon bin ich überzeugt. Wir kämpfen für die aufgeklärte Gesellschaft. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist mir wichtig, dass wir in alle Teile der Schule schauen. Natürlich beleuchtet Frau Wiesinger besonders das Thema Brennpunktschulen, das Thema: Wie gehen wir mit Klassen um, in denen ganz viele Kinder sitzen, die eine andere Umgangssprache als Deutsch, eine andere Religion haben oder muslimischen Glaubens sind? – Wir müs­sen aber in alle Schulen schauen.

Wie ich vorher gesagt habe: Ohne Eltern geht es nicht. Man muss aber auch umge­kehrt sagen: Ohne Eltern geht es leider wirklich nicht, denn die Eltern sind Systemer­halter. Wenn nicht Mama oder Papa permanent Nachhilfelehrer oder -lehrerin spielen – das kann ich Ihnen berichten, das führt in ganz vielen Familien zu täglichen Krisen und Auseinandersetzungen , funktioniert dieses System Schule nicht. Da frage ich mich ganz ehrlich: Ist das das richtige System? Ist es das richtige System, das eigentlich da­rauf baut, dass vielleicht sogar die Mutter zu Hause ist, um sich dem zu widmen, damit man wirklich mitarbeiten und für jede Schularbeit lernen kann?

Ich meine, seien Sie nicht böse, die Gesellschaft hat sich verändert. Ich weiß schon, wir reden ja viel, ich habe das auch oft von ÖVP-Seite gehört, man versteht gar nicht, was wir NEOS da eigentlich wollen: Die Buchstaben sind ja noch immer von A bis Z, die Zahlen gehen von eins bis zehn. Da ist ja alles gut! – Ja, wenn man so denkt, dann muss man fragen: Warum gehen wir dann nicht überhaupt zurück zur Maria-Theresia­nischen-Schulordnung? Warum führen wir das Rohrstaberl oder ich weiß nicht was wieder ein? Es ist ja alles gut, wir müssen gar nichts verändern.

Unsere Gesellschaft hat sich verändert, die Anforderungen haben sich verändert, Fa­milien haben sich verändert, nur unser Schulsystem ist gleich geblieben. Das kann es nicht sein! (Beifall bei den NEOS.)

Noch ein Wort zum Regierungsprogramm. Ich habe am Tag der Regierungserklärung den Worten von Kollegin Hamann gelauscht. Auch sie hat gesagt, dass es diese ideo­logische Diskussion gibt und man mit diesem Regierungsprogramm versucht habe, in kleinen Schritten um diese ideologische Mauer herumzugehen. Das Problem ist aber, dass das viel zu wenig ist, denn in dieser Mauer steckt ganz viel drinnen.

Darin steckt zum Beispiel die Frage der Schulautonomie, und Schulautonomie be­schränkt sich nicht darauf, dass mehrstufige Eingangsklassen gemacht werden kön­nen. Wenn man Schulautonomie ernst nimmt, dann heißt das auch personelle Autono­mie. Es bedeutet, dass sich ein Direktor/eine Direktorin die Lehrerinnen und Lehrer selbst aussuchen kann, und natürlich auch pädagogisch-didaktische Autonomie oder Autonomie, was zum Beispiel Deutschförderklassen angeht. Das wird derzeit von oben verordnet – völlig sinnbefreit, weiß jeder, es wird aber gemacht, weil es gut klingt und weil es die ÖVP gut verkaufen kann. Was in diesem Regierungsprogramm steht, ist zu wenig. Sie nehmen viele Krisen ernst, aber die Bildungskrise nehmen Sie mit diesem Regierungsprogramm nicht ernst. (Beifall bei den NEOS.)

Deshalb haben wir auch gesagt: Bitte nachverhandeln – eine Nachfrist –, denn die Ver­säumnisse von heute sehen wir in den nächsten Jahren! Es sind verlorene Genera­tionen, und dafür sind jetzt Sie – und zwar allesamt – mitverantwortlich. Diejenigen, die in Regierungsverantwortung sind, sind verantwortlich dafür, endlich mutige Schritte zu machen und zu sagen: Okay, wir haben jetzt jahrzehntelang Parteipolitik in den Schu­len regieren lassen, es ist Schluss damit! Okay, wir haben jahrzehntelang ideologisch


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blockiert, jetzt ist Schluss damit! Okay, wir haben jahrzehntelang ignoriert, was Exper­tinnen und Experten oder Bildungswissenschaftler sagen, jetzt ist Schluss damit! Wir haben jahrzehntelang nicht über den Tellerrand hinausgeschaut und uns nicht ange­schaut, wie es Finnland oder andere Länder machen, die uns da weit voraus sind, jetzt ist Schluss damit!

Wissen Sie, wie das, was in Österreich passiert, bezeichnet wird? – „Stupid Public Policy“ nennt es ein Bildungswissenschaftler heute in einer Tageszeitung, also dumme öffentliche Politikgestaltung. Wollen Sie ernsthaft, dass bei Ihrer Regierung übrig bleibt, dass man sagt: Wieder einmal eine Periode von stupid public policy making!? Es ist an der Zeit, diese Krise ernst zu nehmen.

Leadership und Verantwortung für Österreich heißt, ehrliche Lösungen zu bringen, diese ideologischen Scheuklappen abzulegen und endlich aufzuhören, Show- und Schlagzeilenpolitik zu machen. Das sage ich gerade auch zu Ihnen, Herr Minister, weil Sie Wissenschaftler sind. „Die Wissenschaft soll sich nicht überall einmischen.“ – Das ist witzig, das mag ein Kalauer am Stammtisch sein, im Bildungsbereich hat eine sol­che Haltung nichts verloren. (Beifall bei den NEOS.)

Das Bildungssystem versagt zunehmend komplett. Wir sind in einer veritablen Krise, und das Ergebnis ist klar: Die Eltern, denen es wichtig ist, die es sich leisten können, müssen sich keine Sorgen machen, dass ihr Kind in einer Brennpunktschule versauert. Sie geben ihr Kind in eine Privatschule und zahlen privat Nachhilfe. So wird das Kind auf jeden Fall gefördert und auch etwas werden, und allen anderen werden die Flügel gebrochen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bun­desminister Faßmann zu Wort gemeldet. Ich darf ihn und auch Frau Bundesministerin Tanner herzlich begrüßen. – Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.


16.53.13

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Klubobfrau! Haben Sie Dank für Ihre Ausführungen, denen ich teilweise – nicht komplett, aber teilweise – zu­stimmen kann, und es freut mich auch, dass wir über dieses doch wichtige Thema ein­mal ins Gespräch kommen.

Überhaupt nicht zustimmen kann ich der Darstellung, die am Vormittag präsentiert wurde: Wer die Wahrheit sagt, der muss gehen. – Für mich ist Wahrheit immer zumut­bar, und natürlich hat eine Ombudsstelle immer die Funktion der Beratung, aufgrund des Kontakts aber mit der Schulrealität auch so etwas wie die Funktion der Erfassung der Wahrheit. Das ist auch gar nicht der Punkt.

Meine Irritation im Zusammenhang mit der Freistellung der Ombudsfrau liegt nicht in der Sache begründet, sondern in der gewählten Vorgangsweise, parallel zur Tätigkeit ein Buch zu schreiben als eine Nebenbeschäftigung, von der der Dienstgeber eigent­lich gar nichts wusste. Ich erfuhr von ihr persönlich am letzten Mittwoch, dass sie an diesem Buch arbeitete. Es stellte sich in den nächsten Tagen heraus, dass dieses Buch fertiggestellt war und diesen Montag im Handel erschienen ist. Auch mit einem Titel, der die Sache nicht so richtig trifft: „Machtkampf im Ministerium“, und wer eine Darstellung des Kampfes eine Sektion gegen die andere Sektion erwartet hätte, wird enttäuscht. Es geht schon gar nicht um einen Machtkampf der Ombudsfrau mit mir, denn ich komme – wenn Sie auf Seite 35 lesen – ganz gut weg. Ich kann mit ihr und sie konnte mit mir, wie man so schön sagt.

Es geht im Titel um einen Machtkampf zwischen ihr, dem Ministerium und dem Ka­binett. Diesen Machtkampf – und ich sage es hier ganz sachlich und objektiv – sah ich


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nicht. Das Kabinett hat Serviceleistungen offeriert, die notwendig sind, um eine Om­budsstelle aufzubauen. Die Servicestelle hat die Besuche in den Bundesländern vorbe­reitet, Protokolle angefertigt und die Ombudsfrau auch bei der Abfassung eines Tätig­keitsberichtes unterstützt. Die Ombudsfrau hat vieles davon als eine parteipolitische Vereinnahmung empfunden. Ich kann es nicht nachvollziehen, insbesondere auch nicht für die Zeit, als ich an die Uni zurückgekehrt war.

Das Buch enthält unzweifelhaft eine Reihe, eine Fülle von wichtigen Problemdarstel­lungen – es ist vollkommen unbenommen, Frau Meinl-Reisinger, da stimme ich auch mit Ihnen überein –, ob das der Einfluss des Islam ist, die Wirkung traditioneller Rol­lenbilder auf die Erziehung der Mädchen, das Zusammenspiel von Bund und Land im schulorganisatorischen Sinne, das Ministerium und die Bildungsdirektionen, die Büro­kratie im Bildungssystem – Sie haben es angesprochen –, die Zettel und die Erlässe und vieles andere mehr.

Ich habe mich für das Aufzeigen dieser Problemaufrisse bei ihr öffentlich und auch per­sönlich bedankt. Ich habe aber auch gesagt, dass ich von dem Aufzeigen, das nicht reicht, ins Handeln kommen muss. Dabei nützen mir Verallgemeinerungen und pau­schale Aussagen wenig, ich brauche dazu präzisere Informationen.

Darf ich aus der Fülle der möglichen Zitate drei bringen? – „Viele Direktoren“, sagt sie, „wirken auf mich wie Marionetten des Systems.“ – Viele, wenige, alle – ich hätte gerne über die Kriterien dieser Aussage und auch über die Lösungsvorschläge mit ihr gespro­chen. (Zwischenruf des Abg. Brandstätter. – Abg. Meinl-Reisinger: Lösungsvorschlä­ge sind drinnen!) – Ja, die sind dermaßen allgemein gefasst, Frau Meinl, wenn Ihnen das ausreicht, mir reicht das nicht aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein anderes Zitat: „Wer in Wien aus dem Dunstkreis der SPÖ-nahen ‚Kinderfreunde‘ kommt, hat gute Chancen, früher oder später einen sehr gut bezahlten Posten in der Verwaltung zu bekommen. Das Resultat: Unfähige, aber linientreue Leute sagen dann Fähigen, was sie zu tun und zu lassen haben.“ – Das klingt alles ganz gut, das kann sein, muss aber nicht sein. Mit einer Verallgemeinerung wie dieser komme ich zumin­dest nicht weiter. Wenn es Ihnen gelingt, dann gratuliere ich Ihnen.

Ein weiteres Zitat lautet: „Die Freiheitlichen mögen einige Fehler in unseren Schulen klar erkennen und benennen, aber Lösungen für diese haben sie kaum.“ – Nun ja, ich kann mich an gute und vernünftige Diskussionen in der türkis-blauen Regierung erin­nern, das ist abermals eine Feststellung, die wirklich plakativ und ausgesprochen ober­flächlich ist.

Es kam nicht mehr zu einem Gespräch, nicht, weil ich sie gefeuert habe oder sie vor die Tür gesetzt wurde oder sie mir nicht passte, sondern weil sie selbst zu ihren Kin­dern in der Schule zurückkehren wollte und eine Zusammenarbeit mit jenen, die im Buch pauschaliert als Apparatschiks dargestellt wurden, schwierig ist. Es kam zu einer einvernehmlichen Lösung von beiden Seiten. (Abg. Meinl-Reisinger spricht mit Abg. Krisper.) – Sie können ohne Weiteres weiter plaudern, wir sind hier eben nicht in der Schule. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Nein, nein, ich pass schon auf!)

Ich darf noch einmal auf die Grundthese des Buches oder auf die Grundthese Ihres Vortrags zurückkommen: Wir schauen weg, wir wollen keine Probleme sehen, und die Parteipolitik zerstört die Schule, so insinuiert es ja auch der Untertitel. Das ist eine brei­te Verallgemeinerung, aber man erntet damit unzweifelhaft Zustimmung.

Das Zurückdrängen der Parteipolitik – ich kann mich noch erinnern – wollten Helmut Zilk und viele andere nach ihm, und ich will es auch. Es ist eine klare Verpflichtung für mich, denn es geht immer um sachgerechte Entscheidungen, unabhängig von ihrer parteipolitischen Urheberschaft. Aber das Zurückdrängen, Frau Meinl, ist ein langer


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Weg (Abg. Brandstätter: Warum? Was ist schwierig?), aber dass nichts erreicht wur­de, so wie Sie gesagt haben, ist nicht korrekt. Sie blenden alles aus, was halt nicht zur Verallgemeinerung passt. (Abg. Meinl-Reisinger: Na was ist gelungen? Was haben Sie weitergebracht?) – Wenn Sie jetzt einen Augenblick zuhören, dann kommt’s.

Darf ich Sie an das Bildungsreformgesetz erinnern? Das ist ja eine umfassende Ände­rung im Bildungswesen, die mit Verfassungsmehrheit in diesem Haus beschlossen wurde. Es brachte das Ende der nach parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen des je­weiligen Bundeslandes zusammengesetzten Kollegien. (Abg. Meinl-Reisinger: Und es brachte?) Diese Kollegien, Frau Kollegin, waren extrem wichtig, denn die Kollegien wa­ren verantwortlich für den Dreiervorschlag der Direktoren und Direktorinnen (Abg. Meinl-Reisinger: Und was ist jetzt?); und natürlich kann man sich ausrechnen, welche Absprachen und Aufteilungen in Kollegien, die parteipolitisch zusammengesetzt waren, erfolgten.

Die Kollegien sind aufgelöst worden, und das ist ein ganz markanter Schritt der Ent­politisierung. (Abg. Meinl-Reisinger: Jetzt gibt es Bildungsdirektoren!) – Auf die Bil­dungsdirektoren komme ich auch gleich zu sprechen. Direktoren werden also heute nicht mehr, so wie Sie es dargestellt haben, besetzt, sondern über Ausschreibungen (Abg. Meinl-Reisinger: Geh!), über Auswahlkommissionen; und die Auswahlkommis­sionen sind Zwei-und-zwei-Kommissionen, die Hearings machen können, die weitere Gutachten einholen können, die weisungsfrei und eigenständig arbeiten.

Natürlich können Sie sagen, alles wird weiterhin parteipolitisch gesteuert, denn das ist das Mantra, mit dem Sie in die Diskussion hineingegangen sind (Abg. Hoyos-Trautt­mansdorff: Es ist die Wahrheit!), aber so locker ist das einfach nicht mehr machbar. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Und die Bildungsdirektionen?!)

Es sind die Landesschulräte und die Stadtschulräte abgeschafft worden, eine Institu­tion, die 1868 eingesetzt wurde, ein Jahr nach den Staatsgrundgesetzen. Die amtsfüh­renden Präsidenten wurden jeweils – vielleicht erinnern Sie sich noch – von der jeweili­gen Mehrheitsfraktion in den Ländern besetzt: in einem roten Bundesland ein Roter, in einem schwarzen Bundesland ein Schwarzer.(Abg. Meinl-Reisinger: Und jetzt?)

Heute legt das Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz – tut mir leid, dass es so heißt und wahrscheinlich auch nicht so locker zu lesen ist – ein klares Aufgaben- und Qua­lifikationsprofil für die Bildungsdirektoren und -direktorinnen fest. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Und die sind jetzt ganz fern von der Parteipolitik dort?)

Die Position wird nach gesetzlichen Vorgaben ausgeschrieben, abermals erfolgt die Auswahl in selbstständigen und unabhängigen Begutachtungskommissionen. Die Be­gutachtungskommissionen stellen die Eignung der Kandidaten fest, der Landeshaupt­mann, die Landeshauptfrau schlägt dann etwas vor, und der jeweils zuständige Fach­minister wählt aus.

Sie können natürlich sagen, alles ist immer Parteipolitik, aber ich kann Ihnen sagen, schauen Sie doch genauer hin! (Abg. Meinl-Reisinger: Schauen Sie doch genauer hin!) Es hat sich seit dem Jahr 2018 – das ist vielleicht für Sie eine noch zu kurze Be­obachtungszeit – etwas deutlich verändert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ähnlich wie die Besetzung der leitenden Positionen in den Bildungsdirektionen gibt es Schulqualitätsmanagement auch bei den Lehrern selbst. Sie wissen ja, wie heute Leh­rer bestellt werden: Die können sich bewerben, und die Schuldirektoren bekommen ei­ne Auswahlmöglichkeit, welche Lehrer und Lehrerinnen am besten zu ihrer Schule passen. Das ist doch ein Schritt in die von Ihnen geforderte Autonomie! Warum haben Sie das in Ihrem Referat gar nicht erwähnt, sondern einen Bestellvorgang erwähnt, der gar nicht mehr aktiv ist?


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Ich stimme Ihnen dennoch bei Ihrer Dringlichen Anfrage grundsätzlich zu: Die Partei­politik muss zurückgedrängt werden und das Bildungssystem soll und muss dem par­teipolitischen Zugriff entzogen werden. Ich ersuche Sie aber auch, die gesetzten Schritte, die es gibt, zur Kenntnis zu nehmen. Ich ersuche Sie dann auch um Zustim­mung, wenn wir die Hochschulräte der Pädagogischen Hochschulen, die ja derzeit sehr stark parteipolitisch und interessenpolitisch zusammengesetzt sind, verändern wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch stimme ich Ihrer Anfrage dahin gehend zu, vor der Problematik eines Bildungs­systems in einer pluralistischen Gegenwartsgesellschaft nicht die Augen zu verschlie­ßen. Der Tätigkeitsbericht und das Buch der Ombudsfrau liefern dafür wichtige Anre­gungen. Wir haben, glaube ich, schon vieles davon im Regierungsprogramm aufge­griffen.

Wir haben dies definiert, ohne auf die Veröffentlichung des Buches zu warten, denn die Verhandler und Verhandlerinnen wussten auch, wovon sie sprachen. Bei der Beant­wortung der Frage werde ich dann vielleicht nochmals darauf zurückkommen.

Nun darf ich zu der konkreten Beantwortung Ihrer Fragen, 21 sind es an der Zahl, kom­men. Ich wiederhole nicht die Fragestellung, sondern immer nur die Nummer. Mich hat das am Anfang etwas irritiert, aber wenn Sie den Zettel haben, können Sie die Ant­worten natürlich leicht den entsprechenden Fragen zuordnen.

Zur Frage 1:

Mit der Einrichtung der Bildungsdirektionen mit 1. Jänner 2019 wurde ein wichtiger Schritt zur Entpolitisierung des Schulsystems gesetzt, indem die starke politische Füh­rung der früheren Landesschulräte durch klare Verwaltungsstrukturen ersetzt wurde.

Seit der Donaumonarchie wurden die Landesschulräte von politisch besetzten amts­führenden Präsidentinnen und Präsidenten geleitet, und alle wichtigen Entscheidungen wie zum Beispiel die Bestellung von Schulleitern erfolgte durch die gleichfalls politisch zusammengesetzten Kollegien.

Dieses hochgradig politisierte Modell dieser Kollegien gehört der Vergangenheit an. Damit haben wir die Chance, Parteipolitik in unserem Schulsystem Schritt für Schritt zurückzudrängen. Sie können mir glauben, ich möchte diese Chancen wahrnehmen und werde alles Notwendige dafür tun.

Klar ist aber auch, dass wir uns damit in einer tief verwurzelten Frage von Kultur oder besser gesagt Unkultur befinden, die sich diesbezüglich über viele Jahrzehnte im Sys­tem etabliert hat. (Abg. Meinl-Reisinger: ... SPÖ und ÖVP noch in der Koalition ...!) Wir brauchen einen langen Atem, und das war auch für mich ein Grund, das Amt noch­mals anzutreten, denn ich bin bereit, mit langem Atem an der Entpolitisierung unseres Schulsystems zu arbeiten. Da würde es mich sehr freuen, mit den Oppositionsparteien gemeinsam und auch auf einer sachlich fundierten Basis arbeiten zu können.

Zur Frage 2:

Im Regierungsprogramm wurde eine Pilotierung an 100 ausgewählten Schulen in ganz Österreich vereinbart, um die Unterstützung von Schulen mit besonderen Herausforde­rungen auf Basis eines Chancen- und Entwicklungsindex zu erproben und entspre­chende Erfahrungen zu sammeln, bevor ein flächendeckendes Modell umgesetzt wird.

Im Regierungsprogramm ist gleichfalls vereinbart, dass die betroffenen Schulen ihre spezifischen Herausforderungen, Lösungsvorschläge, finanziellen Erfordernisse und angestrebten Bildungserfolge darlegen sollen. Es kann ja nicht so schwierig sein (Abg. Meinl-Reisinger: Na eben!), dies darzustellen, auch auf Papier, damit man das nach­vollziehen kann, was eine Schule machen möchte. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben einmal 500 definiert! Wieso müssen Sie jetzt 100 ...! Warum ist das so kompliziert?!)


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Der Chancen- und Entwicklungsindex wird ein Element dieser Pilotierung sein. Das zweite in meinen Augen mindestens ebenso wichtige Element werden so etwas wie in­dividuelle Schulentwicklungspläne sein – das ist im Regierungsprogramm vorgese­hen –, und die werden dann für die schulautonome Umsetzung eine wichtige Grundla­ge sein.

Das Regierungsprogramm sieht eine zügige Umsetzung des Projekts vor; entspre­chende Schritte wurden eingeleitet. Ich bitte um Verständnis dafür, dass vor Budgetge­sprächen mit dem Finanzminister und dem Beschluss des Budgets die von Ihnen ge­stellte Frage nach den Mitteln nicht beantwortet wird.

Zur Frage 3:

Vieles, was im Bildungsreformgesetz 2017 beschlossen wurde, ist noch gar nicht breit in der Fläche angekommen, wie zum Beispiel die flexible zeitliche Gestaltung der Un­terrichtseinheiten oder auch die flexible Gestaltung von Klassen- und Gruppengrößen. Auch die Auswahl der LehrerInnen durch die Schulleitungen ist keineswegs zur Rou­tine geworden, wie ich auch vorhin von Ihnen vernommen habe.

Mit dem Pädagogik-Paket sind weitere Schritte zur autonomen Gestaltung, speziell im Bereich der Mittelschule, erfolgt. Auch diese Maßnahmen sind noch nicht im System implementiert. Ich denke, man muss den Schulen auch ein klein wenig Zeit geben, um die bereits beschlossenen gesetzlichen Maßnahmen umzusetzen, bevor wir neue The­men in die Schulen hineintragen. Es gibt auch so etwas wie eine gewisse Reformmü­digkeit draußen vor Ort. Es wird unter anderem gerade an der Überführung zahlreicher Schulversuche gearbeitet. Das gilt auch für die Lehrpläne.

Zur Frage 4:

Die Aufgabe der Ombudsstelle besteht darin, die Problemlagen bei Wertefragen, Kul­turkonflikten an österreichischen Schulstandorten zu erheben, die Anliegen von Schü­lerInnen, Lehrkräften und Eltern zu den Themen inhaltlich aufzugreifen und ein ent­sprechendes Forum für den Austausch mit den Betroffenen zu schaffen.

Um den Austausch mit Schülerinnen und Schülern, Lehrern und Lehrerinnen sowie El­tern zu institutionalisieren, ist vorgesehen, dass die Leitung der Ombudsstelle auch re­gelmäßig Parteienverkehr im Ressort sowie in den Bildungsdirektionen durchführt. Ebenso ist die regelmäßige Durchführung von Besuchen von Schulstandorten und sonstigen Bildungseinrichtungen, aber auch die Auseinandersetzung mit konkreten Konfliktsituationen vor Ort vorgesehen.

Zur Frage 5:

Ich bin im Herbst 2018 an Frau Wiesinger mit der Frage herangetreten, ob sie die Rolle einer Ombudsfrau übernehmen würde. Sie hat mir auch zu verstehen gegeben, dass ihr eine externe Beratung in Fragen der Kommunikation, der Öffentlichkeitsarbeit und der Organisation wichtig sei. Ein von den Strukturen des Hauses unabhängiger Auftritt in der Öffentlichkeit sollte auch dadurch sichergestellt werden. Der Vorschlag einer ex­ternen Beratung wurde von Frau Wiesinger bereits vor ihrem Amtsantritt angesprochen und nicht beeinsprucht.

Im Zuge der Zusammenarbeit mit Frau Glück wurde zu keinem Zeitpunkt von Frau Wiesinger eine negative Rückmeldung gegeben. Frau Glück verfügt über langjährige Erfahrung in Fragen der Beratung und Kommunikation, und sie verfügt auch über um­fangreiche Kenntnisse des österreichischen Bildungssystems.

Zur Frage 6:

Frau Susanne Wiesinger war über viele Jahre als Lehrerin tätig. Die Übernahme der Funktion einer Ombudsfrau bedeutete für sie auch einen Rollenwechsel. Durch die mit


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ihr abgestimmte externe Beratung sollte sie in der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Auf­gaben als Ombudsfrau und dem damit verbundenen Rollenwechsel unterstützt werden.

Zur Frage 7:

Die Bestimmungen im Hinblick auf Ausschreibungen ergeben sich aus dem Bundes­vergaberecht. Diese wurden und werden selbstverständlich eingehalten. Nachdem die im Gesetz definierten Wertgrenzen nicht überschritten wurden, war eine Ausschrei­bung nicht erforderlich.

Zur Frage 9:

Die Frage 9 - - (Ruf bei der SPÖ: Und was ist mit Frage 8?) – Zur Frage 8 möge mir vielleicht mein Büro die entsprechende Antwort geben. Darf ich darauf noch einmal zu­rückkommen? (Ruf bei der SPÖ: Da kann ich Ihnen helfen! Die Kosten der Frau Glück!)

Zur Frage 9, zu den Treffen:

Bereits ab Spätherbst 2018 wurden in Abstimmung mit Frau Wiesinger erste Überle­gungen hinsichtlich einer Konzipierung der Ombudsstelle angestellt. Erst als das Kon­zept in Abstimmung mit Frau Wiesinger vorlag, wurde der schriftliche Vertrag abge­schlossen und die investierte Arbeit darin berücksichtigt. Neben der Konzipierung wur­de Heidi Glück auch mit der Durchführung der externen Beratung, Unterstützung be­auftragt. Das umfasste neben dem direkten Kontakt mit Frau Wiesinger auch die Rück­sprache mit dem Kabinett und dem Haus sowie weitere Tätigkeiten. Dieser Aufwand im Ausmaß von 284 Stunden ist mit Ende 2019 bezahlt worden. Der Gesamtbetrag belief sich auf 46 200 Euro.

Ich sehe, die Frage 8 und die Frage 9 wurden zusammengezogen.

Zur Frage 10:

Die Beiziehung externer Berater ist im Rahmen des öffentlichen Dienstes üblich und entspricht der gängigen Verwaltungspraxis. Sie erfolgt in den verschiedensten Berei­chen, so etwa unter anderem bei der Begleitung von Prozessen oder bei Coachings. Im konkreten Fall wurde auf diese Weise auch dem Wunsch von Frau Wiesinger nach­gekommen.

Zur Frage 11:

Die Einrichtung der Ombudsstelle wurde aus dem laufenden Personalaufwand der Zentralstelle bedeckt. Die Reisekosten beliefen sich auf insgesamt 3 000 Euro.

Zur Frage 12:

Im Zuge der Gespräche mit Frau Wiesinger über die Einrichtung einer Ombudsstelle Ende 2018 und im Zuge ihres Amtsantritts hat sie klargestellt, dass sie nach einer bestimmten Zeit als Lehrerin an eine Schule zurückkehren möchte. Als Zeitpunkt dafür war mit Frau Wiesinger noch vor Bekanntwerden des Buches einvernehmlich Feb­ruar 2020 vereinbart. Im Zuge des Bekanntwerdens des Buchprojektes hat Frau Wie­singer am letzten Wochenende zu verstehen gegeben, dass sie ihre Tätigkeit als Om­budsfrau zeitnah, also noch vor Ablauf der vereinbarten Frist beenden möchte. Dazu gab es am Montag ein klärendes Gespräch mit Frau Wiesinger, in dem man sich ein­vernehmlich auf eine Dienstfreistellung verständigte.

Zur Frage 13:

Grundsätzlich lassen sich nach interner Rücksprache aus der Vorgehensweise von Frau Wiesinger Fragen zur Informationspflicht des Dienstgebers, zur Einhaltung von Dienstpflichten und Fragen hinsichtlich Nebenbeschäftigung ableiten. Ich habe aber bereits klargestellt, dass es vonseiten unseres Hauses keine wie auch immer gearteten Untersuchungen oder Verfahren geben wird.


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Zur Frage 14:

Keine. – Ich hoffe, die Zuschauer wissen, warum ich hier „keine“ sage. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie könnten es ja auch vorlesen!)

Zur Frage 15, zur Kommunikation mit dem Bundesminister:

Während meiner Amtszeit und während der Amtszeit meiner Nachfolgerin, Frau Bun­desministerin Iris Rauskala, gab es punktuell persönliche Termine mit Frau Wiesinger. Kontakte mit dem Kabinett erfolgten hauptsächlich auf schriftlichem und telefonischem Weg.

Zur Frage 16:

Es wurde eine Bestandsaufnahme mit den Ergebnissen aus den Gesprächen, die die Ombudsfrau geführt hat, mit Lösungsvorschlägen und abgeleiteten Maßnahmen erwar­tet. Nein, es wurden keine Themen ausgespart.

Zur Frage 17:

Das kann ich leider nicht sagen. Frau Wiesinger nahm ihre Tätigkeit als Ombudsfrau im Februar 2019 auf. Meine Tätigkeit als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung endete am 3.6.2019. Danach war bis Anfang dieses Jahres bekannterma­ßen eine Übergangsregierung im Amt. Vorgaben wurden weder von mir noch von mei­ner Amtsvorgängerin gemacht.

Zur Frage 18:

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Kabinett Bildungsagenden betreuen, hat­ten mit ihr unregelmäßig oder vereinzelt Kontakt.

Zur Frage 19 – schwierige Frage –:

Wenn ich die bildungspolitischen Debatten im Nationalrat verfolge und auch angesichts der heutigen Dringlichen Anfrage an mich, kann ich den Standpunkt meines General­sekretärs durchaus nachvollziehen, wenn er meint, dass Bildungspolitik immer auch Parteipolitik sei. (Beifall des Abg. Taschner.) Generalsekretär Netzer hat mich infor­miert, dass er in dem „ZIB“-Interview die parteipolitischen Zugänge des politischen Dis­kurses angesprochen hat – die parteipolitischen Zugänge des politischen Diskurses – und dass seine Sicht auf die Ebene der Verwaltung und der einzelnen Schulen in der Kürze des Interviews nicht ausreichend dargelegt wurde. Dass Parteipolitik auf dieser inhaltlichen und Verwaltungsebene nichts verloren hat, steht für ihn und auch für mich außer Frage.

Zur Frage 20:

Viele Experten und Expertinnen, aber auch Praktikerinnen und Praktiker unterstützen jenes Modell des Ethikunterrichts, über das wir im Rahmen der Regierungsverhand­lungen Einvernehmen erzielt haben. Im Rahmen des demokratischen Diskurses erken­ne ich an, dass es klarerweise auch andere Meinungen dazu gibt.

Zur Frage 21, a. bis w. – ich fasse das zusammen –:

Ich kann Ihnen versichern, dass diese Regierung all diese Punkte, die Sie adressiert haben, aufgreifen wird. Das Regierungsprogramm umfasst im Kapitel Bildung und im Kapitel Integration eine Vielzahl von Maßnahmen, die darauf abzielen, Lösungen für die von Ihnen angeführten Themen zu erarbeiten.

Daneben wird an vielem im Ministerium bereits mit Hochdruck gearbeitet. Vielleicht können wir die Umsetzung Ihrer Punkte einmal in einem anderen Rahmen als dem einer Dringlichen Anfrage diskutieren. Sie wissen, wir haben das 100-Schulen-Pro­gramm, Supportpersonal, Elementarpädagogik in unserem Regierungsprogramm hoch-


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prioritär gereiht, und das sind, glaube ich, auch Themen, die Sie und das Parlament hier interessieren werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass die Redezeit pro Abgeordneten 10 Minuten und für jeden Klub 25 Minuten beträgt.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. Ich darf ihr das Wort erteilen.


17.19.49

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Herzlich willkommen, liebe Zuschauerin­nen und Zuschauer! Ich habe immer wieder die Hoffnung – ich bin ja noch nicht so lan­ge in diesem Hohen Haus –, dass hier gut, inhaltlich gesprochen wird; die Antworten von Ihnen, Herr Minister Faßmann, sind mir ein bisschen zu wenig. (Abg. Haubner: Waren sehr gut!) – Ja, das kann ich mir schon vorstellen, dass Sie das so sehen – ich sehe es nicht so.

Ich finde, die Antworten, die Sie gegeben haben, zeigen einmal mehr, dass Sie, die Regierung beziehungsweise die beiden Fraktionen, sich nicht einmal Gedanken darü­ber gemacht haben, wie unsere Gesellschaft zum Beispiel im Jahr 2050 ausschauen soll. (Abg. Haubner: Das ist eine Unterstellung!) – Nein! Wir reden immer nur über kleine Bereiche. Wir haben heute am Vormittag gehört, wir wollen eine offene Ge­sellschaft, Wissenschaft ist wichtig, die freie Wissenschaft und so weiter – dass Sie aber einmal ein Bild zeichnen, was unsere Kinder und Jugendlichen können sollen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haubner), damit es 2050 eine gute Gesellschaft gibt, dass sie arbeiten können (Abg. Haubner: Das wissen nur Sie!) – nein, da gibt es Wissenschafter! –, das ist nicht vorhanden, sehe ich, denn wenn Sie dieses Bild hät­ten, dann hätten Sie schon längst erkannt, dass ein gutes, modernes Bildungssystem große und vor allem viele positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft hat; dann hätten Sie nämlich schon längst diese elende Parteipolitik aus den Schulen verbannt, die nach wie vor da ist.

Sie sagen in Ihren Antworten, die Bildungsdirektionen haben sich wesentlich verän­dert – ich weiß nicht, ob Sie es wirklich glauben. (Ruf bei der ÖVP: Er weiß es!) Wir sprechen sehr viel mit Lehrerinnen und Lehrern und Schuldirektoren, die sehen das nicht so. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Grebien.)

Ich weiß nicht, ob das nur einseitig ist, aber ich habe beispielsweise gerade vor Kur­zem wieder gehört, dass eine Lehrerin der Gewerkschaft beitritt, damit sie Direktorin werden kann. Das ist im 21. Jahrhundert einfach öd, die Leute wollen das wirklich nicht! (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn Sie ein Bild hätten, dann hätten Sie nämlich schon längst Maßnahmen gesetzt, dass wirklich alle Kinder eine faire Chance auf ein gutes und selbstbestimmtes Leben haben und nicht nur ein Teil von ihnen, jene, die Sie vielleicht vertreten.

Ja, über Stil kann man natürlich streiten. Über das Buch kann man sicher streiten, aber über die Inhalte kann man nicht streiten, die stehen fest und die Fakten liegen auf dem Tisch. Ich weiß nicht, was Sie sich von Ihrer Ombudsfrau erwartet haben, als Sie sie eingestellt haben, welche Ergebnisse da kommen sollten. Sie hat ihre Arbeit sehr ernst genommen und Probleme thematisiert, aber es sind Probleme, die wir alle schon längst kennen; sie hat sie nur aufgeschrieben, und das liegt jetzt schwarz auf weiß da – was, finde ich, noch einmal eine andere Dimension hat, wenn etwas einfach da­liegt, man es nachlesen kann und nicht nur hört.


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Sie sagen, wir müssen ins Handeln kommen, die Ombudsstelle oder die Ombudsfrau hat nur verschiedene Meinungen eingeholt und wenige Lösungsvorschläge gebracht. – Ja, das kann schon sein, das ist natürlich keine quantitative Studie gewesen, die die Ombudsfrau gemacht hat, sondern sie hat qualitative Gespräche geführt, aber für die quantitativen Ergebnisse gibt es seit langem BildungsexpertInnen, Bildungswissen­schafter, die ganz genau diese Punkte darlegen und belegen können. Da verstehe ich nicht, dass Sie sagen, es gibt keinen Inhalt. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe lange in der Organisationsentwicklung gearbeitet und mit großen Unterneh­men große Veränderungsprozesse gemacht. Das Bildungssystem wäre ein solch gro­ßer Veränderungsprozess. Nachdem ich nicht nur hier stehen und Ihnen sagen möch­te, was im Argen liegt, möchte ich Ihnen auch Lösungen mitgeben.

Was braucht es für einen guten, gelungenen Veränderungsprozess? – Zum Ersten braucht es Mut – Mut, dass derjenige, der entscheiden kann, das erkennt und sagt: Wir haben hier ein Thema, wir müssen das angehen! Das wäre zum Beispiel auch der Mut, dass die Parteien sagen, sie schauen jetzt einmal über den parteipolitischen Tellerrand hinaus. Das mag vielleicht am Anfang ein bisserl wehtun, wenn man keine Posten mehr besetzen kann, aber man wird sich daran gewöhnen, und Sie werden sehen, die Qualität des Systems wird sich deutlich verbessern. (Beifall bei den NEOS. – Zwi­schenruf der Abg. Steinacker.)

Der zweite Schritt für einen gelungenen Veränderungsprozess ist Vertrauen. Haben Sie doch Vertrauen in Ihr Lehrpersonal, in die Leute, die in diesem System arbeiten! Die können alle etwas, die muss man nicht immer nur an der Hand nehmen und sie von oben hinunter mit Erlässen und mit sonstigen Schriftstücken zuschütten, die dann über verschiedene Ebenen gespielt werden. Natürlich gab es eine Reform, aber de facto heißen die Bezirksschulinspektoren jetzt halt Qualitätsmanager. (Abg. Stein­acker – mit der Handfläche nach unten deutend –: Nicht immer nur runter! Sie war richtig, die Reform!) Es gibt nach wie vor genügend Ebenen, die da durchlaufen wer­den, bis es ankommt. Erfolgreiche Bildungssysteme haben zum Beispiel meistens fla­che Hierarchien. Das würde ich Ihnen mitgeben, darüber einmal nachzudenken. (Abg. Steinacker: Natürlich gab es eine Reform, genau deswegen!)

Der dritte Schritt für ein solches Projekt ist Autonomie. Nicht nur Frau Wiesinger zeigt, dass gute Beispiele im autonomen Schulbereich erfolgen, sondern das sagen auch Ex­perten. Die Deutschförderung ist zum Beispiel ein guter Bereich, wo man sehen kann, es funktioniert auch, wenn Sie nicht vorgeben, dass es jetzt Deutschklassen geben muss, sondern wenn die Schule sagen kann: Dort machen wir es so, und da machen wir es so!

Was das Supportpersonal betrifft, haben Sie angesprochen, dass Sie da Maßnahmen setzen – da frage ich mich schon, warum es zum Beispiel in der Steiermark gerade ei­nen Aufschrei gegeben hat, dass Sozialarbeiter gestrichen wurden. Mir haben Schüler eine Unterschriftensammlung dazu übermittelt. Ihre Kollegin Bogner-Strauß sagt: Es ist eh nicht so schlimm in der Steiermark, es kommen nur 1 100 Schüler auf einen So­zialarbeiter, während es in Wien 2 500 sind. – Ja, man kann immer nach unten nivel­lieren, das ist schön, aber unser Ziel ist das nicht. (Beifall bei den NEOS.)

Ich muss jetzt leider zum Ende meiner Ausführungen kommen, das tut mir wirklich leid, denn ich hätte noch viel zu sagen. Dieser Tätigkeitsbericht ist, finde ich, eine Steilvor­lage dafür, dass Sie etwas tun können. Ich finde, es ist alles aufgelistet, was in diesem Bereich zu tun ist. Wir NEOS sind schon immer bereit dafür, da auch in einen Diskurs zu gehen. Ich freue mich, wenn das zustande kommt, und vor allem, wenn da überpar­teilich und vor allem auch mit Expertinnen und Experten aus den entsprechenden Be­reichen etwas weitergebracht wird. (Beifall bei den NEOS.)

17.27



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 151

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Salz­mann. – Bitte.


17.27.58

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie, aber auch daheim vor den Fernsehgeräten! Lie­be Frau Kollegin Meinl-Reisinger und liebe Frau Kollegin Künsberg, so krank, wie Sie die Schule reden, ist unsere Schule Gott sei Dank nicht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich rede auch mit vielen Lehrerinnen und Lehrern und ich stehe seit 30 Jahren in der Klasse, ich weiß es einfach aus vielen Erfahrungen, ohne dass ich Interviews führen muss: Ich kann Ihnen versichern, in unseren Schulen in Österreich werden keinem Kind die Flügel gebrochen, ganz im Gegenteil. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich tagtäglich, wirklich eine ganz gute, ausge­zeichnete Arbeit zu machen. (Abg. Meinl-Reisinger: Habe ich gesagt!) Wir versuchen, jedem Kind gerecht zu werden, und ich bitte Sie, das nicht schlechtzureden! (Abg. Meinl-Reisinger: Haben Sie nicht zugehört?) – Ja, ich habe Ihnen zugehört, und gera­de deshalb kommt diese Replik. (Abg. Meinl-Reisinger: Haben Sie gehört, dass ich gesagt habe, wie toll unsere Lehrerinnen und Lehrer arbeiten?)

Das erste Buch von Susanne Wiesinger zeigt Probleme auf, die da waren und die wir bereits mit 2017 beginnend anzugehen versucht haben. Susanne Wiesinger ist eine ehemalige sozialistische, sozialdemokratische Lehrervertreterin, die die Missstände vor allem in den Brennpunktschulen im Wiener Zentralraum aufzeigt. Sie prangert das Ver­tuschen an, sie prangert das Wegschauen der Wiener Behörden an (Abg. Meinl-Rei­singer: Nicht nur der Wiener Behörden! Sie sind blind auf einem Auge!), und das zu Recht, weil es wirklich massive Probleme gegeben hat und nach wie vor noch gibt. Frau Meinl-Reisinger, Sie werden mir aber zugestehen: Probleme, die sich über Jahre hinweg aufgebaut haben, kann man nicht mit einem Federstrich in einem oder zwei Jahren beheben; das geht nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Herr Minister Faßmann, Sie haben Susanne Wiesinger dann als Ombudsfrau geholt. Die Tätigkeit als Ombudsfrau wäre ja durchaus eine sehr wichtige und verantwortungs­volle, sie hat auch einen Bericht abgeliefert; nur der nächste Schritt, der aus meiner Sicht als Lehrerin ganz klar zu tun wäre, ist, im Gespräch lösungsorientierte Ansätze und Weiterentwicklungen in der Bildung, in den Schulen zu projizieren. Das aber fehlt mir, und da bin ich als Lehrerin wirklich - - (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist sein Job und nicht der Job der Frau Wiesinger!) – Das gemeinsam mit dem Minister zu entwickeln, Frau Meinl-Reisinger; das werden Sie mir zugestehen! Da bin ich als Lehrerin einfach enttäuscht, das kann ich Ihnen so sagen. (Abg. Meinl-Reisinger – ihren Sitzplatz ver­lassend –: Jetzt gehe ich!)

Ich möchte nun auf die evidenzbasierte Argumentation eingehen – Frau Meinl-Reisin­ger, Sie wollen es nicht hören! – und möchte das an drei Punkten festmachen und die­se herausgreifen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Erstens, die Unterrichtssprache: Wir wissen alle, dass das Nichtbeherrschen der Unter­richtssprache letztendlich auch den Bildungserfolg hemmt. Uns ist es wichtig, wirklich allen Schülerinnen und Schülern einen guten, gerechten und erfolgreichen Bildungs­weg zu ermöglichen. Dafür ist es notwendig, dass wir den Schülerinnen und Schülern wirklich die Möglichkeit geben, bereits vor Eintritt in die Schule der deutschen Sprache, der Unterrichtssprache, mächtig zu sein, und zwar so weit, dass sie dem Unterricht wirklich ausreichend folgen können. Ich habe als Klassenvorstand etliche fremdspra­chige Schüler, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, in meinen Klassen gehabt, und ich kann Ihnen sagen: Die sind dadurch wirklich gehemmt. Wir haben immer ver­sucht, diesen Schülerinnen und Schülern zu helfen.


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Ein zweiter Punkt: Der fehlende Bildungserfolg zeigt sich in der Arbeitsplatzsituation. Betrachtet man die Ergebnisse aus dem Jahr 2018 betreffend die 25- bis 34-Jährigen, so zeigt sich zum Beispiel, dass in Salzburg – meinem Heimatbundesland – 12,4 Pro­zent arbeitslos sind. In Niederösterreich sind es 14,3 Prozent, in Wien sind es 26,6 Pro­zent. Die Rückschlüsse daraus können Sie selber ziehen.

Ich möchte in dieser evidenzbasierten Analyse aber auch ganz bewusst einen positi­ven Kontrapunkt setzen, gerade deshalb, meine Damen und Herren, weil unsere Leh­rerinnen und Lehrer tagtäglich einen ganz wesentlichen und guten Beitrag dazu leisten, dass in unseren Schulen die Schüler auch wirklich sehr viel für ihr Leben mitbekom­men.

Es gab eine Untersuchung betreffend 15-Jährige mit Migrationshintergrund in den OECD-Staaten, und es ist ermittelt worden, welche der OECD-Staaten betreffend 15-Jährige mit Migrationshintergrund den größten Rückstand aufweisen. Unter diesen fünf Staaten ist Finnland – mit dem größten Rückstand –, das Sie als Paradeland positiv hervorhe­ben, ebenso darunter sind Island und Schweden. Spannenderweise sind diese drei Länder, die da so schlecht abschneiden, eben auch die gepriesenen Gesamtschullän­der. Ich möchte noch dazusagen: Finnland hat noch nicht die Probleme mit der Migra­tion, wie wir sie in Österreich haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Wir wollen einen gerechten und erfolgreichen Bildungsweg für alle Schülerinnen und Schüler in Österreich. Herr Bundesminister Faßmann, 2017 sind Sie angetreten und haben diesen Befund, diese Fakten ganz bewusst wahrge­nommen, haben hingeschaut und haben Lösungen gesucht und entwickelt. Diese Lö­sungen finden sich nun in der Weiterentwicklung, in der Fortschreibung auch im Regie­rungsprogramm, das zwischen Türkis und Grün sehr gut entwickelt worden ist.

Ich nenne nur einige Punkte: Es ist die Sprachförderung, die vor allem auch im ele­mentarpädagogischen Bereich noch wesentlich gestärkt wird, ein ganz wichtiger Punkt. Die Deutschförderklassen wollen wir beibehalten und mithilfe der Evaluation weiterent­wickeln. Wir führen die Bildungspflicht ein. Uns ist es wichtig, auch die Mittlere Reife festzustellen, die Schülerinnen und Schüler sollen ausreichend lesen, rechnen und schreiben können, wenn sie die Schule verlassen. (Abg. Leichtfried – auf das schon länger rot leuchtende Lämpchen am Rednerpult deutend –: Was ist eigentlich mit der Redezeit?) Ich darf auch den Ethikunterricht erwähnen. Der Ethikunterricht als ver­pflichtendes Ersatzfach liefert einen wesentlichen Beitrag für die Wertevermittlung, für die Toleranz und den Respekt und fördert auch ein gutes Schulklima.

Wir stehen für echte und evidenzbasierte Lösungen, und uns – das hat Minister Faß­mann vielfach gezeigt – ist der Dialog mit den Expertinnen und Experten, das sind vor allem die Lehrerinnen und Lehrer, die tagtäglich in den Schulen stehen und einen her­vorragenden Dienst leisten, wesentlich. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmans­dorff.) Somit sind wir auf einem guten Weg. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

17.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Hammerschmid. – Bitte.


17.35.15

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zu­schauer! Ich bin gerade ein bisschen sprachlos aufgrund der Rede meiner Kollegin Salzmann (Abg. Hörl: ... gute Rede! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), denn wenn es so wäre (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS), dass die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler, die Expertinnen und Experten, die täglich in der Praxis stehen, auch gehört werden, dann hätten wir, glaube ich, ein anderes Bild. Wir


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haben das in der letzten Regierungsperiode mit Schwarz-Blau ganz anders erlebt: Da gab es ExpertInnenhearings, die vom Tisch gewischt wurden – wo sich nicht einmal ein Beistrich geändert hat –, auf die nicht einmal verwiesen wurde. Die Vergangenheit lässt also etwas anderes vermuten.

Aber zurück zu dieser Diskussion: Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten gelten zwei starke Prämissen, um Bildungspolitik gelingen zu lassen. Die eine ist schlichtweg Chancengerechtigkeit für jedes Kind, also dass jedes Kind wirklich die Bildung bekommt, die es verdient, die seinen Potenzialen und Talenten entspricht. Wir wissen, dass wir da noch gewaltigen Nachholbedarf haben. Die Zweite ist: Jedem Kind alles zutrauen. Sie haben es in Ihrer Anfrage (in Richtung Meinl-Reisinger) so schön formuliert: dass in jedem Kind etwas „Großes steckt“. – Ja genau, in jedem Kind steckt etwas Großes, das sehen wir auch so. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Gute Bildungspolitik muss deshalb das Kind in den Mittelpunkt stellen und dement­sprechend auch vom Kind aus gedacht werden. Besonders in Zeiten wie diesen, in de­nen die Herausforderungen in unserer Gesellschaft, in unserer Arbeits- und Lebens­welt gewaltige sind, in denen wir nicht wissen, wie diese Arbeits- und Berufswelten in zehn oder zwanzig Jahren ausschauen – das ist die Realität, wenn wir an Digitalisie­rung, künstliche Intelligenz et cetera denken –, wissen wir nicht, was kommt.

Was heißt das für die Bildungspolitik in unserem Land? Wie stärken wir unsere jungen Menschen, damit sie diesen Herausforderungen auch gewachsen sind? Es erfordert modernste Pädagogik zur Vermittlung von Wissen und von Kompetenzen, die unsere Kinder zukunftsfit machen, und nicht ideologisch gefärbte Debatten. Sie wissen alle, dass ich Sie zu einem Bildungskonvent zur Erarbeitung von Bildungszielen eingeladen habe, um den Weg dorthin über Parteigrenzen und über Legislaturperioden hinweg einmal außer Streit zu stellen. Eine Antwort habe ich von den NEOS bekommen – Danke dafür! –, von allen anderen noch nicht.

Moderne Pädagogik gelingt dann, wenn die Schulen und die PädagogInnen die not­wendigen Ressourcen haben und Autonomie in der Gestaltung modernster Pädagogik, wenn sie die wissenschaftlichen Grundlagen bekommen, wie sie den Unterricht orga­nisieren können, wie sie die Stärken und Potenziale unserer Kinder in den Mittelpunkt stellen und diese auch adressieren können. Der Frontalunterricht, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen, hat meiner Meinung nach ausgedient, denn er adressiert diese Herausforderungen nicht in ausreichendem Maße. Das heißt, umfassende pädagogi­sche Autonomie erlaubt es, anders zu unterrichten, erlaubt es, die Probleme in den Mittelpunkt zu stellen, die Kreativität in den Mittelpunkt zu stellen, die Potenziale zu fördern und die Kompetenzen zu adressieren, die da beispielsweise heißen: Teamfä­higkeit, Selbstorganisation oder Selbstwirksamkeit – und das organisiert über Projekte und themenspezifischen Unterricht. Das ist etwas ganz anderes. Dorthin muss die Ge­staltung gehen. Da ist aber der Lehrer nicht mehr der Lehrer, der frontal Vortragende, sondern der Coach, der Mentor und Begleiter.

Wenn Sie nun, Herr Minister, sagen, dass die Wissenschaft sich nicht überall einmi­schen soll – insbesondere im Bildungsbereich –, dann stimmt mich das wirklich traurig. (Bundesminister Faßmann: Max Weber!) Dass Sie auf die Vorschläge, die von Frau Wiesinger kommen, irritiert reagieren, von Anpatzung und von einem Maulwurf spre­chen – das betrifft vielleicht nicht Sie, aber Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Mi­nisterium, im Wesentlichen Frau Glück –, stimmt mich wirklich traurig, denn Sie und wir alle sollten gemeinsam darüber nachdenken, was denn von den Praktikern aus der täglichen Schulpraxis zurückkommt, was uns als PolitikerInnen mitgegeben wird und worüber wir nachdenken sollten. Auf wen hören Sie, Herr Bundesminister? Wen neh­men Sie ernst? Diese Frage kann ich Ihnen nicht ersparen.


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Offensichtlich scheint es so zu sein, dass sich im Ministerium doch einiges verändert hat, zumindest in Ihrem Kabinett. Das ist ganz sicher so – es sind ja auch andere Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter dort tätig –, denn wissenschaftliche Erkenntnisse und langjährige LehrerInnenexpertise haben dort offensichtlich nicht den entsprechenden Platz gefunden.

Jetzt stellen Sie Frau Glück Frau Wiesinger zur Seite, auf deren eigenes Bitten, wie ich heute Ihren Ausführungen entnehmen durfte; Sie geben dafür auch eine erkleckliche Summe an Geld aus. Das ist das eine. Was mich daran aber stört, ist, dass dafür das Geld da ist, dass aber für Unterstützungspersonal in den Schulen, für einen Chancen­index mit viel mehr Lehrerinnen und Lehrern, schlichtweg für gute Pädagogik das Geld nicht da ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wo bleiben in dieser Debatte die Interessen der Kinder? Wo bleibt in der Debatte der Aufschrei Ihrerseits darüber, dass es in Österreich noch immer kein zweites kostenlo­ses und verpflichtendes Kindergartenjahr gibt, obwohl die Elementarpädagogik doch eine ganz wichtige und zentrale Stellschraube im Leben eines Kindes ist? Wo bleibt der Aufschrei darüber, dass der flächendeckende Ausbau von ganztägigem Betreu­ungsangebot, sprich Kindergarten oder Schule, immer noch schleppend vorangeht? Sagen Sie nicht, das steht im Regierungsprogramm, denn dort ist es in verschwinden­der Form geparkt und mit vielen unbestimmten Bemerkungen versehen! Wo bleibt der Aufschrei darüber, dass der Bildungsabschluss eines Kindes mehr über die Herkunft des Kindes verrät als über die Talente, die das Kind – jedes Kind – hat?

Wo bleibt der Aufschrei darüber, dass SchulleiterInnen einen gemeinsamen Ethikun­terricht für alle fordern, man da aber lieber auf die Bedürfnisse der katholischen Kirche hört? Ich darf Frau Wiesinger zitieren: „Im Gegenzug betonte praktisch jeder konserva­tive Politiker, dass die Veränderungen in unserer Gesellschaft neue Antworten erfor­dern“, gerade in der Politik. „Niemand sprach sich gegen einen verpflichtenden Ethik­unterricht für alle aus. Aber man sei der katholischen Kirche und dem damaligen Koa­litionspartner FPÖ verpflichtet und dürfe daher den konfessionellen Religionsunterricht nicht schwächen.“ Dieses Argument habe ich nie verstanden, denn schließlich geht es nicht um eine Entscheidung zwischen Religionsunterricht oder Ethikunterricht, sondern um ein Nebeneinander dieser Fächer. – Ende des Zitats von Frau Wiesinger.

Deshalb unser Entschließungsantrag – und weitere werden folgen –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Ethikunterricht für alle“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat eine Novelle vorlegen, in der der der Ethikunterricht flächendeckend und verpflichtend für alle SchülerInnen ab der Sekundarstufe I (und nicht erst in der Oberstufe und nur für jene SchülerInnen, die keinen Religionsunterricht besuchen oder ohne Bekenntnis sind) umgesetzt wird.“

*****

Wie gesagt: Weitere Anträge werden folgen. Ich bitte Sie alle hier im Hohen Haus: Konzentrieren wir uns auf eine Debatte, die die Zukunftschancen unserer Kinder erhöht und in den Mittelpunkt stellt, und unterlassen wir medienwirksame Selbstinszenierun­gen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Koza.)

17.42


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß §55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen

betreffend Ethikunterricht für alle

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Be­ate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufzeigen von Miss­ständen in der österreichischen Bildungspolitik

Je rasanter sich eine Gesellschaft im globalen Kontext verändert, desto wichtiger ist es, Orientierung zu finden. Fragen zu Weltanschauungen, Grundwerten, Menschen­rechten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Normsetzungen erfordern die Fähig­keit zu differenzierten, individuellen Beurteilungen und eigenverantwortlichem, prinzi­piengeleitetem Handeln. Es geht auch um die Fähigkeit Toleranz zu entwickeln, also andere Standpunkte und Lebensweisen zu akzeptieren und andere Meinungen zu zu­lassen. Toleranz ist ein Schlüssel für eine funktionierende Demokratie.

Der Ethikunterricht soll einen Rahmen für eine qualifizierte Auseinandersetzung über diese Fragestellungen bieten und wäre auch ein Beitrag zur politischen Bildung und Entwicklung einer soliden Wertehaltung. Schule ist der geeignete Raum, um die Aus­einandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen in einem geordneten Umfeld zu führen. Das Erleben von sozialer Verantwortung, gesellschaftlichem Zusammenhalt und von zivilgesellschaftlichen Initiativen ist zu stärken. Der Ethikunterricht wirkt damit auch als wichtige Präventionsmaßnahme vor Fundamentalismus und Extremismus.

Die türkis-blaue Bundesregierung hat daher noch im März 2019 einen entsprechenden Ministerratsvortrag vorgelegt, in dem die legistische Umsetzung des verpflichtenden Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II für alle jene SchülerInnen, die keinen konfes­sionellen Religionsunterricht besuchen, bis Sommer 2019 angekündigt wurde. Die tür­kis-grüne Bundesregierung nimmt sich nun die Umsetzung der ÖVP-FPÖ Pläne vor. Im Regierungsprogramm wird dazu folgendes festgehalten:

„Den bekenntnisorientierten Religionsunterricht beibehalten und den Ethikunterricht für all jene sicherstellen, die keinen Religionsunterricht besuchen (oder ohne Bekenntnis sind).“

Warum der Ethikunterricht nur für jene SchülerInnen eingerichtet wird, die sich von Re­ligion abmelden, und nicht für alle SchülerInnen, konnte bisher sachlich nicht ausrei­chend gerechtfertigt werden. Immerhin betreffen Fragestellungen, die im Ethikunter­richt diskutiert werden sollen, alle SchülerInnen.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat eine Novelle vorlegen, in der der der Ethikunterricht flächendeckend und verpflichtend für alle SchülerInnen ab der Sekundarstufe I (und nicht erst in der Oberstufe und nur für jene SchülerInnen, die keinen Religionsunterricht besuchen oder ohne Bekenntnis sind) umgesetzt wird.“

*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte.


17.42.53

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Abgeordnete! „Das Parteibuch ist nach wie vor das wichtigste Buch in österreichischen Schulen.“ – Dieser Satz aus der Anfra­ge gefällt mir sehr gut, Frau Kollegin Meinl-Reisinger. Unsere Schulorganisation ist nach wie vor, und das seit Jahrzehnten, aufgeteilt auf Rot und Schwarz: da ein roter Direktor, dort ein schwarzer Direktor, da ein schwarzer Abteilungsleiter, dort ein roter Abteilungsleiter. Dieses System, geschätzte Damen und Herren, hat bis heute Be­stand. Es wurde nie aufgebrochen, auch wenn Sie, Herr Bundesminister, das heute an­ders dargestellt haben. Frau Wiesinger hat den Titel ihres Buches nicht umsonst so ge­wählt, wie sie ihn gewählt hat, nämlich „Machtkampf im Ministerium: Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört“.

Man verliert sich im parteipolitischen Hickhack, anstatt sich um die Bildung, um die Ausbildung unserer Kinder zu kümmern. Susanne Wiesinger zeigt in ihrem Bericht und auch in ihrem Buch auf, wo Sie handeln sollen, Herr Minister, und wo Sie handeln müs­sen. Sie berichtet auf über 130 Seiten von Lehrkräften als Opfer von Diskriminierung, sie berichtet von bewaffneten Schülern, von Zwangsheirat, von Verletzung der Fami­lienehre, von fraglichen Einstellungen islamischer Religionslehrer, von religiöser Beein­flussung des Unterrichts, und so weiter, und so weiter. Nicht nur in Wien tragen sich diese Begebenheiten zu, sondern in ganz Österreich, vom Burgenland bis nach Vor­arlberg. – Herr Bundesminister, ich glaube, Sie erkennen selbst, dass Sie handeln müs­sen und dass da Handlungsbedarf besteht.

Ich möchte aber eines hinzufügen: Herr Bundesminister, Sie haben sich mit uns Frei­heitlichen immer schwergetan, auch damals bei der Zusammenarbeit in der Koalition, denn anders ist nicht nachvollziehbar, warum Sie beispielsweise das differenzierte Schulsystem, das wir im Regierungsprogramm unter Blau-Schwarz vereinbart hatten, jetzt mehr oder weniger angreifen, indem Sie die Einführung der Mittleren Reife festge­schrieben haben. Wir sehen das differenzierte Schulsystem als die beste Möglichkeit, unsere Kinder zu fördern und zu unterstützen (Beifall bei der FPÖ – Zwischenruf der Abg. Maurer), weil dabei sowohl auf jene Schüler Rücksicht genommen wird, die mehr Unterstützung brauchen, als auch auf jene Rücksicht genommen wird, die begabt oder hochbegabt sind, und diese entsprechend gefördert werden können.

Uniforme Strukturen wie die Gesamtschule für alle Zehn- bis 14-Jährigen lehnen wir daher ab. Die Fort- und Weiterführung, der Ausbau des differenzierten Schulsystems sind unserer Meinung nach eine Notwendigkeit, das ist aber durch dieses schwarz-grü­ne Regierungsprogramm natürlich massiv in Gefahr, denn das bedeutet schlussend­lich, dass für alle Schultypen das Bildungsziel nach neun Jahren gleich ist und somit der Schritt zur Gesamt- und Einheitsschule gesetzt wird. Das schwarz-grüne Regie­rungsprogramm ist sohin ein Angriff auf das differenzierte Schulsystem, auf unsere Schulen und auf unsere Kinder. – Herr Bundesminister, bitte beenden Sie die Fortfüh­rung dieses Angriffes! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte zum Schluss noch ein Thema ansprechen, Herr Bundesminister, das erst vor wenigen Stunden durch die Tageszeitung „Österreich“ publik wurde: Es haben sich an einer Wiener Schule unglaubliche Vorgänge zugetragen; Kinder wurden ohne Ein­willigung der Eltern linksideologischen Experimenten unterzogen und missbraucht. In diesem Artikel erzählt eine Schülerin unter der Überschrift: „Kinder sollten Situation der Migranten durchleben“ unter anderem Folgendes: „,Dazu mussten wir stundenlang in Räumen sitzen, ohne dass uns erklärt worden ist, warum. Die Lehrer beantworteten


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unsere Fragen nicht, sondern gaben immer nur die gleichen einstudierten Antworten, die uns nicht halfen‘“. Weiters heißt es: „Vermutlich war der Schulleitung bewusst, wie belastend diese Situation, im Ungewissen gelassen zu werden, für die Schüler sein könnte: Die erste Klasse Unterstufe durfte in der Zwischenzeit zu einem Kino-Ausflug.“

Frau Kollegin Salzmann, Sie haben davon gesprochen, dass in österreichischen Schu­len „keinem Kind die Flügel gebrochen“ werden. – Mit solchen Vorgängen, mit solchen Inszenierungen, wie sie da passieren, werden unseren Kindern die Flügel gebrochen; dem gilt es entsprechend Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, bitte, so ein Vorfall kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ich bitte Sie, handeln Sie! Kehren Sie diesen Wahnsinn nicht unter den Teppich und ver­weigern Sie sich nicht der Realität! (Beifall bei der FPÖ.)

17.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Maurer. – Bitte.


17.48.02

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte MinisterInnen! Ich komme aus dem Stubaital, aus einem sehr kleinen Dorf. Meine Eltern waren beide im Lehrberuf. Mein Vater war Lehrer im polytechnischen Lehrgang – so hat das damals noch geheißen –, ganz zum Schluss auch Direktor einer polytechnischen Schule. Meine Mutter war Hauptschullehrerin. Ich selber war auch in der Hauptschule, weil das dort grundsätzlich so üblich war und nur sehr wenige auserwählte Kinder überhaupt aufs Gymnasium in die Stadt geschickt wurden.

Ich war eigentlich eine recht gute Schülerin – zumindest habe ich mich immer gegen Jahresende doch noch zusammengerissen – und hätte trotzdem, obwohl durchwegs in der ersten Leistungsgruppe und trotz lauter Einsern bis auf einen Zweier, fast nicht die Möglichkeit gehabt, in eine Schule zu gehen, in der ich maturieren konnte. Ich hatte noch Glück. Ich habe ganz knapp einen Platz, Platz 35 von 36, in einer HBLA in Inns­bruck erwischt. Viele meiner KlassenkollegInnen aus der Volksschule und aus der Hauptschule haben diese Chance nicht gehabt, deren Bildungsweg ist deutlich abge­schnitten gewesen, obwohl sie von den Leistungen her selbstverständlich gleich gut gewesen wären wie Kinder in der Stadt beziehungsweise Kinder, die auf dem Gym­nasium waren.

Wir haben grundsätzlich ein Problem in unserem Schulsystem, das regelmäßig von der OECD, von BildungswissenschafterInnen bescheinigt wird: In Österreich wird Bildung nach wie vor vererbt. Es ist kein Geheimnis, wofür wir Grüne stehen. Wir stehen dafür, dass jedes Kind, jede Schülerin, jeder Schüler, egal woher er kommt, wo er aufge­wachsen ist, im Dorf, in der Stadt, welche Erstsprache er oder sie spricht, die gleichen Chancen haben soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Um diese gleichen Chancen zu erreichen, ist es notwendig, so früh wie möglich anzu­setzen. Sie wissen, wir setzen uns ganz stark für den Ausbau der Elementarpädagogik ein, und es ist auch gelungen, im Regierungsprogramm tatsächlich einen deutlichen Ausbau der bereits bestehenden 15a-Vereinbarung – das bedeutet, das Geld kommt schnell – zu erreichen. Wir haben eine Ausbildungsoffensive in diesem Bereich er­reicht. Wir haben auch, was die Ausbildung betrifft, ganz zentrale Punkte verankern können, zum Beispiel DAF/DAZ-Module, das heißt Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache, in allen pädagogischen Ausbildungen, sodass alle Lehrerinnen und Lehrer im Grunde einmal gehört und gelernt haben, wie Deutsch als Zweitsprache oder als Fremdsprache zu unterrichten ist.

Wir haben in diesem Regierungsprogramm das bereits erwähnte 100-Schulen-Pro­gramm verankert; Kollegin Hamann wird noch genauer darauf eingehen. Wir haben


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Maßnahmen wie zum Beispiel die Evaluierung des sonderpädagogischen Förderbe­darfs vorgesehen, was bedeutet, dass er angepasst werden muss, weil der Deckel nicht passt, und, und, und. Wir haben in diesem Regierungsprogramm ganz viele Maß­nahmen setzen können, die jenen Kindern, die in unserem Schulsystem benachteiligt sind, massiv weiterhelfen und zu besseren Chancen und mehr Chancengerechtigkeit verhelfen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte ein bisschen darauf eingehen, was in der Debatte rund um dieses Buch von Frau Wiesinger thematisiert worden ist, nämlich in Bezug auf die Parteipolitik: Ja, wir wissen, das ist ein Thema. Wir haben im Rahmen der Bildungsreform 2017 – Kolle­gin Sonja Hammerschmid war damals Ministerin und wird sich daran erinnern; sie ist gerade nicht im Saal, sehe ich (Abg. Kollross: Da ist sie! – Abg. Hammerschmid: Da!); ah, da ist sie – zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um betreffend die Besetzung von Posten vorwärtszukommen und eben nicht auf diesen parteipolitischen Dingen drauf­zupicken.

Wir haben damals hineinverhandelt, dass es betreffend Schulleiterinnen und Schullei­tern zu einer Entparteipolitisierung kommt, nämlich über die Beschickung der Begut­achtungskommission durch den Fachausschuss beziehungsweise über ein Hearing der Kandidaten und Kandidatinnen für die Schulleitung an den betroffenen Schulen, über die Einsicht der Schulgemeinschaftsausschüsse, der Dienststellenausschüsse, der Schulforen in die Bewerbungsunterlagen geeigneter Bewerber und Bewerberinnen, so­dass bei der Bestellung von Schulleiterinnen und Schulleitern Transparenz hergestellt wird.

Alle reden jetzt über die Ombudsstelle für Wertefragen, die Susanne Wiesinger inne­hatte. Wir Grüne haben aber damals, also schon zuvor, eine allgemeine Ombudsstelle ins Bildungsministerium hineinverhandelt, die jetzt – leider ein Jahr später als im Ge­setz vorgesehen – mit Beginn dieses Schuljahres eingerichtet wurde. Ich hoffe, dass diese Stelle in Problem- und Beschwerdefällen auch genützt wird, sodass wir Hilfestel­lung anbieten und die richtigen Schlüsse daraus ziehen können.

Wir haben damals, 2017, auch eine Ausweitung der Rechte des Ständigen Beirats der Bildungsdirektionen hineinverhandelt, die Möglichkeit einer Akteneinsicht und der Be­einflussung der Tagesordnung. Das klingt jetzt relativ lapidar, aber das ist eine deutli­che Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation, weil es eben verunmöglicht, dass so leicht Einfluss genommen werden kann.

Die Bildungsreform, die wir 2017 verhandelt haben – da waren Sie, Herr Faßmann, noch nicht dabei, das war noch mit Ihrer Vorgängerin –, ist erst jetzt in Umsetzung, und wir erhoffen uns schon sehr, dass es dadurch zu deutlichen Verbesserungen kommt.

Ganz grundsätzlich zum Buch von Frau Wiesinger: Ja, sie spricht Dinge an, die rele­vant sind, die wir seit vielen Jahren diskutieren. Es ist allerdings auch ein bisschen be­fremdlich, in welchem Ton sie das tut und wie apokalyptisch ihre Schilderungen sind. Wenn man dieses Buch liest, dann hat man das Gefühl, der Untergang des österrei­chischen Bildungssystems stehe unmittelbar bevor – sie formuliert es auch so. (Abg. Schellhorn: Ist schon!) Davon sind wir jedoch definitiv ganz weit entfernt und davon kommen wir auch mit dem Regierungsprogramm, das wir vorgelegt haben, deutlich weg. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist auch problematisch, wie dieses Buch diskutiert wird und wie die Probleme in diesem Buch geschildert werden, diskutiert werden, nämlich dass da immer recht anekdotische Evidenz angeführt wird, irgendwelche Zahlen, wo man nicht genau weiß, was die Quelle ist, keine wissenschaftliche Einordnung et cetera. Wir haben in diesem Regierungsprogramm an sehr vielen Stellen auch auf wissenschaftliche Expertise Be­zug genommen, wir haben an vielen Stellen notwendige Evaluierungen vorgesehen.


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An dieser Stelle möchte ich auch sagen, dass eine Evaluierung nicht grundsätzlich et­was ist, womit man aufschiebt, sondern es ist notwendig, Evaluierungen zu machen, um datenbasiert, empiriebasiert Politik machen zu können. Das werden wir in vielen Bereichen machen, und wir werden damit genau das Gegenteil von dem machen, was Frau Wiesinger in ihrem Buch gemacht hat, nämlich wissenschaftsbasiert und zahlen­geleitet Politik machen.

Ich stimme der von mir sehr geschätzten Bildungswissenschaftlerin Barbara Herzog-Punzenberger zu, die in der heutigen Ausgabe des „Standard“ zu Recht dafür plädiert, zurück zur sachpolitischen Debatte und weg von diesen Anekdoten zu kommen, hin zu der Bezugnahme auf die Wissenschaft; deshalb haben wir an vielen Stellen die Wis­senschaft und auch Evaluierungen verankert. Sie schreibt: „Dass mit dem Regierungs­programm hier einige Weichen gestellt wurden, die mit geeigneten Inhalten und Pro­zessen versehen, in die richtige Richtung führen könnten, nährt meine Hoffnung, dass eine Rückbesinnung auf wissenschaftliche Expertise auf der Tagesordnung steht.“ – Das ist und bleibt auch mein Anliegen, unser Anliegen, das wir gemeinsam umsetzen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Wurm: Sehr seicht! Das war jetzt sehr seicht!)

17.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstät­ter. – Bitte.


17.57.04

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und liebe Zuschauer! Bei allem Respekt, Herr Bundes­minister, das war schon patzweich – ich formuliere es hochdeutsch: patzweich –, was Sie hier gesagt haben! Wenn ich es richtig aufgeschrieben habe: Das Zurückdrängen der Parteipolitik ist so schwierig! – Meinen Sie das wirklich ernst? (Beifall bei den NEOS.)

Sie hätten sagen können: Ich will die Parteipolitik nicht zurückdrängen! Oder Sie hätten sagen können: Was soll ich sagen, meine Damen und Herren, ich erlebe es ja selber im Ministerium?! Die setzen mir da die Türkisen rein, die haben mir Leute ins Kabinett gesetzt, habe ich mir nicht aussuchen können! Ja, es ist schwierig! – Wenn Sie es so formulieren, dann glaube ich es Ihnen. (Beifall bei den NEOS.)

Und dann zu Herrn Generalsekretär Netzer: Ich habe ihn gesehen, „Bildungspolitik ist [...] Parteipolitik“, hat er gesagt. – Erklären Sie mir nicht, dass ihm das passiert ist! Alle diese Leute sind perfekt gecoacht bis zum Letzten, die sagen ja keinen Halbsatz mehr, der nicht von einer dieser Kommunikationstrainerinnen oder einem dieser Kom­munikationstrainer vorbereitet wurde. Er hat schon gewusst, was er sagt. Sie haben ei­nen Generalsekretär, der sagt, Bildungspolitik ist Parteipolitik. Damit zerstören Sie nichts, denn es ist ohnehin schon zerstört, aber Sie tun auch nichts dafür, dass es besser wird, und das ist wirklich mehr als bedauerlich. (Beifall bei den NEOS.)

Apropos perfekte Formulierungen, perfekte Inszenierungen: Sie können ja auch zuge­ben, dass da etwas schiefgelaufen ist. Da kommt eine Sozialdemokratin und schreibt ein Buch gegen die Sozialdemokraten. Na gut, bei den Türkisen sind sie ganz aufge­regt gewesen: Das werden wir verwenden, und da werden wir jetzt ein wunderbares Instrument haben, um auf die SPÖ loszugehen! – Das Blöde ist, dass diese Frau mit ihrem Kopf denkt und nicht mit ihrem Parteibuch, aber auch nicht mit Ihrem Parteibuch, und deswegen Dinge aufgeschrieben hat, betreffend die ich Sie schon fragen möchte, was denn daran falsch ist.

Seite 17: „Ob es ehemalige Gewerkschaftskollegen waren oder das Kabinett des Mi­nisters. Wenn man in Österreich politisch tätig ist“ – und dies ist man auch als Leiterin


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einer Ombudsstelle – „, muss man sich parteipolitisch irgendwo einordnen“ lassen. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist, nirgendwo zugehörig zu sein.“

Wissen Sie, warum dieser Satz: „Das Schlimmste, was passieren kann, ist“, nicht da­zuzugehören!, meiner Meinung nach so entscheidend ist? – Es ist einfach so beleidi­gend und entwürdigend für viele gut ausgebildete Menschen in diesem Land, dass sie zu irgendeinem Parteihansl, zu irgendeinem Gewerkschaftssekretär, zu irgendjeman­dem gehen und sagen müssen: Ich habe eine super Ausbildung, habe im Ausland stu­diert, weiß alles Mögliche, aber ich verneige mich, wenn ich bei Ihnen einen Job be­komme! – Wenn wir so weitermachen, dann werden wir dieses Niveau des Wohl­stands, das wir in Österreich noch immer haben, bei Weitem nicht halten können.

Frau Kollegin Maurer sagt, das Bildungssystem sei gar nicht so schlecht. – Na ja, ein Viertel der 15-Jährigen kann nicht sinnerfassend lesen und schreiben. Greta Thunberg hat gesagt, das Haus brennt. – Die Schule brennt, ja! Sie können nicht lesen und schreiben, sie verstehen nicht, worum es geht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Meinl-Reisinger: ... Bravo!)

Und Sie, was tun Sie? – Sie sagen, man muss den Türkisen beitreten, und dann wird alles wieder gut. Das ist doch das eigentliche Problem. Ich habe es ja selber erlebt. Ich habe es erlebt, als ich im ORF angefangen habe, ich habe es als Journalist erlebt: Freund, Feind – du gehörst zu uns, dann bist du dabei, du gehörst nicht zu uns, dann schau, wo du bleibst! Mit diesem politischen System werden Sie noch mehr zerstören, als Sie in dem Land schon zerstört haben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Vielleicht noch einen Satz zum Thema Integration: Ich bin kein Experte, aber ich habe im Kurier-Lernhaus doch sehr viel erlebt. Was Frau Wiesinger schreibt, finde ich sehr interessant, und ich weiß, das liest die SPÖ nicht so gerne. Es kommen so viele junge Menschen zu uns, die wahnsinnig gescheit sind, die wahnsinnig wissbegierig sind, um die sich aber keiner kümmert. Es gibt einfach zu wenige Ganztagsschulen, deswegen haben wir das Kurier-Lernhaus aufgebaut, dessen wesentlicher Punkt ist, dass Eltern ihre Kinder bringen, wenn sie ihnen nicht helfen können. In Niederösterreich, sage ich jetzt einmal dazu, haben wir dafür sogar eine Subvention, Geld bekommen, um das aufbauen zu können. Die Gemeinde Wien hat sich immer geweigert, hat gesagt, das sei eine staatliche Aufgabe. – Ja, eh, aber dann macht es bitte! Man hat es aber nicht gemacht, und es geht so viel an Qualität und an Menschlichkeit verloren. Wenn ich in dieses Lernhaus komme und dort Kinder aus der ganzen Welt sehe, die Wienerisch reden, die Deutsch reden, die gescheit sind, die engagiert sind, dann ist das nur ein ganz kleiner Ausschnitt. Es wären so viele mehr, die wir ebenfalls integrieren müssten, einfach indem wir ihnen die Chance geben, zu lernen. Wir tun es nicht, sondern wir schauen, dass die Leute bei der richtigen Partei sind.

Bitte wachen Sie endlich auf! Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Maria Theresia Niss. – Bitte.


18.02.11

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Es herrscht heute viel Aufregung im Hohen Haus: Wir hören von der Unterbindung der Meinungsfreiheit, von brennenden Schulen, davon, dass Minister Faßmann die Situation negiert.

Ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Minister Faßmann hat sich lediglich darüber irri­tiert gezeigt, dass jemand, den er beauftragt hat, Erkenntnisse zu erlangen, diese zu-


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erst in einem Buch veröffentlicht, bevor diese – wie es sich normalerweise gehören würde, glaube ich – mit dem Ministerium beziehungsweise mit dem Auftraggeber dis­kutiert werden und versucht wird, Lösungen zu finden. Ich kann diese Irritation durch­aus verstehen. Auch in Unternehmen gibt es Ungereimtheiten und Probleme, aber dort ist es Usus – das darf man sich meiner Meinung nach auch erwarten –, dass diese Probleme zuerst einmal mit dem Vorgesetzten oder mit der Geschäftsführung diskutiert werden. Das ist nicht nur besser für die Vertrauensbildung, sondern es ist vor allem auch lösungsorientierter, denn nur gemeinsam wird man etwas ändern können.

Da wir heute auch so oft gehört haben, dass wir nicht über die Inhalte des Buches reden: Was hat denn Minister Faßmann gesagt? – Er meinte, dass die Inhalte sehr wohl ihren Beitrag zum Aufzeigen von Problemen leisten. Der zugehörige Bericht wur­de ja veröffentlicht. Die Umstände, die aufgezeigt werden, sind wichtig, das bestreitet definitiv niemand – vielleicht ein bisschen die Wiener SPÖ –, und es ist auch wichtig, dass darüber gesprochen wird. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mir aber noch wichtiger ist, sind die Lösungen, und diese, meine Damen und Herren, finden Sie meiner Meinung nach (ein Schriftstück in die Höhe haltend) im Re­gierungsprogramm. Frau Wiesinger hat auf 15 Seiten – das sind rund 6 Prozent ihres Buches – Vorschläge gemacht; einige davon – ich würde einmal sagen, die guten – fin­den Sie auch in unserem Regierungsprogramm. Das Kapitel betreffend Bildung, Wis­senschaft und Forschung unseres Programms startet mit der „Stärkung der elementa­ren Bildung“. Darin geht es um die Aufwertung der Ausbildung der Pädagogen, um ei­nen flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung, um die Verbesserung des Be­treuungsschlüssels und um die Einführung des zweiten Kindergartenjahres – das ist ei­ne Forderung von Frau Wiesinger.

Der nächste Punkt: Frau Wiesinger fordert zusätzliches Unterstützungspersonal. – Dem kann ich nur zustimmen. Das steht auch auf Seite 236 des Regierungsprogram­mes: „Bereitstellung von Supportpersonal“, sowohl administrativ als auch psychosozial; außerdem eines meiner Lieblingsprojekte, nämlich das Pilotprogramm, 100 Schulen mit besonderen Herausforderungen gezielt zu unterstützen – hervorragend, vorausge­setzt, dass es eine Strategie dafür gibt, wie man den Standort weiterentwickelt. Und verzeihen Sie mir, ich bin wirklich für den Abbau von Bürokratie, aber dass man sich Gedanken darüber macht, wie man einen Standort vorwärtsbringt, wie man zusätzliche finanzielle Mittel und zusätzliche Ressourcen einsetzt, und diese Gedanken auch nie­derschreibt, das darf man, glaube ich, wohl verlangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Frau Wiesinger spricht in ihrem Bericht außerdem das unentschuldigte Fernbleiben vom Unterricht an, dass im Mai 2018 von der Regierung Maßnahmen gesetzt wurden – die NEOS haben dagegengestimmt.

Das Regierungsprogramm geht noch weiter, und es enthält zukunftsgerichtete Maß­nahmen, die Frau Wiesinger nicht im Detail beschrieben hat, die meiner Meinung nach aber doch sehr wesentlich sind. Zwei davon möchte ich erwähnen: Eine davon ist, die Lehrpläne zu modernisieren und verstärkt Financial Literacy, Wirtschaftsbildung, politi­sche Bildung und technische Bildung zu verankern. Meine Damen und Herren, das sind Kompetenzen, die meiner Meinung nach essenziell sind, um unsere Schüler auf ein selbstbestimmtes Leben und Arbeitsleben vorzubereiten. Die zweite Maßnahme ist – ein mir sehr wichtiger Punkt – die Digitalisierung in den Schulen, nämlich die Ver­mittlung von digitalen Grundkompetenzen. Dafür braucht es die Entwicklung von ent­sprechenden Konzepten, aber natürlich auch die Aus- und Fortbildung der Lehrer und die Versorgung der Schulen mit Hard- und Software. Ich gebe zu: Was diesen Bereich betrifft, hat mir die Übergangsregierung wehgetan, weil wir wertvolle Zeit verloren ha­ben. Jetzt freue ich mich auf eine raschestmögliche Umsetzung.


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Zusammenfassend: Ich glaube, unser Regierungsprogramm zeigt einen Weg auf, der die Schwachpunkte unseres Systems durchaus erkennt, hierfür Lösungen vorschlägt und somit unsere jungen Leute hoffentlich – davon bin ich überzeugt – auf ein autono­mes, erfülltes Leben und vor allem auch auf die Arbeitswelt vorbereitet.

Da wir heute am Vormittag schon so viele Zitate gehört haben: Henry Ford, ein Unter­nehmer, hat einmal gemeint: Suche nicht nach Problemen, suche nach Lösungen! – Ich denke, diese haben wir im Regierungsprogramm niedergeschrieben, und ich freue mich schon auf die gemeinsame Umsetzung, auch mit dem Ministerium. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Kuntzl. – Bitte.


18.07.24

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! In bil­dungspolitischen Diskussionen besteht – bei allem Engagement – häufig die Gefahr, dass man ein bisschen ins Technokratische abgleitet, deswegen ist immer wichtig, dass wir uns vor Augen halten, worum es wirklich geht. Es geht bei der Ausgestaltung von Bildungspolitik darum, Lebenschancen für junge Menschen zu gestalten; um es mit einem alten sozialdemokratischen Grundsatz darzustellen: kein Kind auf diesem Weg zurücklassen, egal aus welchen sozialen Verhältnissen dieses Kind kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich unterstelle einmal, dass das auch ein Anliegen von Frau Wiesinger war, einer Frau, die ein kritischer Geist ist. Die Causa um Frau Wiesinger, ihre Geschichte, zeigt, wie das System Kurz, wie das System türkise Politik funktioniert. Herr Bundesminister, bei all den beschwichtigenden Worten in beschwichtigendem Ton, mit denen Sie heute hier geantwortet haben, muss man schon feststellen, dass Sie sich in dieses System haben einspannen lassen – nicht nur, was diese Causa betrifft. (Abg. Zarits: Unglaub­lich!)

Schaut man sich die Causa an, dann sieht man, da gab es offensichtlich einen kriti­schen Geist. Man hat gehofft, dass Frau Wiesinger anderen wehtut; man hat sie einge­spannt und formal als unabhängige, weisungsfreie Expertin angestellt. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Die gute Frau ist aber ziemlich schnell draufgekommen, dass sie ganz eindeutig instrumentalisiert worden ist, das kann man eindeutig in den Interviews nachhören und auch nachlesen.

Sie haben ihr eine Aufpasserin zur Seite gestellt. Sie haben uns jetzt in der Beantwor­tung gesagt, dass Frau Glück langjährige Erfahrung eingebracht hat. – Jawohl, sie hat in der Formulierung und im Verkauf von ÖVP-Positionen langjährige Erfahrung, da ist sie absolut professionell, das hat sie in diesem Fall auch bewiesen und betrieben. Sie haben Frau Wiesinger keine Unterstützung, sondern einen Politkommissar zur Seite gestellt. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Nach einiger Zeit ist es ihr dann ge­dämmert, dass sie in einem entsprechenden Korsett steckt. Daraufhin hat sie nicht mehr so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat, nämlich dass sie sich so aus­richtet, dass sie anderen schadet.

Was folgt dann? – Dann folgt die Diffamierung und dann folgt die Absetzung: die Dif­famierung durch die ihr zur Seite gestellte Öffentlichkeitsarbeiterin, dass sie nur ein Maulwurf gewesen ist – sehr nobel, diese Vorgangsweise –, und der Vorwurf von Ih­nen, Herr Bundesminister, dass es entgegen des Auftrags keine Empfehlungen gege­ben hätte. – Es hat Empfehlungen gegeben! Es hat durchaus Empfehlungen gegeben, nur hat es, wie wir vorhin gehört haben, gute und schlechte Empfehlungen gegeben, wie die ÖVP das darstellt: gute dann, wenn sie ÖVP-Positionen entsprechen, und schlechte, wenn sie ÖVP-Positionen nicht entsprechen.


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Das ist das Problem, das wir in der Bildungspolitik seit vielen, vielen Jahren haben – egal mit welchem Partner Sie in der Regierung sind (Abg. Meinl-Reisinger: Aber auch bei der SPÖ! Auch bei der SPÖ! ... beschreibt das sehr deutlich!) –, dass Sie Posi­tionen, die nicht die Ihren sind, nicht aufgreifen.

Sie tun das auch dann nicht, wenn eine Position von der überwiegenden Zahl der Ex­perten und Expertinnen oder von der OECD empfohlen wird; ich nenne einige Bei­spiele: Wir haben in Österreich eine viel zu frühe Trennung, die gemeinsame Schule ist europäischer Standard (Zwischenruf bei der ÖVP) – nur wir dürfen das nicht aufgrei­fen; nicht, weil das nicht die Meinung der Experten, der Wissenschaft ist, sondern weil die ÖVP das als schlechte Empfehlung auffasst –; der Ausbau der Ganztagsbetreuung, der Ganztagsschule, wäre ganz wichtig, um denen zu helfen, die sich Nachhilfe nicht leisten können (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), um sie in der Schule entspre­chend zu unterstützen; der Chancenindex, zu dem man die ÖVP hintragen muss, bei dem jetzt aber hoffentlich in den nächsten Jahren etwas weitergeht.

Also für die nächsten Jahre: System Kurz durchbrechen – nicht nur Inszenierung, sondern Maßnahmen, um den Kindern zu helfen! (Beifall bei der SPÖ sowie der
Abg. Künsberg Sarre.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.11.54

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiesinger sei Dank ist die Bildungspolitik großes Thema hier im Hohen Haus, und das ist gut so.

Die Bildungspolitik ist natürlich immer auch Parteipolitik; das war sie in der Vergangen­heit und das wird sie auch in der Zukunft sein, und ich werde in meinen Ausführungen auch auf diverse parteipolitische Haltungen zu sprechen kommen. Wieso soll die Bil­dungspolitik keine Parteipolitik sein? Wir alle wollen, dass die Schüler die beste Ausbil­dung bekommen, nur die Wege dorthin sind unterschiedlich.

Was wir als Freiheitliche Partei ganz klar ablehnen, ist Parteipolitik in der Schule – Par­teipolitik, die zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer Schülerinnen und Schülern gegen­über ausüben, oder Personalbestellungen, die parteipolitisch motiviert sind. Das ist ab­zulehnen.

Wie werden wir aber das Ziel, die bestmögliche Ausbildung für unsere Kinder zu er­reichen, umsetzen? Immerhin investiert der Bund mittlerweile 9 Milliarden Euro in die Bildungspolitik, dazu kommen ungefähr 6 Milliarden Euro, die die Länder und die Ge­meinden aufbringen. Es werden also plus/minus 15 Milliarden Euro pro Jahr in die Bil­dung investiert.

Wie schaut das Ergebnis aus? – Es ist bestenfalls mittelklassig. Wir wissen, dass wir großen Handlungsbedarf haben. Ein Drittel der Schülerinnen und Schüler ist beim Schulabgang nicht in der Lage, sinnerfassend zu lesen. Ein großer Teil der Schüle­rinnen und Schüler liest kaum Bücher. Es gibt Riesenprobleme, auch weil auf der anderen Seite viele Schüler durch die Schule, durch die Überfrachtung des Unterrichts massiv überfordert werden und damit auch das Elternhaus massiv überfordert wird. Stress bei den Schülern ist an der Tagesordnung. Die Situation ist angesichts der Summen, die wir in unser Schulsystem hineinstecken, bei Gott nicht befriedigend.

Nun zur parteipolitischen Ausrichtung: Es ist eben nicht so, Frau Mag. Kuntzl, dass wir als Freiheitliche Partei uns in der Koalition mit der ÖVP überhaupt nirgends durchset­zen konnten. (Zwischenruf der Abg. Kuntzl.) Ich denke, wir haben konstruktive Vor-


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schläge gemacht, beispielsweise haben wir den Vorschlag mit dem Kopftuchverbot ge­bracht. Es war immer auch der Wunsch der Freiheitlichen Partei, Kopftücher in den Schulen zu verbieten (Beifall bei der FPÖ) – natürlich auch bei den Lehrpersonen, und natürlich nicht nur bis zum Alter von zehn Jahren, sondern bis 14 Jahre. No na net!

Zu diesem Thema haben wir Expertenhearings gemacht. Was war der Output? – Der Output war, dass die linke Reichshälfte, die SPÖ, die Ergebnisse des Hearings immer ignoriert hat. Was wurde uns im Hearing am 19. März 2019 zum Kopftuchverbot ge­sagt? – Zum Beispiel hat Zana Ramadani, die geschätzte Autorin eines Fachbuches, festgestellt, dass das Kopftuch die Kinder zu früh in Rollen hineinzwängt. Sie hat fest­gestellt, dass das Kopftuch ein Zeichen der Sexualisierung ist, das nicht sein darf. Die Kinder sollen eine Kindheit haben und nicht mit dem Kopftuch bereits frühkindlich in Rollen hineingedrängt werden, die die Kinder vielleicht überhaupt nicht wollen.

Das hat sich so fortgesetzt. Sogar der SPÖ-Vertreter in diesem Expertenhearing, Pro­fessor Mayer, hat gesagt, dass der EuGH festgestellt hat, dass das Kopftuch ein reli­giöses Symbol ist und dass der Staat aufgrund dessen eingreifen darf. Was haben wir in der Koalition gemacht? – Wir haben ein Kopftuchverbot für Kinder bis zehn Jahre er­lassen, das wir natürlich auch ausweiten wollen. Das war richtig! Da haben wir uns mit unserer Position in der Koalition gemeinsam zu einem tollen Kompromiss durchgerun­gen, der aus unserer Sicht für die Schule wahnsinnig wichtig ist.

Anderes Beispiel: Deutschförderklassen. – Na, wie seid ihr, liebe SPÖ, gegen diese Deutschförderklassen Sturm gelaufen?! Das auszuführen würde meinen Zeitrahmen bei Weitem sprengen, aber Sie wissen doch eines ganz genau – und das frage ich jetzt in Richtung Fernsehzuseher –: Geschätzte Fernsehzuseher, glauben Sie, dass die Kenntnis der deutschen Sprache notwendig ist, um dem Unterricht auf Deutsch folgen zu können? – Das wird jeder mit Ja beantworten, aber das Ergebnis des Experten­hearings zu diesem Thema war, dass die linke Reichshälfte dieses Faktum abgestritten hat (Zwischenruf der Abg. Kuntzl) und die Einführung von Deutschförderklassen be­kämpft hat, obwohl entsprechende ExpertInnen aufgetreten sind.

Ich erinnere an eine Direktorin einer Brennpunktschule in Wien Meidling, in der 320 Kin­der unterrichtet werden sollen, davon 85 Prozent mit nicht deutscher Muttersprache; sie hat festgestellt, dass in ihrer Klasse ein bis zwei Kinder sind, die deutschsprachig sind. Wie soll denn Unterricht da funktionieren? Wie soll denn ein Kind dem Unterricht folgen können, wenn es der Unterrichtssprache, sprich der deutschen Sprache, nicht mächtig ist? – Überhaupt nicht! Auch da haben wir uns, ausgehend von der Frei­heitlichen Partei, die immer Deutschförderklassen eingefordert hat, zu einem sinnvollen Kompromiss durchgerungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zur Parteipolitik: Geschätzte SPÖ, ich habe das erste Buch von Frau Wiesinger, „Kulturkampf im Klassenzimmer“, mitgenommen; das zweite konnte ich noch nicht le­sen. Wissen Sie, was Parteipolitik ist? – Parteipolitik ist, wenn man Erkenntnisse von Autoren, von Wissenschaftlern ignoriert und bekämpft, weil sie falsche Positionen ver­folgen. Ich darf aus diesem Buch zitieren.

Frau Wiesinger hat den „Kulturkampf im Klassenzimmer“ und die Frage, wie „der Islam die Schulen verändert“, angesprochen, und was war der Preis, den sie zu bezahlen hatte? – „Der Preis, den sie für diesen Schritt zahlt, ist hoch. Bis heute“, sagt sie. „Be­sonders auch im privaten Umfeld. Viele ihrer Bekannten, meist bürgerliche Linke, ver­stehen nicht, warum sie diese Kritik äußert. Linke Kreise werfen ihr vor, rechts und isla­mophob zu sein. Man meidet sie und möchte nicht einmal mehr über die unterschied­lichen Standpunkte diskutieren. Sie würde zu sehr polarisieren. Ihre früheren Gewerk­schaftskollegen haben den Kontakt zu ihr abgebrochen. Wenn es dann doch einmal zu einem Gespräch kommt, dann nur, um ihr mitzuteilen, sie solle sich nicht weiter zu Ge­werkschaftsthemen oder dem Islam in der Schule äußern. Sie möge endlich still sein.“


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Wissen Sie, das ist Ihre (das erwähnte Buch in Richtung SPÖ haltend) Position, das ist Parteipolitik: klare Erkenntnisse ignorieren, unter den Tisch kehren, weil die Freiheitli­che Partei in diesem Punkt nicht recht haben kann. – Und solche Positionen lehnen wir ab! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch eine Frage an Sie, Herr Minister, auch betreffend Parteipolitik, da würde mich Ih­re Antwort interessieren: In unserem Bezirk ist eine Bezirksschulinspektorin mit 31.12. in Pension gegangen; den Namen nenne ich nicht. Sie war von 2011 bis zum 31.12. Bezirksschulinspektorin, später natürlich Schulqualitätsmanagerin und in dieser Posi­tion für 750 Lehrkräfte, für 5 500 Schüler zuständig. Sie hat 634 Schulbesuche absol­viert. Ich denke doch – das ist unsere Position, jene der Freiheitlichen Partei –, dass Parteipolitik in der Schule nichts verloren hat. Wissen Sie, für welche Partei sich diese Person, diese Bezirksschulinspektorin, für die Nationalratswahl – nicht nur 2019, son­dern auch vorher – hat nominieren lassen? – Für die ÖVP!

Wie ist das zu vereinbaren, dass eine Person Bezirksschulinspektorin und Schulquali­tätsmanagerin ist und im Außenbereich für eine Partei tätig ist? – Das ist für uns als Freiheitliche Partei ein absolutes No-Go. Diese Parteipolitik ist abzustellen. – Ich dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.


18.20.34

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Parteipolitik ist es, Autorinnen mit Wis­senschaftlerinnen, Anekdoten mit Wissenschaft zu verwechseln und nur diejenigen zu erzählen, die einem genehm sind. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen! Bildungspolitik ist Integrationspolitik. Das ist kei­ne Zukunftsvision, das ist keine Forderung, das ist eine Realität. Schülerinnen und Schü­ler mit Migrationsbiografie, mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität sind eine Rea­lität und keine Anomalie. Sie sind keine Anomalie in einem Bildungssystem, das ent­sprechend ausgestattet sein muss und das fähig sein muss, in dieser Diversität die Potenziale zu sehen und zu fördern, Schwächen abzuschwächen, zu unterstützen, die Stärken zu stärken.

Diese Diversität, die im Klassenzimmer existiert, muss ihre Entsprechung im Lehrerin­nen- und Lehrerzimmer finden, sie muss im System eine Entsprechung finden. Eine Aufgabe ist es natürlich, diese Diversität bei den jungen Menschen so zu unterstützen, dass sie an eine Welt herangeführt werden können, die genauso divers, genauso kom­plex, genauso global ist wie die Realität und die Realitäten, die sie erleben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Bildungspolitik ist Integrationspolitik, und Bildungseinrichtungen sind politische Orte – das ist klar. Sie sind politische Orte, und deswegen ist es umso heikler und umso sen­sibler, wenn sie parteipolitisch instrumentalisiert werden. Das darf nicht passieren. Das darf im System nicht passieren, aber das darf auch mit dem Thema Bildung nicht pas­sieren. Bildungseinrichtungen sind politische Orte, und deswegen müssen selbstver­ständlich politische Themen dort Platz finden, und das tun sie auch. Dabei geht es um Gleichstellung, um Gleichberechtigung, um Demokratie, um Mitsprache, um Men­schenrechte, um Frauenrechte, um Konfliktlösung. All das muss dort Platz finden können, und dabei sind die Schülerinnen und Schüler nicht das Problem, sie sind auch nicht passiv und sie sind auch nicht defizitär. Sie haben die Potenziale, die zur Ent­faltung kommen können müssen.


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Es gibt Zugänge, die sehr wohl anerkennen, dass eine Zusammenarbeit mit allen Part­nern und Partnerinnen im Bildungssystem auch im System eine Veränderung bringen kann. Ich möchte kurz zwei dieser Zugänge erwähnen, weil ich glaube, dass sie bei­spielhaft sind.

Der eine ist das Programm Respekt gemeinsam stärker, das vor Kurzem in Wien an einigen Pilotschulen gestartet worden ist und das sich der Schule wirklich unter Einbe­ziehung aller Partnerinnen und Partner nähert. Das heißt, es braucht die Mitarbeit der DirektorInnen, es braucht die Mitarbeit und Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern, mit den SchülerInnen und auch mit den Eltern. Ziel und Perspektive sind, in der Schule wirklich eine Respektkultur zu verankern.

Das heißt, es braucht eine langfristige Begleitung und es braucht eine Auseinanderset­zung mit dem, was in der Schule stattfindet, eine Auseinandersetzung auch mit den Herausforderungen. Das bedeutet eine Auseinandersetzung mit Gewalt, mit Konflikten, mit Mobbing, mit Diskriminierung, mit Hass im Netz, mit all dem, was sich als Spie­gelbild der Gesellschaft auch in den Schulklassen und auch im Bildungsbereich wie­derfindet. Das bedeutet, aktiv gruppenbezogene Abwertungen anzugehen, die selbst­verständlich auch in den Schulen stattfinden. Das bedeutet, Themen wie Sexismus, Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Nationalismus, Homo-, Bi- und Transpho­bie aktiv anzugehen und die Schülerinnen und Schüler, aber auch die LehrerInnen und die Eltern zu ermächtigen, demgegenüber aktiv zu werden und sich zu behaupten. Da­rin sind alle Beteiligten potenzielle PartnerInnen.

Das zweite Projekt, das ich kurz erwähnen möchte, ist der mehrsprachige Redewettbe­werb Sag’s Multi!, der vom Verein Wirtschaft für Integration seit mehreren Jahren durchgeführt wird. Das ist ein Redewettbewerb, der nicht nur deswegen so beeindru­ckend ist, weil die Schülerinnen und Schüler, die daran teilnehmen, in mehreren Spra­chen – in ihrer Erstsprache, in ihrer Zweitsprache, in der Familiensprache, in der er­lernten Sprache und auf Deutsch – reden und sehr beeindruckend überlegen, wo sie in der Welt stehen und wie sich ihre Rolle in der Welt und in der Gesellschaft ausge­stalten kann, sondern weil sie sich auch wirklich kritische und politische Fragen stellen. Das Thema des diesjährigen Wettbewerbs ist – und ich möchte es allen hier ans Herz legen, einer der Rederunden oder vielleicht der Abschlussrunde im Mai beizuwohnen –: Wer bin ich, wenn ich niemand sein muss?

Diese Möglichkeiten, diese Chancen und Potenziale in den Schülerinnen und Schülern, in den jungen Menschen zu sehen, die auch die Zukunft dieses Landes darstellen und nicht nur auf dieses Land begrenzt sind, sondern wirklich global denken und globale Realitäten erleben und abbilden, das ist unsere Verantwortung. Wenn wir eine respekt­volle Schulkultur möchten, dann brauchen wir eine respektvolle politische Kultur. Ich hoffe, dass wir über Parteigrenzen hinweg in diesem Sinne zusammenarbeiten kön­nen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Yan­nick Shetty. – Bitte.


18.26.47

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dreh- und Angel­punkt dieser Wiesinger-Affäre wurde heute ja schon ein paar Mal angesprochen: die mangelnde Integrationspolitik an Österreichs Schulen. Ich finde, das, was Frau Wiesin­ger hierzu in ihrem Bericht und in ihrem Buch schreibt, ist mehr als beklemmend. Es ist beklemmend, was passiert, wenn man versucht, in diese festgefahrenen Parteistruktu­ren hineinzufahren, und es wagt, an diesen rot-schwarzen Machtkartellen zu rütteln. Es


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ist das größte Problem in unserer Bildungspolitik, dass sich diese rot-schwarzen Struk­turen und diese realitätsfernen Ideologien über Jahrzehnte in das System hineingefres­sen haben und anscheinend nicht mehr wegzubekommen sind.

Wie kaputt diese Strukturen sind, offenbart sich besonders in der Integrationspolitik. Frau Wiesinger schreibt zum Beispiel: „Alle Spitzenpolitiker, mit denen ich gesprochen habe, sind in den wesentlichen Punkten, was in der Integrationspolitik schiefläuft und wo man ansetzen sollte, nicht weit voneinander entfernt. Bleibt die Frage: Weshalb passiert nichts?“ – Das ist ja eine relevante Frage, da geht es ja nicht um irgendetwas. Da geht es um eines der wichtigsten Politikfelder überhaupt: die Integrationspolitik, die Bildungspolitik. Wenn sich alle Expertinnen und Experten, Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker – ich nenne dann auch noch ein paar Beispiele – einig sind, warum passiert dann nichts? – Das ist absolut nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den NEOS.)

Frau Wiesinger wird ja dann auch konkret. Sie schreibt, dass alle Expertinnen und Ex­perten und sogar Sie, Herr Bundesminister Faßmann, sich betreffend einen konkreten Bereich, nämlich den verpflichtenden Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler, dahin gehend einig sind, dass der sinnvoll wäre, dass der eingeführt werden muss. Sinnvoll – das sagen alle, aber selbst der Bildungsminister, schreibt sie, sei ohnmäch­tig gegenüber den alteingesessenen partei- und ideologiegefärbten Strukturen. Da fra­ge ich mich: Woran sind Sie, Herr Bundesminister, konkret in dieser Frage gescheitert? An wem sind Sie gescheitert? – Auch da gibt Frau Wiesinger eine Antwort, und zwar, dass man der FPÖ da nicht einen Raum bieten wollte, weil diese auf einem konfes­sionellen Religionsunterricht besteht.

Wer ist für diese Politik, die sich irgendwie nach Daten, nach Umfragen, danach, was gerade populär ist, richtet, in der ÖVP verantwortlich? – Spätestens seit der Macht­übernahme in der ÖVP und dem innerparteilichen Durchgriffsrecht von Sebastian Kurz kann man zumindest sagen, wer für diese Linie verantwortlich ist, und da muss ich mich jetzt an den leider nicht anwesenden Bundeskanzler Sebastian Kurz wenden und sagen: Ich bin zutiefst enttäuscht, dass gerade Sie als ehemaliger Integrationsstaats­sekretär da komplett lösungsresistent sind und bereit sind, sinnvolle Integrationsmaß­nahmen auf dem Altar des Rechtspopulismus zu opfern. (Beifall bei den NEOS.)

Ich bin heute genauso alt wie Sebastian Kurz, als er Integrationsstaatssekretär wurde (Zwischenruf des Abg. Lopatka) – nein, das war noch nicht der Punkt –, und gerade als junger Abgeordneter verspüre ich einen starken Tatendrang. Ich würde so gern so viel bewegen, und ich verstehe nicht, warum Sebastian Kurz, der die Macht hatte, der den Einfluss hatte, der die Möglichkeiten hatte, einfach nichts bewegen wollte und konnte. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kucher.) Ich verstehe nicht, wo der Tatendrang von Sebastian Kurz aus der Zeit, als er in die Politik gestartet ist, geblieben ist. Sind ein paar Prozentpunkte bei der nächsten Wahl wirklich wichtiger als eine gute und evidenzbasierte Integrationspolitik? (Abg. Lo­patka: Beides!) – Ja, beides, genau. (Abg. Lopatka: Sie sind ja auch bald Gewinner, oder?) – Ja.

In der Integrationspolitik hat Österreich also massiven Handlungsbedarf, und der Fokus der neuen türkis-blau-grünen Bundesregierung liegt leider auf oberflächlicher Symbol­politik, die von oben drübergestülpt wird, medial Woche für Woche ausgeschlachtet wird und an den eigentlichen Problemen komplett vorbeigeht. Was es wirklich braucht – und jetzt komme ich vom Problemaufriss hin zu den Lösungen, die wir auch immer fordern –, ist eine echte Integrationsoffensive. Ich will drei Punkte herausgreifen, die wir dabei für besonders wichtig erachten.

Wir haben gesagt, wir brauchen eine Integrationsoffensive nach dem Vorbild von Lon­don. Sie wissen, in London hat man in den 1990er-Jahren entdeckt, dass es im Bil­dungssystem riesige Probleme, unter anderem auch mit der Integration, gibt. Man hat


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dort die Problemschulen identifiziert, und Hunderte Problemschulen wurden aus einer Managementperspektive – sozusagen auf der Ebene des Stadtschulrates in London, wenn man so will – gezielt mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, mit zusätzli­chem Lehrpersonal unterstützt.

Ja, ja, ich weiß schon, jetzt sind Sie (in Richtung ÖVP) stolz, und die Grünen muss man da auch kritisieren, denn es ist ja total absurd, wenn Frau Maurer da draußen steht und sagt: Ja, ja, wir machen das mit 100 Schulen!, wo doch Herr Faßmann noch im Jänner letzten Jahres angekündigt hat, dass es 500 Schulen geben wird. – Das ist ja total absurd! 100 Schulen werden nicht reichen. Jede Schule, die Probleme hat, die als Brennpunktschule identifiziert wird, braucht unsere Unterstützung, denn ohne die­se wird sie es nicht schaffen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Kucher und Vorderwinkler.)

Erster Punkt also: eine echte Integrationsoffensive nach dem Vorbild von London.

Zweiter Punkt: Wir brauchen kostenlose Ganztagesplätze für Schülerinnen und Schüler besonders in Brennpunktschulen, mit sozialarbeiterischen Maßnahmen, Berufsorientie­rung und besseren Förderungsmöglichkeiten vor allem für jene, die aus sozial schwä­cheren Verhältnissen kommen.

Als dritten Punkt möchte ich etwas herausgreifen – ich habe es schon angesprochen –, was Sie ja auch unterstützen, Herr Bundesminister, nämlich einen verpflichtenden Ethik- und Religionenunterricht ab dem ersten Schuljahr, der unserer pluralistischen und offenen demokratischen Gesellschaft gerecht wird.

Das sind nur einige wenige unserer Forderungen, die ja bereits auf dem Tisch liegen. Sie können gerne Ihr unvollständiges Regierungsprogramm in den nächsten 100 Ta­gen damit komplettieren. Mir ist nicht wichtig, wer das umsetzt, sondern dass man das umsetzt.

Ich möchte mit einem Zitat abschließen, das, wie ich finde, sehr treffend für die Politik vor allem der ÖVP in diesem Bereich ist, nämlich vom verstorbenen ehemaligen deut­schen Außenminister Guido Westerwelle, der gesagt hat: In der Politik geht es „nicht darum, das Populäre zu machen, sondern das Richtige zu tun. Und dann muss man dafür sorgen, dass es populär wird.“ – Gerade betreffend die Integrationspolitik lege ich Ihnen dieses Zitat sehr ans Herz. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi. – Abg. Gerstl: Das haben Sie gut gesagt, vielen Dank!)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Romana Deckenba­cher. – Bitte.


18.33.34

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zu­seher auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ich möchte zu Beginn mei­ner ersten Rede hier im Hohen Haus unseren Bildungsminister zitieren: „Wir müssen vom Aufzeigen von Problemen auch ins Handeln kommen“ – ein ungemein wichtiger Punkt, denn Handeln heißt, auch zu investieren, und Bildung ist eine unserer wichtigs­ten Investitionen in die Zukunft. Sie ermöglicht die Entfaltung der Persönlichkeit und Talente, bewirkt mehr Chancengleichheit, ebnet den Weg zu einer passenden Berufs­wahl und schafft so das Fundament für ökonomische Unabhängigkeit sowie für ein selbstbestimmtes Leben. Österreich hat ein gutes und starkes Bildungssystem, das al­len offensteht. (Beifall bei der ÖVP.)

Gleichzeitig gibt es aber natürlich Bereiche, in denen wir besser werden müssen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit


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nicht deutscher Umgangssprache an allen Schultypen erhöht, aber besonders drama­tisch ist die Situation in Wiener Volksschulen. 59 Prozent aller Kinder sprechen im All­tag kein Deutsch mehr, wir haben es heute schon gehört, der Anteil in ganz Österreich liegt bei 31 Prozent. Fakt ist auch, dass an vielen Schulen die kulturell und religiös mo­tivierten Auseinandersetzungen zunehmen. Und ja, all das muss thematisiert werden. Ob es dazu eine Publikation in Form eines Buches braucht, das lasse ich hier im Raum stehen, vor allem aber braucht es Lösungen für unsere Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch für das höchste Gut, das unsere Gesellschaft hat, nämlich unsere Kinder und Jugendlichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich war selbst über drei Jahrzehnte Pflichtschullehrerin in Wien, und glauben Sie mir, ich kenne die Situation sehr gut und ich kenne auch Frau Wiesinger. Inhaltlich sind Tei­le ihrer Kritik sicherlich gerechtfertigt; Kritik, die sie auch in ihrem ersten Buch getätigt hat. Frau Kollegin Hammerschmid, soweit ich mich erinnern kann, waren Sie damals im Amt, als Ministerin tätig – Maßnahmen habe ich damals leider vermisst. (Beifall bei der ÖVP.)

Maßnahmen finden sich aber im neuen Regierungsprogramm. Einige möchte ich hier anführen: Wesentlich ist die Einführung der Deutschförderklassen – ein wichtiger Schritt. Wir müssen die Sprachförderung weiter ausbauen und Deutschkenntnisse ein­fordern. Grundvoraussetzung für Bildungserfolg ist das Beherrschen der deutschen Sprache, und aus diesem Grund wollen wir eine Intensivierung der Sprachförderung in elementaren Bildungseinrichtungen und eine Weiterentwicklung der Deutschförder­maßnahmen. Schulstandorte brauchen daher die notwendige Gestaltungsfreiheit, um die bestmögliche Umsetzung dieser Maßnahme bewerkstelligen zu können. Es braucht das schon lang geforderte Unterstützungspersonal, das findet sich auch im Regie­rungsprogramm wieder, denn das All-inclusive-Paket für Lehrerinnen und Lehrer muss endlich Geschichte sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Auch weitere Maßnahmen für Gewaltprävention finden sich im Regierungsprogramm. Lehrerinnen und Lehrer leisten täglich großartige und wertvolle Arbeit, daher ist es mir ein besonderes Bedürfnis, hier an dieser Stelle allen Pädagoginnen und Pädagogen ein großes Dankeschön auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Sie können sich sicher sein, dass wir versuchen werden, die im Regie­rungsprogramm angesprochenen Punkte Schritt für Schritt umzusetzen.

Ein weiteres Thema, von dem ich glaube, dass es dringend enttabuisiert und ange­sprochen werden muss, und das ein wesentliches ist, ist das Thema Gewalt an Schu­len. Subjektiv gefühlt nimmt Gewalt und die Bereitschaft, Gewalt auszuüben, in unserer Gesellschaft immer mehr zu, und auch an der Schule als Spiegel der Gesellschaft ist dieses Phänomen zu beobachten. Es gilt da, Kolleginnen und Kollegen zu ermutigen, darüber zu sprechen, nicht zu relativieren oder wegzuschauen, wie es in der einen oder anderen Bildungsdirektion passiert. Es muss immer klar sein, dass Gewalt in kei­ner Form verhandelbar ist und dass die Reputation der Schule nicht vor das Schicksal eines Einzelnen gestellt werden darf. Die Erscheinungsform und die Wahrnehmung von Gewalt sind nicht immer eindeutig, daher bedarf es diesbezüglich einer offenen Diskussion und klarer Konsequenzen. Gewalt – in welcher Form auch immer – hat kei­nen Platz in unseren Schulen, in unseren Klassenzimmern und in unserer Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Trotz dieser fordernden Situation in den Schulen kann ich Ihnen, Frau Meinl-Reisinger, nur recht geben: Das ist der schönste Beruf, den es gibt.

Ich kann abschließend unseren Bundesminister nur darin unterstützen, das Thema Wertefragen und Kulturkonflikte weiterhin mit höchster Priorität auf der politischen Agenda zu halten und einen sachlichen Diskurs zur Lösung der anstehenden Probleme


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zu führen. Das haben sich alle Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch unsere Schülerinnen und Schüler verdient.

Stellen wir uns gemeinsam den Herausforderungen einer gesellschaftspolitisch immer anspruchsvolleren Schule und treten wir gemeinsam für eine Verbesserung der Situa­tion und für eine Lösung der Probleme abseits von politischen Ideologien ein! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleit­ner. – Bitte.


18.40.06

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kaum ein Plenartag vergeht, ohne dass wir über Bildungspolitik reden. – Gut so, würde ich sa­gen, war doch gerade die letzte Legislaturperiode durchaus ein bisschen ein Negativ­beispiel aus dem Bilderbuch, wie Bildungspolitik eben nicht gemacht werden sollte. (Abg. Bösch: Nein, davor war das! – Abg. Belakowitsch: Da verwechseln Sie etwas!) Dieser Pfad wird anscheinend leider fortgesetzt.

Einzelne Maßnahmen sind durchaus begrüßenswert, beispielsweise das Bekenntnis zu grundsätzlich mehr Unterstützungspersonal, Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganz­tagesschulen. Leider ist das im Regierungsprogramm oftmals wenig mit Zahlen, Fakten und vor allem Budget untermalt, was es für uns schon ein bisschen schwierig macht, denn so haben wir halt das Gefühl, dass das alles wieder auf die lange Bank gescho­ben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, ein Phänomen, das auch im Jahr 2020 auf jeden Fall noch Realität ist, ist, dass Bildung in Österreich vererbt wird. Jahr für Jahr zeigt uns die Studie „Bildung auf einen Blick“, dass in Österreich Bildung vererbt wird und der sozioökonomische Status eines Haushaltes nach wie vor sehr stark mit der Bildung zusammenhängt. Expertin­nen und Experten belegen jedes Jahr: Soziale Gerechtigkeit ist ganz eng verbunden mit gezielter Förderung und Chancengerechtigkeit in der Bildung – vom Kindergarten über die Schule bis zur Ausbildung, bis zu den Universitäten und Hochschulen. Ich glaube, das ist ein Faktum, das eigentlich in allen Köpfen wirklich verankert sein müsste.

Ich muss leider sagen, dass in diesem Regierungsprogramm die große Vision eines chancengerechten Bildungssystems fehlt. Diese wäre wirklich dringend notwendig, um den sozioökonomischen Status endlich von Bildung zu entkoppeln, damit wirklich allen Kindern alle Chancen eingeräumt werden und Tür und Tor offenstehen, um das ma­chen zu können, was sie machen möchten, das, wofür sie Talent haben, und für die Kinder die bestmögliche Förderung gewährleistet werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Pilotprojekt, über das wir jetzt reden, für bessere Unterstützung von Schulen mit großen Herausforderungen, der Chancenindex, ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber es ist unverständlich, dass man das nicht auf ganz Österreich ausrollt, sondern nur einzelne, wenige Schulen vom Chancenindex profitieren sollen, wo doch die Probleme und Ableitungen klar auf dem Tisch liegen. Wir wissen ganz konkret aus Berechnungen und Standardtestungen, dass über 510 Schulen sofort Unterstützung durch die Ausrollung des Chancenindex benötigen würden. Deshalb sagen wir als SPÖ, wir wollen jetzt eine rasche, flächendeckende, wirksame Einführung des Chan­cenindex – nicht zögerlich oder, wie wir in Oberösterreich auch sagen, zizerlweis, son­dern eine flächendeckende Umsetzung in ganz Österreich.

Die Maßnahmen, die hier für einige wenige Schulen gesetzt werden, zeigen, Kinder und Zukunft haben anscheinend nicht Priorität Nummer eins in diesem Regierungspro­gramm, und das ist sehr schade.


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Als Sozialdemokratie kämpfen wir für ein Bildungssystem, das durchlässig ist, Chan­cen ermöglicht, Talente fördert, für eine Bildung, die für alle leistbar ist, nicht spaltet und nicht segregiert, deshalb bringe ich nun folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Chancengerechtigkeit im Bildungssystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat unverzüglich ein überarbeitetes Gesamtpaket für mehr Chancengerechtigkeit im Bil­dungssystem vorlegen. Hierfür soll das vorgesehene Pilotprojekt für Brennpunktschu­len zu einem österreichweiten Chancenindex erweitert werden. Je größer die Probleme an einer Schule, desto mehr LehrerInnen sollen in Zukunft zum Einsatz kommen. Das löst einen Bedarf an mehr als 500 Schulen von ca. 5.000 zusätzlichen LehrerInnen aus. Außerdem soll dieses Gesamtpaket auch einen geeigneten Stufenplan zum Aus­bau des Kinderbetreuungsangebots sowie ganztägiger Schulplätze beinhalten, um so endlich den Eltern einen Rechtsanspruch für qualitativ hochwertige und ganztägige Kinderbetreuung zu garantieren. Auch der Plan für mehr Unterstützungspersonal ist zu konkretisieren: hierfür sollen mindestens 80 Mio. Euro investiert werden. Der Bundes­minister für Finanzen wird aufgefordert die zur Umsetzung erforderlichen zusätzli­chen Budgetmitteln im Rahmen Budgets (BFG 2020) und des Bundesfinanzrahmens (BFRG 2020-2023) bereit zu stellen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen

betreffend Chancengerechtigkeit im Bildungssystem

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Bea­te Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufzeigen von Miss­ständen in der österreichischen Bildungspolitik

Dass wir uns bei PISA regelmäßig im Mittelfeld befinden, ist für ein reiches Land wie Österreich – will es das auch in Zukunft bleiben – nicht akzeptabel. Besonders die ho­he Anzahl an RisikoschülerInnen, also jene, die besonders schlecht abgeschnitten ha­ben, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. In Österreich gehört im Lesen, der Ma­thematik und der Naturwissenschaft mehr als jedeR fünfte SchülerIn dazu. Die ös­terreichische Lese-Risikogruppe ist rund doppelt so groß, wie jene der führenden Län­der.

Wer zu dieser Gruppe gehört, hängt stark von der Herkunft ab. Noch immer ist in Ös­terreich der Bildungshintergrund der Eltern besonders stark entscheidend für den Bil­dungserfolg der Kinder – sowohl bei Kindern mit Migrationshintergrund, als auch bei jenen mit deutscher Muttersprache. Das dürfen wir nicht akzeptieren, sondern müssen gegensteuern.


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In weiten Teilen ist das neue Regierungsprogramm eine Fortführung von türkis-blauer Bildungspolitik. Schwarze Pädagogik der Vergangenheit siegt: Es geht nicht darum, was unser Bildungssystem für die Kinder leistet, sondern um Druck, Aussortieren und Strafen. Obwohl ExpertInnen bestätigen, dass hierdurch weder die Chancengerechtig­keit im Bildungssystem, noch die Bildungsergebnisse verbessert werden.

Auch im Kampf gegen Kinderarmut finden sich im Regierungsprogramm nur kleine Ak­zente. Einzelne Maßnahmen, die durchaus begrüßenswert sind – etwa das Bekenntnis zu mehr Unterstützungspersonal, den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganzta­gesschulen – sind zwar begrüßenswert, aber nur wenig verbindlich. Wie viel zusätzli­che Stellen für Unterstützungspersonal an den Schulen geschaffen werden soll, wurde nicht festgehalten. Schon gar nicht wurde vom Finanzministerium dafür zusätzliches Budget in Aussicht gestellt. Angekündigt wurde hingegen lediglich die „langfristige Ab­sicherung der Finanzierung über den FAG und gesetzliche Vorgaben über den Bund“. Damit droht die Umsetzung dieses wichtigen Vorhabens auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben zu werden. Auch beim Ausbau der Kinderbetreuung oder der Ganzta­gesschulen fehlen konkrete Zielvorgaben und budgetäre Zusagen. Für die Eltern wird leider kein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kinderbetreuungsplatz vom ersten Geburtstag bis zum Ende der Schulpflicht geschaffen. Das Pilotprojekt für bessere Un­terstützung von Schulen mit großen Herausforderungen ist zwar ein erster Schritt, es ist allerdings völlig unverständlich, warum hierfür nur einzelne wenige Schulen profitie­ren sollen, wo doch die Probleme und Ableitungen klar am Tisch liegen.

Zudem wurden budgetär große Brocken – Steuersenkungen für SpitzenverdienerInnen und Großkonzerne – die über zwei Milliarden kosten werden – relativ genau festgehal­ten. Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen gibt es keine. Damit drohen sämtliche bil­dungspolitisch begrüßenswerte Projekte, wie etwa mehr Unterstützungspersonal, der Ausbau der Kinderbetreuung oder der Ganztagesschulen auf Grund mangelnden Bud­gets lose Ankündigungen zu bleiben, ohne jemals umgesetzt zu werden.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat unverzüglich ein überarbeitetes Gesamtpaket für mehr Chancengerechtigkeit im Bil­dungssystem vorlegen. Hierfür soll das vorgesehene Pilotprojekt für Brennpunktschu­len zu einem österreichweiten Chancenindex erweitert werden. Je größer die Probleme an einer Schule, desto mehr LehrerInnen sollen in Zukunft zum Einsatz kommen. Das löst einen Bedarf an mehr als 500 Schulen von ca. 5.000 zusätzlichen LehrerInnen aus. Außerdem soll dieses Gesamtpaket auch einen geeigneten Stufenplan zum Aus­bau des Kinderbetreuungsangebots sowie ganztägiger Schulplätze beinhalten, um so endlich den Eltern einen Rechtsanspruch für qualitativ hochwertige und ganztägige Kinderbetreuung zu garantieren. Auch der Plan für mehr Unterstützungspersonal ist zu konkretisieren: hierfür sollen mindestens 80 Mio. Euro investiert werden. Der Bundes­minister für Finanzen wird aufgefordert die zur Umsetzung erforderlichen zusätzli­chen Budgetmitteln im Rahmen Budgets (BFG 2020) und des Bundesfinanzrahmens (BFRG 2020-2023) bereit zu stellen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.



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18.44.56

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, Herr Bundesminister, der Anlass dafür, dass wir heute hier stehen und Sie bei der Dringlichen Anfrage Rede und Antwort stehen müssen, ist Frau Wiesinger, der Konflikt zwischen Kabinett und Ministerium, der da sehr gut beschrieben wurde, dass es da ei­nen Machtkampf gibt.

Sie haben heute im Rahmen der Beantwortung der Frage 1 gesagt, diese Parteipolitik und diesen Machtkampf gäbe es nicht, und zwar aufgrund dessen, dass Sie die Bil­dungsdirektionen eingeführt haben. – Na ja, die Bildungsdirektionen gibt es, das ist schon richtig, aber die Parteipolitik und die Postenbesetzungen sind die Gleichen ge­blieben: Wo ein schwarzer Landeshauptmann oder eine schwarze Landeshauptfrau sitzt, ist es ein schwarzer Bildungsdirektor, wo ein roter Landeshauptmann oder eine rote Landeshauptfrau sitzt, ist es ein roter Bildungsdirektor. – Wo ist jetzt also Ihre Lö­sung? Das frage ich mich schön langsam. (Beifall bei der FPÖ.) – So viel zu dem, was Sie am Anfang gesagt haben: dass Parteipolitik im Bildungsbereich und in Ihrem Minis­terium keine Rolle mehr spielt.

Ich bin davon überzeugt, dass Sie jeden Tag in der Früh den Pressespiegel von ganz Österreich bekommen. Als Steirer muss ich natürlich auch die steirischen Themen ein bisschen hervorkehren. Die Tageszeitungen sind ja seit gestern voll in Bezug auf die Bildungsdirektion in der Steiermark, die schwarz besetzt ist. In der Überschrift steht: „Postenspiele: So schwarz sehen steirische Schulen“. – Okay, das war die Überschrift von heute. Die gestrige Überschrift in der gleichen Zeitung, die erklärt, warum die heu­tige entstanden ist: „Bildungsdirektion stellt Bewerber via Massen-E-Mail bloß“. – Na geh!

Also, Herr Minister, ich bitte Sie wirklich inständig, das, was Sie da sagen, auch zu le­ben. Anscheinend macht Ihr Ministerium etwas anderes, Ihr Kabinett spielt anschei­nend das eine oder andere an Ihnen vorbei, oder Sie machen es unwissend, aber im Endeffekt ist das reine Postenschacherei und Parteibesetzung und Parteipolitik auf höchstem Niveau in diesem Staate. (Beifall bei der FPÖ.)

Bleiben wir in der Steiermark! Es gibt sieben Bildungsregionen in der Steiermark: zwei rot, fünf schwarz besetzt. Jetzt kennen wir die Situation, dass dieses Massenmail raus­gegangen ist und am Ende des Tages die Bewerber bloßgestellt wurden, indem sie als ungeeignet oder wenig qualifiziert dargestellt wurden – außer einer Person, die Ihnen von der Parteifarbe her auch sehr nahesteht, die war im höchsten Ausmaß geeignet. Also von zehn ist nur mehr eine übrig geblieben, und diese wird dann diesen Posten erhalten. – So viel zu Ihrem Machtsystem und -konstrukt.

Dann stellt man Frau Wiesinger – auf sie muss ich noch einmal kurz eingehen – noch Frau Heidi Glück an die Seite, die natürlich ganz genau aufpassen muss, was sie kom­munikationsmäßig nach außen trägt oder nicht. Jetzt war Frau Wiesinger aber so ge­scheit, dass sie gesagt hat: Ich mache besser nichts und schreibe nebenbei ein Buch, dann habe ich die Möglichkeit, dass ich all das, was ich dort wahrnehme, genau auf den Punkt bringe! Und das hat sie mit diesem Buch geschafft, dafür muss ich ihr höchstes Lob und Anerkennung zollen. Sie hat das wirklich auf den Punkt gebracht und die Situation in der österreichischen bildungspolitischen Landschaft, in Ihrem Haus, in Ihrem Kabinett, in Ihrem Ministerium dargelegt.

Die ÖVP-Kollegen sitzen sehr tief, die Köpfe hängen sehr schief. (Abg. Hörl: Hallo!) Herr Taschner, Sie als Bildungssprecher können sich, glaube ich, gut erinnern, mein Lieblingsthema war die AHS-Unterstufe in der Südoststeiermark. Da hat es die Diskus­sion gegeben, in der Südoststeiermark die AHS-Unterstufe einzuführen, ebenso in Her-


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magor in Kärnten und im Bezirk Deutschlandsberg in der Steiermark. Was ist pas­siert? – Das darf nicht sein, wenn ein blauer Abgeordneter das für die Südoststei­ermark fordert, also machen wir es nicht! So wurde das hintangehalten. Wo ist es gekommen? – In Hermagor – Kollege Obernosterer –, im Bezirk Deutschlandsberg, schwarzer Bezirk – Kollege Amon, heute Volksanwalt.

Die Südoststeiermark, mein Bezirk, wurde immer ein bisschen stiefmütterlich behan­delt, nichtsdestotrotz ist sie jetzt gekommen, die AHS-Unterstufe, als dislozierte Klas­se. Warum? – Weil der Bürgermeister der Bezirkshauptstadt das in Ihrem Kabinett per­manent gefordert und gesagt hat: Das muss kommen, wir haben Gemeinderatswahlen in der Steiermark!

Sie sagen hier, dass das alles nach bestem Wissen und Gewissen passiert und nur auf Fakten und Tatsachen und wissenschaftlichen Untermauerungen basiert. Das spreche ich Ihnen persönlich nicht ab, aber passieren tut in diesem Haus etwas ganz anderes. (Beifall bei der FPÖ.)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


18.50.17

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Inzwischen kennen wir alle Frau Wiesinger mehr oder weniger. Ich habe schon länger beide Bücher von ihr gelesen, es steht ja in beiden ungefähr das Gleiche drinnen. Auch den Bericht habe ich gelesen. Ich habe sie auch kennengelernt, ich habe schon über sie geschrieben, und ja, Frau Wiesinger ist keine einfache Person. (Abg. Meinl-Rei­singer: Das ist ja gut!) Wahrscheinlich haben Sie im Ministerium auch nicht genau das von ihr bekommen, was Sie erwartet haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Einfache Perso­nen sind ja schlecht in dem System!) – Genau das will ich doch damit sagen, liebe Frau Meinl-Reisinger. Wir alle sind ja keine einfachen Personen, und in manchem ha­ben die schwierigen Personen natürlich manchmal recht. (Beifall der Abgeordneten Ja­kob Schwarz und Weratschnig.)

Dass es in der Bildungspolitik seit Jahrzehnten eine parteipolitische Blockade gibt, ist ja klar. Dass ÖVP und SPÖ einander jahrzehntelang keine Erfolge gegönnt haben und deswegen nichts weitergegangen ist, dass es auch zwischen Bund und Gemeinde Wien ständig Eifersucht gab, die vieles blockiert hat, das hat man sogar aus außer­parlamentarischer Perspektive mitgekriegt.

Wir wissen, dass es wunderbare Geschichten über Dinge gibt, die in manchen NMS passieren, sogar in städtischen NMS passieren ganz großartige Dinge, es ist aber na­türlich richtig, dass es auch welche gibt, die totale Inseln der Hoffnungslosigkeit sind, und da sind die Frustration, die Überforderung und die Sprachlosigkeit mit den Händen zu greifen. Auch das ist richtig. Seit Jahrzehnten fragen wir eigentlich immer nur: Wer ist schuld daran? – Diese Frage geht mir mittlerweile wahnsinnig auf die Nerven. Was mich an Frau Wiesinger ein bisschen stört, ist, dass auch sie die Schuldfrage wieder und wieder stellt. Jetzt ist nämlich der Islam schuld und jetzt ist das Ministerium schuld. Das alles ist mir immer noch ein bisschen zu wenig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mich interessiert schlicht nicht mehr, wer schuld ist, ich möchte jetzt anfangen, etwas zu ändern. Kollege Shetty hat es so schön gesagt, er hat gesagt, er ist zu jung, als dass er nichts tut. Ich bin jetzt eigentlich schon zu alt, als dass ich in meinem Alter in die Politik gehe, und es bewegt sich immer noch nichts.

Ich möchte jetzt einen ganz konkreten Vorschlag machen, der schaut so aus, dass wir genau in die Schulen gehen, die Frau Wiesinger beschreibt – da kann man sie ja


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auch nach ihrer Expertise fragen –, und dass wir genau dort mit diesem wunderbaren Projekt anfangen, das heute schon mehrfach erwähnt wurde, nämlich mit unserem 100-Schulen-Pilotprogramm.

Ich möchte das Projekt jetzt ein bisschen erklären, weil da wirklich mein Herzblut drin steckt: Das bedeutet nicht nur, dass da ein bisschen mehr Ressourcen verteilt werden, da steckt wirklich der Keim für etwas Größeres drinnen. Es heißt nämlich, dass wir dort, wo die Not am größten ist und wo es im Moment auch gar nicht so viel zu verlie­ren gibt, die Chance bekommen, etwas ganz Neues auszuprobieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie machen wir das konkret? – Zuerst gehen wir einmal hin und schauen: Was ist da los bei euch? Was fehlt euch? Was braucht ihr? Welche Ressourcen habt ihr? Welche fehlen? Dazu muss man mit den Lehrern und Lehrerinnen sprechen, mit den Eltern und selbstverständlich auch mit den Kindern. Was braucht ihr, damit man an eurem Standort wieder gut lernen kann? Da wird es an jedem Standort ganz verschiedene Antworten geben. Dann soll für jede dieser Schulen, für jede dieser Pilotschulen – des­wegen ist es ein Pilotprojekt – ein maßgeschneidertes Paket geschnürt werden, mit dem man nicht nur Ressourcen, sondern auch eine starke Führung mit starker Auto­nomie und einem klaren Entwicklungsplan bekommt; und dann kann man dort ganz verschiedene neue Wege gehen. Sie von den NEOS haben Freiheit erwähnt, die Ihnen ganz wichtig ist – alles das steckt da drinnen. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber es ist weni­ger!) Sie haben auch Leadership erwähnt – auch das steckt da drinnen.

Es wurde auch die wissenschaftliche Evidenz erwähnt: Wir werden das natürlich wis­senschaftlich begleiten, und dann schauen wir, was wir von diesen 100 Schulen für an­dere Schulen lernen können. (Abg. Meinl-Reisinger: Es waren schon einmal 500! Letztes Jahr im Jänner!) – Es steht ja nirgendwo geschrieben, dass es dann nicht auch 500 Schulen werden dürfen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Es waren schon einmal 500! Es wurde keine einzige umge­setzt! – Abg. Hammerschmid: Das liegt seit zwei Jahren!) – Es gibt im Moment noch gar keine. (Abg. Weratschnig: ... keine einzige umgesetzt von diesen 500! – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, eure sind auch nicht umgesetzt! Es waren aber schon 500 versprochen und dieses Versprechen ...!) – Wir sind seit zwei Wochen in der Regierung. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr versprecht nur noch 100 und seid stolz drauf!)

Mein ganz konkreter Vorschlag wäre – und diesbezüglich sehe ich relativ große Einig­keit im Saal –: Fangen wir doch einfach einmal ganz konkret an! Lieber Herr Minister, wir werden uns zusammensetzen und werden das in trockene Tücher bringen. Das hat anderswo funktioniert, Sie kennen die berühmte Rütli-Schule in Berlin, dort gibt es noch ein ähnliches Projekt, das School Turnaround heißt und auch funktioniert; die London Challenge wurde auch schon erwähnt. Genau das haben wir vor. Das ist eine Sache, die ganz ohne Ideologie funktioniert. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das auch hinkriegen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.


18.55.34

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Kuntzl, ich möchte nur eine kleine Bemerkung machen, und zwar hat Frau Heidi Glück damals auch den ehemaligen Stadtschulrats­präsidenten Scholz beraten. (Abg. Kuntzl: Schüssel! – Abg. Leichtfried: Schüssel, Schüssel!) Die Beratung des Präsidenten Scholz hat ausgezeichnet funktioniert und da hat Parteipolitik auch keine Rolle gespielt. (Abg. Leichtfried: Wie hat dieser Wolfgang geheißen?)


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Herr Scholz hat auch tatsächlich einen guten Bericht abgeliefert, und ich muss geste­hen, der Bericht, den Frau Wiesinger abgeliefert hat und der veröffentlicht wurde, hat auch seine Qualitäten und man kann daraus auch etwas ersehen. Gerade der Vorwurf, den Sie machen, es würde zu sehr Parteipolitik betrieben werden (Ruf bei der SPÖ: Was sonst, Herr Taschner? Was sonst?), konterkariert den Vorwurf, dass dann die schwarze Glück kam und versucht hat, schwarz zu spielen. Scholz ist in dieser Hinsicht vollkommen immun gegenüber jeder parteipolitischen Inanspruchnahme. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt ein sehr zögerlicher Applaus!)

Gerade Hopmann, ein Bildungstheoretiker von Format, hat gesagt: Parteipolitik ist gar nicht das Thema der Bildungspolitik, das ist ein vollkommenes Nebenthema. Das wirk­liche Thema ist ganz woanders.

Sie haben von Experten gesprochen, Frau Hammerschmid (Zwischenruf bei der SPÖ), Hopmann hat außerdem gesagt: „Immerhin sei unzweideutiges Expertenwissen in der Bildungspolitik eine Fantasie“. – Glauben Sie jenen Fachleuten, die das wirklich kön­nen! Zwei von ihnen, die an der Bildungspolitik konkret arbeiten und wissen, wo es lang­geht, haben wir heute gehört, die beiden Damen Salzmann und Deckenbacher. (Abg. Matznetter: Wir haben nichts gehört davon!) Sie wissen, dass wir auf einem guten Weg sind.

Frau Hammerschmid, Sie haben es wirklich - - (Abg. Leichtfried: Hammerschmid? – Abg. Matznetter: ... davon hat er keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Entschuldigung, Frau Hamann, Sie haben es wirklich gut auf den Punkt gebracht. Wir müssen in die Zukunft blicken, diese Suche nach Ursachen ist irgendwie uninteressant, wenn wir wissen, worauf es hinausläuft.

Frau Künsberg (Abg. Kuntzl: Verteilen Sie jetzt Noten, Herr Professor?), Sie haben ja gesagt, keiner von uns kümmert sich um die Zukunft, keiner will wissen, wie es im Jahr 2050 aussieht. Ich will es wissen, aber ich weiß es natürlich nicht, weil die Zukunft unberechenbar ist, das können Sie mir glauben. Ich weiß nur eines, und zwar, dass wir die Kinder darauf vorbereiten können. Wir können die Kinder darauf vorbereiten, indem sie Lesen, Schreiben, Rechnen und – das würde ich auch sagen – unbedingt Denken lernen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der zweite Punkt ist, dass sie wissen, woher sie kommen, und dass sie wissen, dass sie Fähigkeiten haben, in die Zukunft hineinzugehen. Da kommt diese digitale Bildung mit ins Spiel, und das wird alles von uns vorbereitet. Wir machen es geschickt, das will ich noch einmal wiederholen, denn wir gehen nicht mit ideologischen Betonmauern he­ran, sondern wir gehen von verschiedenen Sichtweisen aus und versuchen, trotz der verschiedenen Sichtweisen nicht in eine Sackgasse hineinzugehen, wo niemand den anderen verstehen möchte. Wir versuchen im hegelianischen Sinn, eine Synthese zu bilden, wo es einfach eine Zukunft gibt, und darauf sind wir sehr stolz.

Dazu haben wir gute Projekte, ich darf das noch einmal sagen, darunter die Deutsch­förderklassen. Die Tatsache, dass wir die Deutschförderklassen jetzt evaluieren und verbessern werden, zeigt, dass wir pragmatisch und nicht ideologisch denken. Das ha­ben wir Ihnen ja auch zugestanden und das ist auch ein wirklich wichtiger Punkt.

Zur Elementarbildung: Wir werden die Lehrpläne dahin gehend adaptieren, dass wir wirklich zukunftsweisende Lehrpläne haben, die dafür sorgen, dass den Kindern eine Karriere offensteht. Wir werden die Mittlere Reife einführen, die nichts damit zu tun hat, ob wir ein differenziertes oder nicht differenziertes Schulsystem haben. Das sind nur einige Punkte der Maßnahmen, die wir setzen werden, damit das Zusammenleben in den Klassen gut funktioniert. Über die Einführung der Time-out-Klassen und Ähnliches will ich schweigen, aber es ist wirklich viel im Gang.


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Wir sind eigentlich auf einem guten Weg, und ich lasse mir nicht von irgendjemandem sagen, wir machen da etwas Falsches. Frau Meinl-Reisinger, Sie haben versucht, Tü­ren aufzustoßen, aber die sind schon längst sperrangelweit offen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe probiert, durch­zugehen! Was ist, wenn ich mir dabei die Nase blutig schlage? – Abg. Leichtfried: Da war die erste Rede besser!)

18.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Philip, reiß di zsamm!)


19.00.06

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Regierungsmitglie­der! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf positiv beginnen: Frau Kol­legin Meinl-Reisinger, ich finde es toll, dass du weiterhin kämpfst und engagiert bist – auch wenn das Kritik von der ÖVP einträgt –, dass du die Hoffnung nicht aufgibst, dass man mit der ÖVP im Bereich der Bildungspolitik etwas weiterbringen kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr kriegt aber auch ordentlich euer Fett ab in dem Buch!)

Reden wir offen hier in diesem Saal: Wir wissen doch alle, dass die ÖVP im Bereich Bildungspolitik gar nichts weiterbringen möchte. Das weiß der Wirtschaftsbund, das wissen auch die unterschiedlichen Flügel der ÖVP. Es gibt eine kleine Gruppe von Be­tonierern, ein paar Dinosaurier in der ÖVP, die sagen, dass sich in diesem Bereich gar nichts ändern darf. – Das ist die Ausgangslage, vor der wir alle stehen. (Ruf bei der ÖVP: Wir müssen was ändern, weil Ihr früher zuständig wart!) Da gibt es jetzt unter­schiedliche Zugänge. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Man könnte ja sagen: Wir kämpfen wenigstens dafür, dass etwas weitergeht! Ich habe immer gesagt, es ist nicht leicht, mit der ÖVP etwas weiterzubringen, weil es in diesem Bereich eben diese Be­tonierer gibt. Das wissen wir alle, da sind wir alle einer Meinung. (Abg. Obernosterer: Nein, sind wir nicht!) Da brauchen wir nicht lange zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Punkt ist nur – und da bin ich bei der Frage der Kompromisse –, wir wissen: Es muss alles so bleiben, wie es ist. Der Herr Minister hat heute schon gesagt – er ist der Einzige, der sofort erkannt hat, dass man mit dieser ÖVP gar nichts weiterbringen kann, er hat deswegen gleich aufgegeben –, er orte eine gewisse Reformmüdigkeit. Er weiß also, dass da nichts weitergeht. Man könnte aber doch zumindest versuchen, dafür zu kämpfen.

Die Grünen haben gesagt, sie wollen etwas weiterbringen, die ÖVP sagt, sie will gar nichts weiterbringen – und dann trifft man sich irgendwo in der Mitte und sagt: Machen wir ein bisserl etwas! Das Problem ist nur: Ein bisserl etwas ist für viele junge Men­schen in Österreich zu wenig. Da geht es ja um Lebenschancen! Es geht da um das Leben von jungen Menschen, die vielleicht nicht mit dem goldenen Löffel im Mund ge­boren worden sind, und da müssten wir als Politiker sagen: Ja, die Talente entschei­den! (Abg. Michael Hammer: Und Ihr wart 15 Jahre zuständig!) Jeder Mensch in die­sem Land, in Österreich, verdient die besten Bildungschancen! Wir wollen keine Schu­le mehr, in der man Nachhilfe braucht! Wir wollen, dass alle Kinder die besten Chan­cen haben! – Das ist im Regierungsprogramm leider nicht herausgekommen, sondern lediglich ein paar Leuchttürme, die einfach zu wenig sind.

Ich finde es ja entzückend (in Richtung des mit Abg. Maurer sprechenden Bundesmi­nisters Anschober), dass der Herr Sozialminister jetzt ratschend dasitzt. Ich meine, das war das allerbeste Beispiel: Jetzt ist monatelang über die Kinderarmut diskutiert wor­den. Alle haben gesagt, die Kinderarmut muss bekämpft werden. Nach Monaten des Diskutierens präsentieren die Grünen gemeinsam mit der ÖVP etwas zur Bekämpfung der Kinderarmut, und was kommt heraus? – 100 Euro für arme Kinder sind herausge­kommen! Im Monat? – Nein, im Jahr! Das war die Geschichte, die der Herr Sozialmi-


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nister zustande gebracht hat. Er sagt: 27 Cent pro Tag, das ist die Maßnahme, mit der wir Kinderarmut bekämpfen! – Da kann dann die Mutter zum Kind sagen: Heute kaufst du dir in der Schule eine gute Jause – um 27 Cent –, aber bitte bio, denn der Herr So­zialminister ist ein Grüner!

Das ist ja alles lächerlich! Und das meine ich damit: Da werden ein paar Leuchttürme gesetzt, da wird ein bisschen etwas getan. – Da geht es um die Zukunftschancen von jungen Menschen! Ich weiß – ich sage das in Richtung Grüne –, dass es mit der ÖVP wirklich schwer ist. Ich weiß wirklich, dass es schwer ist, aber man muss doch zumin­dest kämpfen und es versuchen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Zur Causa Wiesinger nur ein einziger Satz: Herr Bundesminister, ich musste ja echt lachen! Sie sind inzwischen ein Politikfuchs, der sich immer so unschuldig gibt und so tut, als würde er das alles in Wahrheit gar nicht mitbekommen. Sie sagen ganz offen: Ich hätte mit Frau Wiesinger gerne noch über verallgemeinerte Kritiken ihrerseits ge­sprochen, aber dazu kam es nicht mehr! – Ich meine, Sie haben die Frau aussighaut und beschweren sich danach, dass Sie nicht mehr mit ihr haben reden können?! (Hei­terkeit des Redners.) Also, Herr Minister, so funktioniert das nicht! (Heiterkeit und Bei­fall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wie gesagt, wir alle wissen, dass es nicht leicht ist. Ich bitte die Grünen noch einmal: Kämpfen wir für gerechte Chancen! Nehmt die Frage der Kontrolle ein bisschen erns­ter! (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) – Nein, diese ganzen schwarzen Netz­werke in den Kabinetten haben wir jetzt lange genug diskutiert, ich möchte gar nicht darauf eingehen. Kollege Obernosterer weiß Bescheid. Ich könnte die ganze Leier von vorne beginnen, diese schwarze Einfärbung - - (Abg. Obernosterer: Deine Leier ken­ne ich schon auswendig!) – Danke, Kollege Obernosterer, du weißt es inzwischen! Al­so eine Bitte an die Grünen: Meldet euch bei Kollegen Obernosterer! Er weiß ganz ge­nau darüber Bescheid, wie die Parteibuchwirtschaft in der ÖVP unter Sebastian Kurz funktioniert, er steht gerne zur Verfügung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stögmüller: Guter Tipp! Danke!)

Geben wir uns bitte alle miteinander einen Ruck! Sagen wir nicht: Solange Sebastian Kurz Bundeskanzler ist, wird sich im Bildungsbereich nichts verbessern! Da ist es schade um die Zeit der jungen Menschen! Geben wir uns einen Ruck, gehen wir es ge­meinsam an und sorgen wir dafür, dass alle jungen Menschen die beste Bildung be­kommen und nicht weiterhin ÖVP-Stillstand in der Bildungspolitik herrscht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Obernosterer: Du wirst immer ge­scheiter! – Abg. Michael Hammer: Der Letzte dreht das Licht ab!)

19.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


19.04.52

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Als ich mein Lehramts­studium Deutsch und Geschichte abgeschlossen hatte, bin ich zum Stadtschulrat ge­gangen, um mich – wie das damals geheißen hat – für das Probejahr anzumelden. Ich bin dort – das war noch im Palais Epstein – durch die Gänge geirrt, habe die vermeint­lich richtige Stelle gefunden, bin dort hineingegangen und wollte mich anmelden.

Eine der ersten Fragen an mich war, welcher Partei ich denn angehöre – noch bevor ich überhaupt irgendein Formular, von denen es zahllose gegeben hat, um sich fürs Probejahr anzumelden, auszufüllen hatte. Das hat mich etwas verblüfft. Der Hinter­grund war: Je nachdem, bei welcher Partei man war – ich war damals bei keiner –, war


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ein anderer Beamter zuständig. Wie ich von AbsolventInnen zum Beispiel der Akade­mie der bildenden Künste höre, hat sich das in den Bildungsdirektionen bis heute nicht wirklich geändert.

Also: Wir alle wissen, dass die Schulen ein parteipolitisch besetzter Bereich sind, und ich glaube, es macht keinen Sinn, das zu leugnen. Wir sollten daran arbeiten, dass das anders wird, dass es viel mehr um Qualifikation und Interesse geht.

Lassen Sie mich aber einen Punkt nennen, der uns auch nach den Regierungsver­handlungen – wir haben das ja gemeinsam mit Heinz Faßmann verhandelt – immer noch schmerzt: das ist die Frage der Einführung der Schule der Zehn- bis 14-Jährigen, wobei ich immer von der Schule der Sechs- oder sogar Fünf- bis 14-Jährigen spreche.

Sie wissen: Wir hätten das gerne. Wir wissen: Die ÖVP ist diesbezüglich skeptisch. Vielleicht können wir uns aber – das steht nicht im Regierungsprogramm – während der nächsten fünf Jahre, in dieser Legislaturperiode, gemeinsam mit anderen – den NEOS, der SPÖ; ich glaube, die FPÖ will das gar nicht – darüber verständigen, dass wir das zumindest in Vorarlberg machen. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Es gibt eine wunderbare Studie der Fachhochschule Vorarlberg über die Einführung dessen in Vor­arlberg. Es gibt einen Allparteienbeschluss in Vorarlberg, es stehen wirklich alle Par­teien hinter dieser Idee. Es wurde eine komplizierte Konstruktion gefunden, wie diese Form eingeführt werden kann. Wenn man diese komplizierte Konstruktion gesetzlich anwendet (Abg. Loacker: Warum habt ihr das nicht ins Regierungsprogramm verhan­delt?), wird es in Österreich nie zu einer Gesamtschule beziehungsweise einer Schule der Zehn- bis 14-Jährigen kommen.

Vielleicht können wir uns aufraffen – dazu brauchen wir wirklich nicht Frau Wiesinger, sondern die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung –, uns gemeinsam an einen Tisch setzen und einen Versuch starten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

19.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


19.08.05

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Hamann, erzählen Sie uns hinterher, zu wie vielen Schulen Sie vom Herrn Bundesminister mitgenommen wurden und in wie vielen Sie fragen durften: Was braucht ihr?! – Ich glaube nämlich, Sie werden keine einzige Schule mit der ÖVP besuchen, und ich weiß, wovon ich rede. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wie auch mein Kollege Kucher schon gesagt hat: Wir diskutieren hier seit Jahrzehnten über Fortschritte und darüber, wie wir Fortschritte in der Bildungspolitik auf die Beine stellen können. (Abg. Michael Hammer: Das tut ihr immer!) Bis jetzt wurde jeder Schritt von der ÖVP blockiert. Durch die Einführung der Deutschförderklassen wurde sogar ein Rückschritt bewirkt. (Rufe bei der ÖVP: Bitte! Ah geh!) Herr Professor Taschner hat sich vor dem Sommer 2019 – nicht wahr, Herr Professor?; er ist ein sehr reflektierter Abgeordneter – hierhergestellt und gesagt: Die Deutschförderklassen haben nicht das gebracht, was wir uns erwartet haben! (Abg. Taschner: So habe ich es nicht gesagt!) – Das haben Sie nicht gesagt, aber sie sind gescheitert! (Abg. Taschner: Nein! – Abg. Belakowitsch: Warum wollen Sie das jetzt noch ...? – Ruf bei der ÖVP: Gescheitert ist die SPÖ!) Sie waren enttäuscht, dass sie nicht das Ergebnis gebracht haben, das Sie sich erdacht hatten. (Abg. Taschner: Erhofft!) Sie haben halt wirklich niemandem zu­gehört, der schon vorher gesagt hat, dass das nichts wird.


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Herr Hauser, machen Sie sich keine Sorgen um die Deutschförderklassen, sie werden dank der Grünen weitergeführt. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) – Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen, sie werden weitergeführt werden. (Abg. Hauser: Schön!)

Die Frage ist nur: Wie stellen wir uns die Bildungspolitik im 21. Jahrhundert vor? Gera­de für mich, sehr geehrte Damen und Herren, als Integrationssprecherin der SPÖ ist Bildung einer der wichtigsten Aspekte. Meine Erwartung in unser Bildungssystem ist, dass unsere Kinder vom Kindergarten an gefördert werden. Sie müssen Raum haben, sich zu kritischen, mündigen und selbstbestimmten Erwachsenen zu entwickeln. Da­rüber hinaus müssen sie lernen, sich in der Gesellschaft zu bewegen, das bedeutet auch – und jetzt müsst ihr alle stark sein – ein Ende der Sonderschulen, sehr geehrte Damen und Herren. Die Kinder müssen gemeinsam lernen, sich in unserer Gesell­schaft zu bewegen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), nur so können wir ein solidarisches Miteinander zusammenbringen.

Geben wir Matthias aus Simmering, Sohn einer Alleinerziehenden, und Lisa, Tochter von AkademikerInnen aus Hietzing, in unserem Land die gleiche Chance! Es ist mög­lich, es ist machbar, aber nicht mit der ÖVP – also nicht zu viel Hoffnung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

19.11


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Taschner zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. Bitte. (Abg. Michael Hammer: Rudi-Festspiele heute!)


19.11.51

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Frau Abgeordnete Yılmaz hat behauptet, ich hätte im Sommer 2019 gesagt, die Deutschförderklassen seien gescheitert. Das ist nicht der Fall.

Ich habe nur meine Enttäuschung mitgeteilt, dass sie noch nicht so gut funktioniert haben, wie wir es angedacht hatten. Sie werden aber verbessert (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) und sie sind in weiterer Verbesserung – und wir leben von der Hoff­nung und nicht von irgendeinem schlechten Nachgerede. (Beifall bei der ÖVP.)

19.12


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmans­dorff. – Bitte.


19.12.36

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Die Debatte hat gezeigt, wie wichtig sie ist. Es ist nämlich wichtig, über das Bildungssystem in Österreich zu dis­kutieren und darüber zu reden, wie wir das Bildungssystem weiterbringen, weil wir ganz, ganz viele Baustellen haben.

Ich möchte auf einige Vorredner eingehen, insbesondere auf Vorredner der ÖVP, weil schon Bemerkungen gefallen sind, über die ich mich sehr wundern muss.

Frau Kollegin Salzmann hat darüber gesprochen, dass Frau Wiesinger Lösungen fin­den muss. – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist nicht die Aufgabe der Frau Wiesinger – und da kann man zu ihr stehen, wie man will –, Lösungen zu bringen, sondern das ist Aufgabe der Politik (Zwischenruf bei der ÖVP); und die Politik hat mit Schwarz und Rot in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten versagt, deswegen ist die Situation jetzt so, wie sie ist. (Beifall bei den NEOS.)

Die Frau Kollegin hat auch davon gesprochen, dass die Schule nicht krank sei. – Ja, ich gebe Ihnen recht, die Schule ist nicht krank, aber es ist wiederum die Politik, die kranke Politik zwischen Schwarz und Rot der letzten Jahrzehnte, die dazu geführt hat,


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dass wir massive Probleme im Schulsystem haben. Beispielsweise haben wir das Problem, dass 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht sinnerfassend lesen können. Das ist Ihre Verantwortung gewesen. Sich hierherzustellen und zu sagen: Al­les ist super, alles ist paletti!, ist wirklich zum Fremdschämen.

Kollegin Niss hat über das Regierungsprogramm gesprochen, hat darüber gesprochen, wie großartig das Regierungsprogramm in diesem Bereich ist, wie großartig da die nächsten Schritte vorgezeichnet sind. – Jetzt kann man darüber diskutieren, wohin die­ses Regierungsprogramm führen soll, aber gerade im Bildungsbereich ist dieses Re­gierungsprogramm vor allem eines, nämlich oberflächlich. Ich finde, das Regierungs­programm liest sich generell, aber insbesondere im Bildungsbereich eher wie ein Gro­schenroman als wie ein ambitioniertes Programm, das wir brauchen, um die Schule auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.

Dann, Herr Minister, haben Sie von Evidenz gesprochen; es fehle Ihnen die Evidenz in den Aussagen der Frau Wiesinger. – Ich finde das wirklich sehr spannend, denn ich kann mich an diverse Expertenhearings erinnern, die wir zu den Pädagogikpaketen gehabt haben – Kollegin Hammerschmid kann sich sicher auch daran erinnern. Immer wieder haben wir ExpertInnen geholt, die genau diese Evidenz bringen sollten, und es war Ihnen und Ihrer Regierung einfach komplett egal, was die ExpertInnen gesagt ha­ben. Sie sind immer dagestanden und haben gesagt: Nein, es geht hier um die Par­teilinie, es geht um das, was im Regierungsprogramm steht, und eben nicht um die Evidenz! Und jetzt kommen Sie damit daher und sagen: Na ja, die große Evidenz bringt Frau Wiesinger nicht, deswegen müssen wir sie hinaushauen! – Ganz ehrlich, so geht es nicht! (Beifall bei den NEOS.)

Ich sage Ihnen eines ganz ehrlich: Frau Wiesinger und welche Rolle sie in Ihrem Mi­nisterium spielt, ist mir persönlich relativ egal; was mir aber nicht egal ist, ist die Zu­kunft der jungen Menschen. Es ist mir nicht egal, wenn es nach wie vor so ist, dass das Parteibuch darüber entscheidet, wer Direktor, wer Direktorin wird.

Wenn Sie sagen, im neuen System funktioniere das alles großartig und wir seien mit den Bildungsdirektionen jetzt unparteiisch, frage ich: Was ist denn mit den Bildungsdi­rektionen passiert? – Natürlich hat sich der Landeshauptmann überall zum Präsidenten gemacht! (Abg. Michael Hammer: In Oberösterreich nicht!) Das ist genau der Punkt gewesen, warum die Politik da weiterhin mitspricht, warum die Politik da nach wie vor ihre Füße in der Tür hat (Abg. Wöginger: Das sind sie nicht im Land!) und warum Entscheidungen (Abg. Sobotka: In Niederösterreich auch nicht!) natürlich noch überall so getroffen werden. Wir haben die Situation, dass ein Schulgebäude zwei gleiche Schultypen beheimatet und es einen roten und einen schwarzen Direktor gibt, aus dem einfachen Grund, dass Sie über Jahrzehnte dieses System nur dafür verwendet haben, dass Ihre Parteisoldaten da untergebracht werden – und das hat sich nicht geändert.

Was mir auch nicht egal ist, ist, dass Sie im Integrationswesen – Kollege Shetty hat es angesprochen – nur Scheindebatten geführt haben, in der letzten Regierungsperiode und auch jetzt noch. Es geht nur um Scheinlösungen. Es gibt keine umfassenden Inte­grationsmaßnahmen im Bildungsbereich, es passiert nichts. Es ist auch nicht egal, auch das wurde angesprochen, dass Sie, wenn Sie über den Chancenbonus reden, nach Gutdünken 100 Schulen auswählen wollen, anstatt ein Schulsystem grundlegend zu reformieren, grundlegend überall den jungen Menschen die besten Chancen zu ge­ben. Das kann einem nicht egal sein; es ist Ihnen leider egal.

Es ist nicht egal, wenn Sie Lehrer alleine lassen, aber Sie machen es. Wo bleibt das Unterstützungspersonal? Es wurde oft gefordert: von uns, von der SPÖ, früher auch von den Grünen immer. Es kommt nicht, es ist bisher nicht gekommen. Das kann ei­nem nicht egal sein.


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Ich finde, es ist auch nicht egal, wenn Sie großartig I-Pad-Klassen ankündigen, indem Sie irgendwo in Singapur mit Herrn Bundeskanzler Kurz ein Foto machen und er sagt: Hey, jetzt kommen I-Pad-Klassen!, und es keine Strategie dafür gibt. Es gibt bis heute keine Digitalisierungsstrategie, keine Strategie dafür, wie wir mit diesen Herausforde­rungen umgehen wollen. Das kann einem nicht egal sein.

Und es kann einem auch nicht egal sein, wenn wir in diesem System nach wie vor in Klötzen arbeiten und nicht auf die Vielfältigkeit hinweisen, denn genau diese Vielfältig­keit im Schulsystem brauchen wir, um die Talente jedes Einzelnen zu fördern, um je­dem Einzelnen Chancen zu geben. Das hat Kollegin Maurer, wie ich finde, ganz gut angesprochen. Sie hat darüber gesprochen, dass sie in ihrem Leben sehr viel Glück gehabt hat: Glück, dass man in die richtige Schule kommt, Glück, dass man Lehrerin­nen und Lehrer hat, die einen unterstützen.

Das ist das Problem in unserem Schulsystem: dass es um Glück geht, dass es nicht ein Schulsystem der Chancen ist, sondern eines des Glücks. Wir NEOS stehen dafür, dass das endlich aufhört und dass jeder in diesem Schulsystem seine Chancen be­kommt. Ich bitte Sie inständig, jetzt endlich damit zu beginnen, das umzusetzen. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.18

19.18.06


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ethikunterricht für alle“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über einen weiteren Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Chancen­gerechtigkeit im Bildungssystem“.

Wer schließt sich diesem Entschließungsantrag an? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

19.18.51Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tages­ordnung, deren Verhandlung ich nun wieder aufnehme.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


19.19.23

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen jetzt die Diskussion zum Thema Mindestsicherung beziehungsweise Sozialhilfe Neu fort.

Die Aufhebung weiter Teile des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch den VfGH – Stichworte seien die regressive Staffelung der Kinderbeiträge und auch die Kürzung der Sozialhilfe Neu bei unzureichenden Deutschkenntnissen – hat eine Situation er­zeugt, die den Bundesländern neue Spielräume bei der Gestaltung der Sozialhilfe Neu beziehungsweise der Mindestsicherung im Rahmen des VfGH-Erkenntnisses gibt.

Wir sind darüber sehr froh, weil dadurch tatsächlich auch wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut insgesamt, aber auch insbesondere der Kinderarmut er-


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möglicht werden und beispielsweise auch deutlich höhere Kindersätze im Rahmen der Mindestsicherung, etwa in Wien, in Tirol oder in Vorarlberg – lauter Länder mit grüner Regierungsbeteiligung –, beibehalten werden können und so wirklich auch weiterhin aktiv die ärmsten Kinder aus armen Familien offensiv unterstützt werden können; es war ja zuvor von Kinderarmut die Rede. (Beifall bei den Grünen.)

Aufgrund dieser neuen Situation hat auch unser neuer Sozialminister Rudi Anschober angekündigt, dass er sich in den nächsten Wochen und Monaten mit den Verantwortli­chen der Länder, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammensetzen wird und sich bemühen wird, ein gemeinsames Vorgehen in Sachen Sozialhilfe Neu, Mindest­sicherung, Armutsbekämpfung, Bekämpfung von Kinderarmut zu suchen und auch Mehrheiten für Maßnahmen, die gegen Kinderarmut wirken sollen, zu finden.

Diese Vorgangsweise ist auch deshalb sinnvoll, richtig und wichtig, weil im Regie­rungsprogramm auch einige Punkte vorhanden sind, bei denen es im Zusammenhang mit der Mindestsicherung, der Sozialhilfe Neu auch 15a-Vereinbarungen brauchen wird. Ich denke da zum Beispiel an die stärkere Einbindung von SozialhilfebezieherIn­nen, MindestsicherungsbezieherInnen ins AMS, in Maßnahmen des AMS, in Betreu­ung, Unterstützung im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Wir halten diese Vorgangsweise, wie sie Minister Anschober angekündigt hat, für sinnvoll und un­terstützen sie, auch wenn wir einzelne Anliegen und Zielsetzungen des SPÖ-Antrages für ein neues Grundsatzgesetz durchaus verstehen und auch unterstützen können.

Das Problem ist nur, wir sehen derzeit keine Mehrheiten für ein derartiges Grundsatz­gesetz, sodass es sich wirklich auszahlen würde, sich damit intensiver auseinander­zusetzen. Es hat sich auch gezeigt, dass der Gestaltungsspielraum, den ein derartiges Grundsatzgesetz gibt, durchaus eingeschränkt ist, wie letztendlich auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergeben hat.

Weil wir uns im Regierungsprogramm darauf geeinigt haben, dass wir die Zahl der Ar­mutsgefährdeten in dieser Legislaturperiode halbieren wollen, haben die Abgeordneten Koza und Hammer in der letzten Arbeits- und Sozialausschusssitzung einen mehrheit­lich angenommenen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ehestmöglich geeignete Maßnahmen zu setzen, um die Zahl der ar­mutsgefährdeten Menschen in Österreich zu halbieren.

Ich bringe zu diesem Antrag folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Mag. Markus Koza zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und So­ziales über den Antrag 139/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend armutsvermeidende Mindestsicherung.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die dem Ausschussbericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 28 der Beilagen angeschlossene Entschließung wird wie folgt geändert:

Die Wortfolge „Ausschuss für Arbeit und Soziales“ wird durch das Wort „Nationalrat“ er­setzt.

*****

Wir setzen große Hoffnungen darauf, dass es jetzt mit der Bekämpfung von Armut und Kinderarmut tatsächlich ernst wird, denn wer Rudi Anschober kennt, weiß, dass er den Worten auch Taten folgen lässt. (Beifall bei den Grünen.)


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Wer Rudi Anschober kennt, weiß, dass es ihm mit Sicherheit mit der Frage, die Le­benssituation von Tausenden armen und armutsgefährdeten Menschen in diesem Land deutlich zu verbessern und zu mehr Chancengerechtigkeit zu kommen, ernst ist.

In diesem Sinne: Glück auf, lieber Rudi! Gutes Gelingen! Unsere Unterstützung hast du. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Markus Koza zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 139/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend armutsvermeidende Mindestsicherung (28 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die dem Ausschussbericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 28 der Beilagen angeschlossene Entschließung wird wie folgt geändert:

Die Wortfolge „Ausschuss für Arbeit und Soziales“ wird durch das Wort „Nationalrat“ ersetzt.

Begründung

Es handelt sich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


19.25.15

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Koza! Es war sehr spannend, was Sie gesagt haben, denn das spiegelt natürlich auch das Verhalten dieser Koalition im Ausschuss wider: Sie wollen wieder zurück zu den 15a-Vereinbarungen. – Genau das war aber nicht das Ziel, als dieses Grundsatzgesetz beschlossen worden ist. Das stand nämlich unter dem Motto: die neue Gerechtigkeit. Da muss man jetzt die ÖVP schon auch ein bissel daran erinnern, was denn das Ziel dieses Grundsatzgesetzes war, was überhaupt das Ziel der Mindestsicherungsreform war.

Wir haben den Skandal in Wien gehabt. Da sind mehrere Tausend Euro an Familien ausbezahlt worden, und das nicht nur einmal, weil ein Fehler passiert ist, sondern das ist in Wien gang und gäbe. Genau das hat eine Reform notwendig gemacht, denn wenn Menschen, weil sie ja so große Bedarfsgemeinschaften bilden, mehr Geld aus der Mindestsicherung lukrieren, als eine normale, durchschnittliche Familie jemals ver­dienen kann, na dann ist doch eine Schieflage in dem System! (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu kam, dass es Familien gegeben hat, die dann beispielsweise aus Oberösterreich nach Wien gezogen sind, weil sie dort mehr Mindestsicherung bekommen haben, als


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sie in Oberösterreich hätten verdienen können. Diese Schieflage wieder zu korrigieren und ins Lot zu bringen, genau das war der Grund, warum diese Mindestsicherungs­reform notwendig geworden ist. Daher gab es eben dann den Beschluss des Grund­satzgesetzes.

Die SPÖ war von Anfang an dagegen – klar, denn ihre Neuwähler musste sie ja be­dienen oder möchte sie auch in Zukunft bedienen. Ich habe es schon erwähnt, meh­rere Tausend Euro – 3 000, 4 000 Euro – sind ja keine Kleinigkeit für tschetschenische Familien mit fünf, sechs Kindern. Das ist die Normalität in Wien, und die möchte die SPÖ ja gerne beibehalten. Es ist aus ihrer Sicht nachvollziehbar, für den österreichi­schen Steuerzahler aber nicht.

Also haben wir uns damals zusammengesetzt und ein Grundsatzgesetz geschnürt. Dann hat es die SPÖ in 13 Punkten angefochten. Zehn von den angefochtenen Punk­ten sind nicht aufgehoben worden, im Übrigen alle anderen auch nicht, die sie nicht angefochten hat. Einzig und allein drei Punkte sind übrig geblieben. Das eine war eine Statistik – na gut, soll sein! –, das andere waren die Staffelung der Kinderbeiträge be­ziehungsweise die Verknüpfung von Sachleistungen für Asylberechtigte mit Sprach­kenntnissen – Deutsch oder Englisch auf hohem Niveau. Das wurde aufgehoben.

Was heißt das jetzt genau? – Das heißt, das Grundsatzgesetz ist selbstverständlich gültig und von allen neun Bundesländern umzusetzen. Es gibt ja beispielsweise Ober­österreich und Niederösterreich, die das bereits in ihren Ausführungsgesetzen umge­setzt haben. Andere Länder sind säumig. Genau aus diesem Grund sind wir ja herge­gangen und haben gesagt: Herr Bundesminister, bitte sprechen Sie doch mit diesen Ländern, mit diesen Soziallandesräten oder in Wien mit dem Sozialstadtrat, damit auch diese säumigen Länder das jetzt bitte schön einmal in Ausführungsgesetze umsetzen! Stadtrat Hacker hat ja in einem Interview erst kürzlich wieder gesagt, ihm ist das wurscht, er fühlt sich dazu nicht verpflichtet.

Da muss man einmal zuerst das Gespräch suchen, denn wenn sie es weiterhin nicht umsetzen, wird es Ihre Aufgabe sein, ein Ausführungsgesetz für das Land Wien zu schreiben. Das sage ich Ihnen auch. Da kann man nicht einfach wegschauen und so tun, als wäre alles in Ordnung.

Aber die ÖVP steckt den Kopf in den Sand. Sie haben dagegen gestimmt, dass die Länder jetzt weitermachen müssen. Das heißt, von diesem Mindestsicherungsgesetz, das ihr auch maßgeblich mitbestimmt habt, habt ihr euch verabschiedet, das ist für euch nicht mehr wichtig. Jetzt gibt es wieder nur mehr 15a-Vereinbarungen. Der Bun­deskanzler hat sich schon hingestellt und gesagt: Ach, das sollen alles wieder die Län­der machen! – Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! Im Übrigen ist es auch nicht der gesetzeskonforme Weg, den ihr da geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich finde es auch wirklich bedauerlich, wenn ich das jetzt sagen muss: Es betrifft ja auch die Verbesserungen, die wir drinnen haben, nämlich beispielsweise einen Bonus für Menschen mit Behinderungen, weil die es am Arbeitsmarkt besonders schwer ha­ben (Abg. Michael Hammer: Das bleibt eh!), einen Bonus für Alleinerziehende, weil die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben. (Abg. Michael Hammer: Das bleibt auch!) Wir haben beispielsweise den Zugriff auf das Vermögen ausgeweitet, das heißt, dass dieser erst nach drei Jahren möglich ist. Das ist vor allem eine Verbesserung für sogenannte Aufstocker, die oftmals aufgrund einer Betreuungssituation, vielleicht Ka­renz kurzfristig weniger verdienen. Auch das würde Alleinerzieher treffen. Das sind al­les Maßnahmen, die auch nicht umgesetzt werden.

Auffallend ist, dass diese Verbesserungen in der Regel Österreicher betreffen, wäh­rend die hohen Beträge mit den vielen Tausendern zum Gutteil an die Riesenfamilien, die ausländischen Großfamilien in Wien gegangen sind. Diese Schieflage gilt es end­lich wieder zu korrigieren.


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Was bewirken Sie denn damit? – Die Zuwanderung in das Sozialsystem wird weiterhin gefördert, genau das, was Sie zumindest vorgegeben haben, liebe Freunde von der ÖVP, abstellen zu wollen. Genau das wird wieder stattfinden: eine Zuwanderung in das Sozialsystem. Natürlich spricht sich das herum! Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass in Niederösterreich vor wenigen Tagen 70 Illegale aufgegriffen worden sind – die wissen natürlich schon, dass in Österreich jetzt eine neue Regierung an der Macht ist, dass es keinen Binnengrenzschutz geben wird und die Mindestsicherung jetzt wieder für alle offen sein wird!

Auf der anderen Seite sollen aber, wenn man der ÖVP so zuhört, Verschärfungen beim Arbeitslosengeld kommen und die Zumutbarkeitsbestimmungen sollen verschärft wer­den. Das heißt, jene Leute, die arbeiten, die etwas tun, die etwas leisten, werden dafür bestraft, wenn sie möglicherweise arbeitslos sind – und über Menschen, die aus aller Herren Länder kommen und noch nie einen Cent in dieses System einbezahlt haben, schüttet man das Füllhorn aus! Diese Schieflage gehört korrigiert und gehört bekämpft, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Weratschnig: Diese Rede ist eine Schieflage!) – Regen Sie sich nicht so auf!

Ich sage Ihnen noch eines: Unser Sozialsystem werden wir auf Dauer nur halten kön­nen, wenn wir auf die Leistungs- und Arbeitskraft jener Rücksicht nehmen, die das System bezahlen – aber das sind die, die ihr jetzt bestraft! Ihr seid dafür, dass das Die­selprivileg aufgehoben wird. Ihr seid nur für Verteuerung, in dieser Regierung der Rei­chen für die Reichen. Ihr habt für die Arbeitnehmer, für jene Menschen in Österreich, die sich ihr Geld schwer verdienen, die es schwer haben, überhaupt nichts im Regie­rungsprogramm, aber über Zuwanderer wird das Füllhorn weiter ausgeschüttet. (Beifall bei der FPÖ.)

19.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mi­chael Hammer. – Bitte.


19.31.35

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Belako­witsch-Jenewein (Abg. Belakowitsch: Nur mehr Belakowitsch!), es ist halt nicht jedes Thema dazu geeignet, gleich wieder Fundamental- und Radikalopposition zu spielen. Man kann dieses Thema der Sozialhilfe-Grundsatzgesetzgebung nämlich auch sach­lich diskutieren und auf das zurückkommen, worum es wirklich geht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Ich darf aber schon für meine Fraktion eines festhalten, denn Sie haben hier ja wieder in Art einer Legendenbildung etwas vorgetragen (Abg. Belakowitsch: Das ist keine Le­gende, ihr habt dagegen gestimmt!): Wir bekennen uns nach wie vor zu dem, was auch in der letzten Regierung an Zielsetzungen verfolgt worden ist, nur muss man eben zur Kenntnis nehmen – und wir als Demokraten, die an den Rechtsstaat glauben, nehmen das zur Kenntnis –, dass der Verfassungsgerichtshof ein anderslautendes Erkenntnis ge­troffen hat. (Abg. Kickl: Wie praktisch für euch! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Eines ist jedoch klar: Wir haben uns immer dazu bekannt, dass es im Bereich der So­zialhilfe eine bundesweit einheitliche Grundsatzregelung geben soll, und das steht jetzt auch nicht infrage. (Abg. Belakowitsch: Aha!) Wir haben immer gesagt – und dazu be­kennt sich auch die Regierung –, es braucht Gerechtigkeit im System. Wir haben ja mit einigen Stellschrauben, an denen wir mit der Sozialhilfe Neu gedreht haben, sicherge­stellt (Abg. Belakowitsch: Dass es nicht umgesetzt wird!), dass es Gerechtigkeit gibt, überhaupt dort, wo es um Menschen im Erwerbsleben mit mehreren Kindern geht, die möglicherweise nicht diese gestaffelten Kinderbeiträge bekommen. Es war uns wichtig,


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dass die deutsche Sprache und die Integration als Schlüssel für die Sozialhilfe gelten, und es war uns auch wichtig, Wiedereinstiegsanreize zu geben. Außerdem – Sie ha­ben das auch angesprochen, und das tritt ja nicht außer Kraft – gibt es Verbesse­rungen für Alleinerziehende und vor allem auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. (Abg. Belakowitsch: Die müssen umgesetzt werden! Man muss sie umsetzen!)

Was ist jetzt rechtlich Sache? – Der Verfassungsgerichtshof hat einmal grundsätzlich festgestellt, dass eine Grundsatzgesetzgebung des Bundes nicht in die Rechte der Länder eingreift, das heißt, das Grundsatzgesetz bleibt aufrecht und in Kraft. Aufgeho­ben wurden die Staffelung der Kinderbeiträge für Mehrkindfamilien und der Arbeitsqua­lifizierungsbonus, weil der Verfassungsgerichtshof gesagt hat, es gebe auch Beschäf­tigungsmöglichkeiten, für die Deutsch- oder Englischkenntnisse auf hohem Niveau nicht essenziell seien. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Die dritte Bestimmung betrifft den Bereich der Sozialhilfestatistik hinsichtlich des Datenschutzes. Es wurden also zwei inhaltliche Regelungen aufgehoben. (Abg. Wurm: Von 13!) Der Rest bleibt weiter­hin in Kraft, das heißt, die Diskussion über ein neues Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist damit einmal obsolet. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bleibt, abgesehen von diesen zwei Bestimmungen, in Kraft, und es liegt jetzt an den Ländern, die entsprechenden Regelungen zu treffen, das wurde ja auch schon gesagt. (Abg. Belakowitsch: Ja, ge­nau!)

Weil Sie in diesem Zusammenhang so hyperventilieren, Frau Belakowitsch: Es gibt zwei Bundesländer, Oberösterreich und Niederösterreich, die schon Regelungen ge­troffen haben, was den Arbeitsqualifizierungsbonus und die Staffelung für Mehrkindfa­milien anbelangt. Da hat der Verfassungsgerichtshof auch festgestellt, dass das rechts­konform ist. Die Länder können also in ihrem Wirkungsbereich auch entsprechende Regelungen für diese durch den VfGH aufgehobenen Punkte im Sozialhilfe-Grundsatz­gesetz treffen. (Abg. Belakowitsch: Aber sie machen es nicht!)

Für uns ist wichtig: Wir bekennen uns zu dieser Sozialhilfe-Grundsatzgesetzgebung und dazu, dass wir damit mehr Gerechtigkeit ins System bringen. Das ist uns beson­ders wichtig. Das Regierungsprogramm hält das auch fest. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir in einem reichen Land wie Österreich gezielte Maßnahmen zur Armutsbe­kämpfung setzen. Wir haben das auch in unserem Entschließungsantrag festgehalten, in dem es um die Stärkung von Familien mit mehreren Kindern und niedrigen Einkom­men geht, um die Errichtung von One-Stop-Shops und Case-Management. Da muss man entsprechend handeln. Wir bekennen uns dazu, dass die alte Mindestsicherung, die Sozialhilfe nicht ungerecht sein soll – aber dort, wo es eine Armutsgefährdung gibt, muss man gezielt hinschauen und auch entsprechende Maßnahmen setzen. Das sieht das Regierungsprogramm vor und das werden wir tun.

Sie sagen immer, wir müssten die Länder zum Handeln auffordern und der Minister müsste mit denen reden. (Abg. Belakowitsch: Die haben es nicht umgesetzt!) Es gibt ein Grundsatzgesetz und die Länder müssen Ausführungsgesetze erlassen. (Abg. Be­lakowitsch: Sie tun es aber nicht!) – Ja, das können Sie ihnen eh ausrichten, Sie sind ja auch in Wien tätig. (Abg. Belakowitsch: Ist nicht nur Wien – sieben Länder sind säumig!) Sie müssen es tun, vor allem die Stadt oder das Land Wien ist da säumig. Die Gesetzgebung ist da relativ klar, und die Länder werden das auch entsprechend lösen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich bin es schon gewohnt, dass Sie das jetzt hundertmal wiederholen – aber wir sind da auf einem guten Weg, und die Grundsatzgesetzgebung bleibt aufrecht. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 188

19.36.25

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir schreiben nun Jänner 2020, und in den letzten Jahren ist in Sachen Sozialhilfe und Mindestsicherung nicht viel mehr produziert wor­den als ein paar VfGH-Verfahren und viel heiße Luft, und so auch heute. Wir haben hier den Antrag der FPÖ, mit dem die FPÖ die Regierung auffordert, die Länder auf­zufordern, Gesetze zu beschließen, also nichts Neues (Abg. Lukas Hammer: Die sie sowieso beschließen müssen!), und die SPÖ hat einen Antrag eingebracht, der ei­gentlich von der Hofer-Werbung abgeschaut ist, er sagt nämlich nicht viel mehr als: zu­rück zum Ursprung! – so wie es immer war, viel Neues ist da nicht dabei.

Das stärkste Gebläse zur Produktion heißer Luft haben aber schon die schwarzen und grünen Abgeordneten im Ausschuss bewiesen, die einen Antrag eingebracht haben, mit dem sie die eigene Regierung auffordern, das Regierungsprogramm umzusetzen und – jetzt kommt es – in einem ersten Schritt die Zahl der Armutsgefährdeten zu hal­bieren.

So etwas kann ja wirklich nur jemand beantragen, der nicht versteht, wie man Ar­mutsgefährdungsquoten berechnet! Wer meint, man könnte das schnell halbieren, meint auch, man könnte das auf null setzen. Armutsgefährdung berechnet sich aber immer in Prozent des Medianeinkommens und Sie können die Armutsgefährdung nur auf null setzen, wenn alle mehr oder weniger gleich viel verdienen. Das geht also nur, wenn Sie nicht nur Kollektivvertragslöhne haben, sondern wenn Sie oben auch noch einen Deckel einziehen. Wenn die Schwarzen das wollen, dann sagen Sie es bitte deutlich. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das die Absicht war, geschrieben haben Sie es. (Beifall bei den NEOS.)

Was wir von den NEOS wollen, ist eine echte Reform der Sozialhilfe: ein System, das einfacher, transparent und treffsicher ist, das den Menschen auf die Beine hilft, wenn sie es brauchen, und das ihnen ermöglicht, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, wenn sie so weit sind. Dafür muss man aber schon einen Blick auf die Wechselbe­ziehung zwischen den Systemen Arbeitslosenversicherung und Mindestsicherung be­ziehungsweise Sozialhilfe werfen, weil diese Systeme natürlich miteinander korrespon­dieren. Über 70 Prozent der Sozialhilfebezieher stocken auf, das heißt, die beziehen oft auch eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und stocken mit der Mindest­sicherung auf. Sie müssen zu zwei Behörden gehen, damit sie einmal sozial abge­sichert sind.

Zugrunde liegt ein Problem: nämlich die zeitlich unbegrenzt gewährte Notstandshilfe. Schon der Rechnungshof hat vor einigen Jahren gesagt, dass die Systeme der So­zialhilfe, also Mindestsicherung und Notstandshilfe, zu einem gemeinsamen System der sozialen Absicherung zusammengeführt gehören, weil natürlich eine zeitlich unbe­grenzte Leistung aus der Arbeitslosenversicherung die Versichertengemeinschaft über­strapaziert. Man müsste also berücksichtigen, wie lange jemand eingezahlt hat, wie viel er eingezahlt hat, und davon die Bezugsdauer abhängig machen.

Damit würde man eben den Vorschlag des Rechnungshofes umsetzen und ein ge­meinsames System der sozialen Absicherung schaffen. Ich bringe daher folgenden An­trag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Sys­tem sozialer Sicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 189

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die ein einziges System der sozialen Absicherung schafft. Dafür sollen, den Empfehlungen des Rechnungshof folgend, nicht unterbrochene Bezugsdauer von Ar­beitslosengeld und darauffolgender Notstandshilfe zeitlich limitiert und damit die Not­standshilfe langfristig von der Sozialhilfe abgegrenzt werden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

19.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein System sozialer Sicherung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 10. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 173/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhil­fe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (29 d.B.) — TOP 6

Von einem österreichweit einheitlichen System der Sozialhilfe kann nach wie vor keine Rede sein, selbst wenn sich die alte FPÖ-ÖVP-Regierung dafür gerühmt hat, zum ers­ten Mal ein Grundgesetz in diesem Bereich geschaffen zu haben. Eine Reform der Ar­beitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) wurde ebenso wenig angegangen. Auch unter der aktuellen schwarz-grünen Bundesregierung ist eine solche nicht absehbar und im Regierungsprogramm 2020-24 nicht vorgesehen. Eine echte, nachhaltige Reform des österreichischen Systems der sozialen Sicherung macht aber nur Sinn, wenn die Wechselwirkungen zwischen Sozialhilfe und Leistungen der Arbeitslosenversicherung genauer betrachtet und in einem Schritt reformiert werden.

Denn die Ausgestaltung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist eine zentrale Frage, wenn es darum geht, Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, einer­seits entsprechend sozial abzusichern, andererseits diese Personen auch wieder rasch in Beschäftigung zu bringen und die Dauer der Arbeitslosigkeit kurz zu halten. Dazu wurden von wirtschaftswissenschaftlicher Seite unterschiedliche Einflussfaktoren be­leuchtet und Lösungsvorschläge für etwaige Problemstellungen erarbeitet. Im Bereich der passiven Leistungen der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aufgrund dieser mikroökonomischen Überlegungen umfangreiche Vorschläge zu einer optimalen Aus­gestaltung dieser, insbesondere in Bezug auf die zeitliche Ausgestaltung von Ersatz­raten, Dauer und Verpflichtungen für den Erhalt der Versicherungsleistung selbst.

Wesentliche wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse - insbesondere aus einer euro­päischen Perspektive - ergeben sich aus Entwicklungen und umgesetzten Politiken in den 1990er-Jahren. Die Studien dazu sind relativ deutlich: "What we have learned the most about is unemployment insurance. The evidence is that limiting of benefits, as well as making them more contingent on job search and job acceptance, leads to more active search, a lower reservation wage, and lower duration of unemployment" (Blan­chard (2006)). Vor diesem Hintergrund muss auch die österreichische passive Arbeits­marktpolitik diskutiert werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 190

Ziel sollte es sein, Menschen Werkzeuge in die Hand zu geben, um ein möglichst ei­genverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Das bedeutet, dass die Zeiten von Arbeitslosigkeit möglichst kurz sein sollten, um die negativen sozialen Fol­gen, aber auch die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmarktchancen der Betroffe­nen zu reduzieren. Gerade im Hinblick auf die Dauer der Leistungen der Arbeitslo­senversicherung ergibt sich für Österreich ein interessantes Bild: Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die österreichische Ausgestaltung von Geldleistungen aus der Ar­beitslosenversicherung nicht den internationalen Standards und vor allem nicht öko­nomisch sinnvollen Konzepten entspricht. International anerkannte Standards setzen mit einer langsamen Variation bzw. Reduktion der Nettoersatzrate Arbeitsanreize und erhöhen diese Anreize im Zeitverlauf. In Österreich geschieht das nicht. So verändert sich die Nettoersatzrate im zeitlichen Verlauf nicht. Ein derartiges System gibt es, mit Ausnahme von Österreich und Belgien, in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat.

Die "herausragende" Position Österreichs ergibt sich aus der Ausgestaltung der Not­standshilfe - die Versicherungsleistung im Falle einer längeren Arbeitslosigkeit, die zeit­lich unbegrenzt bezogen werden kann. Im Jahresdurchschnitt 2018 bezogen 274.361 Per­sonen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Dabei gab es mehr Bezieher_innen von Notstandshilfe als Arbeitslosengeldbezieher_innen, wie die folgende Tabelle zeigt (Quelle: Statistik Austria):

 

Anzahl 2017

durch­schnitt­licher Tagessatz in €
2017

durch­schnittlich pro Monat 2017

Anzahl 2018

durch­schnittli­cher Tagsatz 2018

durch­schnitt­lich
pro Monat 2018

Arbeitslosen­geldbezie­her_innen

138.015

31,68

963,6

130.759

32,13

977,29

Notstands­hilfebezie­her_innen

157.483

25,07

762,55

143.602

25,99

790,53

Die Ausgestaltung der Notstandshilfe bzw. generell der passiven Leistungen der Ar­beitslosenversicherung beeinflusst die Dauer von Arbeitslosigkeitsphasen maßgeblich. Diese evidente Tatsache wurde in der österreichischen Diskussion lange Zeit völlig au­ßer Acht gelassen. Abgesehen von der wirtschaftswissenschaftlich fragwürdigen Aus­gestaltung fehlt auch eine Berücksichtigung von Interessen der Versichertengemein­schaft.

Das Versicherungsprinzip wird überspannt, wenn die Arbeitslosenversicherung Leis­tungen der Notstandshilfe zeitlich unbegrenzt ausbezahlt. Das überfordert die Solida­rität der Versichertengemeinschaft, denn das Arbeitslosengeld und die ihr folgende Notstandshilfe stellen eine Geldleistung zur Kompensation des vorübergehenden Ein­kommensentfalls aufgrund eines Jobverlustes dar. Logisch folgt daraus eine Koppe­lung der Bezugsdauer an die Zeit, in der tatsächlich Beiträge in die Arbeitslosenversi­cherung bezahlt wurden, um so jenen, die mehr Beiträge bezahlt haben, auch längere Leistung zukommen zu lassen. Außerdem braucht es eine Überführung von Notstands­hilfebezieher_innen in die Sozialhilfe nach einem länger andauernden Bezug.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 191

Von einer solchen hat sowohl die bestehende Bundesregierung als auch die Vorgän­gerregierung unter Schwarz-Blau Abstand genommen. Sie wäre aber eine notwendige Voraussetzung für ein funktionierendes System der Sozialhilfe, das es Menschen er­möglicht, so selbstbestimmt und eigenständig wie möglich zu leben.

Insbesondere eine Harmonisierung bzw. Zusammenführung der Notstandshilfe und Mindestsicherung/Sozialhilfe wird auch vom Rechnungshof (Reihe Bund 2014/9) als notwendig erachtet:

„Der RH verkannte nicht die systembedingt unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzun­gen und Ziele und die sich daraus ergebenden Leistungsunterschiede der Mindestsi­cherung und der Notstandshilfe. Dessen ungeachtet hielt er es für zweckmäßig, insbe­sondere im Falle längerer Bezugszeiträume eine Harmonisierung beider Systeme zu erwägen. Der RH empfahl daher auf eine Harmonisierung bzw. Überführung in ein ein­ziges Versorgungssystem für jene Fälle, in denen längere Notstandshilfe- bzw. Min­destsicherungsbezugsdauern vorlagen, hinzuwirken.“

Gerade im Hinblick auf Diskussionen über Reformen bzw. Weiterentwicklung im Be­reich der Sozialhilfe muss auch die Wechselbeziehung von Sozialhilfe und Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, insbesondere die Notstandshilfe, genauer betrachtet werden. Die Zahlen belegen eindrücklich, dass die Höhe der Notstandshilfe teils deut­lich unter den Richtsätzen der Sozialhilfe von 917,35 Euro für alleinstehende Personen (Netto-Ausgleichszulagen-Richtsatz 2020) liegt. Für entsprechend viele Notstandshilfe­bezieher_innen ergibt sich dadurch auch ein Anspruch auf Sozialhilfe als sogenannte „Aufstocker“.

Die Umsetzung dieser Forderung würde auch zu einem Abbau einer wesentlichen Doppelstruktur führen. Denn wie der Bericht des Rechnungshofes verdeutlicht, erhält ein großer Teil der Sozialhilfebezieher_innen diese als eine Teilleistung und nicht als Vollleistung, d.h. die Sozialhilfe wird nur teilweise ausbezahlt, wenn ein anderer Sozial­transfer (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) unter dem Niveau der Sozialhilfe liegt.

Eine vom Rechnungshof geforderte Zusammenführung der Notstandshilfe mit der So­zialhilfe bei langer Bezugsdauer würde diese Problematik aufheben. Gerade der Über­gang von Notstandshilfebezug in den Bezug der Sozialhilfe könnte einen zusätzlichen Anreiz darstellen, aufgrund eines weiter sinkenden Reservationslohnes eher eine Be­schäftigung anzunehmen und damit die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verringern, lang­fristige Folgen zu verhindern und eine stabile Arbeitsmarktintegration zu ermöglichen.

Nur so ist es möglich ein möglichst chancenorientiertes, treffsicheres und effizienten System der Sozialen Sicherung in Österreich zu schaffen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, sowie die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die ein einziges System der sozialen Absicherung schafft. Dafür sollen, den Empfehlungen des Rechnungshof folgend, nicht unterbrochene Bezugsdauer von Ar­beitslosengeld und darauffolgender Notstandshilfe zeitlich limitiert und damit die Not­standshilfe langfristig von der Sozialhilfe abgegrenzt werden.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 192

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.


19.40.14

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! ZuseherInnen zu Hause und Besucher auf der Galerie! Zum Thema Armutsbekämpfung ist es an der Zeit, ein­mal festzuhalten, dass wir in Österreich ein gutes und auch ein stabiles Sozialsystem haben. Wir brauchen ein Sozialsystem, auf das sich die Menschen in einer Notlage verlassen können. Wir brauchen ein Sozialsystem, das Existenzen sichert.

Wir haben auch die Bestätigung bekommen, dass wir ein gutes Sozialsystem haben. Laut einer Datenzusammenstellung des Weltwirtschaftsforums liegt Österreich bei der sozialen Absicherung weltweit auf Platz drei und in puncto soziale Aufstiegsmöglichkei­ten liegen wir an achter Stelle, also nicht so schlecht. Damit geben wir uns aber nicht zufrieden. Ich darf aus dem Regierungsprogramm zitieren, das besagt: „Das Sozialsys­tem ist daher als Schutzsystem zu begreifen und soll Erwerbsteilhabe fördern und un­terstützen.“ – Es geht natürlich darum, Menschen einerseits in Notlage zu helfen und sie zu unterstützen, ihnen andererseits aber auch zu helfen, möglichst rasch wieder auf die Beine zu kommen. Die neue Bundesregierung hat sich da viele Ziele gesetzt, die die SPÖ in ihrem Antrag kritisiert.

Familien mit niedrigem Einkommen zum Beispiel werden auch im Zuge der Steuerre­form durch die Senkung der niedrigsten Steuerstufe der Einkommensteuer von 25 auf 20 Prozent entlastet. Das hilft Familien. Es wurde auch festgehalten, dass die beste­hende Lücke beim Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende zu schließen ist. Es ist auch ein Ziel unserer Bundesregierung, Maßnahmen zu setzen, um das Einkommen von Frauen zu erhöhen, da Frauen besonders oft von Armut betroffen sind. Es sind mehr Betreuungsplätze, mehr Supportpersonal für Schulen und ein Pilotprogramm an 100 ausgewählten Brennpunktschulen geplant, die zusätzliche Unterstützung brau­chen, und warum? – Zum einen, um die Eltern zu entlasten, die Entlastung brauchen, zum anderen, um jedem Kind in diesem Land die Chance zu geben, die es verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Bundesregierung sucht die Lösung des Problems nicht am Ende, sondern am Anfang. Das Prinzip ist relativ einfach: Noch besser als ein stabiles Netz für Notlagen ist, die Entstehung solcher Notlagen von Anfang an durch eine gute Ausbildung für un­sere Kinder und durch eine Entlastung der Eltern zu verhindern, damit sich die Kinder auf das Wichtigste konzentrieren können, nicht nur auf das Lernen, sondern eben auch auf das Kindsein.

Zum Abschluss kann ich die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ beruhigen, denn unsere Bundesregierung hat sich ganz klar zum Ziel gesetzt, das Sozialsystem so fair wie möglich zu gestalten und Missbräuchen vorzubeugen. Genau das werden wir auch tun, denn das sind wir den Menschen schuldig, die Tag für Tag hart arbeiten und die­ses System im Grunde finanzieren und aufrechterhalten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

19.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Diet­mar Keck. – Bitte.


19.43.17

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Mindestsicherung oder die Sozialhilfe ist das letzte Netz im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 193

österreichischen Sozialstaat und hat eine kaum zu überschätzende Bedeutung, um we­nigstens ein bescheidenes finanzielles Auskommen sicherzustellen, denn nach der Mindestsicherung oder nach der Sozialhilfe kommt in Österreich nichts mehr. Es ist der letzte Rettungsanker, den wir haben.

Gerade karitative Organisationen, Sozialmärkte oder Ähnliches haben bereits regen Zulauf, weil sie oft die einzige Alternative sind, um ein einigermaßen menschenwürdi­ges Leben in Österreich aufrechterhalten zu können. Der Weg zu Gnade statt Recht ist bei uns in Österreich somit vorgezeichnet. Das führt dazu, dass sich viele Betroffene gedemütigt fühlen und eine ausgeprägte Mehrklassengesellschaft forciert wird. Das alles ist inhuman, meine Damen und Herren! Das ist ein Rückschritt und kann so in ei­nem Staat wie Österreich nicht akzeptiert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Statt nach Wegen zu suchen, diesen Menschen mehr Selbstwertgefühl zu vermitteln, damit sie wieder erfolgreich in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können, ver­mittelt man ihnen mit all diesen Anträgen, die von Ihrer Seite kommen, Schmarotzer­tum, Minderwertigkeit und so weiter. Das ist indiskutabel und auch kontraproduktiv, mei­ne Damen und Herren!

Ganz besonders hart trifft eine solche Politik Kinder aus Familien von BezieherInnen von Sozialleistungen. Nicht nur, dass sie den Leidensdruck der Eltern spüren und über­nehmen – das allein wäre schon hart genug für diese Kinder –, sind Kinder betroffener Familien von vornherein von einer umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und erfahren bereits frühzeitig Diskriminierung. Sie haben eine schlechtere Ausbildung, eine negative Bildungskarriere und eine negative Lebensein­stellung. Alles in allem sind sie zum Abstieg vorprogrammiert.

Österreich, meine Damen und Herren, zählt noch immer zu den reichsten Staaten die­ser Welt. Kindern eine sinnvolle Zukunft zu garantieren ist daher möglich. Es muss in diesem Land nur nach den richtigen Wegen gesucht werden. Kürzungen im Sozialbe­reich sind das jedoch sicher nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es bedarf daher einer Mindestsicherung, die diesen Namen auch verdient. Eine Min­destsicherung muss ein menschenwürdiges Leben sicherstellen und dadurch Obdach­losigkeit verhindern, Hunger verhindern, also den Menschen, insbesondere Kindern, Nahrung geben, die Menschen durch Arbeitsmarktintegration vom Rand in die Mitte der Gesellschaft holen. Eine Mindestsicherung muss durch entsprechende armutsver­meidende Leistungshöhen, Mindestrichtsätze und nicht Höchstrichtsätze, diskriminie­rungsfreie Kinderstaffelung und Hilfe zu Arbeit für Stabilität und Sicherheit sorgen. Min­destsicherung muss durch einen Rechtsanspruch auf und einer persönlichen Verpflich­tung zu Integrationsmaßnahmen, die Förderung von Deutschkenntnissen und ein Ge­samtkonzept zur Sprachenförderung verstärkt auf Integration setzen.

Genau das fordern wir in diesem Antrag, meine Damen und Herren. Stimmen Sie ihm zu, um wieder einen Schritt weiter in Richtung mehr soziale Sicherheit in Österreich zu schaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

19.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


19.46.44

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wer­te Zuseher zu Hause! Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich vor sechs Jahren, 2014, hier im Hohen Haus erstmalig die Mindestsicherung thematisiert habe. Da herrschte noch ein bisschen Verwunderung bei den Abgeordneten, weil keiner so recht etwas mit Begriff und Problemstellung der Mindestsicherung hat anfangen kön­nen. Das hat sich mittlerweile ein wenig verändert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 194

Seit 2011 haben wir in Österreich die Mindestsicherung, die die alte Sozialhilfe ersetzt hat. Angefangen haben wir in Österreich damals – dies auch an die Kollegen der So­zialdemokratie gerichtet – mit 120 000 Mindestsicherungsbeziehern. Das waren eben je­ne, bei denen das Netz noch halten soll, das waren jene, von denen man sagt, dass man sie auch künftig entsprechend unterstützen muss, denn es gibt nach der Mindest­sicherung nichts mehr; da gebe ich Ihnen schon recht.

Was aber ist dann passiert? – Das ist zugleich auch die Ursache der jahrelangen Dis­kussion: Wir hatten eine Explosion an Mindestsicherungsbeziehern von 120 000 auf den Höhepunkt mit 320 000 Mindestsicherungsbeziehern im Jahr 2018. Die Gesamt­kosten lagen jenseits von 2 Milliarden Euro.

Die Problemstellung ist eine vielschichtige, ich sage das gleich dazu. Die Mindestsiche­rung wird vom Bund, von den Bundesländern und von den Gemeinden finanziert. Es macht bei mir in Tirol allein für die Gemeinden 30 Millionen Euro pro Jahr aus, was sie in diesen Topf zuzahlen müssen; allein im kleinen Bundesland Tirol! Ich erwähne das deshalb, weil Tirol da leider Gottes ein Vorreiter dieser Entwicklung war. Wir haben in Tirol leider Gottes seit sieben Jahren eine schwarz-grüne Landesregierung, in Wien, glaube ich, seit zehn Jahre eine rot-grüne. Die beiden Spitzenreiter dieser Entwicklung sind dementsprechend auch Wien und Tirol, und Tirol hat leider den unrühmlichen Spitzenplatz.

Ich möchte kurz auf die aktuellen Zahlen hinweisen. Wir haben aktuell in Tirol einen Österreicheranteil von 38 Prozent, 38 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Tirol sind österreichische Staatsbürger. Ich kann Ihnen auch die anderen Zahlen sehr gerne sagen: 47 Prozent sind Asylberechtigte, 6,6 Prozent EU-Bürger und 7,6 Prozent Dritt­staatsangehörige. Sie wissen von meinen früheren Reden, dass die Liste der verschie­denen Staatsangehörigkeiten in Tirol mehr als 80 umfasst, das heißt, Staatsangehörige von mehr als 80 Staaten beziehen in Tirol die Mindestsicherung – nur, damit man sich das Problem noch einmal in Erinnerung ruft.

Sie erinnern sich vielleicht auch daran: Wir hatten die letzten Jahre unzählige Be­scheide über Mindestsicherungszahlungen von jenseits von 4 000 Euro netto, die man­che Familien bekommen haben. Am Anfang wurde das immer wieder abgestritten. Es existiert nicht, das sind Fakenews und so weiter, wurde gesagt, bis auch der ÖVP klar wurde, dass das reale Zahlen sind, und die kann man natürlich einem Staatsbürger, einem arbeitenden Staatsbürger auf Dauer auch nicht zumuten.

Wir konnten dann in der letzten Regierung gemeinsam mit der ÖVP dieses neue So­zialhilfe-Grundsatzgesetz machen, das sinnvoll ist, denn von diesem Gesetz profitieren österreichische Staatsbürger, Alleinerzieherinnen und Menschen mit Behinderungen, also genau jene drei Gruppen, denen wir helfen wollen. (Abg. Michael Hammer: Das bleibt aber, oder?) Wer wären die Verlierer gewesen? – Asylberechtigte, Leute, die nicht arbeitswillig sind, und Leute, die nicht integrationswillig sind. (Abg. Tomaselli: Die Kinder! Die Kinder! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Das wären die Verlierer gewesen.

Ich darf schon darauf hinweisen: Unsere große Sorge und auch die Sorge der Bevöl­kerung ist, dass die ÖVP vielleicht mit dem Partner Grün diesen konsequenten Weg, den sie mit uns in diesem Bereich beschritten hat – der auch sinnvoll ist –, nicht weiter beschreiten wird. Wir werden Ihnen mit Sicherheit in den nächsten Monaten auch ein bisschen helfen, diesen Weg konsequent weiterzubeschreiten, weil es notwendig ist. Ich habe mit der grünen Landesrätin in Tirol gesprochen, die sagt: Das wird nicht um­gesetzt! – Das ist ja in Wahrheit Anarchie, denn wenn wir hier Gesetze machen, die die Bundesländer nicht umsetzen, dann können wir eigentlich unseren Dienst hier been­den! (Zwischenrufe der Abgeordneten Stögmüller und Ernst-Dziedzic.)


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Sie erlauben schon, Herr Minister, ich bin auch skeptisch Ihnen gegenüber – weil ich Ihre Historie kenne –, ob Sie wirklich der richtige Sozialminister sind, um die Min­destsicherung dorthin zu bringen, wo sie hingehört (Oh-Rufe bei den Grünen. – Abg. Stögmüller: Hartinger-Klein war ja viel besser!), nämlich zu jenen, die sie brauchen. (Zwischenruf der Abg. Tomaselli.) Da bin ich sehr, sehr skeptisch. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der FPÖ.)

19.52


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


19.52.09

Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss noch ein bissel an mir arbeiten, nicht direkt zu reagieren, sondern sehr sachlich beim Thema zu bleiben.

Ich habe ein bissel den Eindruck, wir sind in diesen Debatten über Mindestsicherung hin und her gerissen. Es geht um Mindestsicherung, es geht um die Ärmsten der Ar­men, die es in diesem System am schwersten haben. Ich habe den Eindruck, dass es eigentlich eine Gnade ist, dass wir in einem der reichsten Staaten der Welt geboren wurden. Viele Menschen haben eine Leistung dafür erbracht, dass der Wohlstand in diesem Land so groß ist. Das gibt uns aber auch eine Verantwortung, für jene zu sor­gen und ein Netz herzustellen, die es nicht so leicht haben und die in einer schwierigen Lebenssituation stehen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Keck.)

Als eines der reichsten Länder der Welt ist es, glaube ich, ein Handlungsauftrag für uns, wenn wir sehen, dass es 55 000 akut armutsgefährdete Kinder in diesem Land gibt, tätig zu werden und dem entgegenzuwirken. Wenn wir wissen, dass es viele, viele Frauen gibt, die im Alter durch ein System, das Ungerechtigkeiten provoziert und durchsetzt, in eine akute Armutsfalle hineingeschoben werden, dann müssen wir han­deln. Das ist unser Auftrag und so empfinde ich meinen Auftrag als Sozialminister. Manche mögen da skeptisch sein, ich und viele andere sind durchaus optimistisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube auch nicht, dass wir das Thema dadurch lösen, dass wir auf das Land Tirol, das ich sehr, sehr schätze, auf die Tiroler Landesregierung, die ich sehr schätze, oder auf die Stadt Wien, deren Sozialpolitik ich sehr, sehr schätze, hinhacken. Damit lösen wir keine Probleme. In Wirklichkeit werden wir diese Probleme, die jetzt genannt wur­den, nur durch gemeinsame Kraftanstrengung lösen, und genau in diesem Sinn habe ich für die nächsten Tage bereits die SozialreferentInnen aller Bundesländer zu mir ein­geladen, damit wir Lösungswege suchen und finden und damit wir die Chance, die der Verfassungsgerichtshof uns gerade beim Thema Bekämpfung der Kinderarmut durch das Entschärfen eines Giftzahns in diesem Gesetz eröffnet hat, bestmöglich gemein­sam nützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schüren von Neid, Schüren von Angst kann uns vielleicht politische Ablenkung ermög­lichen, es bringt uns aber der Lösung nicht näher. Ich bin überzeugt davon, dass es um eine Grundsatzfrage geht. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder diese These vernommen: Wenn es dem anderen schlechter geht, geht es dir besser! – Das stimmt nicht. Diese Rechnung stimmt nicht. Uns geht es besser, wenn wir eine solidarische Gemeinschaft sind. Uns geht es besser, wenn es dem anderen auch besser geht. Dann geht es uns gut.

Deswegen habe ich versucht, das Ziel dieses neuen Sozialministeriums auch mit ei­nem Überbegriff zu umschreiben, nämlich dass wir uns hin zu einem Sozialministerium


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für Zusammenhalt entwickeln wollen, und dazu braucht es auch eine Grundsicherung, eine Mindestsicherung, wie sie eigentlich in einem der reichsten Länder der Welt selbstverständlich sein sollte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich freue mich deswegen sehr über diesen eingebrachten Antrag zur Halbierung des Anteils armutsgefährdeter Menschen. Das wird ein schwieriges Unterfangen, deswe­gen braucht es ein Miteinander aller, die an diesem Weg mitarbeiten wollen, genau in diesem politischen Stil, mit dem wir vorgehen wollen, ein Mitarbeiten daran, auch etwa durch engagierte Institutionen wie die Armutskonferenz, mit der ich bereits die ersten Gespräche gehabt habe, und NGOs, die im Sozialbereich eine tolle Arbeit realisieren. Wir werden da Lösungen finden.

Zuallererst werden wir jetzt daran arbeiten, dass die Länder die zukünftige Sozialhilfe Neu nach diesem VfGH-Urteil in ihrem Bereich bestmöglich umsetzen, und dazu er­öffnet uns der Urteilsspruch konkrete zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Wer sich die Mühe machen will, ist eingeladen, die Seiten 80 bis 88 in der Urteilsbegründung zu studieren. Da wird nämlich zusätzlich zu den drei aufgehobenen Bereichen dezidiert ausgeführt, dass die Länder aufgerufen sind, mit noch mehr Kreativität und Fantasie das bestehende Gesetz zu nützen, diese Vorgabe zu nützen, weil in Richtung Armuts­gefährdung deutlich mehr Handlungsspielräume vorhanden sind, als man auf den ers­ten Blick glauben würde. Genau daran werden wir in nächster Zeit arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir hatten letzte Woche unsere erste Sozialausschusssitzung. Ich habe das sehr ge­nossen, es war sehr positiv, finde ich, nach den ersten – wie soll ich sagen – parteipoli­tischen Proklamationen, die irgendwie in der Natur der Sache sind. Kollege Loacker lächelt, wir wissen offensichtlich, was wir meinen. Das ist absolut okay gewesen, es war ein spannender Disput, der von einer gegenseitigen Wertschätzung geprägt war. Genau so sollten wir gemeinsam arbeiten, und ich strecke meine Hand allen entge­gen – wirklich allen, das ist ernst gemeint –, damit wir gemeinsam Ideen finden und ge­meinsame Stoßrichtungen argumentieren, die nicht auf Auseinanderdividieren aufbau­en, sondern auf einer gemeinsamen Arbeit gegen Armutsgefährdung in Österreich. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

19.58

19.58.21


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage den Berichterstatter, ob er ein Schlusswort möchte. – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 5.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 28 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 139/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 28 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Maßnahmen zur Halbierung des Anteils ar­mutsgefährdeter Menschen in Österreich“.

Hiezu haben die Abgeordneten Koza, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.


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Ich lasse sogleich über die dem Ausschussbericht 28 der Beilagen angeschlossene Entschließung unter Berücksichtigung des soeben erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen. (7/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 29 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein System sozialer Si­cherung“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

20.00.327. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 146/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend finanziel­le Anerkennung der häuslichen Pflege (30 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


20.01.02

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag des Kollegen Norbert Hofer geht es um eine finanzielle Anerkennung vor allem der häuslichen Pflege. Wir alle wissen, dass das Thema Pflege seit vielen Jahren auf der Tagesordnung steht. Ich bin seit 2006 hier im Haus. Im Wahlkampf 2006 war es bereits das ganz große Thema. Damals war es das Thema der sogenannten illegalen Pfleger aus dem Osten. Man hat halt dann mit Tricks versucht, sie zu legalisieren – wir haben sie immer noch. In Wahrheit ist das Thema Pflege aber auch heute noch eine riesengroße Baustelle. Es gibt da mehrere Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. (Präsident Hofer übernimmt den Vor­sitz.)

Zum einen bräuchte es dringend eine Ausbildungsoffensive; auch dagegen hat sich die ÖVP in Wahrheit immer gewehrt, sie ist für eine Pflegelehre eingetreten. Die ÖVP hat sich immer mit dem Argument geweigert: Na, die jungen Menschen, das geht alles nicht! – Jetzt plötzlich geht es doch, dass das 15-Jährige in einer Pflegeschule lernen. Also diesen Widerspruch kann ich nicht nachvollziehen, aber sei’s drum.

Jetzt haben wir einen Schulversuch. Jeder gelernte Österreicher weiß natürlich: In Ös­terreich laufen Schulversuche zehn, 15 Jahre, und das war es dann. Damit werden wir aber den Notstand an Pflegekräften auch nicht aufholen können. Wenn jetzt 30 oder 50 junge Menschen Pflege lernen, ist das zwar gut und schön, ich wünsche ihnen allen später viel Freude in ihrem Beruf, aber in Wahrheit werden wir damit in Österreich kei­ne weiten Sprünge machen. Wir wissen, es fehlen Hunderte Pflegekräfte und es wer­den immer mehr, die man braucht. Das ist natürlich auch dem geschuldet, dass wir im­mer älter werden, wir werden auch kränker. Das heißt, es braucht da wirklich viel mehr, dazu sehe ich aber, ehrlich gesagt, nicht viel im Regierungsprogramm.


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Das Zweite ist die Finanzierungskomponente. Ich kann mich gut erinnern, es gab im Jahr 2017 Regierungsverhandlungen zwischen der ÖVP und der Freiheitlichen Partei. Damals kam vor allem vom jetzigen Finanzminister und auch aus den Kreisen des Fi­nanzministeriums schon die Idee einer Pflegeversicherung. Es waren die ÖVP-nahen Experten, die damals erklärt haben, wie großartig und toll das nicht wäre – wegen der Finanzierung.

Für uns war das keine Option. Wir wollten, dass die Pflege jedenfalls steuerfinanziert bleibt. Ich glaube, die Menschen in diesem Land haben es sich auch verdient, dass sie nicht noch mehr belastet werden. Es wurde dann wieder verworfen, vor allem auch deshalb, weil ja einer der ganz wesentlichen Punkte war, die Arbeitnehmer in Öster­reich zu entlasten. Das haben wir im Übrigen in diesen eineinhalb Jahren auch ge­schafft, wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt, aber jetzt hat sich die ÖVP auch da­von wieder verabschiedet, jetzt will sie eine neue Pflegeversicherung einführen.

Dabei kennen wir noch gar nicht das Volumen. Woraus soll sie denn gespeist werden? Wir haben schon ein bisschen gehört, dass sie im Bereich der Sozialversicherung an­gesiedelt werden soll, das heißt, es wird wieder eine zusätzliche Sozialversicherung gegründet werden müssen. Das ist gut für die ÖVP, dann kann sie wieder ein paar Jobs besetzen, aber in Wahrheit ist es eine zusätzliche Belastung für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande. Wir wollen diese Pflegeversicherung nicht, da wir sie auch gar nicht brauchen.

Es braucht Effizienz im gesamten System. Was da passiert, ist immer ein Trennen von Gesundheit und Pflege. Die beiden sind aber verschränkt, die gehen Hand in Hand, die kann man nicht einfach trennen. Wir haben in Österreich auch eine extrem hohe Zahl an Akutbetten. Es ist schon viele Jahre her, damals hat der Rechnungshof schon ge­sagt: Würden wir diese Akutbetten, die mit Pflegepatienten belegt werden, endlich in Pflegebetten umwandeln, dann könnten wir uns über 3,5 Milliarden Euro sparen.

Das ist Jahre her. Wenn man die Zahlen hochrechnet, könnten wir uns in der Zwi­schenzeit noch mehr sparen, aber nichts passiert. Es wird nichts reformiert, wir schau­en dem Treiben zu, solange das Werkel irgendwie läuft, bis es irgendwann zum großen Versagen kommen wird. Daher ist es so dringend notwendig, dass man dieses Pro­blem jetzt endlich angeht und dass wir uns auch endlich einmal ehrlich damit aus­einandersetzen, wo wir denn im Gesundheitsbereich Einsparungspotenziale haben, wie wir auf der einen Seite Akutbetten in Pflegebetten, die ja viel billiger sind, umwan­deln können und wie wir auf der anderen Seite den Menschen möglichst lange die Möglichkeiten geben, dass sie zu Hause gepflegt werden. Das wollen nämlich viele Menschen.

80 Prozent aller in Österreich zu Pflegenden werden zu Hause gepflegt, aber die Be­lastungen für die Angehörigen sind unvorstellbar. Da braucht es endlich auch Maß­nahmen, damit es nicht passiert, dass wir unsere Pflegebedürftigen zwar daheim pfle­gen, aber die Angehörigen irgendwann nicht mehr können und im Burn-out landen oder vielleicht andere Erkrankungen bekommen. Das kann doch nicht unser Ziel sein! Daher ist es so notwendig, endlich Maßnahmen zu setzen. Genau darauf zielt dieser Antrag von Norbert Hofer ab. Ich kann nicht verstehen, warum Sie von der ÖVP sich von diesem Weg komplett verabschiedet haben und heute nur noch das Wort Pflege­versicherung hier überall herumgeistert – und die wird kommen.

Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister hat angekündigt, er möchte eine Taskforce oder eine Gesprächsrunde zum Thema Pflege machen. – Ich befürchte nur, Herr Bundesminister, wenn Sie im März oder April damit anfangen werden, wird es zu spät sein, denn wir wissen, dass diese Pflegeversicherung im Budgetbegleitgesetz – wahrscheinlich – schon drinnen sein wird. Das hören wir jetzt immer verdichteter aus dem Finanzministerium, das soll auf den Weg gebracht werden, und zwar schon ganz,


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ganz bald, nämlich in wenigen Wochen. Da werden Sie mit Ihrer Gesprächsrunde, fürchte ich, zu spät sein. Wir werden Sie aber unterstützen.

Wir wollen jedenfalls eine steuerfinanzierte Pflege. Wir wollen keine weitere Belastung für Arbeitnehmer. Wir wollen auch keine neue Sozialversicherung einführen, aber wir wollen, dass die Effizienz im System endlich gesteigert wird. Das ist unser Weg. (Bei­fall bei der FPÖ.)

20.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.07.21

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der vorlie­gende Antrag der FPÖ bietet keine Lösungen, bietet nicht einmal ansatzweise Lösun­gen für die vorhandenen Probleme in der Pflege. Deswegen werden wir ihn auch ab­lehnen.

In Bezug auf die pflegenden Angehörigen möchte ich aber schon festhalten – das hat auch die Kollegin vorhin gesagt –, dass diese zum Teil übermenschliche Arbeit leisten. Es ist so, wie es ist. Diese eben auch übermenschliche Arbeit führt leider oft oder re­gelmäßig zur Überlastung dieser Menschen. (Abg. Belakowitsch: Tun wir was dafür!) Wenn wir aber Strukturen schaffen wollen – und das wollen wir –, die diese pflegenden Angehörigen, aber natürlich auch die Betroffenen selbst entlasten, dann wird kein Weg an einer Professionalisierung der Pflege vorbeiführen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war die Rede davon, dass wir wissen, was auf uns zukommt. Ja, wir wissen, was auf uns zukommt. Der Pflegeaufwand wird sich in den nächsten Jahren erhöhen, aber wir werden es nicht hinbekommen, indem wir die Verantwortung den Schwiegertöch­tern übertragen. Ich sage hier bewusst Schwiegertöchter, weil es eben wirklich die Töchter und die Schwiegertöchter sind, die dann nahe Angehörige zu Hause pflegen.

Weil es eben auch dazu passt: Laut einer aktuellen Oxfam-Studie leisten Frauen pro Tag 12 Milliarden Stunden unbezahlte Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit. Weiters heißt es in der Studie, Pflege von Angehörigen ist klassische unbezahlte Frauenarbeit und fördert die Ungleichheit in der Gesellschaft. Für uns und, ich hoffe, auch für viele von euch ist Pflege eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb beabsichtigt die neue Regierung auch eine Reihe von Maßnahmen zur Ver­besserung der Bedingungen für Menschen, die zu Hause gepflegt und betreut werden, und natürlich auch für pflegende Angehörige.

Kollegin Belakowitsch, ich würde an Ihrer Stelle jetzt etwas zuhören, weil Sie vorhin von den Maßnahmen gesprochen haben, die notwendig sind, um pflegende Angehöri­ge zu entlasten.

Diese Maßnahmen werden auch kommen. Das sind zum Beispiel Ausbau und Weiter­entwicklung der mobilen Pflege und Betreuung, Entlastungsangebote, Ersatzpflege – Stichwort pflegefreier Tag –, Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, was noch immer sehr schwer ist. Diese Maßnahmen würden helfen, und wir möchten und wollen sie auch er­möglichen.

Eine kurze Klarstellung zur Pflegeversicherung, weil Sie diese vorhin immer wieder er­wähnt haben und diese immer wieder Thema ist: Es wird in Österreich keine Pflege­versicherung nach deutschem Vorbild geben. (Abg. Belakowitsch: Das habe ich auch


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nicht behauptet ...!) Die Pflegeversicherung in Deutschland wird durch Beiträge von Ar­beitnehmerInnen finanziert. Das ist nicht geplant. Noch einmal ganz klar: Das ist nicht geplant. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Woher kommt denn das Geld ...? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Geplant ist eine Pflegeabsicherung, in der alle Mittel aus dem Bundesbudget – öffentli­ches Geld! – für Pflege gebündelt werden sollen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das hat der Sozialminister, glaube ich, in jedem seiner Antrittsinterviews betont. Das hat er klar und unmissverständlich auch im Arbeits- und Sozialausschuss festgehalten, und so steht es auch im Regierungsprogramm. Dazu gibt es wirklich nichts mehr zu sagen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

20.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Fiona Fiedler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.11.34

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Da­men und Herren! Geschätzter Herr Minister! Mit dem Ausscheiden der Babyboomer aus dem Erwerbsleben ab spätestens 2030 droht Österreich bald ein akuter Pflege­notstand. Zur selben Zeit wird es auch eine Pensionierungswelle beim Pflegepersonal geben. Etwa 8 000 diplomierte Pflegerinnen und Pfleger sind inzwischen über 55 Jahre alt. Aufgrund weniger Nachkommen und geänderter Rahmenbedingungen – Single­haushalte, höhere Mobilität, kleinerer Wohnraum – stehen in Zukunft auch weniger pflegende Angehörige zur Verfügung. Ganz allgemein kann ich also sagen: Dass sich die FPÖ für die häusliche Pflege einsetzt, ist durchaus begrüßenswert, dennoch sind wir NEOS davon überzeugt, dass zunächst ein umfassendes Pflegekonzept vorgelegt werden muss, bevor über die Finanzierung diskutiert werden kann.

Im Antrag der FPÖ heißt es: „Pflegebedürftige, die daheim betreut und gepflegt wer­den, sollen um 50 Prozent mehr Pflegegeld in allen Pflegegeldstufen ab der Stufe 3 er­halten. Diese sollen auch nach dem Anpassungsfaktor valorisiert werden. Die Grund­lage für den Anpassungsfaktor ist der Richtwert. Der Richtwert für die Pensionsanpas­sung ist so festzusetzen, dass die Erhöhung der Pensionen auf Grund der Anpassung dem Richtwert der Erhöhung der Verbraucherpreise entspricht. Der Richtwert für das Jahr 2020 lautet 1,018.“

Was ich hier lese, ist wichtig und muss ohne Zweifel diskutiert werden. Es ist aber un­umstößlich, dass einem Finanzierungskonzept eine gemeinsam erarbeitete Struktur vorangehen muss. Wir NEOS haben bereits Anfang 2019 einen internen Prozess ge­startet, an dessen Ende wir ein fast 20-seitiges Pflegekonzept vorgelegt haben. Wir ha­ben zunächst in zahlreichen Bürgerforen in Dornbirn, Salzburg, Linz, Graz, Sankt Pöl­ten und Wien die Themen Prävention, pflegende Angehörige, Pflegeberufsbilder sowie mobile und stationäre Pflege besprochen. Erst danach haben wir unser Finanzierungs­konzept vorgestellt.

Die vielen intensiven Gespräche haben gezeigt, dass es bei diesem so sensiblen The­ma wichtig ist, zuerst zuzuhören und miteinander zu reden und erst dann politische Positionen zu erarbeiten. Jeder Mensch ist Experte seines eigenen Lebens, und jeder Mensch hat das Recht, in Würde und Sicherheit älter zu werden. Dafür müssen wir die Pflege neu denken und somit Generationengerechtigkeit weiterdenken. Das verlangt, veraltete Strukturen zu überwinden. Aufgabe der Politik ist es, eine Vielfalt an innovati­ver und flexibler Betreuungs- und Pflegeversorgung anzubieten.

Neue Versorgungsmodelle benötigen einerseits eine Vereinheitlichung der Standards, um die ungerechten Unterschiede zwischen den Bundesländern zu beenden, und an-


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dererseits die Fokussierung auf den einzelnen Menschen. Personenbezogene Pflege bedeutet individualisierte Leistungen.

Abschließend möchte ich sagen, dass Bildung als Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben auch beim Thema Pflege eine ganz wesentliche Rolle spielt. Pflege neu zu den­ken und Generationengerechtigkeit weiterzudenken heißt, Menschen in ihrer Eigenver­antwortung zu stärken und sich um die Menschen zu sorgen, die nicht mehr allein für sich selbst sorgen können. Es braucht mutige Visionen mit Vernunft, Augenmaß und Hausverstand. So sieht eine Pflegereform aus: zuerst ein Pflegekonzept, dann die Fi­nanzierung. Das gilt übrigens nicht nur für die FPÖ, sondern auch für die neue Re­gierung. Wir NEOS haben ein Pflegekonzept und stehen damit gerne zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Kollege Josef Muchitsch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.15.12

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Wir wissen, dass dieser Antrag nicht die Probleme lösen wird, jene Probleme, die wir alle vor Augen haben, nämlich die Sicherung einer lang­fristig funktionierenden Pflege. Dazu bedarf es einer umfassenden Pflegereform. Wie alle Parteien hier bereits Konzepte erarbeitet haben, weil uns das Thema schon länger verfolgt, haben auch wir von der SPÖ, Herr Bundesminister, ein klares Konzept bereits im Dezember 2018 vorgelegt. Es hat eine ganz klare Stoßrichtung, nämlich in Richtung eines Pflegegarantiefonds, in dem wir die bestehenden Mittel, die bereits jetzt zwi­schen Bund und Ländern aufgewendet werden, zusammenfassen. Wir sagen, die Pfle­ge insgesamt, mit allen Herausforderungen, gehört über den Bund organisiert und ge­steuert, denn letztendlich wollen wir die Menschen von Beginn eines Anlassfalles bis zur Beendigung der Pflege mit Pflegeservicestellen in den Regionen unterstützen.

Es ist mir sehr wichtig, hier noch anzuführen, dass sich die Pflege eine gewisse Qua­lität verdient hat. Dazu bedarf es vieler Maßnahmen im Bereich der Angehörigen, im Bereich des Pflegepersonals. Ich möchte die Gelegenheit nun auch nutzen, um mich bei allen pflegenden Angehörigen und bei allen Menschen, die in diesem schweren Job Pflege durchführen und Menschen pflegen, recht herzlich für ihre tolle Arbeit für die Menschen, die diese Hilfe brauchen, zu bedanken. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

Deswegen glaube ich, Herr Bundesminister, ist es wichtig, dass Sie Klarheit schaffen und sagen: Es kommt keine Pflegeversicherung, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer zur Kasse gebeten werden. – Wenn man sich aber die Meldungen in den Me­dien der letzten Tage anschaut, so stellt man fest, dass zum Beispiel Bundeskanzler Kurz am 14. Jänner 2020 gesagt hat: „Die geplante Versicherung soll zunächst keine zusätzlichen Sozialabgaben verursachen [...]“ – zunächst keine zusätzlichen Sozialab­gaben.

Er geht noch weiter: „Der ÖVP schwebt u.a. eine Finanzierung über Mittel der Unfall­versicherung [...] vor. Im ersten Schritt sollen die Sozialabgaben jedenfalls nicht stei­gen [...]“ – im ersten Schritt!

Mein Stellvertreter im Ausschuss für Arbeit und Soziales, August Wöginger, sagte am 12. Jänner: „Wir möchten eine eigene Säule in der Sozialversicherung ansiedeln, ge­nannt Pflegeversicherung“.

Ich ersuche Sie, Herr Bundesminister, schaffen Sie Klarheit, damit die Menschen wirk­lich wissen: Die Pflege, egal, in welcher Form sie finanziert wird, wird nicht auf Kosten


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und zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finanziert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie, diesbezüglich Klarheit zu schaffen, und bringe deshalb folgenden An­trag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine zusätz­liche Belastung der Menschen durch eine Pflegeversicherung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, keinesfalls eine Pflegefinanzierung durch eine weitere Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umzusetzen und daher keine Pflegeversicherung einzuführen.“

*****

Wenn Sie diese Klarheit wollen, geschätzte Damen und Herren, auch Sie von den Grü­nen, dann stimmen Sie bitte diesem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

20.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch

Genossinnen und Genossen

betreffend keine zusätzliche Belastung der Menschen durch eine Pflegeversicherung

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 1467A(E)/30 dB

Plant die Schwarz-Grüne Regierung die Einführung einer Pflegeversicherung?

Anzeichen dafür gibt es genug. Zum einen das Regierungsabkommen, in dem sich auf Seite 245 die Pflegeversicherung findet. Zum anderen, die Aussagen von Regierungs­mitgliedern, allen voran Bundeskanzler Kurz:

Neues Volksblatt vom 14.1.2020: Die geplante Versicherung soll zunächst keine zu­sätzlichen Sozialabgaben verursachen, sondern über bestehende Mittel durch Ver­schiebungen und Hebung von Potenzialen finanziert werden. Der ÖVP schwebt u. a. eine Finanzierung über Mittel der Unfallversicherung AUVA vor. Im ersten Schritt sollen die Sozialabgaben jedenfalls nicht steigen, er könne aber nicht sagen, was in 30 Jah­ren sein werde, so Kurz. Pflegebedürftigkeit sei ein „Lebensrisiko“, zu dem man sich bekennen müsse.

Oder Bundesminister Anschober:

TT vom 14.1.2020: Die Finanzierung der Pflegeversicherung „wird hauptsächlich aus öffentlichen Geldern erfolgen. Die Details soll eine Task Force klären, wo wir Bund, Länder und Gemeinden an einen Tisch bringen.“ Ein System wie in Deutschland sei nicht das Ziel, meint Anschober.

Noch deutlicher wird der Klubobmann der ÖVP Wöginger:

ORF-Hohes Haus vom 12.1.2020: „Wir möchten eine eigene Säule in der Sozialver­sicherung ansiedeln, genannt Pflegeversicherung…..“


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Die Gesamtkosten der Pflege betrugen 2018 rund 6,8 Mrd. Euro und sind damit inner­halb von 2 Jahren, also von 2016 auf 2018 um rund 1,8 Mrd gestiegen.

Sollten also Schwarz-Grün darüber nachdenken z B den Anstieg der Pflegekosten durch eine Pflegeversicherung abdecken zu wollen, bedeutet alleine das für die Versi­cherten schon eine Mehrbelastung von rund einer Milliarde jährlich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesund­heit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, keinesfalls eine Pflegefinanzierung durch eine weitere Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umzusetzen und daher keine Pflegeversicherung einzuführen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Mag. Ernst Gödl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.19.15

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine geschätzten Damen und Herren Kollegen Abgeordneten! Werte Zuhöre­rInnen zu Hause und hier im Saal! Der Standort bestimmt den Standpunkt. Bei dem zugrunde liegenden Antrag der freiheitlichen Fraktion ist es insofern bemerkenswert, dass gerade du, Frau Abgeordnete Belakowitsch, vor einem Jahr, als wir gemeinsam in der Regierung waren, noch umgekehrt argumentiert hast. Es war völlig klar, dass wir im Bereich der Pflege ein umfassendes neues Konzept brauchen und dass es gar kei­nen Sinn macht, eine einzelne Maßnahme wie die Erhöhung des Pflegegeldes wieder einmal herauszunehmen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Herr Bundesminister, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie im Sozialausschuss sehr klar gesagt haben, dass Sie dieses Thema Pflege mit einem ganz breiten Zugang aufziehen wollen.

Es gibt natürlich viele, viele Rädchen, an denen wir drehen müssen, wenn dir das Pfle­gesystem zukunftsfit machen wollen. Das eine, die Finanzierung des Pflegegeldes, ist ja eine wichtige, aber bei Weitem nicht die einzige Komponente. Wir müssen in der Struktur einiges machen. (Abg. Wurm: Die Pflege zu Hause ist aber relevant!) – Die Pflege zu Hause ist sehr relevant, die Pflege zu Hause ist sehr wichtig, aber um sie zu unterstützen, bedarf es nicht nur finanzieller Zuwendungen an Familien, sondern auch ganz klarer neuer Strukturen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Da braucht es erst einmal Unterstützungen vor Ort im Wege von Community Nurses, wie wir es zum Beispiel jetzt angedacht haben, wie es in unserem Regierungspro­gramm steht. Da braucht es eine stärkere Unterstützung durch die mobile Pflege zu Hause. Bei der Hauskrankenpflege zum Beispiel muss es auch Unterstützung durch mehr Kurzzeitpflegeangebote für die Zeit geben, wenn pflegende Angehörige zum Bei­spiel auf Urlaub gehen wollen, was sie ja heute in vielen Regionen Österreichs oft nicht können.

Da braucht es auch Unterstützung zum Beispiel durch einen pflegefreien Tag für die pflegenden Angehörigen, aber das muss strukturell, organisatorisch auf die Beine ge­stellt werden und wird natürlich auch einiges an Geld kosten.


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Weiters wollen wir die pflegenden Angehörigen natürlich noch viel besser in Bezug auf die Fragen zu Pensionen und Ansprüchen sowie auch auf die Gesundheitsversorgung absichern. Deswegen gibt es ja auch die Idee des Pflege-daheim-Bonus, den wir in un­serem Wahlprogramm eingebracht haben. Da geht es darum, dass jemand, der die Pflegeleistung zu Hause erbringt, finanziell gestärkt wird. Ob das unbedingt an das Pflegegeld angeknüpft werden muss, dass quasi der Gepflegte mehr bekommt, das muss alles geklärt werden. (Abg. Angerer: Wo ist der Unterschied?)

Wir haben also eine Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen, die wir zu treffen haben. Es wäre völlig verkürzt, hierherzukommen und zu sagen, jetzt beschließen wir einmal einen Punkt. Das ist genau das, was wir in der letzten Gesetzgebungsperiode mit der Ministerin Hartinger-Klein hier besprochen haben, nämlich dass wir da ein ganzheitli­ches Konzept aufsetzen müssen.

Vielleicht erinnern Sie sich noch, liebe KollegInnen von den Freiheitlichen, dass wir hier den Masterplan Pflege beschlossen haben, nämlich als Roadmap zu einem neuen Pfle­gekonzept; diese Punkte, die von unseren beiden Fraktionen in diesem Masterplan Pfle­ge damals formuliert wurden, sind alle eins zu eins im Regierungsprogramm. (Abg. Bela­kowitsch: Da gab’s aber keine Pflegeversicherung! – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Das wurde noch mit einigen weiteren Punkten angereichert, zum Beispiel mit den schon genannten Community Nurses, aber die Punkte, die wir gemeinsam erarbeitet haben, sind alle im Regierungsprogramm. Daher ist es eigenartig, wenn du jetzt hier herauskommst und plötzlich eine Kehrtwendung machst, alles schlechtredest. Das schadet ganz besonders eurer eigenen Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ich tu überhaupt nichts schlechtreden!)

Deswegen, Herr Minister, noch einmal: So werden wir das machen. Wir werden es ge­meinsam mit breiter Einbindung aller sogenannter Stakeholder aufziehen, und dann werden wir ein gutes Pflegekonzept für ganz Österreich und keine Einzelmaßnahmen schaffen.

Ihr (in Richtung FPÖ) seid herzlich eingeladen, mit euren ursprünglichen Ideen kons­truktiv hier mitzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Frau Dr. Belakowitsch zu Wort. – Bitte schön.


20.23.10

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Gödl, hat hier behauptet, ich hätte vor einem Jahr völlig anders argu­mentiert (Abg. Leichtfried: Zu Recht!) und hätte beispielsweise auch nicht gewollt, dass das Pflegegeld erhöht wird. – Das ist vollkommen unrichtig.

Ich habe, seit ich hier im Haus bin, seit 2006, für eine Erhöhung beziehungsweise eine jährliche Valorisierung des Pflegegeldes gekämpft. (Beifall bei der FPÖ.)

20.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Christian Drobits. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.23.49

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Glaubwürdige Politik hat sich meiner Meinung nach an den Sorgen und Anliegen der Menschen zu orientieren, für die wir hier im Hohen Haus arbeiten dürfen. Es geht darum, dass wir diese Lebens­realität abbilden und dann auch umsetzen.


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Eine über 50-jährige Frau kam zu mir, die seit 20 Jahren erwerbstätig ist, sagte, der Vater oder die Mutter sei infolge einer Krankheit sehr schwer pflegebedürftig und sie wisse nicht mehr, wie sie die Pflege gestalten soll und wie diese Pflege und Betreuung der Eltern vom Einkommen finanziert werden soll, wobei sie auch keine weiteren Mög­lichkeiten, etwa die, eine 24-Stunden-Betreuung zu organisieren, habe. Es ist ein The­ma, bei dem sie um Hilfe schreit. Die Hilfe ist sehr groß, aber sie geht in die Richtung, wohin man sich wenden kann und was man tun soll.

Diese Situation kennen über 900 000 Menschen im Burgenland, die Pflegebedürftige pflegen (Abg. Gabriela Schwarz: 900 000 im Burgenland?!) – in Österreich. Diese 900 000 können nachfühlen, wie es diesen Menschen im Burgenland und in allen an­deren Bundesländern geht, wenn es um diese Pflege und Betreuung geht.

Wie ist aber diese Problemlösung, die rasch erfolgen soll? – Sie kann nicht so sein, dass man ins Regierungsprogramm hineinschreibt, dass es einen Pflege-daheim-Bo­nus gibt. Dieser Pflege-daheim-Bonus ist eine Einmalzahlung von 1 500 Euro. (Abg. Loa­cker: ... Burgenland!) Umgerechnet auf den Tag bedeutet das 4,20 Euro. Das sind un­gefähr zwei Wurstsemmeln mit Gurkerl. Ob das die Wertschätzung und die Anerken­nung für die Angehörigen der Pflegebedürftigen ist, darüber lässt sich streiten.

Natürlich ist auch der pflegefreie Tag pro Monat – ein Tag! – kritisch zu betrachten, da man weiß, dass es eine Pflegekarenz gibt, da man weiß, dass es auch andere Einrich­tungen wie die Hospizkarenz gibt.

Wir haben im Burgenland ein Modell, nämlich den Zukunftsplan Pflege, der klar sagt, was wir wollen: Wir wollen die Anstellung von Pflegeangehörigen über ein Dienstver­hältnis (Abg. Loacker: ... Riesenbankomaten ...!), in dem sie sozial abgesichert sind, in dem sie auch klar Pensionsansprüche haben und ein faires Einkommen erhalten. (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Das Einkommen ist ab der Stufe 5 mit 1 700 Euro Nettomindestlohn fixiert. Das ist eine Lösung, das ist ein faires Angebot. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, dieses Modell, das in Brüssel vor einigen Wochen vorgestellt wurde, auch genau so in Ihre Überlegungen aufzunehmen. (Abg. Loa­cker: ... Arbeitsmarkt brauchen, sitzen dann zu Hause!)

Sie haben gesagt, Sie strecken die Hand hin. Wir strecken auch mit diesem Modell die Hand hin. Ich übergebe Ihnen auch das Konzept, wir sind auch bereit, da mitzuarbei­ten. Greifen Sie bitte den Ball auf, und versenken Sie den Ball im Tor! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Burgenland ist kooperativ, wir stehen dahinter, wir werden natürlich mitarbeiten. Wir sind auch sehr freundlich, nur hört die Freundschaft irgendwo auf. Die Freund­schaft hört da auf, wenn es darum geht, dass über das Hintertürl ein Asylzentrum in unser Land gebeamt wird (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP), wobei gesagt wird, dass die mögliche Sprachverwirrung des zuständigen Ministers dafür verantwort­lich ist. (Abg. Gödl: Jetzt machst dich lächerlich!) Ich denke, da ist die Freundschaft vorbei. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Lä­cherlich! – Abg. Matznetter: Beim Nähen nimmt man auch eine Nadel und keinen Hammer!)

20.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Rebecca Kirchbaumer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.27.34

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse-


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her! Ja, die Pflege ist ein sehr emotionales Thema. Es berührt uns alle und trifft uns mittelbar oder unmittelbar in unserem Leben.

Zum FPÖ-Antrag möchte ich eingangs sagen: Verstehen kann ich ihn schon, aber er ist leider nicht zu Ende gedacht. Ab der Pflegestufe 3 einfach 50 Prozent zu geben, mit der Gießkanne drüberzuschütten, ohne die Dinge mit Hausverstand zu Ende zu den­ken, ist, glaube ich, nicht der richtige Weg. Ich finde, wir müssen schon schauen, dass wir das gesamte Pflegethema in die richtige Richtung bringen.

Für mich persönlich ist es sehr wichtig, dass die häusliche Pflege – das haben wir auch im Regierungsprogramm festgeschrieben – gestärkt wird, nämlich mit einem Bonus. Wie dieser Bonus aussieht, werden wir in weiteren Schritten mit Sicherheit intensivst besprechen.

Warum sage ich das? – Ich selbst habe zusammen mit meiner Mutter über neun Mo­nate lang meine Großmutter gepflegt. Ich weiß, was es heißt, wenn man nicht frei hat, wenn man rund um die Uhr da sein muss, wenn man in der Nacht nicht ruhig schlafen kann, weil man Angst hat, dass dem zu pflegenden Menschen etwas passiert. Dass et­was getan wird, um diese Menschen durch soziale Dienste zu unterstützen, kann man nur befürworten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Freiräume sind wichtig und richtig, aber es muss nicht immer alles mit Geld bezahlt werden – jede einzelne Stunde, die ich für meine Großmutter, für meine Tante oder für einen anderen Angehörigen aufwende.

Kein Mensch wünscht sich, krank zu werden. Gott sei Dank werden viele Menschen zu Hause gepflegt. Es trifft nicht nur ältere Menschen, sondern auch Junge, die infolge von Unfällen oder schweren Krankheiten Pflege brauchen.

Wichtig ist mir auch noch die Entbürokratisierung, die auch im Regierungsprogramm steht. Mir hat eine Krankenschwester erzählt, es steht nicht der Patient im Vorder­grund, sondern die Dokumentation und ganz wichtig ist, dass am Tablet die richtigen Haken gesetzt sind, bevor sie überhaupt zum Patienten gehen. Da würde ich am liebsten als Allererstes anfangen: dass wir beim Patienten sind und nicht am Tablet und irgendwelche Haken setzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza.)

Das Thema Pflege wird uns noch lange beschäftigen. Mit dem Kapitel im Regierungs­programm wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, und wir müssen jetzt bestmöglich zu­sammenarbeiten, um schnellstmöglich in die Umsetzung zu gehen. Vielen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Kollege Philip Kucher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.30.50

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Ich möchte positiv beginnen: Ich freue mich, dass die FPÖ sich zur Weiterent­wicklung der Pflege Gedanken gemacht hat. Es gibt jetzt einen Vorschlag, der 756 Mil­lionen Euro kostet und relativ wenig bringt. Man könnte das Geld besser einsetzen. Ich bin aber froh, dass ihr euch jetzt nach zwei Jahren, in denen ihr in der Regierung wart, zumindest Gedanken macht. 756 Millionen Euro könnte man aber besser einsetzen.

Man muss ja nicht ganz so sparsam sein wie der Herr Sozialminister, der sich dafür feiern lässt, dass er für armutsgefährdete Kinder 27 Cent am Tag erkämpft hat. Jetzt mache ich mir natürlich Sorgen: Wenn er bei den Verhandlungen zum Pflegepaket ge­nauso erfolgreich ist, wird das ein bisschen zu wenig sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Also 27 Cent und Marketing sind gut, aber es müsste mehr passieren, und ähnlich ist es in der Pflege. Deswegen haben wir die Hand ausgestreckt. Der Herr Finanzminister


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hat ja 1 Milliarde gefunden, und wir haben gleich gesagt: Machen wir eine Pflegemil­liarde daraus!, weil es wichtig ist, dass wir eine staatliche Pflegegarantie auch finanzie­ren. Ich glaube, das wäre der erste Schritt gewesen, der wichtig gewesen wäre. Wir wer­den Sie natürlich gemeinsam in dieser Frage unterstützen, dass es nicht bei 27 Cent am Tag bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen diese staatliche Pflegegarantie, weil wir auch die Menschen in den Mittel­punkt stellen wollen. Wir werden den Menschen sagen: Wir kümmern uns um euch, wir sind für euch da, alle Menschen, die Pflege brauchen, können sich auf die Politik ver­lassen. Es ist wichtig, dass wir natürlich auch für die pflegenden Angehörigen da sind, dass wir die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen, dass diese Menschen, die sich für ihre Angehörigen einsetzen, auch die beste Unterstützung bekommen.

Ganz wichtig ist mir vor allem der Bereich jener Menschen, die Tag für Tag 24 Stunden am Tag in der Pflege für ihre Mitmenschen da sind. Da wird es halt mehr brauchen als die Wertschätzung und die Hochglanzfotos von Sebastian Kurz, auf denen er sich fei­ern lässt: Wir werden auch etwas an den Rahmenbedingungen ändern müssen.

Wo ich mir schwertue – Hochglanzfoto hin oder her –: Wir werden auch bei den Rah­menbedingungen im Arbeitszeitgesetz etwas machen müssen. Ich bringe nur ein Bei­spiel: Wenn die Anzahl der Toiletten überall geregelt ist, dann werden wir halt in Zu­kunft auch regeln müssen, dass keine Diplomkrankenschwester im Nachtdienst alleine arbeiten darf. Da geht es um Mindeststandards in ganz Österreich, etwa dass wir in Österreich eine gemeinsame Personalberechnung mit Mindeststandards haben. Das wären doch konkrete Beispiele.

Ich freue mich, dass Sie persönlich in Österreich unterwegs sein werden, dass Sie sich jetzt einmal alles anhören und Kontakt haben werden, aber wir brauchen natürlich auch konkrete Sofortmaßnahmen. Wir wären bereit. Kämpfen wir vor allem auch für die Fi­nanzierung der Pflege! (Beifall bei der SPÖ.)

20.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


20.33.23

Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Ich habe heute meinen 14. Arbeitstag in dieser schönen Funk­tion als Sozial- und Gesundheitsminister. Heute ist vielleicht der schönste Tag, denn heute darf ich den ganzen Tag hier bei euch in diesem Haus verbringen (Abg. Bela­kowitsch: Ob das so schön ist, na ja!) und spannende Reden anhören, den Diskurs mitverfolgen, auch die eine oder andere Bekanntschaft mit Menschen schließen, die ich noch nicht gekannt habe – das ist für mich ein sehr wichtiger Tag, ich meine das sehr, sehr ernst –, und hier mit euch inhaltlich spannende Debatten führen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Das, was ich seit dem ersten Tag versuche, ist, zu signalisieren, dass für mich das Thema Pflege das zentrale, große Schwerpunktthema in diesem Ressort zumindest für die nächsten paar Monate und mit hoher Wahrscheinlichkeit für die nächsten Jahre sein wird. Warum? – Weil die Herausforderungen gigantisch sind. Jeder und jede von euch hat richtig diagnostiziert. Allein, meine Sorge ist ein bisschen: Mit den Schlag­wörtern und den Überschriften werden wir nicht durchkommen, sondern wir brauchen erstens, Kollege Loacker – jetzt mache ich es in der richtigen Reihenfolge, hoffe ich, im Gegensatz zum Ausschuss –, einmal eine Klarstellung: Wo stehen wir inhaltlich? Wo setzen wir die Schwerpunkte? Mit welchen Detailangeboten realisieren wir das Ganze? Zweitens müssen wir die Organisationsfrage lösen. Da müssen wir viele, viele Dinge klären. Und drittens bleibt die Finanzierungsfrage zu klären – selbstverständlich.


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Deswegen möchte ich mir ganz einfach die Zeit nehmen, um in den Monaten Februar und März in einer Dialogtour durch ganz Österreich mit den Betroffenen zu reden, Insti­tutionen zu besuchen, mit NGOs, die die alltägliche Arbeit machen, in dem Zusam­menhang zu reden, mich mit PflegerInnen über die tatsächliche Situation – zum Bei­spiel Schlagwort Bürokratie als Thema – zu unterhalten, um ganz praktikable, konkrete Hinweise, Anregungen, Tipps in die Arbeit mitzunehmen.

Zweiter Schritt: Nach Ostern werden wir die Taskforce Pflege starten, in die wir die we­sentlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die NGOs, die Länder, die Gemeinden, die Fachexpertinnen und Fachexperten einbinden wollen und in der wir versuchen wollen, diesen Dreischritt der notwendigen Lösungen möglichst präzise zu erarbeiten und vor­zuschlagen.

Spätestens bis Jahresende möchte ich die Bund-Land-Gemeinden-Zielsteuerungs­gruppe starten, denn was wir nämlich drittens brauchen, ist, dass es nicht nur ein Konzept aus einem Guss, sondern auch eine Finanzierung aus einem Guss gibt. Diese diversen, unterschiedlichen Finanzierungskanäle, die gut gemeint und richtig – über­haupt keine Frage – und historisch gewachsen sind, können wir – davon bin ich zutiefst überzeugt – effizienter gestalten, wenn wir sie bündeln. Das ist die zentrale, dritte Ab­sicht.

Das ist der Versuch, das ist das Vorhaben. Die Einladung gilt. Ich habe heute – und das ist schon einmal super – ganz viel von ausgestreckten Händen gehört. Meine ge­hört dazu. Wir müssen nur aufpassen, dass diese Hände wirklich offen und damit in Richtung Lösung orientiert sind. Ich habe mit Interesse vernommen, dass die NEOS bereits ein spannendes Konzept erarbeitet haben. (Die Abgeordneten Rainer Wimmer und Leichtfried: Na ja!) Das werden wir selbstverständlich in die Arbeit mithineinneh­men. Ihr von der SPÖ habt ein spannendes Konzept erarbeitet – das haben Kollege Muchitsch und der Kollege aus dem Burgenland schon angekündigt –, auch das wird einfließen, und dann schauen wir uns in einem Wettbewerb der Ideen an, was wir best­möglich realisieren und verwirklichen können.

Zwei Punkte, die mir inhaltlich noch wichtig sind, auf die ich hinweisen möchte: Ich weiß jetzt nicht mehr ganz präzise, wer den Ausdruck mit in die Debatte eingebracht hat, aber es geht um diese Grundidee der sogenannten Community Nurses, die in Deutschland, in Dänemark und ganz fantastisch seit vielen Jahren in Finnland funktio­niert. Vielleicht finden wir noch eine bessere Begrifflichkeit dafür (Abg. Wöginger: Ge­meindeschwester!) – die Gemeindeschwester; gestern hat mir ein Arzt aus Wien ge­sagt, es könnte auch der Begriff Grätzelschwester werden – oder Grätzelpfleger, das sollte man ja auch ein bisschen offen sehen, auch wenn es meistens die Frauen sind, die in diesem Bereich die Arbeit ausführen.

Das ist eine ganz spannende Idee, weil wir wohnortnahe Lösungsangebote und Unter­stützungen brauchen. Das hat in Finnland super funktioniert – dort hat die Investition im Übrigen sogar zu einer Stabilisierung der Ausgaben geführt –, weil es ein sehr prak­tikables Unterstützungsangebot vor Ort gibt; das sollten wir schrittweise bei uns ge­nauso implementieren.

Letzter Punkt: Ich habe ganz spannende Zahlen gesehen, die viele kennen werden, aber trotzdem noch ein Hinweis darauf: Laut Berufsstatistik gibt es 141 000 Menschen in Österreich, die für diese Pflegeberufe ausgebildet sind. Sage und schreibe 30 000 davon arbeiten nicht mehr oder nicht in diesem Beruf. Das ist in dieser Größenordnung wirklich ein ganz schlagendes Indiz dafür, dass wir ein Problem mit diesen Jobs und der großen Überforderung, die in diesen Jobs teilweise gegeben ist, haben.

Das heißt, wir müssen uns ganz genau anschauen: Wo können wir entbürokratisieren, damit die Arbeit interessanter, machbarer wird? Wo können wir begleitende Unterstüt-


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zungen verwirklichen? Und: Was können wir auch zur Aufwertung des Berufsbildes insgesamt machen? Ich finde es sehr, sehr spannend, dass es derzeit Kollektivver­tragsverhandlungen gibt, in denen erstmals seit Langem das Thema Arbeitszeitverkür­zung wieder ein Thema ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

20.39

20.39.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 30 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine zusätzliche Be­lastung der Menschen durch eine Pflegeversicherung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

20.39.598. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 150/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (31 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen jetzt zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Kollege Christian LauschBitte schön, Herr Abgeordneter.


20.40.21

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren hier einen negativen Ausschussbericht über einen Antrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung“ – eine langjäh­rige freiheitliche Forderung. (Abg. Loacker: ... Hartinger-Klein nicht umgesetzt!)

Es ist unverständlich, dass die Regierungsparteien nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass in Österreichs Justizanstalten einsitzende Insassen, sofern sie nicht einer Arbeit nachgehen und in Strafhaft sind, nicht krankenversichert und somit Privatpatienten sind. Jeder Abgeordnete weiß, glaube ich, was der Unterschied ist, ob man die Leis­tungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder als Privatpatient bezieht. Ich sage es jetzt noch einmal, weil Kollege Hanger schon ein bisschen schmunzelt – da gibt es gar nichts zum Schmunzeln (Heiterkeit des Abg. Hanger–, ich sage es Ihnen, Kollege Hanger, und der ganzen ÖVP-Fraktion: Hinter jedem Straftäter in Österreich und auch den Personen, von denen angenommen wird, dass sie später verurteilt wer­den – die meisten U-Häftlinge werden in späterer Folge verurteilt –, stehen ein oder mehrere Opfer. Diese Opfer sind großteils in der gesetzlichen Krankenversicherung, so wie alle Österreicherinnen und Österreicher. Es ist nicht einzusehen, dass die Täter im Vollzug privat versichert sind und dadurch sehr viel Steuergeld verbrauchen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ganz interessant ist aber noch etwas: Was man da sieht, ist ein gewisses Sittenbild der ÖVP. Dieser Antrag ist nämlich natürlich auch begründet, und zwar mit dem Rech­nungshofbericht Bund 2012/3. In diesem Rechnungshofbericht äußert der Rechnungs­hof harsche Kritik an der Privatversicherung der Insassen in den Justizanstalten. Ich lese ganz kurz vor: „An dieser massiven Geldverschwendung hat der Rechnungshof schon vor Jahren in dem Bericht“ – wie zitiert – „deutliche Kritik geübt und Einspa­rungsmöglichkeiten aufgezeigt.“

Der damalige Rechnungshofpräsident, der diese harsche Kritik geäußert hat, war Dr. Josef Moser. Interessant wird es dadurch, dass Dr. Moser, jetzt Abgeordneter, ab 2017, mit dem Eintritt in die Regierung Kurz I, wie man sie bezeichnet – mit uns –, Jus­tizminister war. – Ich kürze das jetzt ab.

Wir wollten natürlich, weil wir dazu ja bereits mehrere Anträge gestellt hatten – ich habe sie alle mit (die entsprechenden Anträge in die Höhe haltend) –, dass das über die Sozialministerin Hartinger-Klein umgesetzt wird. Wir haben 2016 einen Antrag gestellt, wir haben mehrere Anträge gestellt, dass das endlich repariert wird, aber na­türlich ist es nicht gelungen (Zwischenruf der Abg. Steinacker), und auch jetzt wird, so denke ich, Dr. Moser diesen Antrag als Abgeordneter ablehnen. – Ich nehme an, Herr Moser, oder stimmen Sie gegen Ihre eigene Fraktion? (Zwischenruf des Abg. Für­linger.) Das wird ja eigentlich komplett grotesk. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann nur feststellen: Anscheinend ändert sich mit der Aufgabe der Mensch, denn die Sache bleibt immer dieselbe. Es wäre eine Ungerechtigkeit auszuräumen, Sie hät­ten als Justizminister die Chance dazu gehabt, haben aber in dieser Sache nichts ge­macht.

Wir wollten das! Wir haben schon im Jahr 2016 Anträge gestellt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sie auch. Na dann frage ich mich, warum nichts passiert ist (Abg. Steinacker: Weil wir es besser machen!) und vor allem, warum Sie auf ÖVP-Seite diesen Antrag von uns, von Kickl, jetzt wieder ablehnen. – Ich verstehe es nicht. (Abg. Steinacker: Weil wir es besser machen! – Abg. Fürlinger: Weil wir es g’scheiter machen, Herr Kol­lege!)

Sie wollen einfach Besserstellungen für Täter und Schlechterstellungen für Opfer. Da­rum geht es, global zusammengefasst. Diese Ungerechtigkeit gehört weg. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Straftäter in österreichischen Justizanstalten bessergestellt wer­den als die Justizwachebeamten, die auf sie aufpassen beziehungsweise sie unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens tagtäglich bewachen. Es ist auch nicht ein­zusehen, dass Opfer schlechter gestellt sind als Täter. Das ist eine Ungerechtigkeit, die man einfach einmal hervorheben muss! (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Person Josef Moser braucht man, glaube ich, nichts mehr zu sagen – anscheinend ändert sich mit der Aufgabe der Mensch. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Als Rech­nungshofpräsident hat er das unterstützt, hat er kritisiert, hat er gesagt, er würde das gerne ändern. Als Minister hat er dann nichts gemacht, und jetzt als Abgeordneter lehnt er diesen Antrag natürlich mit der ÖVP-Fraktion, mit der Regierungsfraktion ab. Das ist komplett unverständlich. Schade, dass Dr. Moser nicht auf der Rednerliste steht, denn es wäre schon Aufklärung darüber geboten, warum man sich – ich sage es einmal so – in diesen acht Jahren dreimal dreht. Das ist für mich total unverständlich, aber anscheinend ein Sittenbild der ÖVP. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)


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20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Ralph Schallmeiner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.46.14

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Sozialminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bringen wir das Ganze wieder ein bisschen runter, die Erregung jetzt gerade war aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig. Im Ausschuss letzte Woche, wer sich erinnert, wurde ein Antrag seitens der FPÖ gestellt: Geh bitte, liebe Regierung, tut et­was! – Wir haben offensichtlich ein Problem, stimmt, da gibt es ein Problem. Dieses ist 100 Millionen Euro schwer, wir haben definitiv einen Handlungsauftrag. – Das ist die ei­ne Seite. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Die andere Seite ist: Im Regierungsprogramm steht eindeutig, dass wir uns dieser Sa­che annehmen werden. Nur – und das ist halt auch wichtig – kann man eben Dinge nicht einfach einmal so geschwind und lustig übers Knie brechen, denn dann kommen genau diese Husch-pfusch-Geschichten heraus, die in der Folge der Verfassungsge­richtshof oder irgendjemand anderer in Österreich aufhebt. So kennen wir das und so ist das seit Jahren immer und immer wieder gewesen: Immer dann, wenn etwas übers Knie gebrochen wurde, wenn man irgendetwas einfach einmal auf die Schnelle ge­macht hat, ist im Endeffekt am Ende des Tages irgendein Gerichtshof dagewesen, der die ganze Sache wieder aufgehoben hat. Das möchten wir nicht. (Beifall bei den Grü­nen sowie des Abg. Pöttinger.)

Deshalb wurde auch der Antrag vor einer Woche im Sozialausschuss von unserer Seite abgelehnt. Im Gegensatz dazu haben wir einen Entschließungsantrag einge­bracht, in dem wir gesagt haben: Okay, liebe Leute, sehr geehrter Herr Sozialminister, setzen wir uns mit all jenen zusammen, die davon betroffen sind. Das sind im konkre­ten Fall der Bund, natürlich die Ministerien, auf der anderen Seite auch die Krankenan­staltenträger, das heißt am Ende des Tages die Länder und natürlich auch die Ge­sundheitskassen – die Gebietskrankenkassen in dem Sinn gibt es ja nicht mehr –, die wir da mit ins Boot holen müssen.

Setzen wir uns zusammen, schauen wir uns die Sache gemeinsam an, schauen wir, wie wir dafür sorgen können, dass da Kosten gesenkt werden! – Genau das ist der Plan, den wir haben. Am besten wird es wahrscheinlich sein, wenn wir das Ganze nächstes Jahr im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen machen, denn dann sind auch die Länder entsprechend an Bord; ansonsten haben wir ja in dem Zusammen­hang andere Herausforderungen.

Ich fasse also zusammen: Wir gehen die Sache aktiv an, wir machen es gescheit, wir fudeln nicht, wie es Kollege Kucher einmal so schön genannt hat, sondern wir machen die Sache anständig, verhandeln das anständig aus.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Abänderungsantrag zu unserem Entschließungs­antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kol­legen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Wortfolge „Ausschuss für Arbeit und Soziales“ wird durch das Wort „Nationalrat“ ersetzt.

Begründung: Es handelt sich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens.

*****


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Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Michael Hammer, zum Bericht des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales über den Antrag 150/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der Insassen von Justizanstalten in die gesetzliche Krankenversicherung (31 d.B.)

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die dem Ausschussbericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales 31 der Beilagen angeschlossene Entschließung wird wie folgt geändert:

Die Wortfolge „Ausschuss für Arbeit und Soziales“ wird durch das Wort „Nationalrat“ er­setzt.

Begründung

Es handelt sich um die Bereinigung eines redaktionellen Versehens.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Gerald Loacker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.49.19

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Ja, Kollege Lausch hat schon den Rechnungshofbericht aus 2012 zitiert, in dem es eben darum geht, wie viel es den Steuerzahler kostet, dass die Häftlinge nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sind. – So viel, Kollege Schallmeiner, zum Übers-Knie-Brechen, von dem Sie gesprochen haben: Von 2012 bis 2020 sehe ich in der Vorgangsweise kein Übers-Knie-Brechen, wenn man jetzt endlich das täte, was der Rechnungshof unter Präsident Moser gefordert hat.

50 Millionen Euro zusätzlich kostet es also, wenn Häftlinge beispielsweise in Spitals­behandlung müssen, was nach Privattarif abgerechnet wird und nicht über die Kasse geht.

Gut, 2018 habe ich das auch hier im Haus beantragt, da hatte die FPÖ gerade Regie­rungsverantwortung und hat nichts gemacht. 2016 war es hier herinnen auch Thema, damals hat Abgeordneter Harald Troch im Plenum erklärt, an einer Einbeziehung der Häftlinge in die Krankenversicherung führe kein Weg vorbei. Damals war Alois Stöger Sozialminister. Er wird nach mir hier herauskommen und sagen, dass es gar nicht geht, die Häftlinge in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen, und wird ein Schreckgespenst an die Wand malen, dass die Arbeiter und Angestellten dafür zahlen müssen.

Dass die wesentlichen Kosten ja jetzt auch bei diesen Menschen landen, ist dabei in der SPÖ-Argumentation ausgeblendet. Es ist auch ausgeblendet, dass man die Kosten


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für die Krankenversicherung der Häftlinge entweder direkt aus dem Budget zahlen könn­te, so wie jetzt eben die Kosten der Privatbehandlung, oder dass man die Häftlinge der Beamtenversicherung umhängen könnte, die so viel Geld hat, dass sie es nicht einmal merken würde. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Von den Grünen kommt eigentlich nichts. Sie gehen mit der Aufschiebetaktik der ÖVP mit und merken gar nicht, was sie da machen. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Aber Rudi Anschober müsste es wissen, weil er als Landesrat weiß, dass diese Privatkos­tenübernahme im Wesentlichen den Landespitälern hilft. Die Landesspitäler bekom­men mehr Geld, wenn sie Häftlinge privat behandeln; wenn diese krankenversichert wären, wäre es weniger. So ist das eigentlich zu all den Finanzausgleichsmilliarden noch einmal eine zusätzliche Geldspritze für die Landesspitäler.

Seit 2012 reden wir darüber und es passiert nichts, und – so viel kann ich Ihnen nach 14 Tagen Rudi Anschober schon sagen – das ist die Methode: zuschauen, anschauen, weiterschauen. – Nun könnten Sie zur Abwechslung einmal etwas tun! (Beifall bei den NEOS.)

20.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Kollege Alois Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Das wird jetzt eine bessere Rede!)


20.52.07

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bedanke mich beim Abgeordneten Loacker, weil er ein wesentliches Element be­reits vorweggenommen hat. Er hat nämlich gesagt, es sei eine schwierige Frage, zu welcher Krankenversicherung wir denn die Häftlinge geben wollen. Geben wir sie zu den Beamten? Geben wir sie zu den Bauern und Selbstständigen? (Abg. Wurm – er­heitert –: Zu den Selbstständigen?!) Oder sollen, wie Herr Schallmeiner gemeint hat, die Arbeiter und Angestellten die Last alleine tragen, nicht die anderen? – Dass nur die Arbeiter und Angestellten mit den Kosten belastet werden, da werden wir von der So­zialdemokratie nie mittun. (Abg. Loacker: Und was ist jetzt die Lösung?)

Genau darum geht es. Erstens: Man hat den Krankenkassen kein gleiches Leistungs­recht gegeben. Hätten wir ein gleiches Leistungsrecht bei allen, wäre das kein Pro­blem. Zweitens: Es ist nicht verboten, mit den Ärzten in Österreich Vereinbarungen un­ter den gleichen Bedingungen zu treffen, wie auch bei den Krankenkassen die gleichen Regelungen im Bereich der Haftanstalten gelten. Das wollte man nicht tun und das hat man nicht gemacht. (Abg. Loacker: Wieso haben Sie das nicht als Minister gemacht?) Daher kann es nicht sein, dass man die Last, die eigentlich eine Staatsaufgabe ist, nur den Arbeitern und Angestellten umhängt. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Punkt möchte ich noch anführen, der nicht diskutiert worden ist. Wir hatten im Ausschuss auch noch einen Entschließungsantrag, der teuflisch ist. Da hat man ge­sagt, man will eine besondere Einbeziehung der Häftlinge in die Krankenversicherung, nämlich mit weniger Leistungen – mit Standardleistungen, ohne Einbeziehung der An­gehörigen. Daher will man noch einmal eine Differenzierung machen, die dann dazu führt, dass die Arbeiter und Angestellten wieder eine schlechtere Krankenversicherung haben werden. Da wird die Sozialdemokratie nie mitmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Ralph Schallmeiner zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.54.27

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stöger! Zur tatsächlichen Berichtigung: Kollege Stöger hat gerade behauptet,


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ich hätte gesagt, die Kosten müssten die Arbeitnehmer und Angestellten tragen. – Das habe ich nicht gesagt. (Abg. Stöger: Gesundheitskasse!) – Nein, habe ich nicht ge­sagt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stöger.– Nein, dann müssen Sie mir zuhö­ren! Kollege Stöger, dann müssen Sie mir zuhören und nicht mit der vorgefertigten Re­de hier herauskommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Michael Schnedlitz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.55.00

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Vorredner, eines kann ich Ihnen nun nicht ersparen: Es ist sehr spannend, Ihnen zuzuhören und zu hören, wie hier heute die Sozialde­mokratie den Klassenkampf fast neu definiert. Während Sie früher noch wirklich und ehrlich für die Arbeiter und Arbeiterschaft und die Angestellten eingetreten sind, kom­men Sie jetzt hierher und führen einen Klassenkampf Richtung Zweiklassenmedizin, und zwar einer Zweiklassenmedizin, bei der der Arbeiter und der Angestellte als Steu­erzahler dafür bezahlen muss, dass die Unanständigen in unserem Land wirklich pri­vilegiert behandelt werden, da sie eine Behandlung erhalten, die der Steuerzahler und der Anständige in unserem Land nicht bekommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie kommen hier heraus und verteidigen allen Ernstes das Privileg, als Privatpatient behandelt zu werden. Auf der einen Seite haben Sie den braven, fleißigen Arbeiter, den sie angeblich vertreten, der mit ewig langen Wartezeiten benachteiligt ist, und auf der anderen Seite haben Sie eine Sonderbehandlung der Unanständigen in diesem Land, die dank Ihrer Argumentation beziehungsweise wenn es nach Ihnen geht ewig weiterhin als Dank dafür, dass sie bei uns in der Republik keinen wertvollen Beitrag geleistet haben, in der Gesellschaft bevorzugt werden.

Ich muss Ihnen schon sagen, wenn man da nachdenkt, wie so etwas passieren kann – damit nicht alles nur negativ ist –, kommt man vielleicht auf die Idee, dass so etwas passieren kann, weil Sie halt einfach keine klare Linie haben. Da muss ich als junger Abgeordneter Ihren jungen Abgeordneten schon sagen: Ich wüsste bei Ihnen im Klub auch nicht, welche Linie ich vertreten soll. Ist es eher die Linie von Rendi oder ist es eher die Linie von Wagner? – Langsam kennt man sich bei den verschiedenen Linien schon gar nicht mehr aus. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Loacker.)

Eines, sehr geehrte Damen und Herren, muss ich Ihnen aber zugutehalten (Zwischen­ruf des Abg. Keck): Sie nehmen zumindest irgendeine Haltung ein, während die Bun­desregierung – Sie haben es vorhin gesagt –, Herr Sozialminister, bereits nach 14 Ar­beitstagen den Leerlauf einlegt.

Wenn wir uns die Fakten und die Krankheitskosten der Häftlinge anschauen, dann merken wir, dass das explodiert ist. Das ist keine Erfindung einer freiheitlichen Kritik, das ist keine Erfindung einer Kritik der NEOS, das hat – das haben wir schon richtig gehört – der Rechnungshof bereits vor acht Jahren festgestellt. Wenn Sie nach acht Jahren noch immer hergehen und versuchen, das mit irgendwelchen Ausreden auf die lange Bank zu schieben, dann wird das in der Bevölkerung niemand mehr verstehen.

Ein weiteres Faktum hat Kollege Lausch richtig angesprochen. Das ist etwas, was Sie der Bevölkerung, Sie Ihrer Arbeiterschaft (in Richtung SPÖ), aber, werte Bundesregie­rung, auch Sie alle miteinander den Menschen in diesem Land erklären müssen, nämlich dass – so deutlich muss man es aussprechen – der Häftling als Täter eine bessere Behandlung erfährt als die Opfer, die von den Häftlingen teilweise wirklich Schlimmes erfahren haben. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Wenn ich von einer besseren Behandlung spreche, dann lassen Sie mich nur in aller Kürze zwei Beispiele herausgreifen, damit das wirklich griffig für Sie wird. Ich darf eine Schlagzeile zitieren, über die wir uns alle Gedanken machen müssten: „Sex-Täter vom Praterstern ist krank: Therapie kostet 24.000 €“ – eine Therapie für den Afghanen für eine seltene Blutkrankheit, die ein normal Versicherter in unserem Land nicht erhält.

Blicken wir kurz in die Justizanstalt Stein! Da gibt es Cialis für Häftlinge. Sehr geehrte Damen und Herren, für diejenigen unter Ihnen, die nicht wissen, was das ist: Das sind keine Pillen, die verhindern, dass es sexuelle Übergriffe in der Justizanstalt gibt. Das sind eher Pillen, die das Problem noch verschlimmern. Wenn wir auf Steuerzahler­kosten Potenzmittel für Häftlinge kaufen und Sie daran festhalten wollen oder das auf die lange Bank schieben wollen, dann hat dafür niemand mehr Verständnis.

Dieses Auf-die-lange-Bank-Schieben zieht sich ja heute wirklich schon symptomatisch durch die gesamte Sitzung. Am Morgen haben wir die Selbstaufgabe eines Bildungs­ministers erlebt, der für Bildung nicht zuständig ist, bis hin nun zu Ihnen, die Sie mit Ausreden darum ringen, zu erklären, dass Sie noch nicht lange im Amt sind, aber trotz­dem nichts weiterbringen wollen und nicht handeln. (Abg. Leichtfried – auf das bereits rot leuchtende Lämpchen deutend –: Wegen der Redezeit wäre es!)

Was man schon sagen muss: Bei den Maßnahmen, die Sie jetzt zu setzen hätten, sehr geehrter Herr Minister, hätten Sie einen strategischen Vorteil, denn Sie haben als Koa­litionspartner und Partner in dieser Frage nicht einen Blockierer – in der Person des Justizministers Moser – als Pendant, sondern Sie brauchen doch nur zu Ihrer Frau Kollegin Zadić zu gehen, wenn sie nicht gerade mit sich selbst beschäftigt ist (Ruf bei den Grünen: ... eine Frechheit! – Zwischenrufe der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Maurer), und das Problem in Angriff zu nehmen.

Wenn man aber beobachtet – und damit komme ich schon zum Schluss –, in welche Richtung die Maßnahmen von Ihnen und Ihren Kolleginnen gehen, dann offenbart sich auch einiges, wenn man heute die Zeitung aufschlägt, so zum Beispiel dass die Privi­legien für die Unanständigen in diesem Land unter Ihrer Regierungsverantwortung nur noch weiter erhöht werden. Wenn Sie nämlich hergehen und den Häftlingen auf ihre Rücklagen, salopp formuliert auf ihre Spareinlagen, 3,11 Prozent Zinsen bezahlen, das heißt um 3,11 Prozent jährlich die Rücklagen anpassen, während der Normbürger in diesem Land, vom Lehrling bis zum Pensionisten, für sein Guthaben nichts mehr be­kommt, dann ist das eine klare Aussage, in welche Richtung es geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Bundesregierung, ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihr Programm auf den Punkt zu bringen: Sie blinken rechts und biegen links ab. – Gratulation an die Grü­nen: In diesem Fall ziehen nämlich Sie der ÖVP die Hosen aus. – Sie leben Klientel­politik auf Kosten der Steuerzahler. Problemlösungen – Fehlanzeige. Sehr geehrte Da­men und Herren, willkommen in der schwarz-grünen Regierung! Jetzt sind wir endlich angekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Also das war bis jetzt die schlech­teste Rede! – Gegenruf bei der FPÖ.)

21.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Josef Mo­ser. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.01.40

Abgeordneter Dr. Josef Moser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Hinblick auf die Ausführungen von Herrn Lausch einiges klarstellen. Sie wissen – Sie haben das doch ausgeführt –, dass ich als Rechnungshofpräsident, wohl wissend, dass gera­de im Strafvollzug sehr viele Effizienzpotenziale gegeben sind, bereits im Jahr 2008


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überprüft habe, inwieweit im Strafvollzug Maßnahmen gerade bei der medizinischen Versorgung gesetzt werden können, um Einsparungen zu erzielen. Das Ergebnis der Prüfung haben Sie heute erläutert.

Im Jahr 2017, als es dann zu Regierungsverhandlungen gekommen ist, haben wir – Abgeordneter Stefan kann das bestätigen – genau dieses Thema, nämlich die Ein­beziehung der Insassen von Justizanstalten in die Krankenversicherung, auch mitbe­handelt und in das Regierungsprogramm aufgenommen – genauso wie andere Punkte, die sich ergeben haben, auch. Im Bereich des Maßnahmenvollzugs, im Bereich des Strafvollzugs wurden Maßnahmen gesetzt: Es wurde ein Strafvollzugsgesetz fertigge­stellt, es wurde ein Maßnahmenvollzugsgesetz fertiggestellt, das genau in diesem Fall auch Regelungen hinsichtlich der Frage beinhaltet, wie man in Zukunft mit Häftlingen umgeht, nämlich nicht nur in die Richtung, dass man Häftlinge in diesem Bereich si­chert, absichert, wegsperrt, sondern sie gleichzeitig auch resozialisiert, und zwar in ei­ner Form resozialisiert, dass dadurch nicht Mehrkosten, in dem Fall für die Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler, entstehen.

In diesem Zusammenhang wurden auch Kontakte mit dem Sozialministerium aufge­nommen. Es wurden Optionen überprüft und ausgearbeitet, insbesondere im Hinblick darauf, dass man nicht will, dass, wenn Insassen in die Krankenversicherung einbezo­gen werden, dann gleichzeitig auch ihre Angehörigen in die Krankenversicherung mit­einbezogen werden. Wie Sie wissen, hat es in diesem Zusammenhang auch Ver­handlungen mit den Ländern gegeben, weil ja die Häftlinge in Landeskrankenanstalten untergebracht werden und da eben, unterschiedlich in ganz Österreich, Regelungen bestehen, dass ein Häftling pro Tag, wenn er in einer Landeskrankenanstalt ist, bis zu 1 200 Euro an Mehrkosten verursacht.

Deshalb wurden Maßnahmen auch innerhalb der Justiz gesetzt: Die forensischen Zen­tren wurden ausgebaut, unter anderem Asten, weitere Haftplätze beziehungsweise Maßnahmenplätze wurden geschaffen, um die Häftlinge unterzubringen, um dadurch Kosten zu sparen.

Der jetzt ausstehende Punkt – die entsprechende Expertise liegt am Tisch – ist eben der, dass geschaut wird, inwieweit die Einbeziehung der Insassen in die Krankenver­sicherung Kosten spart und gleichzeitig jenen Maßnahmenrahmen der medizinischen Versorgung sicherstellt, der notwendig ist.

Sie sehen, dass wir in diesem Fall nichts unterlassen haben, und wenn die Regie­rungsperiode nicht so früh geendet hätte, wenn der Misstrauensantrag nicht beschlos­sen worden wäre, dann wäre diese Maßnahme auch bereits umgesetzt worden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Hans Stefan Hintner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.04.38

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Als vor geraumer Zeit meine damalige Freundin und spätere Frau von Klagenfurt – sie hat damals im Unfallkrankenhaus Klagenfurt gearbei­tet – zu uns nach Mödling gekommen ist, wurde sie nach Meidling ins Unfallkranken­haus, in die Intensivstation, überstellt. Wir haben uns jeden Tag ausgetauscht, ich ha­be sie gefragt: Wie geht es dir?, und eines Tages, ungefähr nach 14 Tagen, hat sie mich gefragt: Du, Hans, ich habe so viele Patienten aus Stein. Wo ist denn das ei­gentlich? – Das war quasi einmal die erste Berührung mit der Frage, wo Patienten auch behandelt werden; in diesem Fall beim Sozialversicherungsträger der Allgemei­nen Unfallversicherungsanstalt.


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Es ist ein Faktum – diese Zahlen liegen mir vor –, dass sich zurzeit 8 800 Häftlinge in österreichischen Gefängnissen aufhalten. Davon sind 54,7 Prozent nicht österreichi­sche Staatsbürger, davon 95 Prozent Männer. Nur um auch den Europaschnitt zu nen­nen: In Europa beträgt der Anteil 15,9 Prozent. Und dafür geben wir, je nach Berech­nung, zwischen 94 und 100 Millionen Euro aus.

Die Kritik des Rechnungshofes – ich darf das noch einmal sagen, Präsident Moser hat es erläutert – ist vollkommen richtig, ebenso auch die Intention des Entschließungsan­trages von Kollegen Kickl und seinen Kollegen. Es geht aber, wie schon gesagt worden ist, praktisch um den Feinschliff, um die Frage: Wie setzt man die 100 Millionen Euro ein? Gibt es zusätzliche Belastungen für die Krankenanstaltenträger, für Länder oder für Gemeinden?

Auf orf.at habe ich dann die Aussage von SPÖ-Vertretern gelesen, dass die Kranken­versicherung für Häftlinge nach wie vor eine staatliche Aufgabe und das Justizminis­terium weiter dafür zuständig wäre, und das befremdet mich ein bisschen.

Der Lois (auf Abg. Stöger weisend) weiß es, ich war 20 Jahre in der ÖGB-Zentrale, und da war immer klar, dass die Aufgaben hinsichtlich Pension und Gesundheit grund­sätzlich Versicherungsagenden sind. Bei unserem Antrag geht es dabei um das Wie und nicht um das Ausspielen der Versicherten untereinander. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn man sich die sachlichen Teile aller Ausführungen, die hier am Rednerpult ge­macht wurden, herauspickt, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir zu einer Lösung im Sinne der Kritik des Rechnungshofes, die alle Aspekte berücksichtigen wird, kom­men werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.07.40

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Dr. Moser hat mich jetzt dazu bewogen, noch einmal ans Rednerpult zu kommen. Also: Im Regierungsprogramm – das ist richtig – war es drinnen, in die Um­setzung ist es nie gekommen. Das Maßnahmenvollzugsgesetz, das Sie hier erwähnt haben, war nicht im Regierungsprogramm drinnen. Mit dem aber haben Sie uns stän­dig gepiesackt. Das Maßnahmenvollzugsgesetz würde eine Erleichterung für Sexual­straftäter, Vergewaltiger, Kinderschänder bringen. Das ist mit der FPÖ nicht möglich. Das werden Sie jetzt vielleicht mit den Grünen umsetzen können, wir aber haben uns dagegen immer verwahrt.

Es ist schon an Ihnen gelegen. Wir konnten nicht mit Ihnen verhandeln – das hat mir jetzt auch unser Justizsprecher bestätigt –, es hat Sie nicht interessiert. (Zwischenruf des Abg. Moser.) Und, Dr. Moser, es ist ja eh eindeutig: Ihr lehnt heute diesen Antrag ab. Das ist eigentlich ohnedies bezeichnend. Da braucht man jetzt nicht zu sagen: Wir haben es eh im Regierungsprogramm drinnen gehabt, wir hätten es eh noch umge­setzt. – Na dann setzt es jetzt um! Ich braucht nur dem Antrag zuzustimmen, und wir haben es schon umgesetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Was den Feinschliff betrifft, meine Damen und Herren, so glaube ich, falls Sie so wie Kollege Stöger, Sozialminister außer Dienst, an diesen herangehen wollen – aber ich muss sagen, ich bin irgendwie gar nicht so unglücklich über seine Aussagen hier, denn Sie haben da ja gar keine Idee –: Wenn Sie heute der Österreichischen Gebietskran­kenkasse 60 Millionen Euro zuschießen – wenn man das in Tarifen, wie sie für jeden Bürger gelten, abrechnet –, dann haben Sie 40 Millionen eingespart, weil natürlich der


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Privattarif das Doppelte kostet. Das wird ja jedem einleuchten. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wenn innerhalb von 20 Jahren oder von 19 Jahren die Kosten quasi von 30 auf 100 Millionen Euro gestiegen sind, sich verdreifacht haben, dann müssten Sie ja wissen, dass diese 100 Millionen, wenn man das über den Kassentarif abrechnen wür­de, wahrscheinlich, ich sage jetzt einmal, 60 Millionen wären.

Dann bräuchten Sie das Geld nur der Krankenkasse, die das machen soll – das wäre die Österreichische Gebietskrankenkasse (Ruf bei der SPÖ: Gesundheitskasse!), die es durch die Zusammenlegung gibt –, zuschießen und der Staat und diese Bundes­regierung hätten auf einen Schlag 40 Millionen Euro eingespart. Das ist eigentlich eine ganz einfache Rechnung, nur: Wollen muss man es! (Beifall bei der FPÖ.)

Noch einmal – Kollege Loacker hat es ja gesagt –: Es hat ja auch schon in Ihrer Frak­tion Bestrebungen gegeben. Kollege Troch hat in seiner Rede gesagt: Es führt kein Weg daran vorbei. – Negieren Sie das doch nicht! Es ist ja so. Es ist nicht möglich, dass man weiterhin Straftäter in Österreich besserstellt als die arbeitende Bevölkerung beziehungsweise die Opfer. Das ist ja unerklärlich. Das können Sie als Sozialdemo­kraten oder Sozialisten und Sie als Konservative doch keinem in Österreich mehr er­klären! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist traurig, und es ist bezeichnend, dass dieser Antrag heute abgelehnt wird und Sie das gar nicht umsetzen wollen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Klaus Fürlinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.11.07

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Kollege von der Freiheitlichen Partei! Ich bedanke mich dafür, dass Ihnen die Umsetzung des Regierungsprogramms nicht schnell genug gehen kann und dass Sie das mit so viel Verve hier argumentieren, nur lassen Sie halt leider Gottes immer die Hälfte weg.

Das Thema dieser Häftlingsbehandlung ist im Sozialressort hängen geblieben; so gut unsere Zusammenarbeit war, das Sozialressort hatten wir nicht, das hatte Hartinger-Klein.

Das Zweite, lieber Herr Kollege: Natürlich müssen wir bei einer Sozialversicherungslö­sung darüber reden, ob wir Familien mitversichern, und ich weiß nicht, ob Ihre Fraktion zustimmt, dass die halbe Welt in unserem System bei 6 000 ausländischen Häftlingen krankenversichert ist. Das werden Sie dann Ihren Wählern erklären müssen, wenn Sie das wollen! Das ist Ihr Problem und nicht unseres! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Wenn Sie uns heute undifferenziert überholen wollen, dann werden wir das nicht zulas­sen. (Abg. Lausch: Sie haben überhaupt keine Ahnung!) Stimmen Sie dem Entschlie­ßungsantrag, der ganz in Ihrem Sinne ist, zu, wonach wir prüfen, wie wir diese Be­handlungen neu strukturieren und verbilligen können (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch) und anschließend in die Sozialversicherung hineinbringen! – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.12

21.12.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.


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Zuerst lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 31 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 150/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 31 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Prüfung der Optionen in Bezug auf die Ver­besserung der medizinischen Versorgung im Strafvollzug“.

Hiezu haben die Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Mag. Michael Hammer, Kollegin­nen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse sogleich über die dem Ausschussbericht 31 der Beilagen angeschlossene Entschließung unter Berücksichtigung des soeben erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (8/E)

21.13.149. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 147/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des österreichischen Tabakmonopols und fairer Nichtraucherschutz für unsere heimische Gastronomie (32 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.13.39

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause! Ja, seit knapp zweieinhalb Monaten haben wir jetzt in der österrei­chischen Gastronomie das totale, das absolute Rauchverbot – und die Welt ist nicht untergegangen. Das macht die Welt übrigens bei den wenigsten Dingen, die Welt steht immer noch.

Was ist aber passiert oder warum ist dieses Thema für uns Freiheitliche sehr wohl immer noch ein Thema, das diskutiert gehört, wo – meinem Antrag folgend – Ausnah­meregelungen dringend notwendig sind und wo auch – auch ein Teil des Antrages – eine Spannenerhöhung für die Tabaktrafikanten ganz, ganz wichtig ist?

Noch einmal zu den Fakten: Es ist das eingetreten, was wir auch über die Jahre immer prophezeit haben: Es hat bei den Betriebstypen in der Gastronomie, die davon be­troffen sind, die vorher einen Raucherbereich hatten oder Raucherlokale waren, in den letzten zweieinhalb Monaten im Durchschnitt einen Umsatzrückgang von 20 bis 40 Prozent gegeben. Das sind Fakten, die sich relativ leicht nachprüfen lassen, auch wenn die Wirtschaftskammer das natürlich gerne totschweigen will. Es ist auch schon zur Schließung von unzähligen Lokalen gekommen, vor allem im ländlichen Bereich, wo das der Todesstoß für viele Gastronomietypen war.

Natürlich hat die Systemgastronomie, McDonald’s als großes Vorbild, keine Umsatz­einbrüche – da wird wahrscheinlich auch die Gratiswerbung von Vizekanzler Kogler geholfen haben –, aber das ist ja nicht die Gastronomie, von der wir immer gesprochen haben, sondern ich spreche oder wir sprechen immer von der klassischen österreichi-


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schen Gastronomie, von den Gasthäusern, Kaffeehäusern, Pubs und Nachtlokalen, und die haben dieses Rauchverbot natürlich sehr wohl gespürt.

Was auch auffallend ist: Es gibt kaum Anzeigen und Verstöße. Das heißt, der öster­reichische Bürger und der österreichische Unternehmer, der Gastronom, ist sehr ge­setzestreu. Das kann man auch so zur Kenntnis nehmen, und ich glaube, das ist durchaus auch zu honorieren.

Mir persönlich, muss ich sagen, geht das furchtbar auf die Nerven. Ich war gestern am Abend unterwegs, und wenn 90 Prozent der Personen in einem Lokal, inklusive Be­dienungspersonal, in regelmäßigen Abständen das Lokal verlassen, um vor der Tür draußen zu rauchen, dann stellt sich für mich schon die Sinnfrage.

Um das vielleicht noch einmal zu erklären: Es geht ja bei diesem Gesetz, das wir seit 1. November haben, nicht nur um die Gastronomie. Mit diesem Gesetz wurde das Rauchen wesentlich breiter verboten, und zwar kann man auch keinen Verein des Rauchgenusses oder Zigarrenklub gründen, wo man rauchen darf. Man kann auch keine eigenen Vereinsveranstaltungen machen, keine geschlossenen Gesellschaften und, und, und, bei denen man drinnen rauchen darf. Wir haben mit diesem Gesetz auch die Shishabars ruiniert.

Die Sinnfrage habe ich von Anfang an gestellt, aber es war im Zuge der sehr emo­tionalen Diskussion nicht möglich, den anderen Parteien mit vernünftigen Argumenten beizukommen.

Ich muss sagen, ich bedauere das schon, denn wir haben da etwas geschaffen, was einfach jenseits einer halbwegs normalen, praktikablen Umgangsform, wie man sonst mit Staatsbürgern verfährt, ist; es gibt in Österreich immerhin einen Raucheranteil von 20 bis 25 Prozent. Da ist man mehr oder weniger mit dem Rasenmäher drüberge­fahren.

Ich darf das auch sagen: Ich habe natürlich überhaupt nichts und hatte nie irgendetwas gegen Nichtraucherlokale, was mich aber sehr wohl stört, ist, dass ich in ganz Öster­reich keinen Lokaltyp mehr finde, wo ich rauchen darf. Das gibt es nicht einmal in Ame­rika, und die sind uns ja mit diesem Verfolgungswahn, was Nikotin betrifft, um Jahr­zehnte voraus. Ich habe im Übrigen auch nichts gegen vegetarische Lokale, es kann jeder hingehen, was mich aber sehr stören würde, wäre, wenn ich dann in Österreich nirgends mehr ein Schweinsschnitzel kriege – so ähnlich kann man sich das vielleicht vorstellen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In der ganzen Diskussion ist auch immer wieder aufgetaucht, dass wir Freiheitliche ein bisschen schuld daran sind, denn sehr viele, die anderen Fraktionen zugeneigt sind, haben gesagt, sie haben das auch als einen Wahnsinn empfunden, aber da es gegen die FPÖ gegangen ist, haben sie dieses Nichtrauchervolksbegehren unterschrieben und haben sich quasi auch für diese Sache starkgemacht. Das finde ich schon sehr grenzwertig, wenn man die persönliche Freiheit und den Entscheidungsspielraum von Bürgern einfach aufhebt, nur um quasi den Freiheitlichen eines auszuwischen.

Der große Verlierer – ich habe es gesagt – ist die klassische österreichische Gastrono­mie, damit verbunden natürlich aber auch – und das kann ich ganz offen sagen – Zielgruppen, die für die anderen Parteien hier im Saal wahrscheinlich nicht mehr so re­levant sind: einfache Arbeiter, Angestellte, die nach ihrem Dienst an der Werkbank oder im Montagebereich vielleicht noch irgendwo gerne ein Bier oder einen Kaffee trin­ken und eine Zigarette rauchen würden. Das haben Sie kaputt gemacht. Und Sie ha­ben auch, wie Herr Gansterer das damals so schön im „Trend“ beschrieben hat, diese heitere Leichtigkeit Österreichs mit diesem totalen, absoluten Rauchverbot zerstört, und das Leben-und-leben-Lassen, das in Österreich sehr gute Tradition war, ist auch in


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diesem Bereich kaputt gegangen. (Abg. Weratschnig: Denken Sie an jene, die gesund bleiben wollen!)

Ich darf schon auch noch erwähnen: Es hat auch sonst keine gravierenden Auswirkun­gen gehabt, das heißt, die Raucherquote hat sich nicht dramatisch verändert. Und bei diesem ganzen Thema ist einfach – ich habe mich bemüht, das die letzten Jahre fak­tenbasierend zu machen – faktennegierend diskutiert und auch entschieden worden.

Ich darf schon sagen, dass ich auch schwer enttäuscht von der ÖVP bin. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich sage das auch einmal in dieser Deutlichkeit und möchte es auch ganz bewusst festmachen, da ja bald Wirtschaftskammerwahlen sind (neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Hörl) und fast 500 000 Unternehmer und auch sehr viele Gastro­nomen dann dementsprechend wählen werden.

Ihr hattet damals mit Präsident Leitl einen Mann aus der Wirtschaft für die Politik, jetzt habt ihr mit Mahrer einen Politiker in der Wirtschaft, und das ist genau der falsche Weg. Unter einem Herrn Leitl hätte es da eine Lösung gegeben, die nicht Tausende Unternehmer und Gastronomen einfach abkanzelt, ins Abseits fern einer Selbststän­digkeit drängt. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Loacker: Der Leitl hat ja 2015 das Rauch­verbot verhandelt!)

Man könnte über das Thema natürlich noch abendfüllend diskutieren, aber ich habe schon gemerkt, dass eine breite Mehrheit vernünftigen Argumenten nicht zugänglich ist und einfach nicht dazu bereit ist, einen gewissen Freiraum für freie Bürger und Selbst­bestimmung zuzulassen. (Abg. Hörl: ... in den eigenen Reihen!)

Ich persönlich und wir als Freiheitliche werden aber nicht aufhören, an diesem Rad zu drehen. Es hat sich in der Weltgeschichte schon vieles verändert. Ich hoffe, wir werden auch in diesem Bereich das Ding noch einmal umdrehen, um mehr Freiheit und Frei­raum für uns Bürger zu schaffen.

Ich attestiere Ihnen gerne, dass – wie ich bereits mehrmals gesagt habe – die Pu­ritaner, die Pharisäer, die fiebrigen Missionare und die politisch Korrekten diesen Krieg gegen die Raucher gewonnen haben. (Abg. Weratschnig: ... Gesundheit der Bürger!) Das attestiere ich Ihnen gerne: Diese Gruppen haben diesen Krieg gewonnen. (Abg. Weratschnig: Denk an die Gesundheit der Bürger!) Wir Freiheitliche werden aber nicht aufhören, uns auch weiterhin für freie Bürger und die Selbstbestimmung von Bürgern und Unternehmern einzusetzen. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Barbara Neß­ler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.21.56

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Antrag der FPÖ vermischt verschiedene Punkte. Bei einem Punkt kommt zum Tragen, was als die österreichische Lösung bezeichnet wird. Während in anderen Ländern das Rauchverbot nach und nach konsequent durchgesetzt werden konnte (Abg. Wurm: Fachlich falsch!), wurden in Österreich Sonderregelungen und Schlupflöcher geschaffen. Die FPÖ will dies mit dem Antrag wieder tun.

Wir wissen, was viele Bürgerinnen und Bürger wollen, allein das Volksbegehren Don’t smoke wurde von knapp 900 000 Menschen unterzeichnet. Auf die gesundheitlichen Schäden, genauso wie auf die Legitimierung der gesellschaftlichen Akzeptanz oder auch auf die Gefährdung des Jugendschutzes möchte ich hier nicht gesondert einge­hen, da diese Punkte bereits zur Genüge diskutiert wurden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich weise aber darauf hin, dass Menschen, die im


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gastronomischen Bereich arbeiten, ein rauchfreier Arbeitsplatz zusteht. Diese Men­schen haben sich das verdient. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben einen Fachkräftemangel im touristischen Bereich, in der Gastronomie, spe­ziell im Westen von Österreich, und die Garantie eines rauchfreien Arbeitsplatzes war ein Schritt in die richtige Richtung – und wir machen jetzt keine Schritte mehr zurück, sondern nach vorne! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade im Bereich der Gastronomie gibt es noch einiges zu tun. Neben der Attrakti­vierung des Arbeitsplatzes und der Ausbildung gibt es noch ein Thema, das auch mir besonders am Herzen liegt, und das ist der Erhalt der Gasthäuser. (Heiterkeit der Ab­geordneten Belakowitsch und Wurm.) Das Gasthaussterben, insbesondere auch der Landgasthäuser, ist eine Entwicklung, die sich schon länger abzeichnet, aber bislang unterschätzt wurde. Dabei geht es nicht nur darum, dass wichtige Arbeitsplätze in den Dörfern verloren gehen, sondern es geht auch um die Infrastruktur. Das soziale Gefüge in den Dörfern ist insbesondere für ältere Personen wichtig, weil es einfach auch vor Vereinsamung im Alter schützt. (Abg. Wurm: In jedem Dorf McDonald’s!) – Herr Kolle­ge Wurm, anstatt ständig Zwischenrufe zu tätigen, könnten Sie sich auch entscheiden, gemeinsam mit uns an konstruktiven Lösungen zu arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gasthäuser sind für das soziale Gefüge wichtig. Sie sind bedeutungsvoll für den so­zialen Austausch, der dort stattfinden kann, und für den Zusammenhalt. Bevor wir kon­krete Maßnahmen treffen – wie im Regierungsübereinkommen festgelegt –, werden wir auch mit den Leuten vor Ort sprechen, die sich am besten mit der Thematik ausken­nen. Wir werden die Herausforderung in der Gastronomie angehen, und zwar mit zu­kunftsfitter Politik. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.25.23

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Es ist für mich und für uns verwun­derlich, dass das Nichtraucherschutzgesetz nur 83 Tage nach Inkrafttreten wieder ein­mal infrage gestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt endlich klare Richtlinien, und es wird wieder einmal eine Ausnahme verlangt, nämlich zeitweise rauchen zu dürfen. Für uns gilt ganz klar ein Grundsatz, und der lau­tet: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Gesundheit des anderen Schaden nimmt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Somit ist der Gesund­heitsschutz wichtiger als alle anderen persönlichen Interessen.

Ich nenne noch eine Zahl: Es gibt 220 000 Beschäftigte in der Gastronomie- und Tou­rismusbranche, großteils Mütter und Väter, die Verantwortung tragen, die auf ihre Jobs und ihr Einkommen angewiesen sind und es sich nicht aussuchen können, wo sie ar­beiten, die sich an ihrem Arbeitsplatz vor dem Rauchen und dessen Folgen nicht selbst schützen können. Das liegt schon in unserer Verantwortung. Diese Menschen haben nun den Schutz des Gesetzes, und das soll auch so bleiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch die Unternehmer in der Gastronomie haben in den letzten Jahren im Zusammen­hang mit dem Thema Rauchen wirklich genug mitgemacht. Diese Unternehmer tragen zu einem wesentlichen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg Österreichs bei und haben da­her auch das Recht auf ein Gesetz, das langfristig gilt, auf langfristige Investitionspla­nung und – damit verbunden – auf Unternehmenssicherheit.


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Nicht zu vergessen ist der Fachkräftemangel, der in der Tourismus- und Gastrobran­che besonders hoch ist. Die Betriebe bilden junge Menschen aus, und nun ist endlich ein erster Schritt gesetzt worden, die Lehrberufe in diesen Branchen durch die Rauch­freiheit am Arbeitsplatz wieder attraktiver zu machen. Ja bitte, dann arbeiten wir doch dort weiter und sorgen für klare Richtlinien! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man den Aussagen der Wirtschaftskammer Glauben schenkt, so haben sich alle Beteiligten auf diese Regelung eingestellt, sowohl die Unternehmer und Unternehme­rinnen als auch die Beschäftigten sind über die Gleichstellung der Betriebe erleichtert. Sie bestätigen die verbesserten Arbeitsbedingungen und erhalten höchst positive Rück­meldungen von den Gästen. Eine Anmerkung dazu: In Bayern gibt es das generelle Rauchverbot in der Gastronomie seit 2010, seit zehn Jahren – und es funktioniert. Es gibt keinerlei wirtschaftliche Nachteile, sondern, im Gegenteil, ein Umsatzplus. Neh­men wir uns das als Vorbild!

Abschließend: Im Sozialausschuss stimmten alle Fraktionen geschlossen gegen die­sen Antrag der FPÖ, und daher rufe ich Sie alle hier auf, hinter den Entscheidungen, die getroffen wurden, zu stehen, der Bevölkerung wieder zu beweisen, dass sie Ver­trauen in die Entscheidungen des Hohen Hauses haben kann, und dabei zu bleiben, den Schutz der Gesundheit vor alle anderen Interessen zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.28.48

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Es ist, wie die Vorredner schon angesprochen haben, die x-te Diskussion zum Thema Rauchverbot. Da die Zeit schon fortgeschritten und meine Stimme angeschlagen ist, werde ich mich relativ kurz halten.

Ich denke, wir haben das Thema schon ausführlich diskutiert, man kann die Argumente abwägen und hin und her diskutieren. Im Zuge von Regierungsbildungen kommt es im­mer wieder zur Frage: Wer hat sich durchgesetzt, und wer muss schmerzvolle Dinge in Kauf nehmen? – Damals in der Zeit der Regierung Schwarz-Blau, als wirklich ein gutes Regierungsprogramm geschnürt wurde, war die Zurücknahme des Rauchverbotes ei­ner der Schmerzpunkte für uns.

Wir haben das letztes Jahr im September neu beschlossen, und ich denke, es ist jetzt erledigt. Lassen wir es so!  Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.29.38

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem aber liebe Jugendliche vor den Bildschirmen zu Hause, Sie spielen eine zentrale Rolle in dieser Diskussion rund um das Thema Rauchen und Rauchverbot in der Gastronomie!

Ich bin in den Achtzigerjahren in einem gastfreundlichen Haus mit einem Raucher als Vater aufgewachsen. Rauchen bei uns im Haus war ebenso Usus wie in jedem Wirts­haus. Die größte Bewunderung hat mein Vater von mir als Kind geerntet, als er aus ge­sundheitlichen Gründen von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufgehört hat. Präventionsmaßnahmen sind daher auch das Wichtigste; das Aufhören bezie-


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hungsweise das Ablegen des Suchtverhaltens ist eines der schwersten Dinge. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dass heute in fast keinem Privathaus mehr geraucht wird, halten nicht nur Nichtrau­cher für eine positive Entwicklung. Viele Raucherfamilien halten ihre persönlichen Räu­me rauchfrei, und das ohne gesetzliche Vorschriften. Das Thema Eigenverantwortung hat da eine ganz andere Bedeutung, nämlich als Erwachsener Verantwortung für die Kinder zu übernehmen, egal ob in geschlossenen Räumen oder zu Hause. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In der Gastronomie haben wir nach eineinhalb Jahren eine Lösung gefunden. Es war mir ein besonderes Anliegen, den Jugendschutz zu verschärfen. Ich finde es sinnvoll, wichtig und richtig, dass Jugendliche unter 18 keine Tabakwaren mehr käuflich erwer­ben können.

Zum Thema Gastronomie: Uns wäre es wirklich ein Anliegen gewesen, die Gastrono­miebetriebe, die noch nach 1.1.2018 investiert haben, zu entlasten. Mit unserer Forde­rung nach einer 50-prozentigen Rückerstattung der Investitionen haben wir uns für die Betriebe eingesetzt; leider haben wir dafür aber keine Unterstützung von den anderen Parteien erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle wissen, wie das Nichtraucherschutzgesetz seinerzeit zustande gekommen ist: Eineinhalb Jahre Diskussion in der Öffentlichkeit, ein Volksbegehren mit klarem Aus­gang, und immer noch war das Thema nicht vom Tisch. Mit knapp 900 000 Unter­schriften war das Volksbegehren eines der erfolgreichsten in der Geschichte Öster­reichs und somit ein klares Signal von der Bevölkerung an uns als Politiker. (Abg. Loa­cker: Das haben Ihre Fraktionskollegen nicht so gesehen!) Auch der Verfassungsge­richtshof hat mit seiner Entscheidung bestätigt, dass das öffentliche Interesse im Be­reich des Gesundheitsschutzes überwiegt, daher werden wir nicht mehr an dieser Ent­scheidung rütteln. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.32

21.32.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 32 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

21.33.0710. Punkt

Bericht des Geschäftsordnungsausschusses gemäß § 33 Abs. 6 GOG-NR über das Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US / 33 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Gemäß § 33 Abs. 9 der Geschäftsordnung stelle ich ausdrücklich die Einsetzung des gegenständlichen Untersuchungsausschusses in der Fassung des Ausschussberich­tes 33 der Beilagen mit Mittwoch, 22. Jänner, 21.34 Uhr, fest.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Kollege Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Kollege.



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21.34.02

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Sofern noch Zuseher da sind, seien sie natürlich auch herzlichst begrüßt! Das ist heute ja nicht die erste Diskussion zum Untersuchungsausschuss; schon in der Einwendungsdebatte wurde das doch etwas sonderbare Verhalten der Regierungsparteien anlässlich der gestrigen Vorankündigung um 16 Uhr und der Voll­ziehung und Exekution im Geschäftsordnungsausschuss heute Früh nachvollzogen. (Abg. Leichtfried – auf die leuchtende Lampe am Rednerpult weisend –: Das Licht!) – Gibt es ein Problem? (Ruf: Alles gut!) – Gut. Es gibt aber schon ein Problem, und zwar das Problem, mitansehen zu müssen, wie manche Dinge mitgetragen werden – ich schaue bewusst in Richtung der Klubobfrau.

Ich habe Sigi Maurer als eine toughe, fortschrittlich denkende, spannende – wir haben erst im Wahlkampf gemeinsame Veranstaltungen gehabt – Person kennengelernt (Zwi­schenruf der Abg. Maurer), und ich erkenne sie kaum wieder. (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Maurer.) Wie kann man sich nach der Auseinandersetzung, die gerade die Grünen im Zusammenhang mit dem Erreichen des Minderheitsrechtes geführt haben, das ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Kontrolle ist, einlullen lassen (Abg. Stögmüller: Wir lassen uns nicht einlullen!), Punkte herausnehmen lassen? (Abg. Maurer: Die, die ihr nicht richtig dokumentiert habt! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Habt ihr darüber nachgedacht, welche Punkte das sind? – Wir haben eine Soko Ibiza, die derzeit zwei frühere Finanzminister und zwei Vizekanzler als Verdächtige führt. Was sonst soll ein Untersuchungsausschuss in einem demokratischen Rechtsstaat un­tersuchen? (Beifall bei der SPÖ.) Es ist absurd! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wann sonst? Und die Grünen machen die Mauer – ich pack’s nicht! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gehen wir gleich weiter, weil die hier (in Richtung ÖVP weisend) schreien: Laut diesem Ibizavideo und den Informationen, die wir haben, hat ein damaliger vom Steuerzahler bezahlter Klubobmann eine Reihe von Dingen versprochen, darunter – das wissen wir inzwischen schon von denen, die die ganzen 7 Stunden gesehen haben (Abg. Zarits: Hast du sie schon gesehen? – Ah-Ruf bei der ÖVP) – ist eine Ankündigung gegenüber einer potenziell Geldwäscherei betreibenden Oligarchin: Na ja, die Finanzmarktaufsicht müssen wir auch ändern! (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Und genau zu diesem Punkt gibt es dann plötzlich in einer Regierung, in der dieser Vizekanzler ist, vom Finanzmi­nister, der als Verdächtiger geführt wird, eine Vorlage, die dann wieder zurückgezogen wird. – Ist das nicht ein behördlicher Vorgang, den sich ein Parlament anschauen soll? Ich frage euch: Wisst ihr, was ihr tut? Seid ihr euch dessen bewusst?

Ich habe die Rede gehört: Das soll der Verfassungsgerichtshof entscheiden! Sollte der Verfassungsgerichtshof – ich gebe dir (in Richtung Abg. Maurer) zu bedenken, wie die Zusammensetzung ist; das ist eine politische Besetzung, die von der Regierung und anderen beschlossen wird - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ganz ruhig! Ihr deklassiert mit Mehrheit ein Verlangen der Minderheit zu einer Diskussion!

Jetzt stellt euch vor, auch nur in einem dieser Punkte würde der Verfassungsgerichts­hof den Begriff behördlicher Vorgang einschränken! Wisst ihr, was das für das Parla­ment heißt? (Abg. Lopatka: Den Verfassungsgerichtshof ...!) Ihr wollt das zudecken! Reinhold, lass es sein, das wissen wir eh! (Abg. Lopatka: Das ist ungeheuerlich!) Wir wissen eh, dass ihr zudecken wollt, deswegen habt ihr sie (in Richtung Grüne weisend) ja gezwungen, mitzustimmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und jetzt frage ich euch: Seid ihr euch dessen bewusst (Abg. Lopatka: Bist du dir be­wusst, was du gerade ... hast? Das ist ja ungeheuerlich!), was es heißt, wenn es zu ei­ner Einschränkung eines untersuchbaren Vorgangs kommt, was das für das von euch


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(in Richtung Grüne) erkämpfte Recht bedeutet? Denkt einmal darüber nach und schaut euch im „Standard“ die Foren der sehr grün-affinen Wählerschaft an, was dort gepostet wird – und dann überlegt euch einmal, ob ihr richtig gehandelt habt! – Da (in Richtung ÖVP weisend) hört ihr eh, wie sie sind. Viel Glück mit der Solidarität! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Gabriela Schwarz: Viel Glück der SPÖ! – Abg. Lopatka: Das ist ungeheuerlich!)

21.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.38.42

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Als Erstes muss ich Kollegen Matz­netter hier wirklich zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Herr Kollege, in der Literatur wird von einem politischen Gerichtshof nur in totalitären Systemen geredet, aber nicht in einer aufrechten Demokratie! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wenn Sie von der SPÖ, auch Kollege Krainer, heute davon gesprochen haben, dass Sie hier eine Situation vorfinden, in der der Parlamentarismus in irgendeiner Form ge­fährdet wäre, dann sage ich Ihnen: Genau Sie sind derjenige beziehungsweise die SPÖ ist diejenige Partei, die das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat unter­gräbt, und dagegen wehren wir uns vollinhaltlich! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Krainer: ... Totalitarismus zu ...!)

Jetzt noch einmal etwas in aller Ruhe: 2014 haben wir mit Ihnen von der SPÖ gemein­sam ausverhandelt, dass die Situation rund um das Untersuchungsrecht heute so ist, wie sie ist, und heute kritisieren Sie das. Wir haben damals gesagt: Wir lassen die Ent­scheidung, ob etwas ein abgeschlossener Vorgang im Sinne des Artikels 53 des Bun­des-Verfassungsgesetzes ist, nicht hier entscheiden, sondern wir übertragen diese Entscheidung dem Verfassungsgerichtshof, weil wir sie aus der politischen Diskussion rausnehmen wollen. Und heute stellen Sie sich hierher und sagen, der Verfassungs­gerichtshof wäre politisch. – Das ist eine Verhöhnung des Rechtsstaates. Sie sollten zu Ihren Wurzeln zurückkommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja nicht wahr! Hören Sie doch zu!)

Sie waren einmal eine Partei, die sich staatstragend genannt hat. Heute schlagen Sie nur mehr wie ein Ertrinkender wild um sich. Dagegen, dass Ihre Umfragewerte so tief liegen nützt es Ihnen nichts, wenn Sie den Rechtsstaat aushöhlen wollen, meine Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Eines ist wichtig – der Herr Präsident hat es zu Beginn der Debatte zu diesem Tages­ordnungspunkt gesagt –: Seit wenigen Minuten ist der Untersuchungsausschuss einge­setzt, und das haben wir von den Regierungsfraktionen sichergestellt (Zwischenrufe bei der SPÖ), dass dieser Untersuchungsausschuss mit dem heutigen Tag zu arbeiten beginnen kann, meine Damen und Herren! Es ist wichtig, dass die Vorwürfe, die durch das Ibizavideo zutage getreten sind, die Vorwürfe, dass über Novomatic Postenbeset­zungen bei der Casinos AG erfolgt seien, aufgeklärt werden. Das haben wir heute si­chergestellt. (Abg. Leichtfried: Das ist wirklich ... von euch! Beeindruckend, wie groß­herzig ihr seid!) Im Anschluss an diese Sitzung findet noch die konstituierende Sitzung des Untersuchungsausschusses statt. Wir können somit sofort zu arbeiten beginnen. Ihr Vorwurf geht daher vollkommen ins Leere. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

Das Zweite, das wir damit noch sicherstellen, ist, dass wir von dieser parteipolitischen Diskussion wegkommen (Oh-Rufe bei der SPÖ), wir würden irgendwelche Entschei-


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dungen treffen, die nicht verfassungskonform wären. Wir haben einen Anspruch da­rauf; und ich möchte da ganz bewusst auch unseren Koalitionspartner mit ins Boot nehmen, weil ich glaube – und das hat die Grünen in der Vergangenheit auch immer ausgezeichnet –, dass sie nie leichtfertig irgendetwas über Bord geworfen haben. Es war ihnen immer wichtig, in der Sache zu diskutieren, und das zeichnet sie auch aus. Das können Sie ihnen auch für die Vergangenheit nicht absprechen. Sie waren dieje­nigen, die sich darum gekümmert haben, dass jetzt ein Minderheitsrecht für die Einset­zung eines Untersuchungsausschusses vorliegt. Und sie sind es auch, die heute klar unterscheiden, welche Teile des Antrages, den Sie (in Richtung SPÖ) eingebracht ha­ben, verfassungskonform sind und welche nicht, und diese Unterscheidung müssen wir auch vornehmen. Der verfassungskonforme Teil kann sofort überprüft werden, und der weitere Teil kann dazukommen, wenn der Verfassungsgerichtshof in dem Sinne ent­scheidet, wie Sie es gerne haben wollen; wenn nicht, ist es auch gut, weil der Verfas­sungsgerichtshof uns damit Sicherheit gibt.

Wir können uns nichts anderes wünschen, als dass sich alle Menschen in diesem Staat, dass sich alle Menschen in diesem Land dem Gesetz und der Verfassung ent­sprechend verhalten – und die Menschen haben das Recht, dass wir als politische Par­teien uns ebenso an alle Gesetze und an die Verfassung halten. In diesem Sinne: Es lebe der Rechtsstaat Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemel­det hat sich Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.


21.44.02

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Kollege Gerstl hat behauptet, ich hät­te den österreichischen Verfassungsgerichtshof hier an diesem Rednerpult als ein poli­tisches Gericht, wie es in totalitären Staaten eingerichtet ist, bezeichnet. (Abg. Stras­ser: Nein, nein, nein, nein! – Abg. Steinacker: Das hat er nicht gesagt!) – Ich berichti­ge tatsächlich: Ich habe mit Blickrichtung auf die Grünen gesagt, die Bestellung von zwei Mitgliedern war eine politische Entscheidung. – Stimmt.

Kollege Gerstl hat weiters behauptet, dass der Verfassungsgerichtshof politisch ent­scheiden wird. (Ruf bei der ÖVP: Das hat er überhaupt nicht gesagt!) – Ich berichtige tatsächlich: Das habe ich nicht gesagt. Es gibt ein Stenographisches Protokoll, das auch dem Kollegen Lopatka auf die Sprünge helfen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Lopatka und Steinacker: Schwere Demenz!)

21.44

21.44.52*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Für den Zwischenruf „schwere Demenz“ erteile ich jeweils einen Ordnungsruf.

*****

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Kollege Christian Hafenecker. – Bitte schön.


21.45.05

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Nach­dem wir jetzt vom Kollegen Gerstl schon quasi das Wort zum Sonntag gehört haben, nachdem von der SPÖ das übliche Vorgehen gewählt worden ist, das heißt: zuerst einmal Frühstart vom Kollegen Leichtfried, damit er ins Fernsehen kommt, dann einmal


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ein bisschen Geplänkel, und so weiter und so fort, sind wir jetzt endlich beim richtigen Tagesordnungspunkt angelangt, sind wir jetzt endlich dort, wo wir eigentlich sein wollten. Und wir sind auch dort, wo man mit der ÖVP immer wieder landet, und daran sieht man eindeutig, dass der türkise Lack endgültig ab ist und das alte Schwarze wie­der zum Vorschein kommt.

Warum sage ich das? – Es wird in alter Manier ein Papierl präsentiert, das ein Gutach­ten ist. Das erfährt man am Tag vor der Plenarsitzung. Dann heißt es: Na ja, es müs­sen noch einige Punkte aus dem UsA herausgenommen werden. Dann beruft der Ob­mann noch geschwind eine Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses ein, und dann wird ratzfatz drübergefahren.

Gut, es wird halt versucht, zuzudecken. Das ist die Methode der ÖVP, wie wir sie im­mer schon gekannt haben. Wie gesagt, sie hat sich auch nicht verändert – vielleicht im Anstrich, aber nicht im Kern. Man hat das beim BVT erlebt, man hat das bei der Hypo erlebt und man macht das eben auch jetzt.

Viel spannender ist, welche Mauern die Grünen aufziehen. Um solch eine Mauer auf­zuziehen, braucht man einen guten Maurer oder eine gute Maurer, die da auch mithilft. Sie haben das gemacht und Sie haben gleichzeitig auch Ihre ureigensten Grundsätze total verraten. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Sie gerieren sich zwar immer als erste moralische Instanz hier im Haus, aber bei dem Bauchfleck, den Sie heute hingelegt haben, freue ich mich schon, darüber zu lesen, was bei Ihren grünen Happenings an der Basis stattfinden wird, welche Kritik Sie dafür einstecken müssen.

Ich habe mir dann die Frage gestellt – denn eines hätte mich schon interessiert –: Wie wäre das bei den Grünen gelaufen, wenn man das hätte entscheiden müssen, bevor der Tragödie erster Teil stattgefunden hat, bevor Herr Kogler seine Seele an die ÖVP verkauft hat? – Gerade Herr Kogler wäre derjenige gewesen, der da mit dem Dreizack herausgesprungen wäre und gesagt hätte: Das kann man nicht machen, man kann einen Untersuchungsausschuss nicht derart beschneiden. Er hätte das nicht zugelas­sen. Er hätte gestrampft, er hätte blockiert, er hätte alles versucht, was die Geschäfts­ordnung hergibt, damit das nicht passiert. (Abg. Maurer: Die Geschäftsordnung gibt es eben nicht her! Das ist es ja!) – Es ist ein Armutszeugnis, das der heutige Vizekanzler als Parteichef hier mitträgt, und Reinschreien, Frau Maurer, macht es nicht besser. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie haben Ihre Grundsätze aufgegeben, und ich glaube, Sie werden von Ihrer eigenen Partei auch die Rechnung dafür bekommen.

Im Übrigen: Ich möchte mir auch nicht vorstellen, was Frau Moser dazu gesagt hätte, wenn sie mitbekommen hätte (Abg. Maurer: Die Gabi hätte das zu 100 Prozent vertei­digt! Die hätte das erkämpft!), wie Sie diese Dinge jetzt – wie soll ich sagen? – für Ihre eigene Eitelkeit und für Ihr eigenes Machtbewusstsein opfern. – Aber egal; zu viel über die Grünen gesprochen.

Wir werden jedenfalls – wie meine Vorredner schon erwähnt haben – heute diesen Un­tersuchungsausschuss konstituieren und wir werden dann halt mit den Punkten begin­nen, die unstrittig sind. Dann warten wir ab, wie der VfGH entscheidet, und dann kann man ja noch Zug um Zug Themen aufnehmen oder auch nicht. Es wird auf jeden Fall alles so kommen, wie es kommt.

Ich anstelle der ÖVP würde mich nicht über den Winkelzug freuen, dass man da jetzt vielleicht wieder einmal ein bisserl zugedeckt hat, denn glauben Sie mir eines: Auch wenn nur die Casinos AG übrig bleibt, wird es schon genug aufzuklären geben. Man wird sich darüber unterhalten müssen, wie Frau Glatz-Kremsner in ihre heutige Posi­tion gekommen ist: zuerst ÖVP-Vizechefin, dann noch eine Parteispende dazu und dann die Beförderung in den Casinos, das ist schon einmal spannend. (Abg. Ottenschläger: Na, na, na, bleiben wir bei der Wahrheit! Seit 30 Jahren im Unternehmen!) – Die Zurufe


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aus Ihrer Ecke zeigen mir schon, dass das ein sehr, sehr heißes Thema werden wird. Ich bin vor allem auch gespannt, wie man sich betriebsintern eine Abfertigung und ei­nen Vertrag auszahlen lässt, nur weil man intern befördert worden ist. Es gibt also ge­nug Material, das wir uns dann auch in Ruhe ansehen werden.

Ich weiß auch gar nicht, warum die SPÖ jetzt so „eine Freude“ – unter Anführungs­zeichen – hat, dass es um die Casinos gehen wird. Sie wissen schon: Da gibt es einen Mann – wenn er auch jetzt nicht mehr in der Position sitzt, in der er vor Kurzem noch saß –, nämlich Herrn Hoscher, und der ist derjenige – nur um Ihnen auf die Sprünge zu helfen –, der 600 000 Euro als Urlaubsgeld fürs Spazierengehen kassiert. Es wird also auch sehr spannend sein, herauszuarbeiten, wer das zugelassen hat. Es ist übrigens schade, dass wir nicht einen längeren Zeitraum zurück untersuchen, um zu erfahren, wie Herr Hoscher überhaupt in diese Position gekommen ist, aber auch das werden wir uns natürlich anschauen. Natürlich – und das zu bekräftigen stehe ich nicht an – wer­den wir uns auch mit den Vorwürfen, die gegenüber der FPÖ im Raum stehen, ausein­andersetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hätten gerne alle Vorwürfe geprüft, so wie es auch im Verlangen gestanden ist. Jetzt ist der VfGH am Zug, und wenn die schwarz-grüne Amputation durchgeht, dann ist es auch recht. Wir werden dann halt einen kurzen und knackigen Untersuchungsausschuss zu den Casinos Austria ma­chen, und dann freue ich mich schon darauf, dass wir uns alle weiteren Bereiche – vor allem auch jene, in denen sich die ÖVP ganz gut aufgestellt hat – im Detail anschauen, und da werden wir auch Sie nicht aus der Pflicht nehmen. Wir werden die SPÖ nicht aus der Pflicht nehmen und werden generell auch auf alle Besetzungen schauen, die jetzt gerade stattfinden. Machen wir halt eine knackige erste Runde, dann machen wir mehrere UsAs, und dann, irgendwann einmal, werden wir auch Licht in das schwarze Dunkel bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird dazu führen, dass wir des Pudels Kern tatsächlich herausfinden und definieren können, und das ist der Schluss, um auch mit Faust zu enden. (Beifall bei der FPÖ.)

21.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Kollegin Mag. Nina Tomaselli. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.50.44

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Es gibt so einige Daten und Ereignisse im Leben, da weiß jeder noch ganz genau, was er getan hat oder was in der Situation passiert ist, als er das erfahren hat. Dazu gehören zum Beispiel der 11. September, der EU-Beitritt oder auch der Mauerfall. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich sage Ihnen, Ibiza wird genau so ein einschneidendes Erlebnis sein, jeder von uns wird sich in Jahren noch daran erinnern können, was wir gerade getan haben, was wir gerade gemacht haben, als dieser Riesenskandal öffentlich geworden ist. (Abg. Sche­rak: ... dürfen sie aber wegen ... nicht aufklären ...!) Jetzt stellen Sie sich vor, was die­ses einschneidende Erlebnis, das im gesellschaftlichen Gedächtnis bleiben wird, mit den jungen Menschen gemacht hat, mit einer ganzen Generation junger Menschen, die vor dem TV gesessen sind und deren Bild von der Politik einfach zerstört worden ist! (Abg. Deimek: Die Jugend setzt sich nicht mehr vors TV ... Netflix!) Deshalb, Herr Kol­lege Hafenecker, glaube ich nicht, dass Sie in der Position sind, sich hier herauszustel­len und sich derart aufzupudeln. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr. – Abg. Lausch: Eine freie Rede gibt es schon noch, er darf sa­gen, was er will!)


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Als junge Politikerin kann ich Ihnen sagen, es macht mich einfach traurig und wütend, dass Sie von der Freiheitlichen Partei es immer und immer wieder schaffen, die Politik komplett in Verruf zu bringen, weil wir alle hier herinnen dann schlussendlich den Kopf hinhalten müssen. Und ja, es nervt auch, dass Sie immer und immer wieder einen Kor­ruptionstumult veranstalten, wenn Sie in die Regierung kommen, und wir hier alle dann die Aufgabe haben, hinter Ihnen herzuräumen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: ... jede Kleinigkeit ...!)

Bemerkenswert finde ich im Übrigen auch, dass bei den Freiheitlichen offenbar nie Schluss ist. Sie sind nie fertig, denn was ist nach Ibiza gekommen? (Abg. Hafenecker: Die Grünen sind gekommen!) Wir alle konnten lernen, dass die FPÖ-Tascherlgreifer nicht einmal Halt vor ihrer eigenen Kassa machen – Stichwort Spesen. (Beifall bei den Grünen.)

Und ja, wie die FPÖ im Ibizavideo angekündigt hat, verstehen Sie Regierungsämter und Staatsbeteiligung offenbar als Selbstbedienungsladen. (Abg. Scherak: Das kön­nen wir wegen den Grünen jetzt nicht untersuchen! – Ruf bei den Grünen: Wieso kön­nen wir das nicht untersuchen?) Nichts anderes ist es, wenn man völlig unfähige Leute in den Vorstand einer Aktiengesellschaft hievt. Sie sind offenbar der Meinung, Sie ha­ben Anspruch auf leistungsloses Einkommen.

Jetzt komme ich noch einmal auf den Anfang zurück. Was denken Sie, was das mit jungen Menschen macht, wenn sie diese Inkompetenz, gepaart mit schlichter Gier, am Bildschirm sehen? Was? (Abg. Deimek: Noch einmal: Die schauen Netflix!)

Jetzt richte ich meinen Blick auf Sie, vor allem auf die Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Finden Sie, dass Ihre Reaktion vor dieser Kulisse heute angemessen ist? (Abg. Krainer: Hallo? – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, das ist sie nicht. Ich würde mir wünschen, dass wir hier seriöse Politik machen und zur Seriosität gehört im Übrigen auch, dass alles, was Sie aufgezählt haben, Herr Matznetter, natürlich Un­tersuchungsgegenstand ist. Das soll hier auch einmal gesagt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir und uns Grünen ist es so wichtig, weil wir der Meinung sind, der Untersuchungs­ausschuss kann doch bitte nicht zum Wettbewerb verkommen, wer sich am meisten und wie sehr empört oder wo gerade die Aufregung am größten ist. Am Ende müssen Lösungen stehen, wie wir Korruption und Postenschacher von Anfang an unterbinden, obwohl dann vielleicht wieder einmal so eine Partei wie die Freiheitlichen in die Re­gierung kommt. (Abg. Krainer: ... weiß jetzt ...!) Das ist die gemeinsame Aufgabe des Parlaments, und daran müssen sich alle messen lassen, nicht nur die Regierungspar­teien.

Die blauen Regierungszeiten gehören zu den dunklen Zeiten der Zweiten Republik, und diese Zeiten der inhumanen Politik, der Rechtsaushöhlung und der Korruption sind ja nicht einfach weg, nur weil die FPÖ über ihr eigenes Unvermögen und ihren Geiz gestolpert ist. (Abg. Deimek: Erzählen Sie uns etwas über Chorherr und seinen Kor­ruptions...!) Wenn wir wirklich ein neues Kapitel aufschlagen wollen, dann ist es die ge­meinsame Aufgabe, die Korruption aus der Politik zu fegen. (Abg. Leichtfried eine Tafel mit der Überschrift „Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersu­chungsgegenstands“ in die Höhe haltend, auf der Text in schwarzer und grüner Schrift zu lesen ist –: Ein Schild sagt mehr als 1 000 Worte! – Abg. Deimek: So was Simples! Gehen Sie zum Leichtfried! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Man darf sich dann aber bitte auch nicht auf Nebenschauplätzen aufhalten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Krainer: Nebenschauplätze!)

Sie, Sie, Sie, Sie (mehrmals von links nach rechts ins Plenum zeigend) – niemand von uns saß in der Villa auf Ibiza, hat Wodka getrunken und eventuell andere Substanzen


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zu sich genommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Deimek.) – Ja, und ich empfinde es auch als unfair, denn was habe ich damit zu tun? Trotzdem ist es eine Aufgabe aller demokratischen Parteien dieses Hauses, wirklich alles zu unterneh­men, dass die Integrität wiederhergestellt wird. (Abg. Krainer: Durch Zudecken und Wegschauen – eine super Idee! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Ich wünsche mir, dass trotz des ganzen Unmuts, der heute über die Entscheidung des Geschäftsordnungsausschusses entstanden ist, am Ende der Ausschuss genau daran arbeitet, dass wir diese Integrität wiederbekommen, und dass das auch wieder bei den Österreicherinnen und Österreichern ankommt. Wir Grüne, das kann ich Ihnen ver­sprechen, tun jedenfalls alles dafür. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Krainer: Zudecken und Wegschauen: Was ist das für ein Ansatz?)

21.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Helmut Brandstätter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.56.11

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich war ja um diese Zeit noch nie hier, aber ich bin froh, dass alle noch so aufgeregt und fröhlich sind, und freue mich, wenn Sie mir jetzt auch zuhören. Eines ist mir schon aufgefallen: Gefährlich wird es in der Politik, wenn man Realität und Satire nicht mehr auseinanderkennt, und das ist mir heute passiert.

Ich habe, ich gebe es zu, zwischendurch – ich habe meistens aufgepasst – ein biss­chen auf mein Handy geschaut, und dann habe ich eine Livereportage von einem Post­amt gelesen: Kogler und Maurer – „Grüne geben sich selbst auf“ – mit einem Packerl. Das habe ich irgendwie lustig gefunden und mir gedacht: Wirklich? Scheiße – Ent­schuldigung! –, was ist denn da passiert? – Es war „Die Tagespresse“! Gut, das ist schon einmal schlimm genug. Wissen Sie aber, was noch schlimmer ist? Das kann ich Ihnen auch sagen: Noch schlimmer ist Mitleid, und das habe ich im „Standard“ gele­sen: Die ÖVP überfordert die Grünen. – Bitte, liebe ÖVP, lasst doch die Grünen auch überleben! – Wenn das „Der Standard“ schreibt – das ist schon Mitleid gegenüber den Grünen –, dann schaut es, glaube ich, wirklich nicht so gut aus. (Abg. Fürlinger: Mir ist das ziemlich wurscht, was „Der Standard“ schreibt!)

Weil ich ja, wie Sie wissen, nicht nur gerne Bücher lese, sondern auch aus Büchern vorlese, habe ich versprochen, es kommt heute noch einmal: „Über Tyrannei: Zwanzig Lektionen für den Widerstand“. Das ist für Sie (in Richtung ÖVP) auch nicht schlecht, hören Sie zu! Kapitel 1: „Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam.“ Ich lese nur ganz kurz vor: „Einen Großteil seiner Macht erhält der Autoritarismus aus freien Stücken. In Zeiten wie diesen denken Individuen im Voraus darüber nach, was eine repressivere Regierung möglicherweise will,“ (Abg. Maurer: Das soll eine autoritäre Regierung sein? Ist das euer Ernst?) – zuhören! – „und dienen sich ihr anschließend an, ohne ge­fragt worden zu sein.“ Eine grüne Partei, die „sich auf diese Weise anpasst, lehrt die“ türkise „Macht, wie weit sie gehen kann.“

Ich gebe zu, den letzten Satz habe ich verfälscht (Heiterkeit bei SPÖ und Grünen), also: „Ein Bürger, der sich auf diese Weise anpasst, lehrt die Macht, wie weit sie gehen kann.“ Wenn die Bürger sich schon dauernd verneigen, dann weiß die Macht: Ich kann sie noch weiter hinunterdrücken!, und da müsst ihr wirklich ganz massiv aufpassen. (Abg. Maurer: Da hätten Sie bei den Verhandlungen dabei sein sollen!)

Worum geht es? Kollegin Tomaselli, vielen Dank! Ja, es geht unter anderem um Ibiza, es geht um Korruption, es geht um Verkauf von Unternehmen, es geht darum, wo wer was genommen hat. Darüber wollen wir genaue Untersuchungen anstellen. Es geht natürlich nicht nur um die Casinos, sondern um den Zusammenhang mit der Öbag. Es


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geht letztlich aber auch darum (Abg. Maurer: Das kann ja untersucht werden!) – zuhö­ren! –, dass möglicherweise Gesetze gekauft wurden, und das können wir nur im Zu­sammenhang klären. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gerstl, Sieber und Taschner.)

Ich bin daher wirklich sehr enttäuscht, dass wir das vorerst nicht machen können. Wenn ich mir jetzt anschaue – ich habe ja Jus studiert –, welche Professorengrößen der Meinung sind, dass wir recht haben, und dann haben Sie in Graz einen gefunden, der anderer Meinung ist, so bin ich hinsichtlich dessen, was jetzt die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes bringen wird, relativ zuversichtlich.

Das soll nicht paternalistisch klingen, Frau Kollegin Maurer, aber manchmal reicht es nicht, eine Handbewegung zu machen, manchmal muss man den Kopf bewegen und muss Nein sagen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Mag. Klaus Fürlinger zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


22.00.02

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ich fürchte, Herr Kollege Brandstätter, ich werde bei Ihrem satirischen Talent nicht mithalten können. (Abg. Brandstätter: Das können wir üben, das ist nicht so tragisch!) – Ja, aber ich hoffe, dass wir das au­ßerhalb des Parlaments üben. Dort hätte die Satire Platz. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir hier, meine Damen und Herren, reden darüber, dass es einen Untersuchungsaus­schuss gibt, der heute aufgrund von Vorschriften eingesetzt worden ist, die wir 2014 in diesem Haus beschlossen haben, mit denen wir die Einsetzung zu einem unbestreit­baren Minderheitsrecht gemacht haben, dem wir selbstverständlich hier und heute Fol­ge leisten. (Abg. Leichtfried: Ja, ganz sicher!) – Ja, ganz sicher, Herr Kollege Leicht­fried! – Wir haben aber auch Bedingungen daran geknüpft, nämlich jene, dass wir sa­gen: Wenn die Minderheit einen Akt der Vollziehung untersuchen will, dann muss sie ganz genau sagen, was wann wo passiert ist.

Als ich diesen Antrag von Ihnen zum ersten Mal gelesen habe, war mir schon klar, dass aus parteipolitischer Gedrängtheit und Antiagitation heraus da alles hineingewor­fen worden ist, was in den 18 Monaten Türkis-Blau passiert ist. Aber das ist halt - - (Abg. Brandstätter: Es ist auch viel passiert!) – Nein, das behaupten Sie, Herr Kolle­ge. Treten Sie erst einmal den Beweis an! Den können Sie dann im Untersuchungs­ausschuss erbringen. (Abg. Brandstätter: Da habe ich ein Buch darüber geschrieben!) Wenn Sie das Sitzfleisch dort haben, können Sie das dort üben. So viel wird nicht pas­siert sein, wie da schlichtweg unterstellt worden ist. Die Beschreibung in diesem An­trag, das muss man sagen, war einfach ungenügend. Das ist schon bei der ersten Le­sung ins Auge gesprungen.

Es gibt überhaupt kein Problem, nichts Inkriminierendes daran, wenn sich danach die Mehrheitsfraktionen in diesem Haus an das Gesetz halten und diesen Antrag in seiner Formulierung dorthin bringen, wo er tatsächlich hingehört. Wir haben nichts zu verste­cken, weder Grün noch Türkis. Wir haben nichts, was wir nicht aufklären wollen. Wir wollen aber wenn, dann sinnvolle Aufklärungsarbeit leisten und nicht eineinhalb Jahre Quatschbude machen, wo alles irgendwie in Zweifel gezogen wird, was die türkis-blaue Regierung gemacht hat, denn alles war bei Gott nicht schlecht, meine Damen und Herren, auch wenn das den Sozialdemokraten in dieser Ausprägung wohl nicht gefällt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstätter: Das Wort „Quatschbude“ sollten Sie nicht verwenden!)

Wenn Sie hier heraußen ständig irgendetwas von Gesetzeskauf plaudern, dann weisen wir das a) nicht nur zurück, sondern sagen wir b) Folgendes: Das ist Gegenstand


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staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen. Wir hier werden nie eine Staatsanwaltschaft oder ein ordentliches Gericht ersetzen können. Das kann kein Untersuchungsaus­schuss leisten und das soll er im Sinne der Gewaltentrennung auch nicht. Ihre Min­derschätzung der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit gibt mir doch zu denken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man kann überhaupt über die Sinnhaftigkeit der parallelen Einsetzung, meine Damen und Herren, durchaus philosophieren, denn wir werden viele Auskunftspersonen in die­sem Untersuchungsausschuss haben, mit dem wir heute Abend noch beginnen wer­den, die uns höflich, aber bestimmt mitteilen werden: Leider werden wir euch nichts sa­gen, weil wir in einem gerichtlichen Verfahren verfangen sind. – Wir werden uns oft­mals gerne zusammen auf einen Kaffee hinsetzen und zuschauen, wie einer nach dem anderen nicht kommt oder kommt und nichts sagt. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ihre durchschaubaren, strategisch durchschaubaren Angriffe auf unseren Koalitions­partner, die Grünen, richten sich von selbst, denn die Grünen, die selbstverständlich auch an Aufklärung interessiert sind, tun nichts anderes, als sich an das Gesetz zu halten.

Meine Herren Matznetter und Krainer, die da heute von schwarzen Tagen und sonder­barem Verhalten gesprochen haben: Wenn es sonderbar ist, dass man sich an das Gesetz hält, dann habe ich und haben wir ein anderes Verständnis, denn wir machen hier die Gesetze und müssen uns selbstverständlich auch daran halten, wenn es ein­mal ernst wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Wir, meine Damen und Herren, die Grünen und die Österreichische Volkspartei, achten die Minderheitsrechte dieses Hauses. Deshalb konstituieren wir heute diesen Untersu­chungsausschuss. Wir machen das zusammen, wir leisten auch Aufklärungsarbeit. Es läuft alles ganz normal nach dem Gesetz ab. Dass das dem einen oder anderen nicht passt, macht mich nachdenklich hinsichtlich der Arbeit in diesem Haus. Wir werden gemeinsam unseren Teil zu dieser Arbeit im Untersuchungsausschuss leisten. – Dan­ke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kucharo­wits. – Bitte.


22.04.40

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kontrolle ist eine unserer grundsätzlichsten und wesentlichsten Aufgaben als Parla­mentarierInnen, als VolksvertreterInnen. Mit dem Rasenmäher über das stärkste Ins­trument der Kontrolle, nämlich den Untersuchungsausschuss, drüberzufahren, Passa­gen ganz einfach zu streichen, widerspricht ganz klar unserem Auftrag der Kontrolle. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Es ist politische Willkür und es ist eigentlich an Unfassbarkeit nicht zu übertreffen. Ich frage Sie ganz ehrlich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Wie geht es euch damit? (Abg. Maurer: Dass wir uns an die Gesetze halten?) Wie geht es euch damit, da mitzu­spielen, mit diversen Argumenten zu kommen, die eine politische Willkür untermauern? Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht mehr und ich verstehe eure Argumentation nicht mehr. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Maurer. – Abg. Steinacker: Jetzt haben wir es eh schon dreimal erklärt!)

Ich verstehe es umso weniger, weil ich im Jahr 2013 als Abgeordnete die Diskussion hier live mitbekommen habe. Es waren auch Kollegen und Kolleginnen der Grünen, die


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uns zu Recht als Fraktion der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten immer wie­der gefragt haben: Wann gebt ihr endlich das Go für die Zustimmung zu diesem Min­derheitsrecht? (Abg. Maurer: Ja, und jetzt gibt es ein neues Gesetz und an das halten wir uns!) Es war ein langer Diskurs. Wir waren damals auch in der Koalition mit der ÖVP – zugegeben, die ÖVP war damals schon nicht Feuer und Flamme dafür. (Abg. Maurer: Die SPÖ auch nicht!) Nach langen Diskussionen gab es dann aber eine Ent­scheidung und einen Beschluss: Im Jahr 2014 ist dieses Minderheitsrecht als stärkstes parlamentarisches Kontrollinstrument implementiert worden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Man hat an den Ergebnissen der Untersuchungen gesehen, wie wichtig und richtig es war: Stichwort Hypo, Stichwort Eurofighter, Stichwort BVT. Kein einziger Untersuchungs­ausschuss davor ist so mit Füßen getreten worden, wie ihr das jetzt macht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP und der Grünen! (Abg. Maurer: Wir setzen ihn heu­te ein und fangen jetzt zum Arbeiten an!)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, aber, Kollegin Maurer, liebe Sigi, vielleicht ist es dir auch aufgefallen: Ihr seid in der Argumentation drinnen und ihr seid in einer sehr unwürdigen Argumentation drinnen. Die ÖVP macht das sehr zurückhaltend. Kollege Gerstl war heute zweimal am Wort, zuvor Kollege Fürlinger – sehr, sehr zurückhaltend. Ihr habt diese unwürdige Arbeit zu leisten, und ich frage mich wirklich, warum ihr euch dafür hergebt (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS), nämlich zum ei­nen für den Angriff aufs Parlament und zum anderen für die Beschneidung dieser we­sentlichen Inhalte.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, es geht um nicht weniger als um Ibiza: Stichwort Wasserprivatisierung, Stichwort Verkauf von Tageszeitungen, Stichwort „Novomatic zahlt alle“ und damit in Verbindung stehende Gesetzeskäufe, die im Raum stehen. Ge­nau das fällt aber jetzt nach eurem Beschluss heraus. Dieses Video, das für die Spren­gung der türkis-blauen Regierung verantwortlich ist, dieses Video, das für einen der größten politischen Skandale in der Zweiten Republik verantwortlich ist, genau das streicht ihr. Ein Ibiza-Untersuchungsausschuss ohne Ibiza, gratuliere euch! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir werden dieses Zudecken nicht zulassen, wir gehen den Weg zum Verfassungsge­richtshof. Es braucht dieses politische Aufklären ganz einfach, es braucht Licht im Dun­keln. Eigentlich seid auch ihr, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Grünen, immer für das eingestanden. Plötzlich lasst ihr politische Willkür walten. Es scheint, dass plötzlich der Standort euren Standpunkt bestimmt. – Sehr traurig! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

22.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.


22.08.46

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Ibizaskandal ist die größte innenpolitische Bombe der Zweiten Republik geplatzt. Österreich hat sein Anse­hen nicht nur europaweit, sondern auf der ganzen Welt verloren. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik wurde erschüttert. Genau dieses Vertrauen müs­sen wir durch Aufklärung wiederherstellen (Abg. Leichtfried: Hallo?), denn das sind wir als Volksvertreterinnen und Volksvertreter ihnen auch schuldig.

Da können Sie ruhig schreien, Herr Kollege Leichtfried (Abg. Leichtfried: Das war nicht geschrien!), da können Sie ruhig schreien und uns tausendmal vorwerfen, wir würden hier mauern oder sonst etwas machen. Wir müssen gemeinsam diesen Skan-


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dal aufdecken. Da hilft es uns nichts, wenn wir uns jetzt hier gegenseitig Vorwürfe ma­chen. Was wir gebraucht hätten, wäre ein ordentlicher Antrag gewesen. Das hätte Sinn gemacht, dann wären wir in diesem Punkt schon längst durch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wollen alle Nachwirkungen genauestens behandeln. Es ist wichtig, diese systema­tisch aufzuarbeiten, da hilft sonst nichts, und genau dazu soll dieser Untersuchungs­ausschuss den nötigen Raum bieten. Die Casinos-Affäre ist nur die Spitze des Eis­berges an möglicher Korruptionsanbahnung und möglichem Fehlregieren vonseiten der FPÖ, und das werden wir genauso aufklären wie die Rolle möglicher Netzwerke und die Rolle der ÖVP in der gesamten Sache. (Abg. Matznetter: Sie können nichts sagen!)

Korruption und Postenbesetzung mit dem Verdacht auf Gegengeschäfte haben in der Politik nichts verloren und müssen mit allen Mitteln verhindert und bekämpft werden. Dafür stehe ich ein, dafür stehen wir Grüne ein, und ja – das wurde heute schon er­wähnt –, das ist in unserer grünen DNA verankert. – Punkt, fertig, aus. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Deimek: Wie macht ihr das mit dem Chorherr?)

Sie können es noch so anders hinstellen, wie Sie wollen, wir werden uns mit allen Mit­teln dafür einsetzen, diese Korruption, diese Machenschaften aufzudecken. Ich kann Ihnen garantieren, dass wir zur Aufklärung dieses Skandals in diesem Untersuchungs­ausschuss mit allen Mitteln beitragen werden. (Abg. Leichtfried: Wieso grinst jetzt der Herr Lopatka so? – Zwischenrufe der Abgeordneten Matznetter und Hoyos-Trautt­mansdorff. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ein erstes wichtiges Zeichen in Richtung Aufklärung hat das Oberlandesgericht Wien gesetzt. Das OLG Wien hat die Einsprüche von Strache und Gudenus abgewiesen und die Hausdurchsuchungen, die Rufdatenerfassung und die Beschlagnahmung der Han­dys als rechtlich zulässig erklärt. Das Oberlandesgericht hat den ersten wichtigen Schritt gesetzt, nun sind wir dran. In der Casinos-Causa rund um die Aufsichtsratsbe­setzungen werden noch große Brocken und Fragen auf uns zukommen, die alle genau untersucht werden müssen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermit­telt. (Abg. Rauch – auf dem Weg zum Rednerpult, wo er einen Hunderteuroschein ab­legt –: Für Ihre Strafe!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte, den Abgeordneten nicht zu stören!


Abgeordneter David Stögmüller (fortsetzend): Danke, aber das ist Korruption, das passt zu Ihrer Partei. Vielleicht lernen Sie das Ganze noch einmal. (Heiterkeit und Bei­fall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Liebe FPÖ, die 100 Euro spenden wir für einen sozialen Zweck. (Abg. Schallmei­ner: ... Seenotrettung!) – Für die Seenotrettung, vielen Dank Ralph, für die Seenotret­tung! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rauch: Nein, nein, für die Strafe! – Abg. Kickl: Zahl deine Strafe!)

Es werden riesengroße Brocken auf uns zukommen. Gegen zehn Personen wird in dieser Causa vonseiten der Korruptionsstaatsanwaltschaft bereits ermittelt. Es ist un­zulässig, dass ein Geldbetrag in Millionenhöhe an Personen fließt, die Teil dieser Ma­chenschaften waren und sogar teilweise bis heute noch bei den Casinos Austria an­gestellt sind. Dass nur eine einzelne Person der ganzen Affäre herausgegriffen wird, wie jetzt zum Beispiel Hoscher, ist viel zu wenig. Es sind Sidlo und noch ganz andere Personen, auch von ÖVP-Seite, verwickelt. Wir müssen uns das Gesamte anschauen und müssen schauen, was genau die Fragen sind.

Es bleiben große Fragen offen, die wir als parlamentarisches Kontrollgremium beant­worten müssen. Es braucht eine detaillierte Aufklärung, und diese werden wir Grüne


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gewährleisten, das werden wir tun. Die Menschen, die bei der letzten Wahl den An­stand gewählt haben, haben richtig gewählt: Die Grünen werden sich rigoros für die Aufklärung dieser offenkundig blau-schwarzen Machenschaften einsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, das kann ich Ihnen garantieren.

Ich kann Ihnen auch garantieren, dass wir das größte Transparenz-, Kontroll- und Kor­ruptionsbekämpfungspaket der Zweiten Republik auf die Reise bringen werden, näm­lich gemeinsam mit der ÖVP. Da müssen Sie, liebe SPÖ, beweisen, ob Sie betreffend die Rechnungshofprüfkompetenz ab 25 Prozent Staatsanteil Ihre Meinung ändern wer­den oder ob Sie zudecken werden. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Da sind wir auch gespannt, was Sie tun werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wie gesagt, wir sind gespannt. – Vielen Dank und danke nochmal für die 100 Euro! (Beifall bei den Grünen.)

22.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yıl­maz. – Bitte.


22.14.04

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt einen Ibiza-Untersuchungsausschuss ohne Ibiza. Das ist so, wie wenn Sie einen Ibizaurlaub buchen und im Cafe Ibiza in der Eckertstraße in Graz landen. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und NEOS.) – Das Cafe Ibiza gibt es wirklich.

Werte Kolleginnen und Kollegen, im Video kommt der Name Glock vor. Frau Glock sitzt mittlerweile im Aufsichtsrat der Austro Control. Es kommt der Name Horten vor. Frau Horten überweist monatlich 49 000 Euro an die ÖVP. Das alles kommt im FPÖ-Video vor. (Abg. Kassegger: An die ÖVP! Klar sagen!) – Frau Horten überweist das nicht an die FPÖ, sondern an die ÖVP, genau. Dazu kommen noch die Personalbe­setzungen in der Nationalbank. All das dürfen wir nicht prüfen.

Vorerst dürfen wir nur untersuchen, wie die ÖVP und die FPÖ versucht haben, auf dem Rücken der Spielsüchtigen der Novomatic zu helfen, noch mehr Geld zu verdienen. Das werden wir auch tun, liebe VertreterInnen der Regierungsparteien, alles andere, was Sie rausgestrichen haben, werden wir auch prüfen. Das werden Sie nicht verhin­dern können, nur verzögern.

Frau Kollegin Tomaselli, Sie haben recht mit dem, was Sie über die FPÖ gesagt ha­ben. Warum verhindern Sie, dass dieses Video und all das im Video Gesagte geprüft wird? Wieso? Herr Kollege Stögmüller, wieso haben nicht Sie einen Antrag zur Einset­zung eines Untersuchungsausschusses eingebracht? (Abg. Stögmüller: Wir wollten ja gerne! – Abg. Maurer: Wir wollten einen Termin am Freitag ...! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Ihr habt es in eurer DNA, habt ihr gerade gesagt, und ich glaube es euch auch. Ich werde das nicht untersuchen, ihr werdet eure DNA kennen. Wieso habt nicht ihr den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingebracht, sondern wir? (Abg. Stögmüller: Wir wollten ja eh!) Wir haben ja etwas Falsches geschrieben. Ihr hättet es ja besser gemacht. Geh bitte, erzählt das eurem Friseur! (Heiterkeit und Bei­fall bei SPÖ und NEOS.)

22.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sche­rak. – Bitte.


22.16.57

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Eigentlich ist ja den Ausführungen von Frau Kollegin Yılmaz kaum etwas hinzuzufügen. Ich habe mich vorher bei den


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Reden von Frau Kollegin Tomaselli und Herrn Kollegen Stögmüller einigermaßen ge­wundert. Ich war in der Früh im Geschäftsordnungsausschuss und weil ich mir nicht mehr sicher war, ob sie auch dabei waren, habe ich versucht, das herauszufinden. Ich habe gefragt, und ja, beide waren dabei.

Frau Kollegin Tomaselli stellt sich hierher und sagt, das Ibizavideo sei ein prägendes politisches Ereignis gewesen. Wir alle haben H.-C. Strache gesehen, er verspricht Auf­träge gegen Spenden, er verspricht lauter unterschiedliche Dinge, er diskutiert – nicht nur im Ibizavideo, sonst auch – über politische Deals, die er per SMS verschickt hat und so weiter und so fort. (Abg. Maurer: Novomatic, Casinos!) Sie wollen das alles aufklären, weil das so wichtig ist, sie wollen, wie von Kollegin Tomaselli gesagt, die Korruption in der FPÖ, dieser korrupten Partei, ans Tageslicht bringen.

Heute im Geschäftsordnungsausschuss – Sie waren dabei, ich habe mich noch einmal versichert, weil ich mir nicht sicher war – streichen Sie aus dem Beweismittelbeschluss heraus:

„Begünstigung von Dritten

Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen [...], die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betref­fende behördliche Ermittlungen“.

Da bin ich gespannt, wie man das, was im Ibizavideo diskutiert wurde, untersuchen kann, wenn Sie das rausstreichen. Sie streichen auch alles im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Ibizaaffäre raus. Also Ibiza zu untersuchen, wenn man nicht einmal die strafrechtlichen Ermittlungen davor untersuchen kann, wird auch spannend. (Abg. Tomaselli: Ihr wollt die strafrechtlichen Ermittlungen überprüfen?!)

Ich habe mir gedacht, Ihnen liegt es am Herzen, Korruption aufzuklären. In meinem Verständnis ist es Korruption, wenn man sich Gesetze kauft. (Abg. Tomaselli: Der Un­tersuchungsgegenstand ist das Wesentliche!) Sind wir uns da einig? Also ich verstehe unter Korruption, wenn ich zu jemandem hingehe und sage: Ich gebe dir Geld dafür, dass du ein Gesetz für mich beschließt!

Im Beweismittelbeschluss, den SPÖ und NEOS versucht haben einzubringen und den die Grünen heute filetiert haben, steht drinnen:

„Verdacht des Gesetzeskaufs

Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren [...] einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünsti­gung bestimmter politscher Parteien oder WahlwerberInnen“.

All das wollten wir aufklären. (Abg. Tomaselli – auf das Schriftstück in den Händen des Redners weisend –: Zeig doch mal die richtige Seite! Zeig die richtige Seite!) Die Grünen wollten das offensichtlich auch. Ich glaube also, mittlerweile habe ich es ver­standen: Ihr habt ein Kommunikationsproblem im Klub, weil ihr alle miteinander nicht wisst, was Frau Kollegin Maurer sich die ganze Zeit von der ÖVP aufs Auge drücken lässt. Was Sie in dem Zusammenhang machen, ist die Selbstaufgabe der Grünen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Man hört von euch Grünen, dass in eurer DNA Aufklärung steckt: Ihr solltet euch für das, was ihr heute im Geschäftsordnungsausschuss gemacht habt, sowas von schä­men! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie des Abg. Martin Graf.)


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22.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rei­mon. – Bitte.


22.19.59

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt habe ich mich auch noch für 1 Minute zu Wort gemel­det: 150 Euro, das ist meine Strafe im Zusammenhang mit der Besetzung des Ölha­fens Lobau. – Bitte, wenn ihr das noch sammeln würdet, ich nehme das gerne mit! (Abg. Lausch: Ja, ja, genau!) – Genau, um Schmähführerei geht’s da.

Beim Zuhören frage ich mich jetzt schön langsam wirklich: Ist euch diese ganze Show nicht ein bisschen zu aufgesetzt? (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Man kann beim Untersuchungsausschuss nichts streichen. Wir haben euch im Dezember gesagt: Ein Kraut-und-Rüben-Ausschuss geht sich laut Geschäftsordnung nicht aus. Macht einen Krautausschuss und macht danach einen Rübenausschuss – keiner kann euch das ver­bieten! (Abg. Heinisch-Hosek: ... eine Show!)

Ihr könnt alles untersuchen, das ist richtig, und das gehört so, genau gar nichts kann rausgestrichen werden. Macht halt zwei Untersuchungsausschüsse statt einem, und es ist geschäftsordnungsgemäß! Die ganze Geschichte ist doch lächerlich! (Beifall bei den Grünen und bei der ÖVP.)

22.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.


22.21.00

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, Herr Kollege Reimon, Sie haben es auf den Punkt gebracht! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Herr Kollege Stögmüller, es ist ein Grundprinzip dieser Demokratie und dieses Staates, dass Verwaltungsstrafen zu zahlen sind. Das gilt natürlich auch für Abgeordnete dieses Hauses. Es war eigentlich eine positive Geste von meiner beziehungsweise unserer Seite. (Abg. Stögmüller: Wie soll das gehen, wenn Immunität ...!) Wir haben gesagt, wir wollen diese Koalition kitten, damit nicht noch ein Abgeordneter ausfällt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: ... Immunität! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

22.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

22.21.5011. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Fami­lienlastenausgleichsgesetz 1967) geändert wird (39/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Wünscht die Antragstellerin das Wort? (Abg. Heinisch-Hosek: Nein!) – Dann gehen wir gleich in die Debatte ein.

Das Wort steht bei Herrn Abgeordneten Sieber. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: 1 Mi­nute! – Abg. Sieber – auf dem Weg zum Rednerpult –: 1 Minute?!)



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22.22.16

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Von dieser nun sehr kontrovers geführten Diskussion zu einer eigentlich vollkommen ein­helligen Diskussion: Wir debattieren den Antrag 39/A von Kollegin Heinsch-Hosek be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betref­fend den Familienlastenausgleich durch Beihilfe – Familienlastenausgleichsgesetz 1967 – geändert wird. Es geht um die Unterhaltsvorauszahlung, und es ist vollkommen klar und unstrittig, dass wir hier eine gemeinsame Stoßrichtung haben.

Dieser Antrag ist neu. Es hat davor einen im Jahr 2018 gegeben, es hat einen im Jahr 2017 gegeben, es hat von den Kollegen Carmen Gartelgruber – damals noch – und Walter Rosenkranz einen im Jahr 2010 gegeben und auch einen entsprechenden Auftrag von der leider zu früh verstorbenen Präsidentin Prammer und Kollegin Berger, die dieses Thema schon im Jahr 2008 auf der Agenda gehabt und versucht haben, hier eine Lösung dieser Problematik voranzutreiben.

Die gute Nachricht ist, wir sind uns eigentlich alle einig, dass wir eine Lösung haben wollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Wann?) Die Kommissionen dazu haben damals, 2008 getagt. Es war damals ein Ergebnis der Kommission vorhanden, man hat das dann aber nicht umgesetzt. Es war in der vergangenen Legislaturperiode wiederum so, dass diese Kommissionen gearbeitet haben. Die interministeriellen Arbeitsgruppen haben versucht, einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten; da ist uns dann die Zeit etwas zu knapp geworden. (Abg. Heinisch-Hosek: 2020!) In diesem Regierungsprogramm ha­ben wir uns vollkommen klar dazu committet, mit vielen Beispielen, wie wir dieses The­ma umsetzen wollen.

Ihr Vorschlag ehrt Sie. Wir werden diesen Antrag im Familienausschuss intensiv dis­kutieren und werden auch ganz sicher zu einer gemeinsamen Lösung kommen, denn klar ist: So, wie es momentan ausschaut, kann es in Zukunft nicht weitergehen. Wir müssen im Sinne der Betroffenen eine bessere Lösung finden. Wir sind guten Willens und laden Sie gerne ein, an dieser Lösung auch mitzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Wimmer. – Bitte.


22.24.47

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Werte KollegInnen! Wir alle wis­sen es, in Österreich ist Armut für jedes fünfte Kind trauriger Alltag. Die Unterhaltsga­rantie ist also genau für diese Kinder und ihre Familien eine sehr wichtige Maßnahme, damit sie das tägliche Leben bestreiten können.

Sie können sich sicher noch daran erinnern, als im Nationalratswahlkampf 2017 bei der Elefantenrunde von Puls 4 alle Parteien das Ja-Taferl hochgehalten haben, als es um die Frage der Unterstützung von Alleinerziehenden und von armutsgefährdeten Kin­dern ging. Wenn wir es mit der Armutsgefährdung ernst meinen, dann müssen wir uns auch die Berechnung der Kinderkosten ansehen; da ist eine Aktualisierung dringend notwendig, wenn man bedenkt, dass diese Werte auf das Jahr 1964 zurückgehen. (Abg. Sieber: Hier wird eine Studie gemacht! Steht im Regierungsprogramm!)

Zum Vergleich: 1964 kostete 1 Liter Milch 21 Cent. Wenn Sie heute im Diskonter 1 Li­ter Milch kaufen, zahlen Sie rund 1 Euro. (Abg. Michael Hammer: Ist das zu teuer, oder wie?) – Nein, alleine daran sieht man, dass sich die Kosten vervierfacht und ver­fünffacht haben, nur bei einem einzigen Produkt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Und wie hat sich der Index verändert? So ein Blödsinn!) Es ist also höchst


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an der Zeit, den Index, den Regelbedarf anzupassen. Es haben sich ja nicht nur die Preise verändert, auch der Warenkorb hat sich verändert.

Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern – ich nicht so genau, weil ich damals noch nicht geboren war –, 1964 war das Festnetztelefon Stand der Technik; davon sind wir weit weg. Heute sind Smartphones, Laptops, Computer in unseren Alltag ein­gezogen und auch in den Alltag unserer Kinder und Jugendlichen, in die Schulen und in die Freizeitgestaltung. Dementsprechend sind die heutigen Ausgaben von Haushal­ten mit Kindern mit den Ausgaben vor über 50 Jahren gar nicht mehr vergleichbar. Da­mit wir endlich im Jahr 2020 ankommen, brauchen wir eine realistische Kinderkosten­erhebung.

Mit dem vorliegenden Antrag können wir rasch einen ersten Schritt für unsere Familien setzen. Wir fordern eine Unterhaltsgarantie für Kinder, die keinen oder sehr geringen Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss bekommen. Mit dieser Maßnahme schließen wir eine Lücke im österreichischen Unterhaltssystem, und wir machen einen ganz, ganz wichtigen Schritt dahin gehend, in einem so reichen Land wie Österreich die Kinderar­mut zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Mühlberg­huber. – Bitte.


22.27.42

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu diesem Antrag der SPÖ: Sie wollen damit Armut bekämpfen, und da gebe ich Ihnen vollkommen recht, ja, Bekämpfung von Kinderarmut ist notwendig. Es be­steht dringender Handlungsbedarf, wenn Kinder von alleinerziehenden Elternteilen we­der Unterhalt noch Unterhaltsvorschuss erhalten. Was wir dringend brauchen, ist eine Verbesserung der oft schwierigen Lage der alleinerziehenden Elternteile, und davon sind zu 90 Prozent Mütter – und ihre Kinder – betroffen. Dieser Antrag der SPÖ wird, so wie er jetzt auf dem Tisch liegt, aber schwer umsetzbar sein. (Abg. Heinisch-Ho­sek: Warum?)

Ich möchte auch auf die ÖVP eingehen, Herr Sieber hat es vorhin gerade ange­sprochen: Seit 2008 wird dieses Thema intensiv behandelt. (Zwischenruf der Abg. Hei­nisch-Hosek.) Das Unterhaltsgesetz muss verbessert werden, aber es ist seit vielen Jahren – seit zwölf Jahren – nichts passiert. Ich weiß ganz genau – und die ÖVP weiß es auch, Norbert, du weißt es auch –: Seit drei Jahren gibt es zu diesem Thema, zu den Themenblöcken Unterhaltsrecht, Verfahrensrecht und Unterhaltsvorschussgesetz eine Arbeitsgruppe mit Experten im Justizministerium. (Abg. Sieber: Habe ich gesagt!) Was ist inzwischen passiert? – Nichts, nichts! (Abg. Sieber: Ibiza!) Es gibt keine Zwi­schenberichte, nichts. Wir haben euch einige Male aufgefordert und gesagt, wir wollen einmal einen Zwischenbericht sehen (Abg. Michael Hammer: Uns?) – nichts! Sagt jetzt also nicht, es habe so viele Anträge gegeben – bemüht habt ihr euch nie! (Abg. Sie­ber: Aber wie!) Ihr fordert und fordert, aber ihr stimmt dann nicht zu, wenn wir Anträge einbringen – und das ist nicht fair. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Ziel muss es sein, Eltern und Kindern in schwierigen Familiensituationen rasch zu helfen. Wir müssen die Schwächen des Systems beseitigen und brauchen ein modernes Kinderunterhaltsrecht; es soll auch vereinfacht werden. Der wichtigste Punkt ist: Es braucht eine Beschleunigung der Ver­fahren zur Unterhaltsfeststellung, denn diese Verfahren dauern oft sehr lange, teilweise einige Jahre, und die Mütter müssen somit lange Zeit auf ihr Geld warten. Allein dieser Punkt, diese Verfahrensbeschleunigung wäre schon eine Verbesserung für Frauen und


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ihre Kinder, damit aus der Armutsgefährdung der Kinder nicht eine Kinderarmut wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeord­nete Neßler. – Bitte.


22.30.36

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! In Österreich sind 37 Prozent aller Einelternhaushalte armutsgefährdet, mehr als ein Drittel dieser Menschen lebt am Minimum. Nach arbeitssuchenden Personen sind Alleinerziehende die am stärksten gefährdete Gruppe, und der Großteil aller Alleinerziehenden sind Frauen.

Das Leben von alleinerziehenden Frauen, die zu wenig Unterstützung erhalten, ist von einer Vielzahl belastender Faktoren gekennzeichnet, und ja, das Thema ist nicht neu – aber der Gesetzentwurf, den die SPÖ gemeinsam mit den NGOs erarbeitet hat, ist ein Entwurf mit Substanz, ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut. Das wird eine wichtige und wesentliche Diskussion werden, und ich möchte mich auch bei der SPÖ dafür bedanken.

Es gilt, Hilfe zu garantieren und Lücken im System zu schließen – und ja, es ist er­schreckend, dass wir in einem der reichsten Länder leben und es trotzdem so etwas wie Kinderarmut gibt. Armutsgefährdete Kinder leiden nicht nur unter materiellen Ein­schränkungen, sondern sie leiden auch in sozialen Gruppen. Nicht dazuzugehören ist nicht nur ein unschönes Gefühl, sondern es kann auch das Selbstwertgefühl der Kinder massiv beeinträchtigen.

Wir brauchen ein Österreich, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem niemand ausge­grenzt wird, in dem all unsere Kinder die gleichen Zukunftschancen haben – alle Kinder sind nämlich unsere Zukunft. Diese Chancen haben sie nicht, wenn eine alleinerzie­hende Mutter sich zweimal überlegen muss, ob sie etwa die Waschmaschine reparie­ren oder das Kind auf Schulausflug schicken kann. Wir haben uns vorgenommen, nicht nur den Anteil der armutsgefährdeten Menschen zu halbieren, sondern auch ein be­sonderes Augenmerk auf die Kinderarmut zu legen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist daher richtig, dass wir den Fokus auf Alleinerziehende legen, die sowohl von Mehrfachbelastungen betroffen als auch eher armutsgefährdet sind. Wir werden die Lücken im System schließen, denn alle Kinder sind gleich viel wert. Alle Kinder haben eine Zukunft verdient, und es ist unser Job, dass das Realität wird. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Kinder können sich nicht aussuchen, in welche Verhältnisse sie hineingeboren wer­den – aber wir können die Verhältnisse gestalten, in denen sie aufwachsen werden! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

22.33

22.33.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf den Antrag 39/A dem Ausschuss für Familie und Jugend zuweisen.

22.33.4112. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz geändert wird (41/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 12.

Der Antragsteller hat auf seine Antragsbegründung verzichtet.

Wir gehen damit gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 242

22.33.58

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es bei die­sem Antrag betreffend eine Änderung des Urlaubsgesetzes? Wer ist dafür zuständig? Wie wollen wir damit umgehen? Darüber möchte ich sprechen und zum Schluss möch­te ich noch einen kleinen Hinweis anbringen, der das Thema in einen etwas größeren Kontext setzt.

Es geht um die sechste Urlaubswoche. Wie Sie wissen, steht diese nach derzeitiger Gesetzeslage in den meisten Fällen österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern nach 25-jähriger Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb zu. Vordienst­zeiten und Ausbildungszeiten können in unterschiedlichem Ausmaß angerechnet wer­den und sich auf bis zu etwa sieben Jahre summieren.

Nun liegt ein Antrag vor, mit dem gerade diese Anrechnungszeiten auf bis zu 24 Jahre stark ausgeweitet werden sollen. Das heißt, dass der Urlaubsanspruch für die sechste Woche auch entstehen soll, wenn man im aktuellen Betrieb erst relativ kurz tätig ist, das ist der Punkt, um den es geht. Was bedeutet das jetzt in der Praxis? – Eine zu­sätzliche Urlaubswoche würde für die einzelne Person einer Gehaltserhöhung von et­wa 2 Prozent entsprechen.

Es gibt Schätzungen, dass dies etwa 450 Millionen Euro pro Jahr kosten könnte. Wenn man berücksichtigt, dass natürlich die Arbeitsmöglichkeiten und die Arbeitslaufbahnen flexibler geworden sind, so sollte man doch auch darauf hinweisen, dass der Anteil je­ner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die schon mindestens 20 Jahre in einem Betrieb sind, von 2004 bis 2018 nicht abgenommen, sondern sogar ein wenig zuge­nommen hat.

Man sollte sich das Ganze also wirklich sehr gründlich überlegen, und ich denke, dass das eigentlich eine Aufgabe für unsere Sozialpartner ist. Ich oute mich als wirklich jah­relanger Fan der Sozialpartnerschaft und auch der ökosozialen Marktwirtschaft, und ich denke, dass dieses Thema Eingang in die Kollektivvertragsverhandlungen finden soll.

Wir plädieren dafür, das ist auch im Antrag so formuliert, dass der Antrag an den Aus­schuss für Arbeit und Soziales weitergeleitet wird. Er wird dort gründlich zu diskutieren sein. Es sind auch einige technisch-juristische Formulierungen anzupassen, mit denen Dinge aktualisiert und Nomenklaturen von Ausbildungsgängen auf den heutigen Stand gebracht werden. Damit wird man sich ebenfalls gründlich beschäftigen müssen.

Der angesprochene Hinweis auf den größeren Kontext ist folgender: Die Regierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm auch zur Ökologisierung. Das wird ein Transformationsprozess werden, der unsere Unternehmen fordern wird – und unsere Unternehmen sind bereit, da mitzugehen. Allfällige zusätzliche Herausforderungen für unsere Unternehmen sollte man im Kontext dieses großen Ganzen betrachten und auch gemeinsam diskutieren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte.


22.37.07

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Hohes Haus! Herr Kollege Smolle, es heißt Urlaubsgesetz und nicht Urlaubskollektivvertragslösung, darum haben wir hier auch ei­nen Gesetzesvorschlag eingebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nämlich eines passiert: Wir haben vor 34 Jahren das Recht auf die sechste Ur­laubswoche erkämpft. Das war eine große Leistung, nach 25 Jahren Betriebszugehö­rigkeit einen Anspruch auf sechs Wochen Urlaub zu haben. Das war aber sozusagen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 243

im letzten Jahrtausend. In der Zwischenzeit ist eines passiert, nämlich dass die Wirt­schaft auf uns zugekommen ist und gesagt hat: Wir brauchen einen flexibleren Ar­beitsmarkt, die Menschen sollen nicht so lange im Unternehmen sein – Abfertigung Alt war ein Thema –, machen wir doch eine Abfertigung Neu, machen wir das Wechseln zwischen Unternehmen leichter.

Das hat dazu geführt, dass Menschen heute am Arbeitsmarkt flexibler sind, und dass das, was wir damals vereinbart haben, nämlich das Erreichen der sechsten Urlaubswo­che an eine lange Betriebszugehörigkeit zu koppeln, in der heutigen Arbeitswelt ein­fach nicht mehr richtig ist. Wer A sagt – das heißt, wer einen flexiblen Arbeitsmarkt ha­ben möchte –, der muss auch B sagen und den Menschen dann diese Rechte geben, die wir eigentlich schon einmal erkämpft hatten, und genau darum geht es bei diesem Antrag.

Ihr habt im Regierungsprogramm so ein schönes Wort stehen: „neue Gerechtigkeit“. Ist euer Verständnis einer neuen Gerechtigkeit, Dinge, die wir schon einmal für die Be­schäftigten in Unternehmen erkämpft hatten, jetzt wieder schrittweise zu streichen? Ist das euer Verständnis dessen, was Gerechtigkeit ist? Mein Verständnis von Gerechtig­keit ist, dass das, was im öffentlichen Dienst inzwischen selbstverständlich ist, auch für die Menschen in der Privatwirtschaft selbstverständlich sein sollte: nämlich ein An­spruch auf eine sechste Urlaubswoche, wenn sie 25 Jahre gearbeitet haben. Das ist fair, das ist aus unserer Sicht gerecht. (Beifall bei der SPÖ.)

22.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


22.38.54

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Ja, die sechste Ur­laubswoche gibt es derzeit nur, wenn man 25 Jahre im gleichen Betrieb ist. Ein Aspekt, der heute noch überhaupt nicht wirklich beleuchtet wurde, ist, dass man sich mit 25 Jahren Arbeit am Buckel ja auch möglicherweise nicht mehr so schnell erholt und entspannt. Da ist es aber relativ egal, ob ich 25 Jahre in ein und demselben Betrieb oder in fünf verschiedenen Betrieben war.

Wir wissen, dass die Arbeitswelt viel flexibler geworden ist, dass Leute permanent ih­ren Arbeitsplatz wechseln – ob gewollt oder ungewollt, das lasse ich jetzt einmal da­hingestellt. Klar ist aber: Jemand, der 25 echte Arbeitsjahre hinter sich hat, hat unserer Meinung auch einen Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche; dies deshalb, weil er eben so lang gearbeitet hat, weil er ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. Wir wis­sen auch genau, dass die Leistungsfähigkeit sinkt und die Regeneration länger dauert.

Es wäre auch ein gerechtes System, weil nicht einzusehen ist, dass nur jene, die 25 Jahre in einem Betrieb sind, davon profitieren sollen. Das werden nämlich immer weniger, Herr Kollege Smolle, das bleibt ja nicht gleich. Immer weniger Leute haben Karrieren von 25 Jahren in ein und demselben Betrieb. Es ist einfach illusorisch, zu glauben, dass es das heutzutage noch oft gibt. Ja, das wird es in Einzelfällen schon noch geben, die große Mehrheit wechselt aber.

Daher sollte man darüber nachdenken, ob man Leuten, die ein gewisses Lebensalter erreicht haben, die eine gewisse Anzahl an Arbeitsjahren absolviert haben, die für dieses System schon wirklich viel geleistet haben, nicht dasselbe zugesteht wie einem, der das Glück hatte, in ein und demselben Betrieb bleiben zu dürfen. Jobwechsel, Ar­beitsplatzwechsel geschehen nicht immer freiwillig, es gibt viele äußere Umstände, die das sozusagen erzwingen. Da können Arbeitnehmer oft nichts dafür. Die fangen dann wieder bei null an. Also ganz ehrlich: Dieses System ist nicht gerecht. (Beifall bei der FPÖ.)

22.40



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 244

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


22.41.10

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Der Antrag der SPÖ zielt darauf ab, die sechste Urlaubswo­che leichter erreichbar zu machen. Tatsächlich ist die sechste Urlaubswoche jetzt über weite Strecken fast so etwas wie totes Recht, denn 25 Jahre in einem Unternehmen zuzubringen und dann Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche zu haben gelingt wirklich nur ganz wenigen Menschen. Es ist auch nicht unbedingt eine unglaublich tolle Regelung, denn es soll durchaus vorgekommen sein, dass Menschen, die beispiels­weise in der Abfertigung Neu sind, vor Erreichung des 25. Arbeitsjahrs gekündigt wor­den sind. Das kann durchaus auch dann passieren, wenn Menschen 25 Jahre in einem Betrieb waren, um eben entsprechende Kosten zu sparen.

Es scheint also durchaus sinnvoll, einen entsprechenden Reformbedarf zu verorten und sich auch zu überlegen, was man damit tatsächlich sinnvollerweise macht. So wie wir den Antrag gelesen haben, ist es offensichtlich so, dass neben Zeiten von Er­werbstätigkeiten, auch Schulzeiten und Studienzeiten teilweise angerechnet werden. Was wir nicht darin gefunden haben – aber vielleicht täusche ich mich auch –, sind Zei­ten der Kindererziehung. Das wäre vielleicht etwas, was man sich anschauen müsste.

Was ich tatsächlich interessant finden würde, ist, dass man sich überlegt – und das war auch schon immer wieder eine Forderung –, ob man nicht die sechste Urlaubs­woche beispielsweise mit Bildung, Weiterbildung und Qualifikation oder beispielsweise auch mit der Kombination von Pflege und Betreuung verbindet und man darauf einen Rechtsanspruch hat. Ich kann mich noch an Gewerkschaftstage erinnern, auf denen das sehr offensiv gefordert wurde.

Wir werden uns das alles anschauen. Ob wir tatsächlich eine entsprechend breite Mehrheit dafür finden, werden wir sehen. Offensichtlich ist es ja die letzten 30 Jahre nicht wirklich gelungen, eine entsprechende Regelung zu beschließen. Ob sie wirklich so schnell zu erreichen sein wird, sei einmal dahingestellt.

Sehr viele Menschen, die heutzutage im Erwerbsleben stehen, sind aufgrund des Ar­beitsdrucks, des Arbeitsstresses schon kaum mehr in der Lage, die fünf Wochen Ur­laub, die ihnen pro Jahr zustehen, zu konsumieren, sodass sich Urlaub teilweise an­häuft. Die Debatte um eine sechste Urlaubswoche mag deswegen fast so ein bisschen eine Debatte um des Kaisers Bart sein. Teilweise ginge es eher darum, dass man end­lich einmal sicherstellt, dass der bestehende Urlaubsanspruch und die Überstunden, die die Leute haben und die nicht bezahlt werden, entsprechend verbraucht werden.

Wie auch immer: Wir schauen uns das an, wir diskutieren das im Sozialausschuss. Da gehört es hin. Ich bin schon sehr gespannt auf die Diskussionen. Wenn man einen Ur­laubsanspruch an ein gewisses Erwerbsalter bindet, etwa daran, dass jemand 24 Jah­re im Erwerbsleben war, könnte es sein, dass man ihm damit den Einstieg in einen Arbeitsplatz erschwert. Das sind alles Dinge, die man sich anschauen muss; es muss nicht sein, aber dazu brauchen wir eine ausführliche Diskussion. Das wird spannend.

Vielleicht finden wir wirklich eine gute, brauchbare Lösung, die auch zukunftsweisend ist und den ArbeitnehmerInnen wirklich etwas bringt. Das wäre natürlich in gewisser Weise eine Wiedergutmachung für Arbeitszeitverlängerungsmaßnahmen, die ja in letz­ter Zeit hier auch immer wieder gesetzt wurden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.44

22.44.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 41/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 245

22.44.4213. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert werden (52/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Der Antragsteller wünscht nicht das Wort, daher steigen wir gleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kühberger. – Bitte.


22.45.03

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Dieser Antrag beinhaltet interessante Vorschläge von unseren Kolleginnen und Kollegen der SPÖ. Die parlamentarische Kontrolle des Verfassungs­schutzes und der Nachrichtendienste ist Thema dieses Antrages und eine sensible Ma­terie. Man muss natürlich sehr aufpassen, wenn man da Änderungen vornimmt. Da geht es immerhin um die Sicherheit unserer Österreicherinnen und Österreicher, und da darf man quasi nicht mit einem Schnellschuss reagieren.

Zu den Aufgaben des Geheimdienstes zählt die Spionageabwehr, aber natürlich auch die Terrorismusbekämpfung und vieles andere mehr. Wir haben heute ja schon ein paar Mal von den Cyberangriffen auf das Außenministerium gehört und auch einen eigenen Tagesordnungspunkt dazu gehabt. Wenn wir da den Verfassungsschutz nicht hätten, dann würden wir nicht gar so gut ausschauen. Auch was Terroranschläge in Österreich betrifft, kann man auf die bisher geleistete Arbeit unserer Nachrichten­dienste stolz sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine Kontrolle der Nachrichtendienste ist nötig und steht außer Diskussion. Ich glaube, wir haben mit den Unterausschüssen das richtige Instrument dafür eingerichtet und haben es auch mit den richtigen Befugnissen ausgestattet, damit wir die Kontrolle or­dentlich durchführen können. Trotzdem verändern sich die Zeiten und es gibt immer andere Herausforderungen. Ich lade Sie alle recht herzlich dazu ein, diese Vorschläge in die Ausschüsse mitzunehmen und dort entsprechend zu diskutieren. Die Reform des BVT kann man natürlich auch nützen, um Modifikationen durchzuführen und damit auch die parlamentarische Kontrolle zu erhöhen.

Eines möchte ich zum Schluss vielleicht auch noch erwähnen: Es darf nicht so weit kommen, dass einzelne Politiker oder Parteien Einfluss nehmen können und so die Ar­beit des Nachrichtendienstes so beeinflussen, dass die Sicherheit unserer Österrei­cherinnen und Österreicher gefährdet wird. (Beifall bei der ÖVP.)

22.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


22.47.47

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Die Erkenntnisse aus dem BVT-Untersuchungsausschuss haben uns gezeigt: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und seine Aktivitäten brauchen Kontrolle. Selbiges gilt natürlich auch für den Heeresnachrichtendienst – vor allem dann, wenn sich beide zuständigen Ministerien in der Hand einer Partei befinden; im Moment sind sie im Zuständigkeitsbereich der Machtpartei ÖVP. Und ja, das haben wir auch davor schon kritisiert, als die Zuständigkeit für beide Ministerien in den Hän­den von Herrn Kickl und Herrn Kunasek von der FPÖ gelegen ist. (Abg. Kickl: Wahr­scheinlich habt ihr euch da auch geirrt!) – Das haben wir uns nicht. Ich kann mich schon erinnern, dass das so war.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 246

Beide Schlüsselressorts sind in der Hand einer Partei – das ist demokratiepolitisch sehr bedenklich, egal ob jetzt so oder so. Schließlich hat Herr Kollege Kühberger das ja auch gerade in seiner Rede angesprochen. (Abg. Michael Hammer: Das hat er nicht gesagt!) Umso wichtiger ist die zuständige parlamentarische Kontrolle in den Unter­ausschüssen für Landesverteidigung und Inneres. Um diese effizient zu gestalten, braucht es Änderungen, die wir mit unserem Antrag jetzt ins Laufen bringen wollen.

Für uns ist wichtig, dass die ohnehin zur Geheimhaltung verpflichteten Abgeordneten, die in diesen Unterausschüssen tätig sind, das Recht haben, von den zuständigen Mi­nisterinnen und Ministern auch wirklich konsequent Antworten auf ihre Fragen ein­zufordern, sofern – und das steht in unserem Antrag auch drinnen – nicht der Schutz von Menschen gefährdet ist.

Eine wesentliche weitere Maßnahme, die wir fordern, und das möchte ich schon auch noch sagen, ist, dass wir Akteneinsicht verlangen und dass es die Möglichkeit geben muss, Auskunftspersonen – analog zu den Untersuchungsausschüssen – in die Unter­ausschüsse zu laden, damit auch dort die notwendige Kontrolle entsprechend forciert werden kann.

Für uns ist ein weiterer wichtiger Punkt, dass die Rechtsberatung und die Rechts­schutzbeauftragten, die momentan in den Ministerien angesiedelt sind, auch unter die parlamentarische Kontrolle kommen und nicht mehr in den Ministerien sind, in denen sie eigentlich einen Prüfungsauftrag haben und diesen durchführen sollen, während sie gleichzeitig in Abhängigkeit von den Ministerinnen und Ministern stehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen keine neu geschaffenen blauen Ge­heimdienste. Wir brauchen keine schwarzen Netzwerke im BVT oder sonst irgendwo. Was wir brauchen, ist echte Kontrollmöglichkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Und schon gar keinen roten Sumpf!) – Brauchen wir auch nicht. Wir brau­chen keinen roten Sumpf, Herr Kollege Hammer, da haben Sie recht, aber wir sitzen momentan nicht im Innen- und im Landesverteidigungsministerium. Was wir brauchen, sind echte Transparenz und echte Kontrolle. Sie haben in Ihrem Regierungsüberein­kommen auch angekündigt, dass Sie die parlamentarische Kontrolle entsprechend ausweiten wollen. Nehmen Sie unseren Antrag sozusagen als Hebel und setzen Sie das mit uns gemeinsam durch! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte.


22.50.54

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir beraten heute in erster Lesung über den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung beziehungsweise der Verfassung im Hinblick auf die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste des Heeres und der Polizei. Kern des Antrages ist, die Einschränkung der Auskunftserteilung an die Ständigen Unteraus­schüsse zu minimieren, denn bislang findet eine Auskunftserteilung durch den Minister nicht statt, wenn die Sicherheit von Menschen gefährdet ist oder wenn die Beantwor­tung aus Gründen der Gefährdung nationaler Interessen abgelehnt wird. Das ist der Status quo.

In der Tat ist es so, dass jeder Rechtsstaat, der etwas auf sich hält, ein parlamenta­risches Gremium hat, das über die Tätigkeit der Nachrichtendienste informiert wird und auch Fragen an Verantwortliche dieser Dienste richten darf. Es ist auch völlig einzu­sehen, dass von der Auskunftserteilung abgesehen werden darf, wenn das zum Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter erforderlich ist. Es soll niemand zu einer Aussage gezwungen werden, wenn dadurch sein Leben oder das Leben Dritter gefährdet wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 247

Auch aus unserer Sicht ist die Begründung der Auskunftsablehnung aufgrund einer Gefährdung nationaler Interessen hinterfragenswert, denn eine Gefährdung nationaler Interessen ist eine Bezeichnung, die alles, viel und nichts zulässt. Wir sind offen für eine Diskussion und einen parlamentarischen Prozess, um zu klären und auch geset­zlich zu definieren, wann gegenüber den Ständigen Unterausschüssen eine Auskunft erteilt werden muss und wann eben nicht.

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir hatten einen BVT-Untersuchungsausschuss, und zum Leidwesen der damaligen Opposition und leider auch zum Leidwesen von Teilen der Regierung wurde das kein Herbert-Kickl-Schauprozess. Trotzdem wurde der damalige Innenminister ohne Angabe von Gründen abgesetzt. Da staunt man wirklich, was in dieser Republik alles geht.

Im Untersuchungsausschuss wurde aber auch ein Bild offenbar: das Bild der internen Zustände im BVT. Es gab keine ausreichende Geheimhaltung, es gab eine nicht aus­reichende Verschlüsselung geheimer Daten, wir hatten einen Nachrichtendienstchef ohne jegliche polizeiliche Vorbildung – alles in allem gravierende Mängel, die nicht nur wir festgestellt haben, sondern auch ausländische Nachrichtendienste. Daher dürfen wir nicht nur hinterfragen, sondern müssen auch hinterfragen, ob diese Mängel nicht schon früher abstellbar gewesen wären, wäre die Informationspflicht an die Ständigen Unterausschüsse weiter gefasst gewesen.

Wir werden uns daher gerne im Sinne der Sicherheit mit dieser Frage im Ausschuss beschäftigen, und wir sind gespannt, ob sich die Grünen in diesem Ausschuss für mehr Transparenz einsetzen werden oder ob sie wieder ein Ordnungsruf aus der Lichten­felsgasse ereilen wird. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Ernst-Dzie­dzic: Da klatschen nicht einmal die eigenen Leute!)

22.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stög­müller. – Bitte.


22.54.22

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich habe wieder das Wort, vielleicht kriege ich wieder 100 Euro. Sea-Watch hat sich gefreut, die Spende ist schon überwiesen worden. Vielen Dank dafür. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, Opposition braucht Kontrolle. Ich war in den letzten Jahren selber Oppositionspoli­tiker und kann daher das Bedürfnis nach mehr Kontrolle und einer Ausweitung der Kontrollrechte sehr gut nachvollziehen. Aus diesem Grund halte ich auch eine Stär­kung der parlamentarischen Opposition für sinnvoll und sehe diese auch positiv. Kon­trolle und Transparenz sind uns Grünen sehr wichtige Anliegen, für die wir ja auch ge­wählt worden sind und für die wir uns einsetzen, weshalb ich der Meinung bin, dass bei der Kontrolle der Geheimdienste tatsächlich Verbesserungsbedarf besteht – gerade wenn dieser Mief von gezielter Parteipolitik in der Luft liegt, der ganz schwer zu ver­treiben ist.

Auch den Wunsch nach Akteneinsicht und der Befragung von Auskunftspersonen kann ich nur zu gut nachvollziehen; aber all dies soll auch im richtigen Rahmen passieren. Parlamentarische Kontrollrechte sollen umfassend gewährt werden, aber sie sollen auch sinnvoll ausgestaltet und an den konkreten Bedarf angepasst sein. Das ist not­wendig. Gerade mit der geplanten BVT-Reform soll ein Rahmen geschaffen werden, in dem diese Anliegen auch vertieft behandelt werden können und sollen.

Betreffend den konkreten Antrag sehen wir bei vielen Punkten noch ganz grundsätz­lichen Klärungsbedarf. Er greift unserer Meinung nach auch viel zu kurz. Es fehlt eine ausreichende Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen. Da gibt es einige De-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 248

tails, die noch genauer ausverhandelt und im dafür zuständigen Geschäftsordnungs­ausschuss angeschaut werden müssen.

Wir Grüne wollen auf jeden Fall die Opposition einladen, gemeinsam an diesem Anlie­gen und an diesem Antrag zu arbeiten, sich aktiv einzubringen und dieses Vorhaben auch gemeinsam mit uns zu erarbeiten, damit wir dann auch wirklich eine Regelung beschließen können, die in Zukunft eine umfassende parlamentarische Kontrolle er­möglicht. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kris­per. – Bitte.


22.56.35

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe noch wache Zuseherinnen und Zuseher! Zum Positiven zuerst: Wir begrüßen den Vorschlag in diesem Antrag betreffend eine neue Namensgebung; der Ständige Unterausschuss des Ausschusses für innere Angele­genheiten ist ein Zungenbrecher, den man nur mit der Abkürzung Uaia umgehen kann, was wiederum der Ernsthaftigkeit dieses Ausschusses nicht gerecht wird.

Wir finden auch sehr positiv, dass die Kompetenzen der Kontrollausschüsse erweitert werden sollen, denn wenn Nachrichtendienste ihre Befugnis erweitern müssen, um den Gefahren der Gegenwart für die Bevölkerung und die kritische Infrastruktur gerecht zu werden, dann brauchen auch die Kontrollgremien eine entsprechende Macht und Posi­tion, um auf unsere Freiheits-, Grund- und Menschenrechte schauen zu können.

Wir glauben auch, dass es sehr wichtig wäre, die Möglichkeit zu geben, einzelne Be­dienstete der Sicherheitsverwaltung zu laden; das wäre ein sehr willkommenes Novum. Wir verstehen nur nicht den Verweis auf die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, weil ein Untersuchungsausschuss ein ganz anderes Set­ting hat. Uns erschließt sich nicht, warum das hier nötig ist.

Generell haben wir einen Einwand systemischer Natur: Wie Sie sich vielleicht erinnern, Herr Kollege Leichtfried, haben wir ja im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, dass wir die Kontrollgremien überhaupt zusammenlegen wollen, weil wir glauben, dass sonst die Kontrolle der linken Hand nicht weiß, was die rechte tut, und wir hier weiter­hin die Trennung von Innerem und Verteidigung haben. Uns wäre auch eine zentrale Koordination der Nachrichtendienste wichtig. Dementsprechend begrüßen wir den Vor­stoß, wir glauben nur, dass man systemisch überlegen sollte, ob man das nicht in eine Hand gibt – die Kontrolle, nicht die Dienste –, um die Kontrolle noch stärker aufstellen zu können. Demnach sind wir zu Gesprächen bereit, stimmen aber nicht vollinhaltlich zu. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

22.58

22.58.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf den Antrag 52/A dem Geschäftsordnungsausschuss zuweisen.

22.58.4014. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (54/A)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 249

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 14. Erneut gibt es keine Wortmeldung des Antragstellers.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


22.59.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Parlament wird ja von der Bevölkerung oft als etwas weit Entferntes wahrgenommen. Die Menschen wissen nicht genau, was wir da den ganzen Tag treiben. Wenn sie Fernsehübertragungen sehen, sagen die Menschen: Ihr seid oft drau­ßen, ihr spielt mit dem Handy, ihr lest Zeitungen. – Insofern ist die Öffnung des Parla­ments sehr gut, Herr Präsident. Es ist sehr gut, dass Veranstaltungen diversester Art gemacht werden, um Menschen ins Parlament zu bringen, damit sie unsere Arbeit se­hen, oder dass eben Menschen kommen und die Abläufe verfolgen können, man mit ihnen diskutieren kann, was eigentlich Parlamentarismus ist.

An dem Thema, das wir hier behandeln – Petitionen und Bürgerinitiativen –, wird für die Bürger Parlamentarismus manifest, weil ihr kleines regionales Problem unmittelbar bearbeitet wird. Zur Erinnerung: Petitionen können von Abgeordneten eingebracht wer­den, dieses Instrument gibt es immerhin schon seit der Monarchie, seit es Abgeordnete gibt. Der Abgeordnete trägt damit ein Bürgeranliegen ins Hohe Haus. Die Bürgerinitia­tive ist seit 1986 gesetzlich verankert, wobei eben 500 Bürger unterschreiben müssen, damit ein Anliegen behandelt wird.

Sie wissen, vielerlei Anliegen werden ans Hohe Haus herangetragen, da geht es da­rum, dass eine Polizeidienststelle nicht geschlossen wird, eine Straße gebaut werden soll, ein Anliegen – Rauchen oder Ähnliches betreffend – umgesetzt werden soll. Die Themen sind also sehr breit gefächert, und Bürgerinitiativen sind auch sehr positiv, weil die Abgeordneten mit den Bürgern direkt in Kontakt treten und die Bürger wissen, dass das Anliegen jedenfalls hier behandelt wird.

Die Möglichkeiten, die jetzt schon bestehen, sind ja vielfältig, nämlich dass man Stel­lungnahmen einholt, dass Expertinnen, Experten im Ausschuss gehört werden, dass die Bundesregierung oder die Volksanwaltschaft dazu Stellung nimmt, dass das An­liegen einem Fachausschuss zugewiesen wird und dass als Konsequenz dann viel­leicht sogar Gesetze geändert werden. Die Antragsteller bekommen jedenfalls eine Information. Da, finde ich, ist die Interaktion zwischen dem Parlament und der Bevölke­rung sehr gut. Man weiß, das Anliegen wurde behandelt, auch wenn es vielleicht nicht umgesetzt wird, wurde es gehört, das österreichische Parlament hat sich damit be­fasst, und man bekommt zumindest eine Antwort, ob das Anliegen weitergeleitet wurde oder eben auch nicht umgesetzt wurde. Ich finde, das ist sehr wichtig. Im Übrigen ist das ist auch in den Landtagen wichtig, weil dort ein echter Nachweis der unmittelbaren politischen Arbeit erfolgt.

Worum geht es bei diesem Antrag? – Es hat die sogenannte Enquete-Kommission zur Stärkung der Demokratie, zur Stärkung des Parlamentarismus gegeben, in die auch Bürgerinnen und Bürger einbezogen waren. Da ging es darum, dass man Petitionen und Bürgerinitiativen nicht nur schriftlich, so wie jetzt, sondern auch elektronisch über­mitteln kann. Natürlich ist das eine gute Idee, sie muss insofern diskutiert werden, als es technisch ordentlich abgewickelt werden muss und die Rückverfolgbarkeit derer, die elektronisch unterschreiben, gesichert sein muss.

In der vergangenen Legislaturperiode, die eben nur zwei Jahre gedauert hat, hat es immerhin 67 Bürgerinitiativen und 30 Petitionen gegeben, in der Legislaturperiode da­vor – von 2013 bis 2017 – waren es 121 Bürgerinitiativen und 111 Petitionen. Das heißt, das Instrument ist sehr vital, sehr lebendig, wird von den Menschen sehr stark angenommen. Wir bekennen uns dazu, was in der Enquete-Kommission gemacht wur-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 250

de. Wir sollten die Arbeit an der GO-Reform fortsetzen und diese Dinge nach Möglich­keit auch umsetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koll­ross. – Bitte.


23.02.44

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte bei meinem Vorredner, bei Kollegen Berlakovich anschließen. Ich denke mir, dass das die erste Lesung eines Antrages ist, betreffend den wir im zuständigen Ausschuss, glaube ich, sehr schnell über alle Par­teigrenzen hinweg Einigkeit erzielen könnten. Wir könnten eine Gesetzwerdung ge­meinschaftlich, über alle Parteigrenzen hinweg, zustande bringen, dass es mehr Bür­gerinnen- und Bürgerbeteiligung gibt oder dass man, wenn man so will, die Bürgerin­nen- und Bürgerbeteiligung ein Stück weit an die Gegenwart anpasst.

Der Kollege hat es schon angemerkt, es geht bei diesem Antrag unter anderem darum, dass eine Bürgerinitiative mit 500 Unterschriften künftig nicht mehr nur in Papierform eingebracht werden kann, sondern dass das auch in elektronischer Form erfolgen kann. Ich denke mir, es ist im 21. Jahrhundert, angesichts der technologischen Fort­schritte, die wir mittlerweile alle erleben, nur eine logische Konsequenz, dass Bürge­rinnen und Bürger ihre Anliegen auch elektronisch an das Parlament herantragen kön­nen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist auch logisch, weil es auch bedeutet, dass das Ganze möglicherweise nicht nur regional beschränkt, sondern viel breiter gestaltet werden kann, da es elektronisch stattfindet. Dazu braucht es natürlich die notwendigen elektronischen Kapazitäten, das heißt, die Homepage des Parlaments muss entsprechend neu ausgerichtet werden. Ich bin überhaupt ein bisschen der Meinung, dass die Petitionen und die Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung auf der Homepage derzeit ein bisschen stiefmütterlich behandelt werden und man sich bemühen muss, um sie schnell zu finden. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Man kann sie ja auch jetzt schon im Nachhinein elektronisch unterstüt­zen, wenn bereits 500 Unterschriften gesammelt wurden. Das ist ein bisschen eine Su­cherei auf der Homepage, es würde sich sehr anbieten, wenn man das gleich in einem Aufwaschen machen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber ganz kurz noch einen zweiten Punkt ansprechen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch unseren Parlamentarismus: Wir alle sagen, wie wichtig BürgerIn­nenbeteiligung ist, wenn es dann aber um die Volksanwaltschaft geht, wenn es um den Petitions- und BürgerInnenbeteiligungsausschuss, um den Rechnungshofausschuss und so weiter und so fort geht, dann finden die Debatten immer zu sehr später Stunde statt, wenn die meisten Bürgerinnen und Bürger schon im Bett liegen oder zumindest etwas anderes zu tun haben, als die Parlamentssitzungen zu verfolgen. Ich glaube deshalb, dass es sinnvoll wäre, wenn wir in dieser Debatte über mehr Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung möglicherweise auch darüber diskutieren könnten, dass Debat­ten betreffend den Rechnungshofausschuss, den Volksanwaltschaftsausschuss oder eben auch den Petitionsausschuss im ersten Drittel der Tagesordnung und nicht immer zum Schluss, wenn eh keiner mehr zuschaut, stattfinden sollen. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 251

23.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fi­scher. – Bitte.


23.06.15

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Direkte Demokratie gibt es nicht erst seit heute, da wir die­sen Entwurf im Rahmen einer ersten Lesung besprechen. Die direkte Demokratie ist in der Verfassung verankert, und das ist wichtig und gut so.

Eines ist aber klar: Wir müssen uns an das Internet anpassen. Es ist Fluch und Segen zugleich, wir haben es heute schon gehört. Es könnte für die direkte Demokratie, für die Bürgerbeteiligung, für die Partizipation wirklich einen großen Wurf bedeuten, wenn man den Computer aufdreht, eine Bürgerinitiative reinkommt, man sich das anschaut und sagt: Ja, da möchte ich mitmachen! Es wäre wichtig, dass es möglich ist, dass man das niederschwellig unterzeichnet und dass es gleichzeitig Rechtssicherheit gibt. Im vorliegenden Entwurf ist die Identifikation mit der Bürgerkarte vorgesehen. Unser Vorschlag ist, dass es da, so wie es auch bei der Europäischen Bürgerinitiative ist, eine Ausweitung in Richtung Identifikation auch mit dem Reisepass oder einem anderen Personaldokument gibt.

In unseren Gemeinden ist es oft so, dass wir sagen, die Leute sollen sich mehr betei­ligen, die Leute sollen doch mehr an der Demokratie teilhaben können. – Das ist eine gute Möglichkeit, man kann sich bequem quasi von zu Hause aus und von überall in der Welt beteiligen, man kann auf der Plattform einsehen, welche Bürgerinitiativen es derzeit gibt. Das heißt, wenn wir wollen, können wir die Demokratie mit dieser Maßnah­me einen Schritt besser machen.

Wichtig ist es, dass alle, die einen Hauptwohnsitz in Österreich haben, sich auch betei­ligen können. Im Entwurf ist vorgesehen, dass sich nur jene, die den Nationalrat wäh­len können, beteiligen können. Daher meine Vision: Jeder, der in der jeweiligen Ge­meinde einen Hauptwohnsitz hat, soll auch Bürgerinitiativen unterzeichnen können. (Beifall bei den Grünen.)

Noch einmal ganz kurz zusammengefasst: Wenn wir das wollen, können wir die Welt, die Demokratie in Österreich, in den Gemeinden jeden Tag verbessern und einen Schritt basisdemokratischer machen. In diesem Sinn: ein großes Ja zur elektronischen Bürgerinitiative. (Beifall bei den Grünen.)

23.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Rednerin: Sabine Schatz. – Bitte.


23.09.22

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Ein Anliegen vorzubringen, sei es von regionaler Bedeutung oder im Interesse einer bestimmten Gruppe, oder einfach ein Thema zum Thema zu machen, das eben noch nicht zum Thema gemacht wurde, das ist das de­mokratische Recht der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

Parlamentarische Petitionen und Bürgerinitiativen sind zwei Instrumente der aktiven Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung und eine Möglichkeit, dem Parlament, also uns al­len, ein Anliegen direkt vorzulegen. Wir haben uns dann auch entsprechend damit aus­einanderzusetzen, und das ist gut so.

Die Themenpalette ist breit, hier einige Beispiele: die verfassungsrechtliche Absiche­rung unseres Pensionssystems nach dem Umlageverfahren, eine Petition gegen Ban­komatgebühren, der vollständige Erhalt der letzten öffentlichen Zugänge zum Attersee oder die Erhöhung der derzeitigen Polizeiplanstellen in Villach – um nur einige der ak­tuell laufenden Bürgerinitiativen zu nennen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Demokratie ist unser höchstes Gut. Ich denke, es ist in unser aller Interesse, wenn wir uns darum bemühen, die Menschen zur Partizipation zu bewegen, sie dazu zu bewegen, sich für


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 252

ihre Interessen einzusetzen und sich aktiv an der Politik zu beteiligen. Das heißt aber logischerweise auch, mit der Zeit zu gehen und Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung entsprechend attraktiv zu gestalten. In diesem Fall geht es darum, die elektronische Durchführung von Bürgerinitiativen und Petitionen zu ermöglichen. Damit wird zum einen die demokratische Beteiligung, aber auch die Politik an sich für die Menschen attraktiver.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir – wie Ihnen allen, denke ich – ein Anliegen, die Bürgerinnen und Bürger, vor allem junge Menschen, dazu zu bewegen, sich aktiv in unsere Politik, in unsere Demokratie einzubringen. Dazu ist es meiner Meinung nach wichtig, den Zugang niederschwellig, also so einfach wie möglich zu gestalten. Nach den Redebeiträgen der Kolleginnen und Kollegen vor mir gehe ich davon aus, dass wir alle einer Meinung sind und die Neuerungen entsprechend schnell gemeinsam umset­zen werden und können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.11

23.11.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf den Antrag 54/A dem Geschäftsordnungsausschuss zuweisen.

23.12.0015. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (55/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 15. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort steht beim Antragsteller. – Herr Abgeordneter Klubobmann Leichtfried, bitte.


23.12.16

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren, die sich noch das Vergnügen machen, uns heute zuzuhören und zuzusehen! Die repräsentative parlamentarische Demokratie ist in der politischen Entwicklung der Menschheit, wenn man Demokratin oder Demo­krat ist, wahrscheinlich eine der wesentlichsten Entwicklungen, die es gegeben hat. Sie ist ein Instrument, das sich meines Erachtens unglaublich bewährt hat, weil es in der Lage ist, einerseits Demokratie abzubilden, Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, und auf der anderen Seite etwas zu direkte Entwicklungen abzufedern und zu starke Mei­nungsbildungen manchmal vielleicht auch etwas auszugleichen.

Die parlamentarische Demokratie ist aber auch ein Instrument, das sich ständig wei­terentwickeln muss, weil sich das Bedürfnis der Menschen, sich politisch zu engagie­ren, verändert, die Intensität und die Möglichkeiten wechseln. Es hat sich ein Instru­ment entwickelt, das meines Erachtens sehr, sehr interessant ist und gut dazupasst, nämlich jenes des Volksbegehrens. Anlässlich dieses Antrages, den wir im Rahmen dieser Initiative eingebracht haben, sollten wir alle gemeinsam darüber nachdenken, wie es möglich ist, das Instrument der direkten Demokratie mit jenem der parlamenta­rischen, repräsentativen Demokratie so gut zu vereinen, dass man – vielleicht darf ich einmal diesen Begriff verwenden – das Beste aus beiden demokratischen Welten ver­einen kann. Dem dient diese Debatte.

Ich muss Ihnen offen sagen, ich freue mich schon darauf. Es gibt schon einige Ideen, die sehr interessant sind, beispielsweise Volksbegehren mit eigenen Parlamentssitzun-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 253

gen zu verknüpfen, die sich ausschließlich diesen Volksbegehren widmen, oder die Möglichkeit, dass Proponenten von Volksbegehren sich auch als Rednerinnen und Redner nicht nur in den zuständigen Ausschüssen, sondern auch hier im Nationalrats­plenum zu Wort melden können, und so weiter und so fort.

Des Weiteren gibt es Ideen, die interessant sein können, bei denen man, glaube ich, aber sehr achtgeben muss, ob man gewisse Quoren einführt, die dann zu gewissen Verpflichtungen im parlamentarischen Prozedere führen. Das alles werden wir disku­tieren. Ich freue mich darauf. Ich freue mich über gute und viele Ideen und hoffe, dass es uns gelingt, unsere Demokratie in Österreich am Ende noch demokratischer zu ge­stalten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz – Bitte.


23.14.57

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Volksbegehren sind uns wichtig, es hat ja im Parlament bereits eine Enquete-Kommission zu diesem Thema gegeben. Es ist uns durchaus wichtig, dass über Re­formbedarf der Geschäftsordnung im Geschäftsordnungsausschuss entsprechend be­raten wird. Es hat bereits in der letzten Gesetzgebungsperiode Beratungen dazu gege­ben, daran kann man durchaus anschließen.

Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen: Wenn es gelingt, elektronische Teilnahme­möglichkeiten zu schaffen, sollten wir durchaus darüber nachdenken, ob es notwendig ist, dass ein Volksbegehren ausschließlich an einem Sonntag unterschrieben werden kann oder eine Gemeinde es an einem Samstag auflegen muss. Nicht alles, was Kos­ten verursacht, ist auch effizient. Es wird genügend Zeit geben, im Ausschuss darüber zu beraten. (Beifall bei der ÖVP.)

23.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.


23.15.52

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es gibt viele Argumente, die für den Ausbau der direkten De­mokratie sprechen. Herr Kollege Leichtfried, Sie haben es angeführt: Es hat vor eini­gen Jahren eine sehr umfangreiche, sehr lange dauernde Enquete-Kommission zum Thema Stärkung der direkten Demokratie gegeben. Die Ergebnisse, die dabei gefun­den wurden, wurden aber genauso schubladisiert wie eigentlich sämtliche Ergebnisse von Volksbegehren bisher.

Im Antrag der SPÖ oder in den Anregungen, die gemacht worden sind, geht es ja nicht um eine wirkliche Aufwertung, denn es sind darin nur kosmetische Maßnahmen ent­halten. Wir wissen ja, dass die überwiegende Mehrheit der Volksbegehren in der Ver­gangenheit auch bei sehr großer Beteiligung und entsprechender medialer Aufmerk­samkeit trotzdem schubladisiert und die Ergebnisse vollkommen ignoriert wurden. (Abg. Leichtfried: Da war doch irgendwas! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da­ran ändert auch dieser Antrag nicht das Geringste. Es wird vielleicht das parlamen­tarische und das mediale Brimborium ein bisschen umfangreicher, etwas größer, die Ergebnisse bleiben aber genauso unverbindlich und werden ignoriert werden, und die Initiatoren bleiben dann vielleicht umso frustrierter zurück.

Nun geht es aber uns, der Freiheitlichen Partei, darum, Volksbegehren tatsächlich auf­zuwerten und die direkte Demokratie wirklich auf eine ganz andere Stufe zu heben. In jeder Demokratie sollte der Wille der Bevölkerung zählen und die Bevölkerung der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 254

Boss sein. Die Politik soll sich vermehrt nach dem Volkswillen richten. Das kann man nur erreichen, wenn die Bürger auch wirklich am Gesetzgebungsprozess beteiligt sind. Hierzu haben wir ein Stufenmodell entwickelt. Wenn es ein Volksbegehren gibt, das entsprechend gut unterstützt wird – unsere Vorstellung liegt bei 4 Prozent der Stimm­berechtigten, bei ungefähr 250 000 Unterschriften –, dann soll dieses Volksbegehren auch zwingend einer Volksabstimmung unterzogen werden. Wenn es eine Mehrheit findet, soll das letztlich auch umgesetzt werden – auch gegen den Willen des Parla­ments, wenn dieses nicht bereit war, das Ergebnis des Volksbegehrens umzusetzen. Es handelt sich also um eine echte Volksinitiative, um eine Volksgesetzgebung, die ausnahmsweise in bestimmten Fällen ergänzend zum parlamentarischen Gesetzge­bungsprozess möglich sein soll.

Dass die Österreicherinnen und Österreicher dafür reif und mündig genug sind, haben sie bei den beiden bisherigen Volksabstimmungen bewiesen – skandalöserweise ha­ben wirklich nur zwei stattgefunden –: 1978 wurde die Inbetriebnahme des Kernkraft­werkes Zwentendorf abgelehnt, das war ein wirklich zukunftsweisendes Ergebnis. Das war noch reale Umweltpolitik. Die Menschen waren eigentlich gescheiter als die Poli­tiker. 1994 hat die überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher dem Beitritt zur EU zugestimmt, in der Hoffnung auf ein friedliches Europa und natürlich in der Erwartung, dass die vereinbarten Bedingungen eingehalten werden. Das ist nicht der Fall. Hätte man die Bevölkerung bei jedem Abgehen von den im EU-Vertrag verein­barten Bedingungen gefragt – ob das die geschlossenen Außengrenzen sind, die Sub­sidiarität, das Weiterbestehen der Nationalstaaten, keine Haftung für die Schulden von anderen Mitgliedsländern –, dann wären diese Bedingungen unverändert geblieben.

Ich freue mich auf die Debatten im Verfassungsausschuss. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

23.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.


23.20.01

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Was gibt es Besseres als eine Debatte über Demokratie hier im Hohen Haus um halb zwölf, fast Mitternacht? Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für diese repräsentative Demokratie, auch wenn wir es heute zwischenzeitlich ein bisschen mit einem Kasperltheater zu tun gehabt haben. (Abg. Vogl: ... Kasperltheater! – Abg. Rauch: Das ist ein Ordnungsruf! Herr Präsident!)

Aber so grundsätzlich: Ich bin jetzt schon lange in der Politik, war früher Referentin der Abgeordneten Daniela Musiol, die damals bei den Grünen Demokratiesprecherin war und sich für direktdemokratische Instrumente sehr, sehr starkgemacht hat. Deswegen kann ich mich erinnern und kann nur feststellen, wie scheinheilig diese Debatte über direkte Demokratie geführt wird.(Abg. Rauch: Herr Präsident!) – Ja, genau, von Ihnen von der FPÖ beispielsweise. Sie sind immer sehr schnell dabei, zu sagen: Die Bürger müssen mitentscheiden, wir sind auf deren Seite!, aber keiner von Ihnen war bei der Debatte zum NichtraucherInnenvolksbegehren oder zum Frauenvolksbegehren auf der Regierungsbank. Eine halbe Million Stimmen haben Sie einfach ignoriert! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Hauser.)

Genauso wie die SPÖ, auch da muss man ehrlich sein: Ich erinnere mich an den An­trag für ein groß angekündigtes Demokratiepaket, damals, 2013, noch vom Kollegen Cap getragen, da war die SPÖ noch stimmenstärkste Partei – alles toll und gut, aber es ist genau nichts passiert. Das waren die gleichen Forderungen, Herr Kollege Leichtfried, wie Sie sie heute hier vorbringen: Bürgerkarte, Onlineabstimmung und Auf­wertung der Volksbegehren im Parlament.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 255

Abschließend: Ja, die Grünen haben sich nicht nur immer dafür starkgemacht, sondern werden diese Verantwortung als Regierungspartei jetzt auch entsprechend ernst neh­men und wahrnehmen und hier versuchen, tatsächlich konkrete Schritte zu setzen, denn Demokratie lebt mit uns allen, aber vor allem auch davon, dass Bürger und Bürgerinnen ein Vertrauen in das Hohe Haus haben, sich hier vertreten fühlen, aber auch das Gefühl haben, Sie können mitgestalten. In diesem Sinne: Reden wir darüber! Das ist auf jeden Fall ein wichtiger und guter Weg. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stefan: Sie werden immer skurriler!)

23.22

23.22.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 55/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

23.22.4416. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren der Begutachtung von Ministerialentwürfen von Regierungsvorla­gen (Begutachtungsgesetz – BegG) erlassen und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (64/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Antragsteller erhält das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


23.23.02

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Ich freue mich immer, nach der Kollegin Ernst-Dziedzic zu reden, auch wenn es zu einem anderen Tagesordnungs­punkt ist. Sich hierherzustellen, der direkten Demokratie das Wort zu reden und zu sa­gen, dass es die Grünen waren, die sich immer dafür eingesetzt haben (Abg. Ernst-Dziedzic: Stimmt’s nicht?): Ich glaube, es ist das erste Regierungsprogramm seit Jah­ren, vielleicht sogar seit Jahrzehnten, in dem direkte Demokratie nicht einmal vor­kommt. Insofern ist das zumindest mutig. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Die Freiheitlichen haben sich in der letzten Legislaturperiode mit ihren Forderungen be­züglich direkter Demokratie zwar nicht durchgesetzt, aber sie haben es zumindest ge­schafft, dass diese Forderungen ins Regierungsprogramm aufgenommen wurden. Die Grünen haben nicht einmal das zustande gebracht. (Abg. Ernst-Dziedzic: Ja, tun statt reden!) – Na ich bin eh gespannt, was dann kommt.

Wo die Grünen auch etwas tun könnten – das ist jetzt die erste Lesung über meinen Antrag –, das betrifft die Frage der Begutachtungen: Wenn in Österreich Ministerial­entwürfe aus Ministerien kommen, ist es ja an und für sich vorgesehen, dass die in Begutachtung geschickt werden und es für diese eine entsprechende Frist gibt, nur ist diese Frist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern es gibt nur eine Empfehlung des Bundeskanzleramtes, dass man Ministerialentwürfe vier bis sechs Wochen begut­achten kann. Es geht darum, dass die Zivilgesellschaft Stellungnahmen abgeben kann, dass die Leute sich damit auseinandersetzen und auch ihre Meinung dazu kundtun können. Das Problem ist nur, dass diese vier bis sechs Wochen sehr oft nicht einge­halten werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 256

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat sich das im letzten Jahr, glaube ich, angeschaut: Bei 61 Prozent der Ministerialentwürfe wurde die Begutachtungsfrist von vier bis sechs Wochen nicht eingehalten; bei 12 Prozent lag sie überhaupt unter zwei Wochen. Das absurdeste Beispiel war jenes, als Herr Finanzminister Löger seine Öbag-Novelle mit einer Frist von sieben Tagen in Begutachtung geschickt hat, wovon nur vier Werktage waren. Wie man sich in vier Werktagen ein Gesetz ernsthaft an­schauen kann, ist eine andere Frage.

Wir NEOS plädierten schon immer dafür, dass es eine fixe, gesetzlich verankerte Begutachtungsfrist gibt, und das wäre wieder einmal so etwas, wo Sie (in Richtung Grüne) Flagge zeigen könnten. Ich hoffe, dass die Grünen, die das ja so gerne ma­chen, sich so für Demokratie und für einen umfangreichen Parlamentarismus einset­zen – ich wünsche viel Spaß mit dem Koalitionspartner, der das nie so spannend fin­det –, sich da durchsetzen werden; nur, so glaube ich, wird das genauso wie bei der Festschreibung der direkten Demokratie im Regierungsprogramm wahrscheinlich nicht passieren. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fürst.)

23.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schna­bel. – Bitte.


23.25.27

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist für mich eine beson­dere Ehre, erstmals hier zu sprechen, und gemäß der Usancen dieses Hauses möchte ich mich kurz vorstellen.

Mein Name ist Joachim Schnabel. Ich bin gebürtiger Südsteirer und lebe auch von gan­zem Herzen in dieser Region. Ich bin Kommunalpolitiker, seit zehn Jahren Bürgermeis­ter einer kleinen Gemeinde mit 1 400 Einwohnern, nämlich der Gemeinde Lang im Be­zirk Leibnitz, und darf für den Regionalwahlkreis Weststeiermark – das sind die Bezirke Deutschlandsberg, Leibnitz und Voitsberg – hier im Parlament arbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

An dieser Stelle möchte ich eingangs auch noch all jenen meinen Dank aussprechen, die mich in meiner politischen Arbeit und auch dabei, dieses Amt ausüben zu können, unterstützt haben.

Nun zum Antrag der NEOS, zur Einführung einer sechswöchigen Begutachtungsfrist für Regierungsvorlagen: Grundsätzlich sehe ich es als wichtig an, dass es im Gesetz­werdungsprozess eine Begutachtung mit entsprechender Möglichkeit der Partizipation, der Diskussion und der Auseinandersetzung zu geben hat. Diese Vorgangsweise ist derzeit aber ohnehin bei vielen Regierungsvorlagen Usus. Das heißt aber nicht, dass man da nicht klarer werden kann. Man muss jedoch schon auch Möglichkeiten für Aus­nahmesituationen vorsehen, um eben dann und wann schnell reagieren zu können.

Wie viele von Ihnen vielleicht wissen, ist Österreich Mitglied der Greco, einer Staaten­gruppe, die sich gegen die Korruption stellt und für mehr Transparenz steht. Warum sage ich das? – Weil die Thematik dieses Antrages ebenfalls Teil des Greco-Berichtes ist, der mit insgesamt 19 Empfehlungen an Österreich übermittelt wurde.

In dieser vierten Evaluierungsrunde wurde eben im Teilabschnitt III folgende Empfeh­lung ausgesprochen, ich zitiere: Erstellung von Vorschriften, die sicherstellen, „dass sowohl Regierungsvorlagen als auch Gesetzesentwürfe von Abgeordneten mit einem ausreichenden Maß an Transparenz und Begutachtung unter Vorgabe angemessener Fristen behandelt werden“.

Über diese Empfehlung von Greco und deren Umsetzung wird übrigens morgen bera­ten. Wir sollten deshalb auch darüber nachdenken, ob nur Regierungsvorlagen oder


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 257

eben auch Initiativanträge in eine Begutachtungsfrist miteinbezogen werden sollten. Betrachtet man nämlich aus einer zeitlichen Distanz die milliardenteuren Beschlüsse aus den Zeiten des freien Spiels der Kräfte, die vor allem infolge von Fristsetzungen im Parlament im Eilzugstempo gefällt wurden, dann würde vielleicht eine uns selbst auf­erlegte Frist schon eine Verbesserung der Gesetzesqualität und eine Nachhaltigkeit bewirken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Mit den teuren Wahlgeschenkgesetzen in dieser Zeit kommt nämlich auch die Qualität der Gesetze abhanden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Droz­da. – Bitte.


23.28.55

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann das recht kurz machen. Im Grunde genommen sieht der Entwurf zwei Dinge vor. Da wäre einerseits eine obligatorische Begutachtungsfrist von sechs Wochen – das scheint uns vernünftig zu sein. Zum Zweiten sieht der Entwurf vor, den Adressatenkreis präzis zu regeln. Auch das ist vernünftig.

Im Übrigen entspricht das, was vorgeschlagen wird, einer Empfehlung des Europäi­schen Rates, es entspricht einer Empfehlung des Verfassungsdienstes und es ent­spricht darüber hinaus auch einer Gepflogenheit, die im Umgang von Gebietskörper­schaften im Stabilitätspakt geregelt ist.

Es wird daher nicht sehr überraschen, dass wir dieser Idee nähertreten können. Natür­lich muss man sich irgendwelche Vorkehrungen überlegen, wenn Gefahr in Verzug ist, aber das ist, glaube ich, ohnehin so gedacht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.


23.29.53

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Der grünen Frau Kollegin, die hier ein „Kas­perltheater“ im Parlament konstatiert hat, möchte ich nur ausrichten: Ja, es ist manch­mal wirklich ein Kasperltheater, das ist aber zu einem überproportional großen Anteil dem Auftreten Ihrer Partei hier im Parlament geschuldet. Das gilt schon seit der Verkündung des Regierungsprogramms. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Ernst-Dziedzic: Wer ist da mit dem Hunderter vorgegangen? Das waren nicht wir! Zwischenruf der Abg. Maurer.)

Zum Antrag der NEOS: Eine verpflichtende Begutachtungsfrist von mindestens sechs Wochen für Ministerialentwürfe vorzusehen, bevor sie dann als Regierungsvorlage das Parlament passieren, hat einige Berechtigung, denn es ist ja nicht nur Brauch und Tra­dition, dass Gesetze begutachtet werden sollen, sondern das hat ja einen sehr guten Grund. Fachleute, Institutionen, Interessenvertretungen sollen ja die Möglichkeit ha­ben, Stellungnahmen zu Ministerialentwürfen abzugeben. Damit das auch wirklich fun­diert und gescheit erfolgen kann, braucht man eine gewisse Frist. Es ist wahr, dass es da keine zwingende Rechtsgrundlage gibt und dass die empfohlenen sechs Wochen, die auch einigermaßen sinnvoll erscheinen, nur mehr in ganz wenigen Fällen gesetzt werden.

Zwei Dinge, die der Kollege vorhin schon erwähnt hat: Erstens, denke ich, muss man sich überlegen, was man dann mit Selbständigen Anträgen und Abänderungsanträgen macht, weil da dann eigentlich immer noch die Möglichkeit besteht, jegliche Begutach­tungsfrist und auch jede Diskussion und Kritik vorher zu beseitigen. Das muss man be­denken. (Abg. Leichtfried: Also die Rede vom Vorgänger war kompakter und besser!) Da ist der Antrag, glaube ich, etwas inkonsequent.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 258

Außerdem muss man schon auch noch den ganz pauschalen Ansatz im Zusammen­hang mit Selbstbeschränkungen des Parlaments bedenken: Man beraubt sich dadurch ja auch der Möglichkeit, sehr schnell Gesetze zu beschließen. Bevor man also so et­was sehr schnell beschließt, muss man darüber, denke ich, noch diskutieren. Ich freue mich auf die Debatten im Ausschuss. (Beifall bei der FPÖ.)

23.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Blimlinger. – Bitte.


23.32.03

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Seit ungefähr 35 Jahren schreibe ich Stellungnahmen zu Ge­setzen, organisiere Gruppen, damit sie Stellungnahmen schreiben, sei es zu Universi­tätsgesetzen oder zu Förderungsgesetzen. Ich weiß nicht, wie viele Stellungnahmen zu Gesetzen ich in den letzten 35 Jahren geschrieben habe, ich muss aber sagen, ich habe das mit wenig Erfolg gemacht, weil diese Stellungnahmen in den meisten Fällen ignoriert worden sind, und zwar ganz unabhängig davon, welche Regierung im Amt war.

Hie und da ist man dann darauf eingegangen, speziell dann, wenn es gelungen ist, dass sehr viele Leute gleichlautende Stellungnahmen schreiben, um sozusagen den Gesetzgeber – also uns – darauf aufmerksam zu machen, dass da ein Unsinn entsteht.

Wenn man also sagt, eine Sechswochenfrist wäre gut, dann muss ich sagen, einerseits ja, aber aus meiner Sicht geht es schon auch darum, zu fragen, wie man mit diesen Stellungnahmen umgeht. Wenn man so damit umgeht, wie bis dato damit umgegangen worden ist, nämlich nach dem alten Spruch: Nicht einmal ignorieren!, dann frage ich mich, wozu man dann überhaupt diese Sechswochenfrist braucht.

Wenn wir uns also eine solche Situation vor Augen führen, dann, denke ich, müssten wir das in einem größeren Zusammenhang sehen. Da muss ich schon auch sagen: Von 2013 bis 2017 gab es 329 Begutachtungen bei 454 Regierungsvorlagen, wobei nur 77 der 197 nicht begutachteten Vorlagen gewöhnliche Gesetze darstellten – also ein relativ kleiner Teil. Bei dem anderen, begutachteten Teil müsste man sich wirklich einmal anschauen – das wäre auch eine Vorstudie wert –, wie viel von den Begutach­tungen überhaupt noch eingeflossen ist.

Ich glaube also, die Diskussion, wie mit einem Begutachtungsverfahren überhaupt um­gegangen wird, muss breiter erfolgen, und man muss sich fragen, ob man sich nicht andererseits mit einer Mindestfrist wieder beschneidet, indem dadurch Umgehungs­formen wie etwa der Initiativantrag häufiger genützt werden.

In diesem Sinne bin ich für eine noch breitere Diskussion, wie mit Stellungnahmen um­zugehen ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.34

23.34.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, daher ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 64/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

23.34.5917. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes(verfassungs)gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (65/A)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 259

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 17. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein, und der Antragsteller erhält das Wort. – Bitte.


23.35.19

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Bei dem Antrag, den wir heute diskutieren, geht es um die Frage, wie mit Anfragen von Abgeordneten umgegangen wird. Wir erleben es als Abgeordnete leider Gottes immer wieder, dass wir Anfragen an Bundesminister, an Bundesministerinnen stellen und, sagen wir einmal, sehr flapsige Antworten bekommen – teilweise gar keine, teilweise mit abenteuerlichen Begründun­gen, wieso man sich selbst nicht zuständig fühlt.

Ich erinnere mich, mir hat einmal der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer eine Geschichte vom ehemaligen Nationalratspräsidenten Maleta erzählt, der gesagt hat: Na ja, es steht ja in der Bundesverfassung nur, dass ein Abgeordneter Anfragen stellen darf, aber es steht ja nirgendwo, dass er auch Antworten bekommen muss.

Mittlerweile ist sehr eindeutig geklärt, dass Minister auch antworten müssen, es ist in Wirklichkeit nur nicht klar, was sie antworten müssen, und so kommen sie halt ir­gendwie manchmal darum herum, die entsprechenden Fragen zu beantworten.

Dieses Problem kennen ja nicht nur wir im österreichischen Parlament, das kennen andere Parlamente auch. Der Deutsche Bundestag kennt dieses Phänomen auch, aber dort gibt es eine Regelung, wie man gegen rechtlich nicht richtige Anfragebeant­wortungen vorgehen kann. Da geht es nicht darum, ob man politisch nicht mit dem einverstanden ist, was in der Beantwortung steht, sondern darum, dass wirklich etwas nicht beantwortet wird, obwohl es notwendig wäre. Da gibt es das sogenannte Organ­streitverfahren – das ist so etwas Ähnliches, wie wir heute schon einmal im Zusam­menhang mit dem Untersuchungsausschuss diskutiert haben –, nämlich die Möglich­keit, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen, als Abgeordneter den VfGH anzurufen und zu sagen: Ich bin der Meinung, der Minister hat das rechtlich einfach unzulässig beant­wortet!, und dann entscheidet der Verfassungsgerichtshof darüber.

Das würden wir hier vorschlagen. Das würde einzelnen Abgeordneten weitaus mehr Möglichkeiten geben, auch wirklich ihr Recht einzufordern, und wir erachten das dem­entsprechend als gute Möglichkeit. (Beifall bei den NEOS.)

23.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


23.37.10

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! In der Demokratie ist es notwendig, dass man über Infor­mationen verfügt, um entsprechend transparente und nachvollziehbare Entscheidun­gen treffen zu können.

Es ist dazu notwendig, dass man als Parlamentarierin und als Parlamentarier auch die Möglichkeit der Anfrage hat, um die in Verantwortung stehenden Regierungsmitglieder auch zu Belangen der Vollziehung zu befragen. Der von den NEOS, von den Antrag­stellern eingebrachte Antrag hat zum Inhalt, dass man mehr Informationen erhält, wenn man mit der einen oder anderen Anfragebeantwortung nicht zufrieden ist.

Grundsätzlich ist es für uns wichtig und notwendig, dass Informationen auch im ausrei­chenden Ausmaß gegeben sind. Aus diesem Grund hat man sich in der letzten Ge­setzgebungsperiode unter allen Fraktionen darüber verständigt, dass man diesen Bereich erweitern möchte. Wir vertreten die Auffassung, dass ein Ansatz darin beste­hen kann, dass man eine Nachfragefrist setzt, innerhalb derer man mehr Informationen bekommt. Wir sind skeptisch, was eine etwaige Einbeziehung des Verfassungsge-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 260

richtshofes betrifft, weil der Verfassungsgerichtshof rechtliche Fragen klärt und nicht politische – und es sind natürliche politische Beantwortungen, die von den Mitgliedern der Bundesregierung vorgenommen werden.

Ich möchte aber auch einen wesentlichen Punkt hervorheben, der auch dem Geist des Regierungsprogrammes entspricht: Meine Damen und Herren, die Koalition hat sich ganz klar dafür ausgesprochen – und ich stehe auch nicht an, zu sagen, dass das ein großer Beitrag der Grünen war –, im Bereich der Information, der Transparenz und der Kontrolle das Prinzip zu verankern, dass wir den gläsernen Staat und nicht den gläser­nen Bürger wollen. Deswegen ist für uns ganz klar, dass die Grenze bei den Informa­tionen natürlich dort liegt, wo es um personenbezogene Daten geht, wo es um Be­triebsgeheimnisse geht oder wo nationale Interessen als solche gefährdet sein können.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne freuen wir uns auf eine spannende Diskus­sion und einen guten Argumentationsaustausch im Ausschuss. Ich bin guter Dinge, dass wir gemeinschaftlich eine weitere Verbesserung des österreichischen Parlamen­tarismus sicherstellen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Bayr. – Bitte.


23.39.33

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe in meinem parlamentarischen Leben ein paar Hundert Anfragen ge­stellt, und da kristallisieren sich dann mit der Zeit Favoriten unter den Beantwortungen heraus. Zum Beispiel: Zu den Fragen 3 bis 27: Wir arbeiten daran.

Ein besonderer Heuler war auch ein Anfrage zu den Sustainable Development Goals – ein Werk der Vereinten Nationen, das 169 Ziele umfasst und jedes Ressort irgendwie betrifft –, bei der sich ein Minister in seinem Vollzug betreffend die Sustainable Devel­opment Goals für nicht zuständig erklärt hat. Das ist einerseits ärgerlich, aber ande­rerseits ist es dann besonders ärgerlich – finde ich immer –, wenn es überhaupt eine komplette Abwehrhaltung gibt und man, warum auch immer, Antworten gar nicht geben will.

Ich zitiere nur ein paar: Zum Beispiel hat im Jahr 2014 das Finanzministerium auf eine Anfrage von mir gesagt – da ging es um die IT-Beschaffung über die Bundesbeschaf­fung GmbH, die dem BMF untergeordnet ist –, dass man dafür nicht zuständig ist, das fällt nicht unter das Interpellationsrecht; oder das Außenministerium sagt im Jahr 2015, gefragt nach dem Kommunikationsbeirat der Austrian Development Agency, eine GesmbH, die im 100-prozentigen Eigentum der Republik ist, die die politischen Linien vor allem vom Außenministerium vorgeschrieben kriegt und die vor allem mit Steuer­geld agiert, diese ist eine juristische Person, das geht uns nichts an, können wir nicht beurteilen, können wir nicht beantworten.

Oder auch: Das Bundesministerium für Finanzen sagt zu seiner eigenen IT-Beschaf­fung, weil es die nämlich über eine andere Firma macht, das fällt unter das Geschäfts­geheimnis, das könne man nicht beantworten; oder es gibt eine Anfrage bezüglich der eingestellten Förderungen des „Südwind-Magazins“, auch durch die Austrian Devel­opment Agency, auf die das Außenministerium sagt – und das war durchaus auch der politische Wille des Außenministeriums, dass da keine Förderungen mehr fließen –: Das geht uns nichts an, das ist die Austrian Development Agency; das ist zwar nur 100 Prozent Steuergeld, aber das können wir nicht beantworten.

Ich weiß, die Frage der Nichtbeantwortung oder der schlechten Beantwortungen war immer und immer wieder auch Thema in der Präsidiale, aber es ist leider noch zu kei­ner Lösung gekommen. Wenn man – offensichtlich – in einem Land lebt, wo Höchstge­richte, seien es jetzt europäische oder auch österreichische Höchstgerichte, dem Par-


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lament auf die Sprünge helfen müssen, wenn es darum geht, Rechte für LGBTIQ-Per­sonen zu konstatieren, weil es hier im Haus keine Mehrheit für eine moderne, men­schenrechtsmäßige Regelung gibt, oder wenn es notwendig ist, dass Inhalte von Un­tersuchungsgegenständen – mit Oppositionsrechten eingesetzt – an den Verfassungs­gerichtshof herangetragen werden, damit der Klarheit schafft, dann ist es offensichtlich leider auch so, dass man den Verfassungsgerichtshof dafür braucht, dass wir zu einer einigermaßen demokratieverträglichen Qualität der Antworten unserer Interpellationen kommen.

Ich denke mir, da vieles in den letzten Jahren nichts genützt hat, ist es wahrscheinlich ein gangbarer Weg, den wir da gehen sollten, und ich freue mich auch schon auf die Debatten darüber. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von NEOS.)

23.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Sirkka Pram­mer. – Bitte.


23.43.00

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Die parlamentarische Anfrage ist ein sehr, sehr wichtiges Ins­trument, und in sehr vielen Fällen in der Vergangenheit wurde schon bewiesen, wie wertvoll es ist. Es dient der Kontrolle der Verwaltung durch die Gesetzgebung und er­füllt so zwei wesentliche Funktionen, nämlich aufzuzeigen, wo es Mängel in der Ver­waltung gibt, und aufzuzeigen, wo es Bedarf an Regelungen gibt, um das Handeln der Verwaltung in den richtigen Rahmen zu bringen, und natürlich ist beides von der Qua­lität einer Beantwortung abhängig.

Die Beantwortung nur durch Stehsätze oder durch ein allzu schnelles Berufen darauf, dass Informationen nicht vorliegen oder dass es zu einem Vorgang keine Statistiken gibt, führt dazu, dass dieses Instrument an Wert verliert – und darin sind wir uns wohl alle einig, dass wir das nicht wollen. Gerade in der jüngsten Vergangenheit hat sich diese Unsitte sehr breitgemacht, und ich kann daher ganz gut nachvollziehen, warum diese Regelung so gewünscht ist.

Vom Prinzip her ist es total zu befürworten, dass es so eine Regelung gibt, aber einmal abgesehen davon, dass hier auf jeden Fall auch rasch eine andere Kultur bei der Be­antwortung der Anfragen einziehen wird, glaube ich auch nicht, dass der Antrag, so wie er jetzt ausgestaltet ist, die gewünschte Verbesserung bringen kann.

Es ist eine Nachfristsetzung vorgesehen, wenn die Frage nach Auffassung des Fra­gestellers ungenügend beantwortet ist, und nach Ablauf dieser Frist die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes. Der soll dann entscheiden, ob die Nichtbeantwortung recht­mäßig war. Dabei ist problematisch, dass die Vollständigkeit der Antwort ja nur an der Frage gemessen werden kann, und auch eine nach bestem Wissen und Gewissen er­teilte Antwort kann nach Auffassung des Fragestellers nicht die gewünschte Antwort sein. Das liegt dann sehr oft auch an der Formulierung der Frage, und daran ändert auch die Nachfristsetzung nichts.

Ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt feststellen kann, ob die Nichtbeantwortung rechtmäßig war, ist schwierig, denn er muss ja feststellen, welche Antwort hätte gege­ben werden können, und da beißt sich die Katze wieder in den Schwanz, denn wie soll er denn ermitteln, welche Informationen vorliegen? Das kann er ja wieder nur durch Einholung von Informationen beim Ministerium feststellen.

Also grundsätzlich haben wir wirklich großes Verständnis für den Antrag, vor allem für das ihm zugrunde liegende Bedürfnis und die sehr große Bereitschaft, hier an einer gu­ten Regelung mitzuarbeiten. Ich freue mich schon darauf. (Beifall bei den Grünen.)

23.45

23.45.45



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 262

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 65/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

23.45.5618. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (74/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 18. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein, und das Wort erhält der Antragsteller. – Bitte.


23.46.10

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Trotz später Stunde hoffe ich auf und bitte ich noch um Ihre Aufmerk­samkeit. Den Antrag, den Sie hier vor sich haben und zu dem ich eine Erste Lesung halte, bringe ich zum dritten Mal in den Nationalrat ein.

Wir haben ihn zum ersten Mal sehr partizipativ mit manchen Fraktionen hier im Haus, nämlich mit der grünen Fraktion und mit der FPÖ, gemeinsam ausgearbeitet, damals beide in Opposition, das war im Jahr 2013/2014.

Ich darf erinnern: Zu dieser Zeit war noch Herr Faymann Bundeskanzler und Herr Spin­delegger Vizekanzler, also politisch wirkt das schon wirklich weit weg. Damals haben wir das erste Mal im Nationalrat darüber diskutiert, wie wir den Petitionsausschuss in das 21. Jahrhundert bringen können. Da gibt es ganz zentrale Elemente. Das eine Ele­ment, das auf der Hand liegt, ist, dass wir ihn auch digitalisieren. Wir haben eigens da­für auch Vertreter des luxemburgischen Parlaments getroffen, einen Austausch mit Vertretern des Deutschen Bundestages gehabt, haben gesehen, was es alles gibt – aber eben noch nicht in Österreich.

Die Idee bei der ganzen Sache der Digitalisierung war und ist, dass man tatsächlich ei­ne parlamentarische Bürgerinitiative virtuell ins Leben rufen kann, also diese 500 Un­terschriften sammeln und auch virtuell an den Nationalrat übergeben kann. Es ist nicht mehr üblich, Behördenwege, außer es ist dringend erforderlich, auf dem klassischen Weg zu vollziehen, sondern klassisch ist jetzt virtuell. Der Nationalrat hat da aufzu­holen.

Der zweite und noch wesentlichere Punkt ist der: Wir reden immer von Bürgerbeteili­gung. Wir NEOS haben das seit unserer Gründungsgeschichte als zentrales Element, aber ich habe von verschiedensten Fraktionen hier im Haus gehört, dass das Thema Bürgerbeteiligung auch für sie ein zentrales Anliegen ist – und ich lasse jetzt einmal außen vor, dass das aktuelle Regierungsprogramm die direkte Demokratie und die Bürgerbeteiligung nicht sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt hat.

So ist es trotzdem für uns Liberale ein Element der politischen Frage, wie Bürgerinnen und Bürger ihr eigenes Anliegen unabhängig von einer politischen Partei auch direkt in den Parlamentarismus einbringen können. Wie können Menschen, ohne von einer Par­tei – egal von welcher Farbe – abhängig zu sein, direkt für ihr Anliegen kämpfen und brennen?

Das ist im Moment nicht wirklich möglich. Es ist zwar insofern möglich, als man 500 Un­terschriften sammelt und etwas in den Nationalrat einbringt, man hat dann aber nicht die Möglichkeit, sein Anliegen auch selbst vorzubringen. Unser Idealzustand sind der Bürger und die Bürgerin, die mündig sind, die ihr Anliegen auch den Abgeordneten ge-


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genüber im Parlament vortragen können, mit diesen in einem eingeschränkten Rah­men, nämlich in einem Ausschuss, im Petitionsausschuss, debattieren können und dort alle ihre Argumente auch mit der Leidenschaft vortragen können, die den Menschen innewohnt. Das ist jetzt auf einem Stück Papier einfach nicht in der geeigneten Form möglich.

Wir schlagen vor, dass man – als Erstes mit einer Grenze von 2 000 Unterschriften, das heißt, wenn man eine Bürgerinitiative ins Leben ruft und es tatsächlich schafft, 2 000 Unterschriften zu sammeln – dann mit diesen 2 000 Unterschriften auch das Ticket löst und direkt im Petitionsausschuss in die Debatte mit den Abgeordneten ein­steigen kann.

Ich habe Ihnen vorhin gesagt, die Geschichte hat in der Ära Faymann/Spindelegger 2013/2014 begonnen. Wir haben dann in der letzten Periode auch wieder verhandelt, haben wieder etwas in den Geschäftsordnungsausschuss gebracht, und es ist wieder nur vertagt worden. Seit mittlerweile mehr als sechs Jahren kämpfe ich dafür – ich durf­te in dieser Zeit auch der Vorsitzende des Ausschusses für Petitionen sein –, dass wir uns wirklich intensiv damit beschäftigen, wie der Nationalrat unabhängig von Ideologie und Parteifarbe wirklich mehr Möglichkeiten aufmachen kann, um den Parlamentaris­mus und die Bürgerbeteiligung mehr zu verheiraten, mehr erlebbar zu machen. Das wäre ein riesiger Mehrwert für die Demokratie. Das wäre deutlich erlebbar für jeden, der sich dafür interessiert. Es liegt an Ihnen hier im Raum, an 183 Abgeordneten, die­sen Traum von vielen Menschen draußen auch möglich zu machen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)

23.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


23.50.37

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bürgerbeteiligung, Petitionen sind ein wichtiges Werkzeug in der Demokratie, die gilt es natürlich auch weiterzuentwickeln – keine Frage. Dieser Antrag, der nun in TOP 18 behandelt wird, überschneidet sich ja in manchem mit jenem, der schon in TOP 14 vorgetragen und diskutiert wurde.

Meinen Dank sage ich an Niki Berlakovich, der sehr ausführlich erläutert hat, was denn die wesentlichen Züge dieses Petitionsantrages sind, beziehungsweise hat auch Kol­lege Scherak sehr umfassend erläutert, wie denn eine Weiterentwicklung ausschauen kann.

Ich darf das nur kurz für den Zuseher erläutern. Wir befinden uns momentan in der sogenannten ersten Lesung, das heißt, am Ende dieser Debatte wird nicht über diesen Antrag abgestimmt, sondern er wandert wirklich nur zur Diskussion und zur sogenann­ten Feinarbeit in die Ausschüsse, um dort dann diskutiert und punktuell zusammen­geführt zu werden, um dann hoffentlich hier zu einem Beschluss zu kommen. Es gibt wie gesagt nun keine Abstimmung, sondern das ist der Anstoß zur ersten Diskussion, die wir darüber haben.

Es wird überhaupt ein großes Paket die Geschäftsordnung betreffend geben, da ist vie­les in Weiterentwicklung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sehr viele direktdemokrati­sche Elemente auch in den neuen Geschäftsordnungsbereich einfließen werden.

In diesem Sinne starten wir nun mit der Diskussion. Sie wird spannend sein, denn auch uns vonseiten der ÖVP sind natürlich diese Mechanismen sehr, sehr wichtig. (Zwi­schenruf des Abg. Bernhard.) Ich kann mir vorstellen, den einen oder anderen Schritt in diese Richtung gemeinsam zu gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

23.52



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 264

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Nussbaum. – Bitte.


23.52.25

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie­be Kollegen! Aus den vorhergehenden Debatten ist es schon ersichtlich, dass es uns allen als politische Vertreterinnen und Vertreter ein gemeinsames Anliegen ist, dass die Bevölkerung am politischen Leben sowohl passiv als auch aktiv teilnehmen kann. Je mehr Möglichkeiten wir für diese aktive Teilnahme schaffen, desto besser. Die Fra­ge, die sich dabei stellt, ist jedoch, wie wir einen möglichst niederschwelligen Zugang zu politischer Teilhabe schaffen. Da muss es uns über die Parteigrenzen hinweg ein Anliegen sein, das Einbringen von Bürgerinitiativen so leicht und effektiv wie möglich zu gestalten.

Dass sich auch das Parlament die Möglichkeit der Digitalisierung zunutze macht, ist ei­gentlich der nächste logische Schritt. Wichtig ist mir dabei, dass diese digitale Mög­lichkeit der politischen Mitbestimmung wirklich allen Bürgerinnen und Bürgern gleicher­maßen offensteht und zugutekommt, das heißt, dass sie in leicht verständlicher Spra­che und barrierefrei gestaltet werden soll.

Als sinnvoll erachten wir, dass die schon bisher gelebte Frist von acht Wochen für Stellungnahmen im Sinne der Rechtssicherheit dezidiert festgeschrieben wird – wie in dem Antrag vorgesehen –, und positiv erachten wir auch, dass grundsätzlich die Ein­ladung der Erstunterzeichner in den Ausschuss vorgesehen wird. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

23.53

23.53.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 74/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

23.54.0319. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz und das Personenstandsgesetz 2013 geändert werden (Ehe-Partnerschafts-Anpassungs­gesetz 2020 – EPAG 2020) (80/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 19. Tagesordnungspunkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Antragsteller hat das Wort. – Yannick Shetty, bitte.


23.54.26

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Zu später Stunde geht es nun noch um ein sehr wichtiges Thema. Wie so oft, wenn es um Themen geht, die die LGBTIQ-Community betreffen, ist der Ausgangspunkt ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Es sind die Höchstgerichte, die den Fortschritt bewirkt haben, und nicht, wie man sich wün­schen würde, der Gesetzgeber.

Es geht heute um eine längst beschlossene und erledigte Sache, nämlich um das Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare genauso wie die eingetragene Partnerschaft für verschiedengeschlechtliche Paare geöffnet wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 265

Nicht nur, dass ein bereits erfolgtes höchstgerichtliches Urteil nicht angemessen um­gesetzt wurde, auch die Tatsache, dass ein höchstgerichtliches Urteil überhaupt not­wendig war, ist in der LGBTIQ-Politik in Österreich schon eine Tradition und ein Ar­mutszeugnis für die österreichische Politik.

Was aber ist das Problem? Warum bedarf es überhaupt dieses Antrages, den wir heu­te in erster Lesung diskutieren? – Seit der Öffnung der Ehe für alle durch den VfGH hat die Politik, nämlich die schwarz-blaue Vorgängerregierung, keine weiteren Schritte ge­setzt, um die absurden bürokratischen und rechtlichen Hürden, die sich den betroffe­nen Personen in der Praxis weiterhin stellen, aus dem Weg zu räumen.

All jene Personen, die nach der Einführung der eingetragenen Partnerschaft im Jahr 2010 eine solche eingegangen sind und nun, da die Eheschließung für diese möglich ist, gerne heiraten möchten, können das schlichtweg nicht machen, da es keine Über­gangsregelung für diese vielen Menschen, für diese vielen Paare gibt. Sie müssten sich gegen ihren Willen offiziell trennen und verlören diverse sozialrechtliche Ansprü­che. Was passiert zum Beispiel, wenn in dieser gleichgeschlechtlichen eingetragenen Partnerschaft ein Kind geboren wurde?

Das alles sind für die Betroffenen enorm wichtige und emotionale Fragen. Die Verant­wortung, dies zu regeln und Lösungen zu finden, liegt klar bei der Politik und nicht erst wieder beim Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

So wie auch bei der gleichgeschlechtlichen Ehe für binationale Paare, die wir NEOS im Sommer mit einem Antrag hier durchsetzen konnten, braucht es auch da ganzheitliche Lösungen, und zwar rasch. Dafür wird unser vorliegender Antrag sorgen.

Wir haben einen durchdachten und detaillierten Initiativantrag eingebracht, um diese Unklarheiten zu reparieren und unbürokratisch einen verfassungskonformen Zustand und Rechtssicherheit für die betroffenen Menschen herzustellen. Der Gesetzgeber – das habe ich schon angesprochen – hätte viel früher tätig werden und das Gesetz re­parieren müssen, aber – ich habe es durch den Zwischenruf von Herrn Kickl schon gehört –: Ein Blödsinn ist das alles! (Abg. Kickl: Hab ich gar nicht gesagt!) – Das hat man in den letzten beiden Jahren gemerkt, weil Sie alles getan haben – nicht nur in dieser Thematik, sondern auch zum Beispiel die dritte Geschlechtskategorie betref­fend –, um weiter zu schikanieren und die Verfassungswidrigkeit in anderen Wegen weiterleben zu lassen. (Abg. Kickl: Na na, nur um nicht die Willkür zum Prinzip zu er­heben!)

Das verwundert natürlich nicht, dass ÖVP und FPÖ in diesen Bereichen weiter schika­nieren und nichts zum Besseren bewegen wollten. Dass diese Schikane aber, die ich gerade angesprochen habe, mit keinem Wort im türkis-grünen Regierungsprogramm erwähnt wird, verwundert und enttäuscht mich doch sehr. Als Wählerklientel war die LGBTIQ-Community den Grünen sehr wohl recht. Über Jahre und bei allen Veranstal­tungen in der Community haben die Grünen bisher zumindest zu Recht eine promi­nente Rolle eingenommen. Nun, da die Grünen das erste Mal an der Regierung be­teiligt sind, lassen sie ausgerechnet beim Thema LGBTIQ so massiv aus.

Ich bin aufrichtig darüber enttäuscht, dass eine Partei, die die Grund- und Menschen­rechte der LGBTIQ-Community noch im Wahlprogramm 2019 als einen ihrer Leuchttür­me bezeichnet hat, derart vor der ÖVP einknickt. Im neuen Regierungsprogramm fin­det sich kein Wort zur Umsetzung dieses VfGH-Erkenntnisses im Ehe- und Familien­recht. Es findet sich kein Wort zur Entschädigung von homosexuellen Strafrechtsopfern bis 2002. Es findet sich kein Wort zur Beendigung des diskriminierenden Blutspende­verbots für Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben. Es findet sich kein Wort zum endgültigen Verbot von Konversionstherapien, also den skandalösen Umpo­lungsversuchen von LGBTIQ-Personen. (Abg. Gabriela Schwarz: ... verboten! Das ist


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längst beschlossen!) Es findet sich kein Wort zum Verbot geschlechtszuweisender Operationen bei Kindern und Jugendlichen, also von nicht medizinisch indizierten Ge­nitalverstümmelungen an intergeschlechtlichen Kindern.

Ich frage mich, wo im nicht vorhandenen LGBTIQ-Kapitel die grüne Handschrift bleibt. (Abg. Gabriela Schwarz: Wenn es die gesetzliche Regelung gibt, muss man sie nicht erfinden!) Was soll sich die LGBTIQ-Community bei diesem Regierungsprogramm den­ken? Ich finde – das sagen übrigens auch alle NGOs im LGBTIQ-Bereich im Ein­klang –, dieses Programm hätte die ÖVP auch alleine schreiben können. (Ruf bei der SPÖ: Hat sie eh!) – Ja, hat sie eh, das stimmt.

Nun, da die Grünen so massiv in diesem wichtigen Bereich auslassen, werden wir NEOS hoffentlich auch gemeinsam mit der SPÖ umso mehr dranbleiben, die beste­henden Missstände Schritt für Schritt zu beheben, und der LGBTIQ-Community als verlässlicher Partner zur Seite stehen.

Dieser vorliegende Antrag wird für die Grünen der erste Lackmustest in Bezug auf ein Minimalniveau sein, denn es geht da ja nur darum, ein Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes umzusetzen. Wir werden also genau darauf schauen, ob Sie ein verlässli­cher Partner für sexuelle Minderheiten bleiben oder ob Sie die Handlanger für die rechtskonservative Familien- und Gleichstellungspolitik der ÖVP machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steinacker: Also hallo?!)

0.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.


0.00.29

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich pünktlich zur Mitternachtszeit zu Ihnen sprechen darf, aber long story short: Seit 2010 gibt es die eingetragene Partnerschaft, und mitt­lerweile ist diese ja für gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare möglich. Pro Jahr schließen etwa 500 Paare eine eingetragene Partnerschaft – so weit, so gut!

Kollege Shetty hat das VfGH-Erkenntnis aus dem Jahr 2018 angesprochen, das halt jetzt einen kleinen Rattenschwanz nach sich zieht. Es ist nämlich wie erwähnt nicht klar, ob und wie Personen mit einer eingetragenen Partnerschaft zur Ehe wechseln können beziehungsweise ob das auch vice versa möglich wäre.

Klar ist für uns, dass die Ehe und die eingetragene Partnerschaft zwei komplett ver­schiedene Rechtsinstitute sind. Klar ist aber auch, dass es eine Lösung braucht, und daher werden wir diese im Justizausschuss gemeinsam mit der Justizministerin und mit dem wirklich besten Innenminister aller Zeiten, Karl Nehammer, finden. (Beifall bei der ÖVP.)

0.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Harald Troch. – Bitte.


0.02.00

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Menschenrecht, dass jeder seinen Ehepartner oder seine Ehepartnerin frei wählen kann. Dieses Recht gibt es in Österreich eigentlich erst seit dem Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft, und die Schritte zum EPG mussten damals der ÖVP Stück für Stück abgerungen werden – und dies, wie mein Kollege schon vorhin gesagt hat, immer wieder mit Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes. Da hat die Politik, die rechte Seite dieses Hauses leider völlig ausgelassen.


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Heute liegt hier ein Antrag vor, den Umstieg von der eingetragenen Partnerschaft zur Ehe und umgekehrt möglichst unbürokratisch zu ermöglichen. Das bedeutet auch ein Stück Freiheit, ein Stück weniger Bürokratie für Bürger und Bürgerinnen, die das gerne machen würden.

Die SPÖ wird diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. Erinnern darf ich allerdings daran, dass es in der letzten Gesetzgebungsperiode genau in Bezug auf diese The­matik einen Antrag der Abgeordneten Jarolim und Lindner gab, der damals leider von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt wurde und damit auch Zeit gekostet hat – Zeit, während der manchen Paaren ganz einfach etwas gefehlt hat, was ihre Rechte an­geht –, nämlich diesen Umstieg mit einer einfachen Meldung beim Standesamt unbü­rokratisch möglich zu machen.

Es geht hier heute um notwendige, aber doch relativ geringfügige Änderungen. Ich darf sagen, im modernen Eherecht, im Partnerschaftsrecht bedarf es aber größerer Ände­rungen, die aktuellen sind nicht ausreichend. Wir haben ja mit dem Eherecht und mit den eingetragenen Partnerschaften zwei Rechtsinstitute, die zu 97, 98 Prozent iden­tisch sind.

Die Ehe ist relativ stark geregelt – auf der anderen Seite sind jedoch Lebensgemein­schaften quasi ungeregelt. Da muss es für Paare Zwischenschattierungen geben, die eine bestimmte Form der Bindung, eine abgeschwächte Bindung ermöglichen. Es muss ein Eherecht, ein Partnerschafts- und Beziehungsrecht her, das den Paaren all­tägliche Sorgen nimmt, wie zum Beispiel die Sorge im Krankheitsfall bei Spitalsaufent­halt des Partners, der Partnerin oder Ähnlichem. Die Rechte eines Partners müssen unbürokratisch und klar geregelt sein.

Auf der anderen Seite darf es im Fall einer Trennung nicht so sein, dass sich eine Trennung über Jahre zieht und Familienersparnisse von Privatdetektivkosten und Ver­fahrenskosten aufgefressen werden.

Seitens der SPÖ darf ich Sie dazu einladen, dass wir in dieser Gesetzgebungsperiode über ein modernes Eherecht, über ein modernes Partnerschaftsrecht diskutieren und auch entsprechend moderne Weichen stellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Abg. Shetty.)

0.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.


0.05.08

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Man kann den Grünen ja alles Mögliche vorwerfen, aber uns vorzuwerfen, dass wir uns nicht auch weiterhin mit aller Vehemenz für die Rechte von LGBTIQ-Personen in Österreich einsetzen würden – Yannick, da betretet ihr einen Themenbe­reich, bei dem ich verstehe, dass ihr da jetzt eine Zielgruppe abholen wollt ‑, das ist schlicht und einfach unseriös. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Shetty: Warum steht es dann nicht im Regierungsprogramm?)

Gehen wir aber der Reihe nach vor: Wenn ihr genau lesen würdet, was im Regierungs­programm steht, so würdet ihr dort im Wesentlichen genau jene Punkte finden, die auch im NEOS-Antrag enthalten sind. Wenn ihr ehrlich wärt, dann würdet ihr auch hier am Rednerpult zugeben, dass euer Antrag ja bereits mit dem Justizministerium ak­kordiert ist – und ihr wisst ganz genau, dass das nicht nur ein Anliegen von uns ist, sondern dass genau diese Dinge jetzt gemeinsam mit unserer Justizministerin ange­gangen werden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei all diesen Dingen, die du sonst aufgezählt hast, kann ich dich nur einladen, am 30. Jänner – das ist nächste Woche –, ich glaube, um 18.30 Uhr ins Palais Epstein zu


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kommen. Nico Marchetti und ich laden die LGBTIQ-Community ins Palais Epstein ein, um genau diese Punkte zu diskutieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Eines ist für uns nämlich klar: Nicht nur vor dem Recht sind wir in Österreich alle gleich, sondern gerade wir Grüne fordern erstklassige Rechte für alle Personen hier in Österreich unabhängig von der sexuellen Orientierung und wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass es nicht eine Zweiklassengesellschaft aufgrund der sexuellen Orientierung gibt. (Abg. Shetty: Das ist so lächerlich, Ewa! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ich freue mich sehr darüber, dass es hier mit der ÖVP mittlerweile gut möglich ist, da­rüber zu sprechen: Wie sichern wir Paare in Österreich ab, die eine Familie gründen wollen, die sich lieben, die gemeinsam für einander Verantwortung übernehmen? (Abg. Loacker: Das glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass man mit der ÖVP darüber ver­handeln kann?!) – Ihr werdet vielleicht noch überrascht sein, was hier alles geht!

An dieser Stelle sage ich Danke für die konstruktiven Verhandlungen, was diese Punkte anbelangt. Bleiben wir seriös, kommt zum Treffen, sprechen wir über die nächsten konkreten Schritte. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

0.07

00.07.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 80/A dem Justizausschuss zu.

00.08.0020. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Mag. Jörg Leicht­fried, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 (StPO) geändert wird (109/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tages­ordnung.

Zu Wort gelangt nun die Antragstellerin. – Bitte.


0.08.21

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause, die noch wach sind! Ich möchte zuerst einmal sagen, dass es mich freut, dass wir diesen Antrag hier gemein­sam mit SPÖ und FPÖ eingebracht haben und dass auch ÖVP und Grüne dieses wich­tige Anliegen mittragen.

Es ist demnach geplant, eine Arbeitsgruppe einzurichten. Die vergangenen November bekannt gewordene Anregung des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korrup­tionsbekämpfung, mein Handy, das Handy einer Abgeordneten zu beschlagnahmen und zu untersuchen, hat gezeigt, dass da ein dringender Handlungsbedarf besteht.

Worum geht es in unserem Antrag? – Es geht um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die sich an ihre Volksvertreterinnen und Volksvertreter wenden. Viele tun dies mit einem konkreten Anliegen oder einer konkreten Sorge – das habe ich unter Türkis-Blau sehr oft erlebt. Sie tun das, ohne eine Pflichtverletzung irgendeiner Art zu bege­hen, denn sie wollen uns entweder ihre Sorgen oder ihre Expertise mitteilen.

Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen: Es gab unter Türkis-Blau Personen aus dem Ministerium, deren Sacharbeit nicht gewürdigt wurde, weil nur die schnelle


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Schlagzeile gezählt hat. Es gab Personen aus der Justiz, die uns einfach nur erklären wollten, wie bestimmte Abläufe in der Praxis generell funktionieren, so dass wir hier besser nachforschen können, ob zum Beispiel die Strafjustiz überall mit gleichem Maß misst und objektiv ermittelt. Es gab Personen aus dem Innenministerium, die aufgrund ihrer Erfahrung eine fundierte Meinung dazu hatten, wie eine BVT-Reform auszusehen hat und wie nicht. Es gibt Personen aus dem Innenministerium, die sich über Posten­besetzungen ohne Ausschreibung oder Interessentensuche, also rechtswidrige Pos­tenbesetzungen, zu Recht aufgeregt haben – wobei ein Nachfragen meinerseits Sinn gemacht hat. Es gibt viele Zusendungen in anonymer Form, die es über mehrere Ecken zu uns schaffen, darunter eben das BVT-Reformpapier, in dem angedacht wur­de, die Ermittlungsmöglichkeit im BVT zu erweitern, aber nicht genauso entsprechend den Rechtsschutz. Das war ein Grund für mich, das Ganze öffentlich zu machen, und das war auch der Anlass dafür, eine Beschlagnahmung meines Handys anzuregen.

Es geht in unserem Antrag, dem sich bereits zwei weitere Parteien angeschlossen haben, um den Schutz dieser Personen, aber auch um den Schutz aller anderen Bür­gerinnen und Bürger, die sich einfach ohne Mehrwert für Aufklärung und ohne Mehr­wert für die politische Arbeit an uns als ihre Volksvertreterinnen und -vertreter wenden. Alle diese Personen könnten unter den Verdacht geraten, mir oder anderen Opposi­tionspolitikern unter Verletzung des Amtsgeheimnisses Informationen zukommen zu lassen, und müssten daher negative Folgen, egal welcher Natur, befürchten, wenn sie dies tun.

Bürgerinnen und Bürger sollten sich aber darauf verlassen können, dass sie sich vertrauensvoll und unter Wahrung ihrer Anonymität an Abgeordnete wenden können, und das ist in vielen demokratischen Staaten auch Standard, denn die Kontrolle von Regierung und Verwaltung gehört zum Kernbereich der parlamentarischen Aufgabe und sollte nicht durch schikanöse Ermittlungen torpediert werden.

Auch der vorige Innenminister Peschorn hat den Handlungsbedarf erkannt und die Er­stellung neuer Richtlinien für grundrechtsintensive Ermittlungshandlungen angeordnet, denn, so Peschorn in einer Aussendung im Dezember: „Für mich ist klar, dass die Polizei und insbesondere das BAK nur solche Untersuchungsmaßnahmen von der Staatsanwaltschaft verlangen soll, deren Durchführung rechtlich zulässig sind. Die Poli­zei soll sich jeder unvertretbaren Anregung enthalten.“ – Das wurde in klarer Referenz zu meinem Fall geäußert.

Es braucht aber in diesem Land anscheinend eine klare gesetzliche Regelung, so wie wir sie in Deutschland in Artikel 47 im Grundgesetz haben. Daran orientiert sich auch unser Antrag. Der sieht ein Aussageverweigerungsrecht zum Schutz der Identität der Quellen vor, wie dies auch für Quellen von Journalistinnen und Journalisten bereits be­steht.

Ich hoffe sehr auf eine konstruktive Arbeit von uns allen gemeinsam in der Arbeits­gruppe, deren Einrichtung anscheinend intendiert ist. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

0.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmidho­fer. – Bitte.


0.13.00

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Es gibt ein paar wenige Zuseher auf der Galerie, zu Hause werden die Zuseher schon etwas müde sein! Ich darf ausführen, liebe Frau Dr. Krisper: Es ist vieles formuliert, was aber im Gegensatz zum deutschen Modell fehlt, ist, dass wir die Europaabgeordneten noch ergänzen müssen, dass wir noch einiges verfeinern müs­sen. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 270

Angesichts der fortgeschrittenen Stunde darf ich festhalten, dass wir im Ausschuss noch genug Zeit haben, alle Fraktionen gemeinsam, das Richtige zu formulieren und zum Beschluss zu bringen. Die Strafprozessordnung zu verändern oder zu ergänzen, ist notwendig. Man muss nur bedenken, dass sie das Datum 1975 trägt. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Damals gab es die Alleinregierung Bruno Kreisky mit ausschließlich sozialistischen Regierungsmitgliedern und Staatssekretären.

Es ist von Frau Dr. Krisper eigentlich alles angesprochen worden, was Anlass war. Der Anlass und der Ausgangspunkt der Debatte war das Verlangen des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung auf Herausgabe des Handys, und Anlass dafür war wiederum die Suche nach einem Maulwurf im BVT, der die Abgeordnete Krisper angeblich mit Informationen versorgt haben soll.

Ich bitte alle Fraktionen, für diese Ausgangskonstellation im Ausschuss eine gute Lö­sung zu erarbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

0.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildi­rim. – Bitte.


0.14.00

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir ist klar, dass die Aufmerksamkeit nach Mitternacht deutlich nachlässt. Ich werde meine Rede ganz kurz halten. Wie Sie, wie wir alle wissen, ist in unserem de­mokratischen System das Parlament nicht nur für Gesetzesinitiativen zuständig. Ein ganz zentraler Bereich unserer Arbeit ist die Kontrolle der Regierung und der Verwal­tung. Wir Abgeordnete sind dafür gewählt, hinter die Hochglanz-PR-Maschinerie der Regierung zu schauen. Da ist es durchaus nicht schädlich, wenn von Menschen, die täglich in den verschiedenen Strukturen arbeiten oder sich in diesen zurechtfinden müssen, Informationen kommen und Fehlentwicklungen oder Strukturschwächen auf­gezeigt werden.

Der gegenständliche Initiativantrag ist an den Quellenschutz im Journalismus, an das sogenannte Redaktionsgeheimnis angelehnt. Journalistinnen und Journalisten können bis auf wenige Ausnahmen nicht gezwungen werden, vertrauliche Quellen preiszuge­ben. Ich gehe davon aus (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzei­chen), dass der Großteil der Kolleginnen und Kollegen im Saal immer wieder sensible Informationen bekommt, denen sie nachgehen, aus denen mitunter parlamentarische Anfragen und/oder Gesetzesinitiativen entstehen. Auf diese Informationen sind wir in unserer Arbeit auch angewiesen. Dazu ist ein Vertrauensverhältnis notwendig, dazu braucht es einen Quellenschutz in der gleichen Art, wie er im Journalismus im Zuge des Redaktionsgeheimnisses gilt. Menschen, die uns Informationen anvertrauen, weil sie Missstände aufdecken möchten, müssen sich darauf verlassen können, dass diese Informationen und sie selbst bei uns gut aufgehoben sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie dürfen keine Angst haben müssen, dass ihre Identität offengelegt wird und sie persönliche Konsequenzen zu befürchten haben. Diese Kommunikation braucht einen geschützten Raum, der durch ein gesetzliches Aussageverweigerungsrecht abgesi­chert ist. Durch Zustimmung zu diesem Antrag wird also die Möglichkeit zur Kontrolle als Kernbereich unserer Arbeit als Abgeordnete gestärkt und verbessert. Das ist gut für die Bürgerinnen und Bürger, das ist gut für unsere parlamentarische Demokratie. (Bei­fall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 271

0.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stefan. – Bitte.


0.17.39

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die ungestörte Kommunikation zwischen Abgeordneten und Bürgern ist wesentlich für unsere politische Arbeit, und es ist wichtig, dass wir dabei nicht Gefahr laufen, dass die Exekutive uns zuschaut. Das ist jetzt ohnehin schon von mehreren Rednern ausgeführt worden. Ich freue mich sehr, dass es dazu so eine gro­ße Einigkeit gibt.

Ein wesentlicher Punkt ist aber auch, dass diese Vertraulichkeit auch dadurch umgan­gen werden kann, dass eben Unterlagen, Datenträger konfisziert werden. Wir kennen das auch aus der jüngsten Vergangenheit, dass dann Chatprotokolle und Ähnliches an die Öffentlichkeit gelangen, und das – das muss man auch dazusagen – ist ein gar nicht unwesentlicher Punkt. Zur Durchlässigkeit der Justiz, ein Skandal an sich: Deren Bekämpfung ist dann natürlich der nächste Schritt, denn es geht nicht nur darum, dass diese Datenträger von der Polizei sichergestellt werden, sondern sie gelangen ganz schnell, selbst wenn es Verschlussakten sind, an die Öffentlichkeit. Das heißt, das Problem, das angesprochen wurde, der Bürger, der dem Politiker einen Missstand mit­teilt oder ihm Information gibt, wird damit nicht nur möglicherweise den Sicherheits­kräften oder der Justiz gegenüber offengelegt, sondern unter Umständen auch in die Öffentlichkeit gezerrt. Das ist also ein großes doppeltes Problem.

Wenn wir es schaffen, gemeinsam eine Maßnahme zu entwickeln, die das Eintreten dieser Umstände unmöglich macht oder zumindest deutlich erschwert, bin ich sehr froh, denn Vertrauen ist für die Kommunikation eben wichtig. Man weiß ja, dass das Vertrauen etwa in Rechtsanwälte, Psychiater oder auch in Journalisten sehr hoch ist, weil man weiß, dass diese Informationen dann geschützt sind. Und so soll es auch bei Informationen sein, die an Politiker, an Abgeordnete herangetragen werden. Ich hoffe also sehr, dass wir das umsetzen können, sodass wir damit auch etwas, was leider sehr um sich gegriffen hat, nämlich dieses Veröffentlichen von Information, hintanhal­ten können. (Beifall bei der FPÖ.)

0.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bürst­mayr. – Bitte.


0.19.54

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn das Handy einer Oppositionsabgeordneten nur deshalb nicht beschlag­nahmt wird, wenn also hochsensible Daten über Informationen dieser Oppositionsab­geordneten nur deshalb nicht in die Hände der Strafverfolgung – und wer weiß, in wes­sen Hände noch – gelangen, weil diese Abgeordnete auch noch einen Blog betreibt, dann erscheint uns das gleichermaßen absurd wie erschreckend. Das geht nicht, das gehört geändert.

Ich sage das als Angehöriger einer Partei, die lange genug in Opposition war und frü­her oder später – so ist das in einer Demokratie – wahrscheinlich auch wieder sein wird.

Was liegt da näher als der Gedanke, das Anwalts-, Therapie- oder Redaktionsgeheim­nis auch auf Abgeordnete auszudehnen? – Auf den ersten Blick ist tatsächlich schwer einzusehen, warum die vertrauliche Information, die ich einer Angehörigen einer be­stimmten Berufsgruppe gebe, geschützt sein soll, aber nicht dann, wenn ich sie einer Oppositionspartei zustecke. – Aber stimmt diese Gleichsetzung? Ist das wirklich so?

Sind Abgeordnete tatsächlich vergleichbar mit den Angehörigen der in der Strafpro­zessordnung geschützten Berufe? Kann eine Journalistin versprechen, dafür zu sor­gen, dass eine Oligarchin Bauaufträge erhält? Kann eine Ärztin zusagen, für bestimmte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 272

Gesetze zu sorgen oder auf Postenvergaben Einfluss zu nehmen? – Abgeordnete können das, auch dafür gibt es Videobeweise – leider.

Was dieser Antrag technisch elegant vorschlägt, ist in Wahrheit eine Neudefinition der Rolle von uns Abgeordneten. Das geht schon ein Stück weiter als die Frage, wessen Handy unter welchen Umständen geschützt sein soll. Wenn wir Abgeordnete Regeln zum Schutz von Geheimnissen der Bürgerinnen und Bürger und von Geheimnissen der freien Berufe setzen, dann ist das normal. Wenn wir aber über die Regeln unseres eigenen Berufs entscheiden, dann ist das immer etwas Besonderes, und der Verdacht: Die wollen es sich wieder einmal richten!, liegt dann besonders nahe. Diesen Verdacht sollten wir mit besonders guten, mit wasserdichten Argumenten zerstreuen. Mit ande­ren Worten: Lassen Sie uns diese Regelung gründlich prüfen!

Wenn am Ende dieses gemeinsamen Prozesses die Erkenntnis steht – und mein Ge­fühl sagt mir, dass das durchaus wahrscheinlich ist –, dass die Ausweitung des be­sonderen Schutzes von vertraulichen Informationen auch auf uns Abgeordnete not­wendig ist, dann sollten wir das beschließen. Ich freue mich auf die gemeinsame frak­tionsübergreifende Arbeit dazu. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

0.22

00.22.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 109/A dem Justizausschuss zu.

00.23.0421. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern der Parlamentarischen Versamm­lung des Europarates


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen schließlich zum 21. Punkt der Ta­gesordnung.

Es liegen die Nominierungen der Klubs für Mitglieder und Ersatzmitglieder vor. – Darf ich darum ersuchen, die Plätze einzunehmen, da wir dann zur Abstimmung kommen?

Als Mitglieder sollen die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Franz Leonhard Eßl, Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, Doris Bures, Mag. Dr. Martin Graf, Michel Rei­mon, MBA und als Ersatzmitglieder die Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, MMMag. Dr. Axel Kassegger und Dr. Stephanie Krisper gewählt werden.

Da somit nur ein Wahlvorschlag vorliegt, darf ich im Sinne des § 66 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung hierüber nicht mit Stimmzetteln, sondern durch das Erheben von den Sitzen abstimmen lassen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig der Fall.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.24.05Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Brückl, Kolleginnen und Kollegen dem Unterrichtsaus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 174/A der Abgeordneten Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Schulunterrichtsgesetz eine Frist bis zum 26. Februar 2020 zu setzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll10. Sitzung, 22. und 23. Jänner 2020 / Seite 273

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

*****

00.24.49Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 207/A(E) bis 289/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 1.25 Uhr ein. (Unruhe im Saal.) – Da haben Sie noch eine Stunde Pause. Das Buffet wäre ja noch geöffnet. (Allgemeine Heiterkeit.) – Natürlich 0.25 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.25.33Schluss der Sitzung: 0.25 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien