Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIII. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 6., und Samstag, 7. Juni 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

63. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIII. Gesetzgebungsperiode

Freitag, 6., und Samstag, 7. Juni 2008

Dauer der Sitzung

Freitag, 6. Juni 2008: 9.03 – 24.00 Uhr

                                             Samstag, 7. Juni 2008: 0.00 –   0.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangs­steuergesetz erlassen wird – Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008)

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

4. Punkt: Bericht über den Tätigkeitsbericht der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie

5. Punkt: Bericht über den Antrag 589/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungs­fondsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 588/A der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz ge­ändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008)

8. Punkt: Bericht über den Antrag 600/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Vorziehen eines Teils der Pensionserhöhung 2009


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zur Abdeckung der durch den außerordentlichen Preisanstieg verursachten Mehrkos­ten

9. Punkt: Bericht über den Antrag 232/A(E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Regelungen betreffend Per­sönliche Assistenz

10. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 17, 18, 22, 24, 25, 27, 28, 30 und 31 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 15, 17 und 18

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundes­gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwalt­schaft geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008)

16. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2008/1

17. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (322 St 7/08 z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 19

Ordnungsrufe ......................................................................................  173, 263, 263, 264

Geschäftsbehandlung

Mitteilung der Präsidentin Mag. Barbara Prammer betreffend neu gestalteten Ablauf der Fragestunde         ............................................................................................................................... 19

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 3773/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 41

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         197

Redner/Rednerinnen:

Barbara Zwerschitz ................................................................................................ ... 197

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ... 200

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 201

Thomas Einwallner ................................................................................................. ... 203

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 204

Harald Vilimsky ........................................................................................................... 206

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 207


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Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung im Zusammenhang mit einem in einer Tageszeitung veröffentlichten Interview mit Abgeordnetem Dr. Peter Pilz:

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 41

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 42

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 43

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 43

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 44

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 45

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend Erteilung von Ordnungs­rufen:

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 264

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 265

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................. ... 265

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ... 266

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 266

Fragestunde (10.)

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft .................................... 20

Petra Bayr (64/M); Ing. Hermann Schultes, Ing. Peter Westenthaler, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber

Michael Praßl (60/M); Sigisbert Dolinschek, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Gabriele Binder-Maier

Dr. Ruperta Lichtenecker (69/M); Walter Schopf, Ing. Norbert Kapeller, Veit Schalle, Werner Neubauer

Mag. Gerald Hauser (67/M); Mag. Bruno Rossmann, Mag. Johann Maier, Jakob Auer, Ing. Peter Westenthaler

Sigisbert Dolinschek (63/M); Wolfgang Zanger, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirkl­huber, Rosemarie Schönpass, Nikolaus Prinz

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 19

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 40

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend schwere Informationsdefizite nach Zwischenfall im AKW Krško und Versagen des Umweltministers in der Anti-Atompolitik (4530/J)           ............................................................................................................................. 147

Begründung: Dr. Eva Glawischnig-Piesczek ............................................................ 154

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 160

Debatte:

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 167

Walter Schopf .......................................................................................................... ... 170


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Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ... 172

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 173

Veit Schalle .............................................................................................................. ... 176

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 178

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll .................................................................. ... 180

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 181

Ing. Norbert Kapeller .............................................................................................. ... 182

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 184

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 187

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 188

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 190

Erwin Hornek .......................................................................................................... ... 192

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 193

Gerhard Köfer ......................................................................................................... ... 195

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ........................................................................................ ... 195

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag – Ablehnung            186, 196

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (549
und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuerge­setz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungsmeldege­setz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) ...................................... 45

2. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B.) ............................................... 46

Redner/Rednerinnen:

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 46

Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................................................... ..... 48

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 51

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 54

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 57

Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer ...................................................................... ..... 61

Bettina Stadlbauer .................................................................................................. ..... 64

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................. ..... 66

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 68

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ..... 70

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 73

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ..... 75

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 77

Gerhard Reheis ....................................................................................................... ..... 79

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ..... 80

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ..... 84

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 85

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 87

August Wöginger .................................................................................................... ..... 88

Michaela Sburny ..................................................................................................... ..... 90


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Wolfgang Zanger .................................................................................................... ..... 91

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 93

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ..... 94

Mag. Peter Michael Ikrath ....................................................................................... ..... 97

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 98

Sylvia Rinner ........................................................................................................... ... 112

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 113

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 113

Edeltraud Lentsch .................................................................................................. ... 114

Elmar Mayer ............................................................................................................. ... 115

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 115

Herta Mikesch .......................................................................................................... ... 116

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 117

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Stopp dem Treibstoffpreis-Wahnsinn – Ableh­nung ..............................................  72, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr für Pendlerinnen und Pendler: ökologisch und sozial gerechtere Ausgestaltung der PendlerInnenförderung, Offensive bei Bahn und Bus“ – Ablehnung ...........................................................  82, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend dringende Umsetzung des angesichts der explodierenden Treibstoff­preise von der Kärntner Landesregierung beschlossenen Maßnahmenpakets – Ablehnung ...............................................  101, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend eine teilweise Steuerbefreiung der Überstundenbezahlung als Maß­nahme zur Leistungsförderung und steuerlichen Entlastung der österreichischen Arbeitnehmer – Ablehnung ..............................  104, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend die Einführung einer Pendlerbeihilfe in Form eines amtlichen Kilo­metergeldes mit Beihilfewirkung – Ablehnung               105, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend Rücknahme der MÖSt-Erhöhung – Ablehnung .............................................................................  107, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend die Bestimmung eines volkswirtschaftlich gerechtfertig­ten Höchstpreises für Treibstoffe – Ablehnung          108, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Teuerungsausgleich für die exorbitant gestiegenen Treibstoffpreise – Ablehnung  109, 121

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes – Ableh-
nung .....................................................................................................................  111, 122


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 6

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tankgutschein beziehungsweise ÖBB-Jahreskarten – Gut­schein für Pendler – Ablehnung          119, 122

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuorientierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler – Ablehnung ...........  119, 121

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 612 und 613 d.B. ......................................... 120

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (526 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (614 d.B.) ................................................... 122

Redner/Rednerinnen:

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 123

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 123

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 124

Josef Bucher ............................................................................................................... 124

Genehmigung des Staatsvertrages .............................................................................. 125

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Tätigkeitsbericht (III-63 d.B.) der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie (603 d.B.) ......................................................... 125

Redner/Rednerinnen:

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 125

Franz Morak ............................................................................................................. ... 127

Dieter Brosz ............................................................................................................ ... 128

Harald Vilimsky ....................................................................................................... ... 131

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 134

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ... 137

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 139

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 140

Bettina Hradecsni ................................................................................................... ... 141

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 142

Dr. Peter Sonnberger ............................................................................................. ... 143

Otto Pendl ................................................................................................................... 143

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 144

Peter Marizzi ............................................................................................................... 145

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ORF-Bericht gemäß § 8 ORF-G als Verhandlungsgegenstand des Parlaments – Ablehnung  130, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Refundierung der Gebührenbefreiungen an den ORF – Ableh­nung .........................................  131, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Mehrwertdiensten im ORF-Programm – Ableh­nung ..........................................  133, 146

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner, Kollegin und Kol­legen betreffend Rundfunkgebühren-Reformpaket – Ablehnung ..................................................  135, 147

Kenntnisnahme des Berichtes III-63 d.B. ..................................................................... 146


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 7

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 589/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 588/A der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz ge­ändert wird (604 d.B.) .........              208

Redner/Rednerinnen:

Dr. Robert Aspöck ..................................................................................................... 208

Dr. Elisabeth Hlavac ................................................................................................... 209

Dr. Peter Sonnberger ............................................................................................. ... 210

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 210

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 211

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 211

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (523 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz) (567 d.B.) .......................................................................................... 211

Redner/Rednerinnen:

Herbert Kickl ........................................................................................................... ... 212

Renate Csörgits ...................................................................................................... ... 213

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 214

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 216

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 217

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 219

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kollegin und Kollegen betreffend generelle AuftraggeberInnenhaftung für Sozialversicherungs­beiträge im Baubereich – Ablehnung  215, 220

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 220

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungs­vorlage (543 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversi­cherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008) (568 d.B.) .................... 220

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 600/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vorziehen eines Teils der Pensionserhöhung 2009 zur Abdeckung der durch den außerordentlichen Preisanstieg verursachten Mehrkosten (569 d.B.)              ............................................................................................................................. 220

Redner/Rednerinnen:

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 221

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 225

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 226

Karl Donabauer ....................................................................................................... ... 227

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 228

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 230

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 234

Walter Schopf .......................................................................................................... ... 234


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 8

Dipl.-Ing. Hannes Missethon ................................................................................. ... 234

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ... 235

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kol­legen betreffend nachträgliche und rückwirkende Pensionserhöhung auch für Kleinstpensionen spätestens im Rahmen der vorgezogenen Pensionsanpas­sung 2009 – Ablehnung ..............................................................  222, 237

Entschließungsantrag der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek, Kollegin und Kollegen betreffend nachträgliche Pensionsanpassung für Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz – Ablehnung    227, 237

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerarbeiterregelung – Ablehnung .................................................................  229, 237

Annahme des Gesetzentwurfes in 568 d.B. ................................................................. 236

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 569 d.B. ...................................................... 237

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 232/A(E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Regelungen betreffend Persönliche Assistenz (570 d.B.) .................................................................................. 237

Redner/Rednerinnen:

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 237

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 238

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 239

Dr. Franz-Joseph Huainigg ................................................................................... ... 240

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 240

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ... 241

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ..................................................................... 242

10. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 17, 18, 22, 24, 25, 27, 28, 30 und 31 sowie über die Bür­gerinitiativen Nr. 15, 17 und 18 (578 d.B.)                  242

Redner/Rednerinnen:

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 242

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 244

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 245

Karl Freund .............................................................................................................. ... 246

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 247

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 249

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 250

Leopold Mayerhofer ............................................................................................... ... 251

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 252

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 253

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 254

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 255

Dr. Sebastian Eder ..................................................................................................... 255

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 256

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................................................................... ... 257

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 257

Mag. Peter Eisenschenk ......................................................................................... ... 258

Anna Franz .............................................................................................................. ... 258

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 259


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 9

Jochen Pack ............................................................................................................ ... 259

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 260

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ..................................................................... 260

11. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvor­lage (415 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehand­lungsanwaltschaft geändert werden (559 d.B.)    ............................................................................................................................. 260

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ........................................................................... 261

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 266

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner ............................................................................ ... 267

Maria Rauch-Kallat ................................................................................................. ... 269

Dr. Robert Aspöck ............................................................................................  269, 278

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 271

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 272

Dr. Peter Fichtenbauer .....................................................................................  274, 280

Maria Rauch-Kallat (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 274

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................. 275

Dr. Robert Aspöck (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) ........................ 276

Staatssekretärin Christine Marek ............................................................................. 277

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 279

Edeltraud Lentsch .................................................................................................. ... 280

Mag. Gertraud Knoll ............................................................................................... ... 281

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 282

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 283

Johannes Zweytick ................................................................................................. ... 283

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 284

12. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvor­lage (541 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (560 d.B.)                             284

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS ....................................................................... ... 284

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ... 286

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 286

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 287

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 287

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................ ... 289

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 289

13. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränk­ter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG) (566 d.B.)   ............................................................................................................................. 290

Redner/Rednerinnen:

Mag. Peter Eisenschenk ......................................................................................... ... 290

Mag. Gertraud Knoll ............................................................................................... ... 291

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................................ ... 291

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 292

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 296


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 10

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................ ... 296

Josef Broukal .....................................................................................................  297, 299

Dr. Gertrude Brinek (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 298

Bundesminister Dr. Johannes Hahn ........................................................................ 298

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer der Universitäten – Ablehnung              295, 299

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 299

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (537 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (580 d.B.)                                                                                300

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (538 d.B.): Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008) (581 d.B.) ................................ 300

Redner/Rednerinnen:

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 300

Christian Hursky ........................................................................................................ 301

Mag. Helmut Kukacka ............................................................................................. ... 301

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 302

Anita Fleckl .............................................................................................................. ... 305

Wilhelm Haberzettl ................................................................................................. ... 306

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 306

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................ ... 307

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 580 und 581 d.B. ......................................... 308

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-113 d.B.) des Rechnungshofes Reihe Bund 2008/1 (558 d.B.) ...................................................................................... 309

Redner/Rednerinnen:

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ... 309

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 310

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 311

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 312

Mag. Brigid Weinzinger .......................................................................................... ... 312

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 314

Hermann Krist ......................................................................................................... ... 314

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................ ... 315

Kenntnisnahme des Berichtes III-113 d.B. ................................................................... 316

17. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft Wien (322 St 7/08 z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz (608 d.B.) ...................................................................................................................... 316

Redner/Rednerinnen:

Mag. Helmut Kukacka ............................................................................................. ... 316

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 318

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 318

Mag. Dr. Martin Graf ............................................................................................... ... 320

Mag. Gernot Darmann ............................................................................................ ... 321

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 322


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 11

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Fritz Grillitsch, Mag. Kurt Gaßner, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen be­treffend die Erhaltung des GVO-freien Anbaus in der österreichischen Landwirtschaft (779/A)(E)

Wolfgang Großruck, Christian Füller, Kolleginnen und Kollegen betreffend weltweit zunehmende Verfolgungen von Christen und Sicherung der Religionsfreiheit (780/A)(E)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche und umfassende Reaktion auf den Klimawandel (781/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Landes­verteidigungsbudgets (782/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Beschaffung von neuen Kampfanzügen für jeden österreichischen Soldaten (783/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mid Life Update“ der AB-212 (784/A)(E)

Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verwendung
der deutschen Sprache als EU-Verfahrenssprache neben Englisch und Französisch
(785/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezü­gen öffentlicher Funktionäre, BGBl. I 1997/64, geändert wird (786/A)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abrufbarkeit von Erlässen im Rechtsinformationssystem des Bundes (787/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital und privates Beteiligungskapital (788/A)(E)

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen betreffend präventive Bekämpfung des Bienensterbens in Österreich (789/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffung von ATF – Allschutz-Transportfahrzeuge (790/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Umsatz­steuer (791/A)(E)

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Männer­anteil am Lehrpersonal in Pflichtschulen (792/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifizierung der UN-Konven­tion zu Rechten von behinderten Menschen (793/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zukunft der Austrian Airlines (794/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Halbierung der Mehrwert­steuer auf Energie aus erneuerbaren heimischen Ressourcen (795/A)(E)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 12

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung der Verfahrens­frist bei Pflegegeldverfahren (796/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979 – BDG 1979) geändert wird (797/A)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979 – BDG 1979) geändert wird (798/A)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstrecht der Landeslehrer (Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz – LDG 1984) geändert wird (799/A)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstrecht der Landeslehrer (Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz – LDG 1984) geändert wird (800/A)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erfassung ansteckender Krankheiten von Haftinsassen (801/A)(E)

Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (802/A)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbezahlung einer Belohnung für während der EM 2008 eingesetzte Exekutivbeamte (803/A)(E)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlässlichkeitsüberprüfung muslimischer Seelsorger in Justizanstalten (804/A)(E)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verpflegungsverordnung für Zivildiener (805/A)(E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechte in
China vor den Olympischen Spielen 2008 – Freilassung von Gewissensgefangenen
(806/A)(E)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend geordnete Abfallwirt­schaft statt Wildwuchs von Müllverbrennungsanlagen (807/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit bei der Bun­des-Mitfinanzierung von Öffi-Infrastruktur durch ein „Bundesgesetz zur Finanzierung von ÖPNV-Infrastruktur in städtischen Großräumen“ (808/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Streifentickets als Angebote für Öffi-BenutzerInnen, die nicht an jedem Werktag unterwegs sind (809/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (810/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (811/A)(E)

Dr. Reinhold Mitterlehner, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird (812/A)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 13

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Reform im Milch- und Lebensmittelsektor (813/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (814/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (815/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) geändert wird (816/A)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Schei­dungs- und Unterhaltsrechts (817/A)(E)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Modernisierung des Eherechts (818/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (819/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (820/A)(E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regulierung im Bereich der Nanotechnologie zur Minimierung von Risiken für Menschen, Umwelt und Wirtschaft (821/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kollektivvertrag für Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten (822/A)(E)

Josef Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend Rücknahme der MÖSt-Erhöhung (823/A)(E)

Herbert Scheibner, Kollegin und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (824/A)

Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kenn­zeichnungspflicht von verarbeiteten Eiern in Fertig- bzw. Eiprodukten und in der Gas­tronomie nach Herkunft und Haltungsform“ (825/A)(E)

Erwin Spindelberger, Johann Rädler, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Transparenz bei Internet-Roaming-Gebühren (826/A)(E)

Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Neufassung der europäischen Verordnung über Kosmetika (827/A)(E)

Johann Rädler, Mag. Johann Maier, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von Lebensmitteln (828/A)(E)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend transparente Regelungen im Zusammenhang mit Mehrwertdiensten (829/A)(E)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versammlungsgesetz (830/A)(E)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 14

Sigisbert Dolinschek, Kollegin und Kollegen betreffend unbefristete Verlängerung der Langzeitversichertenregelung (Hacklerregelung) (831/A)(E)

Ursula Haubner und Kollegen betreffend Förderung und Ausbau der Tagesbetreuung (832/A)(E)

Ursula Haubner und Kollegen betreffend Erhöhung der Förderungen bei der 24-Stun­den-Betreuung durch selbständige Betreuungskräfte (833/A)(E)

Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes (834/A)(E)

Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes (835/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationalen Gesundheitsgipfel zum Thema Gesundheitsreform (836/A)(E)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (837/A)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Adaptierungen, Ersatz- und Ausbauten von Kasernen im Zuge der Reform ÖBH 2010 (838/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend schwere Informa­tionsdefizite nach Zwischenfall im AKW Krško und Versagen des Umweltministers in der Anti-Atompolitik (4530/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ÖIAG, AUA und Dr. Peter Michaelis (4531/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Leiharbeiter in den Kabinetten und Ministerien (4532/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend „Integration on Tour“ (4533/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „Integration on Tour“ (4534/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4535/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Rückkehr von D. ins Abwehramt (4536/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Rückkehr von D. ins Abwehramt (4537/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend tätliche Übergriffe durch sozialistische Vorfelderorganisationen (4538/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Wei­ße Elefanten“ in den Ministerien (4539/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 15

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4540/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4541/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4542/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4543/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Interventionen für den Sohn des Bürgermeisters von Lassnitz (4544/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend verwundete Justizwachebeamte und der Einsatz von Tasern (4545/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einsatzgruppe der Justizwache (4546/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit, Familie und Jugend betreffend Krankentransporte (4547/J)

Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Rückzahlung von Lohnsteuerguthaben (4548/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausgaben für Veranstaltungen, Werbekampag­nen, Broschüren, Inseratenschaltungen und ähnliche öffentliche Darstellungen (4549/J)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Mindestsicherung für „subsidiär Schutzberechtigte“ (4550/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Ausgaben für Veranstaltungen, Werbekampagnen, Broschüren, Inseratenschaltungen und ähnliche öffentliche Darstellungen (4551/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne-
res betreffend die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres 3635/AB zu 3615/J, XXIII. GP, und weitere aufklärungsbedürftige Vorgänge im BMI betreffend
„N.N.“ (4552/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Zustände in der Polizeiinspektion Praterstern (4553/J)

Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Lärmschutz an der A 8 im Bereich der Gemein­den Kematen/Innbach, Meggenhofen, Aistersheim, Weibern, Haag am Hausruck, Pram (4554/J)

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend seine bisherigen Ausgaben für Kampag­nen und Öffentlichkeitsarbeit (4555/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 16

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft und Forschung betreffend Frauendiskriminierung bei Personalentscheidun­gen an Universitäten (4556/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4557/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4558/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4559/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4560/J)

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Förderungswürdigkeit der Windischen (4561/J)

Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministe­rin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst betreffend Opferschutzeinrichtung „Inter­ventionsstelle“ (4562/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4563/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Weiße Elefanten“ in den Mi­nisterien (4564/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4565/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Anzeigen gegen Schlepperei (4566/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend illegales Glücksspiel in Oberösterreich (4567/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend illegales Glücksspiel in Oberösterreich (4568/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegales Glücksspiel in Oberösterreich (4569/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Weiße Elefanten“ in den Ministerien (4570/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizeiliches Vorgehen gegen Tierschutzaktivisten (4571/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Terrordrohung und Blutkonserve (4572/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Terror­drohung und Blutkonserve (4573/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4574/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 17

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für europäi-
sche und internationale Angelegenheiten betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4575/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4576/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4577/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Terrordrohung und Blutkonserve (4578/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4579/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Terrordrohung und Blutkon­serve (4580/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4581/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4582/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4583/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4584/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Terrordrohung und Blutkonserve (4585/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Post Kyoto: Einrechnung der Bewirt­schaftung von Waldflächen (4586/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Inhaftierung von Tierschutzaktivisten (4587/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionskassengesetz (4588/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Inhaftierung von Tierschutzaktivisten (4589/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Schließung des Gendarmeriepostens Sinabelkirchen (4590/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Erkundungsflüge der Eurofighter über den Stadien (4591/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Zwangsernährung (4592/J)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 18

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Polizeieinsatz gegen Hausbesetzer in Graz (4593/J)

Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Razzien gegen illegales Glücksspiel in Oberösterreich (4594/J)

Sigisbert Dolinschek, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Verbesserung der Arbeitschancen für ältere Arbeitnehmer (4595/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Erlass zur Führung von Vertrauenspersonen (4596/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Nichteinsatz von Tasern (4597/J)

Mag. Johann Maier, Dr. Kurt Grünewald, Mag. Dr. Martin Graf, Alexander Zach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend „Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst an Johann Gran­der sen. – Aberkennungsverfahren“ (4598/J)


09.03.51


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 19

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Dr. Michael Spindelegger, Dritte Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 63. Sitzung des Nationalrates.

Verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dobnigg, Hagenhofer, Muchitsch, Parni­goni, Stauber und Mag. Lunacek.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht: Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein wird durch die Staats­sekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt: Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied wird durch die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Werner Faymann durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Chris­ta Kranzl vertreten.

09.04.48Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Für die Fragestunde wurde folgender Modus vereinbart: Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den Mikrophonen der jeweiligen Klubob­männer vorgenommen, die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister vom Red­nerpult der Abgeordneten.

Für die Haupt- und Zusatzfragesteller jeder Fraktion ist jeweils eine Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Hauptfrage durch den Herrn Bundesminister soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils eine Minute betragen.

Zum näheren Procedere ein paar kurze Erläuterungen:

Zum einen, meine Damen und Herren, darf ich darauf aufmerksam machen, dass Sie jedenfalls auch die Frage in dieser einen Minute, die Ihnen zur Verfügung steht, zu for­mulieren haben. Sie werden 20 Sekunden vor Ihrem Redezeitende ein Glockensignal von mir hören; die rote Lampe wird nicht leuchten. Ich werde dann auch nach dieser einen Minute die Fragestellung zu beenden haben. Ich hoffe, dass nicht der Fall eintritt, dass bis dahin noch keine Frage gestellt wurde.

Zum anderen darf ich – da das heute ein Experiment ist, wir zum ersten Mal eine „neue“ Fragestunde abhalten – darauf hinweisen, dass die Fragen natürlich so gestellt werden sollen, dass der Herr Bundesminister auch die Möglichkeit hat, sie, was den Inhalt betrifft, in 2 Minuten beziehungsweise einer Minute zu beantworten. Auch darauf ersuche ich Rücksicht zu nehmen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 20

Der Herr Bundesminister wird ebenfalls 20 Sekunden vor Redeende ein kurzes Glo­ckenzeichen von mir hören; das tatsächliche Ende wird an einem intensiven Glocken­zeichen zu erkennen sein.

Wir gehen nun in die Fragestunde ein.

Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen. Wir kommen zur 1. An­frage der Frau Abgeordneten Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter, ich würde gerne Folgendes von Ihnen wissen:

64/M

„Wie wollen Sie gewährleisten, dass beigemischter Agrosprit wirklich nachhaltig produ­ziert worden ist?“

Wir wissen aus allen uns zur Verfügung stehenden seriösen Studien, dass bei unse­rem hohen Beimischungsziel zwischen zwei Drittel und 95 Prozent des Agrosprits im­portiert werden müssen – importiert aus Entwicklungsländern wie zum Beispiel Indone­sien, wo hektarweise Torfe abgebrannt werden, um Flächen für Palmölgewinnung zu finden, was sowohl eine klimatechnische als auch eine biodiversitätstechnische Kata­strophe ist, weil dieses Palmöl einen zehnmal so großen CO2-Rucksack hat wie fossi­les; importiert zum Beispiel aus Brasilien, wo Subsistenzbauern und -bäuerinnen von ihren Ländereien vertrieben werden, keine Arbeit, kein Einkommen mehr haben, was eine menschenrechtliche Katastrophe ist –, und wir kennen den Konflikt zwischen Nah­rungsmitteln und Agrotreibstoffen der ersten Generation.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete! Vorerst möchte ich sagen, ich freue mich, dass ich heute hier sozusagen Versuchskaninchen für eine neue Art der Fragestunde sein darf. Ich finde es auch spannend, hier vom Rednerpult aus sprechen zu dürfen, weil ich noch niemals Mitglied des Nationalrats war und das somit auch eine Premiere für mich ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zur Frage Biosprit: Es ist tatsächlich eine zentrale Herausforderung, dass wir Biosprit­beimischung und die zweite Generation der Biosprittechnologie vorantreiben, auch in Europa vorantreiben. Das aber nur dann, wenn es uns gelingt, in internationalem Rah­men in der WTO – wir haben das auch im Zusammenhang mit den Klimaschutzverein­barungen in Bali andiskutiert und vor Kurzem auch bei der großen Biodiversitätskonfe­renz in Bonn – Nachhaltigkeitskriterien auf internationaler Ebene zu verankern. Das ist vorrangige Aufgabe.

Ich war gestern in Luxemburg beim Umweltministerrat. Auch dort stand diese Frage ganz oben auf der Tagesordnung. Hier darf Europa nicht locker lassen. Wir brauchen Nachhaltigkeitsstandards, ökologisch-soziale Kriterien zur Bemessung und zur Be­wertung von Biosprit und damit für den internationalen Transfer dieser Waren, weil wir kein Interesse daran haben können, dass Biosprit durch Brandrodung von Urwäldern in Brasilien oder Indonesien produziert wird. Das kann nicht das Ziel der Europäischen Union sein, ist es auch nicht, und deswegen sind wir federführend in dieser Debatte.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bayr? – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 21

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Die europäischen Landwirtschaftsminister haben bei ihrer Sitzung in Slowenien im April, an der Sie auch teilgenommen haben, an dem Bei­mischungsziel festgehalten und gleichzeitig eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eben diese Nachhaltigkeitszertifizierung in Gang setzen sollte. Diese Arbeitsgruppe hätte bis 7. Mai berichten sollen, aber es ist nirgendwo, auch nicht in der EU, ein Bericht dazu aufzufinden.

Mich würde interessieren, welche Maßnahmen Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf EU-Ebene setzen werden, damit es sehr schnell zu solch einem globalen System kommt und wir wirklich etwas haben, womit all diese menschenrechtlichen, sozialrecht­lichen, aber auch umweltmäßig großen Probleme vermieden werden können.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Diese Arbeitsgruppe wurde tatsächlich auf der Ebene der Land­wirtschaftsminister eingerichtet, das greift aber zu wenig weit. Auch die Umweltminister haben darüber diskutiert, dass von der Europäischen Kommission ein kongruentes Bild erstellt werden soll, alle Facetten zusammengefasst: die Frage der klimatischen Aus­wirkungen, kommend aus der Umweltsicht, die Frage der Auswirkung auf die Nah­rungsmittelströme international und damit die Verankerung dieser Kriterien. Wir warten sowohl auf einen Vorschlag aus dieser Arbeitsgruppe, die in die Kommission einzu­speisen hat, als auch dann auf einen konsolidierten Vorschlag seitens der Europäi­schen Kommission. Das steht ganz oben auf der Agenda beider Ratsformationen und wird, wie ich hoffe, dann auch Thema dieses großen Klimaschutzpakets sein, das wir derzeit in der Europäischen Union intensiv miteinander diskutieren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön. – Zusatzfrage? – Herr Abgeord­neter Schultes, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Biotreibstoffproduktion in Österreich aus österreichischen Rohstoffen beginnt gera­de in Pischelsdorf, Alkohol wird produziert, und damit werden wir weniger abhängig von Importen. Wir haben auch die Möglichkeit, Eiweißfutter zu produzieren, das wir selbst herstellen, gentechnikfrei, und brauchen daher weniger Importe aus Brasilien. Dieser Treibstoff, der dort entsteht, wird Benzin ersetzen. Der Vorteil für den Autofahrer wird sein, dass SuperEthanol auch billiger sein wird.

Welche Vorteile, Herr Bundesminister, bringen diese Maßnahmen für den Klima­schutz?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Thema Wirksamkeit der Biospritbeimischung auf die Kli­mastatistik in Österreich: Diese ist ablesbar an der Bilanz des Jahres 2006, wo im zentralen Problembereich des Klimaschutzes, in der Mobilität im Verkehrsbereich, bis jetzt eine einzige Maßnahme, nämlich im Jahr 2006, wirklich gegriffen hat: Die Bei­mischung von Biosprit von zirka 4 bis 5 Prozent führte zu minus einer Million Tonnen CO2! Wenn wir 10 Prozent realisieren – und wir wollen das in der Beimischung tun –, werden das 2 Millionen Tonnen CO2 für die Klimabilanz Österreichs sein.

Zur Frage der Reststoffe aus der Biospritproduktion als Ersatz für Gensoja in der Fütte­rung. – Ist so, deshalb macht es auch Sinn, auf diese Strategie zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Klubobmann Ing. Westen­thaler, bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 22

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Schönen guten Morgen, Herr Minister. Auch für mich ist es eine Premiere: Erstmals steht das BZÖ eine Stufe höher als alle anderen Parteien. Das ist aber nicht meine Schuld, sondern eine Regieanweisung des Hauses. Macht sich aber nicht so schlecht, finde ich. (Heiterkeit.)

Meine Frage an Sie, Herr Minister: Der Spritverbrauch steht immer im Spannungsfeld zwischen Umweltbelastung und Einsparungen. Jetzt kommt wieder die Urlaubszeit für die Österreicher, die Ferien stehen vor der Tür, viele Österreicher haben Flugreisen gebucht. Sie selbst haben am 5. März 2007 den Österreichern öffentlich empfohlen, sie sollen der Umwelt zuliebe auf Fernreisen mit Flugzeugen verzichten. Jetzt hat aber leider eine parlamentarische Anfrage ergeben, dass gerade Sie, Herr Minister Pröll, im vergangenen Jahr die meisten Flugmeilen aller Regierungsmitglieder verbraucht ha­ben, nämlich 67 795. Sie haben somit 22 Tonnen CO2-Emissionen verflogen, Herr Mi­nister. – Empfehlen Sie den Österreichern noch immer, auf Flugreisen zu verzichten, obwohl Sie sich selbst nicht daran halten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Westenthaler, Sie hätten sich, obwohl Sie eine Stufe höher stehen, mit dem Thema intensiver auseinandersetzen sollen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Woher kommen meine Flugmeilen? Von der Reise nach Bali zur Klimaschutzkonfe­renz. Ein Drittel der Flugreisen des Ressorts gehen auf das Konto dieser Reise. Hätte ich zu Hause bleiben sollen von dieser wichtigen Klimaschutzkonferenz, wo wir sehr intensiv verhandelt haben? Das ist die Realität: Kampf für Klimaschutz, und deswegen der Flug nach Bali!

Sonst, meine sehr geehrten Damen und Herren, appelliere ich nach wie vor, im per­sönlichen Verhalten sorgsam mit der Realität umzugehen, dass wir alle durch unser Verhalten, etwa im Bereich Mobilität, Einkaufsverhalten, etwas zum Klimaschutz beitra­gen können. Nicht mehr und nicht weniger! Es ist ein Appell, keine Verpflichtung; ein Appell, darüber nachzudenken, und das hat offensichtlich gewirkt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Bundesminister! Bio­sprit aus Soja verursacht laut Gesamtbilanzen eine zweihundertfache Mehrbelastung an CO2. Bei Biosprit aus Palmöl erfolgt sogar eine vierhundertfache Mehrbelastung. Es ist also, abgesehen von den Lebensmitteldiskussionen, immer noch sinnvoll, ange­sichts solcher CO2-Gesamtbilanzen bei Biosprit zu bleiben? Ich denke, das ist eine große Belastung für die Umwelt, und wenn wir erkennen müssen, dass der Biosprit nicht die richtige Option ist, wäre es vielleicht besser – auch Sie als Umweltminister können dazu beitragen –, auf völlig andere Technologien umzusteigen.

Oder, und es ist notwendig, diese Frage zu stellen: Betreiben Sie eventuell Klientelpoli­tik, um nachweislich nicht rentable Werke wie Enns weiterhin zu fördern? Ich denke, das kann nicht dafür stehen, eine falsche Umweltpolitik fortzusetzen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Klement, wie schon gesagt, die Biospritbei­mischung in Österreich war bis jetzt und ist bis jetzt das einzig wirksame Mittel, im Ver-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 23

kehrsbereich tatsächlich CO2 zu reduzieren. Ich kann Ihre Daten überhaupt nicht nach­vollziehen. Wenn man sich in Europa umschaut und sich damit beschäftigt, weiß man, dass die Beimischung von Biosprit in Europa nur 1 bis 2 Prozent der Agrarfläche Euro­pas verbraucht. Dass Brasilien 50, 60 Prozent des eigenen fossilen Aufkommens durch Biosprit ersetzt und dafür Brandrodung betreibt, ist nicht die Verantwortung der Euro­päischen Union. In Brasilien wurde schon beigemischt, da haben wir noch nicht einmal gewusst, wie man das Wort „Biosprit“ buchstabiert. – Das ist die Realität, und deshalb müssen wir international dafür sorgen, dass es klare Transparenz und Vorgaben gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordne­ter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Her­ren! Herr Bundesminister! Eines ist klar: Biosprit ist ein Etikettenschwindel! Wir können maximal davon sprechen, dass es Agrotreibstoffe sind. – Das ist einmal ein Punkt.

Wann werden Sie endlich davon abgehen, die überzogenen Beimischungsziele in Ös­terreich aufrechtzuerhalten? 10 Prozent bis zum Jahr 2010, das geht über den Wert der Europäischen Union hinaus. Wir fordern Sie auf, endlich diese Ziele zurückzuneh­men.

Die Argumente, die Sie bringen, sind einfach nicht richtig. Der Chemie-Nobelpreis­träger Crutzen hat klargemacht, dass die Treibhausgas-Einsparungswirkung mehr als kompensiert wird durch höhere Lachgasemissionen. Das ist ein wesentlicher Punkt.

Ein ökonomisches Desaster haben wir bei der Biodieselanlage in Enns gesehen. Die ist bereits in Konkurs, Herr Bundesminister.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Pirklhuber, auch durch das Wiederholen werden falsche Argumente nicht richtiger! Das ist ein Grundsatz, der auch in dieser Frage gilt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in Österreich und in Europa die Stilllegung auf null zurückgedreht. Allein diese Fläche gibt uns das Potenzial, Biotreibstoff zu erzeugen.

Im Übrigen, eine politische Antwort: Die Grünen träumen vom Ausstieg aus der fossilen Energie und haben vorgeschlagen – ich glaube, 2006 anlässlich der letzten Wahlbewe­gung –, man müsse massiv in die Biospritoffensive gehen. Wir tun das! Nicht so ambi­tioniert wie Sie, das wäre zu viel, aber 10 Prozent sind realistisch und die richtige Ant­wort. Damit können wir die Nahrungsmittelbilanz und die Biotreibstoffbilanz ausbalan­cieren. Das wollen wir tun, und diesen Weg werden wir gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 2. Anfrage, 60/M, des Herrn Abgeordneten Praßl. – Bitte.

 


Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Im Zuge der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik wurde vereinbart, dass wir im Jahr 2008 eine Halbzeitbewertung durchführen sollten. Ziel dieser Halbzeitbewertung: eine Überprüfung und auch allfällige Korrekturen letzt­endlich auch von Märkten, Systemen und Instrumenten vorzunehmen. Ich glaube aber, Herr Minister, Ziel muss es auch sein, die Planungssicherheit für unsere Bauern zu gewährleisten, und es gibt keinen besseren Garanten dafür als Sie, Herr Bundesminis­ter, das zu machen. Meine Frage daher:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 24

60/M

„Was sind aus der Sicht Ihres Ressorts die wesentlichen Elemente der von der Euro­päischen Kommission am 20. Mai 2008 beschlossenen Legislativvorschläge zum Health Check?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Die Frage der Überarbeitung der europäi­schen Agrarpolitik oder, sagen wir besser, der logischen Weiterentwicklung mit diesem Gesundheits-Check hat einige Eckpunkte, die sehr gut für uns ausschauen, und man­che, wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Wir können akzeptieren, dass wir nicht gezwungen werden, nämlich im Sinne der Si­cherheit für die Bäuerinnen und Bauern in Österreich, frühzeitig das Ausgleichszah­lungsmodell zu ändern. Die Sicherheit ist bis 2013 gegeben. Dafür haben wir gekämpft, steht jetzt so in den Vorschlägen.

Es ist auch seitens der Europäischen Union geplant, Ausgleichszahlungen für Bauern zu kürzen, und zwar bis zu 13 Prozent; bei größeren Betrieben noch deutlich höher. Ich bekenne mich dazu, dass die Größendegression auch für größere Betriebe greifen muss.

Aber die Kürzung ist insgesamt zu hoch! Gerade in sensiblen Zeiten, wie wir sie mo­mentan auf den agrarischen Märkten erleben, die ausschlagen und sich sehr dyna­misch bewegen, brauchen wir Sicherheit in der Höhe der Ausgleichszahlungen. Da gibt es noch etliches zu verhandeln und zu besprechen, aber da sind wir auf dem richtigen Weg.

Und der dritte große Punkt beim Gesundheits-Check ist die Frage: Wie geht es mit dem Milchstandort Österreich und Europa weiter? Der Kampf für ein Mengenregime ist nach wie vor vorrangiges Ziel, gleichzeitig ist es aber auch das Ziel von mir in den Ver­handlungen, Geld für flankierende Maßnahmen zu bekommen und flankierende Maß­nahmen in Europa zu definieren, damit die Milchbauern in Österreich an den benach­teiligten Standorten und Strukturen erfolgreich wirtschaften können. Das ist unsere Aufgabe: Nicht Aktionismus, sondern verhandeln und dafür kämpfen in Österreich, in Europa – und das tun wir! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Praßl, bitte.

 


Abgeordneter Michael Praßl (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Zusatzfrage richtet sich auch auf diesen Bereich Quotenerhöhung, Quotenregelung. Ich möchte hier nur ein Zitat von unserem obersten Konsumentenschutzminister Buchinger bringen, der am 18. März 2008 im „Kurier“ wie folgt zitiert wird: Die Erhöhung der Quote ist wegen der hohen Inflation dringend geboten. – Zitatende.

Zum Zweiten: Auch die Arbeiterkammer fordert für die Bekämpfung der Inflation schnelle Maßnahmen, da die Landwirte ja quasi als Preistreiber dargestellt wurden. – Wir sind nicht die Preistreiber in der Lebensmittelindustrie, das wissen wir ganz genau!

Meine Zusatzfrage, Herr Bundesminister: Welche Auswirkungen wird die von der EU vorgeschlagene schrittweise Quotenerhöhung auf die österreichischen Berggebiete und die übrigen benachteiligten Gebiete mit sich bringen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Zum Ersten: Man kann ja von einem Kon-


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sumentenschutzminister nicht verlangen, dass er sich in allen komplexen Details der Agrarpolitik immer auskennt. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) Aber es ist deshalb wichtig, auch klar hier Stellung zu beziehen. Warum? – Weil natürlich die Frage war – und das war von vielen in diesem Hohen Haus, Sozialdemokraten, aber auch anderen, immer wieder auch angepeilt worden –, die Quote zu erhöhen in Euro­pa, was zu mehr Menge und geringerem Preis bei den Bäuerinnen und Bauern führt.

Wenn man sich die letzten Tage anschaut und sieht, dass auf einmal ganz neue Allianzen versucht werden, dann muss man das wieder auf den Boden der Realität zu­rückbringen. Diejenigen, die für die Aushöhlung der Milchquote und für die Aushöhlung des Milchstandortes waren, machen sich jetzt breit beim Aktionismus. Nur: Das wird zu keinem Erfolg führen, und das sieht man ja auch. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Deswegen werden wir in Brüssel dafür kämpfen, die Milchquote zu verlängern und genug Geld für flankierende Maßnahmen zu holen, um den Bauern wirklich helfen zu können und den Markt zu stabilisieren. Das ist vorrangiges Ziel! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Neu in der europäischen Agrarpolitik sind die Cross Compliance-Bestimmungen, die ja vorsehen, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten freisteht, bei geringen Verstößen, wie zum Beispiel, zu spät gedüngt zu haben und so weiter, auf Sanktionen und Kürzungen zu verzichten.

Können Sie sich vorstellen, dass in Österreich bei Verstößen gegen die Cross Com­pliance-Bestimmungen bis zu einer Grenze von 500 € auf Kürzungen und Sanktionen verzichtet wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Da muss man auch mit einem Irrtum aufräumen: Cross Com­pliance ist nicht die Erfindung von neuen Gesetzen und Vorgaben für die Landwirt­schaft, sondern ist die Verknüpfung der Ausgleichszahlungsfähigkeit mit der Einhaltung der nationalen und europäischen Gesetze. Das ist neu, aber konsequent.

Der zweite Punkt – und das wollen wir tun –: Wir wollen in der Europäischen Union Ba­gatellgrenzen verhandeln, bis zu 100 € ist jetzt das Thema. Das haben wir auch be­schlossen mit dem Gesundheits-Check; ein entsprechender Vorschlag liegt vor. Mir ist jede höhere Grenze recht. Wir haben dafür wenig Verständnis bei unseren Partnern gefunden, aber wir kämpfen dafür: um mehr Freiraum für die Bauern, wenn es um Ba­gatellgrenzen beim Verstoß gegen einzelne Maßnahmen geht, um die Ausgleichs­zahlungen nicht zu gefährden. Das ist Verhandlungslinie und wird im Herbst unter französischer Präsidentschaft auch entsprechend zu finalisieren sein. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Herr Minister, ich hake hier nach bei der Cross Compliance. Heute braucht der Landwirt ja schon juristischen Beistand, um in diesem Förderdschungel, in diesem Bürokratiedschungel überhaupt überleben zu können. Wir wissen, dass der EU-Beitritt nachweislich eine überbordende Bürokratie mit sich gebracht hat – ich zitiere aus einem Bericht Ihres Ministeriums –: Nicht nur die budgetären und finanziellen Abhängigkeiten der Bauern von der Agrarver-


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waltung haben enorm zugenommen, sondern auch das öffentliche Kontrollsystem per se hat die Abhängigkeit und Fremdbestimmung der Bauern erheblich erhöht.

Sie haben uns im Ausschuss versprochen, dass Sie diese Cross Compliance-Bestim­mungen zurückdrängen werden. Eine Grenze von 100 € ist also wirklich keine Grenze, von der man sinnvollerweise ausgehen kann. Was werden Sie tun, um den Bauern in dieser überbordenden Bürokratie zu helfen, um den österreichischen Landwirten ein vernünftiges Arbeiten zu ermöglichen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter, man muss dazu natürlich das Thema ver­dichten. Wir haben in Österreich Ausgleichszahlungen für die Bäuerinnen und Bau­ern – und die haben sich das auch verdient! – in einer Höhe wie in keinem anderen Land der Europäischen Union, weil wir einen hohen Anteil an Berg-, an Grünlandbau­ern haben, an benachteiligte Lagen. Und dafür verlangt die Europäische Union in die­sen komplexen Programmen, weil wir möglichst viel Geld auf die Höfe bringen wollen, Kontrollmechanismen, Cross Compliance-Mechanismen. Mein Ziel ist es, diese Ba­lance zu finden zwischen möglichst viel Ausgleichszahlung, wenn möglich bestplatziert zwischen Biolandwirtschaft, konventionellen Berg- und Talbauern, und einer Reduktion der Bürokratie.

Aber in der logischen Konsequenz, die Sie anführen, heißt null Bürokratie null Aus­gleichszahlung. Und das kann es nicht sein! Weniger Bürokratie bei gleichen Aus­gleichszahlungshöhen, dafür kämpfe ich, und das werden wir auch bei den Verhand­lungen im Herbst aktiv einbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister, aber die Verteilungsgerechtigkeit der Agrarförderungen ist nicht gegeben. Das wissen Sie genauso wie ich. Die EU-Kommissarin Fischer Boel hat den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, das historische Betriebsprämienmodell, das ungerecht ist, das zu massiven ungerechten Verteilungen von Betriebsprämien geführt hat, zu korrigieren. Sie wissen es, wir haben diese Möglichkeit.

Und was den Milchquotenbereich angeht: Da sind Sie ja richtigerweise, so wie das ös­terreichische Parlament, gegen die Aufstockung der Milchquote eingetreten. Und hier hat die Kommissarin jetzt klargestellt, die Länder müssen diese 2 Prozent-Quote nicht verteilen. Wir können sie im Härtefonds belassen, und das würde den Erzeugermilch­preis stabilisieren.

Daher meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Werden Sie von diesen Möglichkei­ten einer gerechteren Agrarpolitik, die im neuen Health Check gegeben sind, Gebrauch machen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Österreichs Agrarpolitik, gemacht vor allem auch von führenden ÖVP-Politikern in diesem Ressort, war immer von Gerechtigkeit und fairem Ausgleich geprägt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pirklhuber: Das schau’ ich mir aber an!)

Das sieht man auch in den Einkommensstatistiken, wenn Sie die Flächenverteilung ge­rade in den benachteiligten Gebieten genauer betrachten. Und wenn Sie sich die Ent-


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wicklung der Bio-Landwirtschaft anschauen: Diese ist durch agrarpolitische Steuerung auch ganz stark unterstützt.

In der Frage der Milch gibt es wenige Politikerinnen und Politiker in der Europäischen Union, die so massiv für die Verlängerung der Milchquote und gegen die Aufstockung der europäischen Milchquote eingetreten sind, wie ich es tat und nach wie vor tue. Und das werden wir auch fortsetzen. Klar ist aber: Wenn aufgestockt wird, weil wir eine Nie­derlage bei der Abstimmung erlitten haben, werde ich den Bauern in Österreich diese Aufstockungsmengen nicht vorenthalten zur Einkommensbildung.

Wir haben einen Milchpreis in Österreich, der „top“ liegt in der Europäischen Union, besser ist als bei unseren Nachbarn, und darauf sollten wir stolz sein und es nicht im­mer kleinreden. Wichtig ist nur, jetzt den Preis stabil zu halten und mit voller Kraft dafür zu sorgen, dass der Preis steigt – durch Verhandlungen in der Europäischen Union und mit der betroffenen Branche, und das werde ich tun! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bin­der-Maier, bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Der Blick muss in die Zukunft gerichtet werden. Wir Sozialdemokraten legen darauf Wert, dass weiterhin die Bäuerinnen und Bauern in Österreich unterstützt werden.

Meine Frage an Sie: Welche Überlegungen gibt es Ihrerseits nach Auslaufen der För­derprogramme 2013? Gibt es jetzt schon Ideen beziehungsweise Überlegungen?

Zum Zweiten: Wann wird Arbeitsbeginn sein, um diese Programme für die Bäuerinnen und Bauern zu entwickeln?

Und ein letzter Punkt, der mich persönlich sehr interessiert: Wird auch das Parlament aktiv in diese Überlegungen und in diese Arbeitsschwerpunkte einbezogen? (Abg. Ing. Westenthaler: Das sind drei Fragen!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Das Parlament wird von mir und von uns immer aktiv in die Vorbereitungsarbeiten für so große Weichenstellungen eingebunden. Wir haben immer sehr intensive Diskussionen im Landwirtschaftsaus­schuss gehabt, auch verschiedene Runden informeller Natur, nicht nur mit dem Koali­tionspartner, sondern auch darüber hinaus in der letzten Zeit.

Es freut mich sehr, dass die Sozialdemokraten für die Zukunft ein Bekenntnis zum Bauernstand abgeben. Das ist ja eine neue Qualität (Zwischenrufe bei der SPÖ), und ich hoffe, dass wir uns dann auf die Sozialdemokraten in ganz Europa verlassen kön­nen, wenn es darum geht, Zukunft für die Bäuerinnen und Bauern zu gestalten. Da sind wir gemeinsam mit demselben Ziel unterwegs, und das wird sich dann auch aus­zahlen, wenn wir diese Linie gemeinsam halten – nicht nur hier, nicht nur in den Be­kenntnissen, sondern auch bei den Verhandlungen um Finanzrahmen und agrarpoli­tische Strukturen in der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 69/M, der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Bundesminister! Das Melker Abkommen ist das einzige rechtsverbindliche Mittel, das Österreich hat, damit die mas­siven Sicherheitsmängel im AKW Temelín behoben werden.

Bei der letzten Temelín-Kommission hat Minister Svoboda erklärt, dass das Melker Ab­kommen für die Tschechische Republik nicht rechtsverbindlich sei. Es ist längst an der


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Zeit, dass die österreichische Regierung klarstellt, dass es rechtsverbindlich ist. Das ist weder von Ihnen, Herr Umweltminister, noch von Bundeskanzler Gusenbauer erfolgt.

Wir Grünen haben bis zuletzt intensiv und konstruktiv in der Temelín-Kommission mit­gearbeitet, nur: Unter diesen Umständen macht die Weiterarbeit auch der Kommission keinen Sinn. Daher meine Frage:

69/M

„Was werden Sie unternehmen, damit der Melker Prozess, der eine völkerrechtlich ver­bindliche Behebung der Mängel des AKW Temelín vorsieht, nicht – wie von Tsche­chien angekündigt – bei der am kommenden Montag tagenden interparlamentarischen Temelín-Kommission beendet wird?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Die Frage Temelín und der Umgang mit dem Melker Prozess und mit der Brüsseler Vereinbarung, um es auch im Detail zu sagen, zeigt eines klar und deutlich: Dieser Weg der Kommunikation zwi­schen der Tschechischen Republik und Österreich im Rahmen dieses Melker Pro­zesses und auch im Bereich der Vereinbarung von Brüssel ist alternativlos. Wir haben diesen Prozess implementiert, und wir wissen über kein anderes Atomkraftwerk so viel Bescheid wie über Temelín. Wir haben mit keinem anderen Partner so eine enge Be­ziehung in der Frage der Sicherheit auch für Österreichs Bevölkerung wie im Anlassfall Temelín.

Was ich überhaupt nicht verstehen kann – und das muss ich jetzt zurückgeben –, ist die Tatsache, dass der Herr Bundeskanzler eine eigene Expertenkommission, eine parlamentarische Kommission, angeregt und jetzt auch umgesetzt hat, um diese Frage Melker Prozess zu stützen und zu unterstützen, und kaum laufen hier die Gespräche an, ziehen sich die Grünen aus dieser Gruppe zurück! Gesprächsverweigerung, Frau Abgeordnete, Gesprächsverweigerung in dieser Frage wird uns nicht zum gemeinsa­men Ziel führen.

Machen Sie mit, bringen Sie sich ein, sorgen Sie dafür, gemeinsam mit allen parlamen­tarischen Parteien in dieser bilateralen Gruppe, dass es ein Erfolg wird! Wer sich ver­abschiedet, der darf sich nicht aufregen. (Rufe bei den Grünen: Antwort!)

Das ist etwas, was ich nicht verstehen kann, und da appelliere ich an Sie, an den Ver­handlungstisch zurückzukommen, die Gruppe mitzuprägen (Abg. Dr. Van der Bellen: Das ist keine Antwort!), auch Einfluss auf die Tschechische Republik zu nehmen, dass der Melker Prozess auf Punkt und Beistrich erfüllt wird. Wir und ich arbeiten dafür (Abg. Dr. Graf: Aber erfolglos!), und wir sind auf gutem Wege. Und wir lassen uns von diesem Weg auch nicht abbringen! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichten­ecker, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Ich mache darauf aufmerksam, dass das keine Antwort auf die von mir gestellte Frage war. – Erstens.

Zweitens ist die Arbeit der interparlamentarischen Temelín-Kommission in Bezug auf die Informationen wichtig gewesen. Nur ist ganz klar, dass es unter den Voraussetzun­gen, dass diese Regierung und Sie nicht klarstellen, dass es völkerrechtlich verbindlich ist, keinen Sinn macht.


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Und jetzt noch einmal die Frage: Ist für Sie das Melker Abkommen völkerrechtlich ver­bindlich? Und: Was wird am Montag geschehen? Wird es weiterhin das Melker Abkom­men in dieser Form geben, genau so, mit dieser Rechtsverbindlichkeit?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Für uns ist die Frage der völ­kerrechtlichen Verbindlichkeit klar mit ja zu beantworten. Nur wissen Sie ganz genau, dass die Tschechische Republik die Frage des Rechtsstandes nicht nur in der Frage Temelín bezüglich der Anerkennung der völkerrechtlichen Verbindlichkeit anders sieht, sondern generell vor dem Völkerrecht. Und das ist die Herausforderung, die wir haben, und da gibt es zwei unterschiedliche Zugänge.

Dass Sie nicht wissen, was am Montag in der interparlamentarischen Kommission ge­sprochen wird, ist mir klar, weil Sie nicht mehr daran teilnehmen. Das ist ja genau das Problem! Setzen Sie sich hin und kämpfen Sie für all die Themen, die Sie hier vor den Fernsehschirmen postulieren, aber dann in den Verhandlungen nicht einbringen wol­len. Und das ist ein bisschen billig, muss ich ganz ehrlich sagen, in so einer zentralen, sensiblen Frage. (Abg. Sburny: Das ist blanke Polemik, was Sie machen!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schopf, bitte.

 


Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich bleibe natürlich beim Thema Atomenergie. Es ist ja nicht nur die Mühlviertler Bevölkerung wegen des Atomkraftwerks in Temelín verunsichert, sondern natürlich auch die Bevölkerung in Kärnten auf Grund der Situation in Slowenien, im Atomkraftwerk Krško.

Herr Minister, meine konkrete Frage: Was ist eigentlich in Slowenien im Atomkraftwerk passiert? Und die zweite Frage: Wie und worüber und wann sind Sie ganz konkret in­formiert worden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zur Frage des Zwischenfalls im AKW Krško sei eines klar und deutlich festgestellt: Ich war gestern in Luxemburg, und wir haben auch unverzüglich reagiert. Die Informationspolitik seitens der slowenischen Behörden ist nicht zufrie­denstellend. Warum? – Weil nach Brüssel ein Zwischenfall für das europäische Alarm­netz wegen grenzüberschreitender Gefährdung gemeldet wurde, und gleichzeitig – das war um 18 Uhr, und ab 18 Uhr ist die Informationswelle losgegangen, 18.39 Uhr, 18.49 Uhr – das österreichische Innenministerium informiert wurde, es sei nur eine Übung. Ich habe diesen Zettel auch heute hier mitgebracht, wo uns die Übung (das betreffende Papier vorweisend), „Exercise“ steht hier, mitgeteilt wurde, und damit war für uns und für die Behörden in Österreich nichts mehr zu erledigen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Ich bin froh darüber, dass dort nichts passiert ist, was Schaden für die Umwelt und für die Menschen bedeutet hätte, dass das innerhalb des AKW geblieben ist, aber – und das habe ich dem slowenischen Minister gestern gesagt – dieses Informationswirrwarr muss ein Ende haben! Da hat die Slowenische Republik – das habe ich auch mit einem Brief unterstrichen – Erklärungsbedarf, und das werden wir auch gemeinsam er­örtern.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke. – Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeord­neter Kapeller, bit


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 30

te.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Als Mitglied der Temelín-Kommission weiß ich um die Rolle der Grünen und der Freiheitlichen Par­tei. Beide sind aus rein parteipolitischer Motivation aus diesem Prozess vorzeitig aus­gestiegen (Abg. Strache: Das ist eine Unterstellung! So ein Unsinn! Sie pflanzen die Leute nur in dem Bereich! Das ist doch ein Schwachsinn, was Sie da sagen!) und haben damit die Position Österreichs wissentlich geschwächt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: So ein Blödsinn!)

Andererseits zeigt aber der Vorfall in Slowenien ganz deutlich, dass Sicherheit nur durch Miteinander-Reden und Miteinander-Verhandeln gewährleistet wird. Gerade jetzt, wo die Atomenergie weltweit Renaissance feiert, ist klar, dass der österreichische atomfreie Weg der richtige, wichtige und zukunftsträchtigere ist. Sie, Herr Bundes­minister, sind für diesen Weg der Nachhaltigkeit und der Sicherheit Garant, und dafür möchte ich mich auch herzlichst bedanken (Beifall des Abg. Grillitsch) und meine Frage daran anschließen: Wie sehen Sie die Diskussion zur Renaissance der Atom­energie auf europäischer Ebene?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Es gibt zugegebenermaßen leider mehrere Länder, die sich vor­stellen können, in Europa wieder offensiv auf die Atomkraft zu setzen. Die Finnen bau­en einen Reaktor, andere beginnen mit der Planung. Das kann nicht unser Weg sein, und ich werde in allen Gremien, in denen ich auch Verantwortung trage in der Euro­päischen Union, in den Ratssitzungen, konsequent gemeinsam mit den Regierungs­kollegen aus Österreich gegen Atomkraft und die Renaissance der Atomkraft auftreten, weil die Vorfälle auch gerade anfangs dieser Woche zeigen: Es gibt die hundertpro­zentige Sicherheit nicht, Atomkraft ist nicht nachhaltig!

Wir tun das in den Gremien, wir verhandeln und kämpfen. Andere verabschieden sich aus den Gremien (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), und das halte ich aus Gründen auch der Darstellung und der Konsequenz Österreichs gegenüber zum Beispiel Tschechien für den falschen Ansatz, den falschen Weg. Deswegen: Kämpfen gegen die Atomkraft in den Gremien, hart verhandeln, klarmachen, worum es geht! Nur so kann es gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schalle, bitte.

 


Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! In Temelín gibt es, wie wir wissen, nach wie vor laufend Störfälle, auch wenn das in den Medien nicht mehr berichtet wird. Das BZÖ hat sich trotzdem in der Kommission und in den bilateralen Verhandlungen mit Tschechien eingebracht. Wir hören, es soll am Mon­tag eine unverbindliche Vereinbarung geben, um den Temelín-Prozess oder das Ab­kommen zu beschleunigen.

Ich frage Sie: Warum haben Sie sich bis heute nicht für das Setzen völkerrechtlicher Schritte gegen die Republik Tschechien ausgesprochen, obwohl das eindeutig im Mel­ker Abkommen steht?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Der Frage, was am Montag das Ergebnis der interparlamentari­schen Diskussion sein wird, kann ich jetzt nicht vorgreifen, weil es ja an den Parlamen­tariern und den Vertretern beider Länder dort liegt, die Schlussfolgerungen zu ziehen und zu bewerten, um politische Notwendigkeiten zu definieren.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 31

Ich sage nur – und das hat immer gegolten in diesem sehr, sehr schwierigen, an­spruchsvollen Prozess mit der Tschechischen Republik um die Sicherheit des AKW Temelín –: Meine Experten werden Tag und Nacht zur Verfügung stehen, um diese Frage der Schlussfolgerungen zu bewerten, auszuwerten, Unterstützungsarbeit zu leis­ten. Ich bin selbst nicht Teil dieser parlamentarischen Kommission, aber wir sind auf Ministerebene unterwegs, um diesen Prozess weiter zu führen. Jetzt liegt es einmal bei dieser Kommission, und ich warte gespannt auf die Ergebnisse des kommenden Mon­tags.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Neubauer, bitte.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich hof­fe, Sie haben gut schlafen können trotz der atomaren Bedrohung, der Österreich durch das Atomkraftwerk Krško und auch durch die massiven Störfälle in Temelín immer wieder ausgesetzt ist.

Ich möchte darauf zurückkommen, was der Kollege Kapeller angesprochen hat. Tat­sache ist, dass in der ersten Temelín-Kommissionssitzung Tschechien betont hat, dass für sie das Melker Abkommen völkerrechtlich nicht verbindlich ist, ja nicht einmal einen Vertrag im herkömmlichen Sinn darstellt. Und auf die Frage der Freiheitlichen, ob es überhaupt für diese Temelín-Kommission eine Zielsetzung gibt, konnte der Vorsitzende Konecny diese einfache Frage nicht beantworten und hat auch das Wort entzogen. (Abg. Strache: Nur eine Schmähpartie!)

Ich stelle Ihnen deshalb folgende Frage: Auf welcher Rechtsgrundlage soll das Melker Abkommen für beendet erklärt werden, und welche Indizien haben Sie, Herr Bundes­minister, dass die Tschechische Republik ihre Informationspflichten nach diesem Ab­kommen erfüllen wird? (Abg. Strache: Alles eine Schmähpartie!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Wir konnten sehen, dass die Brüsseler Vereinba­rung und der Melker Prozess auf Punkt und Beistrich abgearbeitet wurden. Das war die einzige Handlungsanleitung seit Jahren, anhand der wir gemeinsam mit der Tschechi­schen Republik dafür Sorge getragen haben, dass alle Informationspflichten eingehal­ten werden, sodass wir so viel wissen und auch schnell informiert werden, wie in kei­nem anderen Fall. Dieser Melker Prozess hat seine Wirkung gezeigt – vor Ort und auch zum Schutz der österreichischen Bevölkerung.

Wenn Sie als Parlamentarier und Mitglied der Kommission mich fragen, was sich die Kommission für ein Ziel gesetzt hat, dann muss ich Ihnen sagen, es ist Ihre Verantwor­tung. Im Gegensatz zu Kollegem Strache, der gesagt hat, das ist eine Schmähpartie (Abg. Strache: Das ist eine Schmähpartie!), sehe ich das nicht so, wenn Parlamenta­rier gemeinsam verhandeln, dass das eine Schmähpartie ist, sondern dass sie das zu einem vernünftigen Ende für Österreich führen sollen. Sie haben es mit in der Hand. Machen Sie keinen Schmäh daraus, sondern nehmen Sie es ernst! Das ist die Unter­stützung, die wir brauchen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Sie machen eine Schmähpartie daraus!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 67/M, des Herrn Abgeordneten Mag. Hauser. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Ich möchte Sie fragen:


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67/M

„Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um der permanenten Verteuerung von land­wirtschaftlichen Produkten Einhalt zu gebieten, zumal seit dem EU-Beitritt Österreichs eine erhebliche Verschlechterung für die Konsumenten eingetreten ist?“

Um eines gleich klarzustellen: Wir sind als Freiheitliche Partei für faire Preise für die Landwirte. Das ist absolut unbestritten, und das möchte ich gleich festhalten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber das, sehr geehrter Herr Minister, was sich die letzten eineinhalb Jahre an Verteuerung für die Konsumenten in den Lebens­mittelgeschäften, speziell für Grundnahrungsmittel, abgespielt hat, ist den Konsumen­ten nicht mehr zumutbar.

Deswegen die Frage: Was werden Sie tun, um zu gewährleisten, dass der Konsument mit seinem Einkommen auch Lebensmittel kaufen kann und damit auch auskommt? (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Hauser! Eine spannende Frage, die Sie stel­len, nur sie ist auch von der Bewertung her zu gewichten. Ein durchschnittlicher öster­reichischer Haushalt hat 1970 30 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel ausge­ben müssen, heute sind es 12 Prozent. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Die Landwirtschaft ist eine Produktionsart, die stark energiegestützt ist, und die Teuerung der fossilen Energieträger führt dazu, dass zum Beispiel Dünger seit dem Jahr 2000 weltweit um 350 Prozent teurer geworden ist. Plus 350 Prozent! Das führt international zu einer Rücknahme der Angebotsmenge, weil die Bauern weniger düngen, weniger Ertrag haben, das führt weltweit dazu, dass manche aussteigen und Stilllegungsflächen gemacht haben, und das führt zu einer Verknappung des Agrar­angebots.

Deswegen müssen wir schauen – das tun wir auch –, dass die Produktion wieder in Schuss kommt. Wir werden die Stilllegungen in Österreich auf null zurückdrehen und in Europa drei Millionen Hektar aktivieren, um wieder eine bessere Balance zu schaffen – für die Bauern, die einen besseren Preis brauchen, um produzieren zu können, und für die Konsumenten, die leistbare Lebensmittel brauchen.

Und diese Balance zu argumentieren, zu verhandeln, das ist die Aufgabe der Europäi­schen Agrarpolitik für die Zukunft, auch mit der dritten Säule einer nachhaltigen Ener­giepolitik. Und das wird uns gelingen. Nicht durch Aktionismus, sondern durch beinhar­te Verhandlungen in allen Produktionsbereichen der österreichischen Landwirtschaft. Besserer Preis für die Bauern und leistbarer Preis für die Konsumenten: Das müssen wir organisieren, und das wollen wir tun. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Hau­ser, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Minister! Von dieser Statistik, wie viel Prozent man vom Einkommen für Lebensmittel ausgibt, hat ja der Konsument über­haupt nichts. Fakt ist, bitte ... (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Schauen Sie, Ihre Reaktion beweist mir genau, dass Sie dieses Problem nicht ernst nehmen wollen. (Beifall bei der FPÖ.) Sie trauen sich die Lösung dieses Problems überhaupt nicht mehr zu, Sie lachen, während der Konsument an der Kasse nicht mehr weiß, wie er mit dem Einkommen auskommen soll, weil man, wenn man um 50 € ein­kauft, in Wahrheit nichts im Sackerl drinnen hat.


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Die Statistik beweist – bitte, Herr Minister, um das mit Ihnen wieder zu versachlichen –, dass im Zeitraum vom Dezember 2006 bis Feber 2008 gerade Grundnahrungsmittel, die man täglich braucht, sich massiv verteuert haben, zum Beispiel Teigwaren plus 71,8 Prozent, Sonnenblumenöl plus 40 Prozent et cetera. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bitte, Herr Minister, wenn man schon nicht alles regeln kann, wieso nehmen Sie Ihre Verantwortung als Mitglied der Regierung nicht wahr und greifen einen Vorschlag der Freiheitlichen Partei auf, zumindest die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zu halbieren, damit man wenigstens über diese Schiene eine Entlastung zustande bringt? (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter! Ich habe ja viel Verständnis, dass Sie ver­suchen, den Tiroler Wahlkampf in den letzten Tagen hierher ins Parlament zu impor­tieren (Abg. Strache: Wenn sich die Bundesregierung nicht nach Tirol traut!), aber blei­ben Sie trotzdem bei den Fakten und bei den Realitäten. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Antwort auf Ihre Frage ist: Das Jahr 2007 – das kann man klar sagen, alle Agrar­ökonomen bestätigen das – ist kein Normjahr: katastrophale Ernten weltweit und eine unglaubliche Nachfrageentwicklung in Indien und China nach agrarischen Produkten. (Abg. Dr. Pirklhuber: Und die Agrartreibstoffe!) Heuer lässt es sich besser an, und die Preise sind leider für die Bauern wieder auf Talfahrt. Aber die Talfahrt zu bremsen, den Bauern einen gerechten Preis zu zahlen und trotzdem im Regal wieder vernünftigere Preise zu haben, wird organisiert sein. Das Jahr 2007 ist geeignet, um populistisch zu argumentieren, aber es ist kein Normjahr für die Zukunft der Agrarpolitik. Und das muss man sagen und betonen, weil es den Realitäten entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Rossmann, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Bundesminister, die Nettoreal­löhne haben im vergangenen Jahr stagniert, in diesem Jahr sinken sie. Gestern wurde zwar ein Entlastungspaket in der Höhe von 300 Millionen € beschlossen. Das ist nicht nichts, aber der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, jedenfalls viel zu wenig. Große Teile der Bevölkerung sind ausgeschlossen und angesichts steigender Ölpreise droht vielen Menschen der Weg in die Ölpreisfalle.

Was werden Sie daher, Herr Bundesminister, tun, um Österreichs Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren (Abg. Jakob Auer: Erdöl herstellen! – Heiterkeit bei der ÖVP) und die Menschen nachhaltig aus der Ölpreisfalle, die auch eine Armutsfalle ist, herauszu­führen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Das ist eine interessante Frage von einem Abgeordneten der Grünen. Sie haben doch immer davon geträumt, dass solche Preise, wie sie jetzt Rea­lität sind, an den Zapfsäulen eintreten sollen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und BZÖ.)

Jetzt sind sie Realität, und jetzt verlangen Sie nach korrigierenden Maßnahmen. Eine spannende Parabel, die wir auch gerne einmal vertiefen können am Rande einer Dis­kussion.

Zweiter Punkt: Wir werden den Anteil erneuerbarer Energieträger in Österreich ganz konsequent ausbauen, zum Beispiel mit Ökostrom, wobei Sie gestern, glaube ich, das Ökostromgesetz wieder einmal auf die lange Bank schieben wollten (Abg. Dr. Pirkl-


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huber: Wir wollen keine schlechtere Regelung!), was nicht gut ist, weil wir eben mehr Ökostrom für Österreich brauchen, weil wir unabhängiger werden wollen von fossilen Energieträgern (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber nicht mit einer schlechteren Regelung!) und weil wir, drittens, auch etwas tun müssen, was wichtig ist: Energieeffizienz und Ener­giesparen zu dem großen Modell für die Zukunft zu machen.

Dieser Dreiklang, mehr Alternativenergien in Österreich, Biosprit, Ökostrom (Abg. Dr. Pirklhuber: Nein, beim Ökostrom, da haben Sie versagt!), Energiesparen als zen­trale Herausforderung und drittens auch neue Technologien einzusetzen – zweite Ge­neration Fotovoltaik –, dieser Mix ist die Zukunft für die Energiegestaltung in Öster­reich.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Maier, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte die Gelegenheit vorerst wahrnehmen, Frau Präsidentin, die Berichterstattung in einer österreichischen Tageszeitung namens meiner Fraktion zu­rückzuweisen. Ich weise auch die Unterstellungen und Verleumdungen des grünen Ab­geordneten Pilz gegenüber vielen Abgeordneten dieses Hauses mit allem Nachdruck zurück. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Kollege Pilz, der sich auf Kosten anderer profilieren möchte, ist nicht anwesend. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ. – Bravorufe bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, zur Frage!

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Ich möchte das nur namens der Kol­leginnen und Kollegen dieses Hauses ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, die Frage! Ihre Zeit geht zu Ende. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Herr Bundesminister! In der Frage der Preise gibt es natürlich internationale Bezugspunkte, aber auch nationale. Es gibt Studien, die weisen ...

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, die Frage bitte! Die Minute ist um. (Abg. Strache: Aber der Abgeordnete Pilz macht Urlaub! Nur für das Protokoll! Die ganze Zeit schon!) Die Frage bitte!

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Herr Bundesminister! Welche haus­gemachten Faktoren gibt es für diese Preissteigerungen, und wie erklären Sie sich, dass in Österreich die Lebensmittelpreise im europäischen Vergleich um 67 Prozent mehr gestiegen sind als in den anderen europäischen Staaten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Wir haben Landwirtschaft und Lebensmittelproduk­tion international und europäisch zu definieren. Es gibt keinen österreichischen Markt mehr, der abgeschottet wirtschaften kann. Internationale Strömungen, Nachfrageent­wicklung und Missernten berühren uns auch. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Wir haben in Österreich in den Regalen einen sehr, sehr hohen Anteil an Gütezeichenprogrammen und Bioprodukten und sind stolz darauf. Die Menschen greifen auch danach, sie sind aber wesentlich teurer als standardisierte konventionelle Ware in anderen Ländern. Diesen Vergleich muss man auch anstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und deswegen können wir nicht eins zu eins vergleichen.


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Ich denke, dass wir damit, die Flächenstilllegung auf null zu stellen, mehr Produktion bekommen werden, sodass man dann auch wieder eine bessere Balance für alle be­teiligten Marktpartner herstellen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Auer, bitte.

 


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die unglaub­liche Unterstellung des Kollegen Hauser, der hier in seiner Frage indirekt den Bauern die Schuld zuweist an der Lebensmittelpreissteigerung, die werden die Tiroler Bauern und die österreichischen Bauern zur Kenntnis nehmen und ihr auch entsprechend Rechnung tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Obwohl eindeutig nachgewiesen ist, dass der Anteil dessen, was der Bauer für ein er­zeugtes Produkt erhält, bei einer Semmel 2 Prozent, bei einem Kilowecken Brot 4 Pro­zent und bei der Milch knapp 30 Prozent ausmacht, behauptet dieser Kollege, dass die Bauern für die Preissteigerungen zuständig sind.

Meine Frage an Sie, zu jener Behauptung, die sehr oft in den Raum gestellt wird: Wie hoch ist der Anteil an Auswirkung der Biospritproduktion an den Lebensmittelkosten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Ich habe heute zu einer früheren Frage schon gesagt, das sind 1 bis 2 Prozent. 1 bis 2 Prozent an der agrarischen Ernte Europas gehen derzeit in die Biospritproduktion. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das kann man nicht nur europäisch sehen! 4 bis 5 Prozent sind es weltweit!) Das ist weg, wenn es im April einmal zwei Tage nicht regnet oder zwei Tage zu viel regnet. Das ist eine normale Ernteschwankung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und, Herr Abgeordneter, wir sind nicht verantwort­lich für das, was Brasilien im nationalen Kontext mit seinen Urwäldern aufführt. Das ist nicht unsere politische Entscheidung. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt ist die Frage der agrarischen Rohstoffpreise. Wenn beim Preis der Semmel 2 Prozent der Anteil des Bauern sind, dann sehen wir, dass Elemente wie Energiekosten, Löhne, Lohnnebenkosten – wo wir auch etwas machen müssen in den nächsten Monaten und Jahren; das wollen wir ja tun mit der Steuerentlastung – vor allem auch preistreibend sind, was die Frage der Konsumentepreise betrifft. Nicht der agrarische Rohstoff trägt die Hauptschuld, sondern viele andere Themen: Energie, Lohn, Lohnnebenkosten, und das muss man in die Bewertung auch ganz klar mit ein­beziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Klubob­mann Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Die Ös­terreicherinnen und Österreicher stöhnen unter den enormen Preissteigerungen, vor allem im Lebensmittelbereich. Innerhalb der Euro-Zone liegt Österreich mit einer Infla­tionsrate von 4,1 Prozent bei den Lebensmitteln an der Spitze, was bemerkenswert und bedenklich zugleich ist. Brot plus 11 Prozent, Eier plus 12 Prozent, Butter plus 16 Prozent, Käse plus 23 Prozent, Pflanzenöl plus 26 Prozent, Nudeln plus 40 Prozent.

Die Menschen können sich einfach ihr Leben nicht mehr leisten, und unter einer sozial­demokratischen Regierung ist es erstmals in Österreich dazu gekommen, dass Sozial­supermärkte aufsperren. Nichts gegen den Sozialsupermarkt, aber es ist ein Skandal, dass es überhaupt so weit kommen muss.

Und jetzt meine Frage, Herr Minister: In Kärnten unter Landeshauptmann Haider wurde ein Teuerungsausgleich verabschiedet und bereits ausbezahlt. Wieso wehren Sie sich


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so gegen eine Einmalzahlung, gegen einen Teuerungsausgleich für die Menschen in Österreich, damit sie die Teuerung zumindest ein bisschen abgegolten bekommen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Ich kann mich an meine Zeit als Minister 2003, 2004 erinnern, da haben Sie noch regiert, da habe ich schon einen Sozialsupermarkt besuchen können. Nur um das auch in Balance zu bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo war das? Wo war dieser Sozialsupermarkt?)

Der zweite Punkt: Ein Teuerungsausgleich mit einem Einmalzuschuss aus vordergrün­digen politischen Argumenten bringt zur Bekämpfung der Inflation gar nichts, Herr Abgeordneter. Es verpufft wirkungslos. Wir müssen strukturell mehr landwirtschaftliche Produktion bringen, ein besseres Preisniveau, Stilllegung weg, unterstützen, dass die Bauern produzieren, in der Energiefrage versuchen, mehr Alternativen auf den Weg zu bringen. Das ist wirksam, das bleibt und bekämpft die Inflation. Die einmalige Gabe einer einmaligen Ausgleichszahlung, weil Wahlen bevorstehen in Kärnten, verpufft, ist weg und trägt nichts dazu bei, dass die Inflation geringer wird. (Beifall bei der ÖVP so­wie bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 5. Anfrage, 63/M, des Herrn Abgeordneten Dolinschek. – Bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister, die Anhebung der Milchquote hat europaweit zu großen Protestmaßnahmen bei den Milchbauern geführt und hat gezeigt, dass es in diesem Bereich große Probleme gibt. Ich weiß, dass Sie sich dafür eingesetzt haben, dass die Milchquote nicht erhöht wird, aber ich frage Sie:

63/M

„Was gedenken Sie angesichts der europaweiten Protestaktionen für die gerade in ex­ponierten Lagen angesiedelten österreichischen Milchbäuerinnen und Milchbauern zu tun, um dauerhaft einen gerechten und angemessenen Preis für ihre Milch zu errei­chen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Wir haben in der Milchherausforderung in Europa für Österreich einen ganz zentralen Punkt, den wir erfüllen wollen. Wir brauchen flankierende Maß­nahmen, wenn die Milchquote 2014, 2015 ausläuft. Wir wollen das nicht, aber wir sind mit Deutschland und Finnland im Wesentlichen alleine, wir kämpfen für die Verlänge­rung.

Wenn das nicht der Fall ist: Flankierende Maßnahmen, Unterstützung für das Grün­land, Unterstützung für die Milchbauern, Unterstützung für Transportkostenlogistik, neue Modelle in der Bewirtschaftung, mit den Molkereien gemeinsam regionale Mo­delle bis 2014, 2015, zu organisieren, das ist unser zentrales Ziel; das will ich auch ver­handeln in Brüssel, dass wir diese Maßnahmen ermöglicht bekommen und dass es da­für auch ausreichend Geld für die österreichischen Milchbäuerinnen und Milchbauern gibt. Das werden harte Verhandlungen sein, sie werden aber am Ende des Tages auch vom Erfolg gekennzeichnet sein, weil die Allianz dafür zwischen den Mitgliedstaaten eine immer breitere wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 



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Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Bundesminister! Die IG Milch hat ja die Protestmaßnahmen in Österreich maßgeblich angeführt. Es war ein Lieferboykott von knapp einer Woche, der jetzt zurückgenommen worden ist.

Werden Sie in Gespräche mit der IG Milch eintreten, werden Sie einen Milchpreisgipfel einberufen, bei dem die Milchbauern mit dabei sind, der Handel mit dabei ist, die Mol­kereien mit dabei sind und Sie natürlich als Mitglied der österreichischen Bundesregie­rung, und werden Sie hier Preisverhandlungen ausdiskutieren? Die IG Milch fordert ja, den Erzeugerpreis auf 47 Cent pro Liter anzuheben. Wie hoch muss Ihrer Ansicht nach der Erzeugerpreis für Milch sein, um einen durchschnittlichen Bergbauernbetrieb erhal­ten zu können?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Zu den Aktionen der letzten Tage: Ich verstehe die Sorgen und Anliegen der Bauern gerade im Milchbereich um die Frage: Wie geht es weiter mit dem Milchpreis? Ich unterstütze aber keine Aktionen, bei denen man wertvolle Milch in den Kanal schüttet.

Ich weiß, insgesamt drückt das ja nur aus, dass es eine Sorge um die Milchpreisent­wicklung für die Zukunft gibt. Die muss man ernst nehmen, aber ich habe auch immer gesagt, dass der Milchpreis auf dem Markt gemacht wird. Es wird daher daran liegen, dass die beteiligten Marktpartner, die Bäuerinnen und Bauern, die gesetzliche Interes­senvertretung, die gewählte Interessenvertretung, die Landwirtschaftskammern Öster­reichs mit den Molkereien und mit dem Handel Gespräche führen, verhandeln, um die Situation zu verbessern. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Pirklhuber und Ab­geordneten der ÖVP.)

Das ist der richtige Weg. Das Gegeneinander bringt uns auseinander und führt den Milchpreis zurück, das Verhandeln bringt uns weiter. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zan­ger, bitte.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Bundesminister! Die Protestaktionen der letzten Tage sind vorbei. Mit ein Grund, warum nichts dabei herausgekommen ist, war die mangelnde Solidarisierung unter den Bauern selbst. Vornehmlich der Bauern­bund und somit die Landwirtschaftskammern haben nicht mitgetan, obwohl die öster­reichische Bevölkerung hinter den Aktionen der IG Milch gestanden ist und auch bereit ist, für hochqualitative Milch und landwirtschaftliche Produkte höhere Preise zu bezah­len.

Herr Bundesminister! Sie sind Landwirtschaftsminister für alle Bauern! Warum haben Sie nichts zur Solidarisierung beigetragen, und warum haben Sie die Frage des Kolle­gen Dolinschek nicht beantwortet, die auch meine wäre?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Weil ich gewusst habe, dass Sie auch die gleiche Frage stellen, habe ich mir gedacht, ich beantworte sie gleich bei Ihnen dann, um es mir zweimal zu ersparen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Was die Frage IG Milch, Interessengruppen in der Landwirtschaft betrifft, das gilt für alle Gesellschaftsbereiche: Jede Gruppe kann sich selbst organisieren, kann antreten zu Wahlen in diesem Land – Gott sei Dank, wir leben in einer Demokratie –, Aktionen beginnen, sie ausführen und zum Erfolg führen oder eben auch nicht. Und ich stehe als Landwirtschaftsminister allen Interessengruppen offen gegenüber. Aber es liegt eben


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nicht an mir, selektiv Einzelne herauszupicken und nur ihnen eine Unterstützung zu ge­ben, sondern ich habe dafür Sorge zu tragen, dass das Gesamte profitiert.

Es ist mein Ziel, dass die Milchbäuerinnen und Milchbauern, unabhängig davon, wem sie politisch zugehörig sind, wen sie unterstützen, zu einem besseren Preis kommen. Und dafür trete ich ein, mit den gesetzlichen Interessenvertretern in der Branche, mit den Molkereien. Die Verhandlungen werden zwischen den Marktpartnern zu führen sein. Man kann auch die Erfolge ablesen, nämlich an dem, was jetzt passieren wird. Und das ist kein Wettbewerb, sondern da ist eine vernünftige gemeinsame Vorgangs­weise notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordne­ter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister! Es ist zynisch, was Sie hier von sich geben. (Abg. Neugebauer: Selektive Wahrneh­mung!) Sie haben an diesem Montag einen Milchgipfel einberufen, wo Sie genau jene Vertreter, die diesen europäischen Milchstreik organisiert haben, nicht eingeladen ha­ben.

Sie als Bundesminister haben diese wesentliche Gruppe der Bäuerinnen und Bauern, der IG Milch nicht eingeladen, und das ist skandalös, Herr Bundesminister! (Beifall
bei den Grünen.)
Anders der deutsche Landwirtschaftsminister: Dieser hat sich zu 100 Prozent hinter die streikenden Bäuerinnen und Bauern gestellt. Das ist ein Faktum.

Und es ist ein Riesenerfolg einer Solidarisierung und ein erstes Zeichen, dass Europa lebt, dass europäische BürgerInnenbewegungen und BäuerInnenbewegungen leben. Eine erfolgreiche Bewegung der europäischen Milchbauern hat in Deutschland zu Preiserhöhungen geführt.

Meine Frage an Sie, Herr Bundesminister: Wann werden Sie endlich jene Bäuerinnen und Bauern, die die IG Milch vertritt (Abg. Großruck: Vertreten!), einladen zu einem Milchgipfel, wo gemeinsam über Anti-Dumpingmaßnahmen im Milchsektor diskutiert wird? Geben Sie bitte eine Antwort!

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Herr Abgeordneter Pirklhuber! Die Antwort ist klar. Ich muss jetzt berichtigen, was Sie sagen: Dass ich eingeladen hätte zu einem Milchgespräch, stimmt tatsächlich nicht. (Abg. Dr. Pirklhuber: Dann lesen Sie die Medien! Das steht in den Zeitungen!) Ich habe gesagt, es ist nicht die Aufgabe des Bundesministers, diese Frage zu koordinieren – die Interessenvertretung hat dazu eingeladen, die Landwirt­schaftskammer Österreich. Die Adresse ist nicht an mich zu richten, Herr Abgeordne­ter! Das ist glatt falsch, was Sie hier behauptet haben!

Deswegen ganz klar von meiner Seite: Ich greife in diese Gespräche nicht ein, weil der Milchpreis am Markt zu erledigen ist. Ich trage die Sorge aller Bäuerinnen und Bauern. Ich kämpfe dafür hier im Parlament, wo Sie oftmals guten Vorlagen, auch für die Milch­bauern, sehr kritisch gegenüberstehen. Und ich kämpfe dafür in Brüssel.

Die Marktfrage wird von den Landwirtschaftskammern, wird von den Molkereien, von den Handelsketten gemeinsam zu besprechen, zu verhandeln und auszuarbeiten sein. Da kann jeder mit unterschiedlichen Zielsetzungen, auch in der Bauernschaft, heran­treten, Aktionen machen, ja oder nein.

 


Ich habe auch nicht den Bauernbund oder andere zu einem Milchgipfel geladen. Ich behandle alle gleich und achte ganz klar auf Ausgewogenheit. Das ist mein Ziel. (Bei­fall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 39

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeord­nete Schönpass. – Bitte.

 


Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Herr Minister! Die IG Milch hat zur sub­stantiellen Verbesserung der Einkommenssituation und für die Gestaltung von Markt- und gesetzlichen Rahmenbedingungen sieben Verhandlungsstandpunkte erarbeitet.

Punkt eins beinhaltet die etappenweise Erhöhung des Bauernmilchpreises auf 47 Cent netto.

Herr Minister! Sind Sie bereit, sich für einen betriebswirtschaftlich errechneten Basis­preis von 47 Cent für alle Milchsorten einzusetzen und gleichzeitig eine genaue Kalku­lation der Produktionskosten zu unterstützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es kann nicht Ziel eines Re­gierungspolitikers sein, einen Marktpreis zu definieren. Das Ziel ist klar: mehr Geld für Österreichs Bauern in allen Produktionsbereichen. Ich kämpfe um jeden Cent, im Rah­men der Agrarpolitik in Brüssel und in Österreich. Aber wir können den Preis nicht mehr definieren. Ich kämpfe um Ausgleichszahlungen. Die sind gestiegen, auch im Be­reich der Milch, so wie in allen anderen Produktionsbereichen.

Ich bitte Sie, in Ihrer Fraktion auch dafür Sorge zu tragen, dass Sie nicht nur für einen Milchpreis von 47 Cent oder mehr eintreten, sondern dass dann auch die anderen auf Konsumentenseite bereit sind, die Mehrkosten dafür zu tragen. Die Rechnung geht nämlich nicht auf, dass man verlangt, dass für die Bauern der Preis steigt, während sich überall anders nichts bewegen darf. Auch diese Balance muss man im Auge ha­ben.

Ja zu einem besseren Milchpreis für die österreichischen Milchbauern, und dafür kämpfe ich auch mit den entsprechenden Maßnahmen in allen Gremien. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordne­ter Prinz. – Bitte.

 


Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Während sich einige politische Parteien bemühen, aus der schwierigen Situation Kleingeld zu schlagen, bemüht sich die gesetzliche Interessenvertretung um eine bestmögliche Ver­tretung der Bauern.

Das wertvolle Lebensmittel Milch und seine Produzenten, die Milchbauern, waren in den letzten Tagen sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die wirtschaftliche Situation der Bauern ist ernst und schwierig, nicht nur im Bereich der Milch, sondern auch in anderen Sparten. (Abg. Strache: Die IG Milch distanziert sich von der ÖVP!)

Die Verarbeitungsbetriebe können nur den am Markt erlösbaren Preis an die Produ­zenten weitergeben. Damit kommt vor allem den Handelsketten eine sehr bedeutende Rolle zu. Und wenn man sich den Milchpreis in den Regalen anschaut, dann sind wir auf einem Niveau wie vor 15 Jahren, während auf der anderen Seite die Betriebsmittel­preise, wie zum Beispiel die Preise für Dieselöl, Maschinen, Futtermittel et cetera, mas­siv gestiegen sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Was sind aus Ihrer Sicht die Folgen des Milchlie­ferboykotts der letzten Tage? Und wo sind Ihre Schwerpunkte in der zukünftigen Arbeit für einen besseren Milchpreis?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 40

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Zum Ersten: Es ist Zeit, den Blick nach vorne zu richten, und es geht in der Europäischen Union um sehr viel. Wir werden die Milchquote zu diskutieren haben, die flankierenden Maßnahmen, es geht um Geld für die Milchbauern. Das ist meine vorrangige Aufgabe.

Parallel dazu fordere ich auf, dass innerhalb der Milchbranche, vom Bauern bis hin zur Handelskette, vernünftige Gespräche, koordinierte Gespräche geführt werden, wie denn diese Balance zwischen gutem Milchpreis für die Bauern und akzeptablem Milch­preis im Regal sichergestellt werden kann. Das ist von den Marktpartnern zu erledigen.

Von der Politik und von mir ist dafür zu kämpfen, dass die nationalen und europäischen Budgets zur Verfügung stehen, um Bergbauern und benachteiligten Milchbauern, um strukturell benachteiligten Milchbauern in Österreich zukünftig unter die Arme greifen zu können.

Diesen Zweiklang werden wir organisieren, und da sind alle aufgefordert mitzumachen, unabhängig davon, ob sie in einer Interessengruppe organisiert sind oder nicht, und unabhängig davon, welcher Partei sie angehören, denke ich einmal. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke schön.

Die 60 Minuten der Fragestunde sind abgelaufen. Ich beende damit die Fragestunde und bedanke mich beim Herrn Bundesminister, auch für die Disziplin der Abgeordne­ten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.07.32Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarver­sicherungsgesetz 1972, das Apothekengesetz, das Ärztegesetz 1998, das Zahnärzte­gesetz, das Zahnärztekammergesetz, das Rezeptpflichtgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Dienstgeberabgabegesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz sowie das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Bundesgesetz, mit dem der Bundesminister für Finanzen ermächtigt wird, auf Bundesforderungen gegen­über den Gebietskrankenkassen zu verzichten sowie ein Bundesgesetz über eine pau­schalierte Abgabe von Unternehmen, die zum Vertrieb von Heilmitteln berechtigt sind (Heilmittelabgabegesetz) erlassen werden (Struktur-Änderungsgesetz für die Kranken­versicherung und die Organisation der Sozialversicherung – SV-StrÄG) (605 d.B.);

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Tabakgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsge­setz geändert werden (610 d.B.);


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 41

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 sowie das Lebensmittelsicher­heits- und Verbraucherschutzgesetz geändert werden (611 d.B.).

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Grüne Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 4530/J der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolle­ginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend schwere Informationsdefizite nach Zwischenfall im AKW Krško und Versagen des Umweltministers in der Anti-Atompolitik dringlich zu behan­deln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3773/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich wei­ters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 3773/AB der Anfrage 3944/J der Abgeordneten Zwerschitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Motorradlärm durch den Herrn Bun­desminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 7 und 8 sowie 14 und 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufas­sen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen damit in die Tagesordnung ein.

Ich habe zwei Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung vorliegen. – Herr Klubob­mann Dr. Cap als Erster, bitte.

 


10.09.20

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir haben heute in einer Tageszeitung ein Interview mit dem grünen Ab­geordneten Peter Pilz. (Abg. Steibl: Wo ist er?) Erstens einmal stellt sich die Frage, wo er ist. Der soll endlich aus dem Bett rauskommen und sich da ins Parlament hersetzen und einmal bei uns sein! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

Dieses Interview ist übertitelt mit: „Viele arbeiten nur zwei Stunden“. – Er arbeitet im Moment gar nicht! Das muss einmal festgestellt werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 42

Wir meinen, dass es demokratieschädigend ist, und zwar sowohl die Berichterstattung, die es in manchen Zeitungen über die Arbeit der Parlamentarier gibt, als auch Wort­meldungen wie die des Abgeordneten Pilz über die Arbeit der Parlamentarier.

Würden sie nämlich nur hier den ganzen Tag sitzen, also auch nach 16 Uhr beispiels­weise, und nicht auch im Wahlkreis sein, dann würde es heißen, dass sie nicht bürger­nahe sind, dass sie nicht bei der Bevölkerung sind und dass sie nicht den Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern suchen. Und es ist richtig, dass sie dort vor Ort anwe­send sind! (Beifall bei SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

Ich möchte mich aber auch dagegen verwahren, dass hier steht, wir überlassen quasi alles nur der Regierung. Es hat in den letzten Jahren nie eine parlamentarische Tätig­keit gegeben, wo das Parlament so viel noch mitgewirkt, geändert, verbessert hat an den konkreten Vorlagen, selbst Initiativen gesetzt hat und, so wie der gestrige Tag gezeigt hat, auch Vorschläge der Opposition übernommen hat und gemeinsam ab­gestimmt hat, weil wir der Meinung waren, dass gewisse Vorgangsweisen zu schnell waren. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das jetzt ein Redebeitrag, oder was?)

Daher möchte ich im Umgang unter uns, aber auch in der Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit darum werben, dass wir alle hier versuchen, für Österreich das Beste zu tun, jeder von seiner unterschiedlichen Position aus, auch mit Kontroversen und Kon­flikten. Ich bitte wirklich darum, dass wir versuchen, das Beste zu tun.

Daher fordere ich die Einberufung einer Sonderpräsidiale nächste Woche, wo wir uns zusammensetzen und sich alle fünf Fraktionen Gedanken machen, wie wir alles dafür tun können, damit Desinformation, Missverständnisse über die Arbeit der Parlamenta­rier vermieden werden, und wie wir Kampagnen, wenn es solche gibt, hier geschlossen entgegenwirken können. Auch der Abgeordnete Pilz ist dazu eingeladen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

10.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbe­handlung: Herr Klubobmann Dr. Schüssel. – Bitte.

 


10.11.58

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Ich stimme dem vollkommen zu, was Klubobmann Cap gesagt hat, aus mehreren Gründen, denn es gibt sowieso eine latente Stimmung, dass das Parlament eigentlich nicht sehr viel bewegen kann: Wozu ist das Ganze überhaupt gut? Ist das mehr als eine Quatsch­bude? – Das hat man alles schon erlebt.

Und wenn dann ein Mitglied dieses Hauses wörtlich erklärt – und das geht jetzt in Rich­tung bestimmter Fraktionen –, die Abgeordneten kommen nicht oder nur schlecht vor­bereitet in die Ausschüsse und warten eigentlich nur darauf, dass die Sitzung zu Ende ist, manche – das richtet sich jetzt an meine Fraktion – sehen den Parlamentsjob über­haupt nur als sechste Nebenbeschäftigung, dann, Freunde, ist das eine Abwertung von uns selber durch einen von uns. Und ich würde jeden in unserer Fraktion, der so etwas sagt, genauso scharf kritisieren wie den Abgeordneten Pilz. Das geht nicht! Übrigens einer, der sich selber an sehr wenige Spielregeln, die sich das Haus selber gegeben hat, hält, ob es die Vertraulichkeit ist oder andere Dinge. (Beifall bei ÖVP und SPÖ so­wie bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

Sie kennen ja den alten Satz: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, der weist mit drei Fingern auf sich selber zurück. Diese Selbsterkenntnis wäre absolut sinnvoll. Ich stim­me daher zu, wir sollten uns in der Präsidiale mit diesen Fragen befassen, denn wört­lich heißt es in einem Artikel im „profil“:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 43

„Österreichische Regierungsabgeordnete sind die Ochsen der Politik. Von früh bis spät ziehen sie ihre Karren durch den Wahlkreis. In Wien halten sie dann ihre Nasen hin, damit sich der Klubsekretär nicht bücken muss, wenn er die Leine durch den Ring zieht.“

Freunde! Das ist eine Menschen verachtende, Politik und Parlamentarismus verach­tende Sprechweise, und die will ich eigentlich in diesem Haus nicht dulden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

10.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubob­mann Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.14.00

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin! Ich würde wesentlich lieber in die Tagesordnung eingehen und über die we­sentlichen Probleme der Menschen diskutieren, etwa über den hohen Benzinpreis, und weniger an der selbsttherapeutischen Sitzung der beiden Regierungsparteien hier teil­nehmen, die offenbar auch große Probleme in den eigenen Reihen haben, hier zu einer Lösung zu kommen. Denn, Herr Klubobmann Cap, es war Ihr Vorsitzender Gu­senbauer, der diese Diskussion vom Zaun gebrochen hat, indem er behauptet hat, dass hier ab 16 Uhr keiner mehr arbeitet und in diesem Haus nur faule Abgeordnete herumsitzen. Das hat er insinuiert.

Daher: Es ist sicherlich Ihre Wortmeldung eine wichtige, aber Sie sollten sich eigentlich an Ihren Klub halten und sich in Selbsttherapie üben, denn es war, wie gesagt, Gusen­bauer, der in Wirklichkeit diese Diskussion entfacht hat.

Ich halte es für völlig irrelevant und auch für völlig überzogen, wegen eines Herrn Ab­geordneten Pilz eine Sonderpräsidiale einzuberufen. Liebe Freunde! Der Herr Pilz will genau so etwas haben. Der jubelt jetzt schon zu Hause im Bett, wenn er vor dem Fern­seher liegt und sich die Übertragung anschaut, und freut sich: Super, wegen mir gibt es jetzt eine Sonderpräsidiale!

Ich bin dagegen und sage hier auch klipp und klar: Selbstverständlich hat dieses Haus auch Mankos und hat dieses Haus auch Darstellungsfehler, die zu korrigieren sind. Das kann aber nicht der Herr Pilz oder sonst wer beeinflussen, sondern alle in diesem Hohen Haus. Und es ist auch nicht zu akzeptieren, dass wie im Jahr 2007 eine drei­monatige Sommerpause stattfindet und dass dieses Haus einfach zusieht, wie die Poli­tikergehälter erhöht werden, während die anderen Menschen in diesem Land ge­schröpft werden. Das ist etwas, was nicht Herr Pilz zu verantworten hat, sondern wir alle hier herinnen, und da sollten wir uns alle an der Nase nehmen und für eine neue politische Kultur sorgen.

Jedenfalls sollten die Regierungsfraktionen, die mit ihrer eigenen Regierung offenbar nicht mehr einverstanden sind, hier nicht selbsttherapeutisch eine Geschäftsordnungs­debatte missbrauchen. (Beifall beim BZÖ.)

10.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


10.15.48

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es mit Watzlawick, der einmal gesagt hat: Was A über B sagt, sagt mehr über A als über B. Und das kann man beim Herrn Peter Pilz durchaus auch wörtlich nehmen. Er zeigt es ja durchaus,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 44

dass er oftmals durch Abwesenheit glänzt und offenbar auch seiner Nebenbeschäfti­gung, der Diffamierung, nachkommt. Das sei ihm unbenommen.

Ich denke auch, dass wir keine Sonderpräsidiale benötigen, aber wir sollten uns mit dem Thema insgesamt auseinandersetzen. Und natürlich hat mein Vorredner recht, wenn er sagt, dass auch der vermeintliche Kabarettist Gusenbauer, indem er das im Ausland angebracht hat, dieses Thema aufgeworfen hat.

Ich glaube, wir sollten insgesamt darüber nachdenken, wie man die Arbeit und Verant­wortung eines Abgeordneten in der Öffentlichkeit sichtbarer machen kann. Denn unse­re Arbeit ist oftmals eine Arbeit, die manchmal 16, manchmal auch 20 Stunden dauert und nicht nur an Plenartagen stattfindet. Es gilt Ausschussarbeit zu erledigen, Anfra­gen, Anträge auszuarbeiten, neun Bundesländer zu besuchen, Veranstaltungen quer­feldein zu besuchen. Man muss sich vorbereiten auf Anfragen, Anträge, auf Ausschüs­se.

Das ist eine große Arbeit, die man nicht sieht und die man der Öffentlichkeit auch ein­mal näherbringen sollte, weil unsere Arbeit nur auf die Plenarsitzungen reduziert wird – und sonst liegen wir zu Hause wahrscheinlich im Bett und ich weiß nicht was. Das ist die Darstellung, die es gibt, und dieser sollten wir, glaube ich, insgesamt gegensteuern, indem wir aufklären. Vielleicht auch mit einem Video, das der Österreichische Rund­funk dann auch überträgt und nicht zensuriert, wo man darstellt: was bedeutet Demo­kratie?, was steckt hinter der Funktion eines gewählten Abgeordneten?, was sind seine Aufgaben?, und vieles mehr. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

10.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbe­handlung: Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


10.17.38

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Frau Präsidentin! (Abg. Scheibner: Entschuldigen Sie sich! – Abg. Großruck: Entschuldigen Sie sich für den Herrn Pilz!) Ich bedaure dieses Interview, das heute in „Österreich“ erschienen ist (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ), denn es ist dazu geeignet, die Vorurteile, die über Abgeordnete dieses Hauses existie­ren, weiter zu bestätigen, nämlich, um es platt auszudrücken, dass Nationalratsabge­ordnete dumm, faul und gefräßig sind.

Dieses Vorurteil beruht aber keineswegs auf einem Interview in einer Tageszeitung heute. Ich darf auch daran erinnern, dass der Bundeskanzler persönlich es war, der mit seinem Spruch, dass Abgeordnete nach 16 Uhr im Hause oder wo auch immer, jeden­falls beruflich nicht mehr vorzufinden seien, gerade diese Debatte verstärkt und erst in Gang gebracht hat. Also das jetzt auf Peter Pilz abzuwälzen, das ist schon ein biss­chen sehr billig, muss ich sagen. Und es ist kein Zufall, dass der Abgeordnete Cap und der Abgeordnete Schüssel gerade diesen Namen erwähnen, weil es natürlich gerade der Abgeordnete Pilz ist, der im Rahmen von Untersuchungsausschüssen erstklassige Arbeit leistet, die einer Oppositionspartei würdig ist. (Beifall bei den Grünen. – Anhal­tende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das passt Ihnen natürlich nicht, das sehe ich schon ein. Aber Sie können versichert sein, dass diese Arbeit vom Grünen Klub und vom Abgeordneten Pilz ohne Rücksicht auf solche Befindlichkeiten fortgesetzt wird. (Abg. Großruck: Wo ist er denn?)

Ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass diese Debatte jetzt vom Zaun gebrochen wird, nach den Ereignissen von gestern, wo von den beiden Regierungsparteien ver­sucht wurde, hier eine Debatte abzuhalten über ein Gesetz, das gar nicht mehr existiert


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 45

angesichts der Tatsache, dass ein Abänderungsantrag in laufender Sitzung mit sage und schreibe 39 Ziffern und acht eng beschriebenen Seiten eingebracht wurde. Das ist Ihre Vorstellung von Parlamentarismus! Und nur auf unseren Druck hin, auf massiven Druck hin ist es möglich gewesen, diesen Antrag an den zuständigen Ausschuss rück­zuverweisen.

Diese Art von Parlamentarismus wollen wir nicht. Lassen Sie sich das gesagt sein! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Pilz betritt den Saal. – Oh- und Ah-Rufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Strache: Er ist schon aufgestanden, schon munter!)

10.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Ich werde mit den Klubvorsitzenden im Laufe der heutigen Sitzung noch Gespräche führen, behalte mir vor, die gewünschte Präsidiale nächste Woche einzuberufen, zu dieser einzuladen, um all diese Themen, die heute von allen fünf Klubvorsitzenden angesprochen wurden, zu vertiefen. Wir haben ja bereits in der letzten Präsidiale mit dieser Arbeit begonnen.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 131 Minuten, Grüne und FPÖ je 108 Minuten sowie BZÖ 63 Minuten.

Die Sitzung wird im Zeitraum von 9.05 Uhr bis 13 Uhr vom ORF live übertragen.

Für die Zeit der Fernsehübertragung nach der Fragestunde von 10.20 Uhr bis 13 Uhr ist folgende Redezeitvereinbarung getroffen worden: Eine Fraktionsrunde mit je 10 Mi­nuten, Finanzminister mit 12 Minuten, eine Fraktionsrunde mit je 6 Minuten, Regie­rungsmitglied/Staatssekretär 8 Minuten, eine Fraktionsrunde mit je 5 Minuten, eine weitere Fraktionsrunde mit je 5 Minuten.

Die Wortmeldungen erfolgen in dieser Reihenfolge, wie ich sie nun auch verlautbare. Erste Runde: Grüne, ÖVP, FPÖ, SPÖ, BZÖ; zweite Runde: SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ, BZÖ; dritte Runde: ÖVP, SPÖ, Grüne, FPÖ, BZÖ; vierte Runde: SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ, BZÖ.

Vor der letzten Fraktionsrunde wird die Restredezeit gleichmäßig auf die Fraktionen aufgeteilt.

Tatsächliche Berichtigungen gelangen erst nach Beendigung der Fernsehübertragung zum Aufruf.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.21.561. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (549 und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Kör­perschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanz­strafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 46

2. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort. 10 Minuten Rede­zeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


10.22.39

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Nachdem sich Kollege Cap über einen Abgeordneten der Grünen echauffiert hat, haben wir jetzt Gelegenheit, die „Meisterleistungen“ der Regierungspar­teien zu diskutieren, insbesondere jene der SPÖ im Rahmen des vorliegenden Steuer­pakets, eines Pakets, das man besser als Kraut-und-Rüben-Gesetz bezeichnen sollte. In diesem Kraut-und-Rüben-Gesetz sind völlig unverbundene Materien drinnen: die Ab­schaffung der Erbschaftssteuer endgültig, neue Privilegien für die obersten Zehntau­send im Rahmen der Stiftungen, im Prinzip begrüßenswerte Änderungen zugunsten der Pendler und ein Gesetz, das – nebenbei gesagt – einen Artikel 1 enthält und Arti­kel 3 bis 8; der Artikel 2 ist ersatzlos gestrichen. Vielleicht hätten Sie die Ziffern auch ändern können? Aber das sind eben die üblichen Schlampereien der Regierungspar­teien.

Zunächst zu den Stiftungen: Verehrte Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ! Sie sind jetzt genauso wie die ÖVP zu den Lobbyisten der Personen in Österreich mutiert, die das Glück haben, eine Stiftung zu besitzen. Wie Sie wissen, können sich das nur die Reichsten der Reichen leisten; nur diese haben ein Interesse daran.

Es gibt in Österreich rund 3 000 Stiftungen, es ist also nicht übertrieben, zu sagen, dass Sie hier weitere Steuerprivilegien für die obersten Zehntausend in Österreich be­schließen. Ich gratuliere dazu, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sich das Gesetz, die bisherigen Regelungen und die jetzigen Regelungen angesehen haben, dann werden Sie feststellen, dass es den Reichen und Superrei­chen in diesem Land – und in diesem Kontext ist es nicht polemisch, diese so zu be­zeichnen – weitaus leichter fällt als unsereinem, den Normalsparern, ihr Vermögen in den Stiftungen zu akkumulieren. Bruno Rossmann von meiner Fraktion wird sicherlich dazu Näheres zu sagen haben.

Wissen Sie, das ursprüngliche Motiv von Ferdinand Lacina – in seiner Amtszeit wurden ja die ersten Stiftungsgesetze in dieser Republik erlassen – ist inzwischen von der Poli­tik von SPÖ und ÖVP vollkommen pervertiert worden; das ursprüngliche Motiv, Be­triebsvermögen zusammenzuhalten, wenn, aus welchen Gründen immer, die Erbenge­neration sozusagen nicht geeignet ist, das Unternehmen zu übernehmen oder Streitig­keiten zwischen den Erben befürchtet werden et cetera.

Dieses Motiv war durchaus anerkennenswert. Aber jetzt pervertieren diese Stiftungen zu einem reinen Steuersparmodell für die Reichen und Superreichsten dieses Landes (Beifall der Grünen), was weder industriepolitisch noch – und das ist insbesondere an die KollegInnen von der SPÖ gerichtet – verteilungspolitisch in irgendeiner Richtung vertretbar wäre. So haben Sie sich von Ihren ursprünglichen Motiven und Zielen und, um es pathetisch zu sagen, von Ihren Idealen verabschiedet, sofern sie irgendwann vor hundert Jahren existiert haben.


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In dasselbe Bild, meine Damen und Herren von der SPÖ insbesondere – denn die ÖVP hat sich ja hier voll durchgesetzt, die steht ja voll dahinter –, passt die Abschaf­fung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, insbesondere der Erbschaftssteuer! Und ich höre Sie schon, wie Sie hier zum Rednerpult herauskommen und sagen, der VfGH ist schuld, der Verfassungsgerichtshof hat ja entschieden, dass die Erbschaftssteuer verfassungswidrig wäre.

Das ist völliger Unsinn, meine Damen und Herren von der SPÖ! Der VfGH hat mit Recht eine Bestimmung im Erbschaftssteuergesetz aufgehoben, die tatsächlich gleich­heitswidrig ist (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter) – auch der Herr Staatssekretär hinter mir äußert sich schon wieder in dieser Richtung –, nämlich dass es unerträglich ist, wenn ein- und dasselbe Erbe damals in Schilling, heute in Euro gemessen völlig unterschiedlich besteuert wird, je nachdem, ob es um Barvermö­gen, Geld oder um ein zum Einheitswert bewertetes Grundstück geht.

Das war ein extremer Fall in Vorarlberg, wo eine Dame Unsummen an Erbschaftssteu­er hat bezahlen müssen, verglichen mit dem „Nichts“ praktisch, das ihre Verwandten bezahlen mussten, die ein Grundstück vom selben Erblasser geerbt haben. Das war in der Tat unerträglich.

Das musste beseitigt werden. Das ist richtig! Aber deswegen die Erbschaftssteuer in toto, im Gesamten auslaufen zu lassen, haben Sie zu verantworten! (Abg. Strache: Es sind eh schon x-fach Steuern gezahlt worden!) Sie müssen jetzt begründen, warum in Österreich Erwerb durch Leistung, nämlich durch Arbeit, im internationalen Vergleich hoch besteuert wird, während leistungslose Einkommen nicht besteuert werden sol­len. Und, sorry, in der Regel ist ein Erbe – jedem sei es vergönnt! – ein leistungsloses Einkommen! Es ist ein Nettovermögenszuwachs beim Erben, ein Glück, im Englischen würde man sagen: „windfall profit“. Es besteht kein Grund, ausgerechnet diese Art von Einkommen nicht zu besteuern, jede Art von Arbeitsleistung aber sehr hoch.

Ebenso unsinnig ist das Argument, bei der Erbschaft würde ja dasselbe Vermögen, wenn man so will, zweimal besteuert. Das ist glatter Unsinn, meine Damen und Herren! Selbst wenn wir annehmen, dass das Erbe beim Erblasser vollkommen legal erworben wurde, jeder einzelne Cent an Steuern bezahlt wurde: Um das geht es ja hier nicht! (Abg. Mag. Donnerbauer: Sicher geht es darum!) Es geht ja darum, was beim Erben passiert, und der Erbe hat nun einmal mit Sicherheit keinen Cent Steuern für dieses Vermögen bezahlt, das ihm jetzt netto zuwächst, ganz sicher nicht (Abg. Strache: Aber seine Eltern x-fach!), abgesehen davon, dass es wirtschafts- und finanzpolitisch auch keinen Sinn macht und verteilungspolitisch schon gar nicht, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Die jetzige Erbengeneration – mit Recht spricht man davon, nach dem Krieg wurden verschiedene Vermögen aufgebaut, und das ist gut so! – ist bei einer Lebenserwartung von 80 plus jetzt in der Regel im Durchschnitt zwischen 50 und 60 Jahre alt. Das sind nicht die Jungfamilien, denen es von Herzen vergönnt ist, wenn sie ein Einfamilienhaus erben. Das hätte man durch Freibeträge entsprechend lösen können, dass alle diese kleinen Erbschaften steuerfrei gestellt werden. Aber grundsätzlich das alles auszu­schließen, ist verteilungspolitisch und wirtschaftspolitisch unerträglich, meine Damen und Herren von der SPÖ! Und Sie haben das zu verantworten!

Das Schenkungsmeldegesetz, das heute auf der Tagesordnung steht, ersetzt diese Dinge natürlich in keiner Weise. Da wird mit großem bürokratischem Aufwand etwas betrieben, dem kein Cent an Steuereinnahmen gegenübersteht. Das ist ein notwendi­ges Gesetz – ich bezweifle das gar nicht! –, wenn man die Schenkungssteuer auslau­fen lässt, aber von einem Ersatz für die Erbschaftssteuer kann ja überhaupt nicht die geringste Rede sein! Das werden auch Sie nicht im Ernst behaupten.


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Ihre Politik  nebenbei gesagt – widerspricht auch allem, was uns die OECD jährlich oder zweijährlich in ihren Berichten ausrichtet, nämlich dass die Arbeitsbesteuerung in Österreich zu hoch ist und die Vermögensbesteuerung im internationalen Vergleich zu niedrig. No na! Das zeigen ja die Daten seit zehn bis 20 Jahren. Wer reagiert nicht darauf? – Die angeblich so verteilungspolitisch interessierte Sozialdemokratische Par­tei Österreichs.

Die Begünstigung für Pendler ist grundsätzlich in Ordnung – grundsätzlich! Aber, mei­ne Damen und Herren von der SPÖ, eines möchte ich Sie schon fragen: Haben Pend­ler, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, Ihrer Meinung nach kei­ne Fahrtkosten? Die kriegen nämlich von der Pendlerpauschale, die zu den Werbungs­kosten im Sinne des Einkommensteuergesetzes zählt, gar nichts, weil sie ja keine Lohnsteuer haben, mit der das Ganze im Zuge der Werbungskosten gegengerechnet werden kann! Haben gerade die Ärmsten, die bis zu 1 000 € im Monat verdienen, Ihrer Meinung nach keine Fahrtkosten? Es ist Ihnen nicht eingefallen, vielleicht diese Art Freibetrag in einen Absetzbetrag umzuwandeln, der nach Einkommen gestaffelt wer­den könnte und der auch an die Betroffenen auszahlbar gemacht werden könnte, näm­lich an die Bezieher unterer und niedrigster Einkommen. Das ist Ihnen nicht eingefal­len! (Beifall bei den Grünen.)

Sie sind einmal mehr der ÖVP auf den Leim gegangen. Es ist Ihnen offensichtlich nicht der Mühe wert, zu überprüfen: Was können wir für jene Leute tun, die so wenig ver­dienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen und deswegen von dieser Art von Pendler­pauschale gar nicht profitieren können? Noch einmal: Das sind Werbungskosten und nur interessant für jene, die Lohnsteuer zahlen. Innerhalb der Lohnsteuerzahler ist die Begünstigung für jene, die den höchsten Grenzsteuersatz haben, am höchsten. Natür­lich! Für die obersten Einkommen ist es am günstigsten. Je niedriger das Einkommen, umso geringer ist die Begünstigung. Das liegt an den steigenden Grenzsteuersätzen. Für die untersten Einkommen haben Sie, die SPÖ, in diesem Zusammenhang gar nichts getan. (Beifall bei den Grünen.)

Berufen Sie sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Kilometergeld! Das Kilo­metergeld hat mit den Pendlern aber schon überhaupt gar nichts zu tun – überlegen Sie sich das! –, sondern es ist für ganz andere Menschen gedacht. Wenn ich in diesem Zusammenhang höre, dass in Baden-Württemberg das Kilometergeld bei 30 oder 35 Cent liegt und in Österreich auf 42 Cent erhöht werden soll, dann frage ich Sie: Wo ist denn da der Unterschied? Warum wollen Sie das Autofahren auch noch subventio­nieren? Haben Sie sich ausgerechnet, dass jemand, der – sagen wir einmal – 50 000 Kilometer gefahren ist (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – mein Schlusssatz, Frau Präsidentin! –, 21 000 € brutto vom Kilometergeld lukriert? Und wenn man den Spritverbrauch und sonstige Spesen abzieht, bleiben nach meiner Rechnung immer noch 10 000 € bis 15 000 € netto für eine Fahrt von 50 000 Kilome­tern übrig. Da habe ich ja das neue Auto herinnen wie nichts! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.33.22

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Staatssekretäre! Ich darf zunächst einmal zu den Ausführungen meines geschätzten Vorredners Professor Van der Bellen, eines Ökonomen, Stellung nehmen, der mit den Stiftungen begonnen hat. Da bin ich wirklich grundsätzlich anderer Meinung als Sie, denn die Stiftungspolitik der letzten Jahre – übrigens begonnen von Ferdinand Lacina


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und Johannes Ditz – war natürlich ein exzellenter Standortvorteil für Österreich. Wir haben das ja nicht aus karitativen Überlegungen gemacht oder, wie Sie gemeint ha­ben, um jetzt den Superreichen Privilegien zuzuschanzen, sondern um ganz bewusst den Standort Österreich zu pflegen, Arbeitsplätze zu ermöglichen, Betriebsansiedlun­gen hierher zu bringen – 7 000 alleine aus Deutschland, 1 000 aus Italien, 1 500 aus der Schweiz. Das ist nicht irgendetwas! 400 000 Arbeitsplätze sind durch diese Stiftun­gen in Österreich geschaffen worden, lieber Herr Professor! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

Warum es jetzt nicht mehr aktuell sein soll, Familienvermögen gerade im Erbfall zu­sammenzuhalten, wo ja unter Umständen, wenn mehrere Kinder da sind, ein Industrie­betrieb sehr leicht auseinanderbrechen kann, weiß ich nicht. Vergessen Sie nicht: Die Hälfte aller Stiftungen sind Firmenstiftungen, die also genau dieses Ziel haben und dieses Ziel ja auch wirklich erreicht haben. Vergessen Sie nicht, dass ein Drittel des Vermögens der österreichischen Stiftungen – 60 Milliarden € ungefähr insgesamt – aus dem Ausland kommt. Das heißt, wir haben wirklich davon profitiert!

Man sieht das etwa, wenn man mit offenen Augen durch Wien geht. Dutzende Althäu­ser in Wien wurden wunderbar durch Stiftungen restauriert. Eine einzige Stiftung – ich nenne jetzt bewusst keine Namen – hat pro Jahr ungefähr 1 000 bis 2 000 Arbeits­plätze allein im Bau- und Bauhilfsgewerbe geschaffen, damit diese Renovierung der Altstadtsubstanz wirklich Platz greift. Oder: Ein Papierindustrieller hat eine eigene Stif­tung gemacht, damit Studenten in Österreich studieren können. Ausländische Studen­ten kommen nach Österreich, um hier studieren zu können.

Oder: Für den Kulturbereich nenne ich einen Namen, weil das in den Zeitungen ge­standen ist. Pühringer hat dem Theater in der Josefstadt Millionen Euro zur Sanierung geschenkt. Danke dafür! Und nicht: eine Kritik, bitte sehr! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Wiener Sängerknaben wurden durch ihn mit Millionen Euro unterstützt. Die Sanie­rung des Stephansdoms ist unter anderem durch Stiftungen ermöglicht worden. (Abg. Mag. Kogler: Wir reden ja von Steuerprivilegien!) Pater Sporschill mit seinen unheim­lich guten und positiven sozialen Impulsen in Rumänien, in Moldawien wurde durch Stiftungen, durch gemeinnützige Zuwendungen unterstützt. Hannes Androsch hat der Akademie der Wissenschaften Millionen Euro zugewendet.

Das muss man doch anerkennen! Da sage ich doch Danke, lieber Herr Professor, für diese Stifter und ihre volkswirtschaftliche Tätigkeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Das Allgemeine Krankenhaus hat etwa für einen Roboter, der Herzoperationen durch­führt, 1,5 Millionen € Zuwendungen bekommen. Der Tiergarten Schönbrunn wird unter­stützt. In Klosterneuburg wurde das größte Museum in Österreich für österreichische zeitgenössische Kunst durch diese Stiftungskonstruktion ermöglicht – die nicht der Be­günstigte herausnimmt, Herr Professor! Jeder, der begünstigt wird und etwas heraus­nimmt, zahlt die vollen 25 Prozent Steuern. Das ist geltendes Recht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Genau!)

Wenn aber beispielsweise für gemeinnützige Tätigkeit, für Forschung, für Soziales, für Kultursponsoring etwas an die Allgemeinheit zurückgegeben wird, dann werden wir doch sinnvollerweise auch im Rahmen der Steuerreform das steuerfrei stellen, weil ja die Allgemeinheit letztlich davon profitiert. (Abg. Scheibner: Aber die Privaten ...!)

Und noch ein Punkt: Wir kämpfen im Moment gerade darum – und ich bitte Sie wirk­lich, das nicht zu behindern! –, dass wir einen der ganz großen deutschen Weltkon­zerne mit 60 000 Mitarbeitern mit der Konzernzentrale nach Österreich bekommen.


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Das Wichtigste ist natürlich hier Vertrauen! Die Stifter machen das ja nicht für morgen oder für übermorgen. Eine Stiftungskonstruktion ist ja für die Ewigkeit gedacht. Die Stifter können ja dann auch nicht mehr heraus aus dieser Konstruktion. (Abg. Öllinger: Die Armen!) Daher: Untergraben Sie dieses Vertrauen nicht! Der Standort Österreich hat hervorragend davon profitiert, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun, zur Konjunktursituation: Die Konjunktur ist absolut schwierig geworden. Die Welt­wirtschaftsprognosen haben sich gegenüber dem Jahr 2007 auf 2009 praktisch hal­biert. Die Finanzkrise hat tiefe Wunden geschlagen. Wir wissen immer noch nicht, sind es 500 Milliarden Dollar Schaden oder gar 1 000 Milliarden Dollar, die zu verkraften sind. Nahrungsmittelpreise sind explodiert. Bei den Energiepreisen gab es einen Re­kord mit 135 Dollar pro Barrel, jetzt liegen wir bei 122 Dollar. Die Euro-Dollar-Relation war schon auf 1,60, jetzt sind wir bei 1,55, und die Inflation ist sprunghaft angestiegen.

Trotzdem – und das ist ja ein kleines österreichisches Wunder – hat sich Österreich in diesem schwierigen Umfeld hervorragend gehalten. Voriges Jahr gab es 3,4 Prozent Wachstum, und das erste Quartal liegt 3,5 Prozent über dem Vorjahr! Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt einen Beschäftigungsrekord mit 3,4 Millionen Arbeitsplät-
zen. 96 Prozent aller erwerbstätigen Österreicher haben einen sicheren Arbeitsplatz. Das ist ein wirkliches österreichisches Wirtschaftswunder. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Marizzi.)

Der Dank gebührt natürlich der Wirtschaft und den Arbeitnehmern, aber ich sage auch dazu: Es ist schon ein Resultat einer exzellenten Wirtschafts- und Standortpolitik. Das ist Molterer, das ist Karl-Heinz Grasser, das ist Bartenstein. Das ist schon eine Wirtschaftspolitik aus einem Guss in den letzten Jahren, die hier spürbar geworden ist, und auch ein Ergebnis unseres EU-Beitritts – das sei auch einmal hier erwähnt! – und der Erweiterung der Europäischen Union, von der niemand so sehr profitiert hat wie wir Österreicher.

Seit unserem Beitritt wachsen wir schneller als Deutschland, seit der Gründung der Eurozone schneller als die ganze Eurozone, und seit unserem Beitritt sind wir doppelt so schnell gewachsen wie die Schweiz – und zwar im Export, aber auch im gesamten Wirtschaftswachstum.

Der Euro hilft uns übrigens in dieser schwierigen Konjunkturlage durchaus. Seit Einfüh­rung des Euro vor zehn Jahren – EZB, die Paritäten – sind in der Eurozone 16 Millio­nen Arbeitsplätze neu entstanden. Das ist dreimal so viel wie in der Periode zuvor; das sind eine Million mehr Arbeitsplätze, als die ganzen Amerikaner zustande gebracht ha­ben.

In der jetzigen Krise – Ölpreis, der ja in Dollar abgerechnet wird – hilft uns natürlich der Euro, auch in der wirtschaftlichen Situation. Ich bin überzeugt davon, dass einige euro­päische Währungen mit Sicherheit schon abgewertet und wir den Preis dafür doppelt zu zahlen hätten.

Im Zusammenhang mit dem Ölpreis ist die Sache so, dass täglich etwa 81 Millionen Barrel gefördert werden, die Nachfrage aber bei 85 Millionen Barrel liegt, und die För­dermenge wird natürlich schrittweise zurückgehen, sie wird im Jahr 2020 etwa 60 Mil­lionen Barrel betragen. Daher muss man – und das ist ja auch der Sinn des Ökostrom­gesetzes und vieler anderer Bemühungen auch auf europäischer Ebene – in Alter­nativen hineingehen. Es ist auch sehr wichtig, dass wir hier auf europäischer Ebene agieren.

Dennoch, etwa ein Drittel dieser Erdölpreissteigerungen geht auf sogenanntes Finan­cial Oil zurück, ist Spekulation. Daher ist der Vorschlag von Vizekanzler Molterer nach­haltig zu unterstützen, auf europäischer Ebene zu versuchen, mit einer Transaktions-


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steuer, mit einer Spekulationssteuer hier erstmals ein Steuerungsinstrument in die Hand zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie brauchen sich ja nur anzuschauen, wie das zum Beispiel bei den Warenbörsen oder bei anderen Börsen funktioniert. Dort werden ja Derivate für das Jahr 2016 ge­handelt, da geht es darum, was in acht Jahren sein wird. Sie können dort in einer Vier­telstunde eine viertel, eine halbe Million Dollar verdienen, wenn Sie da beispielsweise mit entsprechenden Erwartungen und Optionen operieren. Und das ist praktisch nicht steuerbar, da kann nur die Europäische Union in einer vernünftigen Art und Weise agieren.

Die Maßnahmen gegen die Teuerung – die Regierung hat ja nicht geschlafen, es sind bereits einige wichtige Schritte gesetzt worden –: Umstellen der Richtwerterhöhung bei den Mieten vom Dezemberwert auf den Jahresdurchschnitt. Das bringt bei einer 600-€-Miete eine Entlastung von etwa 100 € im heurigen Jahr; 350 000 Haushalte profitieren davon.

Die Idee von Wilhelm Molterer, eine Gebührenbefreiung bei allen Geburten ab Jänner durchzuführen, bringt eine Entlastung für 70 000 Familien.

Bei den Arbeitslosenbeiträgen für Niedrigsteinkommen – also genau das, was Sie er­wähnt haben – erfolgt eine Entlastung um 300 Millionen €. Eine Million Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen werden davon profitieren.

Das Vorziehen der Pensionsanpassung auf November bringt zwei Millionen Pensionis­ten etwas und kostet auch ungefähr 150 Millionen €.

Das Kilometergeld wird um 15 Prozent erhöht, und die Pendlerpauschale wurde, noch einmal, seit dem Jahr 2000 um 60 Prozent angehoben.

Und nicht unwichtig, glaube ich, für den Mittelstand: Die Schenkungs- und Erbschafts­steuer entfällt. Da bin ich wirklich ganz anderer Meinung als Sie, Herr Professor Van der Bellen. Alles, was Vermögen ist, was verschenkt oder vererbt wird, ist ja bereits mehrfach besteuert: über Arbeitseinkommen als Lohnsteuer, Einkommensteuer, Mehr­wertsteuer, Grundsteuer – mehrfachst versteuert! Wir können doch nicht eine Steuer­kaskade einführen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Ich meine, der Mittelstand – das ist der Mittelstand, das sind nicht die Superrei-
chen – wird diese Maßnahme, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuer endlich entfällt, sehr begrüßen. Wir sind 100-prozentig dafür! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

10.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Strache zum Wort. Ebenfalls 10 Minuten. – Bitte.

 


10.43.52

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich möchte eingangs festhalten, dass wir auch das eine oder andere Positive am jetzigen Tagesordnungspunkt und an der vorliegenden Gesetzes­änderung entdecken, wir begrüßen den Wegfall der Erbschafts- und der Schenkungs­steuer. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir begrüßen das ausdrücklich, denn man muss festhalten: Erbschaftssteuer ist nichts anderes als staatliche Enteignung. – Das war es bis dato. Wir sind froh, dass diese staatliche Enteignung abgeschafft wird.


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Ich habe bei den Ausführungen von Professor Van der Bellen ein bisschen Bauch­schmerzen bekommen. Man hatte den Eindruck, dass jeder, der sich durch mühevolle Arbeit Eigentum erwirtschaftet hat, da fast schon als Verbrecher betrachtet wird. (Abg. Dr. Stummvoll: Eigentum ist Diebstahl!) Das, was Sie heute zum Besten gegeben haben, klingt schon sehr stark nach Marx und ist wahrscheinlich mehr Murks als Marx, aber trotzdem hat man da ein bisschen den Marx herausgehört, das muss man fest­halten.

Herr Van der Bellen, Sie können sich heute freuen, denn die grüne Partei hat ihr Ziel erreicht: Die Erhöhung der Benzinpreise hat endlich stattgefunden. Heute kostet der Liter umgerechnet über 20 S; 1,50 € der Liter Diesel. Sie können sich eigentlich freuen, denn diese Regierung aus ÖVP und SPÖ hat dafür Sorge getragen, dass Ihre Wahl­kampf-Forderungen der vergangenen Jahre erfüllt wurden.

Wenn Sie heute hier heraußen sagen, dass wir keine Entlastung für die Autofahrer brauchen, weil wir ja nicht fördern wollen, dass die Autofahrer mobil sind, sich leichter tun, an den Arbeitsplatz zu kommen – dass sie sich etwas ersparen, wollen Sie ja gar nicht unterstützen –, tun Sie sich ja leicht, denn Sie, Herr Van der Bellen, haben von einer Firma ein Auto gesponsert bekommen! (Abg. Dr. Van der Bellen: Nicht ich!) Sie fahren heute privat mit diesem Auto, das eine Firma gesponsert hat! Ebenso Ihre Kolle­gin, Frau Präsidentin Glawischnig. Zwei Autos sind da gesponsert worden. Sie tun sich heute leicht. Wenn man mit einem gesponserten Auto herumfahren kann, kann man leicht vom hohen Ross aus urteilen. Sie wissen gar nicht, welche Probleme die Bürger in diesem Zusammenhang vorfinden.

Das Maßnahmenpaket der Regierung insgesamt, aber insbesondere für Pendler, ist angesichts der explodierenden Treibstoffpreise – das haben wir gestern diskutiert – wirklich enttäuschend. Diese Regierung nimmt die Probleme der Menschen hier ge­nauso wenig ernst wie Herr Van der Bellen. Das, was Sie heute in diesem Bereich be­schließen, ist wirklich eine Frotzelei und eine Pflanzerei.

Das sage ja nicht nur ich, sondern das sagen auch andere, wie zum Beispiel der Salz­burger Arbeiterkammerpräsident, Siegfried Pichler, der das in den „Salzburger Nach­richten“ vom 30. Mai gesagt hat.

Arbeiterkammerpräsident Tumpel hat diesen Schritt, den Sie als großartig dargestellt haben, als Augenauswischerei bezeichnet. Und das stimmt ja auch, genau das ist es!

Herr Finanzminister! Sie haben heute durch die Erhöhung der Benzinpreise 760 Mil­lionen € an zusätzlichen Steuermehreinnahmen. Das haben Sie den Bürgern mit der Benzinpreiserhöhung, durch das Abkassieren durch Mineralölsteuer und Mehrwert­steuer abgezockt!

Und Sie verteilen diese zusätzlichen Einnahmen, die Sie gar nicht budgetiert haben, folgendermaßen: 60 Millionen geben Sie den Autofahrern zurück – wo Sie ihnen 760 nehmen –, 300 Millionen geben Sie den schlechter verdienenden Bürgern zurück, aber 400 Millionen geben Sie den Superreichen in den Stiftungen zurück. Das ist Ihre Ver­teilungspolitik: 99 Prozent der Bevölkerung zu belasten und 1 Prozent dann mit 50 Pro­zent steuerlich besserzustellen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

1 Prozent der Bevölkerung, die Superreichen in den Stiftungen bekommen jetzt mit Ihrer heutigen Beschlussfassung dank der SPÖ, die mit „sozial“ gar nichts mehr zu tun hat ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ihr (in Richtung SPÖ) seid ja heute das Gegenteil von sozial! Asozial, sage ich, ist das Gegenteil von sozial. (Zwischenruf des Abg. May­erhofer.) Man unterstützt dieses eine Prozent der Superreichen mit einer Entlastung in der Höhe von 400 Millionen € – und verzichtet in Wirklichkeit auf 99 Prozent der Bevöl-


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kerung und zockt diese weiter ab! (Beifall bei der FPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Das ist einfach schäbig! Ich sage das offen. Das ist nicht die soziale Verantwortung, die in Österreich wahrgenommen werden soll. Das ist eine reine Verhöhnung der Ös­terreicher. Das ist aber leider der Stil Ihrer Politik, und diesen müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Von der ÖVP ist man das ja gewohnt. Die Bürger wissen, dass die ÖVP eine Partei
der sozialen Kälte ist. (Zwischenruf des Abg. Riepl.) Aus diesem Grund ist ja auch Dr. Wolfgang Schüssel als letzter Bundeskanzler zu Recht abgewählt worden. Und von Ihnen (in Richtung SPÖ) wissen es heute die Bürger. Man kann das nur wiederholen: Sie als Sozialdemokratie setzen heute diese soziale Eiskastenpolitik, auch Großindus­trielobbyismus fort. Sie leben das.

Der Herr Finanzminister führt sich auf wie Graf Dracula, sage ich, nur dass er den Ös­terreichern nicht an die Kehle geht, sondern nur ins Geldbörsl, in die Geldtaschen – da muss man ja schon froh sein. Aber das empfinden viele Österreicher so.

Viele Österreicher wissen wirklich nicht, wie sie überleben sollen, haben wirklich Pro­bleme. Ich kann es nur noch einmal betonen: Fleißige Menschen, die arbeiten, die mit ihren Gehältern nicht mehr auskommen, die mit ihrem Einkommen eben kein Auskom­men finden, sind wirklich verzweifelt.

Preissteigerungen im Lebensmittelbereich: Seit der Euro-Einführung ist der Preis mancher Lebensmittel um 40, 50, 60 Prozent angestiegen. Bei den Energiekosten gibt es dramatische Anstiege. Die Menschen sind verzweifelt – und dann entlasten Sie in Wirklichkeit nicht. Sie meinen, Jubel von den Autofahrern zu erhalten, wenn Sie auf der einen Seite den Autofahrern 760 Millionen € an zusätzlichen Steuern abnehmen und ihnen auf der anderen Seite 60 Millionen € zurückgeben.

Wer hat eigentlich etwas davon? – Wer aufgrund seines geringen Einkommens keine Lohnsteuer zahlt – das sind über 2,2 Millionen Österreicher! –, kann das, was Sie heute da an angeblichen Entlastungen im Bereich der Pendlerpauschale so preisen, gar nicht in Anspruch nehmen. 2,2 Millionen Österreicher sind bei dem, was Sie heute beschließen, gar nicht anspruchsberechtigt, weil sie zu wenig verdienen und zu wenig haben; sprich, die Ärmsten der Armen sind davon wieder betroffen. (Abg. Tamandl: Dafür haben wir für sie die Arbeitslosenbeiträge abgeschafft!) Die Pensionisten sowie­so. Aber das ist ja genau das Muster, das Sie heute leben.

Die Menschen werden einmal mehr mit Almosen abgespeist – die Superreichen be­kommen ihre Stiftungen, werden entlastet. Das Kilometergeld wird um 12 Prozent er­höht, die Pendlerpauschale gar um 15 Prozent, also wirklich eine „Wahnsinnsleistung“.

Man kann es nur noch einmal vorrechnen – und das ist genau das, wofür Sie stehen –: 760 Millionen nehmen Sie den Bürgern zusätzlich weg, 60 Millionen geben Sie ihnen auf der einen Seite zurück, auf der anderen Seite 400 Millionen den Superreichen in den Stiftungen. Das ist Ihre soziale Schieflage. Mit Gerechtigkeit und Verteilungsge­rechtigkeit hat das nichts zu tun.

Natürlich werden die Menschen weiter belastet werden. Die Spritpreise werden, wie wir gestern schon erläutert haben, mit großer Wahrscheinlichkeit weiter ansteigen, und Sie sind nicht bereit, konkret in diesem Bereich den Mobilitätssektor zu entlasten, die Kos­tenexplosion zurückzudrängen, die Bürger zu entlasten.

Ich sage es noch einmal: Die Halbierung der Mehrwertsteuer bei Energiekosten bräch­te eine sofortige Entlastung für alle österreichischen Bürger! Halbierung der Mehrwert­steuer bei Energiekosten – sofort! (Beifall bei der FPÖ.)


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Mineralölsteuer – reduzieren wir, kommen wir teilweise zu einer temporären Strei­chung! Ja, warum nicht? Denken wir auch daran, dass wir staatliche Preisregulierung in manchen Bereichen selbstverständlich durchführen könnten. (Abg. Morak: Marx! Marx! – Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das wird zwar immer wieder in Abrede gestellt, aber selbstverständlich kann man das machen, wenn man möchte. Das ist eine Frage des Wollens. Es macht Sinn, bei Grundnahrungsmitteln und Energiekosten eine staat­liche Preisregulierung vorzunehmen und Höchstpreise festzulegen, damit die Men­schen, zumindest was Grundversorgungsbereiche betrifft, nicht über Gebühr belastet werden, dass das kein Luxusgut wird. Das gehört zur Daseinsvorsorge, das ist wichtig. Aber das stellen Sie leider Gottes nicht sicher.

Bei dieser Sozialpolitik Marke Gusenbauer ist es kein Wunder, dass ihm die eigenen Leute schon ausrichten, dass sie nicht einmal mehr seine Stellvertreter sein wollen. Ich verstehe, dass sich eine Frau Burgstaller heute entweder das Geld für das Benzin nicht mehr leisten kann oder nicht mehr leisten will, nach Wien zu kommen. Wahrscheinlich will sie es sich heute nicht mehr antun, sich im Schatten des Herrn Gusenbauer zu be­finden. Ich verstehe schon, dass immer mehr Genossen da nicht mehr anstreifen wol­len. Ich kann das nachvollziehen.

Bei dieser Sozialpolitik, die Sie betreiben, bei dieser Belastungspolitik, die das Gegen­teil von sozial ist, verstehe ich, dass sich immer mehr Menschen von Ihrem Parteivor­sitzenden und Kanzler, aber auch von Ihrer Partei abwenden. Das ist ein logisches Prinzip (Zwischenruf des Abg. Brosz), wenn man so agiert, wie Sie das in dieser Frage tun, keine Verantwortung wahrnimmt und kein Herz hat.

Ihr Verhalten erinnert mich wirklich an einen Spruch von Nestroy, der sagte: „Es gibt Leute, deren Herzen gerade in dem Grad einschrumpfen, als ihre Geldbörsen sich er­weitern.“ – Da hat es Nestroy im Zusammenhang mit Ihnen wirklich auf den Punkt ge­bracht. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) – Das ist ein guter Ab­schlusssatz, der auch Ihre soziale Unverantwortlichkeit auf den Punkt bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Krainer zum Wort. Ebenfalls 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Krainer –: Herr Abgeordneter Krainer, wo ist denn Ihre Fraktion derzeit? Die ist nicht da! Wo sind denn die alle? Eine Krisensitzung vielleicht? Kann das sein?)

 


10.54.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Kollege Strache, wissen Sie, was der Unterschied zwischen Ihnen und Herrn Van der Bellen ist? – Sie sind beide Klubobleute, aber Herr Van der Bellen liest wenigstens das, was hier im Plenum zur Abstimmung steht.

Wenn Sie hier behaupten, wir würden 400 Millionen für Stiftungen beschließen (Abg. Strache: Haben Sie gesagt! Herr Krainer, Sie haben das gesagt! Sie führen ja sich selbst ad absurdum! Sie haben von 400 Millionen Entlastung gesprochen! Das war der Herr Krainer!), müssten Sie nur zuhören: Herr Dr. Van der Bellen hat heute gesagt, dass Artikel 2 gestrichen ist – und dort ist es dringestanden. Das ist gestrichen! Inso­fern können wir das heute auch nicht beschließen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stra­che: Sie haben das im Ausschuss gesagt! Sie nehmen ja sich selbst nicht ernst!)

Sie haben in der heutigen Geschäftsordnungsdebatte Watzlawick zitiert mit: „Was A über B sagt, sagt mehr über A als über B.“ Ich glaube, das trifft wunderbar auf Sie zu. Sie beschwören hier großspurig den „kleinen Mann“ und behaupten, Sie würden sich


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für jemanden einsetzen. (Abg. Strache: Ihnen läuft er davon!) Schauen wir uns das doch ganz konkret auf Grundlage der Pendlerpauschale an.

Sie waren sieben Jahre in der Regierung. Schauen wir uns an, was die Regierungen in dieser Zeit im Bereich der Pendlerpauschale gemacht haben: Sie haben sie im Jahr um durchschnittlich 80 € angehoben. Was hat die jetzige Regierung gemacht, seit die SPÖ in der Regierung ist? (Abg. Scheibner: Wie hoch war damals der Ölpreis?) – Durchschnittlich um fast 500 € im Jahr. Das ist der Unterschied zwischen groß reden und großen Taten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Die Kaufkraft ist schlechter als vor 15 Jahren, Herr Krainer!)

Wir beschließen heute die Erhöhung der Pendlerpauschale um 15 Prozent. Bereits das zweite Mal, seit die SPÖ in der Regierung ist, wird die Pendlerpauschale erhöht. Und wir beschließen auch eine Erhöhung des Kilometergeldes.

Dr. Van der Bellen hat gefragt: Wieso tun wir nichts für jene, die keine Lohnsteuer zah­len und deswegen von der Pendlerpauschale nichts haben? Dazu muss man sagen: Das stimmt, die hatten bis heuer, bis zum 1. Jänner 2008, wirklich nichts davon. (Abg. Haidlmayr: Auch jetzt nicht!) Wir haben aber vor einem Jahr ausdrücklich beschlos­sen, dass wir für genau diese Zielgruppe durch die Ausweitung der Pendlerpauschale erstmals diese Kosten absetzbar machen. Wir haben das nicht nur einmal gemacht, sondern wir haben das in der Zwischenzeit sogar auch erhöht. Das ist der Unterschied! Und zwar bis zu 240 € im Jahr. Das ist etwas ganz Neues. Das gab es, bevor die SPÖ in der Regierung war, noch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage, ob wir alle Probleme lösen: Nein. Wir lösen durch die Erhöhung der Pend­lerpauschale nicht alle Probleme der Teuerung, und wir federn damit auch nicht die Teuerung des Benzins zu 100 Prozent ab. Die Pendlerpauschale hat noch nie 100 Pro­zent der Treibstoffkosten abgefedert, sondern je nach Auto und Strecke, die man fährt, werden durch die Pendlerpauschale zwischen einem Drittel und zwei Dritteln der Treib­stoffkosten ersetzt. Die Erhöhung ersetzt auch in etwa die Hälfte dieser Teuerung. Also, das ist an und für sich im bisherigen Rahmen. Das ist deutlich mehr, als die vor­herigen Regierungen gemacht haben.

Und Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass die Benzinpreise erst seit eineinhalb Jah­ren steigen (Abg. Scheibner: Aber so stark wohl doch!) und vorher hundert Jahre un­gefähr auf einer Ebene waren. Nein, die Preisexplosion bei den Energiekosten hat doch 2000, 2002 begonnen. Das ist auch nichts Hausgemachtes, sondern das ist ein internationales Phänomen. So zu tun, als setzte die Bundesregierung hier Preise fest, ist ja absolut lächerlich.

Es gibt über die Pendlerpauschale hinaus – man muss sich ja das anschauen – auch Beihilfen der Länder, die unterschiedlich sind. Ich sage, die beste Beihilfe, die Länder leisten können, ist, für ein ordentliches, funktionierendes öffentliches Verkehrsnetz zu sorgen. Das ist in einer Stadt natürlich leichter.

Es stimmt: Die Stadt Wien gibt keine Pendlerbeihilfe. Ja, das stimmt. Sie gibt keine di­rekte Pendlerbeihilfe (Abg. Scheibner: Aber sie erhöhen die Preise!), aber sie sorgt für das beste öffentliche Verkehrsnetz aller Millionenstädte in der Europäischen Union. Und das ist die beste Hilfe für die Bevölkerung (Beifall bei der SPÖ), wenn sie genauso schnell, pünktlich, zuverlässig, sauber und bequem zum Arbeitsplatz kommt und auch in der Freizeit mobil ist, wenn die Stadt die Mobilität sicherstellen kann. Das ist das Wesentliche. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt auch Fragen, die wir noch nicht gelöst haben und die wir uns im Rahmen der Steuerreform anschauen. Zum Beispiel die Frage: Was ist, wenn jemand auf sein Auto verzichtet und stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt? – Heute ist es so,


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dass die Pendlerpauschale, die er dann bekommt, geringer ist. Dazu gibt es auch den Vorschlag der Arbeiterkammer – den halte ich für auf jeden Fall diskutierenswert –: Wenn jemand auf sein Auto verzichtet und bewusst mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, dann soll er keinen Nachteil haben. Es gibt auch eine Reihe von anderen Vor­schlägen, die wir im Zuge der Steuerreform diskutieren können.

Zur Frage Schenkungsmeldegesetz: Ja, der Verfassungsgerichtshof hat das aufgeho­ben. Inhaltlich hat sich das an den Einheitswerten aufgehängt, aber nicht der Verfas­sungsgerichtshof ist schuld, Herr Dr. Van der Bellen, sondern die Mehrheit hier im Haus – unter Anführungszeichen – „ist schuld“. Die Mehrheit hier im Haus will keine re­formierte Erbschafts- und Schenkungssteuer!

Besonders witzig ist, dass jene, die besonders laut gejubelt und das begrüßt haben, jetzt draufkommen, dass das zum Beispiel auch dazu führt, dass ab 1. August, wenn ich einer Stiftung etwas schenke, gar keine Steuer mehr zu zahlen ist. Aber nein, denn wir beschließen heute auch, dass sie als Einzige in Österreich nach wie vor Schen­kungssteuer zahlen, nämlich 2,5 Prozent von dem, was geschenkt wird.

Die Grünen sagen jetzt, das ist für sie besser als bisher, denn bisher waren es 5 Pro­zent, in den letzten vier Jahren. Das stimmt, aber ab 1. August wäre andernfalls nichts mehr zu zahlen gewesen. Ab 1. August gibt es nämlich keine Schenkungssteuer mehr. Das war bisher ein Privileg. Während Sie oder ich oder jeder andere, der etwas ge­schenkt hat, zwischen 15 und 60 Prozent Schenkungssteuer bezahlt hat, haben bisher die Stiftungen einen Vorteil gehabt, weil sie nur 5 Prozent bezahlt haben. Jetzt ist aber die Situation eine ganz andere: Jetzt zahlen Sie und ich und alle anderen null, aber Stiftungen als Einzige 2,5 Prozent.

Also hier von neuen Privilegien zu sprechen halte ich für etwas vermessen. Es ist in Wahrheit der umgekehrte Fall eingetreten: Das Privileg, das es in der Vergangenheit gab, wird jetzt in Wahrheit zum Malus in dieser Frage. Also von neuen Privilegien in diesem Zusammenhang zu sprechen ist nicht rasend sachlich, Herr Professor.

Herr Dr. Schüssel! Es stimmt, dass Stiftungen nichts Böses sind. Ich sehe das auch nicht so, dass diese das Böse auf der Welt wären. Es gibt viele positive Beispiele, vor allem von gemeinnützigen Stiftungen. Wir sollten hier auch zwischen gemeinnützigen Stiftungen und Privatstiftungen unterscheiden, und wir sollten vor allem bei unserer Diskussion seriös bleiben.

Ja, es stimmt, es gibt 400 000 Arbeitsplätze in Stiftungen, aber die sind nicht entstan­den, weil es das Privatstiftungsgesetz gibt. Den Großteil dieser Arbeitsplätze gibt es seit Jahrzehnten, weil Familienbetriebe dadurch zusammengehalten werden konnten. Aber geschaffen wurden sie aufgrund dessen nicht. Das soll es auch in Zukunft geben.

Wenn Sie, Herr Dr. Van der Bellen, hier davon sprechen, dass die Mausefalle jetzt wegfällt, dann muss ich Ihnen sagen: Die ist heute auch nicht da, wenn man sie nicht will. Man kann heute schon das, was man in eine Stiftung einbringt, steuerfrei wieder herausholen, man muss die Stiftung nur widerrufen.

Genau dasselbe Prinzip gibt es auch in der Zukunft: Ich muss alle Erträge mit 25 Pro­zent versteuern, und ich kriege Substanz frei, also ohne Steuer die Substanz wieder zurück. Das ist aber kein Unterschied zu dem, wie das auch heute möglich ist und teilweise auch passiert. Nur: Stiftungen sind eben nicht gedacht für zehn Jahre oder für 15 Jahre, auch nicht für die Ewigkeit, aber für 100 oder 200 Jahre. Insofern ist jetzt die reale rechtliche Wirkung beziehungsweise Situation nicht so ein großer Unterschied zur jetzigen Lage.

Was wir uns trotzdem anschauen müssen, das ist, wie sich diese Stiftungen entwi­ckeln. Es gibt Befürchtungen, dass diese zu kurzfristigen Steuervehikeln werden. Aber


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darauf werden wir natürlich achten, ob das eintritt oder nicht. Sollte sich das zeigen, dann muss man als Gesetzgeber bereit sein, hier Nachjustierungen vorzunehmen. Aber die Sorgen, die Sie jetzt haben, sehe ich nicht, weil in Wahrheit die zukünftige Si­tuation nicht so weit weg ist von dem, wie es jetzt ist.

Das, was im Vorfeld kritisiert wurde, nämlich dieses Geschenk an die Stiftungen, ha­ben wir uns angeschaut. Ich glaube, es weiß jeder, wie das gewesen ist. Es hat hier­über im Klub lange Diskussionen gegeben, und ich kann sagen: Wir halten das nicht für sachgerecht. Wir haben in Gesprächen mit der ÖVP nicht nur diesen Punkt, son­dern eine Reihe von anderen Punkten hier herausgenommen, und ich glaube, wir ha­ben das Gesetz dadurch verbessert. Es ist ja auch unsere Aufgabe hier im Parlament, dass wir Gesetze besser machen. Das tun wir, dafür sind wir gewählt worden, und ich glaube, dass wir hier gezeigt haben, dass das zu Recht so ist.

Ich möchte aber noch ein Thema anschneiden, weil es in den letzten Tagen wieder in Diskussion gestanden ist, nämlich die Vermögenszuwachsbesteuerung.

Es gibt unterschiedliche Arten, wie jemand sein Einkommen erwerben kann. Es kann jemand etwas über Aktienspekulation verdienen, und er zahlt für dieses Einkommen nach einem Jahr null Prozent. Wenn jemand im Jahr 50 000 € so verdient, dann zahlt er null Euro.

Wenn jemand sehr viel Geld auf der Bank liegen hat und 50 000 € an Zinsen bekommt, dann zahlt er 25 Prozent, das sind 12 500 €.

Wenn jemand aber um dieses Geld arbeiten geht, dann werden diese 50 000 € mit über 30 000 € besteuert, mit Dienstnehmer- und Dienstgeberanteil und mit den Abga­ben dazu. Und das ist eine absolute Schieflage. Daher ist es notwendig, dass wir im Zuge der Steuerreform den Faktor Arbeit entlasten und vermögensbezogene Steuern erhöhen, denn da bewegen wir uns auf einem ganz niedrigen Niveau, und deswegen ist die Vermögenszuwachsbesteuerung ein Kernpunkt der Steuerreform. Und es ist in dieser Koalition auch vereinbart worden, dass diese kommt. (Abg. Dr. Schüssel: Nicht vereinbart worden! Nein! Dass das diskutiert wird!)

Es ist vereinbart worden, dass sie kommt. Und wir werden im Zuge der Steuerreform genau herausarbeiten, wie sie ausschauen wird. Ich sage gleich: Der durchschnittliche Häuselbauer, die durchschnittliche Familie soll davon nicht betroffen sein. Aber wenn es um Vermögenszuwächse geht – und die gibt es in beträchtlichem Ausmaß –, dann sollen auch die Betroffenen einen gerechten Teil zur Gesellschaft beitragen wie der­jenige, der arbeiten geht. Denn jeder, der arbeiten geht, zahlt seine Steuern, und daher kann auch jemand, der über Vermögen zu Einkommen kommt, seinen Anteil bezah­len. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. Auch für Sie gilt die maximale Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.05.00

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Präsident! Zunächst ein kleiner Anhang zur Geschäftsordnungsdebatte, weil der Herr Cap das Bild des Hohen Hauses, das sich hier bietet, so kritisiert hat: Es ist schon bemerkenswert, dass dann, wenn es um so wichtige Dinge geht, dass sogar eine Live-Fernsehübertragung statt­findet, zwei Drittel der SPÖ-Fraktion gar nicht im Saal sind.

Aber ich verstehe, für Sie ist dieses Thema ein Riesenproblem, ein kompliziertes The­ma, ein schwieriges Thema, weil es einfach nicht nur von der Optik, sondern auch vom


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Inhalt her – Herr Kollege Marizzi, weil Sie gerade hier so schön sitzen – für Sie sehr, sehr schwierig sein wird, Ihrer Klientel zu erklären, dass Sie einerseits trotz höchster Preise und Steuerbelastungen den Pendlern mit einer geringen Erhöhung der Pendler­pauschale gerade einmal Peanuts zurückgeben (Abg. Marizzi: Geh, geh!) und ande­rerseits im selben Atemzug eine Entlastung für die Superreichen durch die Senkung des Eingangssteuersatzes bei den Stiftungen beschließen.

Das versteht überhaupt niemand – außer Ihnen, weil Sie vielleicht auch EuroMillionen-Lotto spielen: Werden Sie reicher als reich! – das gilt jetzt für die Sozialdemokratie. Ihr seid die neuen Vertreter des Reichenstandes in Österreich. Ich gratuliere euch! Und deshalb habt ihr auch so große Probleme mit eurer Basis. (Beifall beim BZÖ. – Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Marizzi.)

Und die habt ihr! Das schreibt auch der „Kurier“, wo es heißt, dass eure Funktionäre euch in Scharen davonlaufen. So sagt zum Beispiel der Herr Andreas Hannerer, ein SPÖ-Funktionär aus Rohrbach: „Ich habe ihn“ – nämlich Gusenbauer – „lange vertei­digt. Mittlerweile bin ich enttäuscht. Er benimmt sich, als würde seine Kanzlerschaft allein von der ÖVP abhängen.“ 

Das sagt einer Ihrer Funktionäre, Herr Marizzi!

Oder: Ein Gemeinderat aus dem Hausruckviertel befindet: „Der kleine Mann hat von der SP-Kanzlerschaft nicht viel.“ – Das sollten Sie sich merken!

Oder: Landesrat Hermann Kepplinger sagt, „dass die Pendler-Regelung mit einem Ge­schenk für Millionäre junktimiert worden ist. Das ist fast unmoralisch.“ 

Jawohl, das ist unmoralisch! Ihr seid mit dem heutigen Beschluss als Sozialdemokratie abgetreten. Das sollen die Menschen auch erfahren; wir werden es ihnen sagen.

Jetzt zu Ihnen, Herr Finanzminister! Wie fühlten Sie sich heute, als Sie aufgestanden sind? Jetzt können Sie sich ja die Hände reiben. Denn Sie werden – wir haben das ausgerechnet – auch heute am Ende des Tages einmal mehr 15 Millionen € an Steu­ern allein von den Autofahrern kassiert haben. 15 Millionen € an Steuern heben Sie täglich, aufs Jahr gerechnet, von den Autofahrern ein. Finden Sie das in Ordnung, Herr Finanzminister, in einer Zeit wie dieser, wo es ohnehin ausschließlich Belastungen gibt? Deswegen haben wir Ihnen in der Regierung den Titel verliehen: „Scheich Willi Al Abkassier“. Warum? – Weil wir derzeit die höchsten Belastungen durch Ihre Politik ha­ben.

Das betrifft nicht nur die Autofahrer. Wir haben uns die Gesamtbelastung der Haus­halte im Fünfjahresvergleich angeschaut, nämlich 2003 zu 2008, bei der Energie: beim Treibstoff: 570 €; beim Strom: 150 €; beim Heizöl bei 3 000 Liter: 1 815 €; beim Gas: 185 €. Das ergibt im Fünfjahresvergleich für Durchschnittshaushalte eine Mehrbelas­tung von 2 720 € allein für Energiekosten. Das sind in alter Währung 37 428 S, die heute Haushalte aufgrund Ihrer Belastungspolitik mehr zahlen müssen als vor fünf Jah­ren.

Dazu kommt, dass Sie noch fest bei den Steuern einkassieren. Vergleich Jänner zu April 2008: bei der Lohnsteuer plus 7,5 Prozent, bei der Umsatzsteuer plus 3,2 Pro­zent, bei der Mineralölsteuer plus 17 Prozent, bei der Körperschaftsteuer plus 12 Pro­zent, bei der Kapitalertragssteuer plus 3,55 Prozent.

Sie kassieren immer mehr Steuern und schröpfen damit die Österreicher. Und das ist nicht zu akzeptieren, denn die Österreicher stöhnen ohnehin schon unter den enorm hohen Preisen. Und dann kommt der Finanzminister noch daher und nimmt ihnen das Geld mit beiden Händen aus der Tasche.


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Es ist mittlerweile schon so, dass das einzig Positive an Ihrer Politik ist, dass der Be­rufsstand der Taschendiebe arbeitslos geworden ist, weil die Leute nichts mehr zum Stehlen in der Tasche haben. Das ist das Ergebnis Ihrer Finanzpolitik, Herr Finanz­minister!

Sie haben, Herr Finanzminister, die Krankenversicherungsbeiträge, die Mineralölsteu­er, die Rezeptgebühren, den Kostenanteil für Heilbehelfe, die Selbstbehalte bei Kurauf­enthalten erhöht. Sie haben das Pflegegeld real gekürzt, weil Sie es noch kein einziges Mal an die Inflation angepasst haben. Sie haben die Pensionen real gekürzt, weil Sie sie nur um 2 Prozent erhöht haben, während die Inflation aber bei 3,3 Prozent liegt. (Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Dr. Matznetter.) Jeder Pensionist verliert derzeit täglich an Einkommen aufgrund der hohen Inflation, Herr Staatssekretär Matz­netter von der SPÖ.

Energie, Lebensmittel und Mieten werden teurer, nicht zuletzt auch deshalb, weil Sie für keine Entlastungen sorgen. Die Gebühren steigen auch. Und beim Kindergeld gibt es noch tausende Rückforderungen an die Familien, die damit auch geschröpft wer­den.

Und seit gestern wissen wir, dass in Österreich jeder, der mehr als 1 350 € verdient, schon zu den Reichen gehört, denn bei allem, was darunter liegt, gibt es nur eine Entlastung bei der Arbeitslosenversicherung, aber bei allem, was darüber liegt, gibt es nichts mehr. 1 350 €: Das ist künftig die Grenze für den Reichtum in Österreich! Aber gleichzeitig entlasten Sie die Superreichen in den Stiftungen.

Ich habe eigentlich nichts gegen Stiftungen, ganz im Gegenteil: Sie sind gut für Öster­reich, denn es kommt nicht von ungefähr, dass Menschen bei uns ihr Geld anlegen. Das ist gut für unser Land. Aber dass man im selben Atemzug den Eingangssteuersatz senkt und damit den Stiftungen ein Geschenk macht beziehungsweise ein Zuckerl gibt und gleichzeitig die Politikergehälter ein bisschen erhöht – das kommt auch noch dazu –, das ist unfair, unsozial und auch unfassbar.

Herr Finanzminister Molterer, Sie führen das Regierungsschiff als Finanzminister – einen Bundeskanzler haben wir ja nicht mehr, der ist ja nicht mehr vorhanden – unter schwarzer Piratenflagge gegen die Österreicher, nämlich konkret gegen ihre Geldbör­sen, und die Roten hissen noch mit das Segel und fahren ordentlich mit auf dieser Schiene. – Ich gratuliere Ihnen von der Sozialdemokratie dazu, das wird Ihnen nicht gut tun!

Sie haben, wie schon gesagt worden ist, 750 Millionen € an Mehreinnahmen durch die Mineralölsteuer. Der Pendler zahlt derzeit im Schnitt 700 € bis 1 000 € im Jahr mehr für Sprit, je nachdem, wie lange er fährt. Und Sie geben den Pendlern jetzt 30, 40 € zu­rück, einen halben oder dreiviertel Tank. Das ist wirklich letztklassig! Das ist keine Ent­lastung!

Die einzig mögliche Entlastung wäre, wenn endlich die Mineralölsteuer gesenkt werden würde, wenn sie heruntergefahren würde, wenn Sie, Herr Finanzminister, zumindest die Erhöhung zurücknehmen würden. Sie brauchen gar keine Mindereinnahmen zu haben, sondern Sie müssen nur die Erhöhung zurücknehmen, dann wäre bei diesen Höchstpreisen den Autofahrern schon geholfen. Das wäre eine richtige Maßnahme! (Beifall beim BZÖ.)

Herr Finanzminister! Es ist schon in Ordnung, wenn man die Pendler entlastet. Aber wir haben es gehört: Zweieinhalb Millionen werden überhaupt nicht entlastet, weil sie einfach unter dieser berühmten Einkommensgrenze liegen.

Herr Abgeordneter Krainer! Es war übrigens die Vorgängerregierung, die Regierung von ÖVP und BZÖ, die es mit ihrer Steuerreform in der Höhe von 3 Milliarden geschafft


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hat, dass wir derzeit in Österreich 2,5 Millionen Arbeitnehmer haben, die überhaupt kei­ne Lohn- und Einkommensteuer zahlen müssen. Das ist ein Verdienst der Vorgänger­regierung – aber die SPÖ hat damals dagegengestimmt, was ein Skandal ist. Das sollte auch noch einmal gesagt werden. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenbemerkung des Staatssekretärs Dr. Matznetter.)

Auch Sie, Herr Staatssekretär Matznetter, haben dagegengestimmt. Sie waren übri­gens ein glühender Gegner der Stiftungen, haben immer die Stiftungen und ihre Steu­ervorteile kritisiert. Heute sitzen Sie auf der Regierungsbank schön breit da und be­schließen alles mit, was Ihnen der Finanzminister vorgibt. – Ist auch in Ordnung! Das ist Ihr Kaffee, das müssen Sie Ihren Wählern erklären.

Aber, Herr Finanzminister, was ist mit einer Mutter, die auf dem Land aufs Auto an­gewiesen ist? Das ist eine ganz konkrete Frage, und ich ersuche Sie, diese jetzt zu beantworten. Was ist mit einer Mutter, die auf dem Land aufs Auto angewiesen ist, weil sie ihr Kind in den Kindergarten bringen muss? – Da gibt es keine Pendlerpauschale! Da gibt es kein Kilometergeld! Von wem denn? (Abg. Jakob Auer: Kinderfreifahrt!)

Was ist mit einer Familie, die mit dem Auto einkaufen fahren muss, die zur Bank fahren muss, die zum Arzt fahren muss, die also auf das Auto angewiesen ist? Diese Familien zahlen Länge mal Breite den Benzinpreis, sind Opfer der hohen Preispolitik, die Sie mit Ihren Steuern gestalten. – Das ist unfair, letztklassig und auch gemein gegenüber den österreichischen Familien und jenen, die eine Entlastung wirklich brauchen! (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben derzeit eine achtfache Steuerbelastung auf Autos: die Mineralölsteuer, die Mehrwertsteuer, die Umsatzsteuer, die NoVA, die motorbezogene Versicherungssteu­er, die eigentliche Versicherungssteuer, die Vignette, und jetzt kommt noch eine neue CO2-Steuer dazu. Das ist eine achtfache Besteuerung vom Autokauf bis zu dessen Gebrauch. Das ist „wunderbar“! Danke, SPÖ und ÖVP, dass Sie die Mobilität in die­sem Land zum Luxus machen!

Herr Finanzminister, weil Sie immer sagen, die böse Opposition, das böse BZÖ: Ich würde Ihnen empfehlen, einmal nach Kärnten zu schauen, denn dort gibt es eine Re­solution ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Finanzminister, weil Sie vor­hin mit dem Kopf geschüttelt haben: In Kärnten haben Ihre Leute in der Regierung und Ihre Abgeordneten im Landtag in einer Resolution, die von Schwarz, Rot und dem BZÖ unterschrieben worden ist, beschlossen, dass es einen amtlichen Höchstpreis geben soll. Wir werden heute diese Resolution hier einbringen, und wir werden uns ganz ge­nau anschauen, wie die Kärntner Abgeordneten von der ÖVP und von der SPÖ bei dieser Resolution stimmen werden.

Eine amtliche Preisregelung und eine Senkung der Steuern werden vom Land Kärnten gefordert, und ich bin gespannt, ob Sie dieses Ansuchen des Landes Kärnten ernst nehmen.

Sie sollten auch ein bisschen schauen, wie es mit den Öl-Multis weitergeht, Herr Fi­nanzminister, denn die haben derzeit ein Plus von 55 Prozent beim Gewinn, 795 Mil­lionen Mehreinnahmen. Die kassieren – und Sie kassieren an Dividende fleißig mit. 120 Millionen an Dividende kassieren Sie mit. Dort halten Sie auch die Hand auf.

Herr Finanzminister, Sie sollten sich einmal mit Ihren Freunden, den OMV- und Öl-Multis und wie sie alle heißen mögen, im Rahmen Ihres ÖIAG-Anteils zusammenset­zen. Machen Sie einen Benzinpreisgipfel, und sagen Sie endlich, dass es so nicht wei­tergehen kann: dass die Preise nach oben getrieben werden, der kleine Autofahrer blu­tet und die großen Mineralölkonzerne abkassieren! Das kann nicht sein!


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Deswegen sagen wir: Runter mit der Mineralölsteuer! Runter auch mit der Mehrwert­steuer! Und Einführung eines Höchstpreises! Das Land Luxemburg hat einen Höchst­preis bereits eingeführt, dort funktioniert es auch. Daher sollten Sie sich endlich ein Herz nehmen und ein Herz haben für die österreichischen Autofahrer, aber auch für die Familien, für die Pendler und überhaupt für jene, die eine Entlastung wirklich brauchen. (Beifall beim BZÖ.)

11.15


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Vizekanzler Mag. Molterer zu Wort gemeldet. Die Redezeit darf 12 Minuten nicht über­steigen. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


11.15.14

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauerbänken und vor den Fern­sehschirmen! Hohes Haus! Wir haben – ja, das stimmt – tatsächlich eine sensible wirt­schaftliche Situation, und in einer sensiblen wirtschaftlichen Situation braucht es einer­seits Sachverstand und andererseits eine sichere Hand. (Die Abgeordneten Ing. Wes­tenthaler und Strache: Ein Herz braucht es!)

Herr Kollege Westenthaler und Herr Kollege Strache! Billiger Populismus kann in einer derartigen Situation die Menschen in diesem Land sehr teuer zu stehen kommen. Da­her: Sachverstand und eine sichere Hand! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Strache: Ein Herz und soziale Verantwortung!)

Wir haben zwei Seiten bei der wirtschaftspolitischen Situation: Wir haben auf der einen Seite ein – für viele nach wie vor überraschend – sehr positives Wirtschaftswachstum. Wir hatten im ersten Quartal des Jahres eine Wachstumsrate von dreieinhalb Prozent. Wir hatten im Mai neuerlich eine sinkende Arbeitslosenrate. Wir haben so viele Men­schen in Beschäftigung wie nie zuvor in diesem Land. Die Exporte boomen weiter. – Das ist die eine Seite der Medaille.

Aber wer offen ist in der Diskussion mit den Menschen, mit den Unternehmen, mit den Arbeitnehmern, der sieht auch die zweite Seite: Wir haben eine Inflationsrate, die einerseits ein Risiko für die positive wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Da muss man einfach sagen: Ja, die Energiepreise, die Rohstoffpreise drücken auf die Wachstums­erwartung!

Auf der anderen Seite ist eine steigende Inflation gerade für Menschen mit geringerem Einkommen ein wirklich problematische Situation. Das darf die Politik nicht ignorieren: weder das Risiko für die Wachstumsperspektive noch das Risiko für die wirtschaftliche Situation der Menschen, vor allem jener mit kleinerem Einkommen. Daher ist es unsere Aufgabe, mit Sachverstand und sicherer Hand auf der einen Seite die positive wirt­schaftspolitische Perspektive zu stärken und auf der anderen Seite den betroffenen Menschen tatsächlich ganz konkret zu helfen. Und das tun wir heute.

Mit diesem Beschluss, meine Damen und Herren – und ich hoffe, er erfolgt mit breiter Mehrheit –, werden wir ganz konkret die betroffenen Menschen in ihrer schwierigen Situation unterstützen. (Abg. Strache: Frotzeln und pflanzen!)

Wir haben erstens ab Mitte des Jahres mit der Senkung der Arbeitslosenversiche­rungsbeiträge für Einkommen bis 1 350 € ganz konkret 300 Millionen € von den Schul­tern der Menschen weggenommen (Abg. Strache: Eine Frotzelei und Pflanzerei ist das! – Abg. Ing. Westenthaler: 40 €!) und de facto aus dem Budget die Verantwortung dafür übernommen. 300 Millionen Entlastung aus der Arbeitslosenversicherungsbei­tragssenkung! (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir werden zweitens ab 1. Juli – und ich danke dafür, dass das so schnell gegangen ist; es ist eine der schnellsten Beschlussfassungen, an die ich mich erinnern kann: vor 14 Tagen im Ministerrat, heute hier im Plenum – die Pendlerpauschale um 15 Prozent erhöhen und das Kilometergeld um rund 12 Prozent erhöhen. (Abg. Ing. Westentha­ler: 40 €!) Das sind weitere Entlastungen für die Menschen im Ausmaß von 60 Millio­nen €. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie einmal die Zahlen!)

Herr Kollege Westenthaler! Von dieser Bundesregierung ist mit dem 1. Jänner 2006 die Pendlerpauschale um 40 Prozent angehoben worden. Ich betone: Um 40 Prozent! Das ist richtig, weil es die Menschen brauchen. (Beifall bei der ÖVP. – In den Reihen der Grünen wird ein mit dem Logo der Grünen versehenes Transparent hochgehalten mit der Aufschrift: „Schluss mit Betonieren – Öffis finanzieren!“)

Meine Damen und Herren! Wir werden drittens – und da haben Sie nicht richtig infor­miert, weder Sie, Herr Strache, noch Sie, Herr Westenthaler – mit der Wirkung der An­hebung der Negativsteuer selbstverständlich dafür Sorge tragen, dass die Entlastung für die Pendler auch bei jenen spürbar wird, die kleine Einkommen haben, nämlich auch real spürbar durch die Verbesserung im Negativsteuerbereich.

Aber das ist nicht alles. Wir haben den Gebührenstopp umgesetzt. Wir haben etwa im Bereich der Mieten die Inflationsberechnung anders gemacht, fairer gemacht, damit die Menschen durch die Inflationsbelastung keine überproportionale Steigerung verspüren.

Und wir haben vereinbart, dass im heurigen Jahr die Pensionisten die Pensionserhö­hung vorgezogen bekommen, und zwar ab November eine zusätzliche Pensionserhö­hung im Ausmaß von 150 Millionen €.

Das ist konkrete Politik, die den Menschen in diesem Lande hilft, meine Damen und Herren! Und so werden wir auch in Zukunft handeln. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Einen Augenblick, Herr Vizekanzler! – Meine Damen und Herren von den Grünen, wir haben jetzt lange genug Ihr Plakat gesehen. Ich darf Sie bitten, es wieder hinter den Sitzbänken zu verstauen. (Das oben erwähnte Transparent wird weggeräumt.)

Bitte, Herr Vizekanzler, setzen Sie fort!

 


Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Mag. Wilhelm Molterer (fortsetzend): Und wir erwarten – ich sage das auch ganz offen von dieser Stelle –, dass seitens der Bundesländer deren Beitrag im Bereich der Pendlerpauschale und im Bereich der Heizkostenzuschüsse entsprechend wahrgenommen wird. Die Verantwortung haben wir gemeinsam in dieser Situation wahrzunehmen. – Wir tun es. Wir handeln, und wir halten Wort.

Und, Herr Kollege Strache, damit die Menschen auch die wahre und reale Situation sehen – Sie haben hier mit Zahlen jongliert, und ich denke, es ist doch besser, dass die Menschen bei Zahlen auf den Finanzminister vertrauen als auf Zahlenjongleure (Abg. Strache: Gerade der, ...!) –:

Wir haben mit diesem Paket ein Entlastungsvolumen von 300 Millionen € durch die Ar­beitslosenversicherungsbeiträge. Wir haben mit diesem Paket ein Entlastungsvolumen von 60 Millionen € für die Pendler, für die, die tatsächlich das Auto brauchen. (Abg. Strache: Die sind aber um 760 Millionen mehr belastet! Und Sie sprechen von Entlas­tung! Die sind belastet!) Wir haben mit diesem Paket, Herr Kollege Strache, 150 Millio­nen € zusätzlich für die Pensionisten vorgesehen, und wir haben mit diesen Maß­nahmen 150 Millionen € für den Klimafonds vorgesehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Bei den Pensionisten gibt’s keine Pensionsanpassung!) Das ist die Wahrheit, und das ist die Realität. (Abg. Strache: Wo gibt’s bei den Pensionisten eine Pensions-


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anpassung, Herr Finanzminister?) So werden wir auch in Zukunft umgehen: ausgewo­gen, wirtschaftspolitisch vernünftig, sozial verantwortlich und ökologisch nachhaltig. (Abg. Strache: Das ist ein Scherz, Herr Finanzminister! Wo haben die Pensionisten eine Pensionsanpassung? – Im Gegenteil!)

Apropos Wort halten: Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass die Erbschaftssteuer und die Schenkungssteuer auslaufen. Mit dem heutigen Beschluss, meine Damen und Her­ren, wird unser Versprechen Realität: Ab dem 1. August gibt es keine Erbschaftssteuer und keine Schenkungssteuer mehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt kann durchaus diskutiert werden, Herr Kollege Van der Bellen! Ich bin ja gerade­zu dankbar, dass Sie heute Ihre Argumente auf den Tisch gelegt haben, und ich sage Ihnen: Das hat mich, ehrlich gesagt, enttäuscht! (Abg. Mag. Kogler: Ah?) Ich habe vermutet, dass Sie durchaus auch im ökonomischen Sinne die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme verstehen, und ich bitte Sie wirklich, dass Sie hier die Ideologie im Schach­terl lassen und tatsächlich das Interesse der Menschen im Mittelpunkt haben. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Die Ideologie von 3 316 Menschen!)

Was ist denn die Realität? – Ich war gestern am Abend bei einer Veranstaltung in Linz, wo viele hundert Klein- und Mittelunternehmer anwesend waren. Wissen Sie, was mir die gesagt haben? – Der Wegfall der Erbschafts- und der Schenkungssteuer ist eine der wichtigsten Entlastungsmaßnahmen für den Mittelstand, die je getroffen worden sind! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jakob Auer: Jawohl!)

Warum? – Da steht ein junger Unternehmer, der von seinem Vater den Betrieb über­nimmt; kein großer Betrieb, ein kleiner, ein mittelständischer Unternehmer, der fünfzig, hundert, zweihundert Menschen Arbeit gibt. Wissen Sie, was der bisher tun musste? – Bevor er den Betrieb übernahm, musste er zuerst einmal Steuer zahlen, nämlich die Steuer angesichts der Betriebsübergabe, also entweder Schenkung oder Erbschaft. (Zwischenruf des Abg. Mag. Rossmann und weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Anstelle, dass wir froh sind, dass diese Menschen die Betriebe weiterführen, haben wir ihnen zuerst einmal Geld abgeknöpft. – Damit ist Schluss! Wir haben gesichert, dass die Betriebsübergabe erleichtert wird! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

Zweitens: Es wird argumentiert, es seien die Reichen in diesem Land. Wissen Sie, was die Wahrheit ist? (Abg. Sburny: Sicherlich das, was Sie da verbreiten!) – Von den 80 000 Erbschafts- und Schenkungssteuerfällen ist zum überwiegenden Teil der Mittel­stand betroffen! Es wird der Mittelstand entlastet, es sind die Kleinen in dem Land ent­lastet. Das ist die Wahrheit!

Und drittens: Ja, es stimmt, es ist tatsächlich so, dass hier eine Steuer nicht mehr an­fällt für Vermögen, für das bereits Steuer bezahlt wurde. Und daher ist die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer wirtschaftspolitisch richtig, sie ist arbeitsplatz­politisch richtig, sie ist standortpolitisch richtig, und sie ist sozial gerecht, meine Damen und Herren! (Abg. Strache: Das ist richtig! Das ist ausnahmsweise richtig! Das stimmt!) Das ist die Zielsetzung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Darum bin ich stolz – ich sage Ihnen das auch –, dass es uns gelungen ist, dass das, was wir vor der Wahl versprochen haben – die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird abgeschafft! –, auch in die politische Praxis und Realität umgesetzt wird: Ab 1. August gibt es diese Steuer nicht mehr. – Wir halten Wort! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler – auf Staatssekretär Dr. Matznetter weisend –: Der Matznetter freut sich auch „total“! Der Matznetter ist „begeistert“!)

Und nun zur Stiftungsfrage. Erstens einmal – wiederum, Herr Kollege Strache, fragen Sie in diesem Fall nicht den Finanzminister alleine, sondern fragen Sie auch meine Ex-


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perten! –: Ihre 400 Millionen sind schlicht und einfach falsch. (Abg. Strache: Die kom­men vom Herrn Matznetter! Von Ihrem Experten Matznetter kommen die, die 400 Mil­lionen!) Was wir mit der Beschlussfassung gemacht haben, ist, dass wir den Stiftungs­eingangssteuersatz von 5 Prozent auf 2,5 Prozent gesenkt haben. – Ja, dazu bekenne ich mich. Es ist richtig.

Die Menschen müssen auch wissen, was das tatsächlich kostet: nicht 400 Millio-
nen, Herr Kollege Strache, sondern sage und schreibe 5 Millionen! Nicht 400, sondern 5! (Abg. Strache: Ihr Experte Staatssekretär Matznetter und Herr Krainer haben von 400 Millionen gesprochen! – Abg. Ing. Westenthaler: ... für die Superreichen! Ich gra­tuliere!)

Und jetzt wiederum, Herr Kollege Van der Bellen: Wollen wir eine Politik für den Stand­ort – oder lassen wir uns von ideologischen Scheuklappen lenken? (Abg. Strache: Politik für Menschen! Das wäre der Hit!)

Die Stiftungsidee ist etwas, was Österreich stärker gemacht hat! Wir haben in Öster­reich 3 200 Stiftungen, meine Damen und Herren, in denen in der Zwischenzeit Unter­nehmen geführt werden, wo 400 000 Arbeitsplätze gegeben sind. (Abg. Dr. Van der Bellen: Aber die sind ja nicht wegen der Stiftungen entstanden!)

So, und jetzt war die Frage: Natürlich hätten wir es uns leicht machen können nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, dann hätte es überhaupt keine Stif­tungseingangssteuer mehr gegeben. (Staatssekretär Dr. Matznetter: So ist es!) Wir aber haben wiederum wirtschaftspolitisch vernünftig und sozial verantwortlich Folgen­des gemacht: Wir haben die Stiftungseingangssteuer halbiert (Abg. Ing. Westenthaler: Bravo, SPÖ! Bravo, Matznetter!), wir haben die Substiftungen rechtlich klargestellt, da­mit es wirtschaftspolitisch auch tatsächlich eingesetzt werden kann, und wir haben da­mit den Stiftungsstandort Österreich weiter attraktiv gehalten. Das ist das Modell, und das ist unsere politische Konzeption – nicht Ideologie, sondern Sachverstand! (ironi­sche Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler) –, die dem Standort hilft. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Die SPÖ ist unter die Stifter gegangen! Die SPÖ geht stiften!)

Daher ist das heute vorliegende Paket, meine Damen und Herren, eines, das wirklich aus voller Verantwortung für Österreich positiv zu bewerten ist. (Abg. Strache: Die ÖGB-Stiftungen freuen sich!) Erstens, es hilft den besonders Betroffenen (Abg. Stra­che: Die ÖGB-Stiftungen haben eine Riesenfreude!) mit der Anhebung der Pendler­pauschale, mit der Senkung der Arbeitslosenversicherung, und den Pensionisten. Zweitens, es gibt die richtige Perspektive, meine Damen und Herren, für die Entlastung des Mittelstandes (Ruf bei den Grünen: Für die Superreichen!) mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer, und es ist mit der Stiftungsentscheidung für den Wirtschaftsstand­ort Österreich attraktiv.

Österreich bleibt daher auf wirtschaftlichem Erfolgskurs und ist sich der sozialpoliti­schen Verantwortung bewusst. Das ist die Politik, die wir durch diese und in dieser Bundesregierung für richtig halten. Schließen Sie sich dem an! Es gibt keine Alter­native dazu. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Die Fanzonen sind wirklich für Sie errichtet! Das ist wirklich wahr! – Abg. Ing. Westenthaler: Statt roter Turnerklub jetzt roter Jachtklub und roter Zigarrenklub!)

11.27


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadl­bauer. Maximale Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


11.27.36

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren


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auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Dank der SPÖ bekommen die Pendler und Pendlerinnen bereits zum zweiten Mal eine Erhöhung. (Abg. Strache: Und die ÖGB-Stiftungen!) Ab Juli gibt es um 15 Prozent mehr Pendlerpauschale.

Die Regierung hat das in ihrer Sitzung beschlossen, und kurz hat es so ausgesehen, als ob wir das heute hier im Parlament nicht beschließen können. (Abg. Ing. Westen­thaler: Sind Sie auch bei einer Stiftung?) Das lag daran, Herr Klubobmann Westentha­ler (Abg. Ing. Westenthaler: Oder beim Zigarrenklub?), dass die Frage der Änderun­gen für Privatstiftungen mit der Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergel­des verknüpft werden musste. Und jetzt hat sich die Frage gestellt: Wer gibt wem wie viel? (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr könnt einen Arbeiter-Jachtklub gründen!) – Und jetzt möchte ich aufklären, was es mit diesen ominösen 400 Millionen € auf sich hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ursprünglich wollte die ÖVP 400 Millionen € an die Reichsten der Reichen, an die Privatstiftungen verteilen. (Ironische Heiterkeit des Vizekanzlers Mag. Molterer.) Die ÖVP wollte einen Teil der Steuern (Vizekanzler Mag. Molterer: Das ist eine Regierungsvorlage gewesen!), die in den letzten fünfzehn Jahren von den Privatstiftungen bezahlt wurden, wieder zurückschenken – während wir, die SPÖ, die Pendler und Pendlerinnen so bald wie möglich entlasten wollten (Abg. Jakob Auer: Frau Kollegin Stadlbauer, schauen Sie dem Herrn Kollegen Matz­netter ins Gesicht!), und zwar mit einem Gesamtbetrag von 60 Millionen €. (Ruf bei
der ÖVP: Schauen Sie auf Ihren Staatssekretär! – Ironische Heiterkeit des Staats­sekretärs Dr. Matznetter.)

Ich sehe ja eigentlich diese Diskussion darüber, die im Vorfeld stattgefunden hat, sehr positiv, weil dadurch wieder sonnenklar wird, welche Partei für wen Politik macht. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sind Sie auch beim Jachtklub?)

So, wie schaut jetzt das Verhandlungsergebnis aus? – Das möchte ich auch in Rich­tung von Herrn Klubobmann Strache sagen, der das anscheinend verschlafen hat. – Das Verhandlungsergebnis hier im Parlament schaut so aus, dass die 400 Millionen nicht an die Privatstiftungen zurückbezahlt werden – aber die Pendler und Pendlerin­nen erhalten die Erhöhung! Das beweist, dass sich die SPÖ durchgesetzt hat (lebhafte Heiterkeit des Abg. Ing. Westenthaler sowie Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) – für die Pendler und Pendlerinnen, für einen Großteil der Arbeitnehmer und Arbeitneh­merinnen in diesem Land, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westen­thaler: Mittlerweile ist das eine Drohung, wenn ihr euch durchsetzt!)

Wieder ist auf Druck der SPÖ-Fraktion im Parlament Politik mit einer sozialen Hand­schrift sichtbar geworden.

Meine Damen und Herren! Bereits zum zweiten Mal ist in der Zeit, in der die SPÖ wie­der den Bundeskanzler stellt und Regierungsverantwortung trägt, die Pendlerpauscha­le erhöht worden. Wir alle sind damit konfrontiert, dass die Preise von Benzin, Diesel und Heizöl steigen und steigen. Mittlerweile kosten notwendige Fahrten zwischen Ar­beitsplatz und Wohnort teilweise bis zu einem Drittel des Nettoeinkommens. Mehr als die Hälfte der Pendler und Pendlerinnen denkt, laut einer Umfrage eines Automobil­klubs, bereits darüber nach, den Job oder den Wohnort zu wechseln, weil die Fahrtkos­ten einfach zu hoch werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Wegen Ihrer Politik!) Wir sind alle tief besorgt, und alle gemeinsam stellen wir Überlegungen an, wie wir den Men­schen diese Sorgen abnehmen können. Aber es ist wichtig, dass alle die gleichen Chancen haben, die Mobilität und somit den Lebensstandard und die Lebensqualität erhalten zu können. Wir schauen dabei auf die, die es am nötigsten brauchen.

Mit der Erhöhung der Pendlerpauschale nehmen wir finanzielle Sorgen zum Teil ab, und zwar folgende Sorgen (Abg. Mag. Kogler: Wieso? Die meisten, die sie brauchen, kriegen sie ja gar nicht!): Frau Ruth M. zum Beispiel lebt in Bischofshofen und arbeitet


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in Salzburg. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer? Die Frau Burgstaller?) Sie fährt täglich 120 Kilometer zur Arbeit und zurück und bezahlt mittlerweile pro Monat fast 200 € für Diesel. Durch diese Reform, durch dieses Gesetz werden zwei Drittel dieser ihrer Kos­ten nun abgefangen. – Oder: Herr Andreas Z. aus Rohrbach in Oberösterreich arbeitet im Süden von Linz. Durch die hohen Preise zahlt er an der Zapfsäule 50 € im Monat mehr, und mehr als die Hälfte davon erhält er nun durch die Erhöhung der Pendlerpau­schale 2007 und 2008. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Haimbuchner und Zan­ger.)

Aber nicht nur die Pendler und Pendlerinnen, die mit dem Auto fahren, sondern
auch die, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen, werden finanziell entlastet. (Abg. Dr. Haimbuchner: Der Herr Staatssekretär schaut jetzt sehr skeptisch! – Ruf bei der FPÖ: Der Herr Vizekanzler auch!) Viele davon sind Frauen, die tagtäglich hin und her fahren müssen, und für die ergeben sich noch viel mehr Alltagsprobleme, die gelöst werden müssen. Viele berufstätige Mütter machen täglich einen Spagat zwischen Be­ruf und Familie, Job und Kind. Nur die SPÖ (Abg. Dr. Haimbuchner: Beseitigt diese Ungerechtigkeit!) ist Garant dafür, dass wir diese Frauen mit ihren Sorgen nicht alleine lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Jetzt übertreibst du aber!)

Diese Frauen brauchen unter anderem ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen. Und dank der SPÖ in der Regierung, allen voran Frauenministerin Doris Bures, werden nun die Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich ausgebaut. Nur die SPÖ ist Garant dafür, dass die unfairen unterschiedlichen Einkommen zwischen Frauen und Männern wahrgenommen werden, und nur die SPÖ ist Garant dafür, dass viele not­wendige Schritte unternommen werden, wie der Ausbau der Kinderbetreuungseinrich­tungen, das flexible Kindergeld oder die Gleichbehandlungsgesetze in der Privatwirt­schaft. Und auch die Erhöhung der Pendlerpauschale wird ihren Teil dazu beitragen, dass die Berufstätigkeit von Frauen ermöglicht beziehungsweise erleichtert wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erhöhung der Pendlerpauschale ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann – ein großartiger Erfolg für die SPÖ, für den SPÖ-Bundes­kanzler, die SPÖ-Mitglieder in der Regierung und die SPÖ-Fraktion im Parlament. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: „Bravo“!)

Aber ich möchte auch nicht anstehen, mich bei den Kollegen von der ÖVP dafür zu be­danken (Abg. Ing. Westenthaler: Dass sie mitgemacht haben!), dass sie die Situation rechtzeitig erkannt haben und dieses Gesetz auch mitbeschließen. Das beharrliche Verhandeln mit der ÖVP hat sich gelohnt (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP), und schon bald werden die Pendler und Pendlerinnen auch spürbar entlastet werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja absolut lächerlich! – Niedersetzen! Aufhö­ren! Setzen Sie sich nieder!) Und darüber freue ich mich wirklich sehr! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Auch seine Redezeit beträgt maximal 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Haimbuchner: Jetzt muss der Kollege Stummvoll das ein bisschen ausbügeln!)

 


11.33.44

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zu meiner Vorrednerin: Herzlichen Dank, dass Sie diese Idee des Vizekanzlers so sehr gelobt haben! Ob es dem Bundeskanzler hilft, weiß ich nicht, aber es war die Idee des Herrn Finanzministers und Vizekanzlers. Danke vielmals für Ihr Lob! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Weil wir heute dieses Schenkungsmeldegesetz – hoffentlich mit breiter Mehrheit – beschließen, lassen Sie mich sagen: Ein guter Tag für die Steu­erzahler! (Abg. Ing. Westenthaler: Für die Stifter!) Die Steuerzahler werden von zwei Steuern befreit, von der Erbschafts- und von der Schenkungssteuer (Abg. Öllinger: Oje! Das hat schon der Grasser gesagt!), von zwei Steuern, Herr Kollege Öllinger, die extrem eigentumsfeindlich waren, die extrem familienfeindlich waren, die extrem mittel­standsfeindlich waren und die extrem arbeitsplatzfeindlich waren.

Kurze Erläuterung: Extrem familienfeindlich, weil sich die ganz überwiegende Zahl aller Erbschaften und Schenkungen in Österreich innerhalb der Familie abspielt. Und wir wollen haben, dass das Eigentum der Familie bleibt und nicht vom Staat weggesteuert wird. Das ist unsere ordnungspolitische Position, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Erinnern Sie sich daran: Es war vor einiger Zeit in der „Kronen Zeitung“ ein Leserbrief abgedruckt, in dem nachgewiesen wurde, dass – sicherlich ein Extremfall – durch meh­rere Todesfälle in der Familie für ein ererbtes Haus vier Mal Erbschaftssteuer gezahlt werden musste! – Das schaffen wir jetzt ab. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben.

Auch extrem mittelstandsfeindlich waren diese beiden Steuern, meine Damen und Her­ren: Wir hatten im Jahr 2006 insgesamt 62 000 Erbschaftssteuerfälle. Davon waren nur 95 über einem Betrag von 365 000 €, und 16 Fälle von 62 000 lagen über 1 Million €. – Das war also eine extrem mittelstandsfeindliche Besteuerung. (Abg. Krainer: Aber ein Viertel der Einnahmen war aus vier Fällen!) Sie fällt in Zukunft weg! Ein guter Tag für den Mittelstand, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Und ein guter Tag auch für die Arbeitsplätze! – Der Herr Finanzminister hat darauf hingewiesen: Wenn heute bei Betriebsübergaben – sei es im Schenkungsfall, sei es im Erbschaftsfall – zunächst einmal eine Steuer anfällt, überlegen sich ja viele, den Be­trieb überhaupt zu übernehmen. Ich kenne einen konkreten Fall aus meinem Wahlkreis Waldviertel: Ein Klein- und Mittelbetrieb mit 22 Mitarbeitern, Betriebswert 1 Million €. Der Unternehmer stirbt, der Bruder erbt den Betrieb. Als Bruder fällt er in Steuerklas­se 3, und er zahlt – mit allen Freibeträgen – zunächst einmal 190 000 € Erbschafts­steuer, bevor er den Betrieb überhaupt übernehmen kann!

Meine Damen und Herren, wenn wir das abschaffen, dann schaffen wir damit eine Er­leichterung für Betriebsübergaben, eine Erleichterung für Unternehmer, eine Erleichte­rung für Arbeitsplätze, die damit gesichert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt: Der heutige Tag ist ein guter Tag für den Mittelstand, er ist ein guter Tag für die Arbeitsplätze, er ist ein guter Tag für alle Eltern, die ihren Kindern etwas schenken wollen, ein guter Tag für alle Großeltern, die oft nach einem langen arbeitsreichen Le­ben das, was sie sich erarbeitet und erspart haben, den Enkelkindern steuerfrei verer­ben können, meine Damen und Herren! (Abg. Riepl: Die Urgroßeltern haben Sie ver­gessen!) Ein Jubeltag im Grunde, weil all das in Zukunft steuerfrei möglicht ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Riepl, ich lade Sie ein: Freuen Sie sich mit uns! (Abg. Riepl: Sie haben die Urgroßeltern vergessen!) Vielleicht haben Sie auch Kinder, vielleicht haben Sie auch Enkelkinder. Wenn Sie denen etwas vererben: Freuen Sie sich mit uns!

Ein Wort noch zu den Stiftungen: Wir haben im Finanzausschuss mehrmals darüber diskutiert, und es kam sehr klar heraus, dass wir es hier zweifellos mit einer hoch sen­siblen Materie zu tun haben, gar keine Frage. Herr Dr. Quantschnigg vom Finanzminis­terium hat es sehr schön formuliert: Es geht hier um eine Balance zwischen einer fairen Besteuerung einerseits und der Erhaltung von Betriebsvermögen andererseits. – Wir glauben, dass wir mit dieser Regelung diese faire Balance jetzt gefunden haben.


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Wir dürfen eines nicht übersehen, meine Damen und Herren: Wer eine Stiftung grün­det, verzichtet auf das Verfügungsrecht über sein Vermögen. Da ist es doch durchaus fair, dass wir hier Sonderbestimmungen haben! (Abg. Öllinger: Bartenstein! – Haben Sie auch eine Stiftung?) Es wurde bereits gesagt: In Zukunft gibt es keine Erbschafts- und Schenkungssteuer, aber sehr wohl gibt es noch eine Stiftungseingangssteuer, wenngleich auch in Höhe von 2,5 Prozent statt, wie bisher, 5 Prozent. – Eine sehr, sehr faire Regelung! Und ich bin überzeugt davon, dass das die Attraktivität des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Österreich weiterhin verbessern wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch Folgendes sagen: Mir ist klar, es gibt hier unterschiedliche ordnungspolitische Positionen. Und weil Kollege Van der Bel­len gerade den Saal betreten hat: Van der Bellen mag ein toller Wirtschaftstheoretiker sein – er mag einer sein; ich weiß es nicht –, aber, Herr Kollege Van der Bellen, von der wirtschaftlichen Praxis habe ich in Ihrer heutigen Rede sehr, sehr wenig bemerkt. (Abg. Öllinger: Da haben wir ja Sie!) – Ich bin froh, dass wir diese Herren auf der Re­gierungsbank haben und keine anderen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

11.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. Seine Redezeit: maximal 6 Minuten. – Bitte. (Vizekanzler Mag. Mol­terer: Der Stiftungsfan tritt auf! – Abg. Dr. Cap – in Richtung des an das Rednerpult tretenden Abg. Mag. Rossmann –: Alles ist hoffnungslos! Alles ist hoffnungslos!)

 


11.38.55

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Stummvoll, ein Jubeltag wäre heute in der Tat, wenn wir eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer beschließen würden (Abg. Dr. Stummvoll: Eine Steuer! Eine Steuer!), wenn wir die Privilegien bei den Stiftungen abschaffen würden und wenn wir eine massive Entlastung der Lohn- und Einkommen­steuerzahler in diesem Land beschließen würden. (Beifall bei den Grünen.)

Wir – oder besser gesagt Sie – tun mit diesem Gesetz genau das Gegenteil: Sie entlasten die Vermögenden in diesem Land (Abg. Dr. Stummvoll: Im Gegenteil! Die Großeltern!) und lassen die armen Lohn- und Einkommensteuerzahler – gestern sind ja nicht die Lohnsteuerzahler entlastet worden, sondern Zahler von Abgaben – weiter­hin bluten (Abg. Zweytick: Das ist eine Rede, ...!) angesichts hoher Preise einerseits und andererseits angesichts der Tatsache, dass die Eingangssteuersätze sehr, sehr hoch sind.

Und was tun Sie von der ÖVP, Herr Vizekanzler, Herr Stummvoll, Herr Schüssel? – Sie schieben den Mittelstand vor, um Privilegien für die Reichsten in diesem Lande zu schaffen. (Beifall bei den Grünen.)

Warum? – Nach all dem, was wir über Vermögen in Österreich wissen, wissen wir
und können sagen, dass es bei Vermögen keinen Mittelstand gibt. Da gibt es nur ein oben und da gibt es nur ein unten. 10 Prozent des gesamten Vermögens ... (Abg. Dr. Stummvoll: 1,4 Millionen Eigenheime, 600 000 Eigentumswohnungen!) – Ja, Herr Kollege. – 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über 70 Prozent des gesamten Ver­mögens, 1 Prozent davon verfügt über ein Drittel des gesamten Vermögens. – Und Sie sagen, Sie entlasten den Mittelstand.

Schauen wir uns an, wie die Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuer-Belastungen verteilt sind! In der Tat, es gibt viele Fälle, aber die Erbschafts- und Schenkungs­steuer 2006 zeigt, dass es nur fünf Schenkungen und Erbschaften gewesen sind, die 23 Prozent der gesamten Steuereinnahmen eingebracht haben. Das sind die Tatsa­chen.


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Schauen wir uns jetzt Folgendes an: Wer sind die Stifter in diesem Land? Wie viele Ar­beitsplätze werden denn dadurch geschaffen? – Ich habe hier eine Liste der Privatstif­tungen. Da gibt es einen gewissen Herrn Flick; der ist aus dem Ausland nach Öster­reich gekommen, um Steuern zu sparen. Das ist richtig. Aber dann lese ich Ihnen ein paar Namen vor: Wlaschek, Swarovski, Prinzhorn, Dichand, Androsch, Haselsteiner, Essl, Bartenstein. (Abg. Scheibner: „Böse“ Kapitalisten!) Das sind ja keine Auslän­der – oder täusche ich mich? (Abg. Neugebauer: Die Zahl der Arbeitsplätze rechts dazuschreiben!) Sind das nicht Unternehmen, die schon vorher existiert haben, Herr Vizekanzler? (Vizekanzler Mag. Molterer: Und die Arbeitsplätze?) – Ja, aber diese Ar­beitsplätze haben ja um Himmels willen schon vorher bestanden, bevor die Unterneh­men in die Stiftung eingebracht worden sind.

Herr Vizekanzler, wenn Sie sagen, wir sollen die Ideologie im Schachterl lassen, dann sage ich Ihnen: Lassen Sie die Märchen und Mythen im Schachterl und kümmern Sie sich darum, dass für die Reichen und Reichsten dieses Landes keine Privilegien, keine zusätzlichen Privilegien geschaffen werden. (Beifall bei den Grünen. – Vizekanzler Mag. Molterer: Warum hat es Lacina eingeführt?) – Um Familienvermögen zusam­menzuhalten, ja, aber mit üppigen Steuervorteilen, meines Erachtens zu üppigen Steu­ervorteilen.

Aber mit dem, was jetzt mit der Stiftungsbesteuerung passiert, werden die Stiftungen zu einem reinen Steuersparvehikel. Und vielleicht sollten Sie nicht immer nur auf Ihre Experten im Finanzministerium, dem „Wahrheitsministerium“, hören, vielleicht sollten Sie auch einmal auf andere Experten hören. Wir im Finanzausschuss haben das ge­tan. Und zwei der dort anwesenden Experten haben klipp und klar gesagt, dass hier neue zusätzliche Steuerprivilegien für die Stiftungen geschaffen wurden.

Was in der Tat gelungen ist, ist, die Steuerrückerstattungen für die bereits bestehen­den Stiftungen abzuschaffen, die zu einer Steuerersparnis in der Größenordnung von 400 Millionen € geführt hätten. Herr Jan Krainer, der ja der Chefverhandler war, hat das in der „ZiB 2“ bestätigt. Ich denke, dass es ein Erfolg der Grünen zusammen mit Universitätsprofessor Doralt gewesen ist, dass diese Regelung nicht gekommen ist! (Beifall bei den Grünen.) Damit haben wir dem österreichischen Budget und den Steu­erzahlern 400 Millionen € erspart, auf 20 Jahre gesehen 20 Millionen € pro Jahr. Das ist Geld, das wir dringend brauchen können für Kindergärten, für Schulen, für die Pfle­ge und für andere Dinge.

Ein weiteres Argument: Wenn hier immer wieder behauptet wird, mit der Erbschafts- und Schenkungssteuer werde eine Doppelbesteuerung vorgenommen, so stimmt das schlicht und einfach nicht. Beim Erblasser ist das ein Vermögen, das anfällt, das bisher noch nicht versteuert wurde.

Werfen wir einen Blick über den Teich in die USA! Dort gab es vor einigen Jahren auch eine Diskussion über die Reduktion der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Und die Reichen und Reichsten dieses Landes – Bill Gates, Warren Buffett, und wie sie alle heißen mögen (Abg. Scheibner: Auch so „böse“ Menschen!) – haben dafür Sorge ge­tragen, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht zur Gänze abgeschafft, son­dern nur reduziert wurde bis zum Jahre 2010. Dann wird dort weiterdiskutiert werden.

Aber eines muss man sich schon vor Augen halten: Wenn heute dieses Gesetz be­schlossen werden wird, dann wird Österreich eines der wenigen Länder sein, das weder eine Vermögensteuer noch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer haben wird. Das ist ja ein Unikat – weltweit! Da gibt es nur noch Italien und sonst fast nichts. (Prä­sident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Und wenn Sie, Herr Kollege Krainer, sagen, die Vermögenszuwachssteuer sei ein Er­satz für die mangelnde Besteuerung von Vermögen, so irren Sie. Wir werden uns sehr


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 70

genau anschauen, was bei dieser Regelung überhaupt herauskommen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hauser. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

 


11.45.34

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ich möchte auch noch kurz auf die Geschäftsordnungsdebatte einge­hen und schon festhalten, dass der Stil, wie wir miteinander umgehen, entscheidend ist.

Ich habe heute in der Fragestunde hier herinnen eingefordert, dass das Einkaufen für den Konsumenten nicht zu teuer sein darf, sondern leistbar sein muss. Aufgrund dessen verlangen wir als Freiheitliche Partei Änderungen und fragen: Was kann man denn tun, damit sich der Konsument die Lebensmittel überhaupt noch leisten kann, deren Preise ja in den letzten eineinhalb Jahren exorbitant gestiegen sind? Das ist unbestritten, und die Bürger haben zu Recht das Gefühl, dass man in Wahrheit um 50 € in der Einkaufstasche nicht mehr viel drinnen hat und es hinten und vorne brennt, weil man mit dem Einkommen nicht mehr auskommt.

Wir als Freiheitliche Partei haben bereits im vergangenen Herbst unter anderem Ge­genmaßnahmen eingefordert, zum Beispiel, die Mehrwertsteuer auf die Grundnah­rungsmittel, die der Bürger Tag für Tag benötigt, als einen ersten Schritt zu reduzieren. Und dann lese ich die heutige Presse-Aussendung vom Kollegen Auer, in der er mir eine unglaubliche Entgleisung unterstellt und sagt, ich hätte in meinem Einleitungs­statement in der Fragestunde behauptet (Abg. Dr. Stummvoll: Wir reden aber zum Schenkungsmeldegesetz!), die Bauern seien schuld an den hohen Lebensmittelprei­sen. – Das ist einfach unwahr!

Wahr ist – und in meiner ersten Wortmeldung habe ich das festgestellt –, dass seitens der Freiheitlichen Partei natürlich faire Preise für die Bauern einzufordern sind. Das möchte ich noch einmal festhalten und unterstreichen. Wenn sich ein Fernsehzuschau­er die Zeit genommen hat, die Debatte vom Beginn bis jetzt anzuschauen, wird er das wissen.

Und das ist der Punkt, der auch wirklich geändert gehört: Man muss sich gegenseitig ernst nehmen und auch zuhören können. Wenn später solche Aussagen kommen und das eigentliche Problem nicht angesprochen wird, nämlich die Bevölkerung endlich ein­mal von den exorbitant gestiegenen Preisen beim Heizen, beim Tanken, beim Woh­nen, beim Einkaufen zu entlasten, und der ÖVP nicht mehr einfällt, als hier plumpe Plattitüden in meine Richtung von sich zu geben, dann beweist das auch den Stil. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Im Übrigen zum Stil: Das Parlament muss sich ernst nehmen. Aber zum Ernstnehmen gehört ja auch dazu, dass wir Aufgaben haben und uns nicht immer selber be­schränken. Wenn ich also jetzt nach hinten schaue und sehe, dass die EU-Fahne gleich groß wie die österreichische Fahne ist, dann ist das auch ein Beispiel dafür, wie die Großparteien SPÖ und ÖVP mit den Grünen nicht nur über die österreichische Be­völkerung drübergefahren sind und die Europäische Verfassung, die aus unserer Sicht ein reines Diktat darstellt, einfach gegen den Willen der Bevölkerung durchgezogen haben (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), sondern es ist auch Fakt, dass natürlich durch dieses EU-Diktat dem Parlament auch Kompetenzen genommen werden, uns genommen werden, Ihnen genommen werden. (Abg. Dr. Stummvoll: Zur Sache! –


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 71

Abg. Dr. Schüssel: Sie reden nicht zur Sache!) Es werden Kompetenzen genommen. Und das ist das Entscheidende! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Schüssel: Reden Sie endlich zum Schenkungsmeldegesetz!)

Wenn Sie, Herr Dr. Schüssel, schon vor Brüssel permanent in die Knie gehen, weil Sie möglicherweise einen Job in Brüssel haben wollen, so ist das Ihr privates Problem. Aber wenn Sie schon bei den Verhandlungen in die Knie gehen, dann hätten Sie zu­mindest einiges ausverhandeln müssen: zum Beispiel, dass es eine fixe Verlagerungs­garantie für den transitierenden Lkw-Verkehr von der Straße auf die Schiene gibt.

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Kollege, ich darf Sie jetzt auffordern, wie­der zum Verhandlungsgegenstand zu sprechen! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

 


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Geschätzte Damen und Herren! Wenn Sie heute das Ergebnis Ihrer Verhandlungen als großen Erfolg darstellen, sage ich, das kann nicht sein. Denn jeder, der ein Auto besitzt, weiß (der Redner hält eine Tafel, auf der in roter Schrift „55 % Steuern“ steht, in die Höhe), dass er 55 Prozent des Preises beim Tanken in die größte Zapfsäule der Republik abgibt, die jetzt quasi hinter mir sitzt, nämlich an die beiden größten Zapfmeister (Beifall bei der FPÖ), den Herrn Finanzminister und den Herrn Staatssekretär für Finanzen hinter mir, dass 55 Prozent in ihre Kasse fließen. Sie geben heute kleine, bescheidene Gelder zurück und wollen das als großen Erfolg darstellen. Es ist aber jedem, auch uns klar: Ihnen fehlt das Herz, Herr Finanzminister! Sie hätten schon früher, Sie hätten schon rechtzeitig reagie­ren müssen. Und es wäre Ihnen ein Leichtes, Teile von den 816 Millionen €, die Sie im ersten Quartal dieses Jahres bereits mehr eingenommen haben, der Bevölkerung zurückzugeben.

Was tun Sie jedoch? – Sie bleiben auf Ihrem Geld sitzen, beschönigen die Situation, schauen zu, wie die Bevölkerung Tag für Tag mit dem Einkommen nicht auskommt, und versuchen hier, die Situation noch schönzureden.

Deswegen darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, Hauser, Weinzinger und weiterer Abgeordneter

betreffend Stopp dem Treibstoffpreis-Wahnsinn

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vor­zulegen, mit denen die folgenden Maßnahmen zur Entlastung der Autofahrer umge­setzt werden:

Halbierung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe

Teuerungsausgleich für Pendler

Temporäre Aussetzung der Mineralölsteuer

Erhöhung des Kilometergeldes auf 50 Cent pro Kilometer.“

*****

Herr Finanzminister! ...

11.52



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 72

Präsident Dr. Michael Spindelegger (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege! Ihre Redezeit ist schon längst beendet. (Abg. Strache: Der Schlusssatz! – Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Hauser.)

Der von Ihnen eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, Hauser, Weinzinger und weiterer Abgeordneter

betreffend Stopp dem Treibstoffpreis-Wahnsinn

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (549 und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schen­kungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenord­nung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) in der 63. Sitzung des Nationalrates am 06. Juni 2008

Eine Berechnung des ABRÖ zeigt, dass Autofahrer mit einem Dieselfahrzeug allein wegen der gestiegen Treibstoffpreise zwischen 211 Euro und 1051 Euro mehr pro Jahr für Diesel ausgeben als noch im Jahr 2007. Somit wird der tägliche Weg zur Arbeit zu einem Luxus, den sich viele Pendler nicht mehr leisten können.

Abzocken, wo es geht. Spritpreise, Vignette, NOVA... im Abkassieren der Kraftfahrer sind sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP einig - Preise erhöhen, wo es geht, lautet die Devise der Bundesregierung. Betroffen ist ein riesiger Teil der Österreicher, die beruflich auf das Auto angewiesen sind. Aber auch viele Familien, für die ein Kraft­fahrzeug unabdingbar ist, um beispielsweise ihre Kinder zum Kindergarten oder in die Schule bringen zu können, sind vom Abkassieren an der Tankstelle betroffen.

Die Bundesregierung holt sich durch die jüngste Mineralölsteuer-Erhöhung jährlich zu­sätzliche 475 Millionen Euro. Zusätzlich kassiert der Staat seit Jahren auch noch Hun­derte Millionen Euro durch die Mehrwertsteuer, weil diese Steuereinnahme mit den Spritpreisen automatisch mitwächst! Desweiteren profitiert die Bundesregierung von den Millionengewinnen der OMV.

Die FPÖ hat schon seit langem Maßnahmen verlangt, um die Österreicherinnen und Österreicher bei den Spritpreisen endlich zu entlasten, geschehen ist jedoch von Re­gierungsseite - wieder einmal - nichts.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Treibstoffpreise in Österreich stärker gestiegen sind als in der Euro-Zone.

Die jetzigen Treibstoffpreise sind unzumutbar. Die Regierung muss daher endlich han­deln, bevor Autofahren endgültig zum Luxus wird. Es ist daher eine essenzielle Auf­gabe der Regierung, hier regulierend einzugreifen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 73

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vor­zulegen, mit denen die folgenden Maßnahmen zur Entlastung der Autofahrer umge­setzt werden:

Halbierung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe

Teuerungsausgleich für Pendler

Temporäre Aussetzung der Mineralölsteuer

Erhöhung des Kilometergeldes auf 50 Cent pro Kilometer.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: So. (Abg. Strache: Herr Präsident! Es ist üblich, einen Schlusssatz zu gewähren!) – Herr Abgeordneter Strache und Herr Abge­ordneter Hauser! Ich habe gerne, wie bei anderen Rednern, zugesehen, dass man die Redezeit ein wenig überschreitet. Aber wenn man einen Entschließungsantrag, erst unmittelbar bevor die Redezeit endet, einbringt, dann ist das nicht mehr zulässig.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Auch Ihre Redezeit beträgt maximal 6 Minuten. – Bitte.

 


11.52.25

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich bedanke mich gleich bei meinem Vorredner für die Verlesung der Kärntner Resolution (Heiterkeit beim BZÖ); da erspare ich mir jetzt Zeit, die ohne­hin sehr kostbar ist.

Ich möchte mit einem Lob beginnen – an und für sich etwas Unübliches, aber wir ste­hen natürlich zum Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer, weil es ein be­reits versteuertes Vermögen ist. Und das kann man nicht ein zweites Mal einer Steuer unterziehen. Daher stehen wir dem natürlich sehr positiv gegenüber. (Beifall bei BZÖ und ÖVP.)

Zur steuerlichen Behandlung der Stiftungen. Gut, der ÖVP kann man da als Vertreterin des Großkapitals keine Vorhaltungen machen, aber mich wundert das Verhalten der SPÖ, dass man die Vermögenden in unserem Land von Steuern befreit, und jenen, die es wirklich brauchen, die mit ihrem Geld nicht mehr auskommen, was wir heute schon mehrmals gehört haben, nicht finanziell unter die Arme greift. Das verstehe ich über­haupt nicht.

Da müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, da müssen Sie Ihre ganzen Teilorganisationen in Zukunft umbe­nennen: Arbeiter-Jachtklub, Arbeiter-Zigarrenklub, Barrique-Klub – das werden in Zu­kunft die SPÖ-Vorfeldorganisationen sein. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Das schaue ich mir an, wie lange Sie dann Ihre Genossen noch bei der Stange halten werden.

Das ist auch ein fatales Signal! Gott sei Dank haben Sie dank der Eingriffe der Oppo­sition abgewehrt, dass Sie den Stiftungen 400 Millionen € nachschießen, die das über­haupt nicht brauchen, denen diese ganze Diskussion peinlich ist, weil sie ja wissen, dass wir in Österreich eine der attraktivsten Stiftungsregelungen in der gesamten Euro­päischen Gemeinschaft haben. (Abg. Strache: Dem ÖGB, den ÖGB-Stiftungen ist das nicht peinlich!) Die Leute kommen zu uns und legen in Österreich ihr Vermögen an – Gott sei Dank –, gut verwaltet. Aber da reicht doch ein Eingangssteuersatz mit 5 Pro­zent völlig aus. Da muss man nicht diese 5 Prozent auch noch halbieren.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 74

Herr Klubobmann Schüssel, zu Ihnen, weil Sie sagen, da gehe es auch um mildtätige Organisationen, kirchliche Institutionen et cetera: Die hatten bis dato auch den halben Steuersatz von 2,5 Prozent. Das sollte die Bevölkerung auch wissen. Aber dass jetzt alle nur mehr die Steuerbegünstigung von 2,5 Prozent in Österreich genießen, das ver­steht niemand. Vor allem verstehen das jene Menschen in diesem Land nicht, die mit dem Geld nicht auskommen. Die Pendler, die bis zu 12 000 Kilometer im Jahr zur Ar­beit fahren müssen, bekommen gerade einmal 3 000 € Ersatz. Und die werden mit 60 Millionen € Erhöhung der Pendlerpauschale abgespeist, während Sie über 750 Mil­lionen € einnehmen. Das ist doch eine fatale Situation für all jene, die in unserem Land ums Überleben kämpfen und nicht wissen, wie sie ihr tägliches Auskommen finden sol­len.

In Wahrheit ist es ja so – Herr Bundesminister Pröll hat es heute in der Fragestunde beantwortet, wenn Sie genau zugehört haben –: Es ist um die Erhöhung der Lebens­mittelpreise gegangen. Er hat ganz klar auf die Frage: Warum sind die Lebensmittel­preise so in die Höhe gegangen?, geantwortet: Es gibt exorbitante Erhöhungen bei den Energie- und Treibstoffkosten. Ich sage, exorbitante Erhöhungen auch dort, wo nicht nur die Mineralölsteuer zugefasst hat, sondern auch die Lohnnebenkosten mit der Er­höhung, die Sie bei den Sozialversicherungsbeiträgen beschlossen haben.

Das sind doch hausgemachte Teuerungen! Da dürfen Sie sich nicht zurücklehnen und sagen, damit habe die Bundesregierung nichts zu tun. Alle Wirtschaftsexperten sagen Ihnen, Sie haben mindestens einen halben Anteil an der gesamten Inflation. Und die Inflation wird sich ausweiten. Wenn wir uns den Warenkorb anschauen, der die Infla­tion berechnet, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist festzustellen – werfen Sie einmal einen Blick in diesen Warenkorb! –: Da sind ja schon längst nicht mehr aus­schließlich Güter des täglichen Bedarfs drinnen, sondern da ist ein Auto drinnen, da ist ein Fernseher drinnen. Einen Fernseher kaufe ich doch nicht täglich! (Beifall beim BZÖ.) Den kaufe ich alle sieben bis zehn Jahre. Ein Auto kaufe ich alle sieben Jahre. Das ist doch nicht mehr die Realität.

Die wirkliche Inflation ist 10 Prozent, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht 3,5 Prozent oder 3,6 Prozent. (Abg. Strache: Das ist richtig!) Und darauf muss die Bundesregierung endlich einmal eine Antwort finden und die Menschen entlasten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Beispiel Kärnten zeigt es Ihnen vor. (Abg. Strache: Da gibt es 100 000 arme Kärntner!) Unser Landeshauptmann Dr. Jörg Haider zeigt Ihnen vor, was soziale Politik ist. (Beifall beim BZÖ.) Das können Sie
sich anschauen, meine sehr geehrten Damen und Herren: amtlicher Preisstopp bei den Treibstoffen, MöSt-Senkung, Rücknahme der Steuern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das schaue ich mir jetzt aber wirklich an vonseiten der SPÖ und ÖVP, was Sie dazu sagen.

„Billiger Populismus“, habe ich gehört, Herr Finanzminister und Vizekanzler. (Abg. Mag. Kogler: Nicht einmal das!) Das sagen Sie (in Richtung ÖVP) dann aber auch dem Herrn Martinz, und Sie (in Richtung SPÖ) sagen das Ihrer Frau Schaunig-Kan­duth. Sie hat das unterschrieben, diese Resolution ist einstimmig in der Kärntner Lan­desregierung beschlossen worden. Einstimmig! (Abg. Dr. Cap: GTI-Treffen!) Denen sagen Sie das auch, dass das „billiger Populismus“ ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Aber es gibt eine Fülle anderer Maßnahmen, die in Kärnten passieren: Verdoppelung des Heizkostenzuschusses – zu den 200 € noch einmal 200 € –, 70 € Energiescheck, Wohnungsbeihilfe. (Unruhe im Saal.) In Kärnten passiert etwas, meine Damen und Herren! Bei der Landestankstelle in Friesach, in meiner Heimatstadt, bezahlen Sie für eine Tankfüllung pro Liter 1,20 €. Ich lade alle herzlich ein, zu uns nach Friesach zu


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 75

kommen, meine Damen und Herren, bei uns zu tanken und sich natürlich die wunder­schöne historische Stadt Friesach anzuschauen. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Der Finanzminister erklärt uns die ganze Zeit, das ist nicht möglich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister, Sie wissen das, Sie können einen Preisstopp verfügen. Sie nicht, aber der Wirtschaftsminister. Der kann das nach § 5 Preisregelungsgesetz.

Handeln Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Interesse der Bevölkerung! – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

11.58


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Dr. Matznetter gemeldet. Ihre Redezeit darf 8 Minuten nicht überstei­gen. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt liegt die Latte hoch!)

 


11.58.56

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte Folgendes an die erste Stelle stellen: Ja, in ganz Österreich stellt sich, so wie in allen anderen Ländern, das Problem gestiegener Kosten für die Mobilität. Wir haben gerade eingangs gehört, dass Österreich heuer und hoffentlich auch im nächsten Jahr deutlich besser wächst als alle Vergleichsstaaten. Wir wachsen besser als die Euro-Zone, wir wachsen besser als die EU 15, wir wach­sen besser als die OECD-Staaten. Die österreichische Wirtschaft zeigt noch ein ro­bustes Wachstum mit zurückgehender Arbeitslosigkeit. Es ist der Fleiß der Menschen im Land, die es in dieser Situation möglich machen, dass sich unsere Produkte und Dienstleistungen auch beim Euro-Dollar-Verhältnis von 1:55, 1:60 gegen billigere Produkte auf den Weltmärkten behaupten können. Das ist die Qualität, wie Arbeit in Österreich erbracht wird! Diese Menschen fahren täglich zur Arbeit und finden – das ist richtig (Abg. Strache: Momentan stehen sie im Stau in Wien!) – an der Zapfsäule heute bereits Preise vor, die deutlich über denen liegen, wie es sie noch vor fünf oder zehn Jahren gab.

Diese Regierung handelt sofort! (Zwischenrufe beim BZÖ.) Seit vierzehneinhalb Mona­ten ist diese Regierung im Amt; wir haben inzwischen drei Mal die Pendlerpauschale erhöht, wir haben erstmals eine Negativsteuer-Komponente für Pendler, die unterhalb der Lohnsteuer-Freigrenze liegen, eingeführt. (Abg. Strache: Sie spüren nichts im Geldbörsel an Entlastung! Das ist der entscheidende Punkt!) Leider wissen die Men­schen noch zu wenig, dass im nächsten Jahr die Negativsteuer auf maximal 240 € angehoben wird. 130 € beträgt darin allein die Komponente für die Negativsteuer.

Zweiter wesentlicher Teil: Wir gehen nicht her und sagen, wir senken die Spritpreise allgemein durch Senkung der Mineralölsteuer. Warum nicht? – Erstens: Die Tiroler würden sich sehr bedanken, wenn wir hergehen würden (Abg. Strache: Österreichi­sche Kfz-Besitzer zum Beispiel!) und die niedrigste Mineralölsteuer auf Diesel herstel­len. (Abg. Strache: Österreichische Kfz-Besitzer!)

Wir gehen den richtigen Weg und geben dem, der mit dem Auto fahren muss – zur Ar­beit oder für die Arbeit –, direkt Geld. Ich halte das für besser und für vernünftiger als eine Gießkanne, die nur zu höheren Profiten bei den Mineralölgesellschaften führen würde. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Mich erstaunt in diesem Zusammenhang ja nur, wieso genau diese Maßnahme umstrit­ten ist, obwohl eigentlich das ganze Parlament auch auf sich selbst stolz sein kann. Denn diese zwei Wochen des sofortigen Reagierens, die der Herr Vizekanzler genannt hat, funktionieren nur im Zusammenspiel von Regierung und Parlament. Sagen wir den


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 76

Menschen: Ja, wir wissen, was notwendig ist, wir handeln sofort, aber wir machen es mit Augenmaß und zielgerichtet! (Abg. Strache: Das ist ja Pflanzerei! Sie pflanzen hier die Bürger!)

Wenn ich eine Nebenbemerkung machen darf: Aus den Rängen von FPÖ und BZÖ, die sieben Jahre in der Regierung waren, wobei in den sieben Jahren die Erhöhung der Pendlerpauschale nicht einmal die Hälfte dessen war, was bei uns in 14 Monaten der Fall ist (Abg. Mag. Hauser: Sie sind ja in der Regierung!), brauchen Sie in diesem Fall keine Zwischenrufe zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Schauen Sie sich einmal die Kaufkraft an! – Abg. Ing. Westenthaler: Der Benzinpreis war vor zwei Jahren noch ganz woanders! – Abg. Scheibner: Ich werde Ihnen dann schon eine Antwort geben! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Sie selbst haben vorhin die Pensionserhöhungen kri­tisiert, die die mangelnde Kaufkraft der Pensionisten für den Einkauf von Benzin dar­stellen. (Abg. Scheibner: Dort drüben sind Sie gestanden, als Sie die Steuersenkung abgelehnt haben!) Darf ich an der Stelle darauf verweisen: In diesem Jahrzehnt gab es nur zwei Mal eine Erhöhung über der Inflationsrate, und dies war in den letzten beiden Jahren. In diesem Sinne brauchen Sie dieser Regierung, diesem Bundeskanzler und diesem Finanzminister keinen Vorwurf zu machen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie waren gegen jede Steuersenkung!) Im Gegenteil, applaudieren Sie Bundeskanzler Gusen­bauer und Vizekanzler Molterer in dieser Frage! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Um zum zweiten großen Vorwurf zu kommen (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Ritter von der traurigen Gestalt sind Sie, muss ich wirklich sagen!): Dieser lautet, dass innerhalb der Regierungskoalition die Sozialdemokratie einer Abschaffung der Erbschaftssteuer zugestimmt hat. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Herr Professor Van der Bellen! Auch wenn Kollege Pilz behauptet, dass es nur wenige Stunden Arbeit sind, wissen wir alle, dass Abgeordnete sich mit sehr vielen Materien beschäftigen müssen. (Abg. Dr. Brinek: Wo ist denn Herr Pilz?) Das Verfassungsge­richt hat den § 19 über die Einheitsbewertung, der diese Ungerechtigkeit aufzählt, nicht aufgehoben, sondern er hat den Grundtatbestand aufgehoben. Durch die Aufhebung des Grundtatbestandes gab es keinerlei Verhandlungsmasse mehr für eine Reform dieser Steuer.

Sie haben selbst in diesem Hause erlebt (Abg. Mag. Rossmann: Sie haben nur der ÖVP ...!), dass die Kühlschrank-Behaupter eigentlich selbst die sozialen Kühlschrank-Produzenten sind, nämlich die, die in Wirklichkeit für fünf Erben in Millionenhöhe keine Steuer wollen. Das ist eine Realität im Lande, der wir uns stellen müssen, es gibt keine Mehrheit. Unsere Aufgabenstellung war es daher (Abg. Mag. Kogler: Sicher gibt es eine Mehrheit!), in dieser Situation Verbesserungen herbeizuführen.

Es gibt keine neuen Privilegien für Stiftungen oder Reiche in diesem Zusammenhang! Was wir gemacht haben, ist, die Stiftungen, die ab 1. August keine Eingangssteuer mehr zahlen würden, zu verpflichten, aus dem zugewendeten Kapital auch künftig eine Stiftungseingangssteuer zu zahlen. Es ist richtig, die Höhe ist 2,5 Prozent, so wie es bis vor drei Jahren war, so wie das Gesetz ursprünglich unter Ferdinand Lacina erlas­sen wurde. Es ist richtig, in der Regierungsvorlage war dafür ein höherer Prozentsatz vorgesehen.

Ich selbst war der Meinung, dass dies vernünftig war. Warum? – Weil wir gleichzeitig eine Fülle anderer Dinge verhindert haben. Erstens gibt es keine Rückerstattung alter Stiftungssteuer, weder nach dem ursprünglichen Text noch nach dem Abänderungs­text, an den Stifter aus dem Anlass des Widerrufs. Da hätten sich nämlich die Stifter die Steuer zurückholen können. Dieser § 33 fällt mit dem Gesetz. Außerdem hätte es


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 77

nur eine Anrechnung auf die Körperschaftsteuer gegeben, die, wie jeder weiß, Stiftun­gen de facto nur als sogenannte Zwischensteuer zahlen.

Es gab kein Privileg, weder in der Regierungsvorlage noch jetzt. Wir haben kein Privi­leg – weder für Reiche noch für Stiftungen – geschaffen. Wir haben ein Schenkungs­meldegesetz gemacht, um gröbste Missbräuche zu verhindern. Wir haben die Frage der Substiftungen zu regeln versucht, damit es nicht für Konstruktionen, die nie inten­diert waren, genützt werden kann. Und wir haben dadurch eine Aufrechterhaltung der Stiftungseingangsbesteuerung mit einem Volumen von 10 Millionen € auch nach dem 1. August sichergestellt.

Rundum betrachtet, kann ich nicht sagen, dass es für mich ein Vergnügen ist, dass es diese Reform des Gesetzes nicht gibt. Ich hätte mir vorgestellt – und ich behaupte, dass das hier sehr viele betrifft, auch in anderen Fraktionen –, eine gute Reform
der Erbschafts- und Schenkungssteuer wäre eine gute Alternative gewesen. Wir ha-
ben aber jetzt eine Lösung gefunden, die dem Mehrheitswillen hier entspricht. (Abg. Ing. Westenthaler: Mehrheitswillen?)

Aber eines, bitte, nicht mehr in dem Zusammenhang: aus den Rängen jener, die den Entfall der Steuer für Millionenerben begrüßen und gleichzeitig von sozialer Kälte re­den! (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Freuen Sie sich für die Pendler über die Verbesserungen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war jetzt nicht schlecht!)

12.07


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. Maximale Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist jetzt ein Abgeordneter des Mehrheitswillens!)

 


12.07.18

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatsse­kretär! Frau Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Vorbemer­kung, Herr Kollege Hauser, wenn Sie schon den Umgang miteinander hier beklagen: Ich habe die Frage nicht wie Sie formuliert. Sie haben wörtlich gefragt: „Welche Maß­nahme werden Sie setzen, um der permanenten Verteuerung von landwirtschaftlichen Produkten Einhalt zu gebieten, zumal seit dem EU-Beitritt ...?“, und so weiter, und so fort. (Abg. Mag. Hauser – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Lesen Sie es wörtlich vor!)

Meine Damen und Herren! Ich frage den Kollegen Hauser: Ist das Schnitzel, das der Gastronom oder das Restaurant zur Verfügung stellt oder anbietet, vom landwirtschaft­lichen Produktpreis geprägt? Ist die Semmel, worin der Anteil des Getreides 2 Prozent ausmacht, vom landwirtschaftlichen Produktpreis geprägt? Ist das Kilo Brot, in dem der Anteil des landwirtschaftlichen Produkts 3,9 Prozent beträgt, vom landwirtschaftlichen Produktpreis geprägt?

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hauser! Wenn Sie gefragt hätten: was unter­nehmen Sie, um die Handelsspannen oder andere Dinge zu verringern?, dann wäre ich bei Ihnen gewesen. Aber nicht, wenn hier andere Dinge unterstellt werden! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe es ja, offensichtlich haben Sie Ihre selbst eingebrachte Frage nicht gele­sen, die Ihnen vielleicht ein Mitarbeiter formuliert hat – um dann draufzukommen, dass Sie gerade in dieser Zeit, ein paar Tage vor der Wahl, einen Blödsinn formuliert haben. Das ist Ihre Sache, aber nicht die meine, meine Damen und Herren! (Beifall bei der


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ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Hauser – ein Schild mit der Auf­schrift „55 % Steuer“ in die Höhe haltend –: Das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren! Zurück zu dem, was wir jetzt zu beschließen haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der grünen Fraktion, die ventiliert hat, dass wir hier einige Experten beiziehen mögen. Es war interessant ... (Abg. Steibl: Aber das war nicht Herr Pilz!) – Nein! Da könnte man eine Suchaktion aufgeben, er ist wieder einmal nicht hier. (Abg. Rauch-Kallat: Pilz-Watch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Kollege Kogler, der sich zu Recht mehrmals darüber be­klagt hat, dass dieser Finanzausschuss verschoben wurde (Abg. Mag. Kogler: Unter­brochen!), unterbrochen wurde, vertagt wurde, um zu einer Lösung zu kommen – ich glaube, es ist eine ausgezeichnete Lösung –, hat am letzten Tag wörtlich gesagt: An und für sich hat diese Unterbrechung etwas Gutes gehabt, denn jetzt ist es zu einer vernünftigen Lösung gekommen.

Der Sachverständige der Grünen, Doralt, hat plötzlich vermeldet: Nein, er sei ja nicht gegen die Stiftungen. Wenn man ihm genau zugehört hat, hat er es sogar als durchaus arbeitsplatzsichernd und standorterhaltend bestätigt. (Abg. Dr. Van der Bellen: Aber die 400 Millionen ...! Da verschweigen Sie das Wichtigste!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klubobmann Van der Bellen! Sie wissen doch selbst besser, dass es hier nicht um 400 Millionen geht. Erzählen doch bitte Sie als an­erkannter Wirtschaftsexperte nicht derartige Märchen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.) Meine Damen und Herren, erzählen Sie nicht derartige Märchen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sie schreiben da in die Unterlagen hinein ...!)

Ich möchte ausdrücklich Herrn Staatssekretär Matznetter gratulieren, da er im Aus­schuss in einer präzisen Art und Weise die Sachlage erläutert hat. Hier könnte man sich die Mühe nehmen, 10 Minuten wirklich aufzupassen, dann müsste man nicht im­mer wieder derart populistische Behauptungen in den Raum stellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, der Herr ehemalige Bundesminister Lacina (Abg. Dr. Van der Bellen: Einer der Besten!), dessen Wirtschaftskompetenz man nicht in Zweifel ziehen kann und konnte (Abg. Dr. Van der Bellen: Sehr richtig!), hat damals ein Stiftungsrecht modernster Art in die Wege geleitet; wenn ich es richtig im Kopf habe, in Zusammenarbeit mit Kollegem Ditz.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute stolz darauf sind, dass Österreich besser wächst, besser in der Europäischen Union dasteht, dass Österreichs Wirtschaft her­zeigbar ist, wenn man sich das ansieht (der Redner hält eine Ausgabe der „Oberöster­reichischen Nachrichten“ in die Höhe), „VOEST-Alpine: Mehr als 10 Milliarden Bilanz­umsatz“, ein neuer Rekord, mit einem gewaltigen Plus an Beschäftigten, an Lehrlingen, an Steuerleistung, an Standortsicherung, dann erinnere ich mich auch an eine Debatte, und zwar jene über die Körperschaftsteuerreform.

Die Körperschaftsteuerreform wurde mit Hilfe der damaligen FPÖ – oder BZÖ – umge­setzt, trotz massiver Kritik damals noch von dieser Seite (Abg. Scheibner: Matznetter war dagegen!), vor allem auch von der SPÖ Oberösterreich. (Abg. Ing. Westenthaler: War eine sehr gute Maßnahme!) Man lag damals falsch, so wie heute diese Seite zu dem Stiftungsrecht falsch liegt. Die Wahrheit wird sich zeigen: dass es richtig war, das umzusetzen, so wie damals bei der Voest-Debatte und der Privatisierung die Vor­gangsweise notwendig war und richtig war. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glo­ckenzeichen.)

In diesem Sinne stimmen wir dieser Vorlage gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

12.12



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 79

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. Ebenfalls 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


12.12.40

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder auf der Re­gierungsbank! Zunächst einmal: Als Ordner meiner Fraktion möchte ich hier protes­tieren – vor allem auch als einer, der in der Zeitung „Österreich“ abgebildet wurde – gegen unseriöse Journalisten und unseriösen Journalismus. Das können wir uns alle – von allen Fraktionen hier in diesem Hause – nicht gefallen lassen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Wenn hier steht: „Ferien im Nationalrat“ – ich bin einer von denen, die den ganzen Sommer am Weg sind, wie Sie alle, von allen Fraktionen –, dann muss es nicht sein, dass Journalisten uns ausrichten, dass wir eigentlich nur zwei Stunden arbeiten und, weil wir nicht acht Stunden hier in diesem Haus sitzen (Zwischenruf des Abg. Hornek), faule Abgeordnete sind. Es ist nicht unsere Aufgabe, acht Stunden täglich hier im Haus zu sitzen. Man könnte ja auch verlangen, dass diese Journalisten acht Stunden in den Redaktionsbüros sitzen, und dann könnte man fragen: Warum sind sie nicht dort, wo etwas passiert? (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Steibl.)

Wir vertreten das Volk, wir alle miteinander, und ich lasse mir diese Frage nicht stellen: „Volle Gage für halbe Sachen, welches Volk vertreten sie noch?“ – Hohes Haus! Das sind wir uns selbst schuldig, über alle Fraktionen hinweg, dass wir hier das Bild des Abgeordneten klarstellen und richtigstellen.

Zu unseren Laptops, als Ordner: Wir arbeiten hier, wir recherchieren, wir beantworten Interventionen und Ähnliches mehr. (Abg. Ing. Westenthaler: Das müssen Sie Ihrem Parteivorsitzenden sagen! – Abg. Scheibner: Was sagt der Bundeskanzler dazu?) Das ist unsere Aufgabe, das tun wir, beziehungsweise wir bearbeiten hier auch die Red­nerliste in diesem Haus. Dass Sie sich damit profilieren, das ist Ihre Schande, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – „Gusenbauer!“-Rufe der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Scheibner.)

Aber nun zur Pendlerpauschale, weil diese hier auch kritisiert und mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln aufgerechnet wird.

Hohes Haus! Diese Bundesregierung tut etwas gegen die Teuerungen. Wenn man sich das anschaut: Ja, es ist richtig: „Es wird noch teurer“ – das schreibt auch „NEWS“ –, und man rechnet damit, dass zum Beispiel der Preis von Diesel auf 1,60 € klettern wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege, darf ich das noch einmal sehen?) Diese Bundesregierung reagiert und tut etwas mit dieser Pendlerpauschale.

Wenn Sie hier immer von 60 Millionen € reden, Herr Kollege Westenthaler, dann
darf ich Ihnen schon etwas sagen. 170 Millionen € für die große Pendlerpauschale, 70 Millionen € für die kleine Pendlerpauschale, also die bisherigen Gesamtkosten
von 240 Millionen €, und dazu noch 35 Millionen € zeitlich befristet, das ergibt bis Ende 2009 275 Millionen € an Gesamtkosten der Pendlerpauschale. Das ist der Erfolg der Bundesregierung, ein Erfolg der sozialen Kompetenz der SPÖ, die sich hier maßgeblich mit eingebracht hat, dass wir den Pendlern helfen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Vergleich zu Öffis und Pkw, weil hier immer auch damit argumentiert wird, dass man den Pendlern die öffentlichen Verkehrsmittel entgegenhalten soll: Ja, ich bin da­für, dass die öffentlichen Verkehrsmittel entsprechend ausgebaut und forciert werden. Auch die Tiroler SPÖ – ich bin ein Tiroler Abgeordneter – mit Landesrat Lindenberger und dem Landeshauptmann-Stellvertreter Gschwentner zeigt das in ihrem Programm


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 80

für den öffentlichen Verkehr ganz klar auf. Die SPÖ Tirol forciert gerade angesichts dieser galoppierenden Treibstoffpreise den öffentlichen Verkehr in Tirol und möchte flott den Umstieg auf die Öffis so attraktiv wie möglich machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das bedarf aber einer Änderung der Tiroler Politik, und dazu haben die Menschen am Sonntag Gelegenheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Ein reiches Land wie Tirol und ein reiches Land wie Österreich haben dafür die Möglichkeiten, hier einiges zu unternehmen, auch die öffentlichen Unterstützungen und Förderungen aus­zubauen und den Pendlerinnen und Pendlern zu gewähren.

Aber sagen wir heute, wenn man die öffentlichen Verkehrsmittel anschaut – die Grü­nen vertreten das immer: nicht mehr betonieren, sondern die öffentlichen Verkehrsmit­tel ausbauen –, einmal den Pendlern, die im Ötztal, im Pitztal, im Kaunertal und in an­deren Tälern sitzen und täglich zum Arbeitsplatz fahren müssen, sagen wir ihnen, dass sie auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen sollen und müssen: auf öffentliche Ver­kehrsmittel, die nicht vorhanden sind oder Fahrzeiten haben, die nicht bedarfsorientiert sind, die nicht bedarfsgerecht sind! Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kom­men mit öffentlichen Verkehrsmitteln nie zu ihrem Arbeitsplatz, oder wenn doch, dann unpünktlich und nicht zu Zeiten, zu denen sie hinkommen möchten.

Da muss man für die Zukunft etwas unternehmen, und da bin ich auch bei Ihnen: steu­erliche Anreize wie zum Beispiel diese Pendlerpauschale, Förderung von Vergünsti­gungen. Da sind aber auch die Betriebe mit eingeladen, ebenfalls Förderungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewähren beziehungsweise diese zu unter­stützen.

Wir Abgeordnete von der Tiroler Sozialdemokratie, der SPÖ, und die Bundesregierung mit der SPÖ als Triebfeder zeigen hier auf, wie es geht. Wir werden uns mit unserer sozialen Kompetenz auch gegen die Neinsager ständig zur Wehr setzen und uns für die Menschen in unserem Land einsetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser. 5 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


12.17.56

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ja, sich einzusetzen für die Menschen, die jetzt täglich massiv tiefer in die Tasche greifen, Herr Kollege Reheis, sich für diese Menschen einzusetzen würde bedeuten, endlich einen Absetzbetrag bei der PendlerInnenpauschale zu machen, die jetzt die Leute bekommen, die sie wirklich brauchen. Wir brauchen für die Menschen, die schlechte Einkunftsmöglichkeiten ha­ben, wirklich mehr Geld in der Tasche, da sie höhere Mobilitätskosten haben.

Aber mein Problem ist, dass Sie, Herr Vizekanzler, genauso wie Sie, Herr Staatssekre­tär, mit Ihrer Steuerpolitik und auch mit Ihrer Wirtschaftspolitik insgesamt die Menschen dazu getrieben haben, immer größere Entfernungen zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen zu müssen. Wir haben die Tatsache, dass sich praktisch in den letzten 40 Jahren die Distanzen vom Wohnen zum Arbeiten mehr als verdoppelt haben. Mehr als verdoppelt, das ist gigantisch! Daran ist Ihre Wirtschaftspolitik schuld, die zu wenig für die regio­nale Arbeitssituation tut, und daran ist Ihre Politik bei den Steuern schuld, da die Men­schen zu wenig im eigenen Geldtascherl haben, dass sie vor Ort Konsumkraft entwi­ckeln.


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Da setzen wir an. Wir wollen, dass endlich auch die PendlerInnen – und das ist mir ein Hauptanliegen – vom Auto wegkommen. Denn Autopendeln bedeutet Belastung schon am Weg zur Arbeit (Zwischenruf des Abg. Lutz Weinzinger), Autopendeln bedeutet praktisch, dass ich eineinhalb Monate im Jahr nur dafür arbeite, dass ich von meinem Wohnort zum Arbeitsplatz komme. Das gehört geändert! Wir brauchen andere Sied­lungsstrukturen, eine andere Wirtschaftspolitik und eine gerechte Pendlerpauschale.

Und ich möchte Ihnen auch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der damit eng zusammenhängt, sehr ans Herz legen. – Herr Vizekanzler! Sie haben immer gesagt, die zusätzlichen Einnahmen durch die Mineralölsteuer werden dafür verwendet, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich besser ausgebaut werden: Zum Teil – zu 26 Prozent – bekommen das die Länder, der andere Teil wird von Ihnen auf Bundes­ebene verwendet.

Und was passiert damit in Richtung öffentlicher Verkehr? – Gar nichts! Und das Resul­tat darf ich Ihnen, Herr Vizekanzler, darf ich Ihnen hier im Plenum und darf ich Ihnen vor der Bildschirmen heute mittels einer Karte zeigen. (Die Rednerin stellt eine Öster­reich-Karte vor sich auf das Rednerpult. – Abg. Ing. Westenthaler: Eine Wetterkarte! Eine Regenkarte! – Zwischenruf des Abg. Mag. Hauser.) – Sie sehen hier die roten Zonen – die roten Zonen sind gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen – und Sie sehen die gelben und die blauen Zonen: Dort ist die Erreichbarkeit durch öffent­liche Verkehrsmittel überhaupt nicht mehr oder sehr schlecht gegeben.

Das ist das Resultat Ihrer verfehlten Steuer- und Verkehrspolitik, und unter diesem Re­sultat leiden auch die Pendlerinnen und Pendler, weil sie sehr viel Geld für ihre Auto­mobilität aufwenden müssen. Wir wollen, dass diese endlich ein besseres ÖV-Angebot mit besseren Taktverkehren, mit attraktiven Tarifen und mit komfortablen Wägen be­kommen! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe überhaupt nicht ein, dass die Menschen, die sich mit dem Zug zur Arbeit be­geben, Schwierigkeiten haben, weil die Waggons überfüllt sind, Schwierigkeiten haben, weil die sanitären Anlagen nicht funktionieren, und überhaupt mit dem Taktangebot Schwierigkeiten haben!

Alleine in Wien – in Wien! – fahren 50 Prozent der Menschen trotz ÖV mit dem Auto zur Arbeit. (Abg. Kickl: ... im eigenen Klub schauen!) Warum? – Weil der Fahrplan nicht passt, weil teilweise die Angebote nicht passen! Wie schaut es denn da erst in der Steiermark aus, wie schaut es im Mühlviertel aus, im Waldviertel? – Da passt es hinten und vorne nicht zusammen! Wir müssen aber dafür sorgen, und deshalb gibt es einen Antrag von uns, damit endlich bei der Raumordnungspolitik, bei der Wirtschafts­politik und bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs etwas passiert.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kolle­gen

betreffend „Mehr für Pendlerinnen und Pendler: ökologisch und sozial gerechtere Aus­gestaltung der PendlerInnenförderung, Offensive bei Bahn und Bus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen im Zusam­menwirken mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird auf­gefordert, ein schlüssiges Gesamtpaket für eine ökologisch vorteilhafte und sozial


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gerechte Reform der Förderung für PendlerInnen mit den nachstehenden Punkten vorzulegen:

Stopp der Zersiedlung durch geänderte Raumordnungspolitik und geänderte regionale Wirtschaftspolitik

Ausweitung der Finanzierung für zusätzliche ÖV-Angebote (ÖPNRV-Gesetz) von der­zeit 10 Millionen € auf 80 bis 100 Millionen € jährlich zur Mobilitätsgarantie

Gesamtreform des Pendlerpauschales nach sozialen und ökologischen Kriterien:

Das Pendlerpauschale soll in einen Absetzbetrag umgewandelt werden, damit es vom Einkommen unabhängig ist. Wenigverdienenden soll dies in vollem Umfang als Nega­tivsteuer zugute kommen.

Das Pendlerpauschale soll so umgebaut werden, dass starke Anreize für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel gesetzt werden. Für Entfernungen ab 20 Kilometer soll es nur dann zu einer Erhöhung für die Pkw-Nutzung kommen, wenn keine ÖV-Nutzung oder Fahrgemeinschaften möglich sind beziehungsweise die ÖV-Nutzung unzumutbar ist.

*****

(Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So kommen wir heraus aus der Ölpreisfalle, die auch zur Pendlerfalle wird, weil die Steigerung der Pauschale ist in keiner Weise mit der Steigerung der Kosten in Einklang zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

12.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kolle­gen

betreffend „Mehr für Pendlerinnen und Pendler: ökologisch und sozial gerechtere Aus­gestaltung der PendlerInnenförderung, Offensive bei Bahn und Bus“

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage 549 und zu 549 d.B: Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schen­kungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenord­nung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)

Viele Pendlerinnen und Pendler in Österreich werden täglich ins Auto gezwungen, un­zureichende oder überhaupt fehlende Alternativen machen das Erreichen des Arbeits­platzes ohne Pkw für viele unmöglich. Diese Bundesregierung und ihre Vorgänger­regierungen sind dafür mitverantwortlich – statt rasch wirksamen Verbesserungen beim Bus- und Bahnangebot gemäß den Interessen und Bedürfnissen der Fahrgäste stehen Interessen der Bau- und Finanzierungslobby an möglichst großen, teuren und langwie-


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rigen Projekten im Vordergrund. Aufgrund dieses zentralen verkehrspolitischen Ver­säumnisses schlagen die hohen und absehbar in Zukunft weiter steigenden Erdöl- und Treibstoffpreise heute schmerzlich bis in die Geldbörsen unserer Pendlerinnen und Pendler durch.

Mehr Bus und Bahn zu zumutbaren Kosten ist klima- wie sozialpolitisch ein Gebot der Stunde, wobei die Bedürfnisse der regelmäßigen NutzerInnen im Nah- und Regional­verkehr im Mittelpunkt stehen müssen. Dieser Politik budgetär Priorität zu geben, ent­lastet die PendlerInnen und uns alle: Wird der Verzicht aufs Auto möglich, spart jeder betreffende Haushalt mehrere hundert Euro monatlich und damit in jedem einzelnen Fall auch die Allgemeinheit Gesundheits-, Umwelt- und Staukosten von 1.400 Euro im Jahr.

Zugleich ist das bestehende System bei Kilometergeld und Pendlerpauschale in meh­rerlei Hinsicht sozial und ökologisch ungerecht: Das kleine Pendlerpauschale für Bus- und BahnpendlerInnen sieht im Vergleich zum großen Pendlerpauschale bei gleichen Pendeldistanzen nur halb so hohe Beträge vor. Durch den einseitigen Ausschluss von Öffi-PendlerInnen vom Pendlerpauschale bei Distanzen bis 20 km sind Bus- und Bahn­benutzerInnen noch krasser benachteiligt. Dazu kommen Verzerrungen bei der steu­erlichen Geltendmachung – durch die bisherige Gestaltung des Pendlerpauschales
als Freibetrag statt als Absetzbetrag werden Gutverdienende begünstigt, was vertei­lungspolitisch kontraproduktiv ist. Wenigverdienende unter 1.130 € brutto monatlich sind durch diese steuerliche Gestaltung ausgeschlossen, eine echte Gleichstellung über eine an den real anfallenden Kosten orientierte Negativsteuer wäre dringend nötig. Beim Kilometergeld klafft für Bus- und BahnbenützerInnen überhaupt eine völlig unzeitgemäße Lücke, während das Pkw-Kilometergeld die tatsächlichen variablen Kos­ten pro gefahrenem Kilometer auch nach den Treibstoffpreisanstiegen der letzten Mo­nate schon bisher bei weitem überdeckt. Auch bei Pkw-Fahrgemeinschaften besteht Handlungsbedarf bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen, desgleichen beim Car-Sharing.

Deshalb muss ein Offensiv-Paket für PendlerInnen neben den beantragten Punkten folgende Aspekte umfassen:

Das Kilometergeld darf nicht länger ein Anreiz sein, Dienstfahrten mit dem Auto statt mit der Bahn zurückzulegen.

Öffi-Netzkarten müssen für DienstnehmerInnen wie DienstgeberInnen steuerlich befreit und damit attraktiver werden.

Leistbarer Öffentlicher Verkehr zum garantiert besten Tarif mit einer Mobilitätscard, bei der stets der günstigste Tarif in Rechnung gestellt wird.

Bundesweiter, integrierter Taktverkehr bei Bus und Bahn mit Anschlussgarantie, insbe­sondere beim für PendlerInnen zentralen Nah- und Regionalverkehr.

Attraktivieren der Regionalbahnen statt der geplanten Stilllegungs-Welle.

Flächendeckende Mobilitätsberatung.

Park&Ride-Ausbau.

Anreize für Fahrgemeinschaften und Car-Sharing.

Anstelle von Einzelmaßnahmen, die vor allem Pkw-BenutzerInnen zugute kommen und damit die Abhängigkeit vom Auto zementiert statt lindert, ist daher eine grundsätzliche verkehrs- und verteilungspolitische Reform der Förderung von Pendelnden dringend nötig.


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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen im Zusam­menwirken mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird auf­gefordert, ein schlüssiges Gesamtpaket für eine ökologisch vorteilhafte und sozial gerechte Reform der Förderung für PendlerInnen mit den nachstehenden Punkten vorzulegen:

Stopp der Zersiedlung durch geänderte Raumordnungspolitik und geänderte regionale Wirtschaftspolitik

Ausweitung der Finanzierung für zusätzliche ÖV-Angebote (ÖPNRV-Gesetz) von der­zeit 10 Mio. Euro auf 80 bis 100 Mio. Euro jährlich zur Mobilitätsgarantie

Gesamtreform des Pendlerpauschales nach sozialen und ökologischen Kriterien:

 Das Pendlerpauschale soll in einen Absetzbetrag umgewandelt werden, damit es vom Einkommen unabhängig ist. Wenigverdienenden soll dies in vollem Umfang als Nega­tivsteuer zugute kommen.

 Das Pendlerpauschale soll so umgebaut werden, dass starke Anreize für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel gesetzt werden. Für Entfernungen ab 20 km soll es nur dann zu einer Erhöhung für die PKW-Nutzung kommen, wenn keine ÖV-Nutzung oder Fahrgemeinschaften möglich sind bzw. die ÖV-Nutzung unzumutbar ist.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wein­zinger. Seine maximale Redezeit beträgt ebenfalls 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Rada steht direkt hinter dem Rednerpult an der Regierungsbank. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist auch nicht schlecht! Rücken an Rücken!) – Kollege Rada, darf ich Sie bitten, dem Redner Platz zu machen! (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzei­chen. – Abg. Lutz Weinzinger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Es war nur eine kleine Blockade!)

 


12.23.54

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren hier im Parlament! Sachverstand und sichere Hand statt billigem Populismus – Worte des Herrn Vizekanzlers und Finanz­ministers, die wir vor einiger Zeit gehört haben. Und mit diesem Sachverstand und mit dieser sicheren Hand und mit Hilfe der EU hat er unsere Republik – er, der Herr Fi­nanzminister, und mit ihm die gesamte Regierung – zu wirtschaftlichem Wohlstand und zu hervorragenden Ergebnissen gebracht.

Wir vernehmen es mit Staunen, sind stolz, freuen uns – und wundern uns, warum das denn unserer Bevölkerung, unseren Bürgern nicht bewusst wird. (Abg. Murauer: Das ist ihnen eh bewusst!) Die sehen das ganz anders, das hören wir immer wieder! Die Medien sind ganz offensichtlich völlig falsch informiert, denn wir hören, dass die Leute ächzen und stöhnen, dass sie nicht mehr wissen, wie sie mit ihrem Gehalt über den Monat kommen.

Wir hören, dass die einzelnen Interessenvertretungen ununterbrochen Angriffe gegen die Regierung starten. Wir hören und lesen, dass das die schlechteste Regierung ist,


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die es je gegeben hat, obwohl diese Regierung, wie wir heute gehört haben, mit Sach­verstand und sicherer Hand und mit Hilfe der EU dieses Land zu einem großartigen Wohlstand bringt: einem Wohlstand, der dazu führt, dass die Melkkuh dieses Staates, das ist der Autofahrer, vor der Zapfsäule steht – und jetzt meine ich wirklich die Zapf­säule, also die, die bei der Tankstelle steht, und ich meine nicht die Zapfsäule, als die hier ein Regierungsmitglied benannt wurde – und sagt: Es darf doch nicht wahr sein, dass Diesel schon 1,40 € kostet! Das gibt es doch nicht! Wo bleibt unsere Regierung, um das einzudämmen?!

Doch unsere Regierung, bekanntlich mit Sachverstand und sicherer Hand, hat ja schon etwas getan, vernehmen wir heute voll Stolz und voll Freude: Wir bekommen ein er­höhtes Kilometergeld und eine erhöhte Pendlerpauschale! (Abg. Murauer: Richtig!) – Hervorragend, eine großartige Leistung!

Dass aber der Vergleich zu dem, wie teuer der Treibstoff geworden ist und was Pend­lerpauschale und was Kilometergeld heißt, wirklich äußerst mickrig ist, wollen Sie mir nicht glauben, das weiß ich schon, meine Damen und Herren von den Regierungspar­teien, aber es ist so. (Abg. Krainer: Das ist zirka die Hälfte! Zirka die Hälfte!)

Sie wissen doch, dass das Absetzbeträge sind! Und wir haben es heute in der Debatte schon ein paar Mal gehört: Diese Absetzbeträge kommen ja für sehr viele unserer Mit­bürger gar nicht in Frage, weil diese gar nicht so viel verdienen, um überhaupt lohn­steuerpflichtig zu werden. (Abg. Krainer: Deswegen gibt es eine Negativsteuer!)

Jetzt könnte man sagen: Na, haben wir ein tolles Steuersystem, dass bei uns die Leute nicht Lohnsteuer zahlen müssen! – Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt da­von, dass es sehr viele Mitbürger in dieser unserer Republik gibt, die gerne Lohnsteuer zahlen würden, weil sie dann wesentlich mehr verdienen würden. Das ist unser Pro­blem! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben viel zu geringe Einkünfte. Wo bleiben hier Sachverstand und sichere Hand, wo bleiben denn die großartigen wirtschaftlichen Erfolge, die diese unsere Heimat ha­ben soll? (Abg. Krainer: ... wurde im März erhöht!) Da hört der Bürger fassungslos, dass die verschiedensten Konzerne voll Stolz ihre Milliardengewinne, die Steigerungen ihrer Umsätze verbunden mit gigantischen Gewinnen bekanntgeben, und er fragt sich: Wieso spüre ich nichts davon? – Wir hören immer, dass wir ein so großartiger Wirt­schaftsstandort sind, aber am Bürger geht das großteils – zu 90 Prozent, zu 95 Pro­zent – vorbei.

Meine Damen und Herren! Hier stimmt etwas nicht, hier ist etwas eben nicht richtig gelaufen! Hier haben Sie – mit Sachverstand und sicherer Hand – die wirtschaftlich po­sitive Lage unserer Republik Österreich nicht auf den Bürger umlegen können. (Präsi­dent Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Der Bürger spürt ihn nicht! Und dorthin, dass der Bürger den wirtschaftlichen Auf­schwung unseres Landes spürt, müssten Ihre Bemühungen gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. Auch für Sie gilt eine Redezeit von maximal 5 Minuten. – Bitte.

 


12.29.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Die Debatte ist sehr hitzig, da fallen schon die Gegenstände von den Mikrophonen herunter; die Renovierung des Plenarsaals ist also dringend erforderlich. Auch ein Relaunch der Regierungsarbeit wäre nicht schlecht, wobei es heute doch sehr spannend gewesen ist, vor allem den Herrn Staatssekretär und auch einige SPÖ-Redner zu beobachten. Es dürfte da in der


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SPÖ-Fraktion eine Seminarreihe laufen – ich nehme an, vom Renner-Institut organi­siert –: Mehr Mut und Erfolg durch Selbsthypnose. Denn wie man hier jetzt durch Wie­derholungen versucht hat, die Erhöhung der Pendlerpauschale als großartiges SPÖ-Erfolgsmodell darzustellen, war durchaus spannend und interessant.

Eines fehlt noch, meine Damen und Herren von der SPÖ – Herr Kollege Cap, Sie kom­men sowieso nachher dran, vielleicht können Sie noch darauf reagieren –: Ein Körper­sprache-Seminar wäre noch angebracht, denn wenn der Herr Staatssekretär, und das war wirklich spannend, heute seine eigenen und die Erfolge der SPÖ im harten Kampf gegen die ÖVP herausstreicht, dann aber sagt: Na ja, wir sind der Mehrheitsmeinung gefolgt, und er zeigt wieder auf die ÖVP, von der ich geglaubt habe, sie sei in der Bun­desregierung noch in der Minderheit, dann ist das auch ein bisschen entlarvend. Aber man kann noch daran arbeiten. (Beifall beim BZÖ. – Heiterkeit des Abg. Ing. Westen­thaler.)

Was Sie aber weder durch Selbsthypnose-Seminare noch durch Körpersprachetrai­nings ausbalancieren werden können, Herr Staatssekretär (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter) – auch nicht durch Zwischengemurmel von hinten, denn das hört man weder hier noch an den Fernsehgeräten (Abg. Dr. Haimbuchner: Aber das ist eine gute Selbsttherapie!) –, ist, dass Sie, Herr Staatssekretär, immer wie­der der Steuererhöhungsexperte gewesen sind. Lassen Sie uns doch nicht verges­sen, dass Sie als Abgeordneter, als Finanzsprecher der SPÖ, hier gesessen sind und dass Sie donnernd gegen die Steuersenkung der letzten Bundesregierung gewettert haben – 3 Milliarden € Entlastung.

Sie haben gegen die Senkung der Körperschaftsteuer geredet und gestimmt – eine wichtige Entlastung für unsere kleinen und mittleren Unternehmungen. Sie haben ge­gen drei Konjunkturpakete gewettert und gestimmt, die es ermöglicht haben, dass Sie heute die gute Wirtschaftslage in Österreich loben können. Und in Wahrheit waren Sie doch auch gegen die ersatzlose Abschaffung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer! Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Sie es waren, als sie der Verfassungs­gerichtshof aufgehoben hat, die gesagt haben: Na ja, ersatzlos können wir das nicht streichen, wir werden uns da einen Ersatz überlegen.

Übrigens war auch die ÖVP ursprünglich gegen die Streichung der Erbschafts- und der Schenkungssteuer, muss ich zugeben; damals konnten wir uns da auch nicht durchset­zen. Wir wollten sie nämlich schon vor einigen Jahren abschaffen, aber das ist am Widerstand der ÖVP gescheitert. (Abg. Ing. Westenthaler: ... die Allerersten!) Gott sei Dank! Jetzt loben sich alle als die Erfinder dieser Abschaffung: Hurra, endlich ist das weg!

Es ist schon interessant, dass sich gerade auch die Grünen hier als Steuerexperten präsentieren, nämlich als Steuererhöhungsexperten. (Abg. Ing. Westenthaler: Stif­tungsexperten! – Zwischenruf des Abg. Mag. Rossmann.) – Denn was hier an, ich will nicht sagen: Marxismus stattfindet – genau Sie meine ich auch, Herr Kollege –, wo jeder, der ein bisschen mehr als nichts hat, schon ein Kapitalist und einer ist, den man sofort enteignen muss, das ist ja auch eine interessante Geschichte bei den Grünen. Na, deuten Sie nicht so, Frau Kollegin Moser! Sie haben gestern eine so schöne Bas­telei mitgebracht und heute nur eine Kopie einer Landkarte. Vielleicht betätigen Sie sich ja wieder beim Basteln?! – Das ist gescheiter! Behalten Sie Ihre linken Theorien bei sich zu Hause. (Abg. Dr. Moser: Herr Scheibner! Gehen Sie heim mit so einem Schmarrn! – Beifall bei den Grünen.)

Man muss es für die Fernsehzuschauer wiederholen: Die Frau Kollegin hat gesagt, ich soll nach Hause gehen. (Abg. Dr. Moser: Gehen Sie nach ... zurück!) – Nein, das wer­de ich nicht! Kollege Pilz ist jetzt endlich da, damit sind wir endlich vollständig. Wir blei­ben hier und wir werden diskutieren. Basteln Sie zu Hause, hier werden wir diskutie-


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ren – und hoffentlich nicht Ihre linken Theorien in der Wirtschaftspolitik umsetzen. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir sind auch für die Anhebung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes, uns ist es nur zu wenig, denn bei dieser exorbitanten Steigerung der Rohstoff- und der Energiepreise wäre es eben notwendig, die Mineralölsteuer mas­siv zu senken. Darauf, die Mineralölsteuer massiv zu erhöhen, haben Sie sich in der Bundesregierung ja trotz dieser steigenden Preise geeinigt, und Sie nehmen über die Mineralölsteuer mittlerweile 5 Milliarden € pro Jahr ein – eine Steigerung von 700 Mil­lionen €.

Herr Finanzminister! Das wäre interessant, das wäre eine Entlastung, ein Signal, wenn Sie sagten: Ja, bei diesen steigenden Preisen nehmen wir diese Erhöhung zurück und gewähren der Bevölkerung eine wirklich massive Entlastung. – Das wäre ein sinnvoller, ein brauchbarer Schritt!

Oder man kann den Wettbewerb ankurbeln, den es ja kaum mehr gibt, weil es keine Diskonter mehr gibt, indem man wie in Kärnten die Landestankstellen aufsperrt, um da­mit einen entsprechenden Wettbewerb zu entwickeln. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Und in der Europäischen Union? Wo sind die Initiativen gegen die Kartelle, gegen die Preisabsprachen? – Das wäre eine sinnvolle Politik, aber nicht, dass man die eigene Unfähigkeit durch Schönreden kaschiert. (Beifall beim BZÖ.)

12.34


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren! Im Sinne der Präsi­dialvereinbarung lege ich die Redezeit für die folgenden fünf Redner mit je 4 Minuten fest.

Nächster Redner ist Herr Klubobmann Dr. Cap. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Stiftungsvorsitzende!)

 


12.34.49

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Mich beeindrucken ja die Reden des Kollegen Scheibner immer wieder: Da döst er stundenlang vor sich hin, dann kommt er heraus, verbraucht die Tagesenergie, setzt sich zurück und döst weiter. – Ich habe einen Vor­schlag für Ihre Körpersprache: Wenn Sie über die Regierungsbeteilung Ihrer Partei in den letzten sieben Jahren nachdenken, sollten Sie so in Heulen und Zähneknirschen ausbrechen, dass man das bis zum Mikrophon hört. (Abg. Dr. Haimbuchner: Aber die SPÖ wird auch ...! – Weitere Zwischenrufe.) Denn das war die Ära der Belastungen, das war die Ära der hohen Steuerquote – ja, Karl Marx, zuhören! –, das war die Ära, in der es die Belastungen gab.

Jetzt kommt er her und erzählt uns die Geschichte, in der schwarz-blauen Zeit seien sozusagen Milch und Honig geflossen: Alle wurden entlastet, alle sind glücklich herum­gehüpft! – Also Sie haben sich eine eigene Welt zurechtgezimmert. Dösen Sie weiter, das ist in Ordnung, aber das ist nicht die Wirklichkeit und nicht die Wahrheit! – Das zum einen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Stiftungsvorsitzen­der!)

Zum anderen: Ich finde es auch beeindruckend, wie sich die Grünen bereits jetzt mit der Verewigung ihrer Oppositionsrolle abzufinden beginnen, indem sie die Theorie ent­wickeln, Opposition ist gleich regieren: Wir setzen permanent Sachen gegen den Wil­len der Regierung durch. (Abg. Ing. Westenthaler: Bei den Benzinpreisen haben sie es gemacht!) Das finde ich schon sehr attraktiv. Sie müssen nur aufpassen, dass die Wählerinnen und Wähler dann sagen: Na dann ist es eh gut! Bleibt weiter in der Oppo­sition und belassen wir es so!


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Das könnte natürlich der Effekt sein, denn dass die berühmten 400 Millionen €, die un­serer Meinung nach ein ungerechtfertiges Geschenk an die Reichen gewesen wären, nicht mehr enthalten sind, ist an uns gescheitert, das müssen Sie zur Kenntnis neh­men. Wir wollten das einfach nicht, und es ist nicht gekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Aber die Stiftungssteuer habt ihr gesenkt! Gesenkt? Hal­biert!) – So war es und dabei sollte man bleiben.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt dabei ist natürlich, dass es keinen Sinn macht, grundsätzlich gegen Stiftungen zu sein. Wenn es da wirklich 3 200 Unternehmer mit 400 000 Beschäftigten gibt, dann bedeutet das: Wenn ich das Institut der Stiftungen in Frage stelle, dann kann es sein, dass so manche, die das Geld haben – und Geld ist heute beweglich, das kann in einem Tempo um den Globus rasen, dass wir nur so schauen; deswegen finde ich auch die Spekulationssteuerdiskussion sehr sinnvoll –, einfach weg sind! (Abg. Mag. Rossmann: Die SPÖ hat ein neues Konzept zur Be­schäftigungspolitik: Stiftungen ...!) – Ich würde vorschlagen, dass Kollege Rossmann dann in die Region geht, wenn einmal ein Betrieb dort keinen Standort mehr hat, die Leute keine Arbeit mehr haben, kein steuerliches Einkommen: Dann, so bin ich der Meinung, sollten Sie dort Ihre theoretischen Vorträge halten, weil sie an der Praxis zer­schellt sind. (Abg. Öllinger: Bitte! Das glaubt dir ja kein Mensch! Das sind ja Märchen!) Das ist so, und das muss man, glaube ich, auch in aller Deutlichkeit sehen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Arbeitsplätze durch Stiftungen, glaubst du das wirklich?)

Mit Recht wurde von der Mitte des Saales in die Diskussion eingeworfen, dass es eine Teuerungsentwicklung gibt, dass es eine Inflation gibt, dass das Leben für die Öster­reicherinnen und Österreicher immer teurer wird. – Ich glaube, eine Regierung ist ge­nauso wie eine Opposition aufgefordert, gemeinsam darüber nachzudenken, was man unternehmen kann. (Abg. Öllinger: Viele Stiftungen, viele Arbeitsplätze!)

Da gibt es verschiedene Ebenen: Dort, wo etwas selbstgemacht ist, muss man agie­ren, dort, wo man in Österreich wirklich etwas für die Menschen erreichen kann, weil die Instrumentarien vorhanden sind, dort muss man es tun – das ist das, worauf wir in unserer Regierungsarbeit auch Wert legen: dass hier etwas passiert.

Ich finde, es war zum Beispiel wichtig, weil man damit hilft, dass man neben vielen an­deren Maßnahmen auch die Pendlerpauschale und das Kilometergeld erhöht. Und dort, wo man vielleicht merkt, dass gewuchert oder an den Preisen herumgeschraubt wird, und das ist ungerechtfertigt, müssen wir eingreifen. Ich finde auch die Debatte darüber richtig, wie man dem hohen Spritpreis et cetera entgegenwirken kann. – Das ist in Ordnung.

Ich glaube, dass das entscheidend, aber trotzdem mit einer guten Wirtschaftsentwick­lung gekoppelt ist, denn wenn sich die Wirtschaft nicht entwickelt, dann wird die Situa­tion für die Menschen schlechter: Dann ist das Sozialsystem nicht mehr finanzierbar, dann gibt es keine sicheren Pensionen mehr, dann gibt es überhaupt keine Finanzie­rung im Gesundheitsbereich mehr.

Das sind wesentliche Assets! Da muss man verantwortungsvoll agieren und sich dieser Debatte auch verantwortungsvoll stellen. – Das tun wir. (Beifall bei der SPÖ.)

12.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wögin­ger. Auch für Sie gilt eine Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

 


12.39.14

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren!


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Wir helfen den Menschen mit den vorliegenden Gesetzesbeschlüssen. (Abg. Neuge­bauer: So ist es!) Wir helfen den Menschen: Wir entlasten und wir schaffen Steuern ab. – Das muss festgehalten werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir hier von manchen Abgeordneten behauptet wird, dass das Abschaffen der Erbschafts- und Schenkungssteuer nichts bringt, dann sage ich Ihnen genau das Ge­genteil: Das Übernehmen eines Wohnhauses, einer Eigentumswohnung oder das Er­ben eines Sparbuchs wird nicht mehr zusätzlich besteuert, und das ist für viele Öster­reicherinnen und Österreicher eine enorme Entlastung. Darauf kommt es an, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grü­nen.)

Weg mit ungerechtfertigten Steuern: Versprochen, gehalten. – Dafür steht die Österrei­chische Volkspartei.

Zum Zweiten, meine geschätzten Damen und Herren, wirken wir mit der Erhöhung von Pendlerpauschale und Kilometergeld den viel zu hohen Spritpreisen entgegen. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Haidlmayr und Mag. Rossmann.)

Meine Damen und Herren! Als Innviertler weiß ich ein Lied davon zu singen. Im Grenz­bereich zu Deutschland haben wir eher noch höhere Spritpreise als im Landesinneren. Wir entlasten jetzt in erster Linie jene Erwerbstätigen, die das Auto brauchen, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, um zum Arbeitsplatz zu kommen. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) – Meine Damen und Herren von den Grünen! Frau Haidlmayr! Sie brauchen sich nicht so aufzuregen. Was Sie hier aufführen, sagen, das ist alles nicht notwendig – das ist ein Affront gegenüber der Bevölkerung im ländlichen Raum. Sie sind eine Zentralisierungspartei, aber sicher keine Partei, die die Anliegen der Men­schen in diesem Land auch ernst nimmt. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischen­ruf der AbgHaidlmayr.)

Einen Spritpreis von 30 S haben Sie schon vor zehn Jahren gefordert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.) Sie fordern das und freuen sich über das, worunter hun­derttausende Menschen leiden. Eigentlich müssten Sie ja heute einen Freudentag ha­ben. Die Bevölkerung leidet aber darunter. Deshalb heben wir die Pendlerpauschale um 15 Prozent an, ein Plus von bis zu 440 € pro Jahr, und wir heben das Kilometergeld auf 42 Cent an. Das sind wichtige Maßnahmen für die betroffenen Menschen in diesem Land. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuchner.)

Die Pendlerpauschale ist seit 2006 um insgesamt 40 Prozent angehoben worden,
das war aufgrund der zu hohen Spritpreise notwendig – aber wichtige Maßnahmen. Für die Niedrigverdiener wurde die Negativsteuer bereits auf 240 € ausgeweitet. (Abg. Mag. Kogler: Das hat aber mit der Pendlerpauschale nichts zu tun!) Wichtige Maßnah­men, die auf Initiative von unserem Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgesetzt werden. Und als Arbeitneh­mervertreter und Personalvertreter bedanke ich mich für die rasche Umsetzung dieser so wichtigen Erhöhungen ganz herzlich. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Mag. Kogler.)

Wir müssen aber auch weiterhin darüber nachdenken, meine geschätzten Damen und Herren, vor allem auch bei der Steuerreform, wie wir hier die Maßnahmen so setzen können, dass sie auch zielgerecht angewendet werden können. Ich meine die Pend­lerpauschale. Die Pendlerpauschale ist eine gute und richtige Einführung (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr), aber ich glaube, wir sollten darüber nachdenken, ob wir diese Pendlerpauschale nicht in eine Direktförderung umwandeln können. (Abg. Mag. Kog­ler: Jawohl!) Hier gibt es Vorschläge und die würde ich auch für richtig erachten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 90

Zum Zweiten: Die viel zu hohen Ölpreise werden uns noch weiter beschäftigen. Die Heizkosten müssen leistbar bleiben, meine Damen und Herren, und Bund und Länder werden hier noch weiter zusammenhelfen. Die europaweite Spekulationssteuer wäre die richtige Antwort auf die viel zu hohen Energiepreise. Wir sollten hier gemeinsam einen Schulterschluss bilden und unseren Finanzminister unterstützen, damit dies auf europäischer Ebene umgesetzt werden kann. Nicht nur jammern, nicht nur schlechtre­den, sondern mitstimmen, meine Damen und Herren – das ist die Devise des heutigen Tages! (Beifall bei der ÖVP.)

12.43


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny. 4 Minuten maximale Redezeit. – Bitte.

 


12.43.22

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmit­glieder! Hohes Haus! Die Geschwindigkeit, mit der sich die SPÖ an die ÖVP annähert, ist ja schon TGV-mäßig. Viel schneller geht es ja nicht mehr, die SPÖ geriert sich da als Stiftungspartei. Herr Kollege Cap, wenn Sie hier sagen, dass man quasi Stiftungen braucht, um Arbeitsplätze zu schaffen, dann frage ich mich schon: Wo sind Ihre Kon­zepte für Arbeitsmarktpolitik tatsächlich, wo ist die Zeit, als Sie sich noch für regionale Wirtschaft, für erneuerbare Energien, dafür, dass man dort Arbeitsplätze schafft, einge­setzt haben? – Vorbei! (Abg. Öllinger: Ja, Stiftungen, ist eh ganz einfach!) Das ist alles weg. Jetzt brauchen wir Stiftungen und müssen Stiftungen fördern, damit wir mehr Ar­beitsplätze bekommen. Also viel absurder geht es schon nicht mehr. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Cap: Grüne Stiftungen! Wie wäre es mit grünen Stiftungen?)

Die Haltung, die die ÖVP hier verbreitet und der Sie sich mit unglaublicher Geschwin­digkeit annähern, hat sich ja heute sehr klar gezeigt. Vizekanzler Molterer sagt, dass diese Maßnahmen, die da beschlossen werden, sozialpolitisch verantwortlich sind. Das habe ich schon vor sechs Jahren vom damaligen Kanzler Schüssel gehört. Seit Jahren hören wir also, dass die Maßnahmen der Regierung, des schwarzen Teils der Regie­rung, sozialpolitisch verantwortlich sind. (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt ja auch!) – Das stimmt. Sie behaupten, dass es sozial verantwortlich ist, wenn die Einkommen aus Besitz und Vermögen – also die Einkommen, die man quasi ohne Arbeit bekommt – seit 20 Jahren dramatisch schneller wachsen als die Einkommen, die man mit Arbeit bekommt. Das ist für Sie sozialpolitisch verantwortlich. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Sie finden es sozialpolitisch verantwortlich, dass Frauen noch immer im Durchschnitt 10 000 € im Jahr weniger verdienen als Männer. Sie finden es sozialpolitisch verant­wortlich, wenn der Einkommensbericht sagt, dass in den letzten zehn Jahren die unte­ren Einkommen dramatisch hinter den höheren Einkommen zurückbleiben, real sogar sinken. Das ist Ihre sozialpolitische Verantwortlichkeit, die Sie hier zeigen. (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Vor dem Hintergrund, dass diese Schere zwischen Arm und Reich, zwischen den Ver­mögenden und den arbeitenden „kleinen Leuten“ – unter Anführungszeichen –, also Angestellten in aller Regel, im unteren Bereich, immer weiter auseinanderdriftet, vor diesem Hintergrund weitere Privilegien für Stiftungen zu beschließen, halte ich für zy­nisch. (Ruf bei der ÖVP: Das passiert ja nicht!) – Natürlich stimmt es! Es stimmt, dass Sie diese 400 Millionen nicht mehr als Privileg weitergeben, nichtsdestotrotz gibt es ein weiteres Privileg für Stiftungen über die Halbierung des Eingangssteuersatzes. Ob das wirklich auch sozialpolitisch vernünftig ist, das darf ja wohl hier wirklich die Frage sein. (Beifall bei den Grünen.)


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Wenn der Finanzminister und Vizekanzler Molterer sagt, dass diese Maßnahmen, die Sie hier heute beschließen, gut für Österreich sind (Abg. Dr. Stummvoll: Ja!), dann kann man ja ... – Ja, sagt der Kollege Stummvoll. Ich sage ja, das ist Ihre Haltung, dass Sie noch immer nicht verstanden haben, dass ein steigender Wohlstand für Ös­terreich – oder vielleicht haben Sie es schon verstanden und es passt Ihnen eh so, wenn Sie das als sozialpolitisch verantwortlich sehen –, den wir ja haben, unbestritte­nerweise, sich einfach nicht auf alle gleichermaßen auswirkt. Da lässt Ihre Politik kom­plett aus, wie ich es zuerst beschrieben habe. (Abg. Dr. Stummvoll: Gleichmacherei wird es nie geben!) – Wenn das für Sie unter Gleichmacherei fällt, dass man den Wohl­stand auch gleichmäßiger verteilt, dann haben wir genau das Problem, das wir haben, dass nämlich die, die schon viel haben, immer noch mehr kriegen und das quasi schon vererbt wird – auch jetzt mit der Abschaffung der Erbschaftssteuer – und dass die, die wenig haben, wenig Chance bis gar keine Chance haben, sich etwas zu dem Wenigen dazu zu erarbeiten. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.)

Wenn das – so viel noch zum Kollegen Scheibner – links ist, dass man den Wohlstand auch auf alle verteilen will, dann bin ich mit sehr viel Vergnügen links. (Beifall bei den Grünen.)

12.47


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zanger. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

 


12.47.51

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eingangs möchte ich noch ganz kurz auf den Kollegen Auer replizieren, der meinen lieben Abgeordnetenkollegen Hauser hier kritisiert hat. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Ich denke, er hätte besser zuhören sollen, denn der Kollege Hauser hat klipp und klar eingangs seiner Frage gesagt: Wir stehen für faire Preise in der Landwirtschaft und unsere Bauern sollen sie erhalten. (Abg. Dr. Stumm­voll: Das hat er erst nach einem empörten Zwischenruf! – Abg. Grillitsch: Kollege Hauser ist dagegen!) – Und überdies, lieber Kollege Grillitsch, möchte ich auch noch auf eines hinweisen: Die über 30 Prozent gestiegenen Treibstoffpreise beim Diesel be­lasten auch die Bauern und treiben natürlich die Preise dort noch einmal an. Auch die Zulieferpreise und die Transportpreise. So ist es. (Abg. Grillitsch: Alle Bauern werden sich freuen …!) – Nein, ist er nicht, falsch verstanden, besser aufpassen!

Wir hören hier wieder einmal einen Lobgesang der Regierungsparteien auf sich selbst, auf die beiden Vertreter im Finanzministerium, so nach dem Motto – und ich sage es jetzt einmal in der Sprache der Christdemokraten oder Christlichsozialen –: Gloria in excelsis Willi Molterer! Oder: Te Christopherum laudamus! (Zwischenruf des Abg. Neu­gebauer.) Ich kann dazu nur eines sagen: Wenn Rot und Schwarz in die Natur ein­greifen könnten, würden auch da die Mäuse knapp werden.

Seit 2000, meine Damen und Herren, sind die Kosten rund ums Auto um über 80 Pro­zent gestiegen, seit 2007 die Benzinpreise um 25 Prozent und die Dieselpreise um 30 Prozent. Jeder Österreicher, der zur Tankstelle fährt und sich an das Geldbörsel greift, glaubt, er hat Zwiebel drinnen, denn es kommen ihm die Tränen, wenn er dann beim Bezahlen ist. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist unglaublich, die Mehreinnahmen des Finanzministers betragen unglaubliche 720 Millionen € und lächerliche 60 Millionen werden zurückgegeben. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Und das mit der Pendlerpauschale, so wichtig und so gut es auch ist, dass sie ein biss­chen erhöht wird, aber es ist bei Weitem zu wenig, denn wie wir schon mehrmals aus­geführt haben, es handelt sich um einen Absetzbetrag und die Berechnungen von der Kollegin Stadlbauer haben ja selbst dem Staatssekretär ein Lächeln entlockt, denn in


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Wahrheit bleiben einem Pendler, der im Schnitt 110 Kilometer pro Tag hin- und her­fährt, nicht mehr als 5 € netto pro Monat mehr im Geldtascherl. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Matznetter.) Das ist eine deutliche und spürbare Entlastung? – Da lachen ja die Hühner, um bei unserem lieben Bauernbundpräsidenten Fritz Gril­litsch zu bleiben.

576 € pro Jahr würde dieser Pendler an Mehrbelastung erleiden und 5 € pro Monat geben Sie ihm zurück. Das ist eine Lächerlichkeit, eine Frotzelei unserer Bürger in diesem Land, die unter den Teuerungswellen seit Monaten und seit Jahren schon zu leiden haben! (Abg. Neugebauer: Wie viele Hühner hat der Grillitsch?)

Massive und viele positive Anträge der Opposition und vor allem von uns Freiheitlichen (Beifall bei der FPÖ), die zu einer deutlichen und spürbaren Entlastung der österreichi­schen Bürgerinnen und Bürger geführt hätten, haben Sie im Ausschuss vertagt, immer unter Hinweis auf Ihre ominöse Steuerreform 2010, die Sie dem Bürger als Wahlzu­ckerl verabreichen wollen. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Wir möchten in diesem Zusammenhang noch einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten, Hauser, Weinzinger, Zanger und weiterer Abgeordneter

Der dem Bericht (613 d.B.) angeschlossene Antrag betreffend den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Ziffer 1 lautet:

„1. In § 10 lautet der Abs. 3:

,(3) Die besondere Entschädigung gemäß Abs. 2 beträgt:

1. für Motorfahrräder und Motorräder mit einem Hubraum bis 250 cm3 je Fahrkilometer 0,18 Euro,

2. für Motorräder mit einem Hubraum über 250 cm3 je Fahrkilometer 0,28 Euro,

3. für Personen- und Kombinationskraftwagen je Fahrkilometer 0,50 Euro.‘“

*****

Meine Damen und Herren! Treten Sie diesem Antrag bei! Eines möchte ich Ihnen noch mitgeben: die Umwandlung, wie wir es schon lange fordern (Präsident Dr. Spindel­egger gibt das Glockenzeichen), der Pendlerpauschales in einen Fixbetrag und eine Auszahlung wie bei der Kinderbeihilfe. (Beifall bei der FPÖ.)

12.52


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Zanger einge­brachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten, Hauser, Weinzinger, Zanger und weiterer Abgeordneter, einge­bracht im Zuge der Debatte zum Top 2, Bericht (613 d.B.) und Antrag des Finanzaus-


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schusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Reisegebührenvor­schrift 1955 geändert wird

Der dem Bericht (613 d.B.) angeschlossene Antrag betreffend den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle in der zweiten Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Ziffer 1 lautet:

„1. In § 10 lautet der Abs. 3:

,(3) Die besondere Entschädigung gemäß Abs. 2 beträgt:

1. für Motorfahrräder und Motorräder mit einem Hubraum bis 250 cm3 je Fahrkilo­meter…………………………………….........................................................…0,18 Euro,

2. für Motorräder mit einem Hubraum über 250 cm3 je Fahrkilometer...........0,28 Euro,

3. für Personen- und Kombinationskraftwagen je Fahrkilometer …………….0,50 Euro.‘“

Begründung

Um den gestiegenen Treibstoffpreisen und den damit erhöhten Belastungen der Pend­ler entgegenzuwirken, wird das Kilometergeld für Personen- und Kombinationskraft­wagen von derzeit 37,6 Cent je Kilometer auf 50 Cent je Kilometer ab 1.7.2008 erhöht. Budgetärer Aufwand per anno: 70 Mio. Euro.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haub­ner. Für Sie gilt eine maximale Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

 


12.52.19

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Für den Wegfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist heute ein guter Tag, weil eine lang­jährige Forderung von uns umgesetzt wird.

Für die Maßnahmen gegen die Teuerung, sage ich, ist es ein schlechter Tag, weil das, was hier vorgeschlagen wird, geht an den wahren Problemen der Menschen vorbei. (Abg. Dr. Schelling: Na ja, so ist das nicht!)

Die außerbudgetären Steuereinnahmen, sehr geehrter Herr Finanzminister, sind rund 3 Milliarden €. Da frage ich mich: Diese Steuereinnahmen haben Sie doch jemandem weggenommen, irgendjemandem muss das doch fehlen. Daher frage ich: Wem fehlen diese Steuereinnahmen, die Sie jetzt wie in einem Schlaraffenland verwalten? – Diese Einnahmen fehlen letztendlich den Menschen, die fleißig arbeiten, den Menschen, die mit einem Durchschnittseinkommen auskommen müssen, den Menschen, die maximal 240 € Negativsteuer zurückbekommen, Menschen, die tagtäglich zur Arbeit fahren müssen und die wirklich aufs Auto angewiesen sind, weil sie keine andere Alternative haben, die durch diese Erhöhung der Pendlerpauschale, die Sie heute beschließen wollen, mit 15 Prozent zwar jährlich mit rund 32 bis 37 € begünstigt werden und zu­rückbekommen. Aber eine oder mehrere Tankfüllungen im Jahr, die man braucht, sind in etwa um 800 bis 1 000 € teurer. Daher sind das wirklich Almosen.


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Es nützt all jenen nichts, die zum Beispiel nach wie vor eine Ölheizung haben. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) Heizen mit Öl ist sehr, sehr teuer geworden und wenn man bedenkt, dass ein Tank mit 3 000 Litern Heizöl im Vorjahr 1 950 € gekostet hat und jetzt in Zukunft kostet er 2 910 €. (Abg. Mag. Kogler: Der Einbau von Öl­heizungen ist kurzfristig noch in ganz Österreich gefördert worden!) Da frage ich mich: Wo ist die soziale Fairness? Wo ist die soziale Gerechtigkeit? (Beifall beim BZÖ.)

Wenn Sie richtigerweise sagen, Herr Finanzminister, dass es positiv ist, dass viele Menschen in Arbeit sind, das unterstütze ich, aber ich glaube, irgendwann wird sich arbeiten bald nicht mehr lohnen. Denn wenn jene, die um einen Mindestlohn arbeiten sollen und arbeiten müssen, netto in etwa 818 € herausbekommen, es aber in Zukunft eine Mindestsicherung mit 724 € gibt, dann wird sich jeder überlegen, wenn er die Fahrtkosten dann noch dazurechnet, dass er eigentlich mit der Mindestsicherung auf der besseren Seite ist und sich das Arbeiten sparen. Also, man fragt sich, wozu noch arbeiten? (Abg. Ing. Westenthaler: Ja! Wozu noch arbeiten?)

Auch die vielen Pensionisten haben nichts von diesen Maßnahmen gegen die Teue­rung. Sie brauchen natürlich nicht die Pendlerpauschale. Aber sie haben zum Teil Kleinstpensionen, die nur mit 1,7 Prozent erhöht werden. Vor allem all jene, die unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen. Das sind in erster Linie Frauen, die hier wie­derum betroffen sind.

Ich sage, die soziale Balance, meine Damen und Herren, stimmt einfach nicht. Denn wenn man aus diesem Steuerschlaraffenland von mehreren Milliarden nur 60 Millionen zurückgibt, dann sind das wirklich nicht mehr als Almosen. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist ja richtig, wenn Sie sagen, dass die Verdreifachung der Treibstoffpreise nicht nur hausgemacht ist, sondern dass hier auch andere Einflüsse sind. Aber ich sage, gerade wir als politisch Verantwortliche haben unsere Hausaufgaben im eigenen Haus rasch und richtig zu machen, dass die Menschen spürbar entlastet werden.

Dass es geht zeigen unsere Ideen für soziale Gerechtigkeit, die wir auch noch einbrin­gen werden (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen), wie den Teue­rungsausgleich als Sofortmaßnahme, die Rücknahme der Mineralölsteuer-Erhöhung oder die Absetzbarkeit der Fahrtkosten.

Wer rasch und richtig hilft, hilft doppelt. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) Daher sage ich, das beste Beispiel ist Kärnten. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Hier sieht man, wie rasch und richtig geholfen wird, denn hier wird Politik für die Menschen gemacht, Politik für die Menschen und ihre täglichen Sorgen. In Kärnten haben auch ÖVP und SPÖ dieser Politik zugestimmt. (Beifall beim BZÖ.)

12.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Meine Damen und Herren! Die Fernsehdirekt­übertragung ist beendet. Wir gehen jetzt wieder zum System der freiwilligen Redezeit­beschränkungen über.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.57.16

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren StaatssekretärInnen! Ich möchte dort anknüpfen, wo fast allen Op­positionsparteien vorgeworfen wurde – nämlich von der Regierungsbank, durch Reden, durch Zwischenrufe –, dass wir mit Zahlen hantieren würden, die nicht stimmen.

Wenn wir einmal zum Generalthema der letzten Tage zurückkommen: Die 400 Millio­nen, um die es hier geht. (Staatssekretär Dr. Matznetter: Ging!) – Ja, ging; guter Hin-


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weis. Das ist wenigstens das einzig Gute – und darauf hat sich auch Kollege Auer bezogen – der Entwicklung der letzten Tage, dass das allergrößte Unglück verhindert werden konnte. Aber die Verhinderung des allergrößten Unglücks lässt immer noch sehr viel Unglück zu. Auf das werden wir noch eingehen. Aber die Bezeichnung des­selbigen, nämlich des allergrößten, und die Beschreibung und die Bezifferung haben Sie vorgenommen.

Ihre Abgeordneten – wenn man noch sagen darf: Regierungsabgeordneten; vielleicht wird das ja auch noch alles besser – sind im Fernsehen aufgetreten und haben sich damit gebrüstet, 400 Millionen sozusagen vor dem Zugriff der Reichen in Form von Steuergutschreibungen zu retten. In Umlauf gesetzt hat das niemand anderer als das Finanzministerium. Machen Sie sich noch aus, wer und in welcher Form und mit wel­cher Taktik.

Aber dass Sie dann die Abgeordneten, die es ohnehin schon schwer genug haben, Ihre Entwürfe nachzuvollziehen, noch dafür verantwortlich machen, dass sie mit den Materialien argumentieren, die Sie mit in die Debatte bringen oder vorlegen, ist dann doch ein starkes Stück. (Beifall bei den Grünen.)

So falsch wird es schon nicht gewesen sein, 20 Millionen pro Jahr und rückwirkend auf 20 Jahre. Sicherlich, man kann das nicht so genau berechnen. Wir sind auch alle keine jungen Hasen, wenn es um diese Rechnereien geht. Aber es waren offensichtlich Schätzwerte, und sie werden schon nicht so falsch gewesen sein. Immerhin – und jetzt komme ich zum inhaltlichen Beitrag – hat auch Professor Doralt im Wesentlichen so argumentiert. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte aber ohnehin wegkommen vom Technischen. Professor Doralt hat auch noch etwas anderes gemacht: Am Vortag, bevor das allergrößte Unglück verhindert werden konnte, hat er sich in einem sogenannten Brief des Tages an die Tageszeitung „Die Presse“ gewendet, und diese hat das dankenswerterweise abgedruckt. Und Sie wissen, was an dieser Stelle kommt: vermutlich kein besonders linkes Kampfblatt.

Die Tageszeitung „Die Presse“ zitiert Herrn Professor Doralt in der vermutlich vollstän­digen Länge seines Briefes, und ich darf das auszugsweise wiedergeben:

„Die ÖVP – ein Selbstbedienungsladen

Einige wenige in diesem Land lassen die ÖVP tanzen, sie haben sich die Partei gefü­gig gemacht. […]

Die ÖVP – ausgeschrieben ‚Volkspartei‘ –“ – ich füge ein: christlich-sozial laut Partei­programm! – „hat für sie“ – nämlich für die Reichen – „den Diener gemacht. Die ÖVP macht sich zum Selbstbedienungsladen ihrer mächtigsten Wirtschaftsbosse, einer Gruppe von einigen wenigen.“

Da hilft auch das demonstrative Nuscheln in der ersten Reihe nichts, Herr Ikrath (Abg. Mag. Ikrath spricht mit Abg. Dr. Stummvoll), Sie kommen ohnehin als Nächster dran.

„Eine Partei, die sich dem Mittelstand verpflichtet fühlt, nein, nicht fühlt, sondern die das von sich behauptet, steht in Wahrheit unter dem politischen Diktat ihrer Elite,“ – Herr Stummvoll, Herr Ikrath – „und die Elite“ – ich zitiere!; ich betone das nur wegen der Ordnungsrufverdächtigkeit – „greift für sich in die Staatskassa.“ – Ende des Zitats.

Wie wahr! Das konnte noch verhindert werden, und zwar durch die Initiative der Grü­nen, durch die Initiative des Kollegen Rossmann und durch das Engagement des Herrn Professors Doralt. Denn nicht nur, dass es der SPÖ – in den Reihen der Abgeord­neten – eingefallen ist, dass es so nicht kommen kann, sondern es wurde vermutlich auch für viele Abgeordnete, die bekanntermaßen sehr viel in den Wahlkreisen unter­wegs sind, zu einem Problem in der ÖVP. In Wahrheit war es für Sie gar nicht mehr so


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schwer, dieses Ding einzutauschen gegen ein anderes, das Sie erhalten haben. Ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf, das gehört zur Politik, insbesondere zu Verhand­lungen von Regierungsergebnissen. Aber man sieht, was man mit Engagement bewe­gen kann. Man sieht auch, dass eine Oppositionspartei mit Sachverstand und Exper­tise noch etwas bewegen kann. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.)

Ich sage Ihnen aber auch noch etwas zur Abfolge dieser Sache – Kollege Auer hat ja darauf hingewiesen, dass ich am Schluss noch etwas Gutes an dem Ganzen gefunden habe; ja, ich habe es gerade ausgeführt –: Nicht gut beziehungsweise am Rande der Geschäftsordnung beziehungsweise unter Missbrauch der Geschäftsordnung war je­doch folgender Vorgang, den ich als Ausschussmitglied des Finanzausschusses hier noch zu Protokoll bringen möchte: dass zweimal zu eingeladener Sitzung – mit Ihrer Unterschrift, Herr Vorsitzender Dr. Stummvoll – die Sitzung nach kurzen GO-Meldun­gen unterbrochen wurde, und einmal überhaupt nachdem Sie die Sitzung aufgenom­men haben, um sie sogleich wieder zu unterbrechen, und zwar ohne die Begründun­gen, die die Geschäftsordnung für Sitzungsunterbrechungen vorsieht. – Ich bekämpfe dieses Institut ja nicht. Es ist ein gutes Institut, wenn ein umsichtiger Vorsitzender da­mit umgeht. Aber wenn ein parlamentarischer Ausschuss von seinem Vorsitzführenden in die Richtung gedrängt wird, dass die ausgeschickte Tagesordnung nicht behandelt werden kann – weil mit der Begründung unterbrochen wird, dass die Regierung nicht zu Rande kommt –, dann hört es sich wirklich auf! So war es! Nuscheln Sie inzwischen nicht! So war es! (Beifall bei den Grünen.)

Es wäre gar keine große Kunst gewesen, wenigstens die Form einzuhalten – die ist in der Demokratie schon wichtig – und sich allenfalls mit uns, nämlich mit den anderen Oppositionsparteien zu verständigen und zu sagen: Ja, es gibt ein Problem, wir sind mit den Verhandlungen nicht fertig. – Das ist keine Schande. Möglicherweise bemühen sich ja alle. Aber dann stehen wir doch zur ausgeschickten Tagesordnung, verhandeln die anderen Punkte und berufen eine neue Sitzung ein! Es ist ja immer nur darum ge­gangen, ob ein neuer Punkt auf die Tagesordnung reklamiert wird. Das konnte die SPÖ verhindern, weil es zu so etwas Gott sei Dank eine Zweidrittelmehrheit braucht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) Man muss hier wirklich einmal zu Protokoll bringen, damit sich die Nachwelt anschauen kann, wie es in jenen Tagen im Parlament zugegangen ist, als es sich endlich von diesem Regierungstreiben emanzipiert hat. Sie sollten mehr Vorsitzender und weniger Regierungsagent sein; Sie hätten unsere Unter­stützung gehabt! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein letzter sachlicher Abschluss zu dem, worum es da eigentlich geht. Der Wegfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer war durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs bedingt. Wir kennen das alle. Das hat natürlich nicht die logische Konsequenz, dass man sagt: Dann fällt es eben aus und dann ist es so. – Es hätte auch anders kommen können. Die SPÖ verweist darauf, dass mit Ihnen nichts anderes möglich war, aber mit einer Mehrheit hier im Haus wäre vielleicht sehr wohl etwas anderes möglich gewe­sen – beziehungsweise kann das keine Entschuldigung für Ihr Wirken sein.

Man kann natürlich eine Erbschafts- und Schenkungssteuer erstens formal so kon­struieren, dass sie vor dem Verfassungsgerichtshof hält, und zweitens mit einem Inhalt ausstatten, der bei diesem Auseinanderklaffen der Vermögen auch in Österreich längst notwendig und richtig wäre. Natürlich könnten wir Freibeträge einziehen, die wesentlich höher gewesen wären als im alten Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht. Dann hätten wir einen Haufen Bürokratieersparnis betrieben und tatsächlich bei den großen Vermögen dafür geschaut, dass auch sie etwas beitragen. Aber jetzt geht alles auf null. Und die, die sich in Stiftungen zusammenrotten, bekommen noch etwas nachge­schmissen. Na gratuliere! Das ist Ihr soziales Gewissen! Und Sie rudern da hinten


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nach. Das ist doch das Problem! Wir hätten ein Gesetz machen können, das erstens verfassungskonform und zweitens sozial gerecht ist. Österreich hätte beides ge­braucht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Letztlich könnte man die Pendlerpauschale unter dem sozialen Aspekt betrachten. Wir haben das jetzt oft genug gehört, Stichwort: Absetzbetrag. Ich wiederhole das nicht. Aber was das Unsoziale ist, ist Ihre Uneinsichtigkeit. Der Wirtschaftsminister ist heute nicht da. Das ging gestern fast unter, weil wir das Gesetz zurückverwiesen haben. Der Wirtschaftsminister hat vor kurzer Zeit noch behauptet, die Ölpreisdebatte gehe in die falsche Richtung, der Preis werde bald wieder bei 35 Dollar pro Barrel sein. Da sieht man, wo der hindenkt und hintickt! Da kommt nichts mehr heraus. In Wahrheit betrei­ben Sie eine Generalförderung für diese Ölabhängigkeit der gesamten Volkswirtschaft. Sie halten die Volkswirtschaft unter Drogen mit dieser falschen Politik. Wir müssen da heraus! Die soziale Frage wäre, dass man das Richtige investiert und nebenbei noch die Zukunftschancen für die Wirtschaft damit sichert. Aber davon haben Sie sich verab­schiedet. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.06


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.06.54

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus!

Erstens ist zur Rede von Kollegem Kogler eine Anmerkung zu machen. Es ist ja ge­radezu grotesk, absurd und seiner nicht würdig, wenn er heute hier herausgeht, von einer Privilegierung von Stiftungen spricht und diese immer gleich mit ideologischen Stereotypen der Superreichen versieht. Wir haben jetzt die rechtliche Situation, dass Sie, wenn Sie etwas schenken oder vererben, überhaupt keine Steuer zahlen. Wenn man in einer Stiftung die Dispositionsfähigkeit über das Vermögen aufgibt, zahlt man 2,5 Prozent Steuer. – Also wenn überhaupt, dann kann man wohl wirklich nicht be­haupten, dass es da um eine Privilegierung der Stiftungen geht, Herr Kogler! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das Zweite ist: Hätten Sie einem neuen Finanzausschuss zugestimmt, dann hätten wir das so gestalten können. Sich heute hinzustellen und die Vorsitzführung des Kollegen Günter Stummvoll mit unwahren Behauptungen anzugreifen, muss ich Ihnen sagen, ist jedenfalls nicht fair. Nächstes Mal gehen Sie bitte auf unseren Vorschlag ein, dann würden wir das so machen können. (Abg. Sburny: Machen Sie, was die ÖVP will, und dann ist alles gut!)

Drittens möchte ich Frau Sburny etwas ganz Grundsätzliches sagen: Stiftungen immer nur von einer Seite zu beleuchten, ist nicht lauter. Wir wissen genau, dass Stiftungen heute, was die gemeinnützigen, wohltätigen und kirchlichen Zwecke sowie ihre finan­zielle Unterstützung betrifft, in diesem Land eine ganz wesentliche Rolle spielen. Das kommt allen Bürgern zugute, vor allem sozial schwachen. Ich würde Sie bitten, wenn wir schon seriös diskutiert wollen, auch diese Seite der Medaille zu beleuchten.

Ich kann jetzt zu meinem Bedauern nicht weiter darauf eingehen, weil ich noch folgen­den Antrag einbringe:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (549 und Zu 549 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem


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das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungs­meldegesetz 2008 (SchenkMG 2008)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Der Titel lautet wie folgt:

„Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabga­benordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird – Schenkungsmeldege­setz 2008 (SchenkMG 2008)“

2. Die Artikelbezeichnungen „3“ bis „8“ werden geändert auf „2“ bis „7“.

*****

Wie gesagt, ich bedaure, aufgrund dieses technischen Erfordernisses jetzt nicht mehr auf die vielen einseitigen, unwahren und nicht seriösen Feststellungen der grünen De­battenredner eingehen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

13.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dolinschek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.10.04

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Zum Einkommensteuergesetz: Die Regierungs­fraktionen sind sehr bemüht, die Steuer auf die Stiftungen, die Erhöhung der Pendler­pauschale und so weiter zu verteidigen. Ich denke, dass wir immer die soziale Balance im Auge behalten sollten. Wie man sein Leben bewältigt, hängt immer vom Einkom­men ab, das man hat. Wenn jetzt die Lebensmittel- und die Spritpreise steigen, wäh­rend die Menschen das Fahrzeug brauchen, um den Arbeitsplatz zu erreichen, und aufgrund der höheren Preise natürlich auch die Mehrwertsteuereinnahmen höher sind und nur so sprudeln, dann muss man sich darüber auch seine Gedanken machen.

Wenn man Regierungsverantwortung innehat, muss man sich darüber Gedanken ma­chen, wie man dieses Geld umverteilt. Es ist zu wenig, wenn der Herr Finanzminister sagt: Wir haben eine sinkende Arbeitslosenrate und ein Wirtschaftswachstum. – Das ist wohl recht, ja, aber die Vollbeschäftigung muss garantieren, dass das Einkommen so hoch ist, dass man nicht armutsgefährdet ist. Das ist meiner Meinung nach der Punkt, darauf sollten wir alle in diesem Hause achten. Wenn heute bei der Fragestun­de der Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gesagt hat, schuld an den hohen Lebensmittelpreisen seien die Lohnnebenkosten und die hohen Treibstoffpreise, dann möchte ich sagen: Dann soll die Regierung eben etwas tun, da müssen wir doch reagieren und den Leuten in dieser Hinsicht entgegenkommen! (Beifall beim BZÖ.)

Ich bringe jetzt … (Abg. Dr. Brinek: Staatlich geregelte Preise hat es in der DDR gege­ben!) – Aber in diesem Fall muss der Staat eingreifen, es muss in diesem Bereich eine Preisregulierung erfolgen! Dazu werde ich, Frau Kollegin Brinek, einen Antrag ein­bringen. (Abg. Dr. Brinek: Sehr gefährlich!) Man muss die Spritpreise regeln. Wenn sie


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 99

überborden und so horrend sind, dann muss man eine Preisregulierung einführen. Dazu gibt es ja auch das Instrumentarium des Preisgesetzes. (Abg. Dr. Brinek: Ost­block!)

Wir bringen deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Mag. Darmann, Dolinschek, Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend dringende Umsetzung des angesichts der explodierenden Treib­stoffpreise von der Kärntner Landesregierung beschlossenen Maßnahmenpakets

*****

Es geht dabei um eine einstimmige Resolution des Kollegiums der Kärntner Landes­regierung. Kollege Bucher hat das schon ausführlich erläutert, außerdem wurde der Antrag verteilt, deswegen erspare ich mir das Vorlesen dieses Antrages.

Weiters möchte ich Folgendes sagen: Mehr als 820 000 österreichische Arbeitnehmer machen Überstunden. Im letzten Jahr waren das rund 375 Millionen Überstunden, nämlich 8,8 Überstunden pro Woche, das sind zirka 35 im Monat. Diese Leistungen müssen sich lohnen. Angesichts dieser Tatsache müssten doch die Zuschläge für die ersten 20 Überstunden steuerfrei sein.

Wir bringen deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Ing. Peter Westenthaler, Kollegin und Kollegen be­treffend eine teilweise Steuerbefreiung der Überstundenbezahlung als Maßnahme zur Leistungsförderung und steuerlichen Entlastung der österreichischen Arbeitnehmer

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesent­wurf betreffend eine Änderung des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, mit dem die Steuerfreistellung der ersten 20 Überstunden im Monat als Maßnahme zur Leistungs­förderung und der steuerlichen Entlastung der österreichischen Arbeitnehmer gewähr­leistet wird.“

*****

Ich komme zum Thema Pendlerpauschale, geschätzte Damen und Herren. Die Pend­lerpauschale erreicht nicht alle Leute. Was sagen jene teilzeitbeschäftigten Frauen, die keine Steuer bezahlen und deshalb auch keine Pendlerpauschale erhalten?

Wir bringen deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Dolinschek, Kollegin und Kollegen be­treffend die Einführung einer Pendlerbeihilfe in Form eines amtlichen Kilometergeldes mit Beihilfewirkung


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 100

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat bis 15. September 2008 eine Regierungsvorlage vorzulegen, die statt der Pendlerpauschale eine Pendler­beihilfe in Form des amtlichen Kilometergeldes für die notwendigen Fahrten zum und vom Arbeitsplatz mit Beihilfewirkung und Berücksichtigung im Rahmen der Lohnver­rechnung vorsieht.“

*****

Weiters bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Dolinschek, Kollegin und Kollegen be­treffend Rücknahme der MÖSt-Erhöhung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat im Sinne einer Entlastung der von den exorbitant gestiegenen Treibstoffpreisen massiv belasteten Ös­terreicherinnen und Österreicher umgehend einen Gesetzesentwurf vorzulegen, durch den die bereits beschlossenen Erhöhungen der Mineralölsteuer zurückgenommen wer­den und den Klimafonds aus den sonstigen Steuermehreinnahmen zu finanzieren.“

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Weiters bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend die Be­stimmung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Höchstpreises für Treibstoffe

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, im Sinne der Wieder­herstellung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises für Treibstoffe umgehend einen Höchstpreis zu bestimmen und sich hinsichtlich der daraus resultierenden Aus­wirkungen auf den Finanzausgleich durch sinkende Umsatzsteuererträge mit dem Bun­desminister für Finanzen zu akkordieren.“

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Frau Kollegin Brinek, das war der Antrag mit der Preisregulierung.

Weiters bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend Teue­rungsausgleich für die exorbitant gestiegenen Treibstoffpreis


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 101

e

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvor­lage zur Änderung des Einkommensteuergesetzes dem Nationalrat vorzulegen, die einen finanziellen Teuerungsausgleich als monatliche Gutschrift im Rahmen der Lohn­verrechnung in Hinblick auf die rasante Verteuerung insbesondere bei Treibstoff- und Energiepreisen sicherstellt.“

*****

Abschließend bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzu­leiten, der das amtliche Kilometergeld auf zumindest kostendeckende 48 Cent pro Kilo­meter erhöht.“

*****

Das wird auch die Kollegen von der grünen Fraktion freuen, nämlich dass die Leute, die mit dem Auto fahren, etwas mehr in der Geldbörse haben, die Kaufkraft gestärkt wird und das Geld in den Börsen der Familien bleibt. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BZÖ.)

13.17


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zunächst gebe ich bekannt, dass der Abänderungsantrag der Abgeordneten Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen ordnungsgemäß eingebracht ist, ausreichend unterstützt ist und damit auch mit in Ver­handlung steht.

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Weiters gebe ich bekannt, dass der in seinen Kernzügen erläuterte Entschließungsan­trag der Abgeordneten Bucher, Darmann, Dolinschek, Westenthaler, Kollegin und Kol­legen sowie weitere sechs Entschließungsanträge ordnungsgemäß eingebracht wur­den, ausreichend unterstützt sind und daher mit in Verhandlung stehen.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Mag. Darmann, Dolinschek, Ing. Westenthaler Kollegin und Kollegen betreffend dringende Umsetzung des angesichts der explodierenden Treib­stoffpreise von der Kärntner Landesregierung beschlossenen Maßnahmenpakets

eingebracht in der Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008 im Zuge der Debatte
zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvor­lage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuer­gesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 102

ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)

„Rasanter Inflationsanstieg. Preisanstieg ohne Ende. Dramatischer Anstieg der Privat­insolvenzen,“ sind jene Meldungen, die die täglich stärker belasteten Österreicherinnen und Österreicher in diesen Tagen in den Zeitungen lesen müssen, und die die derzei­tige Entwicklung mit den entsprechenden alarmierenden Auswirkungen nur allzu gut veranschaulichen.

Insbesondere Lebensmittel wurden empfindlich teurer. Innerhalb der Eurozone musste Österreich mit 4,1 Prozentpunkten gleich nach Slowenien die höchste Inflationsrate bei Lebensmitteln in Kauf nehmen. Die exorbitanten Preissteigerungen insbesondere nachstehender Lebensmittel seit April des Vorjahres führen diese Entwicklung dras­tisch vor Augen:

Zitronen +43%, Nudeln +40%, Erdbeeren +32%, Pflanzenöl +26%, Käse 23%, Schlag­obers +19%, Putenbrust +16%, Trauben +16%, Butter +16%, Früchtejoghurt +15%, Vollmilch +14%, Salat +13%, Orangensaft +12%, Eier +12%, Brot 11%, Schokorie­gel +10%, Weißbrot +9%, Milchschokolade +7%, Schnitzel +6%, Zucker +5%, Marme­lade +5%.

Von diesen Erhöhungen sind gerade die einkommensschwachen Haushalte überpro­portional betroffen. Laut Arbeiterkammer geben die Ärmsten 17,2 % ihres Verdienstes für Ernährung aus, wohingegen die obersten Einkommensschichten nur 9,3 % dafür aufwenden.

Als Hauptpreistreiber treten neben den Nahrungsmitteln die Benzin- und Dieselpreise auf, die im Jahresvergleich um durchschnittlich nicht weniger als 24 % zulegten, wie jeder Österreicher beim Besuch der Tankstelle schmerzlich erfahren muss. Der Preis für einen Liter Diesel steigerte sich gar um 30 %, jener für Heizöl um 27 %.

Laut Expertenmeinung ist der Zenit der Preisentwicklung noch nicht erreicht, und wird ein Ölpreis von 400 Dollar nicht ausgeschlossen. „Die Situation ist ernster als die breite Öffentlichkeit glaubt,“ bringt Cerveny von ÖGUT die Problematik auf den Punkt. „Eine Entspannung zeigt sich noch nicht, so auch die wenig optimistische Prognose von Josef Baumgartner des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Damit nicht genug, könnte laut dem E-Control-Chef Walter Boltz Gas am Beginn der Heizsaison um bis zu 20% teurer werden, da der Gaspreis historisch an den Ölpreis gekoppelt ist und auf Preisänderungen erst ein halbes bis Dreivierteljahr später reagiert (Österreich vom 27.05.2008). Auch bei Strom könnte es im Zuge der Ölpreisentwick­lung zu einer saftigen Erhöhung zwischen 5 und 8 Prozent kommen.

Trotz dieser exorbitanten Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher beschränken sich die in diesem Zusammenhang seitens der Bundesregierung be­schlossenen Gegensteuerungsmaßnahmen auf reine Alibiaktionen oder „Augenaus­wischereien“ wie der SPÖ-AK Präsident Tumpel die nunmehr zur Beschlussfassung anstehenden Erhöhungen des Pendlerpauschales und des Kilometergeldes treffend bezeichnete.

Mit dieser geringfügigen Erhöhung des Pendlerpauschales wird nur ein verschwinden­der Teil jener durch die Teuerungen der Spritpreise, der Lebensmittel aber auch Ge­bühren- und Steuererhöhungen entstandenen Belastungen abgegolten und begünstigt zudem nur jene Bevölkerungsgruppe, die auch tatsächlich bereits lohnsteuerpflichtig sind bzw. überhaupt Anspruch auf das Pendlerpauschale haben. Der überwiegende Teil der Bevölkerung, der im Alltag auf das Auto angewiesen ist, und dies ohne jeden Anspruch auf ein Pendlerpauschale und ohne die Möglichkeit Kilometergeld geltend zu


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 103

machen, bleibt den Rekordpreisen bei Diesel und Benzin völlig ungeschützt ausge­setzt!

Vor dem Hintergrund dieser beängstigenden Preisentwicklung hat die Kärntner Lan­desregierung auf Initiative des Kärntner Landeshauptmannes am 3. Juni 2008 einstim­mig - somit auch mit Zustimmung der Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP - eine Resolution betreffend die Notwendigkeit eines amtlichen Preisstopps für Benzin und Diesel, einer Senkung der Mineralölsteuer sowie der Rücknahme der geplanten Steu­ererhöhung auf Heizöl beschlossen.

Im Interesse aller von der generellen Teuerungswelle und der exorbitanten Preisent­wicklung der Treibstoffe im Speziellen belasteten Österreicherinnen und Österreicher und aufgrund der Dringlichkeit der Umsetzung der von der Kärntner Landesregierung beschlossenen Maßnahmen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, im Einvernehmen mit dem jeweils ressortzuständigen Bundesminister angesichts der explodierenden Preise für Treib­stoffe schnellstmöglich Maßnahmen zu treffen, die eine Umsetzung der in der nachfol­genden Resolution des Kollegiums der Kärntner Landesregierung festgeschriebenen Forderungen sicherstellen:

„Resolution des Kollegiums der Kärntner Landesregierung

Das Kollegium der Kärntner Landesregierung fordert die österreichische Bundesregie­rung und Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer auf, angesichts der explodierenden Preise für Treibstoffe folgende Maßnahmen zu treffen:

1. Amtlicher Preisstopp!

Das Preisgesetz bietet die Möglichkeit, einen amtlichen Preisstopp für Benzin und Die­sel zu verfügen und einen Höchstpreis festzulegen. In Luxemburg etwa legt das Wirt­schaftsministerium regelmäßig Höchstpreise für Benzin, Diesel, Heizöl und Flüssiggas fest. Auf diese Weise will der Staat einen übermäßigen Preisanstieg verhindern. Der Wettbewerb der Mineralölkonzerne passiert unterhalb des festgelegten Höchstpreises. Berechnet wird der Maximalpreis mithilfe einer Formel, die unter anderem die Mineral­ölpreise an den Börsen berücksichtigt. Das Kollegium der Kärntner Landsregierung for­dert daher den zuständigen Minister Martin Bartenstein und die österreichische Bun­desregierung auf, gleich Luxemburg ebenfalls einen amtlichen Preisstopp zu verfügen und einen Höchstpreis festzulegen oder zumindest dem Landeshauptmann von Kärn­ten die Ermächtigung zu geben, für sein Bundesland einen Preisstopp zu verfügen.

2. Senkung der Mineralölsteuer!

Die Hälfte der hohen Spritpreise besteht ausschließlich aus Steuern. Die Bundesregie­rung argumentiert, eine willkürliche Senkung der Steuern verstoße gegen EU-Richt­linien und sei daher nicht möglich. Es gibt aber sehr wohl Spielräume nach unten, die zu nutzen sind. Denn die EU-Mindestbesteuerung für Benzin liegt bei 35,9 Cent je Liter, in Österreich macht die Mineralölsteuer aber 44,2 Cent aus. Bei Diesel liegt die Mindestbesteuerung bei 30,2 Cent, in Österreich sind es derzeit aber 34,7 Cent. Das Kollegium der Kärntner Landsregierung fordert den Finanzminister und die Bundesre­gierung daher auf, die Mineralölsteuer sofort zu senken, damit der Sprit endlich wieder billiger wird!


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 104

3. Rücknahme der geplanten Steuererhöhung auf Heizöl!

Im Mai 2007 hat 1 Liter Heizöl 65 Cent gekostet. Für die Füllung eines 3.000-Liter-Heizöltanks (durchschnittliches Einfamilienhaus) mussten 1.950 Euro bezahlt werden. Heute kostet die gleiche Füllung, bei einem Preis von 97 Cent für einen Liter Heizöl, 2.910 Euro. Also fast die Hälfte mehr! Mit 1. Juli 2008 kommt nun auch eine saftige Steuererhöhung auf Heizöl um 3,6 Cent pro Liter, womit Heizöl erstmals über einen Euro pro Liter kosten und damit noch teuer wird! Das Kollegium der Kärntner Lands­regierung fordert daher von der österreichischen Bundesregierung die sofortige Rück­nahme der Steuererhöhung auf Heizöl.““

Wien, 6. Juni 2008

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Ing. Peter Westenthaler Kollegin und Kollegen be­treffend eine teilweise Steuerbefreiung der Überstundenbezahlung als Maßnahme zur Leistungsförderung und steuerlichen Entlastung der österreichischen Arbeitnehmer

eingebracht in der Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008 im Zuge der Debatte
zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvor­lage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und
ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)

Mehr als 820.000 österreicherische Arbeitnehmer machen Überstunden. Hochgerech­net machten die Österreicher und die Österreicherinnen im letzten Jahr rund 375 Mil­lionen Überstunden. Die durchschnittliche wöchentliche Überstundenzahl lag dabei bei 8,8 Überstunden pro Woche, d. h. ca. 35 Stunden pro Monat. Zudem stieg die Zahl der Österreicher und Österreicherinnen, die regelmäßig Überstunden leisten, seit 2004 ste­tig an.

Konkret erfolgte von 2004 bis 2007 eine Steigerung um 26,8 %.

Wenn sich (diese) Leistung in diesem Land wieder lohnen soll, wäre insbesondere eine deutlich spürbare Entlastung dieser Gruppe der Leistungsträger erforderlich. Wir schla­gen vor, dies durch eine teilweise Steuerbefreiung für bis zu 20 Überstunden im Monat zu verwirklichen. Der Rechnungsansatz beruht auf dem Gedanken, zumindest für un­gefähr jeden Arbeitstag im Monat eine Überstunde steuerlich zu befreien. Von einer solchen teilweisen Steuerbefreiung der Überstundenbezahlung würden die begünstig­ten Arbeitnehmer mit einer Entlastung von durchschnittlich 1.300 Euro pro Jahr profi­tieren. Die Leistungsbereitschaft der Menschen würde durch das mit der Maßnahme verbundene Signal „Mehrarbeit wird entsprechend honoriert“ gefördert werden.

Mit dieser Maßnahme gingen mehrere erstrebenswerte Folgewirkungen einher. Die leistungsfördernde Maßnahme verringert nicht nur den Anreiz zur illegalen Schwarzar­beit (vgl. Prof. Schneider), sondern gibt einen Ansporn zu Mehrarbeit und wird sich da­durch positiv auf das Wachstum der Gesamtwirtschaft auswirken. Gleichzeitig könnte sie auch den für die österreichischen Unternehmen immer stärker werdenden Druck des Facharbeitermangels lindern.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 105

Die Finanzierung ist durch die derzeit sprudelnden Steuereinnahmen leicht möglich und wäre allein aus den für dieses Jahr zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Lohn­steuer zu finanzieren. Schon die Lohnsteuereinnahmen im ersten Quartal 2008 liegen um 378 Mio. Euro über den Einnahmen des Vorjahresquartals.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesent­wurf betreffend eine Änderung des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, mit dem die Steuerfreistellung der ersten 20 Überstunden im Monat als Maßnahme zur Leistungs­förderung und der steuerlichen Entlastung der österreichischen Arbeitnehmer gewähr­leistet wird.“

Wien, am 06.06.2008

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Dolinschek Kollegin und Kollegen be­treffend die Einführung einer Pendlerbeihilfe in Form eines amtlichen Kilometergeldes mit Beihilfewirkung

eingebracht in der Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008 im Zuge der Debatte
zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvor­lage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und
ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)

Von den rund 1,5 Mio. pendelnden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Öster­reich sind allein 600.000 auf das Auto angewiesen. Die von der Bundesregierung be­schlossene Mineralölsteuer-Erhöhung für Benzin (plus 3 Cent) und Diesel (plus 5 Cent) bedeutet für die Pendler eine jährliche Mehrbelastung von 56 Millionen Euro und trifft da vor allem die unteren Einkommensschichten.

Trotz dieser erheblichen Belastungen der Pendler reagierte die Bundesregierung le­diglich mit einer 15-prozentigen Erhöhung der Pendlerpauschale. Umgerechnet bringt diese Maßnahme nur eine Steuerersparnis von ca. 35 Millionen Euro und ist damit als nicht ausreichend zu bezeichnen. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Erspar­nisse der einzelnen Pendler genauer betrachtet. Für 80% der Pendler (kleine Pendler­pauschale) bringt die Erhöhung um 15 % bei einem Einkommen unter 2.500 Euro brut­to eine jährliche steuerliche Entlastung von 32 Euro, bei über 2.500 Euro von 37 Euro. Setzt man diese Werte nun noch ins Verhältnis zum Preis einer Tankfüllung zum aktu­ellen Spritpreis, dürften selbst die Befürworter der Regierungslösung Handlungsbedarf erkennen.

Weiters erscheint kritikwürdig, dass die getätigten Erhöhungen jenem Teil (rund ein Drittel) der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche derzeit kei­ne Lohnsteuer bezahlen (Einkommen unter 1.130 Euro) sowie jenem Teil, der unter


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 106

11 Tagen im Monat arbeitet (also z.B. atypische Beschäftigte), überhaupt nichts brin­gen. Damit ist die getätigte Maßnahme der Regierung zudem aus sozialen Gesichts­punkten abzulehnen. Bekräftigt wird dieser Schluss durch die Tatsache, dass davon je­denfalls 40 % aller beschäftigten Frauen, nämlich die, die in Teilzeit arbeiten, betroffen sind.

Ein neues System zur Entlastung der Pendlerinnen und Pendler ist daher notwendig.

Als Ersatz für die Pendlerpauschale und den Verkehrsabsetzbetrag sollte eine Pendler­beihilfe in Form eines amtlichen Kilometergeldes mit Beihilfewirkung eingeführt wer­den. Nur so kommt die steuerliche Entlastung allen Pendlern zu Gute, weil entweder der Arbeitnehmer um diesem Betrag weniger Lohnsteuer zahlt, oder wenn er keine Steuer bezahlt, diesen als Negativsteuer direkt bekommt. Damit einhergehend ist es notwendig, Ausnahmetatbestände für Fälle der Pendlerbeihilfe zu schaffen, in denen der so ermittelte Betrag über dem Wert der bestehenden Begrenzung der Negativsteu­er liegt. Nur so kann ein gerechter Ausgleich auch tatsächlich durchgeführt werden, so­weit der erforderliche Betrag über 200 Euro liegt. Insgesamt würden damit vor allem die bis jetzt benachteiligten Bezieher kleinerer Einkommen stark entlastet werden und in Form einer Beihilfe profitieren.

Diese Pendlerbeihilfe gilt für alle Arbeitnehmer und wird pro konkret zurückgelegten Ar­beitswegkilometer gewährt. Sie wird auf eine noch festzulegende maximale Kilometer­anzahl beschränkt um einen eventuellen Missbrauch (Angabe täglicher Fahrten obwohl Wochenpendler) vorzubeugen.

Die Pendlerbeihilfe soll bereits im Rahmen der Lohnverrechnung vom Arbeitgeber be­rücksichtigt und monatlich einkommenserhöhend wirksam werden.

Vorteile:

Sozial gerecht – Arbeitnehmer und Unternehmen werden gleichgestellt

Besserstellung unterer und mittlerer Einkommen aufgrund einer echten Beihilfewirkung

Erleichterung der Mobilität der Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Wahlfreiheit der Ver­kehrsmittel

Aufwertung des Wohnens im ländlichen Raum

Einfachere Verwaltung

Transparente Berechnung

Schnellere Auszahlung und Milderung der Pendlerkosten (Negativsteuer wirkt erst nach Steuerausgleich zeitversetzt)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Nationalrat bis 15. September 2008 eine Regierungsvorlage vorzulegen, die statt der Pendlerpauschale eine Pendler­beihilfe in Form des amtlichen Kilometergeldes für die notwendigen Fahrten zum und vom Arbeitsplatz mit Beihilfewirkung und Berücksichtigung im Rahmen der Lohnver­rechnung vorsieht.“

Wien, am 06.06.2008

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Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 107

Entschließungsantrag

Entschließungsantrag der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Dolinschek Kolle­gin und Kollegen betreffend Rücknahme der MÖSt-Erhöhung

eingebracht in der Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008 im Zuge der Debatte
zu Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvor­lage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungs­steuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und
ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.)

Benzin und Diesel sind momentan so teuer wie nie zuvor. Der Preis für einen Liter Die­sel liegt bei bis zu 1,4 Euro, der Preis für einen Liter Benzin nur unwesentlich darunter. Diese Preiserhöhung – 30 % bei Diesel und 22 % bei Benzin binnen einen Jahres – ist allerdings nicht nur durch steigende Rohölpreise bedingt. Der Staat wirkt an der Belas­tung der Bürger in erheblichem Maße mit, indem er einerseits aktiv Steuern erhöht und andererseits von steigenden Preisen durch erhöhte Mehrwertsteuereinnahmen profi­tiert. Der Staat verschärft also die für die Bürger schon unerträglich hohe Preisentwick­lung noch zusätzlich. Dagegen wenden wir uns.

In Österreich liegt der Mineralölsteueranteil auf Benzin aktuell bei 65,5 Cent, was einem Wert von ca. 50 % des Verkaufspreises entspricht. Insgesamt hat die Mineralöl­steuer dem Finanzminister im Jahre 2007 über 3,6 Milliarden Euro eingebracht. Die Benzinpreis- und die Mineralölsteuererhöhung durch die rot-schwarze Bundesregie­rung bedeuten laut Berechnung des ÖAMTC 727 Millionen an jährlichen Mehreinnah­men für den Finanzminister. Allein 287 Millionen Euro erhält der Finanzminister, weil die Mehrwertsteuer mit dem Grundpreis von Benzin und Diesel mit steigt.

Die OMV, die rund 70 Prozent des Tankstellennetzes in Österreich kontrolliert, konnte trotz der für die Bürger schwierigen Lage an ihr Rekordergebnis von 1,6 Milliarden Ge­winn aus dem Gesamtjahr 2007 anknüpfen. So startete die OMV bereits in den ersten drei Monaten des Jahres mit einem Rekordplus von 55 Prozent und erwirtschaftete einen Reingewinn von 795 Millionen Euro. Beachtlich ist daran besonders, dass der Staat über die ÖIAG 31,5 % Anteil an der OMV hält und auf diese Wiese mitverdient.

Weiters ist zu beachten, dass der Nettobenzinpreis in Österreich um einiges höher liegt als in vergleichbaren Nachbarländern. Wer nach Tschechien, Slowenien, in die Slowa­kei, nach Liechtenstein oder in die Schweiz fährt, tankt sowohl Benzin als auch Diesel günstiger als in Österreich.

Am Beispiel der Pendler wird besonders deutlich, wie erheblich die Auswirkungen der von der Bundesregierung beschlossenen Mineralölsteuer-Erhöhung für Benzin und Diesel sind. So werden die Pendler mit einer jährlichen Mehrbelastung von 56 Millionen Euro getroffen.

In Betracht der erheblichen Mehrbelastungen der Bürger erscheint es nun notwendig, die Mineralölsteuer schnellstens zu senken, um die Bürger zu entlasten und die Kon­junktur nicht zu gefährden. Die Regierung sollte sich endlich schützend vor ihre Bürger stellen, statt sie zusätzlich zu belasten. Angesichts von Steuermehreinnahmen von 20 Mrd. Euro bis zum Jahre 2010 kann es auch kein Problem sein, ohne Mehreinnah­men aus der MÖSt den Klimafonds zu finanzieren.

Zudem ist die ab 01.07.2008 in Kraft tretende Mineralölsteuererhöhung für bestimmte Heizölsorten angesichts der stark steigenden Heizölpreise ebenso wenig zumutbar.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 108

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat im Sinne einer Entlastung der von den exorbitant gestiegenen Treibstoffpreisen massiv belasteten Ös­terreicherinnen und Österreicher umgehend einen Gesetzesentwurf vorzulegen, durch den die bereits beschlossenen Erhöhungen der Mineralölsteuer zurückgenommen wer­den und den Klimafonds aus den sonstigen Steuermehreinnahmen zu finanzieren.“

Wien, am 06.06.2008

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher Kollegin und Kollegen betreffend die Be­stimmung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Höchstpreises für Treibstoffe

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1:

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangs­steuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) in der 63. Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008

Die derzeit explodierenden Preise für Diesel und Benzin stellen einerseits eine außer­gewöhnliche Belastung für die Österreicherinnen und Österreicher dar und zeitigen andererseits zweifelsohne entsprechende negative volkswirtschaftliche Auswirkungen, die sich unter anderem in steigenden Inflationsraten, in einer Schwächung der Binnen­konjunktur sowie sinkender Kaufkraft bemerkbar machen.

§ 2 Preisgesetz normiert, dass für Sachgüter, für die Lenkungs- und Bewirtschaftungs­maßnahmen (…) getroffen werden, (…) die Behörde für die Dauer dieser Maßnahmen volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise bestimmen kann. Für Erdöl regelt das Erdöl­bevorratungs- und Meldegesetz in diesem Zusammenhang die entsprechenden Len­kungsmaßnahmen, die die Importeure von Erdöl und Erdölprodukten verpflichten, für den Krisenfall Pflichtnotstandsreserven zu halten. Vorratspflichtige haben ab 1. April jeden Jahres je 25% des Importes an Erdöl und den einzelnen Erdölprodukten sowie Biokraftstoffen und Rohstoffen zur direkten Erzeugung von Biokraftstoffen im vorange­gangenen Kalenderjahr als Pflichtnotstandsreserven im Inland zu halten.

Somit ist im konkreten Fall die Anwendung des Preisgesetzes und damit die Bestim­mung volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise entweder auf Antrag oder von Amts wegen durch die Behörde nicht nur möglich sondern aufgrund der aktuellen Preisent­wicklung dringend geboten. Ein volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preis ist laut Preis­gesetz insbesondere dann anzunehmen, wenn dieser insbesondere der jeweiligen wirt­schaftlichen Lage der Verbraucher bestmöglich entspricht. Gerade vor dem Hinter­grund der Tatsache, dass die Treibstoffpreise allein im letzten Jahr um bis zu 30 % stiegen, im Gegenzug dazu die kollektivvertraglichen Gehalts- und Lohnanpassungen durch die kalte Progression, durch Gebühren - und Steuererhöhungen vollständig auf­gefressen wurden, kann mit Sicherheit nicht mehr von Preisen gesprochen werden, die der wirtschaftlichen Lage der Verbraucher bestmöglich entsprechen.


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Es ist daher höchst an der Zeit, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Herstellung volkswirtschaftlich gerechtfertigter Treibstoffpreise einen entsprechenden Höchstpreis verordnet. Da eine solche Maßnahme natürlich Auswirkungen auf den Ertrag zwischen dem Bund und den Ländern geteilter sogenannter gemeinschaftlicher Bundesabgaben - im konkreten Fall auf das Umsatzsteueraufkommen – hat, ist der Fi­nanzausgleich durch eine derartige Höchstpreisfestsetzung direkt betroffen, und sollte diese Maßnahme in Abstimmung mit dem Bundesminister für Finanzen erfolgen. Dies insbesondere deshalb, da gemäß § 8 Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz 2008 der Teilung der Abgabe der Reinertrag (der vorgenannten gemeinschaftlichen Abgaben) unterliegt, und sich daher im Falle der Verordnung eines Höchstpreises das Umsatzsteuerauf­kommen natürlich verändern wird.

Aus den dargelegten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, im Sinne der Wieder­herstellung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises für Treibstoffe umgehend einen Höchstpreis zu bestimmen und sich hinsichtlich der daraus resultierenden Aus­wirkungen auf den Finanzausgleich durch sinkende Umsatzsteuererträge mit dem Bun­desminister für Finanzen zu akkordieren.“

Wien, 6. Juni 2008

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Bucher Kollegin und Kollegen betreffend Teue­rungsausgleich für die exorbitant gestiegenen Treibstoffpreise

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1:

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (549 d.B. und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangs­steuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) in der 63. Sitzung des Nationalrates vom 6. Juni 2008

„Rasanter Inflationsanstieg. Preisanstieg ohne Ende. Dramatischer Anstieg der Privat­insolvenzen,“ sind jene Meldungen, die die täglich stärker belasteten Österreicherinnen und Österreicher in diesen Tagen in den Zeitungen lesen müssen, und die die derzei­tige Entwicklung mit den entsprechenden alarmierenden Auswirkungen nur allzu gut veranschaulichen.

Insbesondere Lebensmittel wurden empfindlich teurer. Innerhalb der Eurozone musste Österreich mit 4,1 Prozentpunkten gleich nach Slowenien die höchste Inflationsrate bei Lebensmitteln in Kauf nehmen. Die exorbitanten Preissteigerungen insbesondere nachstehender Lebensmittel seit April des Vorjahres führen diese Entwicklung dras­tisch vor Augen:


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Zitronen +43%, Nudeln +40%, Erdbeeren +32%, Pflanzenöl +26%, Käse 23%, Schlag­obers +19%, Putenbrust +16%, Trauben +16%, Butter +16%, Früchtejoghurt +15%, Vollmilch +14%, Salat +13%, Orangensaft +12%, Eier +12%, Brot 11%, Schokorie­gel +10%, Weißbrot +9%, Milchschokolade +7%, Schnitzel +6%, Zucker +5%, Marme­lade +5%.

Von diesen Erhöhungen sind gerade die einkommensschwachen Haushalte überpro­portional betroffen. Laut Arbeiterkammer geben die Ärmsten 17,2 % ihres Verdienstes für Ernährung aus, wohingegen die obersten Einkommensschichten nur 9,3 % dafür aufwenden.

Als Hauptpreistreiber treten neben den Nahrungsmitteln die Benzin- und Dieselpreise auf, die im Jahresvergleich um durchschnittlich nicht weniger als 24 % zulegten, wie jeder Österreicher beim Besuch der Tankstelle schmerzlich erfahren muss. Der Preis für einen Liter Diesel steigerte sich gar um 30 %, jener für Heizöl um 27 %.

Laut Expertenmeinung ist der Zenit der Preisentwicklung noch nicht erreicht, und wird ein Ölpreis von 400 Dollar nicht ausgeschlossen. „Die Situation ist ernster als die breite Öffentlichkeit glaubt,“ bringt Cerveny von ÖGUT die Problematik auf den Punkt. „Eine Entspannung zeigt sich noch nicht, so auch die wenig optimistische Prognose von Josef Baumgartner des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Damit nicht genug, könnte laut dem E-Control-Chef Walter Boltz Gas am Beginn der Heizsaison um bis zu 20% teurer werden, da der Gaspreis historisch an den Ölpreis gekoppelt ist und auf Preisänderungen erst ein halbes bis Dreivierteljahr später reagiert (Österreich vom 27.05.2008). Auch bei Strom könnte es im Zuge der Ölpreisentwick­lung zu einer saftigen Erhöhung zwischen 5 und 8 Prozent kommen.

Trotz dieser exorbitanten Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher beschränken sich die in diesem Zusammenhang seitens der Bundesregierung be­schlossenen Gegensteuerungsmaßnahmen auf reine Alibiaktionen oder „Augenaus­wischereien“ wie der SPÖ-AK Präsident Tumpel die nunmehr zur Beschlussfassung anstehenden Erhöhungen des Pendlerpauschales und des Kilometergeldes treffend bezeichnete.

Mit dieser geringfügigen Erhöhung des Pendlerpauschales wird nur ein verschwinden­der Teil jener durch die Teuerungen der Spritpreise, der Lebensmittel aber auch Ge­bühren- und Steuererhöhungen entstandenen Belastungen abgegolten und begünstigt zudem nur jene Bevölkerungsgruppe, die auch tatsächlich bereits lohnsteuerpflichtig sind bzw. überhaupt Anspruch auf das Pendlerpauschale haben. Der überwiegende Teil der Bevölkerung, der im Alltag auf das Auto angewiesen ist, und dies ohne jeden Anspruch auf ein Pendlerpauschale und ohne die Möglichkeit Kilometergeld geltend zu machen, bleibt den Rekordpreisen bei Diesel und Benzin völlig ungeschützt ausge­setzt!

Nachdem das BZÖ bereits seit Monaten, erstmals in Form eines Antrages im National­rat am 4. Dezember 2007, einen Teuerungsausgleich forderte, dies jedoch von SPÖ und ÖVP abgelehnt wurde, erkannte Bundeskanzler Gusenbauer die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme, wenn er im News vom 31.01.2008 mit den Worten zitiert wird: „Mich besorgt die Teuerungsrate der letzten Monate. (...) Und ja, ich halte die Dis­kussion über eine einmalige finanzielle Maßnahme für sinnvoll.“ So kann sich die SPÖ vorstellen, kleinere Einkommen mit einmalig mindestens 100 Euro zu begünstigen. Mindestpensionsbezieher sollen jedenfalls diesen „Scheck“ gegen die Teuerungen er­halten aber auch Einkommensbezieher von bis zu 2.000 Euro brutto monatlich sollen nach Ansicht der SPÖ davon profitieren.


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Im ZIB 2 Interview vom 30.01.2008 bekräftigte der SPÖ-Geschäftsführer Kalina diese Forderung und unterstrich dort die Absicht der SPÖ, „mit einer Einmalzahlung an die Betroffenen auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten reagieren zu wollen.“

Trotz dieser klaren Festlegung der SPÖ in dieser Frage blieb ein weiterer diesbezüg­licher Antrag des BZÖ im Nationalrat vom 31.01.2008 sowie einer vom 03.03.2008 in der Minderheit und fand nicht die Unterstützung der Regierungsparteien.

Aus den dargelegten Gründen unternehmen daher die unterfertigten Abgeordneten im Interesse aller von der generellen Teuerungswelle und der exorbitanten Preisentwick­lung der Treibstoffe im Speziellen belasteten Österreicherinnen und Österreicher und damit im Sinne des Erhalts der sozialen Sicherheit in diesem Land einen neuerlichen Versuch und stellen nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvor­lage zur Änderung des Einkommensteuergesetzes dem Nationalrat vorzulegen, die einen finanziellen Teuerungsausgleich als monatliche Gutschrift im Rahmen der Lohn­verrechnung in Hinblick auf die rasante Verteuerung insbesondere bei Treibstoff- und Energiepreisen sicherstellt.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 2: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Reise­gebührenvorschrift 1955 geändert wird (613 d.B.)

Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer benutzen ihren privaten Pkw für Dienstfahrten. Doch die derzeitigen 38 Cent pro Kilometergeld kommen nicht im Ge­ringsten an die realen Kosten heran, die bei Dienstfahrten im Privatauto entstehen. Viele Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer haben dadurch finanzielle Mehrbelastun­gen zu tragen, die zum Teil mehr als 1.000 Euro pro Jahr betragen.

Zusätzlich werden die Autofahrer und Autofahrerinnen seit dem letzten Jahr durch
die Erhöhung des Vignettenpreises, exorbitante Preissteigerungen bei den Kraftstoffen, die Anhebung der Mineralölsteuer sowie durch gestiegene Abgaben belastet. Seit Juli 2007 hat daher die Erhöhung der Treibstoffpreise für die Arbeitnehmer zu Mehr­kosten von 500 Mio. Euro geführt.

Die nun von der Bundesregierung vereinbarte Erhöhung des amtlichen Kilometergel­des von 38 auf 42 Cent ist als Antwort auf die ständig steigenden Treibstoffpreise bei der Bevölkerung auf wenig Anerkennung gestoßen, da die Beschäftigten mit jedem ge­fahrenen Kilometer ihres privaten Fahrzeuges weiterhin Geld verlieren.

Damit aber die Berufspendler und -pendlerinnen bei beruflichen Fahrten mit ihren pri­vaten Kraftfahrzeugen aufgrund der enorm hohen Spritpreise keine weiteren Belastun­gen erleiden ist eine rasche Anhebung des amtlichen Kilometergeldes von 38 auf nun-


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mehr 48 Cent pro Kilometer längst überfällig. Denn jeder Betrag darunter ist ein Verlust für jeden Autofahrer, der das private Kraftfahrzeug für Dienstfahrten einsetzt.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzu­leiten, der das amtliche Kilometergeld auf zumindest kostendeckende 48 Cent pro Kilo­meter erhöht.“

Wien, am 6. Juni 2008

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sylvia Rinner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

 


13.18.17

Abgeordnete Sylvia Rinner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Verehrte Damen und Herren! Ich freue mich schon auf die Diskussion im Finanz­ausschuss mit der Fülle dieser Anträge des BZÖ.

In den letzten Jahren hat sich der Rohstoffmarkt sehr stark geändert. Die enorme Nachfrage durch die rasch wachsende Wirtschaft in China und Indien einerseits und die politischen Spannungen in den Erdölförderländern andererseits treiben natürlich den Preis von Rohstoffen wie Erdöl in die Höhe. Dieser starke Preisanstieg trifft die Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen des täglichen Lebens, sei es beim Heizmaterial oder bei den Treibstoffen. Daher hat sich die Bundesregierung unter Bun­deskanzler Alfred Gusenbauer neuerlich – und das schon zum zweiten Mal in seiner Regierungszeit – dazu entschlossen, das Pendlerpauschale um 15 Prozent zu erhö­hen.

Gleichzeitig erfolgt auch eine Anhebung des Kilometergeldes nach der Reisegebühren­vorschrift um 12 Prozent. Diese beiden Erhöhungen umfassen einen budgetären Ge­samtaufwand von 60 Millionen € und treten mit 1. Juli in Kraft.

Der ständige Preisanstieg bei den Treibstoffen trifft in einem großen Ausmaß die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die tagtäglich zu ihrem Arbeitsplatz fahren müs­sen, zum Teil größere Strecken zurücklegen und obendrein sehr oft noch auf das Auto angewiesen sind. Um genau diese Personengruppe zu entlasten, werden das kleine und das große Pendlerpauschale erhöht. Es werden weitere Maßnahmen folgen müs­sen. So muss sicherlich der öffentliche Verkehr noch attraktiver gestaltet werden, damit es den Menschen leichter fällt, vom Auto auf die Öffis umzusteigen.

Ein weiterer Anreiz wäre sicherlich die Schaffung eines Generalfahrausweises, der zur Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr berechtigt.

Mit der heutigen Erhöhung von Pendlerpauschale und Kilometergeld zeigt die SPÖ-ge­führte Regierung, dass sie sich der Sorgen der Menschen annimmt und sozial gerechte Maßnahmen umsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

13.20


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Tamandl. Sie will 2 Minuten sprechen. – Bitte.

 



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13.20.35

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Rinner! Erstens einmal haben wir die Pendlerpau­schale und das Kilometergeld schon bei der letzten Steuerreform erhöht. Wir haben es dann noch einmal erhöht, und diesmal auch wieder auf Initiative unseres Finanzminis­ters. Also vielleicht informieren Sie sich ein bisschen, bevor Sie hier an das Rednerpult treten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich aber auch noch zu diesen ominösen 400 Millionen €, die heute schon ein paarmal strapaziert worden sind, kurz äußern. Es ist nämlich unseriös, mit einer Zahl, die auf Schätzungen basiert – wie groß werden die Körperschaftsteueraufkom­men der Stiftungen in den nächsten Jahren sein?; in etwa 20 Millionen € pro Jahr – zu operieren. Wenn man das dann mal 20 rechnet, sind es auf einmal 400 Millionen €. – Wir machen eine Steuerreform im Ausmaß von 3 Milliarden €. Es wäre doch auch voll­kommen unseriös, wenn wir sagten, auf 20 Jahre gesehen hätten wir eine Steuerre­form im Ausmaß von 600 Milliarden € gemacht. Es wäre also unseriös, das zu behaup­ten und uns mit einer solchen Steuerreform mit einem Volumen von 600 Milliarden € zu brüsten, Herr Kollege Rossmann. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines muss, glaube ich, heute auch noch einmal gesagt werden, denn wir haben hier ja gehört, dass der Stiftungsgedanke Ferdinand Lacinas im Jahr 1994 so toll gewesen sei und die letzten Regierungen das entschärft hätten. – Also, bitte, eines zu beden­ken: Ferdinand Lacina, SPÖ-Finanzminister 1994. Schenkungssteuer für Stiftungen, wenn ein Stifter einer Stiftung Kapital oder eben Vermögen zuwendet, 2,5 Prozent, bitte. 2,5 Prozent! Von der Regierung Schüssel I wurden diese 2,5 Prozent auf 5 Pro­zent erhöht, und ebenfalls von der Regierung Schüssel unter Finanzminister Grasser wurde die Zwischensteuer, die Körperschaftsteuer in Höhe von 12,5 Prozent, einge­führt. Das heißt, wir haben das verschärft und nicht verwässert und haben dies auch mit einem Klubobmann Westenthaler, der das heute als Begünstigung der Superrei­chen kritisiert hat, beschlossen. (Abg. Kopf: Aha! – Abg. Ing. Westenthaler: Eine ge­wisse Unschärfe, eine kleine Unschärfe! – Abg. Reheis: Schon vergessen?)

Bleiben Sie bei der Wahrheit, und bleiben Sie auch dabei! Sie haben einmal Regie­rungsverantwortung getragen, und es waren auch sehr gute Gesetze und sehr gute Maßnahmen. Da können Sie stolz darauf sein, durchaus. (Beifall bei der ÖVP.)

Angesichts der Zeit, die ich leider nicht mehr habe, möchte ich Ihnen aber trotzdem noch auf den Weg mitgeben: Initiativen von uns für Pendlerinnen und Pendler, Initiati­ven von uns in den letzten Jahren für Menschen, die weniger verdienen: Steuerre­form – 2,55 Millionen Menschen zahlen gar keine Steuern mehr. Gestern beschlos­sen – 1 Million Menschen wird im Ausmaß von 300 Millionen € entlastet, ein Vorgriff auf die Steuerreform. Und das ist auch der Grund, warum wir Regierungsverantwor­tung tragen und Leute und Parteien wie Strache und Co. die Oppositionsbank drücken müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.23


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kirchgatterer mit 2 Minuten Redezeitbegrenzung. – Bitte.

 


13.23.54

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Hohes Haus! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin: Es war das Kennzeichen sozialdemokratischer Finanzminister, dass sie Wirtschaftsstärke und soziale Gerechtig­keit angestrebt und vielfach auch erreicht haben. Dies müssen wir jetzt erst wieder mit unserem Staatssekretär auf die richtige Linie bringen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Ich möchte jedoch auf das eingehen, was wir heute be­schließen, nämlich die Erhöhung des Pendlerpauschales, die ab 1. Juli dieses Jahres in Kraft tritt und die sehr viele Menschen betrifft. Wie viele von dieser Anhebung mit 1. Juli dieses Jahres profitieren, darf ich Ihnen anhand meines Bundeslandes verdeutli­chen. In Oberösterreich pendeln 25 Prozent aus ihrer Gemeinde innerhalb des Bezirks, 37 Prozent in andere Bezirke und 9 Prozent in ein anderes Bundesland. Zusammen sind es 71 Prozent.

Zwei Beispiele, zwei Bezirke in absoluten Zahlen. Der Bezirk Eferding: 2 200 pendeln von ihrer Gemeinde innerhalb des Bezirks, 6 800 in andere Bezirke und 1 250 in an­dere Bundesländer. Der Bezirk Grieskirchen: 5 800 von ihrer eigenen Gemeinde inner­halb des Bezirks, 11 570 in andere Bezirke und 1 830 in andere Bundesländer.

Obwohl in diesen Zahlen die öffentlich Bediensteten nicht enthalten sind, ist die Höhe der Zahlen wohl sehr beeindruckend. Untersuchungen, Studien besagen, dass die Zahl der Pendlerinnen und Pendler noch zunehmen wird. Dies deshalb, weil die zentralen Wirtschaftsstandorte noch attraktiver, noch stärker und anziehender sein werden.

Meine Damen und Herren! Ich betrachte diese spürbare Erhöhung des Pendlerpau­schales, die spürbare Erhöhung des Kilometergeldes als Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung der Mobilitätsbereitschaft und Einsatzbereitschaft der in der österrei­chischen Wirtschaft Tätigen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort. Ebenfalls 2 Minuten. – Bitte.

 


13.26.36

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben es heute schon des Öfteren gehört: Am 1. August dieses Jahres fällt die Erbschafts- und Schenkungssteuer weg. (Beifall bei der ÖVP.)

Davon profitieren vor allem Privatpersonen, die ihre Wohnung beziehungsweise ihr Privathaus an ihre Kinder weitergeben wollen, und das sind immerhin 80 Prozent aller Erbschaftsfälle, geschätzte Damen und Herren. Dass damit die Superreichen unter­stützt werden, braucht man sicherlich nicht zu befürchten, denn es wird das Schen­kungsmeldegesetz geben. Das Vortäuschen von unentgeltlichen Schenkungen wird dadurch unterbunden werden.

Ganz wichtig ist die Abschaffung der Erbschaftssteuer für die kleinen und mittleren Un­ternehmen, geschätzte Damen und Herren. Rund 3 000 Familienbetriebe waren hievon jährlich betroffen, und für viele Betriebe hat die Erbschaftssteuer auch das Aus bedeu­tet, weil einfach das Geld für diese Steuer nicht mehr da war.

Ab 1. August wird das alles anders werden, aber noch etwas wird anders, und das noch vor dem 1. August, nämlich am 1. Juli: Unter der Federführung unseres Finanz­ministers Mag. Wilhelm Molterer werden das Pendlerpauschale und das Kilometergeld erhöht. Das ist unsere Antwort auf die gestiegenen Energiepreise. (Abg. Lutz Weinzin­ger: Eine „tolle“ Antwort!)

Gerade viele Burgenländerinnen und Burgenländer haben das Los des Pendlerlebens gezogen, und als Burgenländerin möchte ich mich namens aller burgenländischen Pendlerinnen und Pendler bei unserem Finanzminister Mag. Wilhelm Molterer für diese Sofortmaßnahme recht, recht herzlich bedanken, und ich bin davon überzeugt, dass ihm das der Herr Staatssekretär ausrichten wird. (Beifall bei der ÖVP. – Staatssekretär Dr. Lopatka: Sicher!)

13.28



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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmar Mayer. Auch wiederum 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.28.54

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Ich gehöre nun seit eineinhalb Jahren dem Hohen Haus an und darf feststellen, dass ich eigentlich begeistert bin, welch fachliche Kompetenz ich unter den einzelnen Abgeordneten immer wieder feststelle und kennenlerne. Ich sehe auch, wie kompetent die Abgeordneten auftreten.

Ich habe das schon einmal bei uns im Klub intern gesagt, ich möchte es auch hier sagen, weil es durchgängig für alle Fraktionen gilt. Ich bin der Meinung, dass die Arbeit der Abgeordneten zu wenig Einfluss auf die Regierungsarbeit hat. Das heißt, man muss Wege finden, wie wir Abgeordnete aktiver mit eingebunden werden können.

Was Kollege Pilz gemacht hat, ist sicherlich das pure Gegenteil von dem, was man als Abgeordneter wollen kann. Da wurde im typisch populistischen Jörg-Haider-Stil die eigene Klientel schlechtgemacht, um für sich zu einer Schlagzeile in einer mehr als fragwürdigen Zeitung zu kommen.

Es ist eine dringende Forderung, und das sage ich auch als langjähriger Landesparla­mentarier, dass man das Know-how, das Wissen und die Einsatzfreude der Abgeord­neten stärker mit einbindet. Es gibt kein besseres Beispiel, das man aufzeigen könnte, als das jetzt zur Beschlussfassung vorliegende Gesetz. Wer, wenn nicht die Abgeord­neten gewesen wären – und ich möchte hier namentlich einen, der aus meiner Sicht am meisten Rückgrat gezeigt hat, nämlich unseren Finanzsprecher Jan Krainer her­ausheben –, also wer, wenn nicht er gewesen wäre, hätte mitgeholfen, zu verhindern, dass wir heute tatsächlich gemeinsam bejammern müssten, dass wir ein Gesetz be­schließen, das in Wahrheit die Reichsten der Reichen stark begünstigt? (Beifall bei der SPÖ.)

Dass das nicht der Fall ist, haben wir in ganz besonderem Maße seiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Ich sehe das schon ein, ich habe das über Jahre hinweg ähnlich miter­lebt als Oppositionspolitiker im Vorarlberger Landtag, wenn Kollege Stummvoll in sei­ner parlamentarischen Praxis – ich habe es jetzt so empfunden, das ist nicht so wört­lich gemeint – sehr kaltschnäuzig sagt: Die Sitzung ist unterbrochen, wir treffen uns nächsten Dienstag wieder!, am nächsten Dienstag: Die Sitzung ist unterbrochen, wir treffen uns dann am Donnerstag wieder! (Abg. Dr. Stummvoll: Das war aber erfolg­reich!)

Diese Dinge waren aber wichtig, weil es ein Parlament gegeben hat, das gesagt hat: Das, was uns die Regierung hier vorsetzt, wollen wir so nicht schlucken. – Und wir ha­ben uns in dieser Form tatsächlich bereits in einem ersten Schritt deutlich emanzipiert.

Es ist also so, dass es durch unsere Initiative so sein wird, dass es ab 1. August kei­nerlei Begünstigungen mehr für bestehende Stiftungen gibt und dass der Griff in die Staatskassa, wie das Doralt zu bezeichnen pflegte, tatsächlich verhindert wurde. Ich meine, das Ganze ist auch ein Lob an das Parlament, und wir können auch stolz auf diese gemeinsame Aktion sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.31


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner gelangt Herr Abge­ordneter Steindl zu Wort. Auch er will 2 Minuten sprechen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.31.54

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Vieles wurde heute schon gesagt über das Schenkungsmeldege-


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setz und über Steuern. Ich habe heute nicht verstehen können, von welchem Land die Opposition eigentlich spricht.

Es ist vielmehr so, dass die Regierung seit 2000 eine hervorragende Wirtschafts- und Arbeitsplatzpolitik macht. Ich halte mich gerne an Fakten und Zahlen; wenn ich also dazu nur einige Zahlen anbringen darf: Wir hatten im Jahr 1999 ein BIP pro Einwohner von 25 400 €. Österreich hat 2007 31 900 € BIP pro Einwohner, die EU hat 2007 24 600 € BIP pro Einwohner. In Österreich erreicht die Beschäftigungsquote mittler­weile 70 Prozent, das heißt Rekordbeschäftigung. Über 3,4 Millionen sind in Österreich erwerbstätig. Die Beschäftigungsquote der EU beträgt im Vergleich dazu 66,4 Prozent. Österreich hatte 2007 ein Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent, die EU 2,6 Prozent. Österreich hatte, was ganz erfreulich ist, im letzten Quartal auch ein entsprechend hohes Wirtschaftswachstum. Die Arbeitslosigkeit betrug 4,2 Prozent 2007, in der EU im Durchschnitt 7,6 Prozent. Ganz erfreulich ist auch die Budgetentwicklung mit minus 0,7 Prozent 2007, die EU hatte minus 1,6 Prozent.

Meine Damen und Herren! Österreich ist hervorragend unterwegs. Deswegen war es auch möglich, dass wir jetzt und hier weitere Entlastungen für die Bürger zustande bringen. Wir bringen auf dem Wege der Arbeitslosenversicherung 300 Millionen € zu­sätzliche Entlastung zustande, mit der Pendlerpauschale zusätzlich 60 Millionen €, die Pensionisten bekommen zusätzlich 150 Millionen €. Der Erbschafts- und Schenkungs­steuerentfall bringt auch 150 Millionen €. Das sind 660 Millionen € zusätzliche Entlas­tung und zusätzliche Kaufkraft. Das wird Österreich weiterhin eine hervorragende Be­schäftigungsquote ermöglichen und unser Land sehr stark nach vorne bringen.

Der Weg, der hier eingeschlagen wird, ist absolut richtig. Wir müssen mit der Abgaben­quote herunter. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie die Opposition, als wir die Körper­schaftsteuer von 34 Prozent auf 25 Prozent gesenkt haben, getobt hat. Jetzt wird es in Hinkunft keine Erbschafts- und Schenkungssteuer mehr geben. Wir hatten damals ein Aufkommen von 1,7 Milliarden €, wir werden demnächst 6 Milliarden € Aufkommen an Körperschaftsteuer haben. Das heißt, aus weniger und geringeren Steuernsätzen wer­den mehr Steuereinnahmen. (Abg. Sburny: Das zeigt, wie die Gewinne steigen!) Und das wird vor allem die Beschäftigten freuen und Beschäftigung sichern, und über die Beschäftigung sichern wir alles andere, auch die Sozialquote. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mikesch. Sie will auch 2 Minuten sprechen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.34.54

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schenkungsmeldegesetz und der Wegfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer stellen für unsere Klein- und Mittelbe­triebe und vor allem für unsere Familienunternehmen eine wichtige Maßnahme dar. Wir setzen damit eine langjährige und zentrale Forderung der Wirtschaft um und er­leichtern die Unternehmensübergabe durch Erbschaft und Schenkung wesentlich.

Durch den Entfall der Steuerbelastung durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird der Nachfolgerin, dem Nachfolger die Fortführung des Betriebes um ein Vielfa­ches erleichtert. Die positive Fortentwicklung des Unternehmens wird in Zukunft nicht mehr schon gleich zu Beginn in Frage gestellt, noch bevor die Unternehmer überhaupt eine Chance hatten, ihre unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen.

Die Betriebe können in Zukunft zum optimalen Zeitpunkt übergeben werden, ohne dass die betriebliche Substanz wegen anstehender Steuerzahlungen angetastet wer-


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den muss. Damit bleibt den Unternehmerinnen und Unternehmern Kapital für Investitio­nen in ihre Betriebe. Sie haben das Kapital für Investitionen für ihre eigene erfolgreiche Zukunft im Unternehmen. So werden nicht nur, und das ist der entscheidende Punkt, die Arbeitsplätze im Betrieb gesichert, sondern die Unternehmen können über Wachs­tum und Entwicklung nachdenken und neue Arbeitsplätze schaffen. Wir stärken da­durch also sowohl die einzelnen Unternehmen, ganz besonders die Klein- und Mittel­betriebe und Familienunternehmen, als auch den Wirtschaftsstandort Österreich. (Bei­fall bei der ÖVP.)

13.36


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner gelangt Herr Abge­ordneter Ing. Hofer mit 4 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.36.46

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Frau Kollegin Tamandl! Ich habe mir Ihre Rede angehört, die Sie vorhin gehalten haben, und sie hat mir irrsinnig gut gefallen. Sie war sachlich. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Sie haben mit sehr guten Argumenten jene logischen Fehler und Fallen, die von einem SPÖ-Vorredner eingebaut worden sind, aufgezeigt und klargemacht, dass die Rech­nung, die aufgestellt worden ist, natürlich ein völliger Unsinn ist.

Zum Schluss haben Sie dann gesagt: Das ist auch der Grund, warum die ÖVP Regie­rungsverantwortung trägt und Leute wie Strache und Co. in dieser Funktion nichts zu suchen haben.

Frau Kollegin Tamandl! Glauben Sie, dass sich nach der nächsten Wahl Rot-Grün aus­geht? Glauben Sie, dass sich Schwarz-Orange ausgeht? (Abg. Tamandl: Wollen Sie uns ein Angebot machen? – Abg. Ing. Westenthaler: Ist das jetzt ein Angebot?) Oder wird es nach der nächsten Wahl wieder so sein, dass die ÖVP kommt und sagt: Du, bitte, wir haben wieder eine bürgerliche Mehrheit! Das müssen wir jetzt für Österreich nutzen in Verantwortung für unser Heimatland! Ihr könnt euch dieser Verantwortung nicht entziehen! (Abg. Tamandl: Dann schicken Sie den Herrn Strache heim!) – Nein. – Wir sollen Herrn Strache heimschicken, dann könnten wir darüber reden.

Frau Tamandl! Ich sage Ihnen etwas: Kommen Sie nach der nächsten Wahl nicht zu uns! Sie werden mit diesem Angebot scheitern, das kann ich Ihnen heute schon sagen. Kommen Sie nicht zu uns! (Beifall bei der FPÖ.)

Solche Wortmeldungen sind nicht dazu angetan, das Vertrauen anderer Parteien zu stärken. Und dann müssen Sie eben schauen, vielleicht nimmt Sie ja die SPÖ wieder. Oder vielleicht schaffen Sie Schwarz-Grün; nein, Schwarz-Grün-Orange geht sich auch nicht aus. Das wird dann eben Ihr Problem sein, aber kommen Sie nach solchen Wort­meldungen nicht mit dem Argument bürgerliche Mehrheit, denn damit werden Sie bei uns auf taube Ohren stoßen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, wir sind sehr wohl bereit, Verantwortung zu tra­gen und uns sachlich einzubringen. Wir machen uns sehr viele Gedanken darüber, wie man die bestehenden Probleme in Österreich lösen kann. Was jedoch ganz wichtig ist im Rahmen einer Regierungszusammenarbeit, ist, dass man einen Koalitionspartner hat, auf den man sich auch verlassen kann, und wer immer mit der ÖVP ins Koali­tionsbett steigt, hat nachher größte Probleme. Warum ist das so? Ist es vielleicht ein unfairer Zugang zum politischen Partner, ist es das? – Ich glaube ja, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

So, jetzt kommen wir aber zum Sachthema, die hohen Kosten für unsere Pendler, die steigenden Kosten für Treibstoffe.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 118

Ich möchte hier zwei Anträge einbringen, die sich mit diesem Thema beschäftigen und eine Möglichkeit aufzeigen, wie man diese Probleme auch angehen kann. Sie alle wis­sen, dass Unternehmer Gott sei Dank die Möglichkeit haben, ihre Fahrtkosten steuer­lich geltend zu machen. Wir sind der Meinung, das sollte auch für jene gelten, die ihr Fahrzeug aus beruflichen Gründen benötigen, und zwar auch dann, wenn sie unselb­ständig beschäftigt sind.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuorientierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte für eine Neuorien­tierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler zu setzen, die es unselbständig Be­schäftigten ermöglicht, ihre berufsbedingten Fahrtkosten zum und vom Arbeitsplatz bei der Arbeitnehmerveranlagung geltend machen zu können.“

*****

Das ist die eine Möglichkeit, die wir hätten.

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit, um diese Teuerung abzugelten, und damit be­schäftigt sich mein zweiter Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tankgutschein bzw. ÖBB-Jahreskarten – Gutschein für Pendler

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vor­zulegen, welche eine Unterstützung für Pendler vorsieht, die folgende Einmalleistun­gen enthält. Einen Tankgutschein in Höhe von 500,- Euro oder wahlweise ein Gut­schein in Höhe von 500,- Euro, anrechenbar auf den Erwerb einer Jahreskarte im Öf­fentlichen Verkehr für die Strecke Wohnsitz–Arbeitsstelle.“

*****

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal relativieren, was ich vorhin gesagt habe. Mir geht es darum – wir haben heute schon darüber gesprochen –, wie man mit­einander umgeht. Wenn man so salopp sagt: Strache und Co, oder wenn man so sa­lopp sagt: Setzen Sie den Strache ab, dann können wir reden! ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, ich bin nicht empfindlich. Wir haben heute darüber gesprochen, wie man miteinander umgeht. Aber das müssen wir auch wirklich ernst nehmen.

Ich habe gesagt, Ihre Rede, Frau Tamandl, war hervorragend – ich habe sogar applau­diert; nicht zum Schluss, aber in der Mitte Ihrer Rede –, und ich werde mir das sehr gut merken, was Sie heute gesagt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Die beiden Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen daher mit zur Ver­handlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 119

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend Tankgutschein bzw. ÖBB-Jahreskarten – Gutschein für Pendler

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Finanzaus­schusses über die Regierungsvorlage (549 und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungs­meldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) in der 63. Sitzung des Nationalrates am 6. Juni 2008

Um die Teuerungen im Bereich Kraftstoffe für Pendler annähernd auszugleichen ist zu­mindest im Jahr 2008 eine Einmal-Unterstützung dieser Personengruppe durchzufüh­ren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vor­zulegen, welche eine Unterstützung für Pendler vorsieht, die folgende Einmalleistun­gen enthält. Einen Tankgutschein in Höhe von 500,- Euro oder wahlweise ein Gut­schein in Höhe von 500,- Euro, anrechenbar auf den Erwerb einer Jahreskarte im Öf­fentlichen Verkehr für die Strecke Wohnsitz – Arbeitsstelle.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, Weinzinger, Zanger und weiterer Abgeordneter

betreffend Neuorientierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Finanzausschusses über die Re­gierungsvorlage (549 und Zu 549 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schen­kungssteuergesetz 1955, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, die Bundesabgabenord­nung, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden und ein Stiftungseingangssteuergesetz erlassen wird - Schenkungsmeldegesetz 2008 (SchenkMG 2008) (612 d.B.) in der 63. Sitzung des Nationalrates am 06. Juni 2008

Der Autofahrer ist aus bekannten Gründen eine tragende Säule unserer Staatsfinanzen geworden und sieht sich selbst nicht ohne Grund immer mehr als Melkkuh der Staats­finanzen.

Zweifellos liegt es im Interesse Österreichs, mehr als bisher öffentliche Verkehrsmittel zur Auslastung zu bringen. Nicht überall in Österreich stehen aber leistungsfähige öf­fentliche Verkehrsmittel zur Verfügung. Ein großer Teil der Arbeitnehmer ist daher nach wie vor auf das private Fahrzeug angewiesen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 120

Eine völlige Neuorientierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler ist ein Gebot der Stunde. Auch der unselbständig Beschäftigte soll so wie der Unternehmer seine be­rufsbedingten Fahrtkosten zum Arbeitsplatz in voller Höhe bei der Arbeitnehmerveran­lagung geltend machen können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte für eine Neuorien­tierung des Ersatzes der Fahrtkosten für Pendler zu setzen, die es unselbständig Be­schäftigten ermöglicht, ihre berufsbedingten Fahrtkosten zum und vom Arbeitsplatz bei der Arbeitnehmerveranlagung geltend machen zu können.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­me.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Schenkungsmel­degesetz 2008 in 612 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Änderung des Titels und die Nummerierung der Artikel bezieht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Bucher, Kol­legin und Kollegen hinsichtlich Artikel 8 § 2 des Gesetzentwurfes vor.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile samt Titel und Eingang unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Wir gelangen zunächst zur getrennten Abstimmung über Artikel 8 § 2 des Gesetzent­wurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ich komme nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in 612 der Beilagen unter Berücksichti­gung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Stummvoll, Krainer, Kolleginnen und Kollegen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 121

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Ab­geordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp dem Treibstoffpreis-Wahnsinn.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr für Pendlerin­nen und Pendler: ökologisch und sozial gerechtere Ausgestaltung der PendlerInnenför­derung, Offensive bei Bahn und Bus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend dringende Umsetzung des ange­sichts der explodierenden Treibstoffpreise von der Kärntner Landesregierung beschlos­senen Maßnahmenpakets.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend eine teilweise Steuerbefreiung der Überstundenbezahlung als Maßnahme zur Leistungsförderung und steuerlichen Ent­lastung der österreichischen Arbeitnehmer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend die Einführung einer Pendlerbeihilfe in Form eines amtlichen Kilometergeldes mit Beihilfewirkung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bucher, Kollegin und Kollegen betreffend Rücknahme der MÖSt-Erhöhung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend die Bestimmung eines volks­wirtschaftlich gerechtfertigten Höchstpreises für Treibstoffe.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Teuerungsausgleich für die exorbitant gestiegenen Treibstoffpreise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuorientierung des Ersat­zes der Fahrtkosten für Pendler.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 122

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tankgutschein bzw. ÖBB-Jah­reskarten – Gutschein für Pendler.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Reisegebührenvorschrift geändert wird, in 613 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Hauser, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die von diesem Abänderungsantrag betroffenen Teile des Ge­setzentwurfes und sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstim­men.

Die Abgeordneten Mag. Hauser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag eingebracht, der sich auf Ziffer 1 des gegenständlichen Gesetzentwurfes be­zieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich komme daher sogleich zur Abstimmung über Ziffer 1 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Ing. Westenthaler, Kollegin und Kollegen betreffend Anhebung des amtlichen Kilometergeldes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.48.413. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (526 d.B.): Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Pro­tokoll (614 d.B.)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 123

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nun kommen wir zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als ersten Redner bitte ich Herrn Abgeordneten Mag. Schieder zum Rednerpult mit 2 Minuten freiwilliger Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.49.05

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Vorschlag ist heute, ein Doppel­besteuerungsabkommen mit der Türkei zu beschließen. Die Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die Revision des bestehenden Abkommens ergeben hat, dass wichtigen Grundsätzen und einzelnen Punkten des OECD-Musterabkommens nicht mehr ent­sprochen wird und sich aus diesem heraus Nachteile für Österreich ergeben.

Man hat über lange Jahre mit der Türkei zäh verhandelt, was besonders verwunderlich war, weil die Türkei eigentlich auch OECD-Mitgliedsland ist und man daher davon aus­gehen könnte, dass das von vornherein erfüllt ist. Nichtsdestotrotz, es ist jetzt endlich gelungen, dieses Abkommen zu schließen und damit auch eine wesentliche Verbesse­rung für das Investitionsklima zu schaffen, insbesondere auch für die österreichischen Anlagebaufirmen, die mit hohen Wertschätzungsanteilen vor allem im Engineering­bereich aktiv sind. Die wirtschaftlichen Interessen Österreichs werden wieder optimal genutzt werden können.

Ich glaube daher, es ist eine sinnvolle Sache, dass wir heute dieses Doppelbesteue­rungsabkommen, dem OECD-Musterabkommen Folge leistend, beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Rossmann. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.50.40

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners insofern anschließen, als auch ich glaube, dass dieser Abschluss des Doppelbesteue­rungsabkommens positiv zu sehen ist. Es entspricht einerseits den international be­währten und anerkannten Anforderungen des OECD-Musterabkommens, andererseits wird Österreich damit Zielland für Investitionen aus der Türkei, und schließlich eröffnet sich die Chance – aber ich betone: die Chance – für eine Vertiefung der wirtschaftli­chen Beziehungen zwischen Österreich auf der einen Seite und der Türkei auf der anderen Seite.

Gerade aber diesen letzten Punkte möchte ich aufgreifen, um die Frage auf ein sehr umstrittenes Projekt zu lenken, nämlich den Ilisu-Staudamm. Im Vorfeld des Staats­besuches von Bundespräsident Fischer haben die Grünen erneut gefordert, dass die Oesterreichische Kontrollbank aus diesem Projekt aussteigen möge, da ja die niedri­gen, von der OeKB selbst auferlegten internationalen Standards nicht eingehalten wer­den: Sozialrechte, Menschenrechte, Aufrechterhaltung von Kulturgütern und derglei­chen mehr.

Auch der Expertenbericht der Exportkreditagenturen zeigt, dass der Großteil der ver­traglich vereinbarten Auflagen nicht eingehalten wird. Die österreichische Regierung sollte sich daher ein Beispiel an der Regierung in Deutschland nehmen, die jüngst das Projekt sehr scharf, und zwar ungewöhnlich scharf, kritisiert hat.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 124

Wenn aber weiterhin internationale Standards in der Türkei auch bei anderen Großpro­jekten nicht eingehalten und Sozialrechte und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dann minimiert sich natürlich die Chance für eine vertiefte wirtschaftliche Be­ziehung Österreichs mit der Türkei, und es stellt sich wohl die Frage, wie bei zukünfti­gen Projekten die Einhaltung internationaler Standards garantiert werden kann – nicht nur bei Ilisu, auch bei anderen Projekten. Dazu würde es wohl zu einer stärkeren Exe­kution bisher bestehender Standards kommen müssen. Nur dann sehe ich auch die Chance für eine Vertiefung der Beziehungen dieser beiden Länder. – Danke sehr. (Bei­fall bei den Grünen.)

13.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Lutz Weinzinger das Wort mit 4 Minuten freiwilliger Redezeitbeschrän­kung. – Bitte.

 


13.53.19

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Doppelbesteuerungsabkommen sind grundsätzlich eine gute Sache: Zwei Staaten, auf gleicher Augenhöhe, vereinbaren, dass sie eine Doppelbesteuerung ver­hindern wollen; sowohl die einen als auch die anderen. Ich bin sehr froh, dass es end­lich gelungen ist, mit der Türkei als selbständigem Staat auf gleicher Ebene, auf glei­cher Augenhöhe ein Besteuerungsabkommen so wie mit vielen anderen Staaten abzu­schließen.

Mein Vorredner hat eigentlich schon sehr deutlich darauf hingewiesen, dass uns neben diesem Doppelbesteuerungsabkommen einige andere Sachen durchaus trennen. Dort gibt es eine andere Art der Wirtschaftskultur, eine andere Art der Sozialkultur, eine andere Art, wie man mit Menschenrechten umgeht, wie man mit der Natur umgeht, wie man mit Kulturgütern umgeht, ob das nun dieses Staudammprojekt ist oder ob das andere Fragen sind.

Daher steht fest: Selbstverständlich können und sollen wir mit allen Staaten als selb­ständiger Staat Doppelbesteuerungsabkommen und andere Abkommen schließen, aber eines kann man daraus nicht ableiten: dass man diesen Staat in die EU aufneh­men muss, dass man mit diesem Staat eine so enge wirtschafts- und gesellschaftspoli­tische Beziehung eingeht wie mit den anderen EU-Staaten. Das wird nicht möglich sein.

Abgesehen davon, dass die Türkei nur zu ganz wenigen Prozent zum europäischen Festland gehört und ansonsten ein asiatischer Staat ist (Beifall bei der FPÖ), abgese­hen davon, dass diese asiatische Staatsform auch unserer Form des Zusammenle­bens absolut nicht entspricht, weder aus kultureller Hinsicht noch aus geschichtlicher Hinsicht, noch auch in der Form, wie man dort Politik versteht, weil dort die Trennung von Kirche – das heißt vom Islam – und Staat mehr und mehr verschwimmt: Abkom­men ja, auch mit der Türkei und gerade mit der Türkei, gar keine Frage, aber das heißt nicht, daraus abzuleiten, die Türkei ist in die EU aufzunehmen. Dem stimmen wir in keiner Weise zu, und ich weiß, dass der Großteil der Bevölkerung so denkt und auch – auch wenn Sie es nicht alle zugeben – der Großteil von Ihnen. – Ich danke Ihnen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

13.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Bucher das Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.56.22

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Ich möchte mich jetzt keiner Türkei-Debatte stellen, sondern generell natürlich unsere Zustimmung zu diesem Dop-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 125

pelbesteuerungsabkommen signalisieren, wie wir das ja immer handhaben bei einem Fünf-Parteien-Konsens. Doppelbesteuerungsabkommen sind sinnvoll und richtig, weil sie steuerliche Rechtssicherheit bieten sowohl für die österreichischen Steuerzahler als auch für jene, mit denen wir in den entsprechenden Ländern in Verbindung stehen.

Ich möchte nur anregen – ich weiß nicht, ob der Herr Sport-Staatssekretär diese Frage beantworten kann; aber so kompetent, wie ich ihn einschätze, wird er das sicher kön­nen –, es wäre vielleicht sinnvoll, dass wir die Doppelbesteuerungsabkommen mit den Ländern, die wir immer wieder in unterschiedlichen Zeitabständen abschließen, viel­leicht einmal kumuliert erledigen, anstatt in jeder Parlamentssitzung ein Doppelbe­steuerungsabkommen zu besprechen. Man könnte dann unterstellen, dass die Regie­rungsparteien diesen Weg nur deshalb wählen, damit wir eine Tagesordnung für den Finanzausschuss zustande bringen. Das möchte ich Ihnen nicht vorwerfen wollen. (Beifall des Abg. Scheibner.)

Ich glaube, es wäre gescheiter, die Doppelbesteuerungsabkommen zunächst einmal zu sammeln und sie dann in einem zu verabschieden. (Beifall des Abg. Scheibner.)

13.57


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages samt Protokoll in 526 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben wollen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

13.58.184. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Tätigkeitsbericht (III-63 d.B.) der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 KOG für das Ge­schäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Medien und öf­fentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie (603 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen damit zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Klubobmann Dr. Cap das Wort. – Bitte.

 


13.58.48

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich tue mich jetzt leicht: Das ist ein gut geführtes Ministerium mit exzellenten Beamten, die wirklich sehr professionell arbeiten. Wir haben darüber schon im Ausschuss eine intensive Grund­satzdebatte, aber auch Detaildebatte geführt.

Es geht um den Tätigkeitsbericht, der sehr anschaulich dargestellt wurde. Die vielen, vielen Aufgaben der Regulierungsbehörden im Rundfunk- und Telekombereich sind, glaube ich, sehr plastisch und verständlich dargestellt. Der Bericht erbringt den Be­weis – ob das jetzt bei der Endkunden-Streitschlichtung im Telekombereich, ob das die Marktanalyseverfahren oder die unzähligen Zulassungs- und Rechtsaufsichtsverfahren


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im Rundfunkbereich sind –, dass hier wirklich professionell und effizient gearbeitet wird, was für so einen Bereich wie dem Medienbereich von größter Bedeutung ist.

Soweit ich mich erinnern kann – weil der Abgeordnete Morak mich gerade so liebevoll ansieht –: Ich glaube, er ist ähnlicher Auffassung, dass das ein ganz heikler und auch effizient arbeitender Bereich ist. Und ich möchte auch den beiden Behördenleitern, Herrn Mag. Ogris und dem Geschäftsführer Rundfunk, Dr. Grinschgl, meinen Dank für diese effiziente und wirklich gute Arbeit aussprechen.

Nun aber müssen wir nach vorne schauen, und die Koalition ist ja übereingekommen, dass man im Herbst hier Reformschritte setzen soll, wobei wir auch der Meinung sind, dass das natürlich keine Reform um der Reform willen sein darf, sondern wir müssen versuchen, uns an diese heikle Materie heranzuarbeiten und auch wirklich in Überein­stimmung mit der gesamten Branche, mit den Betroffenen, sinnvolle Schritte zu setzen. Da soll sich nicht einer seinen Lebenstraum verwirklichen und quasi die Handlungs­möglichkeiten des ORF bis zur Unkenntlichkeit einschränken, sondern es soll wirklich alles dafür getan werden, dass auch – nicht nur – die vielen Privaten im Fernseh- und Rundfunkbereich ihre Aufgaben erfüllen können, aber auch der ORF weiterhin seine Aufgabe als österreichische Kultureinrichtung, als ein Identitätselement erfüllen kann.

Und das, denke ich, ist besonders zu berücksichtigen, wenn es darum geht, welche Teile der ORF-Kontrolle dann bei der Medienbehörde angelagert werden sollen, denn wir wollen ja keine Metternich-Behörde, sondern wir wollen eine modern arbeitende Behörde. Wir werden sehen, ob die dann diese Aufgaben auch erfüllen können, und wir werden sehen, was hier wirklich möglich ist, in diesem Verhandlungsprozess zu er­reichen.

Dass wir eine verfassungsrechtliche Unabhängigkeit befürworten, das haben wir schon mehrfach gesagt. Dass wir sogar über Teile des Aufgabenkatalogs Übereinstimmung haben, sogar das ist evident. Aber es wird natürlich doch ein etwas längerer Verhand­lungsprozess sein, und das ist sicherlich auch gut.

Im Hinblick auf die bisweilen geforderte völlige Zusammenlegung von Rundfunk und Telekommunikation in einen einzigen Spruchkörper muss man mit Sicherheit noch einige Diskussionen führen. Wir und ich haben auch immer klar gemacht, dass wir für ein strukturelles Experiment auch in diesem Bereich nicht zur Verfügung stehen. Das macht keinen Sinn, weil sich die wirklich konvergenten Aufgaben der beiden Behörden ja an einer Hand abzählen lassen und wir, wie ich eingangs gesagt habe, eine Reform um der Reform willen mit Sicherheit nicht anstreben.

Also, es soll etwas sein, das von der Branche akzeptiert wird, das der Medienvielfalt dient, aber nicht den Eindruck erweckt, hier sollen Kontrollorgane zur Einschränkung entwickelt werden, bis hin zu Auswirkungen auf die journalistische Tätigkeit. Denn unser Bekenntnis ist es ja, dass wir die größtmögliche journalistische Freiheit zu garan­tieren und zu fördern haben, ebenso die objektive Berichterstattung, aber wir sollten immer auch die Tätigkeit einer der wesentlichsten Kultureinrichtungen und Kulturinstitu­tionen, die der ORF eben ist, im Auge haben.

Wir haben hier im Haus vor einigen Tagen auch eine Musik-Enquete gehabt, in deren Rahmen diskutiert wurde, wie man auch der österreichischen Musik mehr Raum geben kann. Wir haben auch im Ausschuss diskutiert, was man alles unternehmen kann, dass die Filmwirtschaft Unterstützung bekommt. Da hat der ORF natürlich auch eine wich­tige Rolle und Funktion, aber, soweit mir bekannt, ist die Geschäftsführung eine, die das auch erkennt und sieht und auch unterstützen möchte. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für diese kulturelle Identität.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 127

Danke noch einmal an die Frau Ministerin, an das Ministerium, an die Beamten, an die Mitarbeiter. Ich glaube, dass das sicherlich ein Ministerium ist, das Modellcharakter hat und wo wir froh sein können, dass das, bei aller konstruktiven Kritik, die von dem einen oder anderen auch geäußert wird, manchmal auch von uns, hier wirklich auch aufge­nommen wird, damit auch dieser Dialog und dieser Diskurs entsteht. Und ich denke, der Abgeordnete Morak, der nach mir sprechen wird, wird das ebenso sehen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.04


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.04.31

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Lieber Kollege Cap! Du bist der eine und ich bin der andere – ist in Ordnung. (Abg. Dr. Cap: Aber: Wer ist der Gute und wer der Böse?) Das ist aber auch klar, ich, nicht?

Auch ich schließe mich dem Dank an die Beamtenschaft an. Wir kennen sie alle, die Beamten vom Verfassungsdienst: Das ist europäische Spitzenklasse, was Medien betrifft. Ich möchte aber in den Dank auch noch Dr. Serentschy einbeziehen. – So weit mein Dank.

Nun noch eine kurze Fahrt durch das, was wir im Ausschuss gemacht haben: Was die Mhb-Boxen angeht, würde ich mir eine größere Unabhängigkeit der Behörde von den Gremien des ORF beziehungsweise vom ORF vorstellen. Ich glaube, das kann man durchaus besser machen. Vor allem muss man nicht darauf beharren, wenn man sagt, okay, das Ganze war ein Irrtum.

Was DVB-H betrifft, wundert mich noch immer, dass im Grunde zwei große Adminis­trationen, ORF und Telekommunikation, nicht in der Lage waren, eine Bewerbung für DVB-H abzugeben. Aber das sollen die sich untereinander ausmachen.

Im Telekombereich halte ich es für sehr gut, dass hier der Monopolist reguliert wurde, und nicht die Neuzugänge am Markt. Ich halte das für grundvernünftig, das ist absolut anzustreben für den Bereich der Medien.

Film-, Fernsehförderung: Ich glaube, dieser Fonds wird von allen Marktteilnehmern durchgehend positiv gesehen. Das sollte man ausbauen, da sollte man die Förderung erhöhen.

Auf die Breitbandinitiative möchte ich noch ganz kurz eingehen. Je mehr Initiativen, hat man den Eindruck, desto weniger Ergebnisse, quasi umgekehrt proportional zum Sit­zungsaufwand oder zum Aufwand der Pressekonferenzen über die Jahre.

Bleibt – und da bin wieder bei meinem nicht einmal Lieblingsthema, sondern bei einem Thema, das mich schon relativ lange beschäftigt, nämlich diese unabhängige, effizien­te Medienbehörde. Kollege Cap ist für die abhängige Metternich-Behörde, und ich bin für die unabhängige Medienbehörde (Beifall bei der ÖVP.) So weit sollte man das ein­mal klären.

Zu dieser Geschichte verweise ich auf den Brief, den ich der Frau Bundesminister am 19. April 2007 geschickt habe; ich verweise auf die Ausschussfeststellung, wo es ja im­merhin einen kurzfristigen Gleichklang der Herzen und Meinungen gegeben hat zwi­schen dem Kollegen Cap und mir; und ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Regierungsabkommen.

Was soll das alles? – Und ich sage das jetzt einfach einmal aus der Praxis, aus
der politischen, gelebten Praxis, aus der Praxis der Konsumenten: Ich möchte haben,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 128

dass man, der Einzelne, der Politiker, der Gebührenzahler, wer auch immer, der nach 16 Uhr quasi überfallen wird im Parlamentsklub, Sekretärinnen an sitzungsfreien Ta­gen, wo geschaut wird: Wo sind denn die Abgeordneten zum Beispiel aus den Bun­desländern? Oder wenn nach einer parlamentarischen Enquete in einer Nebenveran­staltung im SPÖ-Klub im Grunde nichts berichtet wird, sondern nur die Nebenver­anstaltung SPÖ-Klub im „Morgenjournal“ kommt, wenn Stiftungsräte im ORF im Unkla­ren gelassen werden über die Budgetlage, wenn der ORF mit Dumpingpreisen andere Orchester ausbootet, wenn Kampagnenjournalismus betrieben wird, wenn man keine Ausschreibungen macht, zum Beispiel, um eine Wagenflotte anzuschaffen für den ORF, wenn die ORF-Führung schamlos überfordert ist mit ihrer Tätigkeit, wenn wir eine Medienförderung einführen würden, dann hätte ich ganz gern eine effiziente unab­hängige, vor allem von der Politik unabhängige Medienbehörde, und nicht das Salz­amt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fichtenbauer.)

14.08


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.08.41

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Diese Diskus­sion ist mitunter recht amüsant; sie findet ja auch in jedem Ausschuss statt.

Zunächst zum Bereicht selbst, bei dem man, wenn man ihn liest, durchaus das eigene technische Know-how etwas erweitern kann, was unter anderem die Frage Digitalisie­rung betrifft. Ich kenne mich noch immer nicht ganz aus, was da alles Technisches drinsteht, aber man bekommt zumindest einen ganz guten Überblick, was sich im Me­dienbereich wirklich tut.

Insofern ist der Bericht auch sehr umfassend und vollständig, und es ist erfreulich, dass wir ihn hier diskutieren können. Was wir nicht diskutieren können – das haben wir auch im Ausschuss schon berichtet –, ist etwas anderes am Bericht, das auch dem Haus zugegangen ist, nämlich der ORF-Jahresbericht. Und angesichts der Debatte, die wir momentan beispielsweise um die Frage Gebührenzahlung führen, hielten wir es für sehr relevant, dass wir auch den ORF-Bericht in einer Form ins Haus bekommen, dass wir darüber diskutieren können. Das war bislang nicht möglich, weil ja nur das diskutiert werden kann im österreichischen Parlament, was formal auch zugeleitet wird. Man kann das im Rahmen einer aktuellen Aussprache machen, aber nicht wirklich im Rahmen eines Berichts, der da ist, und deshalb möchte ich zunächst einen Entschlie­ßungsantrag stellen:

Entschließungsantrag

Die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst wird ersucht, den letzten Bericht des ORF gemäß § 8 ORF-Gesetz dem Nationalrat vorzulegen, damit dieser ihn in Verhandlung nehmen kann.

*****

Das wäre die Grundlage dafür, dass wir auch über den ORF-Bericht im Parlament dis­kutieren können, was, glaube ich, für die Debatte durchaus förderlich wäre.

Der ORF ist natürlich ein Teil dieses Berichts, und auch da gab es sehr umfassende Diskussionen über die Frage Gebühren, Gebührenerhöhungen. Und unsere Kritik ins­besondere in Richtung ÖVP war ja, dass es schon etwas – für „scheinheilig“ bekäme


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ich einen Ordnungsruf, das kann ich jetzt nicht sagen – merkwürdig in der Argumenta­tion ist – sagen wir es einmal so –, wenn man vor mittlerweile sechs, sieben Jahren ein Gesetz geschaffen hat, das vorsieht, dass die Gebührenbefreiungen, die früher dem ORF refundiert worden sind, einfach nicht mehr refundiert werden. (Abg. Morak: Das stimmt nicht!) – Das stimmt natürlich! (Abg. Morak: Das stimmt nicht!) – Selbstver­ständlich stimmt das! Und gleichzeitig dreht man über die Finanzen an der Daumen­schraube.

Die Gebührenbefreiungen von einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind wichtig, sind notwendig, sie sollen auch bleiben, nur können sie keine unternehmenspolitische Maß­nahme sein, sondern sind eine Maßnahme, die die Politik haben will und wo es darum geht, dass der Ersatz für diesen Einnahmeausfall natürlich auch über die Politik kommt. Daher bringe ich einen zweiten Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage vorzulegen, die eine Refundierung der Gebührenbefreiungen an den ORF zum Ziel hat.

*****

Wenn der Kollege Morak jetzt den Saal verlässt, dann muss man dazu sagen, dass das allein dazu geführt hätte, dass eigentlich die Gebührenerhöhung nicht notwendig gewesen wäre, weil die Größenordnung der Gebührenerhöhung heuer in etwa so viel ausgemacht hat wie die Gebührenbefreiung. Und wenn Sie über die große Belastungs­welle reden, dann müssen Sie schon dazusagen, dass Sie dafür verantwortlich sind, dass das die Konsumenten und Konsumentinnen bezahlen müssen, und nicht so, wie es ursprünglich sinnvoll wäre, als sozial ... (Abg. Mag. Donnerbauer: Wir waren nicht für die Gebührenerhöhungen, bitte!)

Herr Donnerbauer, Sie haben offenbar Probleme mit Sinn erfassendem Zuhören, muss ich feststellen. Die Argumentation war genau das, dass Sie eine Maßnahme geschaf­fen haben, die zu Einnahmeausfällen beim ORF führt, und gleichzeitig dann gegen eine Gebührenerhöhung angehen. Hätten Sie für diese Einnahmenausfälle nicht ver­antwortlich gezeichnet, wären die Gebührenerhöhungen nicht notwendig gewesen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abg. Mag. Hakl.)

Es ist offenbar schwierig. Ich kann es ja noch einmal probieren, Ihnen das zu erklären, aber leider reicht meine Redezeit nicht. Vielleicht geht es beim dritten Mal. Es ist aller­dings nicht so schwierig: Ein Argument – ein zweites, und passt es zusammen, dann gibt es einen Schluss daraus. Aber das geht offenbar gar nicht so einfach. (Abg. Mag. Donnerbauer: Das passt nicht zusammen!) – Das merkt man bei Ihnen, dass vieles nicht zusammenpasst. Das ist richtig.

Letzter Punkt: unabhängige Medienbehörde. – Da treffen wir uns ja wieder in dieser Forderung, denn es ist auch für uns nicht nachvollziehbar, dass das, was eigentlich im Regierungsübereinkommen vereinbart worden ist, nicht auch umgesetzt wird, dass es wirklich eine unabhängige Medienbehörde geben soll, in der die Kompetenzen gebün­delt sind, die ja in Österreich nach wie vor verteilt sind, was verschiedenste Formen von Medienförderung – in verschiedene Töpfe im Übrigen – betrifft. Das hat man auch im Ausschuss gesehen, in dem wir über verschiedene Formen unterschiedlicher Fonds diskutiert haben, wo es schon Sinn macht, hier eine gemeinsame Stelle zu haben, die


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 130

auch für die Vergabe der Mittel zuständig ist. – Warum sich die SPÖ so dagegen sperrt, ist auch für uns nicht nachvollziehbar.

Unabhängig heißt eben, dass sie weisungsfrei ist, und das haben wir jetzt nicht. Es wä­re hoch an der Zeit, dass man auch andere Dinge in Angriff nimmt, wie beispielsweise die Frage eines Presserats, der in Österreich auch so nicht mehr existiert. Zum Bei­spiel wäre die Berichterstattung rund um diesen Fall in Amstetten und wäre die Frage der Übergriffe in die Privatsphäre der Opfer durchaus etwas, wofür es eine Behörde geben sollte, die sich damit auch befassen kann und entsprechende Kompetenzen haben sollte. Auch das wäre ein Teil, der in einer unabhängigen Medienbehörde aufge­hen könnte.

Ich weiß ja nicht, ob in dieser Periode noch irgendetwas kommt. Sie wahrscheinlich auch nicht. Wenn es so weit ist, wäre es durchaus interessant, einmal zu schauen, in­wiefern man hier einen Mehr-Parteien-Antrag zustande bringt, weil das etwas ist, was eine Materie ist, die nicht allein von der Regierung verhandelt werden müsste. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

14.14


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Die beiden Entschließungsanträge der Abgeordneten Brosz und KollegInnen sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen daher auch mit zur Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dieter Brosz und KollegInnen

betreffend ORF-Bericht gemäß § 8 ORF-G als Verhandlungsgegenstand des Parla­ments

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Tätigkeitsbericht der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frau­en, Medien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie (III-63dB)

Gemäß § 8 ORF-Gesetz hat der ORF dem Nationalrat einen jährlichen Bericht vorzu­legen. Laut § 21 GOG-NR sind nur bestimmte Berichte an den Nationalrat Verhand­lungsgegenstände des Nationalrats. Der ORF-Bericht ist hier nicht genannt. Sehr wohl ist aber jeder von einem Regierungsmitglied vorgelegte Bericht in Verhandlung zu neh­men. Gerade aus Anlass des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Ös­terreich ist es angebracht, dass der Gesetzgeber selbst, also derjenige, der dem öffent­lichen Rundfunk spezielle öffentliche Aufträge erteilt hat, den Bericht des ORF über die Erfüllung dieser Aufträge in Verhandlung nimmt. Die Generaldirektion Wettbewerb war in ihrem Mahnschreiben im Jänner 2008 der Auffassung, dass es sich bei der Finanzie­rung durch Programmentgelt um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 (1) EGV handle. Diesen vorläufigen Bedenken könnte jedoch unter anderem mit „Maßnah­men, die eine angemessene nachträgliche Kontrolle der Erfüllung des Auftrags auf der Grundlage eines näher konkretisierten öffentlichen Auftrags erlauben,“ entgegengetre­ten werden.

Neben der vorgeschlagenen Behandlung des ORF-Berichts im Nationalrat bleibt die Forderung der Grünen auf Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde natürlich aufrecht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 131

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst wird ersucht, den letzten Bericht des ORF gemäß § 8 ORF-Gesetz dem Nationalrat vorzulegen, damit dieser ihn in Verhandlung nehmen kann.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz und KollegInnen

betreffend Refundierung der Gebührenbefreiungen an den ORF

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses zum Tätigkeitsbericht der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Me­dien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (III-63dB)

Durch die gesetzlich verfügten Gebührenbefreiungen verliert der ORF rund 50 Millio­nen Euro jährlich an Einnahmen. Diese Gebührenbefreiungen sind natürlich aus öffent­lichem Interesse gerechtfertigt, jedoch sollte die öffentliche Hand dem Wirtschafts­unternehmen ORF diesen Einnahmensentgang ersetzen. Hätte man dies frühzeitig vorgesehen, so wäre die letzte Gebührenerhöhung nicht notwendig gewesen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage vorzulegen, die eine Refundierung der Gebührenbefreiungen an den ORF zum Ziel hat.

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vilimsky. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.14.16

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Sie sollten einmal sehen, wie Sie miteinander umgehen. Kam von der einen Seite der Vorwurf, das sei die „Metternich-Politik“, so kam, wenn auch nicht ausgesprochen, wahrscheinlich von der anderen Seite der Vorwurf zurück, das sei die „Dollfuß-Politik“. In Summe zeigt der Zustand dieser Koalition die Zerrüt­tung, in der Sie sich befinden. (Abg. Morak: Na geh!) Ein Beweis dafür, warum Sie in der Sache selbst eigentlich nichts weiterbringen, und warum Sie auch in der Medien­politik nichts weiterbringen.

Geben Sie mir die Möglichkeit, anlässlich des Berichts hier auf einen Missstand hinzu­weisen, der sich aufgrund einer Verordnung der RTR im Österreichischen Rundfunk


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 132

breitmacht. Ich habe mir hier – ich gebe es Ihnen nachher gerne – ein Bild aus „Dan­cing Stars“ ausgedruckt, eine sogenannte Bildschirmaufnahme, wo man für seine Lieb­linge voten kann, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, in dem Fall für Andy und Julia. Was man in dem Zusammenhang nicht sieht, ist hier ein ganz kleiner Verweis, wo der ORF satte 50 Cent pro Voting in Anspruch nimmt.

Wir sind darauf aufmerksam geworden, als uns Anrufer erreicht haben, die eine Tele­fonrechnung von über 1 000 € hatten, weil sie mit sehr viel Hingabe ihre Andys und Julias und wie sie alle heißen mögen unterstützt und einfach nicht gesehen haben, dass der ORF hier kräftig zur Kassa bittet. Ich meine, das ist ein mehr als abschaffens­werter Missstand, und es sollte nicht sein, dass der Österreichische Rundfunk, der ohnehin auf der einen Seite durch ein ungerechtes Zwangsgebührensystem finanziert wird, satte Werbeeinahmen hat und hier zusätzlich in die Kassen der Seher greift und mit Mehrwertdiensten für große Überraschungen sorgt. (Abg. Mag. Donnerbauer: Das ist ein starkes Stück!)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die ein Verbot der Verwendung von Mehrwertnummer-Diensten, wie sie bei­spielsweise bei ,Voting-Sendungen‘ verwendet werden, durch den ORF vorsieht.“

*****

In diesem Zusammenhang ist, glaube ich, auch ganz kurz ein generelles Wort zum ORF und zur Gebührsituation angebracht. Wir sehen beim ORF historische Rekorde: Wir sehen einen historischen Rekord, dass die Quote im Keller ist. Wir sehen gleichzei­tig den historischen Rekord, dass die Gebührensituation im obersten Stockwerk ange­langt ist. Wir sehen gleichzeitig einen Rekord im Programmqualitätseinbruch; und ich rede da nicht von „Mitten im Achten“, sondern ich rede von einer Reduktion qualitäts­stiftender Programme und Sendungen im Österreichischen Rundfunk, wodurch sehr, sehr viele Seher sich auch vom ORF abwenden, da das, was der ORF einmal geboten hat, nicht mehr zu finden ist.

Ich denke etwa an den Bereich Nachhilfe. 70 Millionen € zahlen die österreichischen Eltern jedes Jahr für Nachhilfe, und der ORF, der früher noch im Bereich Mathematik, Sprachen, Englisch, Französisch, Italienisch bis hin zu Russisch Lern-Sendungen brachte, hat das alles Zug um Zug gestrichen. Wir hatten eine eigene Seniorenleiste im ORF – die ist auch mehr oder minder weg. Wir hatten qualitätsvolle Kinderproduktio­nen. – Auch sie sind mehr oder minder weg.

Dafür gibt es Soap Operas, dafür gibt es billigen Abklatsch der Privatsender und zu­dem eine Zwangsgebührensituation, gekoppelt noch mit satten Werbezeiten. Das alles ist unter dem Strich eine Situation, die mich das System der Gebührenhoheit in Frage stellen lässt, noch dazu, wo im Direktorium des ORF Gagen kassiert werden, die das Doppelte dessen ausmachen, was Kanzler und Bundespräsident vereinnahmen. Das soll nicht heißen, dass der Bundeskanzler sein Geld nicht wert ist, auch wenn der ak­tuelle es vielleicht nicht wert sein mag, aber prinzipiell ist die Situation dergestalt, dass hier eine Verhältnismäßigkeit hinten und vorne nicht mehr gegeben ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist die Zeit reif, diesen Anachronismus des vergangenen Jahrhunderts, eine Zwangsgebührensituation für einen Sender beizubehalten, wo jeder mehr als 60,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 133

70, 80 Programme empfangen kann, endlich einmal zu beseitigen. Es gibt noch im-
mer die Internetpetition www.weg-mit-den-orf-gebuehren.at. Sie hat mittlerweile über 130 000 Unterstützer und läuft noch bis Jahresende. Ich bin guter Dinge, dass hier einiges in Bewegung kommen wird.

Auch im Zusammenhang mit der Medienbehörde, die vielleicht eine „Metternich“- oder „Dollfuß“-Behörde oder was auch immer sein mag, ist die Zeit reif, eine Medienpolitik für die Zukunft zu gestalten, die auch wirklich den Namen einer Medienpolitik verdient und nicht weiter den Regierungsgriff auf die heimische Medienlandschaft zulässt. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

14.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Entschließungsantrag ist ausrei­chend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Vilimsky und weiterer Abgeordneter

betreffend Verbot von Mehrwertdiensten im ORF-Programm

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Verfas­sungsausschusses über den Tätigkeitsbericht (III-63 d.B.) der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gemäß § 7 Abs. 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (603 d.B.) in der 63. Sit­zung des Nationalrates am 6. Juni 2008

Der immer größer werdende Anteil an „Voting-Sendungen“ im öffentlich-rechtlichen ORF-Programm und vor allem die Art und Weise, wie der ORF seinen gebührenver­pflichteten Zusehern hier das Geld aus der Tasche zieht, sorgt für großen Unmut in der Bevölkerung.

Der ORF finanziert sich durch exorbitante Programmentgelte, durch Werbeanteile im Programm, welche international bei anderen öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen nicht erreicht werden, und nun zunehmend auch über kostenpflichtige „Voting-Sendun­gen“.

Gerade ältere und sehbehinderte Konsumenten haben oft nicht die Möglichkeit, Ein­blendungen, die oft extrem klein und mit sehr niedrigem Kontrast die entstehenden Kosten angeben, erkennen zu können.

Als Beispiel werden hier zwei (Such-)Bilder aus der ORF-Fernsehsendung „Dancing Stars“ aus dem Jahr 2006 abgebildet. Wo versteckt sich die Entgeltinformation?

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten, die ein Verbot der Verwendung von Mehrwertnummer-Diensten, wie sie bei­spielsweise bei ,Voting-Sendungen‘ verwendet werden, durch den ORF vorsieht.“

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 134

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.19.20

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dem Umstand, dass wir hier heute über einen Bericht dis­kutieren, der in der letzten Zeit oder normalerweise im Ausschuss enderledigt wird ... – Oder umgekehrt: Wir verdanken es dem Umstand, dass heute wenige Tagesordnungs­punkte zu besprechen sind, dass wir heute über diesen Bericht diskutieren können. Wobei wir, so glaube ich, über einen zum Teil sehr fachspezifischen Bericht intensiver und besser im Ausschuss diskutiert haben und das auch in Zukunft so halten werden.

Und es war eine intensive Diskussion, in Ansätzen hat sich das jetzt wieder hier ge­zeigt. Ich glaube, dass der Bericht auch sehr umfassend und informativ ist. Deshalb auch vonseiten meiner Fraktion der Dank an die Autoren.

Die von meinem Vorredner angesprochene Problematik dieser Mehrwertdienste findet sich auch in dem Bericht wieder. Das betrifft nicht nur den ORF, sondern auch andere Anbieter verdienen sich damit ein ordentliches Körberlgeld, vor allem mit Abonne­ments. Wenn man gar nicht mitbekommt, dass man ein Abonnement bestellt hat, dann wird es wirklich bedenklich. Und man sollte sich einmal überlegen, was man dagegen tun kann.

Beim ORF verstehe ich schon den Ärger, vor allem jetzt, über die Höhe der Gebühren. Wenn der Tarif erhöht wird, muss man sich die Frage stellen, vor allem als öffentlich-rechtliches Unternehmen, was man mit diesem Geld alles anstellt, ob man es effizient verwendet. Ich sage aber auch, der ORF sollte nicht so defensiv sein. Ich glaube, die Versuche, die Unterbrecherwerbung auch im ORF umzusetzen, sind ja jetzt wieder ein bisschen in den Hintergrund getreten. Ich meine, gerade dieser Umstand wird einer der wichtigsten Wettbewerbsvorteile für den öffentlich-rechtlichen Bereich werden, nämlich dass man sich da einen Film zur Gänze ohne Unterbrechungen und in einer halbwegs annehmbaren Zeit anschauen kann. Im Vergleich dazu gibt es bei den Privatfernseh­anstalten einen ausufernden Einsatz dieser Unterbrecherwerbung, wo man für einen Film, der eineinhalb Stunden dauert, dann schon zwei Stunden braucht, um ihn wirklich auch bis zum Ende ansehen zu können.

Wir unterstützen die Initiative der Grünen, dass die sozialen Ermäßigungen bei der Ge­bühr vom Staat, so wie das auch bei den Bundesbahnen der Fall ist, ersetzt werden. Hier soll es wirklich eine Kostenwahrheit geben. Wir glauben aber, dass es gerade bei der Gebührenbefreiung von behinderten Menschen eine unübliche und unnotwendige Bürokratie gibt, mit der diese Menschen konfrontiert werden. Wir haben einen entspre­chenden Selbständigen Antrag eingebracht, der seit einem Jahr im Ausschuss liegt. Wir haben ihn in der letzten Ausschusssitzung diskutiert, und ich musste mir von bei­den Koalitionsparteien anhören, der Antrag ist zwar grundsätzlich in Ordnung, aber man muss noch darüber diskutieren. Ich weiß nicht, was hier noch zu diskutieren ist, das ist uns dort auch nicht gesagt worden – außer dass es wieder diesen unmöglichen Usus gibt, dass man über Oppositionsanträge ganz einfach nicht abstimmen lassen möchte.

Wenn das ohnehin alles in diesem Antrag in Ordnung ist, wie Sie gesagt haben, dann können Sie ja zustimmen, und ich gebe Ihnen jetzt die Möglichkeit, das auch zu tun, und bringe diesen Entschließungsantrag als Unselbständigen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Dolinschek, Ing. Westenthaler und Kollegen betreffend Rundfunkgebühren-Reformpaket


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 135

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, umfas­send ein Rundfunkgebühren-Reformpaket vorzulegen, welches mindestens folgende Punkte umfasst:

angemessene Anhebung der Einkommensgrenze für die Gebührenbefreiung behinder­ter oder pflegebedürftiger Menschen;

dauerhafte Gebührenbefreiung für dauerhaft behinderte oder pflegebedürftige Men­schen;

Gebührenbefreiung auch für durch die Behinderung notwendige Zweitwohnsitze;

Erhöhung der barrierefreien Sendungen auf mindestens 50 Prozent des Programman­gebotes; verpflichtende Einführung der Gebärdensprache bei Nachrichtensendungen;

Sicherstellung, dass nur derjenige rundfunkgebührenpflichtig ist, der das Programman­gebot des ORF auch tatsächlich empfangen kann;“

Ein ganz wichtiger Punkt, der immer wieder zu Unmut führt.

„Sicherstellung, dass das Programmangebot des ORF durch geeignete Methoden der Verschlüsselung beziehungsweise Anmeldung nur Rundfunkgebührenpflichtige emp­fangen können, und damit Gebühren nicht durch bloße technische Empfangsmöglich­keiten wie insbesondere Computer mit Internetanschluss oder TV-Karte fällig werden.“

*****

Also ich glaube, ein Antrag, dem man zustimmen kann und den man nicht auf die lan­ge Bank schieben muss, gerade wenn es darum geht, zu zeigen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner Sonderstellung und Gebühren doch auch einen Sinn haben soll. (Beifall beim BZÖ.)

14.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der von Herrn Abgeordnetem Scheibner eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Herbert Scheibner, Sigisbert Dolinschek, Ing. Peter Westenthaler und Kolle­gen betreffend Rundfunkgebühren-Reformpaket

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 4: Bericht des Verfassungsausschusses über den Tätigkeitsbericht (III-63 d.B.) der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH ge­mäß § 7 Abs. 2 KOG für das Geschäftsjahr 2006, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

Obwohl Menschen mit besonderen Bedürfnissen aus gutem Grund von diversen Ge­bühren befreit sind, wird ihnen dies im Zusammenhang mit der Befreiung von den Rundfunkgebühren mit allen möglichen Mitteln erschwert wenn nicht sogar unmöglich gemacht.

Gemäß § 51 Abs. 2 der Fernmeldegebührenordnung ist die Gebührenbefreiung mit höchstens fünf Jahren zu befristen. Nach Auskunft unmittelbar Betroffener ist es jedoch


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 136

gelebte Praxis, dass eine Befreiung seitens der zuständigen GIS Gebühren Info Ser­vice GmbH auf maximal ein bis zwei Jahre befristet wird, so dass fast alljährlich neu angesucht werden muss. Zudem wird seitens der GIS Gebühren Info Service GmbH mit allen Mitteln versucht, Befreiungen abzulehnen. Den unterzeichneten Abgeordne­ten sind nahezu einhundert Fälle von Personen bekannt, welche jahrelang im Genuss einer Befreiung gestanden sind und deren Antrag auf Rundfunkgebührenbefreiung, ohne dass sich ihre Lebensumstände geändert hätten, dennoch abgelehnt wurde.

Unter diesen befinden sich auch Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf und somit höheren Lebenserhaltungskosten. Manche haben zudem trotz Behinderung eine Fa­milie mit ein oder mehreren Kindern zu versorgen, wo jede Mehrbelastung für jedes Familienmitglied spürbar ist. In vielen Fällen scheitert eine Befreiung daran, dass die Existenzminimumgrenze (= Haushalts-Nettoeinkommen unter Ausgleichszulagenricht­satz zuzüglich 12 %) knapp überschritten wird, weil diese aufgrund des höheren Be­darfs viel zu niedrig angesetzt ist. Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen müssen bei Überschreitung der Einkommensgrenzen volle Gebühren entrichten, obwohl nur zehn Prozent der ausgestrahlten Sendungen barrierefrei mit Untertitel oder akusti­schen und grafischen Bildsignalen ausgestattet sind (und dabei handelt es sich meist um veraltete Wiederholungen). Insbesondere Nachrichtensendungen sollten verpflich­tend Gebrauch von einer Übersetzung in die Gebärdensprache machen müssen.

Immer wieder fragen sich Konsumenten, die ihr Fernsehprogramm über Satellit bezie­hen und damit ORF 1 und ORF 2 nicht empfangen können, ob sie denn verpflichtet wären, die Fernseh- und Rundfunkgebühren zu begleichen. Denn warum für den ORF bezahlen, wenn man doch gar keine Gegenleistung erhält?

Die Antwort lautet bedauerlicherweise: ja. Die Rundfunkverordnung, welche die Vor­schreibung der Rundfunk- und Fernsehgebühr regelt, legt fest, dass bereits bei der Er­richtung (in diesem Fall das Aufstellen eines Fernsehers oder Radios) und beim Be­trieb einer Empfangsanlage (Empfang des Fernseh- oder Radioprogramms) die Ver­rechnung der Rundfunkgebühr gerechtfertigt ist. Das heißt, unabhängig davon, ob man den ORF überhaupt empfangen kann oder das ORF-Programm nutzt oder nicht, die Rundfunk- und Fernsehgebühr wird fällig.

Ebenso unbefriedigend verhält es sich für Private, die einen Computer mit Internetan­schluss besitzen. Da man damit über das Internet Radiosendungen empfangen kann, handelt es sich hierbei um eine Rundfunkempfangseinrichtung, deren Betriebsbereit­schaft (!) gebührenpflichtig macht.

Bei Unternehmen wird für betriebseigene Radios und Fernseher die Gebühr nach der so genannten Zehnerregel berechnet (pro zehn Geräte muss nur einmal bezahlt wer­den). In Unternehmen ist daher pro zehn „Rundfunkempfangseinrichtungen“ eine Ge­bühr zu entrichten, obwohl der Gesetzgeber nie daran gedacht hat, pro zehn PCs in einem Unternehmen eine Gebühr zu fordern. Die GIS hiezu: „Es ist nicht im Interesse der GIS, sämtliche in Unternehmen und Institutionen befindlichen internettauglichen Geräte mit einer Rundfunkgebühr zu belegen. Ein genereller Verzicht auf PCs, die Rundfunkempfang ermöglichen, ist nicht möglich, da einerseits vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und andererseits hinsichtlich der künftigen "All-in-one-Units" nicht präzi­sierbar und offen für Missbrauch.“ Es werde daher an einer eindeutigen, für alle akzep­tablen Regelung gearbeitet.

Die Situation verschärft sich durch die Möglichkeit des Empfangs von Radio- und (durch die Regierungsvorlage) Fernsehsendungen z.B. mit Handies oder anderen Mul­tifunktionsgeräten. Der Konsument kann bei derartigen Geräten einzelne Funktionen derzeit nicht ablehnen und wird daher schon durch den Besitz eines derartigen Gerätes GIS-gebührenpflichtig. Dies alles obwohl es dem ORF durchaus möglich wäre, den Zu-


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gang zu seinen im Internet gebotenen Leistungen nur berechtigten Nutzern zu eröff­nen.

Aus diesen Gründen stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, umge­hend ein Rundfunkgebühren-Reformpaket vorzulegen, welches mindestens folgende Punkte umfasst:

angemessene Anhebung der Einkommensgrenze für die Gebührenbefreiung behinder­ter, oder pflegebedürftiger Menschen;

dauerhafte Gebührenbefreiung für dauerhaft behinderte oder pflegebedürftige Men­schen;

Gebührenbefreiung auch für durch die Behinderung notwendige Zweitwohnsitze;

Erhöhung der barrierenfreien Sendungen auf mindestens 50% des Programmangebo­tes; Verpflichtende Einführung der Gebärdensprache bei Nachrichtensendungen;

Sicherstellung, dass nur derjenige rundfunkgebührenpflichtig ist, der das Programman­gebot des ORF auch tatsächlich empfangen kann;

Sicherstellung, dass das Programmangebot des ORF durch geeignete Methoden der Verschlüsselung bzw. Anmeldung nur Rundfunkgebührenpflichtige empfangen können, und damit Gebühren nicht durch bloße technische Empfangsmöglichkeiten wie insbe­sondere Computer mit Internetanschluss oder TV-Karte fällig werden.“

*****

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


14.24.48

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin sehr froh darüber, dass eingangs eigentlich alle Fraktionen festgestellt und festgehalten haben, dass wir im Verfassungsausschuss eine sehr ausführliche Debatte über den Tätigkeits­bericht der RTR-GmbH geführt haben.

Ich möchte ergänzend sagen – weil der Herr Abgeordnete Scheibner auch betont hat, dass es eine sehr ausführliche Diskussion gegeben hat –, dass diese schon auch statt­gefunden hat, wo es darum gegangen ist, den behinderten Menschen, nämlich vor allem hörbehinderten Menschen, in Österreich den Zugang zum Fernsehen zu erleich­tern. Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass ich schon im Ausschuss festgehalten habe, dass wir auf europäischer Ebene mit der Mediendiensterichtlinie sehr intensiv dafür gesorgt haben, dass es ein gesamteuropäisches Anliegen ist, Fernsehen auch Menschen mit Behinderungen näher zu bringen und die Chance zu geben, an dieser Information auch teilnehmen zu können.

Und ich habe auch darüber informiert, dass wir in Österreich, gerade was den ORF be­trifft, eine sehr positive Entwicklung haben, nämlich was die Anzahl jener Sendungen betrifft, die untertitelt sind, was ja ganz wichtig ist, damit wir diese Menschen von der Informationsgesellschaft, vom Fernsehen nicht ausschließen. Mir war das deshalb


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auch wichtig zu ergänzen, weil ich glaube, dass das eine Gruppe von Menschen ist, die jede Unterstützung der Gesellschaft benötigen, der wir auch wirklich nachkommen.

Der vorliegende Bericht und auch die Wortmeldungen zeigen, welche Fülle von Aufga­ben die Regulierungsbehörde im Rundfunk- und Telekombereich heute schon wahr­nimmt, und ich möchte auch ergänzen, dass das sehr erfolgreich und sehr professio­nell abgewickelt wird.

Auch ich möchte die Gelegenheit heute wahrnehmen, die Anerkennung und den Dank jenen auszusprechen, die diese Tätigkeit in dieser professionellen Art und Weise ab­wickeln, und mich bei allen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der RTR-GmbH bedanken, die neben all den Funktionen und umfangreichen Aufgaben, die sie haben, auch einen wesentlichen Beitrag geleistet haben – heute reden alle von der EURO, es gibt eigentlich seit Tagen kein anderes Gesprächsthema mehr –, was Mo­bile TV und Handy-Fernsehen betrifft. Die RTR hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir heute Handy-Fernsehen rechtzeitig freischalten können und es in den nächsten Tagen wahrscheinlich keinen Ort in Österreich mehr geben wird, wo man nicht die EURO 2008 auch auf dem Handy mitverfolgen kann. Das ist auch dank des Nationalrats passiert, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür hier einstimmig von Ihnen beschlossen wurden, wofür ich mich auch recht herzlich bedanken möchte.

Zum ganzen Themenbereich Reform der Regulierungsbehörde möchte ich Sie darüber informieren, dass mein Ressort und alle Expertinnen und Experten in den letzten Wo­chen unzählige Gespräche mit allen in der Branche Tätigen geführt haben, dass wir vereinbart haben, dass bis zum Herbst ein Entwurf für die Reform der Medienbehörde vorliegen wird. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl.) Mir ist das nicht nur deshalb wichtig, Frau Abgeordnete Hakl, weil wir in der Koalition das im Regierungsübereinkommen vereinbart haben, dass es zu einer Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, der Me­dienbehörde in diesem Zeitplan kommen soll, sondern auch deshalb, weil es mir wich­tig ist, dass auch in diesen Fragen Österreich nicht hinter europäischen Standards nachhinkt. Und daher werden wir das tun.

Was mir wichtig ist zu sagen: Das Argument, wenn es Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, es läge daran, dass es die unabhängige Medienbehörde noch nicht gibt, ist deshalb ein völlig falsches Argument, weil der Bundeskommunikationssenat
als Aufsichtsbehörde gegenüber dem ORF eine unabhängige Medienbehörde ist, wo es kein Weisungsrecht seitens der Medienministerin oder der Bundesregierung gibt. Und daher ist es mir wichtig, dass wir für alle Bereiche das schaffen, was heute für den ORF schon gilt, nämlich eine unabhängige Medienbehörde, europäische Standards
in allen Bereichen. Und ich möchte sagen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KommAustria leisten dort wirklich gute Arbeit, ihre Leistungen sind in der Branche auch höchst anerkannt. Sie haben es nicht verdient, dass diese Behörde mit dem Salzamt verglichen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist es immer wichtig, alle miteinzubezie­hen, und ich möchte zwei ganz kurze Punkte aus dem Bericht, die mir zukunftsweisend erscheinen, hervorheben. Das eine ist die Digitalisierung, wo wir in Österreich eine sehr zügige Entwicklung eingeschlagen haben, auch mit Unterstützung des Digitalisie­rungsfonds. Und das Zweite, was ich als ein wesentliches Instrument hervorstreichen möchte, ist der Fernsehfilmförderungsfonds, ein Instrument, bei dem es darum geht, den Medienstandort, auch was den kreativen Teil betrifft, in Österreich zu sichern, ein Instrument, das neben der Förderung der Kreativwirtschaft viele positive wirtschafts­politische und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen hat.

Ich möchte Ihnen mitteilen, nachdem wir im Digitalisierungsfonds aufgrund des schnel­len Fortschreitens der Digitalisierung diesen Mittelaufwand nicht mehr haben werden,


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dass ich mit dem Finanzminister in intensiven Gesprächen darüber bin, diese Mittel, die aus dem Digitalisierungsfonds frei werden, dem so wichtigen Fernsehfilmförde­rungsfonds zukommen zu lassen. Durch ein Aufstocken der Mittel für den Fernsehfilm­förderungsfonds haben wir die Chance, bei den Kriterien und den Fördermöglichkeiten noch Verbesserungen vorzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Bericht wird hier einstimmig – zumindest ist das so im Ausschuss beschlossen worden – zur Kenntnis genommen werden. Er ist einer, der zeigt, wie umfassend und gut die Aufgaben in der Regulie­rungsbehörde wahrgenommen werden, ein lebender Beweis dafür, dass die Aufgaben dieser Behörde effizient erfüllt werden.

Ich möchte daher auch sagen, dass es mir ganz wichtig ist, dass wir Bewährtes und Gutes nicht abwerten, indem man hier von Zersplitterungen spricht. Auch aufgrund des Berichts erkennt man, wenn man ihn sehr aufmerksam liest, dass es sich hier um ein wirkliches Kompetenzzentrum handelt, dass von keiner Zersplitterung die Rede ist, sondern es in Wirklichkeit von allen Beteiligten am Markt große Anerkennung ge­genüber der RTR-GmbH und allen Regulierungsbehörden, ob das der Bundeskommu­nikationssenat oder die KommAustria ist, gibt, und darauf, finde ich, könnten wir stolz sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 2 Minuten wollen Sie sprechen. – Bitte.

 


14.32.44

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich nicht verhehlen, ich war einer der größten Skeptiker dieser Behörde, als sie eingeführt wurde. Ich muss meine Skepsis zurückziehen, die Arbeit, die dort geleistet wird, ist hervorragend, her­zeigbar, wie auch dieser Bericht, der sehr umfangreich gestaltet ist, zeigt. Ich wurde also in dieser Hinsicht eines Besseren belehrt. Auch das muss einmal gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den aufgeworfenen Fragen. Ich bin hinsichtlich des Entschließungsantrags der Grü­nen durchaus der Meinung, dass man darüber reden sollte, dass es nicht möglich ist, dass man einem Unternehmen Sozialhilfeaufgaben überträgt. Das kann nicht funktio­nieren. Ich glaube, da sollte man wirklich darüber diskutieren, dass Sozialhilfe, die man gewährt, von der der Staat will, dass man sie den Bedürftigen gibt, auch von dort be­zahlt werden sollte, wo über sie sozusagen entschieden wurde, nämlich von der Politik. Ich glaube, dieser Entschließungsantrag wäre ein guter Anlass – es ist ein bisschen zu früh, weil er noch nicht diskutiert ist –, darüber zu diskutieren, das auch zu refundieren. Es kann nicht angehen, dass man das einem Unternehmen umhängt.

Ein bisschen sollte man sich in der Diskussion auch klar werden, ob man ein gebüh­renrechtliches Fernsehen will oder nicht. Viele dieser Anträge zielen darauf ab, das gebührenrechtliche Fernsehen zu ruinieren. Das ist auch nicht zweckdienlich, denn in ganz Europa hat man sich dazu entschieden, einen Teil gebührenrechtlich, einen Teil rein marktwirtschaftlich zu gestalten. Der gebührenrechtliche Teil hat auch Aufträge zu erfüllen, wie etwa den kulturellen Auftrag, und muss der Informationspflicht nachkom­men. All diese Aufgaben können die Privaten nicht so erfüllen wie ein Gebührenrecht­licher. Daher sollte nicht immer alles darauf abzielen, den Gebührenrechtlichen in Schwierigkeiten zu bringen, es wird wohl eine Koexistenz beider Varianten zu erzielen sein.


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Eines der gelungensten Beispiele, wo das funktioniert, ist der Fernsehfilmförderungs­fonds, der Fernsehfonds Austria. Das ist eine gelungene Einrichtung, die 7,5 Millio­nen € in die Filmwirtschaft steckt. Wenn man weiß, dass dann 25 Millionen € an volks­wirtschaftlichem Volumen hier in Österreich generiert werden, dann hat man einen Mul­tiplikator, der sich herzeigen lässt. Ich glaube, nicht in vielen Bereichen hat man einen derartigen Multiplikator bei Förderungen.

Aber noch darüber hinaus: Von 35 Produktionen, die gefördert wurden, waren 25 in Kooperation mit ausländischen Unternehmen. So wurden mehr als 50 Millionen € an Herstellungskosten generiert. Das ist ein gut eingesetztes Geld, und ich glaube, wenn man jetzt von einer Erhöhung der Mittel spricht, dann ist man auf dem richtigen Weg, erstens für die Filmwirtschaft, aber auch, Förderungen richtig einzusetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Morak.)

14.35


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.35.39

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Teil dieses Berichts, den wir hier diskutieren, hat sich mit den vielfältigen Aufgaben der RTR-GmbH, unter anderem mit der Aufgabe, die Einhaltung der Werbebestimmungen zu überprüfen, beschäftigt. Es war für mich schon symptomatisch, dass meine Nachfrage in nur zwei Punkten dieser Aufgabe der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH – nämlich betreffend die ge­ringe Frequenz der Prüfungen, die mir aufgefallen ist, und die Frage, welche Konse­quenzen denn Verstöße gegen Werbebestimmungen haben, weil die laut Bericht fest­gestellt wurden – gleich dazu geführt hat, dass Herr Kollege Cap der ÖVP vorgeworfen hat, sie stelle überhaupt den ORF und den öffentlich-rechtlichen Auftrag in Frage.

Für mich zeigt das einerseits, dass die Nerven irgendwo blank liegen, aus welchen Gründen auch immer, wenn es um die vermeintliche Pflichtverteidigung des ORF geht. Eines ist völlig klar: Die ÖVP steht zum ORF als starkem österreichischem Medien­unternehmen, und die ÖVP steht auch zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF, der auch bestehen bleiben soll. Warum man hier solche völlig ungerechtfertigten und un­zulässigen Ableitungen macht, kann ich nicht nachvollziehen. Es kann vielleicht sein, dass hier ein gewisser vorauseilender Gehorsam eine Rolle spielt, obwohl die SPÖ offensichtlich auch nicht mehr ganz zufrieden ist mit dem, was sich im ORF abspielt.

Wer vor einigen Tagen die Mitternachts-„ZiB“ gesehen hat, weiß es: Der Herr Kalina hat sich quasi ständig nur über die Berichterstattung des ORF beschwert. Ich glaube allerdings – das ist jetzt meine Vermutung –, es liegt nicht daran, dass der ORF keine Sympathien mehr für die SPÖ hätte oder umgekehrt, sondern eher daran, dass der Parteivorsitzende so viel Gelegenheit bietet zu berichten, dass selbst der ORF nicht daran vorbeigehen kann. Das ist, glaube ich, eher die Ursache.

Aber zurück zu dieser Frage. Das Problem beim ORF, auch wenn man zu ihm steht, auch wenn man zum öffentlich-rechtlichen Auftrag steht, ist natürlich die Marktmacht einerseits, die Marktmacht eines ehemaligen Monopolisten, der den Markt wirtschaft­lich beherrscht, auf der anderen Seite aber auch die Informationsmacht des ORF, die auch nicht zu übersehen ist. Mit dieser Informationsmacht des ORF ist natürlich auch ein gewisser politischer Einfluss und Druck letztlich verbunden. Und das schreit gera­dezu nach einer unabhängigen, unpolitischen, nicht politisch besetzten Medienbehör­de, die die Einhaltung der Spielregeln für alle ganz objektiv überprüfen soll.


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Dass das auch die Europäische Kommission so sieht, lässt sich ableiten aus einem Bericht, der erst vor einigen Wochen bekannt geworden ist und veröffentlicht wurde, wo gerade auch der ORF von der Europäischen Kommission geprüft wurde. Wie dann allerdings die Berichterstattung im ORF war, zeigt wieder diese von mir schon vorher angesprochene Informationsmacht.

Die Europäische Kommission hat zum Beispiel festgestellt: Die Generaldirektion Wett­bewerb ist der Auffassung, dass das allgemeine Erfordernis der sparsamen Verwaltung bei der Festsetzung der Höhe des Programmentgeltes nicht erfüllt wurde. – Der Herr Wrabetz hat in der Berichterstattung darüber daraus abgeleitet: Die Kommission hat festgestellt, dass wir im ORF die Rechnungslegungsvorschriften und die Transparenz­richtlinie sehr, sehr gut erfüllen, obwohl wir gesetzlich gar nicht dazu verpflichtet wären.

Das nur als ein Beispiel, die Zeit reicht nicht, es gäbe noch weitere Beispiele. Es zeigt nur eines ganz klar: Die Forderung der ÖVP und die Vereinbarung im Regierungsüber­einkommen, eine unabhängige Medienbehörde zu schaffen, ist aktueller denn je. (Bei­fall bei der ÖVP.)

14.39


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hradecsni. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.39.33

Abgeordnete Bettina Hradecsni (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, eines vorweg: Ich finde das immer so schön, dass Sie so enthusiastisch über die Digitalisierung sprechen, sowohl des Fernsehens als auch jetzt DVB-H anlässlich der EURO.

Was ich jedoch vermisse – und wir haben das im Ausschuss ja kurz andiskutiert– ist: Wir wissen, dass es bei der Übertragung technische Probleme gibt. Das haben nahezu alle Parteienvertreter angesprochen. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich da ein wenig stark machen. Sie haben gemeint, das fällt nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich, das mag schon sein, aber ich denke, es müsste zumindest in Ihrem Interesse liegen, dass der Empfang von digitalisiertem Fernsehen überall einwandfrei funktioniert und je­dem zur Verfügung steht, zumal es sich dabei ganz im Speziellen eben um die Pro­gramme ORF 1 und ORF 2 handelt.

An und für sich wollte ich über den Tätigkeitsbericht der RTR sprechen, allerdings nur zu einem Teilbereich, und zwar über das Streitschlichtungsverfahren 2006. Ich denke, der Sinn eines Berichts ist ja nicht, ausschließlich das eine Jahr zu betrachten, sondern den Vergleich zu sehen, eine Entwicklung zu betrachten. Da wissen wir, dass es eben 2004 einen Höhepunkt bei den Streitschlichtungsverfahren gab, weshalb es dann zu einer Verordnung kam, zur Kommunikationsparameter-, Entgelt- und Mehrwertdienste­verordnung, die im Oktober 2006 novelliert wurde. Jetzt stellt sich heraus, dass das offensichtlich nicht ausreicht, weil wir mittlerweile bereits den Bericht der Schlichtungs­stelle 2007 haben. Dieser zeigt gerade im zweiten Halbjahr 2007 einen exorbitanten Anstieg der Zahl der Streitschlichtungsfälle. Und es wurde vermutet, dass sich dieser Anstieg 2008 fortsetzen wird.

In mehreren „Standard“-Artikeln hat der Telekom-Regulator Dr. Serentschy gemeint, dass es zu verschärften Maßnahmen kommen soll, sollten die Beschwerdezahlen nicht auf das Niveau von 2006 zurückgeführt werden können.

Da haben wir bereits den Vorschlag gemacht: Aus unserer Sicht wäre gerade im Be­reich der Mehrwertdienste, der Mehrwert-SMS, die Opt-in-Regelung ein effektiver Schutz. Das würde nämlich bedeuten, dass das Handy definitiv und ausdrücklich auf


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Wunsch des Handy-Besitzers, des Nutzers freigeschaltet werden muss, um eben ein Mehrwert-SMS empfangen zu können.

Der Vertreter der RTR im Konsumentenpolitischen Forum 2008 hat dies sinngemäß als geschäftsschädigend für die Anbieter der Mehrwertdienste bezeichnet. Das habe ich auch nicht ganz nachvollziehen können, da ich die RTR als Schnittstelle zwischen Markt und VerbraucherInnen sehe und mir diese Auskunft etwas zu einseitig war.

Ich denke, wir bräuchten endlich einmal taugliche Rechtsinstrumente, um diesen An­stieg der Beschwerdeflut hintanzuhalten, die da wären: Gruppenklage, Gewinnab­schöpfung, was auch immer, und gleichzeitig eine Opting-in-Regelung.

Dann möchte ich noch ganz kurz auf den Entschließungsantrag der FPÖ eingehen. Wir teilen diese Ansicht nicht. Wir halten es nicht für sinnvoll, Mehrwertdienste zu verbie­ten, sondern es soll eine ganz bewusste Entscheidung der KonsumentInnen, der Nut­zerInnen sein. Dazu gehört natürlich die entsprechende Transparenz – da sind wir ganz Ihrer Meinung –, es muss klar sein, mit welchen Kosten das verbunden ist. In die­sem Sinne verlangen wir eben auch diese Opting-in-Regelung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.43


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.44.04

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben in einem Informationszeitalter. Wis­sen, Information ist heute wohl die größte Ressource für wirtschaftlichen Erfolg, aber auch für die demokratische Entwicklung. Dementsprechend essentiell sind der freie Zugang zum Wissen und dessen freie Nutzung. Das nach dem höchstmöglichen Stand der Technik zu gewährleisten ist die grundlegende Aufgabe der Politik. Dieser Aufgabe sind wir uns in Österreich, ja in ganz Europa sehr wohl bewusst. Einen entsprechend hohen Stellenwert haben Investitionen in Forschung und Entwicklung und der Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologie im Regierungsprogramm und in der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung.

Das ist auch dringend notwendig. Schließlich – wir wissen es alle – schlafen die kon­kurrierenden Volkswirtschaften in Südostasien und in den Vereinigten Staaten auch nicht in der Pendeluhr, sondern sind in Sachen Informationstechnologie unverkennbar auf der Überholspur.

Aber es geht nicht nur um wirtschaftlichte Aspekte. Unter dem Stichwort „Inclusion“
der europäischen Initiative i2010, die unter anderem auch den Hintergrund für die Tätigkeiten der österreichischen Regulierungsinstitutionen KommAustria, RTR GmbH und Telekom-Control-Kommission bildet, wird besonders die Steigerung der Lebens­qualität hervorgehoben, die Integration und die Verbesserung der öffentlichen Dienste. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass niemand aus der Informationsgesellschaft ausgeschlossen wird, nicht aus sozialen Gründen und auch nicht aus Altersgründen. Daher ist der Auffassung des Europäischen Parlaments beizupflichten, dass es ohne Beseitigung der digitalen Kluft beziehungsweise der Barriere zum Wissen keine Wis­sensgesellschaft geben wird, sondern den kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang der gesamten Union.

Die Politik hat die Rahmenbedingungen für die Vielfalt und die hohe Qualität der Me­dien zu schaffen und von jeder Einschränkung der Meinungsfreiheit Abstand zu neh­men. Aber das, meine sehr geehrten Damen und Herren, erhöht auch die Eigenverant­wortlichkeit der Medien. Es ist heute schon angesprochen worden: Die haltlose Diffa-


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mierung von einer demokratischen Institution nach der anderen, sei es Parlament, sei es Bundesregierung, sei es Bundespräsident, erfüllt diesen Anspruch nicht und ist in höchstem Maße demokratiegefährdend. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.46


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Dr. Sonnberger für ebenfalls 2 Minuten das Wort. – Bitte.

 


14.47.02

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte mit einem bemerkenswerten Zitat zur ORF-Gebührenfrage beginnen. Ich bin Angehöriger der Gruppe der erzürnten Gebührenzah­ler, die sich angesichts dessen, was in den letzten Jahren geboten wurde, oftmals die Frage gestellt hat: Wofür zahle ich überhaupt? (Beifall bei der FPÖ.)

Derselbe, im Übrigen damals Oppositionspolitiker Gusenbauer, bemerkte als Kanzler am 18.8.2007 in der „Presse“: Aber ich sehe keinen Anlass für eine Gebührenerhö­hung.

 „Das Thema Gebührenerhöhung“ – und das ist vielleicht noch ein bisschen bemer­kenswerter – „ist eine Erfindung der ÖVP“, meinte Klubobmann Cap.

Die Gebührenerhöhung ist ein Faktum seit 1. Juli 2008, und die Bürger werden pro Jahr um 41 Millionen € mehr an den ORF zahlen – dies trotz 100 Millionen € Rückla­gen und 35 Millionen € Bilanzgewinn im Jahr 2007. Der ORF casht um 15 € pro Teil­nehmer mehr ab dank der Hilfe einer rot-grünen Achse im Stiftungsrat. Wir treten für eine Objektivierung der Gebührenfrage und für eine Versachlichung der Diskussion ein.

Es ist eine Evaluierung und Kontrolle der Gebührenfestsetzung über eine unabhängige Medienbehörde notwendig. Und es freut mich, dass die Ministerin gesagt hat, hier wird das Koalitionsübereinkommen abgearbeitet. Denn wir glauben auch, dass diese Ge­bührenerhöhung, wie sie stattgefunden hat, nicht notwendig und den Bürgern auch nicht zumutbar ist.

Pendlerpauschale und Kilometergelderhöhung waren die richtige Antwort der Regie­rung. Die rot-grüne ORF-Gebührenerhöhung im Stiftungsrat war falsch. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Generaldirektor Wrabetz hat im Übrigen die Erhöhung im Jänner 2007 und Au­gust 2007 ausdrücklich noch für das Jahr 2008 ausgeschlossen. Jetzt haben wir sie. Die Ergebnisse der derzeit stattfindenden Rechnungshofprüfung und der bevorstehen­den Prüfung durch die EU werden sicherlich noch Anlass sein, über dieses Thema hier im Hohen Haus noch einmal zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

14.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Pendl zu Wort gemeldet. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordne­ter.

 


14.49.30

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Über diese Kostenfrage könnte man jetzt sehr lange dis­kutieren. Ich bleibe bei jenen, die gemeint haben, jedes Unternehmen braucht entspre­chende Einnahmen, wenn es erstklassige Arbeit leisten muss. Wir sind uns ja einig – das ist ja nicht nur eine nationale, sondern auch eine europäische Meinung –, dass wir zum öffentlichen Rundfunk stehen. Und dieser braucht eine ordentliche Ausstattung.


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Ich möchte mich bei zwei Menschen bedanken. Frau Bundesministerin, ich denke, wir haben eine gute Diskussion im Ausschuss gehabt. Ich glaube, das sehen alle so. Mir gefällt aber auch, dass Kollege Wittmann, bei dem ich den Hintergrund kenne, warum er skeptisch war, heute hier gesagt hat, dass diese Behörde super angekommen ist.

Ich würde auch einladen und bitten – wir haben das heute Vormittag schon diskutiert, wir haben das schon so oft diskutiert –: Das wird ja nicht besser! Müssen wir uns ans Rednerpult stellen, Kollegen, und sagen: Zwangsgebühren? Gebühren sind Gebühren. Müssen wir vom „Salzamt“ reden? Sie bringen erstklassige Leistungen. Die Kollegin­nen und Kollegen bringen erstklassige Leistungen dort, und ich glaube, wir sollten ihnen danken. (Abg. Mag. Hakl: Rechnungshofbericht! Einsparungspotentiale! Lesen!)

Ich möchte mich aber auch beim ORF bedanken. Die Erhöhung des Prozentsatzes in den Angeboten für Gehörbehinderte ist, wie ich meine, auch ein wichtiger Weg. Einer meiner Vorredner hat gesagt, wir sollten schauen, dass wir bezüglich Barrierefreiheit weiterkommen und dass wir niemanden von dem Informationsfluss ausschließen. Ich denke, das ist der richtige Weg.

Wir haben viel Arbeit, das ist überhaupt keine Frage. Wir können hier viel diskutieren. Aber ich glaube, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Informationsver­pflichtungen in den einzelnen Sparten unserer Gesellschaft wichtig ist. Vor allem sollten wir danach trachten, dass die Barrierefreiheit wirklich in allen Bereichen gege­ben ist. Ich lade dazu ein: Machen wir die Arbeit gemeinsam, die Menschen werden uns danken! (Beifall bei der SPÖ.)

14.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl am Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Cap: Ich bin ge­spannt, was der van Staa sagt, wenn er Tirol zusperren darf!)

 


14.51.46

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Einige Kollegen haben darauf verwiesen, wir dürf­ten nicht „Zwangsgebühren“ sagen. Natürlich ist es eine ganz normale, gesetzlich vor­gesehene Gebühr. Aber ich halte es schon für sehr hinterfragenswert, wenn in Zeiten, wo insbesondere von der SPÖ und von den Grünen die deutliche Teuerung immer so beklagt wird, plus 10 Prozent bei diesen Gebühren beschlossen werden, sobald sie es alleine und ohne das vernünftige Korrektiv der ÖVP beschließen können. Das wird ge­macht, ohne dass sie ganz offensichtlich den Rechnungshofbericht auch nur gelesen haben!

Herr Kollege Cap! Kolleginnen, Kollegen von den Grünen! Ich empfehle Ihnen, Ihren Kolleginnen und Kollegen im Stiftungsrat vielleicht mit einem Mascherl als Geschenk den Rechnungshofbericht zu überreichen. Da sind nämlich Alternativen, wie der ORF ohne Qualitätseinbuße überleben kann und welche Reformen zu machen wären, durchaus aufgezeigt, ohne dass man die Bürgerinnen und Bürger, die unter dem Preis­druck ohnehin so leiden, noch mehr belasten müsste. Ich glaube, das wäre jetzt sehr wichtig.

Mir tun auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF leid, die eine gute Arbeit leisten und auch immer dafür geprügelt werden, dass das Programm sich nicht wahn­sinnig verbessert, wofür sie nichts können. Diese machen nämlich ihre Sache gut. Zu­gekauft wird aber aller möglicher Ramsch unter dem Deckmantel des öffentlich-recht­lichen Fernsehens. Ich glaube, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen das ähnlich und wären durchaus in der Lage, qualitätsvolleres Programm für die Bürgerinnen und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 145

Bürger zum billigeren Preis zur Verfügung zu stellen, als es ihnen die derzeitige Füh­rung ermöglicht.

Ich möchte aber ganz besonders noch darauf zu sprechen kommen, dass auch dem Telekombereich ein großer Dank gilt. Ich glaube, hier stehen wir aber vor großen Her­ausforderungen. Es ist gelungen, im Mobilkommunikationsbereich einen funktionie­renden Markt zu schaffen. Die Marktsituation wird sich hier allerdings international und europäisch sehr verstärken. Deswegen müssen wir auch hier die Regulierung aufrecht­erhalten. Ich danke ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Telekom­bereichs, so hervorragende Arbeit geleistet zu haben.

Besonders große Herausforderungen haben wir allerdings im Festnetzbereich. Wir wis­sen, dass wir immer noch weiße Flecken auf der Landkarte haben, wo es noch gar kein Breitband gibt. Das wird sich verbessern, weil jetzt auf europäischer Ebene durch das digitale Fernsehen neue Frequenzen freigeworden sind, so dass niedrigere Fre­quenzen für den Mobilfunk zur Verfügung gestellt werden können. Das bedeutet eine größere Bandbreite und größere Reichweite.

Aber diese Bandbreiten sind immer noch nicht genug, zum Beispiel auch für den E-Health-Bereich, wo wir den Menschen die Möglichkeiten geben wollen, egal wo in Ös­terreich oder Europa sie sind, auf ihre Röntgenbilder und andere Daten Zugriff zu ha­ben. Ich erwarte mir und bitte Sie, Frau Staatssekretärin, das dem Herrn Bundesminis­ter auszurichten, dass der Herr Verkehrsminister eine realistische Breitbandausbauini­tiative vornimmt und uns diesbezügliche Vorschläge endlich zuleitet. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Herr Abgeordneter Marizzi zu Wort ge­meldet. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte sehr.

 


14.55.18

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sehr ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Ausschuss eine ausführliche und interessante Diskussion über die Berichte gehabt. Über Gebühren wird immer wieder geredet werden. Jeder hat einen Standpunkt dazu. Ich glaube aber, der Vorschlag der Grünen und des Dr. Wittmann, über die soziale Frage zu reden, ist wahrscheinlich längst an der Zeit. Wir werden das auch tun.

Es ist mir wichtig festzustellen, dass der Fernsehfonds Austria eine sehr, sehr positive Entwicklung genommen hat. Was wurde gefördert? – Es wurden 20 Dokumentationen gefördert, es wurden 14 Fernsehfilme gefördert, es wurde eine Serie gefördert. Man kann sagen, es gibt hohe Marktanteile. Vor allem bei einer Sendung im ARD waren, wie ich glaube, 6,2 Millionen Zuseher.

Wir haben die Chance, dass wir unseren österreichischen Medienstandort damit stär­ken und damit auch steigern. Wir haben auch Chancen, dass die eingesetzten Mittel vor allem viel Werbung für Österreich – das ist auch sehr wichtig und sehr positiv – und viel Werbung für österreichische Produzenten, für unsere Regisseurinnen und Regis­seure und für unsere Schauspielerinnen und Schauspieler machen.

Ich denke, es hat sich ausgezahlt, die 7 Millionen € einzusetzen und daraus 25 Millio­nen € zu machen. Der Werbeeffekt für Österreich war gut, daher ist dieses eine sehr positive Sache. Ich danke Ihnen vielmals, Frau Bundesministerin! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.56



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 146

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun ist Frau Abgeordnete Mag. Becher zu Wort gemeldet. 2 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte sehr.

 


14.56.53

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht der RTR zeigt für mich – und das ist ja auch schon öfters festgestellt worden –, dass sich der Rundfunk- und Telekom­bereich in Österreich auf dem richtigen Weg befindet.

Für mich ist in diesem Zusammenhang die Frage der Förderung der sozial schwäche­ren Fernsehhaushalte besonders interessant. Mein Dank gilt hier vor allem den Be­mühungen der Frau Bundesministerin und der Bundesregierung, das Angebot bis 2011 aufrechtzuerhalten, dass alle von der Rundfunkgebühr befreiten Teilnehmer mit einem Gutschein von 30 € bis 40 € weiterhin diese Set-Top-Box kaufen können. Der Erfolg dieser Maßnahme zeigt sich auch daran, dass bisher zirka 10 000 von der Rundfunk­gebühr befreite Teilnehmer diese Förderung in Anspruch genommen haben.

Zum Fernsehfonds Austria hat mein Vorredner, Kollege Marizzi, schon Stellung ge­nommen und gesagt, wie positiv hier die Entwicklung ist. Ich möchte nur noch einen Aspekt aufgreifen, den ich für sehr vielversprechend halte, und zwar die Ankündigung von der Frau Ministerin, nämlich wesentliche Teile des Digitalisierungsfonds in den Jahren 2009 bis 2011 in den Fernsehfonds Austria umzuschichten. Durch diese zu­sätzliche Maßnahme, die sehr zu begrüßen ist, würde die Frau Ministerin eine sehr nachhaltige Gesundung des heimischen Fernsehfilms wesentlich unterstützen. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir haben noch 2 Minuten Zeit. Das heißt, wir können noch die Abstimmungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor der Durchführung der dring­lichen Debatte durchführen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den vorliegenden Tätigkeitsbericht in III-63 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ORF-Bericht gemäß § 8 ORF-Gesetz als Verhandlungsgegenstand des Parlaments.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Refundierung der Gebührenbe­freiungen an den ORF.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Mehrwertdiensten im ORF-Programm.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 147

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rundfunkgebühren-Reformpaket.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Behandlung einer Dringlichen Anfra­ge, die gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr beginnt.

15.00.55Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend schwere Informationsdefizite nach Zwischenfall im AKW Krško und Versagen des Umweltministers in der Anti-Atompolitik (4530/J)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 4530/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Am Mittwoch, den 4. Juni 2008 um 17h38 ist bei der EU-Kommission eine Alarm­meldung aus Slowenien eingegangen, wonach im Primärkreislauf des AKW Krsko (60 Kilometer bis zur österr. Grenze) radioaktiv kontaminiertes Kühlwasser ausgetreten sei. Die EU-Kommission aktivierte daraufhin das EU-Frühwarnsystem (ECURIE), das alle anderen EU-Länder vor einem möglichen Reaktorunfall und grenzüberschreitender radioaktiver Verseuchung warnen soll. Das Frühwarnsystem wurde 1987, ein Jahr nach dem verheerenden Super-GAU von Tschernobyl installiert. Ein EU-weiter Atom­alarm ist in dieser Form noch nie ausgerufen worden. Nach den Bestimmungen für ECURIE muss Alarm ausgelöst werden, wenn ein atomarer Notfall eingetreten ist.

Wenige Stunden später wurde von Seiten der slowenischen Behörden Entwarnung ge­geben. Radioaktivität sei nicht in die Umwelt gelangt. Der Vorfall im slowenischen Risi­ko-AKW war – glücklicherweise – kein atomarer Notfall.

Der Vorfall im slowenischen Risiko-AKW, der in den Stunden bis zur Entwarnung euro­paweit und insbesondere in Österreich große Besorgnis ausgelöst hat, hat zwei Dinge sehr deutlich gemacht:

1. Es bestehen in Österreich und den benachbarten AKW-Staaten eklatante Defizite in der Informationspolitik bei Atomunfällen. Hätte es sich bei dem Vorfall tatsächlich um einen schweren Atomunfall gehandelt, wäre die österreichische Bevölkerung zu spät informiert worden.

2. Bundesregierung und Umweltminister können die österreichische Bevölkerung nicht vor schweren Atomunfällen schützen. Das permanente versagen der österreichischen Anti-Atompolitik wiegt vor diesem Hintergrund schwer: Umweltminister und Bundes­kanzler haben dem Bau und Betrieb von zahlreichen Risko-AKW an Österreichs Gren­ze jahrelang keine wirkungsvollen Maßnahmen entgegengesetzt. Der Bau von wei­teren AKW (Mochovce /Slowakei und zahlreiche weitere Pläne) und Laufzeitverlänge­rungen bestehender AKW (Paks/Ungarn) werden tatenlos zur Kenntnis genommen. Initiativen zur Reform des Euratom-Vertrags mit dem Ziel eines europäischen Atom­ausstiegs sind unterblieben.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 148

Der zeitliche Ablauf der Informationsmaßnahmen nach dem Vorfalls im AKW Krsko belegt die eklatanten Informationsdefizite der slowenischen und österreichischen Be­hörden am 4. Juni 2008:

(Quellen: slowenische Behörden, EU-Kommission, österreichisches Umweltministe­rium, steirische Landesregierung)

15:00 Im AKW Krsko wird ein Leck im Primärkreislauf entdeckt. 2.500 Liter radioaktiv verseuchtes Wasser laufen aus.

16:00 Die slowenische AKW-Leitung informiert den kroatischen Stromkonzern und Mit­eigentümer von Krsko HEP über den Vorfall.

17:38 Bei der EU-Kommission trifft eine Alarm-Meldung mit dem offiziellen Status eines atomaren Notfalls im slowenischen AKW Krsko ein. Die EU-Kommission löst europa­weiten Atomalarm aus.

18:03 Die EU-Alarmmeldung trifft in der Einsatz- und Krisenzentrale des österreichi­schen Innenministeriums ein.

18:39 Aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Österreich und Slowenien trifft eine Meldung der slowenischen Behörden mit Details über den Vorfall - irrtümlich mit der Kennzeichnung "Übung" versehen – bei der Einsatz- und Krisenzentrale des öster­reichischen Innenministeriums ein. Auch die IAEO, Italien und Ungarn werden gleich­lautend informiert

18:49 Die Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenministeriums infor­miert die Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums über die Mel­dung betreffend einer „Übung“. Die Strahlenwarnzentrale verifiziert die Informationen und unternimmt trotz der Angabe einer "Übung" eine zielgerichtete Überprüfung der Informationen sowie der Werte der einzelnen relevanten Messstationen.

19:15 Information der Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenministe­riums durch die Strahlenschutzzentrale des österreichischen Umweltministeriums , dass keine Gefährdung für Österreich feststellbar ist.

19:17 Die steirische Landeswarnzentrale erhält die Erstmeldung von der Bundeswarn­zentrale, die gleichzeitig auch schon die Entwarnung beinhaltete.

20:01 Die Austria Presse Agentur (APA) informiert über den Vorfall. Es sei lazt Anga­ben der slowenischen Nachrichtenagentur STA keine Radioaktivität ausgetreten.

20:18 Das österr. Umweltministerium informiert via APA und bestätigt die slowenischen Angaben, die Messwerte lägen im Normalbereich.

„Falls wirklich etwas passiert wäre, dann wäre wertvolle Zeit verloren gegangen“ (Lan­deshauptmann Voves, Steiermark)

Aus diesem Zeitablauf lassen sich folgende Feststellungen ableiten:

1. Die slowenischen Behörden benötigen 2 Stunden und 38 Minuten, um den Vorfall der EU-Warnzentrrale in Brüssel zu melden.

2. Es dauert weitere 25 Minuten, bis die EU-Alarmmeldung beim österreichischen Innenministerium eintrifft.

3. Erst 3 Stunden und 49 Minuten nach Entdecken des Lecks wird die in Österreich hauptzuständige Strahlenwarnzentrale im Umweltministerium informiert.

4. Der Miteigentümer des AKW Krsko, der kroatische Stromversorger HEP ist bereits eine Stunde nach dem Vorfall informiert.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 149

5. Die österreichische Öffentlichkeit wird fünf Stunden nach Beginn des Vorfalls erst­mals informiert.

6. Es erfolgte keine direkte Information der Strahlenwarnzentrale des österr. Umwelt­ministeriums durch die AKW-Leitung in Krsko. Es wurde über Umwege informiert, was zu stundenlangen Verzögerungen in der Bewertung des Vorfalls führte.

Die Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums ist jene Stelle, die eine Alarmmeldung über einen Atomunfall in einem Nachbarland einschätzen und überprüfen muss, um festzustellen ob eine Gefahr für die österreichische Bevölkerung besteht und Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung eingeleitet werden müssen oder ob Entwarnung gegeben werden kann. Es ist absolut unverständlich und im höchsten Maße fahrlässig, dass vom Zeitpunkt der Entdeckung des Lecks durch die sloweni­schen AKW-Betreiber bis zur Information des österreichischen Umweltministeriums fast vier Stunden und bis zur Information der Öffentlichkeit fünf Stunden verstrichen sind.

Fünf Stunden, die im Falle eines schweren Atomunfalls mit massivem Austritt von Ra­dioaktivität fünf verlorene Stunden für die betroffene Bevölkerung in der Steiermark und in Kärnten gewesen wären. Fünf unnötig lange Stunden, die die Gesundheit und das Leben tausender ÖsterreicherInnen aufs Spiel gesetzt hätten.

Denn alleine darauf zu warten, bis bei einem wirklichen Atomunfall die österreichischen Messstationen anschlagen ist zu wenig. Ein Super-Gau kommt nicht aus dem Nichts. Zwischen dem Beginn eines schweren AKW-Störfalls und dem großflächigen Austritt von Radioaktivität können mehrere Stunden liegen. Wertvolle Stunden für die Ein­leitung von Notmaßnahmen für die Bevölkerung. Daher ist es unerlässlich, dass die AKW-Betreiber einen Störfall sofort und direkt an Österreich melden.

Es liegt in der Verantwortung des Umweltministers, mit den benachbarten AKW-Staa­ten vertragliche und verpflichtende Informationsabkommen auszuhandeln, dass im Falle von Zwischen- und Störfällen sofort und direkt informiert werden muss. Ziel muss dabei eine umgehende und direkte Information der AKW-Betreiber an die Strahlen­warnzentrale des österreichischen Umweltministeriums sein, wie das derzeit einzig und allein beim tschechischen Atomkraftwerk Temelin der Fall ist. Nur so kann sicherge­stellt werden, dass keine wertvolle Zeit für den Schutz der Bevölkerung verloren geht.

Bei den sechs grenznahen und unsicheren Atomkraftwerken Paks (Ungarn), Mo­chovce, Bohunice (Slowakei), Dukovany (Tschechien), Isar 1 (Deutschland) und Krsko (Slowenien) gibt es kein Informationsabkommen, welches die AKW-Betreiber verpflich­tet, das österreichische Umweltministerium auf direktem Wege von allen Zwischen- und Störfällen zu informieren. Eine rechtzeitige Information wäre nicht garantiert. Die­ser Misstand, den der Umweltminister zu verantworten hat muss umgehend behoben werden.

Bereits vor vier Jahren kam es nach einem Störfall in einem grenznahen AKW zu einer schweren Informationspanne. Am 6.6.2004 treten in der früh aus einem Leck im Primärkreislauf des tschechischen AKW Temelin 3000 Liter hochradioaktives Wasser aus und verseuchen zwei Arbeitsräume. Der Störfall ist einer der bisher schwersten in den beiden Blöcken des AKW Temelin seit der Aufnahme des Probebetriebes im Jahr 2000. Die tschechischen Behörden informieren damals mit 24 (!) Stunden Verzö­gerung das österreichische Umweltministerium. Weitere 12 Stunden dauert es bis Um­weltminister Pröll die Öffentlichkeit informiert. Und das auch nur, weil der oberösterrei­chische Anti-Atombeauftragte mit dem Störfall an die Medien geht. Es stellt sich die Frage, ob BM Pröll aus dieser Panne nichts gelernt hat.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 150

Ein schwerer Atomunfall in einer dieser AKW würde die bevölkerungsreichsten Regio­nen Österreichs treffen: Wien (Mochovce, Dukovany, Bohunice, Paks), Linz (Duko­vany, Isar 1), Salzburg, Innsbruck (Isar 1), Graz, Klagenfurt (Krsko, Paks). Die AKW Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany und Isar 1 verfügen über keine Schutzhülle.

Neben einem schweren Unfall auf Grund technischer Gebrechen oder menschlichem Versagen ist seit den verheerenden Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 eine weitere Gefahr in den Bereich des Möglichen gerückt: ein Terroranschlag mit Flugzeugen oder Hubschraubern auf Atomanlagen. Keines der grenznahen Atomkraftwerke ist gegen solche Terrorattacken geschützt.

Atomkraftwerke sind nicht schützbar. Atomkraftwerke können niemals 100% sicher sein. Die einzige Lösung ist der Atomausstieg.

Die österreichische Sicherheitspolitik hat bisher ebenso wie die österreichische Um­weltpolitik nichts unternommen, um diese größte Sicherheitsbedrohung für die österrei­chische Bevölkerung zu beseitigen.

AKW Mochovce: Zwei neue Riskoreaktoren – Keine Gegenwehr von BM Pröll

Im slowakischen Mochovce sollen nach den Vorstellungen der slowakischen Regie­rung und des italienischen Stromkonzerns Enel – Mehrheitseigentümer des dominan­ten slowakischen Stromversorgungsunternehmens SE a.s. – zwei weitere Reaktorblö­cke (fertig)gebaut werden. Es handelt sich um völlig veraltete Reaktoren des sowjeti­schen Typs WWER 440/213 mit dem technologischen Stand der 1970er Jahre. Die Reaktoren verfügen über keine druckfeste Schutzhülle (Containment), wie bei westli­chen Druckwasserreaktoren üblich.

Das fehlende Containment erhöht die Wahrscheinlichkeit von großen Freisetzungen bei schweren Unfällen dramatisch. Der Schutz vor äußeren Auswirkungen, wie etwa einem Flugzeugabsturz, ist im Vergleich mit modernen Druckwasserreaktoren in den EU-Ländern stark vermindert. Um die Diskussion um den völlig unzureichenden Si­cherheitsstandard der Mochovce-Reaktoren zu umgehen, sollen die Reaktoren auf der Grundlage einer Baugenehmigung aus dem Jahre 1986 – also aus der Zeit des kom­munistischen Regimes in der Tschechoslowakei – errichtet werden. Da es zum damali­gen Zeitpunkt keine UVP-Pflicht gab, soll auch die EU-UVP-Richtlinie umgangen wer­den.

Die Errichtung der Blöcke 3 und 4 im slowakischen Mochovce droht aus den oben ge­nannten Gründen zu einem gefährlichen Präzedenzfall für die gesamte EU zu werden. Sicherheitstechnische und demokratiepolitische Standards der EU sollen unter Ausnut­zung von aus der Zeit eines autoritären Regimes stammenden Genehmigungen ausge­hebelt werden.

Die EU-Kommission bereitet auf der Grundlage des Euratom-Vetrages derzeit eine Stellungnahme zum Projekt Mochovce 3 und 4 vor. Von NGO´s aus Österreich und mehreren EU-Ländern wurde die EU-Kommission auf die missbräuchliche Verwendung der alten Baugenehmigung sowie das unzureichende Sicherheitsniveau der in Mo­chovce geplanten Reaktoren hingewiesen. Tausende Bürger haben bereits gegen das Projekt schriftlich protestiert. In sechs österreichischen Bundesländern wurde partei­übergreifend eine Mochovce-Resolution beschlossen, welche die Bundesregierung zu entschlossenen Schritten gegen das Projekt Mochovce auffordert.

BM Pröll und die Bundesregierung sind dieser Aufforderung bis heute nicht nachge­kommen und sehen tatenlos zu wie das Atomrisiko an Österreichs Grenze weiter steigt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 151

AKW Temelin: Sicherheitsmängel immer noch nicht behoben

Das tschechische AKW Temelin weist nach wie vor gravierende Sicherheitsmängel auf. Das zwischen Österreich und Tschechien 2001 vereinbarte, völkerrechtlich ver­bindliche Melker Abkommen zur Behebung der Sicherheitsmängel wurde bis heute nicht umgesetzt und seitens der Temelin-Betreiber glatt gebrochen. Obwohl der Melk-Vertrag festschreibt, dass eine kommerzielle Inbetriebnahme von Temelin erst erfolgen darf, wenn die Sicherheitsmängel vollständig behoben sind, ist das AKW seit En­de 2006 im offiziellen Vollbetrieb.

Am 14.12.2006 hat der Nationalrat die Bundesregierung mit den Stimmen aller Fraktio­nen Entschließung aufgefordert, an die tschechische Regierung heranzutreten und um­gehend den Nachweis der Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen einzu­fordern. Für den Fall, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht werden sollte, wurden internationale Rechtsschritte verlangt.

Erst am 4.6.2007 hat die Bundesregierung die tschechische Regierung offiziell auf die Verletzung des Melk-Abkommens aufmerksam gemacht und dessen Einhaltung einge­fordert. In anschließenden Verhandlungen der Regierungschefs wurde die weitere Be­handlung des Melk-Abkommens im Rahmen einer bilateralen parlamentarischen Kom­mission vereinbart. Die Kommission arbeitet seit Juli 2007, die Sicherheitsmängel sind nach wie vor ungelöst, Fortschritte konnten kaum erzielt werden. Die tschechische Seite sieht im Melker Abkommen entgegen der Faktenlage keinen völkerrechtlich ver­bindlichen Vertrag und drängt auf einen Abschluss des Melker Prozesses. Bei der für 9. Juni 2008 geplanten Sitzung der interparlamentarischen Kommission droht ein Ende des Melk-Abkommens. Der Melk-Prozess soll trotz nach wie vor vorhandener Sicher­heitsmängel beendet und durch einen unverbindlichen Informationsdialog ersetzt wer­den. Die Stilllegung des AKW Temelin, wie sie noch im SPÖ-ÖVP-Regierungspro­gramm als Ziel formuliert ist, ist für BM Pröll offenbar kein Ziel mehr.

Europäischer Atomausstieg: Kein Initiativen der Bundesregierung

Das Ziel eines europaweiten Atomausstiegs ist im Gegensatz zu früheren Regierungen nicht im Koalitionsabkommen verankert und offenbar kein erklärtes Ziel der Bundesre­gierung. Entsprechend schwach ist die österreichische Politik in dieser Frage. Aktuelle Initiativen der Bundesregierung für eine Reform des Euratom-Vertrags sind ebenso we­nig bekannt wie Versuche mit den zahlreichen anderen AKW-freien EU-Staaten Anti-Atom-Allianzen zu schließen.

Der Vorfall im slowenischen AKW Krsko hat für ein paar Stunden ganz Europa ge­schockt und ist letztlich glücklicherweise glimpflich verlaufen. Der Vorfall hat schmerz­lich offengelegt, dass Österreich und Europa auf einen schweren Atomunfall nicht vorbereitet sind. Die Bevölkerungen Österreichs und Europa können vor einem Super-GAU durch technisches Gebrechen, menschliches Versagen oder einen gezielten Ter­ror-Angriff nicht geschützt werden. Es gibt keine sicheren Atomkraftwerke. Der Atom­ausstieg ist und bleibt die einzig akzeptable Lösung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1. Ist es richtig, dass die Strahlenwarnzentrale Ihres Ressorts am 4.6.2008 erst um 18:49 von der Krisenzentrale des österr. Innenministeriums über den Vorfall, der seitens der slowenischen Behörden fälschlich als Übung bezeichnet wurde, informiert wurde? Falls nein, wann wurde die Strahlenwarnzentrale Ihres Ressorts informiert?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 152

2. Falls ja, halten Sie es für ausreichend und zufriedenstellend, dass die Strahlen­warnzentrale des österreichischen Umweltministeriums erst vier Stunden nachdem die Krsko-Betreiber ein Leck im Primärkreislauf entdeckt haben informiert wurde und die österreichische Öffentlichkeit erst fünf Stunden nach dem Vorfall Informationen erhält? Falls ja, warum? Falls nein, welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

3. Wann wurde das Leck im Primärkreislauf des AKW Krsko den Ihnen vorliegenden Informationen zu Folge entdeckt?

4. Haben Sie bereits einen offiziellen bericht der slowenischen Atombehörde über die Pannen bei der Information über den Vorfall angefordert?

5. Welche Konsequenzen werden Sie aus diesen Pannen ziehen? Was werden Sie bis wann konkret tun, damit es im Falle eines wirklichen Atom-Unfalls nicht zu einem sol­chen „Informations-Wirr-warr“ kommen kann?

6. Wieso haben deutsche und österreichische Nachrichtenagenturen und Medien die Öffentlichkeit früher über den Vorfall im AKW Krsko informiert als das österreichische Umweltministerium?

7. Bestehen vertragliche Vereinbarungen zwischen Österreich und Slowenien, Tsche­chien, der Slowakei, Ungarn und Deutschland, wonach die Betreiber der AKW Krsko, Dukovany, Mochovce, Bohunice, Paks und Isar 1 bei Zwischen- und Störfällen umge­hend und direkt die Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums zu informieren haben? Wenn nein, warum nicht?

8. Angesichts des Frühwarn-Chaos beim aktuellen Vorfall in Krsko erscheinen solche Direkt-Informationsabkommen ein gebot der Stunde. Bis wann wollen Sie solche Vereinbarungen mit den benachbarten AKW-Staaten abschließen?

9. Ist es Ihre Pflicht bzw. die Pflicht der in Ihrem Ressort angesiedelten Strahlenwarn­zentrale, die österreichische Öffentlichkeit nach AKW-Störfällen, die eine gefahr für die Bevölkerung bedeuten können, raschest möglich zu informieren? Falls ja, was werden Sie tun, um dieser Pflicht künftig besser nachzukommen? Falls nein, wessen Pflicht ist es dann?

10. Welche Informationsfristen müssen die slowenischen Behörden im Falle eines Atom-Unfalles gegenüber Österreich einhalten? Gibt es überhaupt Fristen? Falls nein, warum nicht?

11. Haben Sie aus der Informationspanne in Folge des Störfalls im AKW Temelin vom 6.6.2004 nichts gelernt? Welche Konsequenzen haben Sie damals gezogen?

12. Sollte es im AKW Krsko zu einem schweren Unfall mit großflächigem Austritt von Radioaktivität kommen, der auf Grund ungünstiger meteorologischen Bedingungen eine Gefahr für Österreich darstellt, wie viele Stunden nach dem Störfall müsste mit der Evakuierung der Bevölkerungen von Graz und Klagenfurt begonnen werden und bis wann müsste die Evakuierung abgeschlossen sein?

13. Sollte es in den AKW Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin oder Isar 1 zu einem schweren Unfall mit großflächigem Austritt von Radioaktivität kommen, der auf Grund ungünstiger meteorologischen Bedingungen eine Gefahr für Österreich dar­stellt, wie viele Stunden nach dem Störfall müsste mit der Evakuierung der Bevölkerun­gen von Wien, Eisenstadt, Linz, Salzburg, Innsbruck oder Graz begonnen werden und bis wann müsste die Evakuierungen abgeschlossen sein? (Bitte um detaillierte Auflis­tung)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 153

14. Wie viele Menschen könnten in den Städten Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Graz, Klagenfurt a) in der ersten Stunde, b) in den ersten drei Stunden, c) innerhalb von 12 Stunden evakuiert werden? Welche diesbezüglichen Evakuierungspläne existieren?

15. Ist die Stadt Wien überhaupt vollständig evakuierbar und falls ja innerhalb welches Zeitraums? Falls nein, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

16. Für wie viele Menschen gibt es in Österreich und insbesondere in den Städten Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck, Graz, Klagenfurt Schutzräume mit ausreichender Aus­stattung mit Wasser, Lebensmitteln und sanitären Einrichtungen? (Bitte um detaillierte Auflistung). Für wie viel Prozent der österreichischen Bevölkerung gibt es demnach Schutzräume im Falle einer großflächigen radioaktiven Kontaminierung nach einem AKW-Unfall?

17. Ist es für Terroristen mögliche, grenznahe Atomkraftwerke so anzugreifen, dass ein großflächiger Austritt von Radioaktivität die Folge ist? Falls ja, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Falls nein, auf Basis welcher Untersuchungen können Sie dies ausschließen?

18. Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung die Schließung der grenz­nahen AKW Krsko, Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin, Isar 1 bei den ent­sprechenden Regierungen verlangt? Falls ja wann und mit welchem Ergebnis? Falls nein warum nicht und bis wann werden Sie dies nachholen?

19. Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung mit den Regierungen von Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien oder Deutschland konkrete Ausstiegs­verhandlungen betreffend die Stilllegung der AKW Krsko, Paks, Mochovce, Bohunice, Dukovany, Temelin, Isar 1 geführt? Falls ja mit welchem Ergebnis bzw. wieso sind diese Verhandlugen gescheitert? Falls nein warum nicht und bis wann werden Sie dies nachholen?

20. Welche Schritte haben Sie bzw. die Bundesregierung gesetzt, um die slowakische Regierung und den Betreiber von dem Vorhaben der Errichtung von veralteten WWER 440/213 – Blöcken in Mochovce (Block 3 und 4) im Interesse der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung abzubringen? Welche schriftlichen Unterlagen liegen dazu vor? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

21. Haben Sie bzw. die österreichische Bundesregierung bei der slowakischen Re­gierung gegen die unzulässige Verwendung der alten Baugenehmigung aus dem Jahr 1986 sowie die Umgehung der UVP-Pflicht offiziell Protest eingelegt? Welche schriftlichen Unterlagen liegen dazu vor? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

22. Haben Sie bzw. die Bundesregierung die EU-Kommission über die österreichi­schen Bedenken gegen das Mochovce-Projekt offiziell informiert? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

23. Wurden der EU-Kommission im Zusammenhang mit der seit Monaten bekannten Erarbeitung einer Stellungnahme im Rahmen des Euratom-Vertrages von Ihnen bzw. der Bundesregierung Unterlagen über die sicherheitstechnischen Defizite des in Mo­chovce geplanten Reaktortyps WWER 440/213 übermittelt? Wenn ja, wurde diese Stel­lungnahme veröffentlicht? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?

24. Haben Sie bzw. die Bundesregierung bei der GD Umwelt offiziell Protest gegen die Umgehung der UVP-Pflicht unter Berufung auf eine veraltete Baugenehmigung einge­legt sowie auf die Entstehung eines gefährlichen Präzedenzfalles zur Umgehung si­cherheitstechnischen und demokratiepolitischer Standards hingewiesen? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt?


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 154

25. Haben Sie bzw. die Bundesregierung auf offizieller Ebene Protest bei der italieni­schen Regierung im Zusammenhang mit der Involvierung des Stromkonzerns Enel ein­gelegt und auf die drohende Herabsetzung des sicherheitstechnischen Standards so­wie den unzulässigen Risikoexport hingewiesen? Falls nein, warum nicht und bis wann wird dies nachgeholt.

26. Ist das Melker Abkommen zum AKW Temelin ein völkerrechtlich verbindlicher Ver­trag? Falls ja, welche Konsequenzen haben Sie aus dem glatten Bruch dieses Vertrags gezogen? Falls nein, warum nicht?

27. Wurden der tschechischen Seite seit Beginn der bilateralen Parlamentarierkommis­sion völkerrechtliche Gutachten Österreichs zur Stellungnahme übergeben. Wenn ja, welche und hat die tschechische Seite in schriftlicher Form zu diesen Gutachten Stel­lung genommen und durch wen und mit welchem Inhalt? Wenn nein, warum nicht?

28. Ist von Ihnen bzw. dem Bundeskanzler die Erstellung eines einschlägigen völker­rechtlichen Gutachtens bei einem/R unabhängigen international anerkannte/n Volker­rechtsexpertIn beauftragt worden. Wenn ja, wie lautet das Ergebnis? Falls nein warum nicht?

29. Im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist festgeschrieben, zusätzlich zu den beste­henden (z.B. Bohunice) weitere Schließungsvereinbarungen für Risiko-AKW in Europa mit finanzieller Hilfe der EU anzustreben. Welche Initiativen haben Sie diesbezüglich gesetzt und mit welchem Ergebnis?

30. Im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist festgehalten, dass die Bundesregierung ihre Bemühungen im Hinblick auf eine Reform des Euratom-Vertrages fortsetzen wird. Welche Schritte haben Sie diesbezüglich gesetzt?

31. Wieso kommt im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm der Begriff „europaweiter Atom­ausstieg“ nicht vor? Ist ein europaweiter Atomausstieg, wie er zuletzt unter Bundes­kanzler Vranitzky als österreichische Position formuliert wurde noch erklärte Position der Bundesregierung? Falls nein, warum haben Sie dieses Ziel aufgegeben? Falls ja, welche Schritte haben Sie gesetzt, um dieses Ziel zu erreichen?

32. Welche Schritte werden Sie bzw. die Bundesregierung setzen, um gegen eine Renaissance der Atomkraft in Europa, wie sie unter dem Deckmantel des Klimaschut­zes betrieben und von den kommenden EU-Präsidentschaften Frankreichs und Tsche­chiens sicherlich aktiv vorangetrieben werden, entschieden entgegenzutreten?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Eva Glawisch­nig-Piesczek als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort und mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Be­gründung 20 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Frau Dr. Glawischnig, Sie sind am Wort.

 


15.01.53

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Um­weltminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir alle sind am Mittwoch am frühen Abend entsprechend erschrocken und waren schockiert, als eine Alarmmeldung aus Slowenien bei der EU-Kommission einging, sodass erstmals EU-Atomalarm ausgelöst wurde mit dem Inhalt, dass in Slowenien im AKW Krško radio­aktives Wasser aus dem Primärkühlkreis ausgelaufen ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 155

Dieses EU-weite Alarmsystem gibt es seit Tschernobyl. Es wurde mit dem Sinn instal­liert, dass bei grenzüberschreitender radioaktiver Verseuchung möglichst alle Mitglied­staaten raschest informiert werden und auch entsprechend reagieren können. Wir wis­sen aus der Geschichte, dass das damals erst sehr spät geschah und viele Schäden, die eingetreten sind, hätten vermieden werden können.

Von der slowenischen Seite wurde bereits wenige Stunden später klargestellt, dass es sich um keinen echten Ernstfall handelt, sondern es wurde Entwarnung gegeben. Es war glücklicherweise kein atomarer Notfall.

Trotzdem, die europäische Öffentlichkeit war weitgehend geschockt. Es ist noch einmal glimpflich ausgegangen, keine Frage, aber es war für uns alle auch ein Testlauf, zu sehen, was passiert, wenn etwas passiert, beziehungsweise zu sehen, was alles nicht passiert. Es ist eine Reihe von großen Fragezeichen offen, über die man auch hier im Parlament reden muss und reden soll.

Es gibt offensichtlich eklatante Lücken im Informationssystem.

Noch einmal den Ablauf kurz vor Augen geführt: Um 15 Uhr wird das Leck entdeckt. Es ist der Primärkreislauf, das heißt, es ist der Kühlkreislauf, der dafür verantwortlich ist, dass der Reaktorkern immer auf einer bestimmten Temperatur bleibt und nicht darüber hinaus geht.

Die slowenischen Behörden benötigen 2 Stunden 38 Minuten, um Brüssel zu informie­ren.

Es dauert weitere 25 Minuten, bis die EU-Alarmmeldung im österreichischen Innenmi­nisterium eintrifft.

Und dann dauert es noch einmal eine Zeit lang, erst 3 Stunden 49 Minuten nach Entdeckung des Lecks im Primärkühlkreislauf wird die in Österreich hauptzuständige Strahlenwarnzentrale im Umweltministerium informiert.

Die österreichische Bevölkerung erfährt das alles eigentlich aus den deutschen Me­dien, Freunde aus Deutschland haben angerufen und gefragt: Wisst ihr schon, dass da etwas passiert ist? Die Österreicherinnen und Österreicher haben das also noch vor der Stellungnahme des Umweltministers aus deutschen Medien erfahren.

Aber der wichtigste Punkt: Da wird eine sehr, sehr relevante Information quer durch ganz Europa geschickt, und die wirklich entscheidende Stelle, nämlich die Strahlen­warnzentrale im Umweltministerium, die die Aufgabe hat, zu bewerten, was tatsächlich passiert ist und was man in dieser Situation dagegen unternehmen kann, wie man die österreichische Bevölkerung schützen kann, welche Maßnahmen sofort zu treffen sind, diese Strahlenwarnzentrale wird tatsächlich erst 3 Stunden 49 Minuten nach dem Zwi­schenfall informiert! Und das ist der Punkt, über den wir reden müssen.

Keine Frage, es gibt schwere Versäumnisse auf Seiten der slowenischen Behörden, aber – und das ist der Punkt, an dem auch Ihre Verantwortung als Umweltminister beginnt, Herr Kollege Pröll –: Warum ist das überhaupt möglich, warum ist nicht eine direkte Verbindung zwischen dem AKW-Betreiber, zwischen demjenigen, der als Erster die Information hat, und den österreichischen Nachbarn, die wissen, was zu tun ist, um die Bevölkerung zu schützen, verbindlich vorgegeben? Warum gibt es keine rechtlich verbindliche Verpflichtung, kein Abkommen mit Slowenien, kein Informationsabkom­men, in dem ganz klar festgehalten ist, dass eine sofortige, unverzügliche Information vom AKW-Betreiber an die österreichischen Strahlenwarnzentrale stattfinden muss? (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 156

Zu meiner Überraschung sagt der Landeshauptmann der Steiermark, Voves, dass es bis 1991 diese Direktinformation auch der Bevölkerung vor Ort, auch der Länder gege­ben hat.

Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer Amtszeit bereits einmal solch einen Informa­tionswirrwarr miterlebt, das war 2002. Es wurde damals vonseiten des tschechischen Betreibers – Tschechien ist übrigens das einzige Land, mit dem diese direkte Verpflich­tung besteht – 24 Stunden lang vertragswidrig nicht informiert. Sie haben dann noch 12 Stunden abgewartet und auch nicht informiert, es war dann der oberösterreichische Antiatombeauftragte. Sie haben aber schon einmal erlebt, was es für die Bevölkerung bedeutet, ein derartiges Informationschaos zu haben.

Man kann, glaube ich, davon ausgehen, dass Sie, der Sie für den Schutz der Bevölke­rung auch Verantwortung tragen, in solch einer Situation, wenn Sie das schon einmal erlebt haben, alles unternehmen, um genau diese direkte Information von all den AKWs, die rund um Österreich platziert sind, im Ernstfall sicherzustellen.

Es gibt die These, dass wir ein Strahlenmessnetz haben, auch außerhalb Österreichs, auch auf dem Gelände von Krško gibt es eine Messstelle. Wer sich einen atomaren Störfall so vorstellt, dass innerhalb der Sekunde, in der das Messnetz anschlägt, auch der Unfall passiert ist, der hat allerdings eine falsche Vorstellung. Solche Vorkomm­nisse bauen sich oft über Stunden auf. Deswegen ist es ganz, ganz wichtig, bereits bei Beginn eines Vorfalls, egal, wie er sich entwickelt, die Information zu haben, denn wenn der Strahlenmesswert nach oben geht, dann kann es unter Umständen nur noch eine halbe Stunde oder maximal eine Stunde dauern, bis die Kärntnerinnen und Kärnt­ner oder die Steirerinnen und Steirer mit erhöhter Strahlung zu tun haben – und das ist definitiv zu spät.

Die Conclusio ist: Wir haben hier eine riesige Lücke. Wir haben eine Lücke beim Infor­mationsfluss, beim Informationssystem. Wir haben keine direkten Abkommen mit unse­ren Nachbarstaaten, die uns diesen Informationsfluss punktgenau zur Verfügung stel­len. Wir haben zwar ein Strahlenmessnetz, aber das bringt uns im Ernstfall gerade eine halbe Stunde oder Stunde Zeit, wenn die Wetterlage passt oder wenn der Regen in Kärnten oder in der Südoststeiermark niedergeht, und das ist definitiv zu wenig, um die Bevölkerung effektiv zu schützen.

Sie sind seit längerer Zeit Umweltminister, es liegt in Ihrer Verantwortung, auch solche Informationsabkommen immer wieder zu überprüfen, immer wieder zu schauen, was man verbessern und wo man Lücken schließen kann. Es ist Ihre Verantwortung, diese Informationsabkommen so auszugestalten, dass die Bevölkerung maximalen Schutz hat. Ich stelle Ihnen daher die Frage, warum Sie das in all den letzten Jahren nicht ge­macht haben. Vor allem, weil Sie 2002 vor einer ähnlichen Situation gestanden sind und wissen, wie das die Bevölkerung verunsichert. Warum gibt es da keine Informa­tionsabkommen zwischen dem AKW-Betreiber und der Strahlenwarnzentrale im Um­weltministerium? (Zwischenruf des Abg. Gahr.)

Wenn Sie jetzt sagen, wir seien Panikmacher: Ich glaube, ich habe jetzt sehr punkt­genau und präzise beschrieben, wie dieser Informationsfluss erfolgen soll. Wenn Sie einen anderen Vorschlag haben, wenn Sie sagen, es reicht mir, so wie es jetzt ist, dann sage ich, dass das der österreichischen Bevölkerung mit Sicherheit nicht reicht! (Abg. Gahr: ... machen Sie Vorschläge!) – Ich habe einen präzisen Vorschlag ge­macht, bitte hören Sie zu!

Herr Umweltminister, wir haben mittlerweile rund um Österreich 30 Reaktorblöcke in Betrieb. (Abg. Gahr: Sie tun nur die Leute verunsichern!) – Sie können gerne heraus­kommen und argumentieren, warum Sie gegen ein Informationsabkommen sind, in dem eine bilaterale Direktinformation des AKW-Betreibers zur Strahlenwarnzentrale


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festgehalten ist. Wenn das nicht präzise ist, dann weiß ich es nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Sie haben ja dagegen gestimmt! Sie haben es abgelehnt! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Mit Tschechien gibt es solch ein Abkommen – warum nicht auch mit Slowenien, warum nicht auch mit Ungarn, warum nicht auch mit der Slowakei? (Abg. Kopf: Die Grünen haben als Einzige dagegen gestimmt beim Abkommen mit Tschechien, das Sie gerade gelobt haben!) – Das alte Abkommen. Wir können dann gerne noch einmal darüber reden, was die jetzigen Abkommen und Verhandlungen betrifft.

Noch einmal zurück zum Punkt. Es gibt mittlerweile mehr als 30 AKWs, mehr als 30 Reaktorblöcke rund um Österreich. Jene, die jetzt in Diskussion sind, Krško, Mo­chovce, Paks, Dukovany, Temelín, sind nur wenige von diesen 30, aber sie sind die mit Abstand gefährlichsten; Isar 1 muss man da auch immer dazusagen. Sie sind teilweise über 25 Jahre alt. Ein Reaktorblock im Alter von 25, 28, 29 Jahren ist schon sehr, sehr problematisch – eine Lebensdauer von 30, 35 Jahren; mit jedem zusätzlichen Jahr steigt das Risiko. Das heißt, das Risiko an den österreichischen Grenzen wird auch in den nächsten Jahren massiv ansteigen.

Wenn Sie sich jetzt so aufregen und sagen, dass da ja ohnehin etwas gemacht wird und der Umweltminister so arm ist, weil wir ihn nicht unterstützen, möchte ich schon noch eine Frage stellen: Wie wichtig ist Ihnen das wirklich? – Sie schaffen zwar Ab­fangjäger für ziemlich theoretische Situationen an (Zwischenrufe bei der ÖVP), nämlich für den Fall, dass Österreich einmal von irgendjemandem angegriffen wird, aber Sie schaffen es nicht, ein Strahlenwarnsystem und ein Informationsabkommen so zu ge­stalten, dass bei einem Ernstfall Schutz der österreichischen Bevölkerung zumindest in einem Mindestausmaß möglich ist. (Beifall bei den Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich bringe Ihnen noch ein Argument, warum ich den Eindruck habe, dass Sie nichts daraus gelernt haben und dass es Ihnen eigentlich egal ist. Im Zusammenhang mit der Masche: Wir sind so arm, in ganz Europa hat uns niemand lieb, keiner hört uns zu und keiner will uns bei der Anti-Atompolitik unterstützen!, fragen wir jetzt einmal ganz prä­zise nach, was Sie wirklich tun. Und einen Anlassfall möchte ich Ihnen schon noch vor Augen halten.

Es gibt im Moment beim AKW Mochovce konkrete Ausbaupläne, zwei neue zusätzliche Reaktoren. (Zwischenruf des Abg. Gahr.) Das sind definitiv Schrottreaktoren. Das sind Reaktoren, die auf altem Fundament aus den achtziger Jahren mit alten Plänen fertig gebaut werden sollen. Definitiv Schrottreaktoren. Die Italiener wollen das übrigens ma­chen.

Diese beiden Reaktorblöcke sollen mit Genehmigungen errichtet werden, die aus dem kommunistischen Regime, aus dem Jahre 1986 stammen. Das heißt: keine Beteiligung der Öffentlichkeit, keine ordentlichen Verfahren, keine Beteiligung der Nachbarländer, keine Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht einmal eine Einbeziehung der eigenen Be­völkerung. Dieses Projekt, das hier so durchgezogen wird, hat vonseiten des österrei­chischen Umweltministers bis zum heutigen Tag keine ordentliche schriftliche Protest­note erhalten, dass das so nicht möglich ist. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Stimmt nicht!) – Sie können das gerne vorlegen.

Es gibt mittlerweile sechs österreichische Bundesländer, parteiübergreifend, die möch­ten, dass das klargestellt wird. Es darf nicht sein, dass österreichisches, europäisches und internationales Recht unter Berufung auf eine Genehmigung aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einfach umgangen wird! (Beifall bei den Grünen.)


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Die erste ein bisschen kritische Meldung, die es jetzt dazu von österreichischer Seite gibt, kam von Außenministerin Plassnik – sehr, sehr vorsichtig. Sie hat gesagt, wenn es eine UVP gibt, würden wir schon gerne mitreden. – Nur, solange man nicht aus­drücklich und klar feststellt, dass dieses Vorgehen ein Umgehen jeglichen europäi­schen Rechtsbestandes und de facto ein Vor-den-Kopf-Stoßen internationaler Regeln und auch der österreichischen Seite ist, muss man eben damit rechnen, dass sich die slowakische Seite nicht darum kümmert. Und bis zum heutigen Tag gibt es diesen offi­ziellen Protest, eine schriftliche Stellungnahme, dass diese Vorgangsweise nicht zuläs­sig ist, weder auf der anderen Seite, in der Slowakei, noch bei der EU-Kommission. Da sind Sie säumig.

Wenn Sie sagen, dass es sie gibt, dann legen Sie sie uns schriftlich vor, sowohl die, die an die Slowakei gegangen ist, als auch jene, die an die EU-Kommission gegangen ist, oder sagen Sie, warum Sie sie bis jetzt nicht gemacht haben.

Das ist genau der Punkt: Wenn Ihnen das wirklich wichtig ist, dann reicht es nicht, immer nur zu sagen, dass wir die Einzigen sind, die gegen Atomkraftwerke sind, dass das nur hier in Österreich so ist, sondern dann müssen Sie auch wirklich präzise,
mit Unterlagen, mit Gutachten, mit Hartnäckigkeit und wahrscheinlich auch mit mehr Standfestigkeit, als Sie in der Vergangenheit bewiesen haben, vorgehen. (Beifall bei den Grünen.)

Gerade bei diesen Ausbauprojekten fehlt es, dass diese offiziellen österreichischen Be­denken, die Verwendung der alten Genehmigung, auch klargestellt werden.

Das betrifft viele Punkte. Sie haben schon so oft angekündigt – dann argumentieren Sie aber immer mit irgendwelchen Schriftstücken, die nicht nachvollziehbar sind und auch nicht vorgelegt werden –, dass Sie im Rahmen der Europäischen Union tatsäch­lich einen Kurswechsel angehen und versuchen wollen. Stattdessen stimmt Österreich jedoch immer und immer wieder bei jeglicher Aufstockung des unverschämten Förder­volumens, das im Rahmen der Europäischen Union und der OECD immer noch für die Nuklearenergie zur Verfügung gestellt wird, mit, und zwar immer mit dem gleichen Ar­gument: Sichere AKWs sind uns lieber als unsichere AKWs! – Das ist aber kein Argu­ment. (Abg. Dr. Schüssel: O ja, ein gutes Argument! Ein sehr gutes Argument!)

Es gibt keine sicheren AKWs. Mit diesen Geldern, Herr Kollege Schüssel, werden in erster Linie neue Reaktorgenerationen entwickelt und gebaut und höchststaatlich sub­ventioniert, um in Frankreich eine neue Reaktorgeneration einzuführen, in Finnland einen neuen Reaktor zu bauen. Da geht es nicht um Sicherheit. (Abg. Dr. Schüssel: O ja!) – Wo geht es in Mochovce um Sicherheit? Da wird ein alter Schrottreaktor errichtet!

In Finnland – das möchte ich kurz erwähnen, dass das auch klar ist –, das ist eine der­maßen hoch subventionierte Energiequelle im Moment. Und wenn hier nicht Österreich auch von rechtlicher Seite her einmal nein sagt, das Euratom-Forschungsprogramm sollte hier wirklich einmal einen Riegel vorschieben und nicht weiterhin neue Reaktor­generationen erforschen, dann wird Europa in 20 Jahren immer noch so aussehen, wie es jetzt aussieht. (Abg. Dr. Schüssel: Das hat mit Mochovce nichts zu tun!)

Es ist eben eine Tatsache, dass Sie sich vor diesen wirklich ernsten Auseinanderset­zungen scheuen, nur in Österreich gegen Atomenergie unterwegs sind (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Schüssel) – gerade Sie, Herr Kollege Schüssel, sollten da vorsichtig sein – und gerade auf internationaler Ebene keinen Mucks mehr machen. Ich höre das auch immer von den verbündeten NGOs und den Staaten, die im Bereich Anti-Atomkraft tatsächlich etwas weiterbringen wollen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Schüssel.) – Sie können gerne das Gegenteil belegen.

Das zweite Beispiel, das ich noch bringen möchte und das meine Kollegin Ruperta Lichtenecker sicher noch ausführlicher beleuchten wird, ist das Vorgehen in der Causa


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Temelín. Herr Kollege Schüssel, Sie haben damals Inserate geschalten – ich erinnere mich gut daran –, Sie und Kollege Molterer: Melker Abkommen garantiert rechtsver­bindlich. – Jeder, der völkerrechtlich ein bisschen bewandert ist, wusste schon damals bei Abschluss, dass das garantiert nicht rechtsverbindlich ist.

Und dann keinen Streitmechanismus zu verlangen oder zu verhandeln, wohl wissend, dass es dann keine Möglichkeit gibt, zum IGH zu gehen, das liegt in Ihrer Verantwor­tung. Ich halte Sie für intelligent genug, dass Sie damals genau gewusst haben, was Sie tun. Sie haben damals kein rechtsverbindliches Abkommen für Österreich ausver­handelt, obwohl Sie es dann der Bevölkerung in Inseraten weismachen wollten. (Zwi­schenruf des Abg. Gahr.)

Heute stehen wir vor dem Problem, dass eine Völkerrechtsklage de facto nicht möglich ist oder nur sehr schwer möglich ist, aber trotzdem wäre es den Versuch wert gewe­sen, sie zumindest einmal einzubringen und zumindest einmal zu deponieren, dass wir mit diesem Vorgehen nicht einverstanden sind. Aber selbst das haben Sie nicht ge­macht. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt komme ich noch zu einigen Fragen.

Wir möchten gerne noch einmal den Ablauf genau wissen: Wann ist tatsächlich die zentrale Stelle in Ihrem Ressort, die Strahlenwarnzentrale, informiert worden? Welchen Inhalt hat die Information gehabt? Und wenn es da Missverständnisse gegeben hat und schwere Versäumnisse auch bei der slowenischen Behörde, dann möchte ich wis­sen, ob Sie auch schriftlich einen Bericht eingefordert haben, sodass wir nachvollzie­hen können, was tatsächlich geschehen ist.

Halten Sie es tatsächlich für ausreichend, dass diese Direktinformation an die Stelle, die es eigentlich wissen muss, erst vier Stunden später erfolgt ist? Und welche Konse­quenz werden Sie daraus ziehen, dass die österreichische Bevölkerung aus den deut­schen Medien von diesem Vorfall erfahren hat?

Weiters würde mich sehr interessieren, welche rechtlichen Konsequenzen Sie in Ihrer Verantwortung als Umweltminister, auch als Zuständiger für Umweltinformationsab­kommen, auch mit den Nachbarstaaten ziehen werden, was Sie unternommen haben und unternehmen werden, denn mit dieser Situation können auch Sie, glaube ich, nicht zufrieden sein.

Noch etwas würde mich interessieren: Wenn Sie schon behaupten, dass hier nicht mehr möglich ist, dann frage ich, warum das mit manchen Staaten möglich war. Mit der tschechischen Republik gibt es sehr wohl ein diesbezügliches Abkommen. Das heißt, es müssen offensichtlich erst die Bevölkerung und die NGOs mit massivem Druck ... (Abg. Dr. Schüssel: Mit Temelín!) Mit Tschechien gibt es ein Abkommen. Da gibt es dieses Abkommen. Das heißt, es ist möglich. Warum haben Sie es also verabsäumt, das mit den anderen Staaten auch zu machen?

Einen letzten Fragenblock, den ich Ihnen noch stellen möchte: Was haben Sie in den letzten Jahren als Umweltminister an Ausstiegsinitiativen tatsächlich versucht? Die Anti-Atompolitik, wir haben so oft in diesem Haus darüber diskutiert, ist im Wesentli­chen eingeschlafen. Es gibt keine Initiativen bei Ausbauplänen. Bei UVP-Umgehungen, bei Fristverlängerungen gibt es von österreichischer Seite keine Initiativen! Erst dann, wenn sich NGOs, Bürgerinitiativen oder die Opposition entsprechend aufregen, begin­nen Sie zu handeln.

Ich habe unter dem Strich den Eindruck, dass Ihnen das Thema einfach nicht wichtig ist, dass Sie glauben, solche Dinge wie 11. September und Tschernobyl in Kombina­tion wird es mit Sicherheit nicht geben, und deswegen tun wir erst gar nichts. Die Di­mension der Problematik seit dem 11. September – wir müssen auch einmal bespre-


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chen, was das wirklich bedeutet – blenden Sie völlig aus. (Abg. Dr. Schüssel: Sie sind ja gegen jede Maßnahme ...!)

Die österreichische Bevölkerung kann, glaube ich, mit einem Umweltminister, der mit dem Problem so umgeht, nur Slowenien schimpft, aber keine Konsequenzen daraus zieht, nicht zufrieden sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich nun der Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ge­meldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.19.22

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es grundsätzlich für sehr gut, wenn im Hohen Haus über die Frage der nuklearpolitischen Zukunft in Österreich, in Europa diskutiert wird, und wir haben ja tatsächlich auch einen Anlassfall mit dem, was Anfang der Woche rund um Krško und vor allem in der Frage der Informationspolitik und der Informationsfälle aus Slowenien nach Österreich und in die Europäische Union da ist.

Ich habe in diesem Zusammenhang von einer Wirrwarr-Informationspolitik den konkre­ten Anlassfall betreffend gesprochen. Und das setzt sich hier heute, so habe ich den Eindruck, wenn ich Ihnen, Frau Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek, zuhöre, in einer Wirrwarr-Diskussion weiter fort. Denn: Wenn Sie mir den 11. September hier vorwer­fen, dann muss ich sagen: Ich weiß nicht, was ich als Umweltminister der Republik Ös­terreich mit dem 11. September auch nur ansatzweise zu tun habe.

Das Zweite: Wenn Sie mir oder uns heute vorwerfen, um noch weiter auszuholen, dass die Frage der Informationsabkommen nicht ausreichend verhandelt sei, so muss ich Ihnen sagen: Sie waren es, Ihre Fraktion war es, die dem neuen Informationsabkom­men mit Tschechien in diesem Hohen Haus nicht zugestimmt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Also ich kenne mich nicht mehr aus, welchen Weg Sie damit verfolgen! Sich von De­batte zu Debatte anders auszurichten, ist eine zu einfache Politik: einmal so, einmal so und einmal so! Nur: Das hat keine Nachhaltigkeit in der Antinuklearpolitik. Noch einmal: Sie waren dagegen – und da können Sie nachschauen –, dass wir ein neues Nuklear­informationsabkommen mit der Tschechischen Republik auf den Weg bringen. – Diese Liste der Beispiele könnte ich fortsetzen.

Das ist eigentlich schade, weil es dabei um sehr ernste Themen geht. Es geht zum Beispiel darum, wie der Schutz der österreichischen Bevölkerung bei grenznahen Kraftwerken ordentlich organisiert werden kann. Und wir müssen auch über die Fehler reden, die jetzt im konkreten Fall passiert sind. Aber wir müssen dabei die Linie klar halten: Es geht um den Schutz, es geht um Kontrolle, und es geht um bestmögliche Information! Und das haben wir – das können wir dokumentieren – beim konkreten An­lassfall seitens Österreichs in jedem Fall sichergestellt.

Ich komme nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zur Frage 1:

Zum Zeitablauf:

Um 18.03 Uhr ging eine Alarmmeldung – ECURIE-„Alert“-Meldung – in der Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenministeriums ein.


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18.39 Uhr: Auf Grund des bilateralen Abkommens mit Slowenien: EMERCON-Meldung mit Details über den Vorfall – irrtümlich mit der Kennzeichnung „Exercise“ (Übung) ver­sehen – von Slowenien an die Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innen­ministeriums sowie gleichzeitig, auch mit der Anzeige „Übung“, an die IAEO, an Italien und an Ungarn.

18.49 Uhr – 10 Minuten später –: Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen In­nenministeriums informiert die Strahlenwarnzentrale des Umweltministeriums über diese „Exercise“-Meldung (Übungs-Meldung). Ich wiederhole: 10 Minuten später.

Die Strahlenwarnzentrale verifiziert die Informationen und unternimmt trotz der Angabe „Übung“ eine zielgerichtete Überprüfung der Informationen sowie der Werte der einzel­nen relevanten Messstationen, die Slowenien betreffen.

Obwohl die Meldung mit „Übung“ versehen war, haben wir nachgeprüft, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren!

19.15 Uhr: Information der Einsatz- und Krisenzentrale des österreichischen Innenmi­nisteriums durch Strahlenschutzzentrale, dass keine Gefährdung für Österreich fest­stellbar ist.

20.00 Uhr: Abschließende Rückfrage bei der slowenischen Aufsichtsbehörde – und dann Information auch in der Öffentlichkeit.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Glawischnig! Wenn Sie sagen, dass die deutschen Medien früher öffentlich wirksam waren als ich als Umweltminister, darf ich Ihnen sa­gen: Weil mir ein Übungsfall angezeigt war!

Verlangen Sie bitte von mir nicht, dass ich, wenn ein Übungsfall angezeigt ist, breitflä­chigen Alarm in Österreich schlage. Oder wollen Sie das haben – zur Verunsicherung der Menschen in diesem Land? (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 2:

Je mehr Zeit vor einer tatsächlichen Auswirkung auf die Bevölkerung in Österreich zur Verfügung steht, umso mehr und umso wirksamer – das ist klar – können erste Schutz­maßnahmen getroffen werden. Daher ist es von größter Bedeutung, dass die Informa­tion über einen Unfall möglichst rasch an die Verantwortlichen in allen möglicherweise betroffenen Staaten weitergeleitet wird.

Dass die Weiterleitung der Information beim aktuellen Zwischenfall im AKW Krško bis zur Strahlenwarnzentrale des österreichischen Umweltministeriums knapp vier Stun­den gedauert hat, wäre bei einem schweren Unfallereignis zweifellos nicht zufrieden­stellend. Die aufgetretenen Mängel in der Kommunikation werden einerseits auf bilate­raler, andererseits auch auf europäischer und internationaler Ebene sicher zu themati­sieren sein.

Es darf aber festgehalten werden, dass wir ein Sicherungssystem, unabhängig von der aktiven Meldung unserer Nachbarstaaten, installiert haben. Österreich hat einen eige­nen direkten Online-Zugriff auf die Strahlenmessstelle in der Nähe von Krško, sodass wir im Falle erhöhter Messwerte eine unmittelbare Information innerhalb kürzester Zeit – rund um die Uhr – sichergestellt haben, weil wir uns nicht nur auf die einseitige Information verlassen wollen.

Zur Frage 3:

Alle eingelangten Meldungen stimmen dahin gehend überein, dass das Leck am 4. Ju­ni um 15.07 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (13:07 UTC) entdeckt wurde.


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Zur Frage 4:

Bereits gestern, am 5. Juni, habe ich die Angelegenheit – das wissen Sie auch – beim europäischen Umweltministerrat vor dem versammelten Plenum der Umweltminister, nicht nur bilateral, zur Sprache gebracht und auch meinem slowenischen Amtskollegen Podobnik eine Protestnote übergeben, mit dem Ersuchen um detaillierte schriftliche Aufklärung und Skizze für das weitere Vorgehen mit Slowenien. Darin habe ich ihn auf­gefordert, alle Maßnahmen zu treffen, dass derartige Pannen in Zukunft unterbleiben beziehungsweise nicht mehr vorkommen. Darüber hinaus erwarten wir uns – das habe ich schon gesagt – im bilateralen Austausch eine lückenlose Aufklärung.

Zur Frage 5:

Diese habe ich schon bei der Frage 2 beantwortet.

Zur Frage 6:

Die Experten des Umweltministeriums haben die Verpflichtung, die ihnen vorliegenden Informationen umfassend und seriös zu überprüfen und zu bewerten, bevor diese samt der Einschätzung und allfälligen Maßnahmenempfehlung, die ja auch von großer Trag­weite sein kann – hoffentlich nie –, an andere Stellen und an die Öffentlichkeit weiter­gegeben werden.

Im gegenständlichen Fall wurde von meinen Experten eine unverzügliche Analyse – ich habe das beim Zeitablauf gesagt – der eingelangten Meldungen sowie die Überprü­fung der aktuellen Messwerte aus dem slowenischen Strahlenfrühwarnsystem durch­geführt, um trotz der Widersprüche in den Informationen – Kennzeichnung als „Übung“ in der Meldung an die Nachbarländer und an die IAEO, im Gegensatz zu dem, was in­ternational über die Europäische Union gelaufen ist – die Lage richtig einzuschätzen. Als Ergebnis wurde bereits nach 25 Minuten die zutreffende Beurteilung abgegeben, dass für Österreich niemals eine Gefährdung bestanden hat.

Zu den Fragen 7 und 8:

Die bilateralen Vereinbarungen betreffen die Informationsweitergabe zwischen den ver­antwortlichen staatlichen Stellen. Das sind die Nuklearaufsichtsbehörden der Betreiber­staaten und das Bundesministerium für Inneres und das Umweltministerium in Öster­reich.

Für die Betreiber der Kernanlagen besteht die Verpflichtung, im Ereignisfall unverzüg­lich die zuständige Aufsichtsbehörde zu informieren. Diese hat die Auswirkungen außerhalb der Anlage abzuschätzen und für die eventuell notwendigen Maßnahmen zu sorgen. Daher verfügt die Aufsichtsbehörde, nicht aber der KKW-Betreiber, über einen umfassenden Informationsstand.

Zur Frage 9:

Wie schon zur Frage 6 ausgeführt, hat das Umweltministerium die vorliegenden Infor­mationen zu überprüfen und danach die Bevölkerung entsprechend der Situation de­tailliert zu informieren. Weiters sind in diesem Zusammenhang allfällige Maßnahmen­empfehlungen zu geben. Das ist im vorliegenden Fall geschehen.

Zur Frage 10:

Gemäß ECURIE-Entscheidung des Rats der EU sind bei Unfällen in Anlagen, bei de­nen es in signifikantem Maß zur Freisetzung von radioaktiven Stoffen kommen kann, alle Mitgliedstaaten unverzüglich zu informieren.

Eine analoge Vereinbarung enthalten auch die bilateralen Abkommen Österreichs mit den Nachbarstaaten: Bei Eintritt einer radiologischen Gefahr, bei welcher die Gefähr-


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dung des Nachbarstaates nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist unver­züglich, spätestens jedoch bei Entscheidung über Maßnahmen zum Schutz oder Infor­mation der eigenen Bevölkerung auch der Partnerstaat zu benachrichtigen.

Zur Frage 11:

Bei dem Ereignis des 6. Juni 2004 im Block 2 des KKW Temelín handelt es sich um die Leckage von zirka drei Kubikmetern leicht kontaminierten Wassers. Dieses ist in dafür vorgesehenen Bereichen gesammelt worden, deren Oberfläche dadurch zwischen drei und acht Becquerel pro Quadratzentimeter kontaminiert wurde. Weder waren davon Personen des KKW Temelín noch irgendwelche Bereiche außerhalb des Kraftwerks und schon gar nicht die österreichische Bevölkerung und Umwelt betroffen. Alle von tschechischer Seite übermittelten Angaben konnten direkt durch österreichische Mess­stationen in unmittelbarer Nähe des Standortes Temelín – das gilt auch im konkreten Fall wieder – bestätigt werden. Die im Melker Prozess vereinbarte Info-Hotline hat ver­einbarungsgemäß funktioniert.

Die Konsequenz daraus – wie auch aus dem vorgestrigen Ereignis – ist, dass sich die österreichische Bevölkerung auf das Umweltministerium und das von uns betriebene Strahlenfrühwarnsystem absolut verlassen kann. Gefahren sind beim Namen zu nen­nen und aufzuzeigen, aber Panikmache ist sicher unseriös.

Zu den Fragen 12 und 13:

Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei schweren KKW-Unfällen hängen von zahlreichen Faktoren ab, wie zum Beispiel Unfallablauf in der Anlage und Wettersitua­tion. Wie schon zuvor erläutert, ist daher eine möglichst rasche und umfassende Infor­mation aus dem Unfallland von höchster Wichtigkeit.

Um dies zu gewährleisten, wurden die bilaterale Zusammenarbeit und der Informa­tionsaustausch mit allen Nachbarstaaten Österreichs, die Kernkraftwerke betreiben, in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet. Ein permanenter automatischer Datenaus­tausch notfallrelevanter Daten, wie zum Beispiel von Messwerten der Strahlenfrüh­warnsysteme, gewährleistet die umgehende Information der österreichischen Behör­den in einem Anlassfall, was selbst bei relativ kurzen Vorwarnzeiten die rechtzeitige Einleitung und Umsetzung von etwaigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung er­möglicht.

Zusätzlich können durch den Einsatz von sogenannten Entscheidungshilfesystemen erste Prognosen über die mögliche Betroffenheit der Bevölkerung durch einen Unfall in einer kerntechnischen Anlage bereits vor einer tatsächlichen Freisetzung von Radioak­tivität berechnet werden, wodurch wertvolle Zeit für die Vorbereitung von Maßnahmen gewonnen wird.

Betreffend die Evakuierung der Bevölkerung ist festzuhalten, dass im Auftrag meines Ressorts umfangreiche Analysen der Auswirkung verschiedener schwerer – auch sehr unwahrscheinlicher – KKW-Unfälle in grenznahen Anlagen durchgeführt worden sind. Diese zeigen, dass eine großflächige Evakuierung der Bevölkerung in Österreich auch im ungünstigsten Fall nicht erforderlich sein wird. Hingegen wären andere Schutzmaß­nahmen, wie etwa die Einnahme von Kaliumjodittabletten oder das Verbleiben in den Häusern, zu ergreifen. Für diese Maßnahmen sind entsprechende Vorbereitungen ge­troffen.

Zu den Fragen 14 und 16:

Diese Fragen des Katastrophenschutzes liegen nicht in der Zuständigkeit meines Res­sorts.


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Zu Frage 17:

Die Botschaft, die auch aus dem von mir initiierten und veröffentlichten „Argumenta­rium: Kernenergie, Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ hervorgeht, ist klar und eindeutig: Gegen Terrorangriffe können Kernkraftwerke nur in beschränktem Maße geschützt werden. Nukleare Weiterverbreitung mit dem Ziel, Kernwaffen zu bauen, ist weiterhin – weltweit – ein ernstes Thema in der internationalen Politik.

Mein Haus beschäftigt sich seit jeher mit externen Gefährdungen von Kernanlagen. Ich habe mich daher auch sofort nach Ernennung des EU-Koordinators für die Bekämp­fung des Terrorismus an diesen gewandt und ihn gebeten, dem Terror gegen kerntech­nische Anlagen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Österreich unterstützt diesbezügliche Aktivitäten auf bilateraler, internationaler und EU-Ebene aktiv. So wurde mit Deutschland sowohl betreffend Zwischenlager als auch Kernkraftwerke ein intensiver Dialog – zum Teil in eigenen Sondertreffen – geführt, bei dem auch streng vertrauliche Informationen tiefgehend erörtert wurden.

Betreffend die Konsequenzen für den speziellen Fall eines terroristischen Angriffes auf ein Atomkraftwerk ist zu sagen, dass die Art des Anlassfalles für eine großräumige ra­dioaktive Kontamination Österreichs bei der Notfallplanung zweitrangig ist. Ausschlag­gebend für die notwendigen Maßnahmen sind die Höhe der Strahlenbelastung und die Größe des betroffenen Gebietes. Die Auswirkungen von terroristischen Aktionen neh­men in diesem Sinn keine Sonderstellung in den denkbaren Szenarien ein.

Zu den Fragen 18 und 19:

Österreich zählte und zählt zu den am stärksten von den Fernwirkungen der Katastro­phe im Kernkraftwerk Tschernobyl betroffenen Staaten Mitteleuropas. In unserer nähe­ren und weiteren Umgebung befinden sich in Ost und West zahlreiche Kernkraftwerke. Allerdings wird realistischerweise auf Sicht ein Ausstieg aus der Kernenergie kaum zu erreichen sein – auch wenn wir das vertreten. Ich sage klar und deutlich: Das wird nicht zu erreichen sein!

Die konsequente Position Österreichs ist es daher, unter Hinweis auf die Risiken der Kernenergie weiterhin jeden Ausstieg eines Landes aus der Kernenergie zu unterstüt­zen und gleichzeitig auf europäischer Ebene auch die Initiativen zur Schaffung einheit­licher hoher Sicherheitsstandards für noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerke mit Nachdruck fortzusetzen.

Zu beachten ist aber, dass Entscheidungen über die nationale Energiepolitik weitestge­hend der nationalen Souveränität unterliegen. Was wir für uns in Anspruch nehmen – das wurde auch in den Verhandlungen zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vorgebracht: nationale Souveränität in der Energiepolitik –, müssen wir auch an­deren zugestehen. Wir werden jedoch unsere Überzeugungsarbeit weiterführen, ja weiterführen müssen. Ausstiegsszenarien können nur gemeinsam mit dem betroffenen Staat entwickelt werden.

Zu den Fragen 20 bis 25:

Österreich lehnt die energetische Nutzung der Kernkraft nach wie vor ab – unter ande­rem deshalb, weil sie weder mit den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung in Ein­klang zu bringen ist noch eine kostengünstige und zukunftsverträgliche Option zur Be­kämpfung des Klimawandels darstellt –, muss aber leider die nationale Souveränität anderer Staaten in dieser Frage respektieren.

Dort jedoch, wo es um legitime Schutzbedürfnisse der österreichischen Bevölkerung und den Schutz der Umwelt geht, ist Österreich berechtigt und auch verpflichtet, seine Stimme zu erheben. Das geht auch ganz klar aus dem Regierungsprogramm für diese


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Gesetzgebungsperiode hervor, in dem unter anderem ausgeführt wird, dass Österreich in allen Fällen von grenznahen Kernkraftwerksprojekten im Rahmen des EU-Rechts und der ESPOO-Konvention auch künftig alle Möglichkeiten zum Schutz der österrei­chischen Sicherheitsbedürfnisse wahrnehmen und nutzen wird.

Diese Haltung ist sowohl der Regierung der Slowakischen Republik als auch jener Ita­liens bekannt.

Zu Ihrer Frage des Umgangs mit Mochovce: Dies gilt auch für den konkreten Fall der geplanten Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des KKW Mochovce.

Dennoch lassen wir keine Möglichkeit ungenützt, unseren Standpunkt klar und deutlich darzulegen. Erst gestern hat Frau Außenministerin Plassnik in Pressburg diese Hal­tung einmal mehr unmissverständlich unterstrichen.

Angesichts einer aufrechten Baubewilligung ist gemäß slowakischer Rechtslage keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Es gibt bislang keine konkreten Anhalts­punkte, dass das slowakische Recht in diesem Punkt gegen EU-Recht oder internatio­nale Übereinkommen verstößt. Sollten sich solche neuen Gesichtspunkte ergeben, würden diese natürlich sofort einer sorgfältigen weiteren Prüfung unterzogen werden.

Dennoch habe ich mich auch schriftlich an meinen slowakischen Amtskollegen ge­wandt und unter anderem Österreichs dringenden Wunsch nach größtmöglicher Infor­mation und Konsultation sowie nach umfassender Beteiligung der Öffentlichkeit, glei­chermaßen in der Slowakischen Republik wie in der Republik Österreich, deponiert. In seiner Antwort verweist der slowakische Umweltminister darauf, dass gegenwärtig die Rechtslage hinsichtlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach nationalen und inter­nationalen Rechtsvorschriften gründlich geprüft werde.

Da es nach wie vor keine rechtsverbindlichen europäischen Sicherheitsstandards gibt, können die Blöcke 3 und 4 des KKW Mochovce auch nicht an verbindlichen Sicher­heitsnormen gemessen werden. Unbeschadet dessen drängt Österreich auch im Falle der geplanten Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des KKW Mochovce auf höchstmögli­ches Sicherheitsniveau und einen umfassenden bilateralen Sicherheitsdialog. Die Slo­wakische Republik hat dazu ihre Bereitschaft bereits bekundet.

Der erste Schritt wird in der Klärung der tatsächlich intendierten Nachrüstung be­stehen, da erst dann eine fundierte Beurteilung, ob die Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des KKW Mochovce im Sinne der UVP-Richtlinie beziehungsweise der ESPOO-Kon­vention als neues Vorhaben zu qualifizieren ist, möglich wird. Dies ist auch eine unab­dingbare Voraussetzung für eine Befassung der Europäischen Kommission.

Das derzeit laufende Verfahren nach Artikel 41 Euratom-Vertrag prüft lediglich Ge­sichtspunkte der Investitionsvorhaben, die mit den Zielen des Euratom-Vertrages im Zusammenhang stehen. Sicherheitsfragen sind nicht Gegenstand dieser Prüfung. Andere Mitgliedstaaten – und somit auch Österreich – haben kein Stellungnahmerecht in diesem Verfahren. Wer anderes behauptet, sollte sich wohl detaillierter mit dem Euratom-Vertrag auseinandersetzen.

Zu den Fragen 26 bis 28:

Wie ich bereits heute Morgen ausgeführt habe: Ja, die „Vereinbarung von Brüssel“ vom November 2001 ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Das von der Bundesregie­rung in Auftrag gegebene und auch veröffentlichte Gutachten macht das klar. Die Mit­teilung, dass Österreich die „Vereinbarung von Brüssel“ hinsichtlich der kommerziellen Inbetriebnahme des KKW Temelίn nicht als erfüllt ansieht, erfolgte mit gemeinsamem Schreiben des Herrn Bundeskanzlers und mir am 4. Juni 2007.


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Auch wenn es nicht meine Aufgabe ist, verweise ich darauf, dass Österreich im Rah­men der Arbeit der Gemischten Parlamentarischen Kommission Temelín seine Stand­punkte unmissverständlich dargelegt hat. Die Zweckmäßigkeit eines weiteren Gutach­tens wird vom Herrn Bundeskanzler zu beurteilen sein. Politisch geht es aber vor allem darum, dass die „Vereinbarung von Brüssel“ auf Punkt und Beistrich umgesetzt wird. Dafür arbeite ich, während andere in diesem Haus offensichtlich meinen, durch Verwei­gerung der Beteiligung an der Diskussion in der Parlamentarischen Kommission einen positiven Beitrag zu leisten. Das Gegenteil ist der Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Zur Frage 29:

Schließungsvereinbarungen erfordern ein gemeinsames europäisches Auftreten. Dies gilt vor allem für Reaktoren der ersten Generation, etwa für jene in Russland oder in Armenien. Dafür arbeiten wir gemeinsam mit mehreren europäischen Partnern.

Derzeit geht es aber vor allem darum, dafür zu sorgen, dass die bereits vereinbarten Schließungsverpflichtungen eingehalten werden. Selbst wenn es mitunter durchsich­tige politische Motive sind, mit denen vereinbarte Schließungsverpflichtungen in Frage gestellt werden, so ist dem entschieden entgegenzutreten. Dies hat auch die Frau Außenministerin gestern in Pressburg einmal mehr klargemacht. Die Schließungsver­pflichtungen sind für Österreich nicht verhandelbar.

Zur Frage 30:

Ich erinnere daran, dass Österreich von Beginn seiner EU-Mitgliedschaft an Reformbe­mühungen betreffend den Euratom-Vertrag unterstützt hat und wiederholt selbst Initiati­ven zur Reform dieses Vertrages gestartet hat, insbesondere um den Förderzweck zu eliminieren, den Schutzzweck auszubauen, einen fairen Wettbewerb herzustellen und die Entscheidungsprozesse zu demokratisieren.

Nach intensivstem Lobbying Österreichs haben im Jahr 2004 fünf der damals 25 Mit­gliedstaaten eine Erklärung zum Verfassungsvertrag, welche eine Revisionskonferenz fordert, unterstützt. Es bedurfte nachdrücklichen Lobbyings, um diese Erklärung auch in den „Vertrag von Lissabon“ zu übernehmen.

Dies hat einerseits gezeigt, dass Österreich mit diesem Bestreben nicht alleine ist, zeigte aber andererseits ganz deutlich, dass die für die Einsetzung einer Regierungs­konferenz erforderliche Mehrheit, insbesondere aber die für eine Änderung des Euratom-Vertrages erforderliche Einstimmigkeit in Europa nicht gegeben erscheint. Da­her müssen wir unsere Anstrengungen weiterhin darauf konzentrieren, die Unterstüt­zerbasis für eine Reform zu erweitern und zu festigen.

Zu den Fragen 31 und 32:

Geänderte Umstände erfordern neue politische Antworten. Politik ist immer noch die Kunst des Möglichen. Bereits als sich die Debatte betreffend eine allfällige Renais­sance der Kernenergie abzuzeichnen begann, habe ich das Forum für Atomfragen – das einschlägige wissenschaftliche Beratungsgremium der österreichischen Bundesre­gierung – beauftragt, den möglichen Beitrag der Kernenergie zur Bekämpfung des Kli­mawandels – ein international immer wieder vorgebrachtes Argument – sowie zu einer nachhaltigen Energiezukunft im Detail zu prüfen.

Diese Prüfung erfordert mehrjährige harte Arbeit. Die Zusammenführung hoch speziali­sierten Wissens unterschiedlicher Disziplinen in einer Publikation sowie die Aufberei­tung dieses Wissens in allgemein verständlicher, aber dennoch wissenschaftlich fun­dierter Form stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 167

Das Ergebnis dieser Analyse mit dem Titel „Kernenergie, Klimawandel und Nachhaltig­keit“ – ich habe das erwähnt – liegt seit 2007 vor und stößt durchaus auch auf europäi­scher und internationaler Ebene auf reges Interesse. Ich habe auch bereits vor einem Jahr allen Abgeordneten zum Nationalrat ein Exemplar dieser Analyse übermittelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen (Abg. Neubauer: Sehen tun wir nichts!), dass sich in der Frage Auseinandersetzung mit der nuklearen Bedrohung in unseren Nachbarstaaten sehr viel Positives getan hat. Dass der Fall in Krško im Hin­blick auf die Informationspolitik so über die Bühne gegangen ist, wie dies der Fall war, war von slowenischer Seite her nicht optimal.

Wir in Österreich aber haben uns jedenfalls nichts vorzuwerfen. Wir vertrauen nicht nur den Informationen, die kommen, wir haben selbst auch mit den Messstationen vor Ort online und direkt Zugriff in allen Nachbarstaaten, und damit ist dafür gesorgt, dass wir im Ernstfall auch unabhängig von Falschinformationen, von missverständlichen Infor­mationen direkt Zugriff haben auf die Bedrohungsdaten für die österreichische Bevöl­kerung. (Abg. Großruck: Bravo!)

Das hat auch dieser Fall gezeigt. Und in diesem Sinne: Kein Grund zur Aufregung und zur Beunruhigung, sondern zur konsequenten Weiterarbeit in diese Richtung! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Großruck: Bravo!)

15.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner und keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.41.53

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, wenn man Ihnen zuhört, dann be­kommt man wirklich Angst, was die Frage betrifft, wie es denn um die Anti-Atom-Politik in Österreich wirklich steht. (Abg. Großruck: Na, dann fürchten Sie sich! Dann fürchten Sie sich zu Tode!) Wirklich, da überkommt einen das große Schauern!

Allein wenn Sie hier davon sprechen, dass Sie sich international, auf europäischer Ebene für eine konsequente Anti-Atom-Politik einsetzen, fragt man sich: Wie stark ist denn dann Ihre Lobbykraft bei Ihren Kollegen und Kolleginnen, Merkl und wie Sie da alle heißen? Wo ist denn da Ihr Einfluss sichtbar? – Es geht nichts weiter. Die Diskus­sion läuft.

Sie haben auf „Kernenergie, Klimawandel und Nachhaltigkeit“, auf dieses Argumenta­rium, das Sie erstellen haben lassen, hingewiesen. Im Vorwort dazu wählen Sie als Umweltminister, der für eine konsequente Anti-Atom-Politik einstehen soll, die Formu­lierung, die Politik müsse die Prämissen überprüfen und müsse innehalten, ob es denn nicht doch etwas auf sich habe mit der Atompolitik, ob sie nicht ein Beitrag zum Klima­schutz, ein Beitrag zum Fortschritt in der Wissenschaft sei und ob wir nicht die Kern­energie als nachhaltige Lösung betrachten könnten. – Herr Bundesminister, das halte ich wirklich für ein Armutszeugnis! (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie sind über das Vorwort nicht hinausgekommen, oder? Da gibt es mehr zu lesen als das Vorwort! – Ironische Heiterkeit des Bundesministers Dipl.-Ing. Pröll.)

Gott sei Dank hat ja dann der Inhalt ergeben, was die Unwahrheiten und die Lügen der Atomlobby hinsichtlich der Atomkraft sind.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 168

Wir wissen genau, Atomkraft kann das Klima nicht retten. Nur drei Prozent des gesam­ten Energiebedarfs weltweit werden von Atomkraft abgedeckt. Daher ist es ganz klar: Das ist keine Lösung, keine nachhaltige Lösung! Und wir wissen auch, dass das Uran nur mehr 60 Jahre lang halten wird. Und wenn wir von der Energieversorgungssicher­heit Europas reden, Herr Kukacka, dann ist klar, dass wir, was Uran betrifft, abhängig sind. – Also weit und breit keine Lösung in Sicht, was die Atomkraft als Energieversor­ger betrifft!

Und die ungelöste Frage der Problematik der Endmülllagerung, die wird uns lange be­gleiten – und nicht nur uns, sondern auch noch unsere Kinder und Kindeskinder. Es ist daher absolut verantwortungslos, das auch nur anzudenken.

Ebenso stellt sich auch die Frage der Haftung. Die Haftungen sind in Europa mit 700 Millionen € festgelegt, und das ist ein Minibetrag, wenn wirklich ein Schaden auf­tritt – wie es ja passieren kann –, ein sehr, sehr kleiner Betrag. Und letztendlich wissen wir, dass der Staat und wir alle dann davon betroffen sind und die Schäden zu tragen haben. (Abg. Großruck: Wollen Sie in Slowenien einmarschieren? Oder was wollen Sie denn?)

Ganz abgesehen davon gibt es eine Vielzahl von Studien – die neueste kommt aus Deutschland –, die belegen, dass rund um Atomkraftwerke das Gesundheitsrisiko ins­besondere auch für Kinder massiv ansteigt.

All das sollte zu denken geben, Herr Minister, und dazu motivieren, den Kampf in die­ser Frage aktiv und geschlossen zu führen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie haben die Fragen bei Weitem nicht beantwortet, beispielsweise die Fragen 7 und 8, die sich auf die Informationsabkommen beziehen.

Was ist denn los mit den verbindlichen Informationsabkommen, insbesondere – um jetzt noch einmal auf die Gefahren der Atomkraft zurückzukommen – wo wir in 60 Kilo­metern Entfernung zur österreichischen Grenze Krško haben, Paks 220 Kilometer ent­fernt, Bohunice 50 Kilometer, Mochovce 100 Kilometer, Dukovany 40 Kilometer, Teme­lín 60 Kilometer, Isar 1 60 Kilometer? Alles in unmittelbarer Nachbarschaft zu Öster­reich – und im Konkreten wird von Ihrer Seite nichts getan! (Abg. Großruck: Und was wollen Sie tun? Was wollen Sie tun? – Einmarschieren? – Ruf bei der ÖVP: ... Vor­schläge?)

Wenn Sie, Herr Minister, bei der Beantwortung der an Sie gestellten Fragen betonen, dass Österreich alle Nachbarländer beim Ausstieg aus der Atomenergie unterstütze, dann frage ich mich: Wo sind die Unterstützungen? (Zwischenbemerkung des Bundes­ministers Dipl.-Ing. Pröll.) Wo sind die Unterstützungen für alle unsere Nachbarlän­der? – Zeigen Sie es, belegen Sie es! Was sind die entsprechenden Initiativen? – Weit und breit ist davon nichts zu sehen! (Beifall bei den Grünen.)

Und was Mochovce betrifft, so sind Ihre Ausführungen so zu deuten, dass es zu ak­zeptieren ist, dass Mochovce mit 22 Jahre alten Baugenehmigungen jetzt neue Blöcke errichten will. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Da haben Sie nicht zugehört!) Genau so ist das zu interpretieren! – Und das ist absolut untragbar. Deshalb sind auch sechs Bundesländer, unter anderem auch Oberösterreich, an Sie und an die Regierung her­angetreten, endlich aktiv zu werden. Die entsprechenden Resolutionen liegen vor, in denen Sie aufgefordert werden: Treten Sie offiziell heran an die slowakische Regie­rung! Weisen Sie auf die Sicherheitsdefizite hin! Fordern Sie auf europäischer Ebene ein, dass es neue Genehmigungsverfahren geben muss! – All das aber ignorieren Sie, nämlich auch die Wünsche der Bundesländer und die Sorgen der österreichischen Be­völkerung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 169

Und was nun letztendlich auf europäischer Ebene das Thema Euratom-Vertrag betrifft, so geht es hier um die Frage: Wie geht man zukünftig mit Energieforschung um? – Jetzt läuft es so, dass der große Part, über 90 Prozent der Mittel der Energieforschung, in den Atombereich fließt. Und das ist der falsche Weg!

Der richtige Weg muss sein, dass die Forschungsmittel in die Bereiche Energieeffi­zienz und erneuerbare Energie investiert werden. Und dafür müssen Sie sich stark machen! – Aber auch davon sehen wir nichts. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: ... Ökostromgesetz!)

Weil Sie das Ökostromgesetz ansprechen: Das ist doch ein Klassiker! Österreich ist inzwischen, seit 2002, abhängig von Stromimporten und zunehmend auch von Atom­stromimporten! Und was wird gemacht? – Es wird ein Ökostromgesetz vorgelegt, das man als solches gar nicht bezeichnen kann, sondern das ist ein Gesetz für Atomstrom­importe. – Dieses Gesetz bedarf einer Neuverhandlung und einer Totalreform und wird so nicht zu tragen sein. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Und wenn Sie die Frage Temelín ansprechen, so ist festzuhalten: Teme­lín hat eine lange Geschichte, aber ein Gutteil der Geschichte von Temelín fällt auch in Ihre Zeit als Umweltminister. (Abg. Dr. Schüssel: Was hat der grüne Landesrat An­schober bisher zusammengebracht?) Und die Liste von Versäumnissen, die Sie zu ver­antworten haben, ist eine gewaltige. Beispielsweise – ein Auszug davon –: Versäum­nisse gab es bereits 2004, als die atomrechtliche Genehmigung vorgenommen wurde. Es kam kein Protest Ihrerseits, keine Meldung dazu! – Oder: Sie haben vorhin ange­sprochen, dass Sie den Expertenbericht übermittelt haben. Das erfolgte viel zu spät! – Versäumnisse über Versäumnisse! Das kennzeichnet Ihren Weg der Anti-Atom-Politik.

Und was die Frage Temelín und die Rechtsverbindlichkeit, die völkerrechtliche Ver­bindlichkeit des Melker Abkommens betrifft, so sagen Sie – und auch Österreich sagt das und besteht darauf –, es ist völkerrechtlich verbindlich. Nur: Die tschechische Seite sieht das anders! Und Sie und die Regierung haben bislang – trotz unserer Anträge, doch endlich eine Antwort auf die Frage einzufordern, welche Gutachten man denn ha­be, die dafür sprechen, dass es nicht völkerrechtlich verbindlich sein soll – keinen ein­zigen Schritt getan. Sie haben das schleifen lassen. Es ist dahingeglitten, und letzt­endlich sind wir jetzt in einer ganz, ganz heiklen Situation, die sich am Montag völlig zuspitzen wird. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wo Sie nicht dabei waren!)

Bedauerlicherweise sind Sie sich zwar der Tragweite sehr wohl bewusst, aber Sie handeln nicht. Sie verbreiten hier nur wirklich sehr, sehr unlauter Unwahrheiten. (Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Uh! Uh! Uh! Vorsicht! – Abg. Mag. Kukacka: Halten Sie sich zurück!)

Letztendlich wissen Sie nämlich genau – was das Thema Informationsabkommen be­trifft –: Das Informationsabkommen mit Tschechien, das von Ihnen vorgelegt wurde, haben wir Grüne in dieser Form unterstützt, aber wir wollten mehr. Wir wollten ein bes­seres Informationsabkommen – das Sie verweigert haben und nicht besser verhandelt haben.

Wenn Sie die Temelín-Kommission betrachten, dann hat es die dritte Sitzung am 17. Dezember gegeben. Es ist um Informationen seitens der Experten gegangen, der Austausch wurde gestärkt. Da kann gleich wieder einmal gesagt werden: Herr Minister, braucht man jetzt jahrelang, bis Informationen fließen? Dann ist ja das auch ein Ar­mutszeugnis Ihrer Politik, dass die Experten nicht vorher die Informationen bekommen haben. – Nichtsdestotrotz sind die zwei wesentlichen Fragen, betreffend die 28,8-Me­ter-Bühne und betreffend die Qualifikation der Sicherheitsventile, nach wie vor offen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 170

Und zu diesem Zeitpunkt, bei dieser Sitzung, an diesem 17. Dezember am Nachmittag, war keiner der Nationalratsabgeordneten von ÖVP und SPÖ anwesend! (Abg. Dr. Gla­wischnig-Piesczek: Wo war der Kollege Kopf?) Zu diesem Zeitpunkt wurde von Minis­ter Svoboda, der erstens gesagt hat (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzei­chen, um auf den Ablauf der Redezeit aufmerksam zu machen), das ist für sie nicht völkerrechtlich verbindlich, zweitens ein Dokument vorgelegt, das, wenn Sie es genau lesen, tatsächlich die Entsorgung des Melker Abkommens bedeutet hätte. (Präsidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Und die Einzigen, die hier klar ein­geschritten sind, sind wir! Wir haben das verhindert! Das muss ja einmal klar und deut­lich gesagt werden! (Beifall bei den Grünen.)

Und: Weg von dieser Polemik! – Herr Minister, ...

15.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit von 10 Mi­nuten ist bereits überzogen. (Abg. Dr. Lichtenecker bleibt am Rednerpult stehen und setzt ohne Mikrophon fort: Danke, Frau Präsidentin! Einen Satz noch: Das Einzige, was wir in dieser Situation gesagt haben: Wir wollen, dass Tschechien ... – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Frau Abgeordnete! Sie haben mehrere Zusatzsätze nach den 10 Minuten bereits ge­sprochen. Ich kann es nicht ändern! (Abg. Dr. Lichtenecker spricht einen weiteren, ab­schließenden Satz ohne Mikrophon. – Beifall bei den Grünen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Lichtenecker.)

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schopf zu Wort. Die freiwillige, zunächst ge­kürzte Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


15.53.02

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich habe heute bereits im Rahmen der Fragestunde das Problem in Slo­wenien angesprochen, insbesondere was den Bereich der Informationspolitik betrifft und das Wirrwarr, das da letztendlich entstanden ist. Ich sage an dieser Stelle nicht, dass an diesem Wirrwarr die österreichische Regierung oder Sie, Herr Minister, schuld waren oder schuld sind. Das war eindeutig ein Problem auf slowenischer Seite. Ich denke aber – und das ist die Konsequenz für uns, das, was mir bei dieser Diskussion wichtig erscheint –, dass doch – und das müssen wir sehen – aufgrund dieses Wirr­warrs in der Informationspolitik die Bevölkerung, und zwar nicht nur in Kärnten, son­dern natürlich in ganz Österreich, einigermaßen oder sogar massiv verunsichert gewe­sen ist.

Insbesondere in meinem Bezirk, im Bezirk Freistadt – das ist eine Grenzregion zu Tschechien und bekanntlich eine Gegend, wo man relativ nahe am Atomkraftwerk Temelín ist – gab es natürlich Verunsicherung: War es eine Übung? War es keine Übung? Ist es ein Unglücksfall gewesen oder nicht? – Viele in unserer Bevölkerung hatten natürlich wieder Tschernobyl vor Augen, und wir wissen ja genau, was sich in diesem Zusammenhang abgespielt hat.

Herr Minister! Ich denke, es wäre notwendig und wichtig, doch die richtigen Konse­quenzen aus dieser Problematik zu ziehen: nochmals zu überprüfen, ob die Informa­tionsübereinkommen, die die Republik, die Bundesregierung und letztendlich auch wir hier mit den verschiedensten Staaten geschlossen haben, auch richtig gefasst sind. Ich weiß, dass im Abkommen mit der Tschechischen Republik festgelegt ist, dass der Be­treiber die Aufgabe hat, uns bei Störfällen oder bei gewissen Schwierigkeiten direkt zu informieren. Das ist aber schon das einzige Übereinkommen, das dies vorsieht. In an­deren Ländern gibt es eine direkte Information vonseiten der Betreiber nicht. Da gibt es


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 171

eben eine indirekte Informationsmöglichkeit. Ich denke, da sind wir gemeinsam aufge­rufen, die notwendigen und richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Ich denke, es ist auch notwendig, mit dem Österreichischen Rundfunk und dem öster­reichischen Fernsehen eine Regelung zu treffen, wie bei derartigen Vorfällen deutlich, klar, konsequent und schnell informiert wird. Es kann nicht sein, dass – und einige Vor­rednerInnen haben es bereits angemerkt – im deutschen Fernsehen wesentlich schnel­ler informiert wird als in Österreich. Und es gab in Österreich ja auch von offizieller Stelle immer unterschiedliche Mitteilungen.

Meine Damen und Herren! Der Zeitraum der Information wurde ja auch schon erwähnt. Das ist natürlich auch ein Riesenproblem, wenn zwischen dem sogenannten Störfall – Gott sei Dank war es keiner – und der tatsächlichen Information der Bevölkerung ein Zeitraum von 5 Stunden liegt. Das ist also doch – ich sage es sehr deutlich – um einige Stunden zu viel und eine unmögliche Situation. Herr Minister, ich denke, auch hier ist Handlungsbedarf gegeben.

Was die Situation betreffend Temelín anlangt, so ist es mir wichtig, auch dazu einiges zu sagen – insbesondere auch, weil meine Vorrednerin das Thema der parlamentari­schen Kommission zwischen Österreich und der Tschechischen Republik angespro­chen hat –: Liebe Kollegin! Ich denke, es ist in der Kommission nicht alles erfüllt wor­den, aber es gab doch einige Fortschritte. Und wenn wir uns die Experten anhören be­ziehungsweise wenn wir lesen, was die Experten darüber schreiben, so wissen wir, dass eine Reihe jener großen Sicherheitsbedenken, die von den Experten – nicht nur von den österreichischen, sondern vor allem auch von den internationalen Experten – festgehalten worden sind, mittlerweile – man kann sagen – im positiven Sinne erledigt worden sind. (Ruf bei den Grünen: Aber nicht die wichtigsten!)

Wir wissen, dass es noch immer Hauptprobleme gibt – ob das die 28-Meter-Bühne ist, ob das die Frage der Erdbebensicherheit ist. Aber es ist auch in diesem Bereich ge­glückt, unter den Experten ein Regelwerk zu schaffen, wie man diese Schwierigkeiten oder diese Probleme zumindest in Zukunft zu lösen – oder zumindest gemeinsam zu diskutieren – beabsichtigt.

Ich sage an dieser Stelle auch sehr deutlich: Ich bin nicht froh darüber, dass die völker­rechtliche Frage nicht ausgeräumt worden ist. Hier gab es von der ersten Stunde bis zum heutigen Tag unterschiedliche Auffassungen. Die Auffassung der Tschechischen Republik ist ja bekannt. Ich sage aber hier ganz offen vonseiten der Sozialdemokratie: Wir vertreten noch immer die Auffassung, dass es ein völkerrechtlich verbindlicher Ver­trag ist, und wir dürfen nicht lockerlassen und müssen sicherstellen, dass in dieser Fra­ge weitergeredet wird. Es ist sicher nicht der richtige Weg, das Gespräch nicht mehr zu führen, die Kommission zu verlassen, Gespräche zu verweigern. (Abg. Neubauer: Ein Gespräch kann ich nur mit einem führen, der mir zuhorcht, nicht mit einem, der weg­horcht!)

Ich denke, es ist der richtige Weg, die Gespräche zu führen, und zwar nicht nur zwi­schen Österreich und der Tschechischen Republik, sondern auch mit den anderen Nachbarn. Wenn man die Programme sieht, das, was die Atomlobby letztendlich in Europa vorhat, dann erscheint es ganz, ganz wichtig, diese Gespräche intensiver zu führen. Ich denke da insbesondere an das Vorhaben in Slowenien: Dort soll ja bis zum Jahr 2013 ein neues AKW gebaut werden, obwohl wir alle wissen, dass man sich dort in einem Erdbebengebiet befindet. Und das ist unverantwortlich!

Herr Minister! Ich ersuche Sie, ich fordere Sie auf, die diesbezüglichen Gespräche zu führen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

15.59



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 172

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Kopf zu Wort. Gewünschte Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


15.59.33

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Frau Kollegin Lichtenecker machen die Ausführungen des Herrn Bundesministers Angst.

Ehrlich gesagt, ich bin erleichtert, nicht nur über seine Ausführungen – über diese selbstverständlich auch, weil sie klar waren und klargestellt haben, wo wir stehen und wo die österreichische Anti-Atom-Politik künftig hinführen wird –, sondern ich bin auch erleichtert ob der Scheinheiligkeit, die hier von den Grünen an den Tag gelegt wird (Abg. Neubauer: „Scheinheilig“ ist ein Ordnungsruf!), nämlich erleichtert darüber, dass sie in diesem Land bis heute keine Regierungsverantwortung tragen.

Ich begründe es auch: Krško-Zwischenfall – überhaupt keine Frage, da sind insbeson­dere auf slowenischer Seite Fehler passiert. Es war generell ein falscher Alarm, es war auch eine zu lange Frist, die verstrichen ist, aber vor allem ist der Alarm ja auch in einer falschen Art und Weise transportiert worden, weil das, was gemeldet wurde, gar nicht in der Form stattgefunden hat. Aber seien wir doch froh darüber, dass Österreich über dieses internationale Warnsystem hinaus ein eigenes System installiert hat, über das wir vom ersten Moment weg informiert waren, dass es jedenfalls keinen Austritt radioaktiver Substanzen vor Ort gegeben hat.

Und diese Informationsmöglichkeit für uns fußt auf einem Abkommen mit Tschechien. Ohne dieses Abkommen hätten wir diese Informationsmöglichkeit auf direktem Wege nicht. Aber was taten die Grünen in der Sitzung am 13. März? – Sie stimmten gegen dieses Informationsabkommen! (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Die stimmen gegen alles!) Wie soll ich das nennen, wenn nicht „scheinheilig“? Liebe Freunde, das ist scheinheilig!

Zweiter Punkt: Temelín. Natürlich ist die Haltung Tschechiens unbefriedigend – keine Frage. Sie ist unbefriedigend wegen der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks, ohne dass das Melker Protokoll in allen Punkten abgearbeitet war – überhaupt keine Frage. Es ist auch unbefriedigend, dass die völkerrechtliche Verbindlichkeit in Frage gestellt und in Zweifel gezogen wird. Aber es ist ein Riesenfortschritt gewesen, dass es in Melk zu diesem Abkommen mit Tschechien gekommen ist. Das war ein großer Erfolg von Wolfgang Schüssel, es überhaupt erreicht zu haben, dass sich ein Land, das natürlich souverän und autonom ist, wie alle Länder in ihrer Energiepolitik, darauf eingelassen hat beziehungsweise dazu gebracht werden konnte, solch ein Abkommen zu unter­zeichnen.

Und in der Zwischenzeit ... (Abg. Neubauer: Das sie nicht einhalten!) – Rechtlich ver­bindlich ist ein Abkommen allemal. Die Haarspalterei zwischen rechtlich verbindlich und völkerrechtlich verbindlich geht letzten Endes dahin, ob man es auch einklagen kann. Verbindlich ist ein Abkommen zwischen zwei Staatsoberhäuptern allemal, bitte! (Abg. Neubauer: Beim Salzamt kann ich mich beschweren!) – Na gut, ich meine, so viel Völkerrechtskunde sollte inzwischen durchgedrungen sein, dass man, um klagen zu können, vorher die Klagsmöglichkeit vereinbaren muss. (Abg. Neubauer: Das ist aber unterblieben!) Und zu einer Vereinbarung gehören bekanntermaßen zwei, da kann man nicht dem anderen die Pistole auf die Brust setzen und ihn dazu zwingen.

Also wenn der andere zwar bereit ist, ein Abkommen abzuschließen, nicht aber, die-
sen Passus aufzunehmen, dann können Sie das doch nicht den Österreichern vor­werfen. Das ist ja wirklich eine Haarspalterei und eine Nebelwerferei! (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)


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Fakt ist: Es ist uns jetzt, im Zuge der Bearbeitung des Melker Abkommens und dieser bilateralen Kommission gelungen, unseren Experten, was vorher tatsächlich nicht mög­lich war, Zugang zu Informationen zu verschaffen, die es immerhin möglich gemacht haben, dass wir in sechs von acht Punkten, die laut Melker Abkommen offen waren, befriedigende Ergebnisse erzielen und Sicherheit über die Abarbeitung dieser kriti­schen Punkte bekommen konnten. Es sind nicht alle abgearbeitet, es bleiben zwei we­sentliche Punkte offen. Diesbezüglich bleibt auch die Arbeit unserer Experten auf­recht – überhaupt keine Frage. Aber so weit ist man in bilateralen Gesprächen und Verhandlungen in einem Punkt, wo ein Land unbestritten souverän ist und eigentlich gar keine Einmischung zulassen müsste, noch nie gekommen. Das ist schon ein be­achtlicher Verhandlungserfolg, wie gesagt, ausgehend vom Melker Abkommen und da­mit von Wolfgang Schüssel, der das damals maßgeblich verhandelt hat.

Abschließend noch ein letzter Punkt: Ausbau der Kernenergie in den anderen Ländern, insbesondere in den Nachbarländern. Wir werden nicht aufhören und nicht müde wer­den in unserem Bemühen, diese Ausbaupläne zu stoppen, diese Ausbaupläne zu ver­hindern, aber das geht selbstverständlich nur einerseits auf bilateralem Wege, anderer­seits natürlich international auf europäischer Ebene. Es ist natürlich bedauerlich, dass es bis zum heutigen Tag keine rechtsverbindlichen Sicherheitsstandards für AKWs gibt.

Deswegen sind leider auch die Ausbaupläne in Mochovce rechtlich gesehen, auch auf­grund der dort geltenden Rechtsbestimmungen, wo nicht einmal eine UVP notwendig ist, legal. Leider! Trotzdem – der Herr Minister hat ja schon darauf hingewiesen, was er alles unternommen hat – werden wir nicht müde werden in unseren Bemühungen und auch nicht nachlassen, diesen Ausbau dort zu verhindern, so wie wir generell in allen Ländern versuchen werden, einen weiteren Ausbau der Atomkraft hintanzuhalten und zu verhindern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Kopf, Sie haben drei Mal den Vorwurf der Scheinheiligkeit ausgesprochen. (Abg. Kopf: Ist dieses Wort auch auf der Liste? – Abg. Ing. Westenthaler: Dreifach! Triple-Ordnungsruf!) Es besteht in die­sem Haus Konsens und auch für mich als Vorsitz führende Präsidentin ist klar, dass das Wort „Scheinheiligkeit“ mit einem Ordnungsruf geahndet wird.

Ich erteile Ihnen auch einen Ordnungsruf bezüglich der Verwendung dieses Wortes. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Aber recht hat er trotzdem!)

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement zu Wort. Gewünschte Re­dezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


16.06.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minis­ter! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte vorweg, da der Herr Minister heute offenbar ein bisschen schlechte Laune hat, ihm Folgendes sagen: Für diese Falsch­meldungen, für diese Vorfälle kann er überhaupt nichts, da ist er wirklich schuldfrei. Da geht der Vorwurf der Frau Kollegin Glawischnig sicher ins Leere. (Abg. Großruck: So ist es!) Ich glaube, für dieses Missverhältnis, für diese Falschinformationen, für diese Pannen, die in Slowenien passiert sind, kann Herr Minister Pröll nichts. Also, aus­nahmsweise, Herr Minister Pröll, bin ich auf Ihrer Seite. Da kann ich Ihnen sicher recht geben, das war nicht Ihre Schuld. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Aber vielleicht vorweg, um zu zeigen, wie dramatisch die Situation ist und wie knapp wir hier wieder an einer möglichen Katastrophe vorbeimarschiert sind, die geographi­sche Lage (der Redner hält eine Landkarte in die Höhe): Hier ist Krško, auf Deutsch


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Gurkfeld, das ist ein Teil der ehemaligen Untersteiermark. Entfernung von Klagenfurt: 150 Kilometer Luftlinie, Entfernung von Graz: 180 Kilometer Luftlinie.

Ich war sehr betroffen, als ich das gesehen und gehört habe. Ich dachte an meine Familie zu Hause, ich dachte aber auch an die gesamt Kärntner Bevölkerung. Aber das betrifft ja auch, je nach Stärke der Intensität dieser radioaktiven Strahlung, ganz Österreich. Und Sie kennen diesen Zeitungsausschnitt aus der „Kronen Zeitung“ (der Redner hält eine Österreich-Karte in die Höhe): Sie sehen, dass bei relativ starker Intensität der austretenden Isotopen doch auch ganz Österreich massiv betroffen wäre. Ich denke, das ist auch ein Thema, das ganz Österreich betrifft, nicht nur, weil es jetzt Krško war, sondern weil es andere Atomkraftwerke rund um Österreich gibt.

Es ist deswegen auch eine erfreuliche Tatsache, dass sich in Kärnten alle Parteien ein­stimmig gegen Krško ausgesprochen haben, schon seit Jahren, auch mit Entschließun­gen des Landtages und der Regierung gefordert haben, dass Slowenien aus diesem AKW aussteigt. Es wurde eine Schließung gefordert. Und die gesamte Kärntner Politik hat angeboten, Slowenien mit Energielieferungen zu helfen, das heißt, schon beim Bei­tritt 2002 haben wir gesagt, Slowenien muss aus dem AKW Krško aussteigen und muss versuchen, auf andere Energieformen umzusteigen. Leider Gottes ist Slowenien darauf nicht eingegangen.

Es ist auch eine langjährige Forderung der FPÖ gewesen, aus der Gesamtentwicklung von Euratom und aus der Forschung im Atombereich auszusteigen, weil wir glauben, dass das eine völlig falsche Entwicklung ist. Da sind wir mit Ihnen einig, Frau Glawisch­nig. Nur eines möchte ich schon wissen: Wenn Sie gegen Euratom und gegen Atom­energie sind, dann frage ich Sie, warum Sie dem Lissabonner Vertrag zugestimmt ha­ben. Wir wissen nämlich, dass Euratom im Lissabonner Vertrag enthalten ist und wir wissen (Beifall bei der FPÖ), dass mit der Zustimmung zu diesem EU-Reformvertrag auch eine Bindung aller europäischer Staaten zur Atomenergie erfolgt ist.

Das ist eine Scheinheiligkeit Ihrerseits und da, Frau Glawischnig, möchte ich von Ihnen hören, warum Sie hier nicht eine Konsequenz an den Tag legen. Das ist eine Schein­heiligkeit. Bitte seien Sie einmal ehrlich! Sie reden hier zwar gegen die Atomenergie, aber Sie handeln ganz anders! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.) Bitte hören Sie auf mit solchen unglaublichen ... – Entschuldigung, „Scheinheiligkeit“ nehme ich zurück, Frau Präsidentin. Ich habe gehört, für „Scheinheiligkeit“ hat Kollege Kopf einen Ord­nungsruf bekommen. (Abg. Kopf: Hast du Glück gehabt!) Also „Scheinheiligkeit“ neh­me ich zurück, Frau Präsidentin. Ich sage dann: nicht ganz ehrlich, nicht ganz offen. (Ruf bei der FPÖ: Merkwürdiges Verhalten!) – Merkwürdiges Verhalten. Gut.

Aber zu den Sicherheits- und Informationsmängeln hätte ich eine ganz wesentliche Frage. Es wird immer wieder, auch heute hier, von den Sicherheitsmängeln gespro­chen – natürlich gibt es die. Wir wissen, dass 53 der 121 Brennstäbe ausgetauscht werden mussten, weil sie eben nicht mehr sicher waren. Wir wissen auch, dass die Dämmungen ausgetauscht werden mussten. Wir wissen auch, dass die Informations­pflicht gegeben ist, aber nicht gut funktioniert hat. Wir wissen auch, dass Österreich ein eigenes Netz hat, um zu informieren, sich online zu informieren – das wissen wir alles.

Aber, liebe Kollegen, die Konsequenz hat niemand ausgesprochen. Was ist denn, wenn wir wissen, dass etwas passiert ist? Was ist denn, wenn wir wissen, dass ein GAU, der größte anzunehmende Unfall, passiert ist? Was geschieht denn dann in Kärnten? Was geschieht dann? Wohin mit den Bürgern? Wohin werden wir evakuie­ren? Herr Minister! Was passiert denn dann? Wir wissen von den Kärntner Zivilschutz­verbänden, dass überhaupt keine Möglichkeit besteht, die Kärntner irgendwo unterzu­bringen. Wir wüssten nicht, wohin mit den ganzen Kärntnern. Wir wüssten nicht, wie wir sie mit Wasser, mit Trinkwasser, mit Nahrung versorgen sollen.


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Wir wüssten nicht, in welche Keller sie gehen sollen. Es gibt überhaupt keine verpflich­tende Bauordnung mehr, nach der man bei einem Atomunfall diese Katastrophe bewäl­tigen und die Menschen in Sicherheit bringen kann. Das ist auch ein Thema, das be­handelt werden muss. (Abg. Kopf: Das ist Ländersache!)

Man kann zwar informieren, das ist ja nett und schön, dann stehe ich aber als infor­mierter Bürger da und bin atomverseucht. Was passiert dann? – Ich kann nichts tun. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das muss der Jörg Haider regeln!) Also, ich glaube, Herr Minister, da müssen wir auch Maßnahmen ergreifen, müssten wir nachdenken, was wir tun könnten, um bei guter Information entsprechend zu handeln, die Bürger mit sicherem Trinkwasser, mit sicherer Nahrung zu versorgen, aber sie auch vor der Atom­strahlung in Sicherheit zu bringen.

Das sind Dinge, die wir absolut in den Vordergrund stellen müssen. Und da muss ich leider Gottes Kritik an Ihrem Kollegen in der EU üben, da nämlich der Herr Rübig gefor­dert hat, wir brauchen so etwas wie eine Internationale Energiesicherheitsagentur. – Wozu bitte? – Das ist eine weitere Aufblähung des EU-Apparats, die uns überhaupt nichts bringt. Das bringt den Kärntnern und den Österreichern in dieser Frage über­haupt nichts.

Vielleicht ist auch die Frage nach der Kalkulation von Energiekosten interessant, die in den letzten Wochen oft aufgetaucht ist. Wir müssten auch einmal ganz offen sagen, dass die Energiekosten, vor allem im Atombereich, überhaupt nicht fair sind. Wir wis­sen, dass es hier Falschkalkulationen gibt. Ich denke nur an das Endlagerproblem. Wir wissen nicht, was mit dem ganzen Atommüll in Zukunft passieren soll, wir wissen, dass er noch über Jahrtausende strahlen wird, dass er noch weit, weit, weit für kommende Generationen Probleme verursachen wird. Und wir wissen, dass sich heute diejenigen, die die Konzerne führen und die die großen Gewinne machen, darüber keine Gedan­ken machen.

Diese Endlagerproblematik müsste endlich behandelt werden und müsste auch zur Kostenwahrheit führen. Und wenn wir diese Endlagerprobleme einrechnen, dann kön­nen wir auch davon ausgehen, dass heute schon Atomenergie überhaupt nicht mehr kostenrelevant und überhaupt keine Kostenwahrheit mehr gegeben wäre für Gesamt­europa, für alle Menschen hier. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke, das muss man auch sehen, das ist auch eine Frage, die zu behandeln wäre: Wie viel kostet ein Menschenleben, wenn wirklich etwas passiert? Ist ein Men­schenleben beziehungsweise ist die Gesundheit von Menschen überhaupt in Kosten berechenbar? Ich denke, wir müssen dringend aus der Atomenergie aussteigen, auch aus den vorhin genannten Gründen. Es wird dringend Zeit – und das ist auch die Dis­kussion der letzten Tage gewesen –, zu einem vernünftigen Energiemodell zu finden. Herr Minister, Sie hätten es in der Hand, das zu tun.

Ich möchte Ihnen zum Schluss noch ein ganz kleines Rechenbeispiel mitgeben. Ich habe mir ausgerechnet, wie viel Photovoltaik im Bereich der erneuerbaren Energien an Ersatz bringen könnte. Ich habe Ihnen einmal vorgerechnet, dass von einem Maisacker pro Hektar ungefähr 40 000 Kilowattstunden kommen könnten. Ein Hektar Photovoltaik könnte ungefähr 1,2 Millionen Kilowattstunden bringen, das heißt, das über Fünfzig­fache. Ich glaube, das allein zeigt die Dimensionen der Möglichkeiten der erneuerbaren Energien. Wenn wir auch schon Vorschläge von Konzernen hören, dass Photovoltaik­elemente am Dach dazu führen könnten, dass zum Beispiel jeder Bürger sein Auto daraus speist und damit völlig energieautark wäre, dann sehe ich auch Visionen für Österreich, für unsere Technik, für unsere Forschung und Entwicklung. Ich denke, das wäre der richtige Weg, dort müssten wir hingehen, Herr Minister.


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Ich glaube, Sie können auch von neuen Ideen überzeugt werden. Gehen Sie mit uns diese neuen Überlegungen gemeinsam durch! Schauen wir, dass wir in Österreich einen besseren Weg gehen als den, der jetzt in Slowenien gegangen wird! Und geben wir auch von uns aus Impulse! Ich glaube, es könnte auch ein Weg sein, von diesen Überlegungen, von dieser wirklich Technologieführerschaft Österreichs etwas den um­liegenden Ländern mitzugeben. Das wäre dann – was Sie, Frau Kollegin Lichtenecker, gefordert haben – auch der richtige Weg. Wir könnten mit unseren guten Ansätzen der Universitäten, der führenden Betriebe dazu beitragen, dass unsere Technologie in Län­der wie die Slowakei, Slowenien und Tschechien hinausgetragen wird, um wirklich ver­nünftige Energiealternativen zu bieten.

Ich glaube, das wäre der richtige Weg, aber noch einmal: Bitte entfernen Sie sich von Ihrer doch etwas doppelbödigen Politik! Dann können wir sicher einen gemeinsamen Weg gehen – so nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

16.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Klement! „Scheinheiligkeit“ haben Sie zurückgenommen, aber „Doppelbödigkeit“, glaube ich, ist auch nicht wirklich ein geeignetes Wort; ich lasse es aber durchgehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Klement: Danke!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schalle. Gewünschte Redezeit: 5 Mi­nuten. (Abg. Schalle – auf dem Weg zum Rednerpult –: 10 Minuten!) – Mir wurde mit­geteilt, ich soll die Uhr auf 5 Minuten einstellen, ich stelle sie jetzt auf 10 Minuten ein. – Bitte. (Abg. Dr. Sonnberger: Das ist Höchststrafe!)

 


16.14.49

Abgeordneter Veit Schalle (BZÖ): Jetzt habe ich mich auf 10 Minuten eingestellt, bitte geben Sie mir diese 10 Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Atompolitik hat eigentlich in Österreich eine lange Geschichte; es klingt uns allen noch in den Ohren, was mit Zwentendorf passiert ist. Damals wurde die sozialistische Regie­rung durch die umsichtige Bevölkerung dazu gezwungen, den Bau des Atomkraftwerks zu stoppen und somit Österreich nicht zum angestrebten Atomland zu machen.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre oder Jahrzehnte zeigte uns aber, es ging in die andere Richtung: Die Atomkraft in Europa wurde weiter ausgebaut. So sind wir von unseren Nachbarn praktisch mit alten, unsicheren Atomkraftwerken wie Temelín umge­ben, wo zwei Technologien aufeinander treffen, nämlich eine Westtechnologie und eine Osttechnologie, die überhaupt nicht funktionieren wird. Da kann man noch so viel reparieren, es wird einfach nicht funktionieren.

Weiters – ich will nur ein paar anführen –: Paks, Mochovce, Dukovany oder Isar 1. Zwentendorf wäre quasi ein Schwesterunternehmen zu Isar 1 gewesen. Da liefern wir noch immer Ersatzteile aus Zwentendorf und die Bayern sind heilfroh, wirklich heilfroh, wenn dieses AKW im Jahr 2009 vom Netz geht oder abgeschaltet wird.

Auch der Fall Krško zeigt, dass weder die Bundesregierung, noch die Bevölkerung auf den Ernstfall vorbereitet ist. Was passiert eigentlich, Herr Bundesminister, wenn es wirklich einen Ernstfall gibt? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Alarm!)

Die Information ist eine Sache, aber gibt es Notfallpläne? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ja!) Gibt es Schutzräume? Wo wollen Sie die Bevölkerung unterbringen? Gibt es eine Versorgungssicherheit? Wo ist das Vorratslager für Lebensmittel?

Es ist schon eine Katastrophe, dass es vier Stunden oder fast fünf Stunden dauert, bis die Bevölkerung informiert wird. Das ist eigentlich total inakzeptabel. Man versteht


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auch nicht, warum andere Länder und andere Fernsehstationen die Informationen we­sentlich früher erhalten. Wenn man den Fernseher aufdreht und RTL oder ARD schaut, ist man ganz verwundert über die Information.

Was auch ganz typisch für die Atombranche ist, ist, dass die Eigentümer als Erste in­formiert werden und sich dann fragen, was sie eigentlich tun sollen, bevor sie über­haupt jemanden informieren und Notfallsignale an die Bevölkerung geben. Das ist ganz typisch für diese Branche.

Was das im Ernstfall für die Kärntner und für die steirische Bevölkerung ausgemacht hätte, will ich mir gar nicht vorstellen! Jeder Tag, den Krško früher vom Netz genom­men wird, wäre wirklich ein Gewinn für die gesamte Alpenregion. (Beifall bei BZÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

Es gibt ja auch in der Kärntner Landesregierung einen einstimmigen Beschluss dar­über. Man hat ja auch mit Slowenien verhandelt, sie haben auch signalisiert, dass sie aussteigen wollen. Aber in der Zwischenzeit dürfte sich hier die Stimmung gedreht ha­ben und man überlegt eher, das AKW wieder auszubauen.

Was mich aber besonders an der ganzen Informationspolitik stört, ist, wenn zum Bei­spiel der slowenische Umweltminister, Ihr Kollege, Herr Minister Pröll, sagt, es wäre ein normaler menschlicher Fehler gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber dieser Fehler kann für viele der letzte gewesen sein, was uns das traurige Beispiel Tschernobyl mit den vielen Toten und der bis heute leidenden Bevölkerung bewiesen hat. Um beim Reaktorunfall in Tschernobyl vor 22 Jahren zu bleiben – da hat es noch ganze acht Tage gedauert, bis man die Bür­ger informiert hat.

Ich kann Ihnen nur aus meiner damaligen Funktion als Generaldirektor des Billa-Kon­zerns Folgendes erzählen (Abg. Dr. Ferdinand Maier: Keine Geheimnisse!): Die Bevöl­kerung hat nicht mehr gewusst, was sie kaufen darf. Und was das für die ... (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Mitterlehner.) – Ich will Ihnen nur sagen, Herr Mitterlehner, was das für die Versorgung der Bevölkerung bedeutet, wenn man nicht mehr weiß: Welche Le­bensmittel können Sie noch kaufen? Welche Lebensmittel sind nicht verstrahlt? (Abg. Ing. Westenthaler: Das findet der Mitterlehner lustig!)

Wenn Sie Kinder haben, wissen Sie nicht mehr: Was gebe ich meinem Kind? – Denn die Haltbarmilch war binnen acht Tagen ausverkauft, und frische Milch war Cäsium-verstrahlt. Bei Trockenmilch war binnen drei Tagen eine Jahresproduktion verkauft. Ich glaube, die österreichische Bundesregierung hat noch kein Rezept dafür, dieses Pro­blem zu lösen. Was erzählen Sie den Kindern? – Die Kinder durften nicht mehr ins Freie gehen, sie durften nicht einmal mehr im Sand spielen. Fenster musste man zu­machen.

Ich möchte Ihnen nur die Extrembeispiele nennen. Sogar Kunden, die Mineralwasser eingekauft haben, haben nachgesehen, was für ein Abfülldatum auf den Flaschen steht: Wann ist es abgefüllt worden? (Zwischenruf des Abg. Hornek.) – Es traute sich keiner mehr, Wasser zu trinken, das aus neuester Zeit kam. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung ÖVP –: ... sagt dann: Hände falten, Goschen halten!) Es gab auch keine Strahlenmessgeräte, um überprüfen zu können, ob die Ware, die ins Haus kommt, strahlenfrei ist. Es gab einen Run auf Konserven.

Ich möchte damit nur sagen, dass ich glaube, dass die Bundesregierung nicht darauf vorbereitet ist. Um noch ein zweites Beispiel zu nennen: Die Seibersdorfer Techniker waren anscheinend schon sehr gut informiert. Denn sie haben ihre Kinder drei Tage später, höre ich, drei Tage nach dem Bekanntwerden mit der Familie nach Spanien ge­schickt.


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Ich frage die Bundesregierung: Was machen Sie im Ernstfall? Wohin schicken Sie die Leute? Was passiert, Herr Minister? Welche Informationen gibt es eigentlich? Wie sollte man sich verhalten? (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Landeswarnzentrale!) Was muss man in Notfällen machen? Gibt es dafür genug Medikamente?

Ich erinnere an die Langzeitschäden von Tschernobyl und die gesundheitlichen Proble­me, an die Krebsrate, die massiv gestiegen ist, vor allem bei jungen Leuten. Man muss sich das vorstellen: Die jungen Leute, die in der Nähe von Tschernobyl gewohnt haben, gibt es alle nicht mehr! Im Umkreis von hundert Kilometern waren sie im Alter bis zu 20 Jahren binnen kürzester Zeit weg. Viele Ehepaare bekommen keine Kinder, auch in Österreich: durch Tschernobyl, durch die Verstrahlung! Das betrifft sowohl den Mann als auch die Frau.

Um aber auf Krško zurückzukommen: Da höre ich mir die Aussagen des Dr. Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung und nukleare Sicherheit an. Er hat richtigerwei­se gesagt: Ein schwerer Unfall ist auch beim besten Kraftwerk denkbar. Die Techno­logie ist nicht tragbar, das ist meine feste Überzeugung. Aber es gibt sie, und wir müs­sen schauen, dass sie möglichst sicher ist. – Und darauf eingehend, dass der Standort in einem stark erdbebengefährdeten Gebiet ist: In dieses Gebiet gehört kein Reaktor. Das ist ein Horror. Da müsste man woanders hin bauen.

Ich weiß gar nicht, ob die Slowenen überhaupt einen geeigneten Platz dafür haben. Und was passiert? – Slowenien erwägt den Bau eines weiteren Meilers, um den Ener­giehunger einer aufstrebenden Wirtschaft zu stillen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier sieht man wieder einmal, wie die Bei­trittsverhandlungen mit neuen Mitgliedsländern geführt werden: ohne Verbindlichkeit in Bezug auf Sicherheit, ohne Sanktionsmöglichkeiten! Es gibt keine klaren Vorgaben, wie und was eingehalten werden muss. Es wäre viel sinnvoller, wenn man alternativ mehr auf Forschung und Entwicklung von neuen Technologien sowie vor allem auf Zu­kunftsenergien setzen würde und den Beitrittswerbern das auch verbindlich vorschrei­ben würde. Meine Damen und Herren, ich denke, das wäre der richtige Weg.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Pröll! Abschließend möchte ich Ihnen sagen, dass Verstrahlung keine Grenzen kennt. Man sieht sie nicht, man spürt sie nicht, und man bemerkt sie erst, wenn es zu spät ist. Um nur ein Beispiel zu nennen (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wir sehen ...!): Eine radioaktive Wolke ist mit dem nächsten Regen in einem Gebiet in Kärnten niedergegangen, und dort zeigt sich eindeutig: Die Krebsrate ist extrem gestiegen.

Bitte veranlassen Sie endlich die Entwicklung eines Notfallplans für den Ernstfall! Infor­mieren Sie die Bevölkerung darüber, was im Ernstfall zu tun ist. Sorgen Sie dafür, dass die desolaten Kraftwerke an unseren Grenzen saniert beziehungsweise geschlossen werden, im Interesse der Bevölkerung und vor allem im Interesse unserer Kinder! (Bei­fall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und FPÖ.)

16.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mo­ser zu Wort. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.25.11

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Umweltminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schalle, ja, im Ernstfall – das muss ich mehr oder weniger fatalistisch feststellen – ist es vorbei! Deswegen ist es wirklich höchste Zeit, dass wir nicht nur diesen Ernstfall vermeiden, sondern dass wir alles Mögliche da­für unternehmen, dass im Vorfeld eine andere Energiepolitik betrieben wird. – Aber ich


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möchte ganz konkret zu diesem Zwischenfall im AKW Krško mit Ihnen, Herr Umwelt­minister, noch einmal diskutieren.

Herr Umweltminister! Unsere Dringliche Anfrage enthält über 30 Fragen, 32 Fragen, die in erster Linie darauf abzielen, Vorsorge zu treffen, wirklich umsichtig Politik zu ma­chen und unsere Anti-AKW-Linie in Österreich mit noch mehr Fleisch, mit mehr Sub­stanz zu versehen. Sie haben diese 32 Fragen teilweise wirklich sehr kursorisch beant­wortet, und dieses – wie soll man sagen? – „flopsige“ Drübergehen – Frage 20 bis 25 in einem, Frage 26 bis 32 in einem und so weiter –, dieses „flopsige“ Beantworten (Ruf bei der ÖVP: „Flapsig“!) – flapsig, entschuldigen Sie –, dieses flapsige Beantworten zeugt schon davon, dass man die Sachlage nicht ernst genug nimmt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: O ja!)

Es handelt sich wirklich um ein ernstes Thema, Herr Minister! Unser Hauptvorwurf lässt sich auch graphisch klar darstellen. (Die Rednerin hält ein Blatt Papier in Richtung Re­gierungsbank.) Die Informationspolitik in diesem konkreten Störfall ist nicht in erster Linie aufgrund Ihrer Schuld, sondern aufgrund der europäischen Konstellation und vor allem aufgrund der Fehlleistungen vor Ort falsch gelaufen. Nur: Sie – und da hake ich jetzt massiv ein – haben nie den Weg gemacht, dass es von Krško nach Wien eine Direkt-Informationsleitung gibt!

Die Information ist über Stationen durch halb Europa gelaufen (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das stimmt nicht!), zuerst auch noch beim Innenministerium eingelangt (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Ja!), dann bei Ihnen im Umweltministerium. (Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Das ist immer so!) Wir brauchen einfach eine direkte Leitung (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Nein!), eine direkte Informationslinie. Wir brauchen sofort den Kontakt, um genügend Pufferzeit zu finden für die Zurechtlegung und die Inkraftsetzung von eventuell notwendigen Alarmplänen, um unseren ganzen Stab in Bewegung zu setzen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Falsch!)

Diese direkte Linie, dieses direkte Informationsabkommen gibt es mit Slowenien leider nicht. Auch jenes mit unserem Nachbarstaat Tschechien ist leider mangelhaft. Deswe­gen haben wir damals nicht zugestimmt, und wir haben Ihnen die Mängel auch aufge­listet.

Ich plädiere – Sie haben uns diese Antwort leider nicht gegeben – massiv dafür, dass Sie dafür eintreten, dass wir direkte Informationsabkommen mit all diesen Nachbar­staaten abschließen, die uns mit ihren AKWs umzingeln. Es geht nicht an, dass öster­reichische Mütter, österreichische Väter, überhaupt wir hier in Österreich über deut­sche Fernsehsender, über deutsche Radiosender über die Sachlage informiert werden (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Das stimmt ja nicht!) – wo sind wir denn?! –, obwohl wir näher liegen. Da müssen wir einhaken, Herr Minister, und da haben Sie uns die Antwort nach wie vor nicht gegeben. Was werden Sie jetzt wirklich tun, damit wir di­rekte Information bekommen? – Darum geht es in diesem ganz konkreten Fall.

Nun zum allgemeinen Fall, Herr Minister: Wir haben ja nicht nur den Brennpunkt Krško – mit der Erdbebenlinie, leider –, sondern wir haben auch die Brennpunkte Mo­chovce und Temelín. Herr Kollege Schalle, Sie haben hier sehr ausführlich die Konse­quenzen und die Folgen von Tschernobyl an konkreten Lebensmittelbeispielen noch einmal aufgezeigt. Mochovce und Temelín sind hoch gefährliche Reaktoren, und ich verstehe wirklich nicht, Herr Minister Pröll, dass Sie es gerade bei Mochovce einfach akzeptieren, dass weitergeplant wird aufgrund von Zusagen beziehungsweise von Ge­nehmigungen, die in die Zeit des Eisernen Vorhangs zurückgehen.

Herr Minister! Da gehört einfach mehr internationales Engagement von allen Seiten her, nicht nur von Ihnen, sondern auch von der Frau Außenministerin, dass wir eine andere Genehmigungssachlage schaffen, dass wir hier andere Rechte haben, dass


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wir, weil wir gemeinsam in der EU sind, jetzt anders ans Werk gehen können, um vor allem auch die Reaktorsicherheit, wenn nicht gar den Reaktorverzicht – das ist ja eigentlich unser großes Thema, unser, hoffe ich, noch gemeinsames großes Anlie­gen – durchzusetzen.

Das andere Beispiel, Temelín, wurde auch schon wiederholt in die Diskussion mit ein­gebracht. Wir haben leider aufgrund der nicht völkerrechtlichen Verankerung des Mel­ker Vertrags einfach eine Defensivposition. Aber selbst die Defensivposition, Herr Mi­nister Pröll, die wir ja dem ehemaligen Bundeskanzler Schüssel verdanken, haben Sie nie ausgenützt und ausgereizt. Es fehlt nach wie vor die konkrete völkerrechtliche Kla­ge, die wir in Österreich zumindest vorbereiten können. Das fehlt nach wie vor, wir müssen es eben versuchen. Wenn es schon nicht direkt im Melker Vertrag verankert ist, einen Versuch ist es trotzdem wert.

Diese drei Gesamtvorwürfe, Herr Minister, müssen Sie sich leider gefallen lassen. Dar­um ist es notwendig, in diesem Plenarsaal immer wieder die Anti-Atompolitik Öster­reichs zu diskutieren, sie zuzuspitzen und auch Sie in die Verantwortung und in die Pflicht zu nehmen, damit mehr oder weniger die internationalen Kontakte, die Sie auch pflegen, mehr aktiviert werden in einem gesamteuropäischen Schulterschluss, in einer gesamteuropäischen Initiative, um die hoch gefährliche, brandgefährliche Energiever­sorgung durch atomare Kraft endgültig hintanzustellen und zu entsorgen.

Ich vermisse dieses Engagement, das persönliche Engagement. Leider haben Sie das bewiesen, indem Sie unsere Anfrage nicht besonders ernst genommen, sondern nur sehr kursorisch beantwortet haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre nunmehrige Rede­zeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


16.31.26

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich werde es nach der ausführlichen Beantwortung der Fragen, die Sie gestellt haben, die ich heute schon abgegeben habe, ganz kurz halten. Aber ich muss jetzt etwas zu Frau Dr. Moser sagen, die mir bis jetzt als eine sehr sach­lich fundierte und auch argumentierende Politikerin der Grünen bekannt war. (Abg. Öl­linger: Ja!) Das kommt ja nicht allzu oft vor, aber das war bei Ihnen bis zum heutigen Tag der Fall.

Wenn Sie heute hier behaupten, es gibt und es gab keine direkte Information, dann ist das glatt falsch! Ich habe ausgeführt, dass es drei Themenkreise gibt.

Zum Ersten: Wenn es in einem Atomkraftwerk in einem Nachbarland zu einem Pro­blem kommt, das sich grenzüberschreitend abzeichnet, dann haben die Anlagenbetrei­ber erstens das europäische Alarmsystem zu informieren. Das ist geschehen – auf­grund eines Irrtums, weil es dann Gott sei Dank dieser Störfall nicht war –, darüber wurde informiert.

Zum Zweiten: Wir wurden direkt informiert! Das Bundesministerium für Inneres mit der Einsatzzentrale für ganz Österreich wurde auf direktem Weg informiert, allerdings mit dem falschen Formularhinweis „Übung“.

Zum Dritten: Die direkte Anbindung mit konkreten Messstellen kommt vom Strahlen­schutzsystem des Umweltministeriums – dritter Versicherungskreis –, wo wir vor Ort in einer eigenen Strahlenschutzzentrale – ich lade Sie gerne dazu ein, sie einmal zu be­sichtigen – Tag und Nacht bereit sind und die Messstellen überprüfen.


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Es ist glatt falsch! Es gab direkte Information Europas, es gab direkte Information Ös­terreichs, mit einem falschen Formular, so wie nach Ungarn, Italien und in die Inter­nationale Atomenergiebehörde auch. Zum Dritten haben wir in der direkten Anbindung der Messstellen gesehen, dass die Werte niemals hochgegangen sind.

Zwei direkte Anbindungskreise!

Das kann ich leider nicht so im Raum stehen lassen, wie Sie es behauptet haben, weil es zu einer Verunsicherung der Menschen in diesem Land beiträgt und nicht den Tat­sachen entspricht. (Ruf bei der SPÖ: Kein Applaus? – Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Heinzl zu Wort. 5 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.33.51

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gestrige Zwischenfall im AKW Krško hat wohl uns allen einen ziemlichen Schock versetzt. (Abg. Haidlmayr: Das war vorgestern, Herr Kollege!) Der Vorfall im slowenischen AKW hat uns gezeigt, dass die Atomkraft sehr gefährlich ist. Die Atomkraft ist technisch bei Weitem nicht ausgereift und deshalb, so meine ich, für die gesamte Menschheit eigentlich lebensbe­drohlich.

Leider – und das ist auch wahr – wird die Atomkraft trotzdem von vielen Ländern welt­weit genutzt. Das ist eine traurige Tatsache. Es ist aber meiner Ansicht nach eine Auf­gabe von uns allen in Österreich, in der Europäischen Union, aber auch auf der ge­samten internationalen Ebene aktiv gegen die Atomkraft zu kämpfen.

Die Atomkraft ist im Gegensatz zu dem, was Befürworter uns glauben machen wollen, keine Antwort auf die Klimaerwärmung. Sehr geehrte Damen und Herren, ein Atom­kraftwerk ist nicht klimaneutral! Das müssen wir immer wieder und verstärkt auch unse­ren Partnern in der Europäischen Union klarmachen.

Dazu muss Österreich die atomkritische Wissenschaft verstärkt unterstützen. Nur mit wissenschaftlichen Daten und Fakten kann Österreich andere Länder überzeugen. Österreich muss ein internationales Zentrum der Anti-Atomforschung werden. Sehr ge­ehrte Damen und Herren, nur mit dem Finger zu schnippen und zu hoffen, dass die böse Atomkraft von selbst verschwindet, ist leider unmöglich.

In den letzten Tagen sind sicherlich bei vielen von uns Erinnerungen an die schreck­liche Katastrophe von Tschernobyl wach geworden. (Abg. Neubauer: Gelernt habt ihr nicht daraus!) Aber, meine Damen und Herren, wenn wir uns schon gemeinsam an Tschernobyl erinnern, dann sollten wir auch nicht vergessen, dass es damals Tage, ja sogar Wochen gedauert hat, bis klar war, was wirklich passiert und geschehen war. Seien wir froh, dass wir in einem freien, vereinigten und demokratischen Europa leben, in dem Informationen auch weitergegeben werden! Das europäische Frühwarnsystem ist für die Sicherheit Europas, wie ich glaube, von entscheidender Bedeutung. Wie sich gezeigt hat, funktioniert das System, trotzdem besteht ein Bedarf nach Verbesserung.

Dass es sich bei diesem Zwischenfall in Slowenien um keine Übung, sondern um einen Ernstfall handelte, hat sich relativ schnell erwiesen. Aber, meine Damen und Herren, die slowenischen Behörden haben bei der Meldung des Vorfalls anscheinend das fal­sche Formular erwischt. Das ist ein Fehler, der eigentlich nicht passieren dürfte und sollte. Es muss deshalb restlos geklärt werden, wie es zum Austritt des Kühlwassers kommen konnte. Es muss auch geklärt werden, wie es passieren konnte, dass die slowenischen Behörden das falsche Formular verwendet haben.


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Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Temelín symbolisiert wie kein zweites Kraftwerk den Kampf Österreichs gegen die Kernkraft. Ich bin froh darüber, dass heute von vielen Rednern und auch vom Herrn Minister schon klar gesagt worden ist, dass das Melker Abkommen nach wie vor seine völkerrechtliche Gültigkeit hat.

Aber es gibt – und dessen müssen wir uns auch bewusst sein – leider noch gefährli­chere Atomkraftwerke als Temelín an Österreichs Grenzen, so zum Beispiel das AKW Mochovce. Der dortige Reaktor, haben mir Experten gesagt, ist bautechnisch weitaus gefährlicher als jener von Temelín.

Oder es gibt das AKW Bohunice in der Slowakei. Der slowakische EU-Beitritt verlangt ja, wie wir wissen, die Schließung dieses Kernkraftwerks mit Ende des Jahres. Aber der slowakische Ministerpräsident Fico möchte das Atomkraftwerk, wie er sagte, bis mindestens 2010 weiterbetreiben.

Sehr geehrter Herr Umweltminister! Ich möchte Sie höflich bitten, vielleicht direkt und unmittelbar mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Fico Kontakt aufzunehmen und zumindest zu versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass der Weiterbetrieb des AKWs nicht verhandelbar ist. Das AKW ist, so wie im EU-Beitrittsvertrag vorgeschrieben, noch heuer zu schließen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist sicherlich auch sinnvoll, mit jenen Regierun­gen zu verhandeln, welche in Grenznähe zu unserem Land AKWs betreiben. Zu ver­handeln wäre dahin gehend, eine Kommission gleich wie die Temelín-Kommission ein­zurichten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ein europäischer Atomausstieg hat un­verrückbar auch weiterhin Priorität für uns alle zu haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

16.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Kapeller zu Wort. 7 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.39.31

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Unumstritten: Wir alle hier herinnen sind Atomgegner. (Ruf bei der ÖVP: Glaube ich gar nicht!) Und ich behaupte eines: Wir sind das doch alle sehr zufällig geworden. Es war damals in Wirklichkeit eine politische Abstimmung und Entscheidung, so wie auch diese heutige Debatte politisch motiviert ist.

Natürlich, der Fall Krško macht bewusst und zeigt wieder auf, dass jedes AKW eines zu viel ist und dass in Wahrheit eine Nullvariante, ein Ausstieg aus der Atomenergie, das Ziel sein muss.

Wir alle hier herinnen, und das möchte ich schon betonen, können zwar keines ab­schalten, wir können aber seriös arbeiten und für die Menschen in Österreich, für die Menschen, die sich im AKW-nahen Grenzraum besonders betroffen fühlen und sich ängstigen, durch Verhandlungen eines erreichen, nämlich mehr Sicherheit durch mehr Informationen. Und dem kommt gerade diese Bundesregierung, gerade unser Bundes­minister für Umwelt besonders nach.

Nun zum Fall Krško: Der beste Vertrag – und wir müssen uns darüber auch im Klaren sein – hilft nichts, wenn menschliches Handeln dazu führt, dass es auf der einen Seite zu Fehlinformationen, zu Fehlalarmen kommt, dass das europäische Frühwarnsystem ECURIE ausgelöst wird und dann im bilateralen Abkommen mit Österreich eine Übungsannahme zelebriert wird. Der beste Vertrag wird dieses menschliche Verhalten nicht ausschalten können!


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Ich persönlich verstehe bei gewissen Debatten schon oft nicht, dass, wenn der kleinste Beamte in einem Ressort einen Fehler macht, dann immer die ministerielle politische Verantwortung gesucht wird, aber mir ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass, wenn menschliches Fehlverhalten in einem anderen Land zu einer Situation führt, ein Minister politisch dafür verantwortlich sein soll. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: So ist es!)

Jetzt möchte ich zu Ihnen kommen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Sie machen mit dieser Debatte zu einem sehr sensiblen Thema der Bevölkerung meiner Meinung nach unnötig Angst. Ihre Politik, so würde ich sagen, ist sogar sehr – und das Wort ist erlaubt, Frau Präsidentin – doppelbödig.

Sie fordern berechtigterweise neue und bessere Informationen, lehnen aber in der 53. NR-Sitzung hier herinnen das verbesserte und neue Nuklearinformationssystem mit der Begründung ab: weil Sie mehr wollen. (Abg. Dr. Lichtenecker: Weil es zu we­nig ... war, das wissen Sie!) – Also Sie fordern mehr, lehnen dann eine Verbesserung ab und sind dann mit dem Schlechteren, nämlich mit weniger, zufrieden. (Bundesminis­ter Dipl.-Ing. Pröll: So ist es!)

Sie fordern berechtigterweise eine europäische Lösung, einen europäischen Ausstieg aus der Atomenergie, und überall dort, wo Sie mitregieren – zufälligerweise oder irr­tümlich –, feiert die Atomenergie fröhliche Urständ und eine Renaissance. (Zwischenruf der Abg. Sburny.)

Sie werfen unserem Minister vor, die österreichische Bevölkerung nicht vor schweren Unfällen – ich zitiere – atomarer Art zu schützen. Das ist doch so – das wurde heute schon einmal gesagt –, wie wenn wir Sie, die Grünen, für die hohen Spritpreise auf die­ser Welt verantwortlich machen würden, weil Sie sie schon in Ihrem Wahlprogramm hatten!

Sie werfen ihm vor, dass das Melker Abkommen nicht völkerrechtlich verbindlich ge­macht wurde, dabei wissen Sie genau, dass das nicht gegangen wäre. – Auch hier wieder dasselbe: Wenn Sie nicht 100 Prozent erreichen, geben Sie sich lieber mit nichts zufrieden.

Sie werfen den Mitgliedern der Temelín-Kommission, auch mir, vor, bei der Sitzung
am 17. Dezember nicht bis zum Ende dabei gewesen zu sein, steigen aber bei die-
ser Sitzung aus der Kommission aus und nehmen in Kauf, gar nicht mehr dabei zu sein! – Das ist Ihre Art der politischen Verantwortung in diesem Land. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)

Frau Dr. Lichtenecker! Frau Kollegin! Sie kritisieren die Arbeit der Kommission. (Abg. Dr. Lichtenecker: Ich habe kritisiert, ... und wie sich ÖVP und SPÖ verhalten ha­ben!) – Ich bin im Zusammenhang mit der Sicherheit und in Verantwortung für die Men­schen im Grenzraum, insbesondere in meinem Wahlkreis, trotzdem froh, dass von acht offenen Expertenfragen zumindest sechs abgearbeitet werden konnten und wenigstens ein gewisses, wenn auch nicht das ultimative Sicherheitsgefühl erreicht wurde. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)

Sie wollen immer 100 Prozent. (Abg. Dr. Lichtenecker: Wir wollen Sicherheit, was wollen Sie?) Wenn Sie nicht 100 Prozent erreichen, dann geben Sie sich mit null zu­frieden. Das ist ja besser, als wenn man etwa 90 Prozent der Forderungen umsetzen könnte. – Das ist Ihre meiner Meinung nach sehr bedenkliche Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann das Ganze noch einmal wiederholen – ich hätte die Redezeit –, will das aber nicht. (Abg. Dr. Lichtenecker: Schonen Sie uns!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 184

Ich fordere Sie auf, Frau Kollegin Lichtenecker: Kommen Sie am Montag an den Ver­handlungstisch zurück! Fahren Sie mit nach Spitz und dann nach Klosterneuburg! Set­zen Sie sich mit uns dem tschechischen Kollegen vis-à-vis, stärken Sie wieder unsere Position! (Abg. Dr. Lichtenecker: Stimmen Sie zu! Stimmen Sie unseren Anträgen zu, Herr Kapeller!)

Schwächen Sie uns nicht, denn das bedeutet, Verantwortung für dieses Land zu ha­ben, und Atompolitik ist nicht geeignet für parteipolitisches Kalkül. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

16.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Ho­fer. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.45.13

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kapeller! Alles Gute zum Namenstag! Zumindest un­ehrlich, wenn nicht doppelbödig ist es, immer auf die Europäische Union zu verweisen, denn wir wissen ganz genau, dass auf EU-Ebene natürlich an der Kernkraft festgehal­ten wird. (Abg. Dipl.-Ing. Klement: Pass auf! Pass auf!)

Hier steht es Schwarz auf Rosa (der Redner zitiert aus einem „Standard“-Artikel): „EU-Staaten halten am Ausbau der Kernenergie fest“, und hier muss ich lesen, dass Herr José Manuel Barroso trotz „Zwischenfällen in Deutschland und Schweden kürzlich bei einer Tagung in Prag betont, dass man der Atomkraft künftig eine wichtigere Rolle“ – in Europa – „einräumen wolle“. Und auch in Italien will man weiter an der Atomkraft wer­ken und weitere Atomkraftwerke bauen.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, dass die Vorgangsweise der slowenischen Behörden völlig indiskutabel war. Ein Formular zu verwechseln in einer so wichtigen Angelegenheit, das ist doch etwas eigenartig. – Das wäre in etwa so, als hätten wir bei der Frage des Beitritts Sloweniens zur EU irrtümlicherweise nein statt ja gesagt: Es ist uns dann eben irrtümlicherweise passiert.

Meine Damen und Herren! Die Kernkraft ist eine Risikotechnologie, das ist unbestrit­ten. Immer wieder machen wir uns darüber Gedanken, was passiert, wenn sogenannte Schurkenstaaten – man kann darüber diskutieren, was Schurkenstaaten sind – an Atombomben basteln. Aber solch ein Schurkenstaat braucht gar keine Atombombe! Man kann einen ganz normalen Sprengkörper nehmen, eine normale Rakete, die mit einem normalen, herkömmlichen Sprengkörper ausgestattet ist, und ein Atomkraftwerk angreifen. Dann brauche ich keine Atombombe, dann geht das nämlich viel, viel einfa­cher. – Das ist das eine Argument. (Abg. Haidlmayr: ... Anleitung?!)

Das zweite Argument hat schon die Kollegin von den Grünen gebracht: Uran ist auch kein Stoff, der uns für alle Zeiten zur Verfügung steht. 45 bis 48 Jahre wird uns anrei­cherbares Uran noch zur Verfügung stehen.

Es werden neue Kraftwerke in China und Indien gebaut. Siemens hat jetzt ein neues Kraftwerk gebaut, lese ich im „WirtschaftsBlatt“, und hat eine Preisgarantie über 3 Milli­arden € abgegeben. Mittlerweile belaufen sich die Kosten auf 4,5 Milliarden €, Siemens wird hier also einiges an Geld verlieren. – Das ist nicht wirklich eine Technologie, die man sehr billig bekommt.

Daher, meine Damen und Herren: Versuchen wir, eine ehrliche Debatte zu führen! Wenn wir dem Vertrag von Lissabon zustimmen (Abg. Haidlmayr: Das hat nichts da­mit zu tun!), müssen wir uns auch die Frage stellen, ob uns es das wert ist, dass wir,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 185

da der Euratom-Vertrag Teil dieses Vertrages von Lissabon ist, nicht mehr die Möglich­keit haben, daraus auszusteigen. Jetzt können wir noch aus dem Euratom-Vertrag aus­steigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das können wir, sobald Lissabon in Kraft tritt, nicht mehr. Da müssen sich auch die Grünen die ehrliche Frage stellen: Wie wichtig ist uns unser Bekenntnis zu Europa? Ist das wichtiger als unsere grüne Überzeugung, oder ist es nicht wichtiger? (Abg. Sburny: Das Blöde ist, dass beides ...!)

Wir haben Gott sei Dank vom Völkerrechtsexperten Professor Michael Geistlinger den Hinweis, dass es kraft des Völkergewohnheitsrechts, das durch Art. 56 der Wiener Ver­tragskonvention kodifiziert wurde, möglich ist, aus dem Euratom-Vertrag auszusteigen, ohne die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen. – Jetzt noch! Wenn Lissabon in Kraft tritt, nicht mehr!

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hofer, Neubauer, Klement und weiterer Abgeordneter

betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, die im Sinne einer aktiven Anti-Atompolitik Österreichs und des Ergebnisses der Volksabstimmung über Zwentendorf eine Volksabstimmung über einen Ausstieg Öster­reichs aus dem Euratom-Vertrag vorsieht.“

*****

Ich möchte Sie sehr herzlich ersuchen, diesen Antrag zu unterstützen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns überlegen, was wir gegen diese Atomkraftwerke, gegen diese Gefahr rundherum tun können, so glaube ich nicht, dass, wenn die Grünen Regierungsverant­wortung wahrnähmen, sie in der Lage wären, diese Atomkraftwerke zu schließen. Das ist ein Vorwurf, den man auch der jetzigen Bundesregierung nicht machen kann.

Wir hatten aber einen Verhandlungsspielraum, als es beispielsweise um den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union gegangen ist. Da hätten wir ver­handeln können, was Temelín anlangt, da hatten wir auch – unter Anführungszei­chen – „ein Druckmittel“. Das haben wir jetzt nicht mehr.

Eines hätten wir noch: den Beitritt Tschechiens zur Euro-Zone – das ist ein Druckmittel, das wir noch haben. Und wenn wir uns nicht zu fein sind, können wir dieses Druck­mittel auch einsetzen, um unsere Ziele in Bezug auf Temelín zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Was können wir tun? – Wenn wir Österreichs Rolle in der EU hinterfragen, dann, so glaube ich, sollten wir uns für die Gründung einer Agentur für erneuerbare Energie mit Sitz hier in Wien als Gegenpol zur Euratom einsetzen, in der wir uns in der europäischen Gemeinschaft, in der Europäischen Union stark machen für diese erneuerbaren Energien.

Und was „scheinheilig“ anlangt – und diesen Vorwurf mache ich, und zwar uns selbst, der Energiepolitik in Österreich –: Scheinheilig ist es, wenn Österreich heute mehr


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 186

Atomstrom importiert, als Zwentendorf jemals produziert hätte, und wir gleichzeitig andere Länder kritisieren, in denen diese Atomkraftwerke stehen.

Wenn wir ehrlich sind, dann müssten wir alles daran setzen, dass wir so energieauto­nom werden, dass wir nicht mehr auf Atomstrom aus dem Ausland angewiesen sind. Aber solange wir das tun und solange wir Atomstrom importieren, haben wir jedes Recht verwirkt, andere Länder deswegen zu verurteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Hofer und weiterer Abgeordneter ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Dis­kussion.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hofer, Neubauer, Klement und weiterer Abgeordnete

betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft betreffend AKW Krsko in der 63. Sitzung des Nationalrates in der XXIII. GP. am 6. Juni 2008

Im Jahr 1956 wurde die Österreichische Studiengesellschaft für Kernenergie gegrün­det. Die Aktivitäten dieser Gesellschaft führten zum Beschluß der Bundesregierung über einen Energieplan, der drei Kernkraftwerke in Österreich vorsah. Das erste davon sollte in Zwentendorf gebaut werden. Am 5. November 1978 haben sich die Österrei­cher im Rahmen einer Volksabstimmung klar gegen die Nutzung von Kernkraft ausge­sprochen. Zwentendorf wurde nicht in Betrieb genommen. Im Herbst dieses Jahres jährt sich diese Volksabstimmung zum 30. Mal.

Unabhängig davon fließen beträchtliche finanzielle Mittel – jährlich 40 Millionen Euro – aus dem österreichischen Staatshaushalt an Euratom. Damit finanziert Österreich über diesen Umweg die europäische Atomenergie. Ein Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag und die Verwendung der dafür bisher gebundenen finanziellen Mittel für den Bereich Forschung und Entwicklung wären daher ein Gebot der Stunde. Im Geiste des Ergeb­nisses der Volksabstimmung über Zwentendorf und des Mitspracherechts der Österrei­cher in essentiellen Fragen wäre eine Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag zielführend.

Der Salzburger Völkerrechtsexperte Univ.-Prof. Michael Geistlinger hat den bedeu­tungsvollen Hinweis geliefert, daß es „Kraft des Völkergewohnheitsrechts, das durch Art. 56 der Wiener Vertragskonvention (WKV) kodifiziert wurde“ möglich ist, aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen ohne die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen. Ein Umstand, der andersmeinende Gutachten obsolet werden läßt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzulei­ten, die im Sinne einer aktiven Anti-Atompolitik Österreichs und des Ergebnisses der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 187

Volksabstimmung über Zwentendorf eine Volksabstimmung über einen Ausstieg Öster­reichs aus dem Euratom-Vertrag vorsieht."

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Scheibner zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


16.51.20

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sie wirken schon ein bisschen schläfrig heute, möglicherweise ist auch die Debatte von der Stimmung her so, dass sie Ihren Zustand ein bisschen fördert. Ich sage aber, dass ist unberechtigterweise so, denn das ist wieder einmal so typisch österreichisch, sage ich durchaus auch selbstkritisch: Solange nichts passiert, ist das alles kein wirkliches The­ma. (Abg. Neubauer: Alles leiwand!) – Da ist das gestrige Match der Oldies und Ama­teure Österreich gegen die Schweiz wichtiger und interessanter als die Frage, was denn wirklich mit diesem Meldewesen bei einem Störfall passiert.

Na Gott sei Dank: Ich hoffe es stimmt, was wir da an Meldungen bekommen haben. Gott sei Dank ist nichts passiert! Aber es war oder sollte für uns ein wirkliches Alarm­zeichen sein, wenn man sich diesen Zeitplan, den Sie ja dankenswerterweise in Ihrer Dringlichen Anfrage aufgelistet haben, hernimmt. Wie viel Zeit da verloren gegangen ist!

Allein dass die Herrschaften im AKW Krško eine Stunde brauchen, bis sie die eigene AKW-Leitung über einen derartigen Störfall informieren, zeigt ja schon, dass da etwas falsch läuft. Und dann benötigt man überhaupt fast vier Stunden, bis irgendjemand in Österreich informiert wird. Stellen Sie sich vor, Herr Bundesminister, ... (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) – Ja! Und dann wird das noch als „Übung“ bezeichnet.

Das ist ja kein Vorwurf an Sie, sondern ein Vorwurf an das Informationssystem und natürlich auch ein Vorwurf an Slowenien, aber hier muss etwas getan werden, denn es hilft uns nicht, danach die Schuldigen zu suchen! Denn wäre da etwas passiert, wäre wirklich massiv Radioaktivität ausgetreten und wir hätten vielleicht auch noch eine Süd­strömung gehabt, na, was wäre denn da in diesen vier Stunden, bis wir überhaupt ein­mal eine Information bekommen hätten, schon alles passiert, meine Damen und Her­ren?!

Das sollte man sich schon vor Augen führen und nicht in dieses alte Schema „Es muss erst etwas passieren, damit etwas passiert“ fallen, und zwar sowohl, was unsere Kon­takte zu Slowenien, aber auch zu den Betreibern von Kernkraftwerken anlangt, als auch, was die EU-Ebene betrifft. Solche Zeitabläufe sind ganz einfach unmöglich, und da muss es auch klare Konsequenzen geben, wenn ein Land diese Informationsaktivi­täten dermaßen vernachlässigt, wie das hier passiert ist.

Ich gebe aber auch allen recht, die sagen, Krško ist nicht das einzige Problem. Wie schaut es denn wirklich aus mit Temelín? – Herr Bundesminister, Sie wissen es. Wir haben in der damaligen Regierung sehr intensiv darüber diskutiert, wie wir mit diesem Problem zurande kommen. Wir wollten das damals auch durchaus mit den Beitrittsver­handlungen und dem nachfolgenden Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäi­schen Union junktimieren, aber da hat man dann sehr geschickt ein ganzes Paket geschnürt: Man konnte nicht über den einzelnen Beitritt, sondern man musste über alle zehn Beitrittswerber abstimmen.


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Und dann gab es noch das Argument: Ja, jetzt haben wir den Melker Prozess, und mit dem Beitritt Tschechiens in die Europäische Union haben wir viel mehr Möglichkeiten, Druck auszuüben, denn da kann man das alles irgendwie vor die EU-Gremien bringen, und das wird dann alles wunderbar. Herr Bundesminister! (Der Redner dreht sich zu Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll um, während eine Mitarbeiterin neben diesem steht.) – Vielleicht werden Sie gerade darüber informiert, was Sie jetzt sagen sollen, aber wie ist denn das jetzt? – Man hört überhaupt nichts mehr davon!

Die Tschechische Republik hat vor dem EU-Beitritt auch nichts davon gesagt, dass sie das Melker Abkommen nicht als völkerrechtlich verbindlich ansieht. Jetzt plötzlich ist es so! Was tun wir dagegen?

Das ist auch genau das, was wir befürchtet haben: dass dann, wenn vollendete Tatsa­chen geschaffen sind, niemand mehr etwas von irgendwelchen Verpflichtungen wissen will. Und das, was in Krško passiert ist, kann in Temelín und in anderen grenznahen Kraftwerken genauso passieren.

Da erhoffen wir doch, dass bevor etwas passiert, bevor es einen Störfall gibt, der auch unsere Sicherheit beeinflusst, vonseiten der österreichischen Bundesregierung mas­sive Aktivitäten gesetzt werden, vor allem um in Temelín das Ausstiegsszenario, aber auch, um in den anderen Bereichen zumindest ein Höchstmaß an Sicherheit und an Information zu erreichen.

Nur noch eine kleine Seitenbemerkung: Es ist interessant, dass auch die Grünen, aber auch andere, bemerken, dass die Sicherheit so wichtig ist. – Ich frage mich allerdings, warum man dann auch auf der EU-Ebene dagegen ist, dass man mehr Mittel in die Sicherheitsforschung gerade bei der Kernenergie investiert. Natürlich wollen wir die Null-Szenarien haben, aber solange wir mit Kernkraftwerken leben müssen, möchte zumindest ich, und auch meine Fraktion will das, dass alles in die Sicherheit und damit auch in die Sicherheitsforschung investiert werden kann, was den Sicherheitsstandard verbessert.

Und wenn es darum geht, gegen Terroranschläge vorzugehen? – Wir haben ja immer wieder gesagt, dass hier umfassende Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind, und zwar Informationsmaßnahmen, präventive Maßnahmen, aber notwendigerweise auch Abwehrmaßnahmen, etwa gegenüber Luftangriffen oder sonstigen terroristischen Maß­nahmen! Aber das ist ja auch etwas, was Sie dann in der Praxis nicht so gerne hören. – Ich will nicht von Doppelbödigkeit sprechen, sondern ich möchte hier nur klar sagen: Das ist ein wirkliches Problem, das ist umfassend zu sehen, etwa auch in den Bereichen des Militärs, wo man das sonst nicht so gerne hat.

Aber auf der anderen Seite – das sei vor allem auch an Sie gerichtet, Herr Bundes­minister – gilt: Hier muss mit aller Kraft und mit allem politischem Druck dafür gesorgt werden, dass ein solcher Informationsskandal, muss ich sagen, der Vergangenheit an­gehört, denn da geht es wirklich um elementare Sicherheitsinteressen unseres Landes. (Beifall beim BZÖ.)

16.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kog­ler. 7 Minuten gewünschte Redezeit; Restredezeit der Fraktion: 10 Minuten. – Bitte.

 


16.57.20

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ein Vorredner der ÖVP hat gesagt, dass er ein überzeugter Atomkraftgegner sei, wenn auch nur zufällig – aber vielleicht ist das ein Missverständnis. Ich halte also fest, dass das für viele von uns nicht zutrifft, dass man das nicht zufällig ist. Einige von uns sind


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 189

auch deshalb überhaupt erst in die Politik gekommen, weil es entsprechende Ausein­andersetzungen gegeben hat – bei mir zum Beispiel war es so.

Im Zuge dieser Auseinandersetzungen hat es auch eine Gruppe gegeben, die gegen und rund um die Inbetriebnahme genau dieses Kraftwerks, nämlich Krško in Slowe­nien, vor Ort – das war damals, Anfang der achtziger Jahre, noch nicht so witzig – de­monstriert hat. Sie tat das aus Gründen, die hier bisher eine geringere Rolle gespielt haben, aber ich möchte sie stärker in Erinnerung rufen, mich auch wirklich nur auf diesen Anlassfall beziehen und sozusagen einmal den Wahlkreis-Abgeordneten hier zum Durchbruch verhelfen, und zwar deshalb, weil – und diese Studien sind nicht widerlegt; meines Wissens hat sich das sogar verstärkt, wenn man Professor Kromp und seinen Aussagen, aber auch jenen anderer folgt – das AKW in einem tektonisch sehr sensiblen Gebiet liegt, also auf einer sogenannten Erdbeben- oder Bruchlinie. Ich halte das schon für ein gegenüber allen anderen herausragendes Problem, weil das hier ja hinzukommt! Das kommt hier ja zu allen anderen Fragestellungen hinzu!

Es wurde öfter darauf verwiesen, dass dieser Reaktor einer westlichen Typs ist – in der Tat hat ihn ja die amerikanische Firma Westinghouse errichtet –, aber damals hat es auch genau deshalb Probleme gegeben, weil er natürlich mit slowenischen, damals jugoslawischen, Ingenieuren errichtet wurde und bestimmte Elemente anderer Prove­nienz – die sogenannte Osttechnologie – eingeflochten wurden. Und genau das verur­sachte ja immer die größten Probleme. All das kulminiert in Krško!

Man mag sagen, Gott sei Dank ist so lange nichts passiert!, aber es ist ein spezielles Problem, wenn es zu meinem Leidwesen auch lange wegen der Debatte rund um Te­melín ein bisschen untergegangen ist. Dieses Krško ist im wahrsten Sinne des Wortes einen Bombe, wenn wir das mit dieser seismographischen und tektonischen Gefähr­dung ernst nehmen. – Okay, das ist vielleicht auch nichts Neues, aber da muss man etwas tun!

Ich gestehe, ich bin da auch relativ ratlos, aber eines muss ich schon sagen: Wenn hier dauernd auf die Verhandlungen rund um Temelín verwiesen und gesagt wird, es wurde ohnehin alles getan, während jetzt auf EU-Ebene wenig bis gar nichts mehr unternom­men wird, dann sehe ich das, ehrlich gesagt, nicht ganz ein.

Natürlich muss man weiter darum raufen und kämpfen, dass etwas geschieht, auch wenn die Aussichtschancen nicht so groß sind. Frau Kollegin Glawischnig hat das ja dargelegt: Unseren Recherchen zufolge wird, sobald man Österreich verlässt, gar nichts mehr getan. Wenn Sie schon so viel in der Gegend herumfliegen, dann sollte vielleicht doch einmal etwas dabei herauskommen. Das wäre doch ein Anreiz.

Abschließend, was die Informationspolitik betrifft: Es ist möglicherweise ohnehin alles richtig, was Sie geantwortet haben. Ich kann das gar nicht so genau beurteilen, obwohl ich unsere Unterlagen natürlich auch studiert habe, aber Folgendes kann ich diesen Unterlagen schon entnehmen, Herr Bundesminister: Als schließlich doch verwertbare Informationen in Wien angekommen sind – so habe ich das jedenfalls verstanden –, hat es immer noch eine respektable Zeit gedauert, bis von Wien aus die steirische Lan­deswarnzentrale verständigt worden ist.

Landeshauptmann Voves – da hat er mein volles Verständnis – ist relativ aufgebracht und hat gesagt, wenn das so ist, dann will er das, was ich mittlerweile auch für sinnvoll halte: eine direkte Informationslinie nach Graz zur Landeswarnzentrale und natürlich detto nach Klagenfurt. Das sind Distanzen von 60, 70 Kilometern von der Grenze weg. – Das ist ja gar nichts.

Ich sitze in Leibnitz, vertippe mich beim Herumzappen, schalte zufällig auf ARD, er­fahre dort, dass möglicherweise ein gröberes Risiko beseht und muss zur Kenntnis


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nehmen, dass in Österreich entweder noch niemand etwas weiß oder aber dass es dann, wenn Wien etwas weiß, immer noch eine Dreiviertelstunde dauert, bis ich etwas erfahre. – Wenn das so ist, schaue ich nur mehr ARD! (Beifall bei den Grünen. – Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll: Es war falsch!)

Ja, Sie können es ja eh wieder korrigieren. Ich habe ja gesagt, ich weiß es nicht im Detail. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: ... weil wir eine Übungsmeldung hatten und die Deutschen nicht!) Ja, aber irgendwann haben Sie das verifiziert. Unserem Schema nach – so verstehe ich die Recherchen von unserem Klub – hat es von Wien nach Graz dann noch zusätzlich gedauert. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vor­sitz.)

Außerdem ist es ja auch kein Schaden, wenn die steirische Landeswarnzentrale – ich greife nur den Vorschlag von Landeshauptmann Voves auf, der kommt mir plausibel vor! – eben auch eine Übung mit „Exercise“ hat, denn irgendwann kommt da vielleicht auch der Ernstfall.

Ich bin ohnehin der Letzte, der jetzt sagen würde, Sie seien an irgendetwas schuld. Das wäre aber zumindest etwas, das man, wie auch mir sofort aufgefallen ist, korrigie­ren könnte und sollte. Ich schließe da – selten genug, aber doch – an meinen Vorred­ner Scheibner und vor allem an Kollegen Veit Schalle an, der ganz klar herausgearbei­tet hat, was das etwa auch für die Kärntner Region heißt.

Wenn man sonst schon nicht viel verhindern kann: Wenn es bei bestimmten Typen von Unfällen sehr viel ausmacht, dass man die Bevölkerung binnen Minuten verständigt, sodass man die Leute zumindest für die erste Zeit in geschlossene Räume bringt – Tschernobyl wäre ja so ein Fall gewesen –, dann ist wenigstens für diesen Typ Unfall etwas gewonnen. Diese Chance sollten wir uns nicht vergeben. – Von den anderen Unfällen wollen wir ohnehin nicht reden. Da hilft nur eine andere Energiepolitik. (Beifall bei den Grünen.)

17.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.03.33

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorfall in Krško war ein Warnschuss. Es hat zwar, wenn man den Verantwortlichen Glauben schenkt, keine unmittelbare Gefahr be­standen, aber dieser Vorfall führt einmal mehr vor Augen, wie recht Österreich mit sei­ner atomkritischen Haltung hat und welche Fehlentwicklung es war und ist, internatio­nal auf Atomkraft zu setzen.

Heute noch leiden Tausende Menschen an den Spätfolgen von Tschernobyl. Wir wis­sen aber, es existieren noch jede Menge Kernkraftwerke dieser Bauart oder so wie in Krško Anlagen, die, wie von allen Expertinnen und Experten immer wieder betont wird, auf einem völlig ungeeigneten Grundstück errichtet wurden, auf einem tektonisch in Bewegung befindlichen Areal, einem stark erdbebengefährdeten Gebiet. Das ist ein Bedrohungspotential für ganz Europa.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist keine innerstaatliche Angelegen­heit. Natürlich kann jeder Staat die Wahl über seine Energiequellen selbst treffen. Ös­terreich behält sich dieses Recht auch vor, und dieses ist ja auch im Reformvertrag abgesichert. Die Autonomie muss jedoch dort aufhören, wo die Sicherheitsinteressen der anderen Staaten berührt werden.

Herr Minister! Deshalb müssen gerade wir als atomfreier Staat darauf bestehen, dass zumindest die internationalen Abkommen, die es gibt – und die sind ohnehin alles an-


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dere als ausreichend, auch nicht das vielgerühmte Melker Abkommen, aber immerhin, das gibt es wenigstens –, auf Punkt und Beistrich erfüllt werden.

Dieser gesamte Vorfall muss lückenlos aufgeklärt werden. Da sind – das liegt auf der Hand – Versäumnisse zu verantworten oder vielleicht sogar bewusste Vertuschungen. Aus diesem Fall muss man lernen, und deshalb haben Transparenz und Aufklärung höchste Priorität. Es gibt unter den EU-Mitgliedstaaten das Frühwarnsystem ECURIE, und nun ist auch seitens der Kommission zu prüfen, ob dieses erfüllt wurde.

Auf keinen Fall dürfen diese Vorfälle verharmlost oder gar als Panikmache hingestellt werden. Es ist zu evaluieren, ob dieses System verbesserungsbedürftig ist, und vor al­lem müssen Meldeverfehlungen auch Konsequenzen haben. Da muss man auch über Sanktionen reden. Und wenn jetzt über eine EU-Atomsicherheitsagentur nachgedacht wird, dann muss auch das ein integraler Bestandteil dieser Überlegungen sein.

Eine offene Frage ist natürlich auch die innerstaatliche Informationspolitik. Es ist jetzt noch nicht wirklich geklärt, warum die Landeswarnzentrale der unmittelbar angrenzen­den Steiermark erst um 19.17 Uhr von der Sache informiert wurde. (Zwischenbemer­kung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Da pflichte ich meinem Vorredner Kollegen Kogler vollinhaltlich bei.

Herr Minister! Ohne Schuldzuweisungen vornehmen zu wollen: Aus diesem Fall müs­sen wir alle gemeinsam lernen. Man sollte aus diesem Fall wirklich Schlüsse ziehen, und ich frage Sie noch einmal zusammenfassend: Welche Schlüsse ziehen Sie konkret daraus? (Abg. Neubauer: Sie sind ja in der Regierung!) Ohne eine Schuldzuweisung vorzunehmen zu wollen: Wir müssen aus diesen Vorfällen lernen. Es ist ein Warn­schuss.

Wir wissen, Österreich steht mit seiner atomkritischen Haltung weltweit ziemlich alleine da. Deshalb haben wir einen besonderen Auftrag zur Bewusstseinsbildung, der auch wahrgenommen wird, auch wenn Sie das nicht anerkennen. Das ist nicht immer leicht. Natürlich kann man den Euratom-Vertrag nicht aus der Welt schaffen. (Abg. Neu­bauer: Kann man! Das ist ein Irrtum, das kann man nämlich schon!) – Nein, nein, hören Sie zu! Eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Union und der Euratom-Vertrag sind nicht zu splitten, denn das ist ein Gründungsvertrag. (Abg. Neubauer: Ist ja nicht wahr! Sie kennen bis heute den Vertrag nicht!)

Kollege Hofer hat – seine Beweggründe sind durchaus nachvollziehbar – wenigstens den Versuch einer rationalen Erklärung unternommen, im Gegensatz zu seinen Kolle­gen von der Freiheitlichen Partei. Aber Sie sollen auch anerkennen, dass die künftige Revision des Vertrages auch bei den Verhandlungen über den Reformvertrag ein gro­ßes Thema war – ein Thema, das von Österreich sehr stark forciert worden ist. Inso­fern ist die Behauptung überhaupt grundfalsch, dass der Reformvertrag den Euratom-Vertrag aufwertet.

Dieser besteht unabhängig vom Reformvertrag und wird endlich auch als überarbei­tungsbedürftig anerkannt. Es geht darum, Sicherheitsfragen stärker zu verankern, vor allem bei den Effizienzberechnungen Kostenwahrheit herzustellen, dass die Sicher­heitskosten, die Haftung, die Risken, besonders auch die Entsorgungskosten für Brennstäbe und sonstige radioaktive Materialien realistisch bei den Effizienzberech­nungen einkalkuliert werden.

Dann kommt man sicherlich zu ganz anderen Ergebnissen als bei den herkömmlichen Berechnungen. Auf gar keinen Fall können wir uns damit abfinden, dass die Atomkraft einen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten kann. Herr Minister! Allen derartigen Tendenzen ist auf europäischer Ebene entschieden zu widersprechen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

17.09



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 192

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.09.23

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hochgeschätzter Herr Bundesminister! Werte Kollegen Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Eine Diskussion über die Sicherheit von Atomkraftwerken ist grundsätzlich zu begrüßen. Bei einem so fundamental bedeutsamen Thema bedarf es aber einer korrekten und objektiven Betrachtungsweise. Populismus und das Schielen auf Landtagswahlen sind keine brauchbaren Methoden dafür.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicherheit bei atomaren Stör- und Unglücks­fällen ist eine aus meiner Sicht sehr bedeutsame Thematik, und kein anderes Land in Europa hat so sehr das Recht wie Österreich, sich mit dieser Thematik sehr kritisch auseinanderzusetzen, ist doch Österreich jenes Land, das bereits vor Jahrzehnten in einem Volksentscheid festgelegt hat, dass wir in Österreich die friedliche atomare Nut­zung ablehnen, weil uns und der Bevölkerung die Risken, die damit verbunden sind, im hohem Maße bewusst sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat in der Beant­wortung der Fragen, die ihm heute im Zuge der Dringlichen Anfrage gestellt wurden, sehr detailliert darauf verwiesen, dass Österreich seit Jahren mit seinen Nachbarlän­dern mithilfe modernster Technik ein Informationssystem aufgebaut hat, sodass bei Störfällen rasch gehandelt werden kann. Das ist ein wesentliches Sicherheitsmerkmal, das uns von anderen Ländern wesentlich unterscheidet, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Wenn man dieser Diskussion und den Worten so mancher meiner Vorredner gelauscht hat, konnte man ja zeitweise den Eindruck gewinnen, als wäre der Herr Bundesminis­ter für manch altes österreichisches Atomkraftwerk verantwortlich. Realität ist, dass in den letzten Regierungsübereinkommen vereinbart wurde, welcher Weg in Bezug auf die Energieversorgung in Österreich gegangen werden soll, und das ist ein sehr klarer Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Diskussion in Bezug auf Schäden, die durch atomare Störfälle entstehen können, ist ein weiterer Mosaikstein, der unter Beweis stellt, dass die Entscheidungen, die in diesem Hause getroffen wurden – wie die Vorbereitungen für die verschiedenen Ge­setze in Bezug auf Ökostrom und Energieeffizienz beziehungsweise die Gesetze, die noch in Vorbereitung sind –, gut sind und der richtige Weg gegangen wird.

Das Energieflussbild der Republik Österreich zeigt klar und deutlich auf, welch hohen Stellenwert erneuerbare Energie in Österreich heute schon hat. Wir müssen uns alle­samt darüber im Klaren und dessen bewusst sein, dass die Energiethematik in Zukunft eines der zentralen politischen Themen sein wird, und zwar nicht nur in diesem Haus, sondern weltweit. Wir müssen unser Augenmerk markant auf das Energiesparen legen und den Versuch unternehmen, so viel erneuerbare Energie wie möglich einzusetzen.

Etwas verwundert hat mich die Aussage, die Herr Landeshauptmann Voves in den Raum gestellt hat, er sei schlecht oder zu spät informiert worden. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.) Faktum ist, dass alle Landeshauptleute gleichzeitig aufgrund einer Sternmeldung informiert worden sind, was nachvollziehbar und verständlich ist.

Was mich persönlich wundert, das ist die Frage, warum der Herr Landeshauptmann in den vergangenen Jahren nicht Kontakt zu seinem Nachbarland aufgenommen und ent­sprechende Beziehungen aufgebaut hat, um diese Informationsflüsse zu verbessern.

Als Bürgermeister einer kleinen Grenzgemeinde habe ich mit dem Sicherheitsdirektor von Südböhmen persönlich Kontakt aufgenommen und habe an einer Temelín-Übung


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teilgenommen, bei der ein derartiger Störfall simuliert wurde. Mir wurden dabei die Ab­läufe klar und deutlich bewusst, und die Beziehungen und Kontakte, die dabei eine Rolle spielen, sind bei verschiedenen Konfliktfällen durchaus sehr dienlich, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zum Schluss möchte ich noch all jenen, die den Glauben haben, dass die Nutzung von Atomenergie in Zukunft wieder mehr an Bedeutung gewinnen wird, eine Empfehlung abgeben, nämlich Urlaub in Tschernobyl zu machen, um ihren Verstand in diesem Zu­sammenhang zu schärfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass eine objektive Diskussion in Bezug auf dieses Thema durchaus ein markanter Beitrag für die Sicherheit der Bürger in unserem Lande sein kann. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

17.14


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Neu­bauer zu Wort. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


17.14.21

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich noch kurz auf die Worte von Herrn Kollegem Hornek eingehe. Ich glaube nicht, dass in der heutigen Debatte irgendjemand besonders auf die bevorstehenden Landtagswah­len schielt. Wenn jemand hinschielt, wird das wahrscheinlich der Großteil der ÖVP sein, die ja gemäß Umfragen nicht unbedingt gut liegen soll. Da wird, glaube ich, be­sonders gut nach Tirol geschielt werden. (Ruf bei der ÖVP: Darf ich Ihnen das nieder­österreichische Ergebnis zeigen? Abg. Murauer: Der Wunsch ist der Vater des Ge­dankens! Ihr werdet euch noch wundern!)

Ich darf mir erlauben, auch dem Kollegen Schopf kurz zu antworten. Er hat jene kriti­siert, die aus der Temelín-Kommission ausgeschieden sind. Lieber Kollege! Ich darf dir schon Folgendes sagen: Ich werde dann noch genau darauf eingehen, warum das ge­schehen ist. Du wirst es ja ohnehin wissen. Was aber wirklich ein Skandal ist: dass die SPÖ in Oberösterreich aus der Anti-Atomkonferenz ausgestiegen ist. Das ist wirklich sehr verwerflich, denn die Energie-AG zum Thema im Zusammenhang mit einem Aus­stieg aus der Anti-Atomkonferenz zu machen, haben die Menschen in Oberösterreich bis heute nicht verstanden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was aber, wie ich meine, auch bemerkenswert ist: Es gibt einen Störfall in Krško, und ganz Europa schreit auf. Es gab in Temelín bereits mehr als 110 Störfälle massiver Natur, und wir alle sind offenbar schon so abgestumpft, dass wir uns darum kaum noch ernsthaft bemühen und uns kaum damit auseinandersetzen. Das ist eigentlich sehr beschämend, denn die Menschen im Grenzraum zu Tschechien haben auch bei jedem Störfall eine solche Diskussion verdient, wie sie heute wegen Krško aufgeführt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wäre den Menschen zuträglich.

Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir, dass ich auf Ihre Beantwortung auch ein biss­chen eingehe. Sie haben uns viel erzählt, Sie haben viel gesagt, aber ehrlich gesagt bekomme ich einfach das Gefühl nicht los, dass Sie all das, was Sie gesagt haben, nicht wirklich ehrlich gemeint haben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Stimmt nicht!)

Warum habe ich dieses Gefühl, dass seit zehn Jahren zwar immer wieder Beteuerun­gen abgegeben werden, wenn irgendwo irgendetwas passiert, aber eigentlich nicht wirklich etwas geschieht? – Das ist es doch, was die Menschen erwarten. Seit zehn Jahren kommt dieses Thema immer und immer wieder, und Tatsache ist, dass nicht wirklich etwas geschieht. Sie selber haben gesagt, Sie werden weiter darum kämpfen,


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gegen die Atomkraft einzutreten. Warum gibt es dann bis heute keine rechtsverbind­lichen Normen bei Atomkraftwerken? Warum gibt es das alles nicht?

Ich glaube, dass das reine Verbalerotik und Placebo für die Bevölkerung ist, um den Menschen zu suggerieren, dass die Sicherheit ohnehin durchaus gewährleistet ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Der wirkliche Wille, gegen die Atomkraft in Europa, gegen die Länder aufzutreten, besteht jedoch nicht wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Das wird die Wahrheit sein.

Wenn Kollege Kapeller sagt, der Minister sei ja nicht zuständig für den Störfall, dann gebe ich ihm recht. Er hat aber auch gesagt, dass es dort, wo Menschen arbeiten, durchaus auch zu menschlichen Verfehlungen kommen kann. Ich muss Ihnen sagen: am 29. November 2001 hat man mit dem Melker Abkommen die Nullvariante zu Grabe getragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bis zu diesem Zeitpunkt hatten selbst ÖVP-Landeshauptleute an dieser Nullvariante festgehalten. Wir haben mit diesem Tag, mit diesem Melker Abkommen – ich sage deshalb Abkommen, weil ja die Tschechen von keinem Vertrag sprechen – die Variante, Temelín noch wirklich bekämpfen zu können, zu Grabe getragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute noch zu behaupten, man hatte damals immer noch das Ziel, Temelín trotzdem noch zu verhindern, ist eigentlich nur mehr Augenauswischerei. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Vertrag war für uns immer völkerrechtlich verbindlich. Wir haben aber bereits bei den ersten Durchsichten dieses Abkommens gesehen, dass da massive rechtliche Fehler gemacht wurden. Ich will jetzt niemandem unterstellen, dass sie bewusst ge­macht wurden, um den Tschechen irgendwelche Hintertüren offenzuhalten, aber es ist schon sehr bemerkenswert, dass ganz einfache Dinge wie die Verankerung einer Streitbeilegungserklärung nicht einmal enthalten waren. Das hat ja im Wesentlichen den allesamt bekannten Beschluss des hiesigen Parlaments verhindert, nämlich eine Völkerrechtsklage einzureichen.

Obwohl Tschechien bereits im November 2006 auf das Melker Abkommen „gepfiffen“ hat, indem es eine vorzeitige Kollaudierung gemacht und dadurch gegen dieses Ab­kommen verstoßen hat, haben sie uns bei der Temelín-Konferenz dezidiert gesagt: Das Melker Abkommen ist für uns kein völkerrechtlich bindender Vertrag.

Das war in Prag. Dann hat man über Rückfrage gesagt, das Abkommen ist nicht ein­mal ein Vertrag, sondern ein Fetzen Papier. Dann haben wir nach der Mängelbehe­bung gefragt und danach, wann wir die Gutachten bekommen. Da hat es geheißen, bis zur Sitzung in Wien. Auf Nachfrage, wo die Gutachten sind, hat es geheißen, die sind wieder einmal nicht gekommen.

Sie haben zu diesem Zeitpunkt 17 Mal die Informationspflicht nicht eingehalten und verletzt. Wir sind draufgekommen, dass 17 Störfälle nicht an Österreich gemeldet wur­den. Das ist nicht nachvollziehbar und das ist auch nicht verzichtbar und auch wirklich nicht tolerierbar, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn uns Herr Dr. Kromp vor drei Tagen mitgeteilt hat, dass die wichtigsten Mängel am AKW Temelín bis heute nachträglich nicht behoben sind, verstehe ich überhaupt nicht, wie man am Montag mit einem reinen Informationsabkommen das Auslangen fin­den will und die ganzen Interessen Österreichs zu Grabe tragen will; und welche Feh­lerhaftigkeit so ein Abkommen haben kann, sieht man ja jetzt am Störfall Krško. Das ist eine Brüskierung der österreichischen Interessen. Das ist eine Brüskierung jener Mil-


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lion österreichischer Staatsbürger, die ein Volksbegehren gegen die Atomkraft unter­zeichnet haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Herr Bundesminister! Vielleicht kennen Sie auch jene Studie nicht, die vor zwei Wo­chen vom Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland veröffentlicht wurde. Dem­nach sind Kinder in einem Umkreis von 50 Kilometern, von 100 Kilometern und im Ex­tremfall – je nach Windrichtung und Lage – von 200 Kilometern eines Atomkraftwerkes massiv von Krebsgefahr betroffen und massiv gefährdet. Man hat dann, weil diese Studie so eindeutig war, innerhalb von drei Tagen versucht, zurückzurudern und die betroffenen Ärzte, die diese Studie erstellt hatten, zurückzupfeifen. Es ist nicht gelun­gen. Gott sei Dank haben sich die nicht zurückpfeifen lassen. Aber man erkennt daran, welche Macht diese Lobby in Europa hat.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie wirklich, dass Sie dem, was Sie uns heute hier gesagt haben, endlich Taten folgen lassen, endlich auf europäischer Ebene mit den zuständigen Behörden in Gespräche treten und diese Maßnahmen setzen, die für die Sicherheit der österreichischen und der europäischen Bevölkerung einfach vonnöten sind. Darum darf ich Sie ersuchen: Wenn es ein Raus aus der Atomenergie geben sollte, wäre es uns Freiheitlichen natürlich die liebste Lösung. (Beifall bei der FPÖ.)

17.22


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Köfer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


17.22.53

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Wenn man über Krško diskutiert, muss man aber auch wissen, dass das AKW Krško auf einer Erdbebenlinie liegt und somit eine Zeitbombe darstellt, die jederzeit scharf gemacht werden und auch losgehen kann. Diese perma­nente Gefahr für die Kärntner Bevölkerung ist uns seit Jahrzehnten bewusst, und jeder Störfall und jedes Erdbeben – und davon hatten wir ja in den letzten Jahrzehnten auch nicht so wenige – verbreitet Angst, vor allem vor der ultimativen Katastrophe auf unse­rem Bundesgebiet.

Eine Aktuelle Stunde dazu ist wahrscheinlich zu wenig, wenn es nur darum geht, dar­über zu diskutieren, und man dann zur Tagesordnung übergeht. Daher, glaube ich, könnte man die Linie des damaligen Bundeskanzlers Franz Vranitzky verfolgen, der schon in den neunziger Jahren Slowenien eine Ausstiegshilfe angeboten hat und in Alternativenergie – sprich in die Wasserkraft – investieren wollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das wäre die beste Hilfe für Kärnten, und das wäre auch eine große Hilfe für Österreich, wenn die Wasserkraft forciert werden könnte und somit ein wirtschaft­licher Ausstieg für Krško möglich wäre. Leider haben wir es in Kärnten nicht sehr ein­fach, da unser Landeshauptmann keine sehr positiven Kontakte zu Slowenien und Kroatien pflegt. Daher ist auch vor allem der Zugang und der Weg zum Ausstieg aus der Atomkraft etwas verstört. (Beifall bei der SPÖ.)

17.24


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.24.33

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass einiges ver­bessert werden muss, vor allem am Informationssystem, aber es ist auch ein anderer Umgang mit dem Problem nötig. Denn wenn wir hier alle stehen und bedauern, dass


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es Atomkraftwerke gibt, so sehen wir auf der anderen Seite, dass es von der Europäi­schen Union klare Ansagen in eine andere Richtung gibt. Wenn ich nur an die Ansage von Barroso denke, der die Atomkraft als eine gute und saubere Energie bezeichnet und Emissionen noch hervorhebt, da sie vorteilhafter, weil geringer, sind. Wenn ich mir die amerikanische Aussage von Bush anschaue, der da sagt, we will go ahead with nuclear energy power because it is save and clean. Das ist die Mentalität: save and clean – und Barroso übernimmt diese Diskussion fast in gleichen Worten. Dann steht einer nach dem anderen da und meint, dass wir sozusagen die Verhinderung an sich betreiben können, wo doch gerade die Programme dorthin laufen, dass sie ausgebaut werden.

Ich persönlich bin ein Anhänger des totalen Ausstiegs. Nur, wir werden ihn nicht schaf­fen. Daher müssen wir eines schaffen, das Zweite nämlich, die Sicherheit, die wir hier verbessern müssen. Ich bin zutiefst überzeugt, da gibt es zweifellos Gesprächsmög­lichkeiten. Ich finde es nicht angemessen, wenn man auf der einen Seite zum Beispiel den Melker Prozess so hinstellt, als hätte er nicht viel gebracht, und man auf der an­deren Seite gleichzeitig sagt, vielleicht könnte man Melker Prozesse bilateral auf viele Länder ausweiten.

Kollege Schopf hat das ja angesprochen, dass man diese Prozesse nicht nur bilateral mit Tschechien macht, sondern eigentlich mit vielen Nachbarländern. Meiner Auffas­sung nach wäre das eine vornehme und wichtige Aufgabe für die Europäische Union, genau diese Gespräche einzuleiten, genau diese Sicherheitsnormen zu vereinheitli­chen. Denn wenn ich mir überlege, womit sich die EU alles beschäftigt – geradezu mit Kleinigkeiten, die die Bürger eh nicht verstehen. Mit den ganz großen Dingen, wie zum Beispiel einheitlichen Sicherheitsstandards, einem Informationssystem, einem System der Warnung und der entsprechenden Weitergabe von Informationen –, damit beschäf­tigt man sich aber viel zu wenig.

Ich glaube, die Euratom-Frage sollte man in Richtung verstärkter Sicherheitspolitik be­treiben und nutzen, wenn man schon nicht aussteigen kann. Ich bin überzeugt, dass es eine gemeinsame Aufgabe dieses Hauses ist, die Weichen so zu stellen, dass wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Sicherheit vermitteln können, durch höhere Standards, aber auch durch mehr Information.

Als einer, der sehr oft an der Grenze von Tschechien und der Slowakei gestanden ist, um gegen die Atomkraftwerke dort zu demonstrieren, im Übrigen auch Schulter an Schulter mit Landeshauptmann Pröll, seinem Onkel, weil wir gegen Dukovany, gegen Mochovce waren – wir haben seinerzeit die längsten Listen zustande gebracht, gegen Mochove, gegen Bohunice –, sage ich Ihnen, trotz all dieses Engagements ist es uns nicht gelungen, Atomkraft zu verhindern. Daher müssen wir eine andere Strategie an­wenden: nämlich eine, wo die Ablehnung klar ist, wir aber gleichzeitig wissen, dass wir, wenn es nicht verhinderbar ist, weil die Souveränität der Staaten in der Energiepolitik gegeben ist, die Sicherheit für die Menschen im maximalen Umfang garantieren wol­len. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.28


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Aus­stieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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17.29.15Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3773/AB

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zu der kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit der Ordnungszahl 3773/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun die Frau Abgeordnete Zwerschitz als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.29.59

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Wertes Ple­num! Idyllische Berge, saftige Wiesen, ein paar Kühe, die dort weiden, natürlich strah­lender Sonnenschein – so präsentiert sich Österreich in der Österreich-Werbung für den Sommertourismus. Und so leben, Gott sei Dank, in Österreich auch noch viele Menschen – genau die Landbevölkerung, der wir es verdanken, dass diese Flächen auch gepflegt werden, der wir es verdanken, dass unsere Natur so ist, wie sie ist.

Jetzt stellen Sie sich aber vor: 6 000 Mal am Tag „njaaannn“. (Die Rednerin ahmt das Geräusch eines vorbeifahrenden Motorrads nach.) Das ist genau das Problem, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen. (Allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Bei­fall. – Abg. Öllinger: Der war gut! – Abg. Dr. Haimbuchner: Noch einmal! Noch ein­mal!)

Das Problem des wachsenden Motorradverkehrs betrifft mehrere Ministerien. Gerade der Umwelt- und Landwirtschaftsminister ist aber auch dazu aufgefordert, genau die­ses Land, die Bevölkerung zu schützen.

In seiner Anfragebeantwortung sagt Minister Pröll zu Recht, Lärm ist nicht nur ein Ärgernis, er gefährdet auch die Gesundheit. Immerhin ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher leidet unter diesem Lärm. 73 Prozent der Betroffenen sehen im Verkehr den Hauptverursacher. Nach Ihrer Anfragebeantwortung, Herr Minister, sind Sie sich also des Problems sehr wohl bewusst. Aber das Problembewusstsein allein reicht nicht, wir brauchen dafür auch Lösungen. Wir brauchen Maßnahmen gegen den zunehmenden Motorradverkehr. Immerhin gab es 2006 332 000 Stück davon. (Abg. Dr. Haimbuchner: Ich bin ein begeisterter Motorradfahrer!) Ich möchte es nicht verteu­feln, dass mit Motorrädern gefahren wird, aber man muss einen Ausgleich dafür schaf­fen, dass die Landbevölkerung, die ohnehin in vielen Bereichen benachteiligt ist, das Ruhebedürfnis, das sie oft dazu gebracht hat, am Land zu wohnen, auch wirklich be­friedigen kann. (Abg. Dr. Haimbuchner: Ich fahre sogar zwei!)

Es geht hier jetzt nicht darum, dass einzelne Motorräder fahren, aber es geht sehr wohl um diejenigen, die auf den Strecken Rennen veranstalten, die mit hochfrisierten Gerä­ten fahren oder die mehrmals eine Strecke fahren und versuchen, ihre eigenen Ge­schwindigkeitsrekorde zu übertreffen.

Selbstverständlich ist das auch Angelegenheit der Landeshauptleute. Ich und mehrere Bürgerinitiativen haben diese auch angeschrieben. Was sagen nun die Landeshaupt-


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leute dazu? – Landeshauptmann-Stellvertreterin Schaunig sagt, die Kontrolle der Ein­haltung der gesetzlichen Vorschriften ist eine Maßnahme. Voves will, dass auf die an­wohnende Bevölkerung Rücksicht genommen wird. Dort hat übrigens auch Oberst Staudacher von der Landespolizei in der Steiermark vermehrte Kontrollen für 2008 ver­sprochen.

Dörfler, der Landeshauptmann-Stellvertreter von Kärnten, weist darauf hin, dass es auf der Soboth besondere Markierungen gibt und dass die entsprechende Geschwindig­keitswahl den Motorradfahrern durch Schilder deutlich gemacht werden soll.

Landeshauptmann Pröll, der auch zahlreiche technische Überprüfungen vorschlägt, redet von Inseratenkampagnen und der Aufstellung großflächiger Tafeln und Plakat­schilder (Abg. Sburny: Da ist er wirklich gut!), was vielleicht für die anwohnende Bevöl­kerung auch nicht unbedingt eine Augenweide ist. Abgesehen davon ist es fraglich, ob das mehr für die Motorradfahrer oder für die dort wohnenden Leute ist.

In Oberösterreich war es der Landeshauptmann-Stellvertreter Ing. Haider, der Antwort gegeben hat. (Abg. Dr. Haimbuchner: Der fährt überall mit dem Motorrad hin!) Er hat gemeint, Bewusstseinsbildung und Überzeugungsarbeit wären notwendig.

Landeshauptmann Nissl vom Burgenland war für die Herabsetzung der Höchstwerte der Motorgeräusche beim Betrieb im Straßenverkehr als wirksames Mittel zur Lärm­minderung.

Und natürlich auch van Staa: Wir haben zahlreiche hervorragend ausgebaute Bergstre­cken. Das findet sich in Reiseführern, im Internet, und es gibt auch genug Führer, die die Motorradstrecken als Biker-Strecken anpreisen. Dann schreibt er noch, dass die meisten Motorradlenker ohnehin korrekt unterwegs sind und dass sich alle in hohem Maße an die Geschwindigkeitslimits halten würden. Gleichzeitig schreibt er ein biss­chen weiter unten: Mehrere tausend Organstrafverfügungen wurden ausgestellt, und 3 880 Motorradlenker wurden wegen schwerer Überschreitungen zur Anzeige ge­bracht.

Es ist überhaupt interessant, wie oft Motorradfahrer erklären, dass sie es ja eigentlich gar nicht sind, die sich nicht an die Spielregeln halten. Trotzdem leidet die Bevölke­rung – auch wenn alle möglichen Landeshauptleute behaupten, was sie alles machen. Jede Menge Menschen, mit denen ich in den letzten Monaten in Kontakt war, behaup­ten, dass es diese Maßnahmen gar nicht gibt, dass Papier geduldig ist und dass sie eigentlich die Kontrolle und die Maßnahmen schwerstens vermissen.

So habe ich zum Beispiel von einer Bürgerinitiative in Tirol, dass der lärmende Aus­flugsverkehr für das Tourismusland Tirol kontraproduktiv ist (Zwischenruf des Abg. Hornek), dass der Personalmangel bei der Exekutive spürbar ist, dass es fehlende Lärmmessgeräte gibt und dass auch Messboxen fehlen. Gleichzeitig wird auch von guten Umsätzen für das Gastgewerbe gesprochen.

Eine andere, steirische Bürgerinitiative: Wertverlust der Liegenschaften beziehungs­weise Verlust an touristischem Potential.

Ein Gastwirt hat mir erzählt, dass er es super findet, wenn Motorradgruppen bei ihm im Gastgarten sitzen, das macht viel Umsatz. Das Problem ist nur, man kann sich dort nicht unterhalten, weil die Motorradfahrer, die in der Zwischenzeit vorbeifahren, derar­tig laut sind, dass der Gastgarten unbrauchbar ist. (Zwischenruf des Abg. Hornek.)

Lärmschutzwände sind laut Beantwortung von Minister Faymann – ich habe mir erlaubt, drei Beantwortungen zusammenzufassen – gerade bei Bergstraßen nicht brauchbar, weil aufgrund des Kurvenverlaufs nicht montierbar und außerdem viel zu teuer. (Abg. Dr. Haimbuchner: Ja, das glaube ich!) Auch Minister Pröll sagt in seiner


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Beantwortung: Zu einer teilweisen Entwertung von Liegenschaften könne es schon kommen.

Bei uns im oberen Mürztal gibt es unverkäufliche Häuser. Ich habe mit einer alten Frau gesprochen; es tut mir leid, es klingt jetzt wirklich sentimental, aber mich hat die Ge­schichte ergriffen, darum möchte ich sie hier zitieren: Die hat mit ihrem Mann jahrelang gespart, wirklich vom Mund abgespart, sich ihr Haus aufstellen zu können. Er ist in der Zwischenzeit verstorben, sie ist eine alte Frau. Sie bringt das Haus nicht an. Denn dort, wo die Motorräder am Wochenende vorbeiglühen, möchte niemand wohnen. Sie wohnt derartig abgeschieden, dass es dort auch keinen Gehsteig gibt – sie traut sich nicht mehr außer Haus. Es geht also nicht nur um Lärmbelastung, es geht auch darum, dass diese rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer auch Angst machen. (Abg. Hornek: Sehr realistisch, das G’schichtl!)

Minister Pröll antwortet auch, dass es ihm ein großes Anliegen ist, die Lärmbelastung der österreichischen Bevölkerung zu verringern und dass er für den besseren Schutz vor Umgebungslärm sorgen möchte. Das halte ich für sehr beruhigend und auch rich­tig. Leider sagt er uns auch, dass die klassischen Motorradstrecken nicht in die aktuel­len Lärmkartierungsschwerpunkte fallen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Jetzt wissen wir es eh schon …! – Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Faymann erklärt uns, dass wir alle Geräte, die EU-weit zugelassen sind, auch auf Ös­terreichs Straßen fahren lassen müssen. Das heißt, die Lärmnormen, die in der EU gelten, haben auch für Österreich zu gelten. Österreich ist aber interessanterweise eines der ganz wenigen Länder, wo man bis zu einem erlaubten Höchstwert nachtypi­sieren darf und nicht wieder den Lärmwert haben muss, den das Gerät vorher gehabt hat. Wenn man einen Motorradhändler anruft und fragt, wie das denn so ausschaut mit einem Motorrad, dann wird einem nach zwei Sätzen schon angeboten: Das ist alles kein Problem, ich kann Ihnen gerne sofort den Auspuff umbauen! (Zwischenruf des Abg. Hornek.)

Solche Dinge erzeugen wirklich unnotwendigen Lärm. Es darf hier nicht darum gehen, irgendwelche Hobbys zu befriedigen, sondern für uns muss es darum gehen, abzuwä­gen, was die verschiedenen Bevölkerungsgruppen haben wollen und was sie brau­chen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Es geht aber auch um die Motorradfahrer – schließlich hat es 2007 4 363 Unfälle gege­ben, und das hat im Vergleich vom ersten Halbjahr 2004 zum ersten Halbjahr 2007 zu 66 Prozent mehr Toten geführt.

Ich fordere jetzt ein Maßnahmenpaket. Ich bitte den Minister, ich fordere von ihm, ich ersuche ihn, wie immer Sie das gerne haben wollen – Hauptsache, es wirkt –, sich mit den anderen MinisterInnen zusammenzutun und mit ihnen gemeinsam zu beschließen, was für die betroffene Bevölkerung getan werden kann. (Abg. Großruck: Was denn?)

Einerseits braucht es ein Gebot, bei Nachtypisierungen die Betriebsgeräusche ein­zuhalten, es braucht Kontrollen und Schutz vor rücksichtslosen Verkehrsteilnehmern, technische Kontrollen, mehr Lärmmessungen, die Lärmkartierung muss ausgeweitet werden, es braucht Geschwindigkeitskontrollen (Zwischenruf des Abg. Dr. Haimbuch­ner), es braucht bewusstseinsbildende Maßnahmen – vielleicht auch weniger Politiker, die sich auf dem Motorrad abbilden lassen –, und es braucht eine Aufstockung der Mo­torradpolizei, denn genau auf die reagieren Motorradfahrer am allerbesten. Gerne neh­men wir auch jede weitere hilfreiche Idee auf.

Minister Pröll sagt auch, er versucht, die Bürger hin zu sanften Mobilitätsformen zu len­ken – auch das finde ich sehr gut. Als Umweltminister sollten Sie die Verantwortung in diesem Bereich übernehmen. Sie sollten dafür sorgen, dass Innenminister, Verkehrs-


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minister und auch alle Landeshauptleute gemeinsam daran arbeiten, die ländliche Be­völkerung zu entlasten. Die ÖVP sollte sich nicht hinstellen und sagen, wir schützen sie, und auf der anderen Seite der Motorradlobby unbedingt das Wort sprechen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Ja, ja, ja!)

Wir reden von Belastungssenkungen, wir reden von nachhaltigen Problemlösungen. Bitte, lassen Sie die ländliche Bevölkerung nicht im Stich – auch wenn das ausnahms­weise nicht jemand von der ÖVP gesagt hat! (Beifall bei den Grünen.)

17.40


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank hat sich Herr Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll zu einer Stellungnahme gemeldet. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


17.40.21

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Sie haben umrissen – und ich kann Ihnen nur zustimmen –, dass der Lärm in seinen verschiedenen Formen nicht nur ein Ärgernis, sondern – was die Lebensqualität und die Gesundheitsbedrohung betrifft – eine durchaus ernst zu nehmende Herausforderung ist. Wir haben diese Herausforderung angenommen, und zwar mit verschiedenen Elementen, die uns gegeben sind, um dafür Sorge zu tragen, dass es in Österreich, was die Lärmbelastung betrifft, besser wird.

Die Vermeidung von Lärm ist ein wesentliches Element der Umweltpolitik in Österreich und auch im Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz promi­nent verankert. Es gibt allerdings auch – das sieht man schon von den Maßnahmen her – eine positive Tendenz, die man ablesen kann.

Zum Ersten zeigt der letzte Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes einen er­freulichen langfristigen Trend auf, nämlich dass der Anteil der Bevölkerung, der sich durch Lärm gestört fühlt, einen stark abnehmenden Trend hat. 1970 fühlten sich über 50 Prozent der Bevölkerung von Lärm belästigt, und 2003 bewegte sich dieser Wert nur mehr bei 30 Prozent. – Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das ist im­mer noch zu viel, aber der Trend und die Entwicklung passt. Aber natürlich ist es nicht genug, wenn fast ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher in diesem Bereich noch Handlungsbedarf sehen. (Zwischenruf der Abg. Zwerschitz.)

Wo ist der Haupthandlungsbedarf? – Den haben Sie angesprochen. Das ist sicher der Verkehrsbereich. Rund 73 Prozent der Betroffenen sehen den Hauptverursacher für Lärmbelastung im Verkehrsbereich. Seitens des Lebensministeriums haben wir mit dem Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz den richtigen Schritt gesetzt. Die rechtliche Umsetzung muss jetzt durch die Bundesländer erfolgen, um Lärmbelastung einheitlich zu erfassen und dann die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.

Man muss nur sehen – das ist imparabel zu dem, was Sie zum Thema Motorradlärm­belastung gesagt haben –, dass die Umsetzung der Europäischen Umgebungslärm­richtlinie in der ersten Stufe hauptsächlich auf hoch belastete Streckenabschnitte ab­zielt, und zwar mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als 6 Millionen Kraftfahrzeu­gen pro Jahr. Die klassischen Motorradstrecken und Ihr Beispiel mit der alten Frau werden nicht in diese Kategorie passen. Erst in der zweiten Stufe, ab dem Jahr 2012, ist vorgesehen, dass alle Straßen mit über 3 Millionen Kfz pro Jahr erfasst werden.

Sie haben ausgeführt, was meine Ministerkollegen und Landeshauptleute Ihnen ge­schrieben haben. Es ist tatsächlich so, dass man die Lärmbelastung mit einzelnen Maßnahmen nicht abstellen kann. Da braucht es ein Mosaik aus verschiedenen Maß­nahmen, und zwar: zielgerichtete Bewusstseinsänderung, Geschwindigkeitslimits, öko-


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nomischere Fahrweise – wobei das auch an den Fahrschulen gelehrt werden muss –, Schwerpunktkontrollen, dass der technische Zustand der Motorräder und so weiter nach genauer Vorgabe einer Prüfung unterzogen wird.

Im Übrigen – auch das haben Sie angesprochen – ist Lärmschutz eine klassische Querschnittsmaterie zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber. So hat der Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie, der für die Vollziehung des Bundes-Umgebungslärmschutzgesetzes für Autobahnen und Schnellstraßen zuständig ist – für Eisenbahn und Flughäfen übrigens auch –, die Maßnahmen tatsächlich auch intensi­viert. Das kann der Bund belegen und jederzeit ablesbar darstellen.

Erster Punkt: Wir haben im Jahr 2002 24 Millionen € für Lärmschutzmaßnahmen in Ös­terreich ausgegeben. 2005, drei Jahre später, lag diese Summe bei 58 Millionen € – das ist eine deutliche Steigerung zum Schutz der Menschen vor Lärm.

Der Lärmschutz an Straßen – da sind wir jetzt bei Ihrem konkreten Anliegen –, die nicht Autobahnen oder Schnellstraßen sind, liegt in der Zuständigkeit des jeweiligen Landes. In Ihrem Fall liegt die Zuständigkeit beim Herrn Landesrat Wegscheider. Er ist gefordert, diese Detailherausforderung – nämlich Motorradlärm außerhalb von Auto­bahnen und Schnellstraßen – in den Griff zu bekommen. Deswegen bitte ich auch, die Themen so zu setzen, wie sie von den Zuständigkeiten her sind, wie es eben die Ver­fassung auf Punkt und Beistrich entsprechend vorgibt.

Wir im Bund haben gehandelt. Wir sind noch nicht am Ende des Weges, aber wir kön­nen gute Erfolge verzeichnen. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

17.45


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die Redezeit der nunmehr zum Wort gemelde­ten Abgeordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


17.45.07

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Vielen lieben Dank! – Ehrlich gesagt verstehe ich die Intention der Anfragebesprechung der Abgeordneten Zwerschitz nicht ganz. Ich gehe nämlich davon aus, dass man ein ruhiges Leben, nämlich ohne Lärmbelastung, allen Österreicherinnen und Österreichern zugestehen sollte, ganz egal, wo sie leben.

Zum einen kann man niemandem das Recht auf Ruhe absprechen – auch nicht denen, die in der Stadt wohnen. Zum anderen sind es meiner Erfahrung nach nicht nur die Motorräder, die Lärm machen. Um das jetzt vielleicht auch in die Lautsprache zu über­setzen: Es geht nicht nur um „dschumm“, es geht auch um „tuk-tuk-tuk“ (die Rednerin ahmt Motorrad- und Traktorengeräusche nach) und um andere Lärmbelästigungen be­ziehungsweise Lärmquellen, seien es Autos, Traktoren, Lkws oder Flugzeuge. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Dr. Haimbuchner: Rasen­mäher abschaffen!) Ich kann mir nicht vorstellen, dass die 73 Prozent der Leute, die Sie nennen, die den Lärm dem Verkehr zuschreiben, alle den Lärm nur auf die Motor­räder schieben, das glaube ich, ganz ehrlich gesagt, nicht.

Sie polarisieren halt ein bisschen und gehen vielleicht ein bisschen an Lösungsansät­zen vorbei (Abg. Sburny: Was ist Ihre Aussage?), die man sinnvoll finden könnte, in­dem man nämlich miteinander versucht, ein Bewusstsein für die gegenseitigen Pro­blemlagen zu schaffen. Ich glaube, dass darin der Schlüssel liegen könnte. Außerdem glaube ich nicht, dass die Freude der meisten Motorradfahrerinnen und -fahrer darin besteht, besonders viel Lärm zu produzieren.


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Soweit ich weiß, sind die Zeiten von aufgebohrten Auspuffen et cetera vorbei. Das machen zum Glück nur mehr sehr, sehr wenige; wobei es sicher noch immer welche gibt, die Spaß daran haben, besonders viel Wirbel zu machen. Da geht es einerseits wirklich um Bewusstseinsarbeit, und diese muss schon in der Fahrschule beim Führer­schein-Machen anfangen, bis hin zur Zusammenarbeit mit Motorradclubs, deren es ja jede Menge gibt. Ich glaube, es ist erfolgversprechender, zu schauen, dass man in die­ser Hinsicht zueinanderkommt.

Es gibt aber etwas, was ich für sehr gefährlich halte; ich kenne das nur vom Hören­sagen. Ja, ich fahre auch Motorrad. Ich lege ungefähr heiße 1 500 Kilometer pro Jahr zurück, indem ich vor allem Strecken in der Stadt fahre, wenn ich sehr spät am Abend irgendwohin unterwegs bin oder wenn ich vom 19. in den 11. Bezirk muss oder sonsti­ge lange und schwierige Strecken zu bewältigen habe. Es gibt immer wieder soge­nannte „Lärm-Selbstverteidiger“, die es besonders originell finden, zum Beispiel in Kur­ven oder auf Straßen, wo relativ viele Einspurige unterwegs sind, Sand oder Schotter zu streuen. (Abg. Mag. Kogler: Was wollen Sie uns damit sagen?) Jeder, der je auf einem Fahrrad oder auf irgendeinem anderen einspurigen Fahrzeug gesessen ist, wird wissen, wie „wunderbar“ es ist, wenn man in der Kurve auf Schotter kommt und das Fahrzeug nicht mehr in den Griff kriegen kann. Das ist wirklich sehr, sehr gefährlich. Ich denke mir, dass wir mit Zwietracht-Säen nicht weiterkommen, sondern nur mit Ver­ständnis.

Die Lärm- und Schallwerte, die wir haben, gelten für alle gleichermaßen und sind ein­zuhalten – daran gibt es überhaupt kein Deuteln. Es ist aber auch notwendig, die dem­entsprechende Ausstattung an Polizei zu haben, die – adäquat ausgerüstet – dort sein sollte, wo es eben diese Probleme gibt. Nur fehlen da leider Hunderte von Polizisten und Polizistinnen vor Ort. Es fehlt auch sehr viel an technischer Ausstattung; da wäre sehr, sehr viel zu tun.

Was „Rennstrecken“ und Geschwindigkeitsrekorde betrifft, die Sie in Ihrer Anfrage ebenfalls ansprechen – die sind nicht zu akzeptieren. Wer ausmessen will, wie schnell er fahren kann, kann am Ring oder sonst irgendwo fahren, wo man das darf. Aber dem entgegenzuwirken, dafür gibt es relativ probate Möglichkeiten. In meinem Bezirk haben wir auf der Triester Straße lange Zeit das Problem gehabt, dass Leute mit getunten, tiefgelegten Autos Rennen veranstalteten. Wir haben das mit relativ regelmäßigen Planquadraten ziemlich gut in den Griff bekommen. Ich denke, das wird auch überall anders wirken, wenn es wie gesagt genügend Personal dafür gibt.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass es ein EU-Grünbuch gibt, in dem es um Mobilität in Städten geht. An erster Stelle steht da natürlich der Ausbau des öffentli­chen Verkehrs, aber eine weitere sehr, sehr wichtige Maßnahme ist die Förderung des einspurigen motorisierten Verkehrs; weil Mopeds und Motorräder erstens weniger Flä­che verbrauchen, zweitens weniger Treibstoff verbrauchen und drittens weniger Staus verursachen. Es geht also auch die EU davon aus, dort, wo es sinnvoll ist, einspurigen motorisierten Verkehr zu fördern – während Sie sagen: Man muss die in den Griff be­kommen, damit es nicht immer mehr werden!

Wenn man den Begriff „Mobilität“ sinnvoll verstehen möchte und mit der Mobilität sinn­voll umgehen möchte, dann kann man das sinnvoll fördern, indem man zum Beispiel vorgezogene Haltelinien für Einspurige markiert oder die Busspuren für sie öffnet und eigene Abstellplätze einrichtet. Ich glaube, dass wir nicht den Weg gehen sollten, Gruppen gegeneinander auszuspielen. Auch Motorradfahrer und -fahrerinnen wollen in der Nacht Ruhe haben. Durch Zusammenarbeit können wir erreichen, dass es einer­seits nicht zu laut ist (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen) und dass


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andererseits die Sicherheit gewährleistet ist und wir zu einer sinnvollen Mobilität kom­men. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

17.50


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Einwallner. Auch für Sie gilt eine maximale Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

 


17.50.46

Abgeordneter Thomas Einwallner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es wurde schon erwähnt, dass die Maß­nahmen im Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz 2005 ein Schritt in die richtige Rich­tung sind.

Zum einen muss man sagen, dass dieses Gesetz nicht nur die Motorradfahrer, son­dern alle Verkehrsteilnehmer betrifft. Es gibt in diesem Gesetz einiges an Initiativen oder besser gesagt Vorschriften, zum Beispiel strategische Lärmkarten und die Lärm­erhebung. Motorräder machen am Gesamtlärm nur einen geringen Teil aus. Experten sagen uns, dass der Motorradlärm in Zahlen fast gar nicht messbar ist im Vergleich zum Verkehrslärm der mehrspurigen Fahrzeuge, Flugverkehr et cetera.

Zum anderen, Frau Kollegin Zwerschitz, kenne ich mich bei Ihrer Rede nicht ganz aus. Sie hatten zehn Minuten Redezeit und verbrauchten nur 30 Sekunden davon für das Erwähnen von Maßnahmen, die Sie vorschlagen würden. Der andere Teil bestand aus Geschichten, die stimmen mögen. Es gibt Bürgerinitiativen, die sich im ländlichen Raum gegen die Lärmbelästigungen aussprechen, aber es ist wohl zu wenig, wenn in einer Zehn-Minuten-Rede nur 30 Sekunden der Erwähnung von Maßnahmen gewid­met werden. (Abg. Sburny: Fällt Ihnen für wenigstens 30 Sekunden irgendetwas Ge­scheites ein?)

Zu den Grünen in der Steiermark beziehungsweise zum Fall Spielberg möchte ich auch eines anmerken. Sie sind ja immer gegen Rennstrecken auf der Straße und ge­gen schnelles Fahren auf der Straße. Auch wir sind natürlich dagegen, und da gibt es ja auch Verkehrskontrollen und Verkehrsstrafen. Zum anderen sind Sie aber auch ge­gen Spielberg, wo die Motorradfahrer Gelegenheit hätten, abseits der Straßen auf vor­gesehenen Rennstrecken Rennen zu fahren. Sie müssen sich schon einmal entschei­den, wofür Sie sind! (Abg. Mag. Kogler: Wer hat denn das abgerissen? Die steirische Landesregierung!)

Herr Kollege Kogler! Der in der Steiermark für diesen Bereich zuständige Landesrat heißt Wegscheider und kommt bekanntlich von der SPÖ. Er ist zuständig für den ländli­chen Raum. Ich empfinde es ja als spannend, dass die Grünen den ländlichen Raum als ihr Zielgebiet entdecken, in den Städten dürfte es für die Grünen wohl nicht mehr viel zu holen geben. Wir, die ÖVP, haben den ländlichen Raum schon lange entdeckt und nehmen schon lange die Sorgen der Bevölkerung im ländlichen Raum ernst und versuchen, dort Maßnahmen zu setzen, damit die ländliche Bevölkerung nicht nur er­holsam leben, sondern auch produktiv tätig sein kann. Das möchte ich einmal klarstel­len. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es ist eine Querschnittsmaterie. Unser Umweltminister Sepp Pröll hat Koordinations­möglichkeiten zwischen dem Verkehrsministerium, den Ländern und der EU – und nutzt sie auch, und zwar mit vollem Einsatz und Engagement. Man muss darauf hin­weisen, dass der Landesrat Wegscheider im Bereich der strategischen Lärmkarten und der Lärmerhebung nichts macht, während unsere Verkehrslandesrätin Edlinger-Ploder in diesem Bereich sehr stark engagiert ist und sehr viel tut. Das müssen auch Sie aner­kennen.


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Zum begleitenden Aktionsplan: Seitens des zuständigen Ministeriums beziehungs­weise seitens des Ministers Pröll gibt es das „Handbuch Umgebungslärm“. Hier ist das Handbuch 2007. (Der Redner hält die genannte Broschüre in die Höhe. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen.) Hier können Sie über konkrete Maßnahmen seitens des Ministeriums einiges nachlesen.

Weiters muss man sagen, dass auch im Verkehrsministerium einiges passiert ist – das geht aus der Anfragebeantwortung hervor, dass nämlich Geschwindigkeitskontrollen und technische Kontrollen vermehrt gemacht werden. Bei den Motorrädern geht es ja auch um die technischen Kontrollen, das ist wichtig, denn gerade bei Motorrädern geht es darum – Sie haben das angesprochen –, dass Auspuffe nicht leergeräumt werden et cetera, sondern den technischen Daten entsprechen sollen. (Abg. Mag. Kogler: Sagt ein Motorradfahrer zum anderen: Hast du schon montiert?) Wir von der ÖVP wer­den nicht zulassen, dass Sie einen Generalangriff auf Motorradfahrer machen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wir werden diese generelle Verunglimpfung nicht goutieren. Was die Grünen tun, ist ihre Sache. Die Grünen klammern auch den Wirtschaftsfaktor der Motorradtreffen aus. Man denke an das große Harley-Treffen in Kärnten oder auf der steirischen Wein­straße. Dort sagen mir die Buschenschank-Besitzer, dass die Motorradfahrer und Be­sucher sehr wohl ein Tourismusfaktor sind. Besonders spannend finde ich es, dass auch Frau Vassilakou, stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, eine begeister­te Motorradfahrerin ist. – So viel zum Thema „Politiker, die sich mit Motorrad abbilden lassen“. (Heiterkeit im Saal. – Zwischenruf der Abg. Zwerschitz.)

Summa summarum stellen wir also fest, das es bei den Grünen so ist wie bei der Ju­gend. Sie sagen, sie seien die Umweltpartei, aber in Wahrheit ist es die ÖVP, und die Grünen hinken hinterher. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Das zeigt die heutige Debatte zu diesem Thema. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei den Grünen.)

17.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.56.08

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Mei­ne Damen und Herren! Zur Frage, wo die Umweltkompetenz liegt, hat gestern die Fra­ge des Ökostromgesetzes einen sehr deutlichen Beweis geliefert – nämlich eindeutig bei uns. Ich kann es Ihnen auch an einem anderen Beispiel ganz sachlich erläutern. Wir gehen ja vom konkreten Motorradlärm durchaus auch zum allgemeinen Diskus­sionspunkt Lärmschutz. Herr Bundesminister, ich kann mich noch erinnern – wir haben das auch dokumentiert –, wie es im Juni 2005 darum ging, das Bundes-Umgebungs­lärmschutzgesetz zu diskutieren. Heute – wir haben schon Juni 2008 – haben Sie es wieder zitiert und gesagt, die Länder müssen jetzt einmal die Erhebung des Lärms vornehmen. – Jetzt haben wir drei Jahre Erhebung!

Von den Maßnahmen, die Sie eingefordert haben und über die ich jetzt gerne vier Mi­nuten rede, Herr Kollege von der ÖVP, haben Sie nur so nebenbei gesprochen. Wir aber haben schon damals, 2005, ernstliche Maßnahmen gefordert, um dieses zentrale Umweltproblem Lärm endlich offensiv anzugehen und zu sanieren. Wir haben schon damals gesagt: Wesentlich sind vor allem bundesgesetzliche Initiativen, nämlich so et­was Ähnliches wie ein Lärmschutzgesetz. Wir haben keine einheitliche Bundesmaterie in Richtung Lärmschutz, das haben Sie heute durchaus zugegeben, Herr Umweltminis­ter, und da sind Sie uns manches noch schuldig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Zu den Maßnahmen. Sie haben jetzt ganz konkret gesagt, dass die Länder den Motor­radlärm irgendwie bewältigen sollen, etwa durch mehr Kontrollen. Ich frage Sie: Wer soll denn kontrollieren? Gibt es eine Landespolizei? Die Gendarmerie haben Sie ja glücklich abgeschafft. Das ist Bundesagende. Die Bundespolizei, die Polizei als sol­che im Bundesdienst, ist für die Kontrolltätigkeit zuständig. Und hier sparen Sie bei Dienststellen, hier gibt es viel zu wenig Personal. Darum geht es in vielen schönen ländlichen Regionen so zu, wie es meine Kollegin beschrieben hat. Wo keine Kontrolle ist, herrschen fröhliche Urständ, und dann wird groß aufs Gas nicht gedrückt, sondern gedreht; dann wird aufgeheult, und es leidet die Bevölkerung. Bis 6 000 Fahrzeuge pro Tag in Imst, am Seeberg und im Schwarzatal – das ist ja kein Honiglecken, es handelt sich doch um Erholungsgebiete!

Die zweite wichtige Maßnahme neben der Kontrolle ist, wie meine Kollegin schon an­gesprochen hat, dass man diese Missstände beseitigt – nämlich Hubraum aufbohren und Kapazitäten, Kubikzahl und so weiter erhöhen, damit es noch lauter geht, damit man noch auffälliger unterwegs ist und es noch mehr „Spaß“ macht, wenn die Moto­ren nur so brummen. Auch da muss man ansetzen, da ist auch in den Werkstätten mehr Kontrolle angesagt, da muss man die Einhaltung der Gesetze kontrollieren. Wir verlangen von den Ländern, dass das geschieht, und zwar mit Hilfe der Bundespolizei und der Bundesbehörden, und das alles eingebettet in ein ordentliches Lärmschutz­gesetz!

Das Nächste, was auch Sie erwähnt haben, Herr Bundesminister, ist das leidige The­ma Geschwindigkeit. Geschwindigkeit führt zu mehr Lärm. Das ist leider so! Und er nimmt exponentiell zu: Je schneller ich fahre, desto lauter fahre ich; das ist auch beim Motorrad so und vor allem beim Motorrad. Aber auch das ist wirklich wieder eine Frage der Kontrolle.

Somit bewegt sich die ganze Angelegenheit im Kreis und landet wieder bei der Bun­deskompetenz der Polizei, die die Kontrollmaßnahmen setzen soll und die vor Ort auch anwesend sein und persönlich eingreifen muss, denn ohne das wird eben einfach ge­braust – in Saus und Braus gebraust –, und das geht eben zulasten vieler Menschen, die es sich gerade im ländlichen Raum sehr wohl verdienen, in Ruhe leben zu können.

Ich selbst könnte ja genauso wie jede und jeder von Ihnen wirklich unzählige Beispiele anführen, wie penetrant diese Motorradfahrer oft auftreten. Ich sage Ihnen nur ein ein­ziges – Mohnblüte im Waldviertel –, damit es wieder konkret wird. Schöne Gegend, wunderbar, es blüht und es gedeiht die Natur, und dann kommen die Motorradfahrer zum Teil mit relativ großer Geschwindigkeit, und diese Damen und Herren – in der Gruppe fühlen sie sich ja immer sehr stark – preschen hinein in den Innenhof des Wirtshauses, in den Innenhof dieses Mohnwirtes, der da wunderbar gefüllte Hendln mit Mohn serviert, und daneben steht diese ganze Horde von Motorradfahrern. (Zwischen­rufe bei FPÖ und BZÖ.) Ich sage Ihnen, da vergeht einem jenseits des Lärmschutzes der Appetit. Ich kann Ihnen das gerne mit Fotos dokumentieren. (Anhaltende Zwi­schenrufe bei FPÖ und BZÖ. – Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Das war letztes Jahr, Anfang Juni. (Beifall bei den Grünen.)

Gut, damit schließt sich der Reigen vom Lärmschutz zum konkreten kulinarischen Bei­spiel, und ich habe auch im Sinne des Vorredners sehr stark die konkreten Maßnah­men erwähnt, die wir endlich ergreifen sollen, damit wir den Lärm in den Griff bekom­men und für Ruhe sorgen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.01


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vilims­ky. 5 Minuten Redezeit. – Sie sind am Wort.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 206

18.01.51

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soeben ist ein weiterer „böser“ Motorradfahrer hier eingetroffen. (In Rich­tung des auf der Regierungsbank Platz nehmenden Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Buchinger.) Frau Zwerschitz! Mit allem Verlaub, Sie haben das wunderbar vom Blatt gelesen, nur sagen Sie bitte der Person, die Ihnen das da aufgeschrieben hat: Das ist wirklich von vorne bis hinten ein Holler, was Sie da ver­zapfen (Zwischenrufe bei den Grünen), und es ist eine Motivation für uns, zu verhin­dern, dass Sie und die Ihren irgendwo in Regierungsnähe kommen. (Beifall und Bravo­rufe bei der FPÖ.)

Sie haben hier dieses „whooouuum“ zelebriert. Wundervoll! Wahrscheinlich waren Sie irgendwo auf einer Rennstrecke und haben das geistig so in einer Endlosschleife für sich verarbeitet. Wir könnten aber alle einmal probieren, wie es klingt oder wie es sich anhört, wenn der schnittige Minicooper der grünen Frau Nationalratspräsidentin vorbeifährt, so „huuum“ vielleicht (Beifall bei der FPÖ), oder vielleicht der ehemalige Alfa des grünen Vorsitzenden, das müsste man mehr mit italienischem Charme brum­men, wenn der vorbeizischt. Wie ein neuer Hybridmotor, der dem Herrn Professor ge­sponsert wurde, klingt, weiß ich nicht. Vielleicht können Sie das in weiterer Folge ir­gendwie akustisch simulieren. (Abg. Dr. Cap: Tuck, tuck, tuck!)

Tuck, tuck, tuck, tuck, tuck! Ja, da können wir weitermachen. Die bösen Rasenmäher! Sie lieben ja das Grün, und Sie lieben die Gärten. Da muss man auch Rasen mähen, oder ich weiß nicht, wie Sie Ihre Gärten behandeln. Das Absurde Ihrer Politik: Haschen soll man, das darf man, das darf man verkaufen – Motorradfahren darf man nicht! Es ist wirklich absurd, was aus Ihren Mündern kommt! (Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fahre selbst seit über 15 Jahren aktiv Mo­torrad, und – ich weiß nicht, ob Sie mir das glauben – auch Motorradfahrer essen mit Messer und Gabel. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.) Wir sind ganz zivilisierte Men­schen, und es gibt auch sehr viele Motorradfahrer, die sich sozial sehr betätigen. Beim Toy-Run zum Beispiel, da brummen sie alle ganz, ganz „böse“ zu den Kinderheimen und lassen Geschenke dort.

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass nicht nur Motorräder böse brummen können, sondern auch Autos böse brummen können und viele andere Fahrzeuge, dass die ganzen Ost-Lkws mehr als böse brummen und dass Lärm kein Problem der Motor­radfahrer ist, sondern das Problem von schwarzen Schafen, die es überall gibt, die es im Motorradbereich gibt, die es im Autobereich gibt und die es in vielen anderen Berei­chen gibt? Sie diskriminieren jedoch eine ganze Gruppe, stellen sie so dar, als wäre das eine randalierende, Krawall produzierende Gruppe. Das ist ungehörig!

Ein Lärm, der mich auch stört, und zwar sehr stört, ist der, der entsteht, wenn irgend­welche grünen Demonstranten Krawall machend und Radau produzierend durch die Innenstadt marodieren. Ja, das ist auch Lärmbelästigung! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Sie sollten begreifen, dass der Zweiradverkehr eine Chance bietet, eine Chance für die Umwelt, eine Chance für den Tourismus. Es sind nicht die jungen Halbstarken und Wil­den, die Sie suggerieren, die „whooouuum“, „whooouuum“ durch die Gegend fahren. Das sind heute meistens Personen jenseits der 30, weil Sie von der Regierung den Motorradverkehr so teuer gemacht haben, dass sich kaum noch wer von den Jünge­ren ein Motorrad leisten kann. Das sind Menschen, die sich den Traum von ein biss­chen persönlicher Freiheit erfüllen.

Die Motorräder mit dem Prüfzeichen der Europäischen Union, die man heute kauft, sind schon so leise, dass es wieder gefährlich wird, weil man die Motorräder nicht hört.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 207

Auch das sollten Sie einmal bedenken, wenn Sie hier zu Felde ziehen und die Gruppe der Motorradfahrer pauschal diffamieren und alles andere außen vor lassen. (Abg. Zwerschitz: Das können Sie noch zehnmal wiederholen, es wird nicht wahrer da­durch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was hier von Ihnen heute produziert wurde, war eine klassische Themenverfehlung. Sie hätten im Umweltbereich heute hier vieles thematisieren können. Sie haben das verabsäumt. Sie verabsäumen es, die umweltpolitischen Chancen des Motorradverkehrs ein bisschen zu begreifen, alleine was dadurch an Entlastungsmaßnahmen für den urbanen Verkehr möglich wäre, im Parkplatzbereich. Motorräder verbrauchen auch weniger Sprit und sollten daher von Ihnen gefördert werden. Eigene Motorradparkplätze, Wechselkennzeichen vom Auto auf das Motorrad, das sollten die Themen einer Umweltpartei sein.

Nur: Sie sind längst keine Umweltpartei mehr. Sie sind heute diejenigen, die die Atom- und Industriepolitik der Europäischen Union mit vertreten, aber sich längst von Ihren ursprünglichen Zielen, wo Sie einmal in der Au gesessen sind, verabschiedet haben. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.) Das alles interessiert Sie heute nicht mehr. Und es ist gut, dass Sie bei allen Wahlgängen weit hinter uns liegen. Und ich prognostiziere Ihnen, Sie werden bei der nächsten Nationalratswahl ganz, ganz weit hinter uns liegen. Und irgendwann einmal werden Sie aus dem Parlament drau­ßen sein, und das wird ein schöner Tag für Österreich sein. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 5 Minuten maximale Redezeit. – Sie sind am Wort.

 


18.06.48

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind sicherlich sehr viele Motorradfahrer hier un­ter uns Abgeordneten. Ich bin auch überzeugt, dass es bei den Grünen einige Motor­radfahrer gibt. Frau Kollegin Zwerschitz! Ihre Anfrage richtet sich nur gegen Motorrad­fahrer. Lärm ist aber vielseitig, und Lärm ist eine Definitionssache. Mancher empfindet als Lärm, was für einen anderen Musik ist. Und für andere ist das wiederum Kunst. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und wenn man Infrastruktur schafft, so wird auf der Straße immer ein gewisser Lärm sein. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, ein Motorrad fährt ohne Lärm, es fährt komplett leise. Das ist dann unter Umständen sogar gefährlicher, als wenn es einen gewissen Geräuschpegel aufweist, weil man es einfach nicht hört und es auf einmal da ist, und man kann nicht ausweichen.

Wenn ein Gasthaus in der Nähe aufmacht, ein Betrieb neu aufmacht, so verursacht das Lärm und Verkehr. Keine Frage! (Abg. Dr. Haimbuchner: Gastgärten verursachen auch Lärm!)

Ich muss Ihnen sagen, Sie haben es nicht angesprochen, wenn jemand neben einem Bahngeleise wohnt: Der Zug verursacht auch Lärm. Lärm empfinden wir als störend. Das ist natürlich in Ballungszentren so, aber auch am Lande ist es so, überall, wo ge­fahren wird. Nicht nur auf öffentlichen Wegen, sondern auch auf Privatgründen.

In meiner unmittelbaren Nähe ist ein Privatgrundstück, da fahren vier, fünf Jugendliche mit Minibikes. Die verursachen natürlich auch Lärm, aber die sind wenigstens so diszi­pliniert, dass sie zu gewissen Tageszeiten fahren, wo es wenig stört. Genauso, wie man auch zu einer gewissen Zeit Rasen mäht, und nicht zur Mittagszeit und nicht am


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Samstagnachmittag. (Abg. Zwerschitz: Motorräder fahren aber gerade Samstag, Sonntag, also am Wochenende! – Abg. Öllinger: Man sollte mit der Sense mähen!)

Na ja, schauen Sie, man sollte grundsätzlich die Kirche im Dorf lassen und es den Leuten erlauben, dass sie auch mit dem Motorrad fahren. Aber Ihre Anfrage richtet sich ja nur gegen die Motorradfahrer. Ich kann Ihnen eines sagen: Wir alle sind Fußgänger, die meisten sind Autofahrer, viele sind Motorradfahrer, viele sind Radfahrer. Und ich ärgere mich oft einmal sogar über die Fußgänger, obwohl ich selbst Fußgänger bin (Heiterkeit), wenn sie bei ungeregelten Schutzwegen ganz einfach drübergehen und gar nicht schauen, ob ein Auto kommt oder nicht – und Sie eine Vollbremsung machen müssen. Hinter Ihnen kommt einer, Sie können noch stehen bleiben, aber ein anderer tuscht Ihnen drauf, und Sie stoßen den Fußgänger um. Wer ist dann schuld? – Sie sind schuld! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Herr Bundesminister! Da sind zwar nicht Sie zuständig, sondern Ihr Kollege, Herr Bun­desminister Faymann, aber das müsste auch geregelt werden.

Und wenn ich in Wien am Ring entlang fahre und auf der Nebenfahrbahn ein Radweg ist und ein Radfahrer daherkommt, so hat der sogar Vorrang vor demjenigen Straßen­benützer, der mit dem Auto von der Hauptfahrbahn abbiegt. Auch das sollte überdacht werden! Hören Sie sich einmal die Argumente der österreichischen Exekutive an! Die sagen, das gehört unbedingt repariert.

Natürlich ist es ärgerlich, wenn man mit Lärm konfrontiert wird. Das geht einem jeden so, aber es ist alles genau geregelt, und zwar auf der einen Seite durch das Umge­bungslärmgesetz, das ist heute schon gesagt worden, und auf der anderen Seite durch das Kraftfahrzeuggesetz. Ein Motorrad darf nicht mehr Dezibel Lärm verursachen und nicht lauter sein als vorgeschrieben. Dadurch ist eigentlich alles in Ordnung geregelt.

Auf jeden Fall: Ihre Anfrage geht meiner Meinung nach total am Thema vorbei. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

18.11


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

18.10.515. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 589/A der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird, und über den

Antrag 588/A der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz ge­ändert wird (604 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich nehme die Verhandlungen über die Tages­ordnung wieder auf, und wir gelangen zum 5. Punkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Aspöck. 4 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Sie sind am Wort.

 


18.11.24

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir noch einen Nachschlag zu den letzten drei Stunden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 209

In den ersten zwei Stunden ist es den Grünen heute nicht gelungen, zu erklären, war­um sie Lissabon zugestimmt haben und gegen Euratom sind und gegen die Atompoli­tik. Und zum Zweiten: Diese Themaverfehlung war herzhaft zum Lachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe leider kein so lustiges Thema, und ich möchte mich auch relativ kurz fassen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Es ist trotzdem lustig!) Auch parlamentarische Gremien können sich irren, so wie man sich überall irren kann. Passiert so ein Irrtum, dann muss auch ein parlamentarisches Gremium eine Verbesserung durchführen. Man kann sich mei­nes Erachtens aber auch zu viel irren, und dann wird man mit der Zeit unglaubwürdig. Ich habe hier drei Bundesgesetzblätter, und da wird jeweils der § 29 des Entschädi­gungsfondsgesetzes geändert.

Zum ersten Mal: Anträge an die Schiedsinstanz sind bis spätestens 31. Dezember 2004 schriftlich beim Fonds einzubringen. – Wir Freiheitliche haben damals – verlaut­bart am 10. August 2004 – zugestimmt.

Das nächste Mal: Bundesgesetzblatt vom 13. Dezember 2005. Wiederum wird der
§ 29 insofern abgeändert, als Anträge an die Schiedsinstanz nunmehr bis spätestens 31. Dezember 2006 schriftlich beim Fonds einzubringen sind.

Dann habe ich hier das Bundesgesetzblatt vom 25. April 2007. Abermals wird der Irr­tum des parlamentarischen Gremiums wieder „gutgemacht“ – unter Anführungszei­chen –: Anträge an die Schiedsinstanz sind bis spätestens 31. Dezember 2007 schrift­lich beim Fonds einzubringen. – Auch damals haben wir zugestimmt, damals allerdings auch erklärt, dass wir in Hinkunft einer solchen Verlängerung nicht mehr zustimmen werden.

Parlamentarische Gremien, die ihre eigenen Beschlüsse wieder und wieder berichtigen müssen, stellen durch diese Vorgangsweise ihre eigene Glaubwürdigkeit irgendwann einmal in Frage. Wir Freiheitlichen werden diesmal daher nicht zustimmen. (Beifall des Abg. Kickl.)

18.14


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort.

 


18.14.29

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz in Erinnerung rufen, worum es hier geht.

2001 wurde das Entschädigungsfondsgesetz in Erfüllung des Washingtoner Abkom­mens beschlossen. Sinn und Zweck ist es, Opfern des NS-Regimes, die nicht oder nicht zulänglich entschädigt worden sind, zu ermöglichen, dass sie ihre Ansprüche gel­tend machen. Im zweiten Teil des Gesetzes ist die Naturalrestitution von Liegenschaf­ten geregelt, die zwischen 1938 und 1945 entzogen worden sind und sich im Eigentum des Bundes befinden.

Auch Ländern und Gemeinden wurde die Möglichkeit eröffnet, auf die im § 38 einge­setzte Schiedsinstanz zurückzugreifen. Da einige Gemeinden diese Möglichkeit erst vor Kurzem in Anspruch genommen haben oder erst planen, diese Möglichkeit in An­spruch zu nehmen, werden Fristen verlängert, Fristen, die Ende 2007 abgelaufen sind.

Es handelt sich hier nicht um einen Irrtum, wie Kollege Aspöck meint. Es handelt sich also nicht darum, dass etwas korrigiert wird, sondern darum, weiterhin die Möglichkeit einzuräumen, dass sich die Schiedsstelle mit den Anträgen zur Restitution befasst. Und ich denke, dass das eigentlich in unser aller Sinne ist.

Dementsprechend haben die Präsidentin des Nationalrates und der Zweite Präsident Anträge eingebracht, und wir haben im Ausschuss eine Einigung erzielt. Es waren vier


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Parteien dafür, eine Regelung zu treffen. Wir haben auch mit einer Ausschussfeststel­lung sichergestellt, dass, wenn es sich im Verfahren herausstellen sollte, dass es sich um Bundesliegenschaften handelt, diese selbstverständlich auch behandelt werden sollen.

Das heißt, ich bin überzeugt, dass das eine runde Sache ist, dass das im Sinne der Opfer ist. Und ich freue mich, dass es hier doch eine sehr breite Zustimmung dazu gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Neugebauer.)

18.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Sonnberger. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort.

 


18.16.55

Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger (ÖVP): Hohes Haus! Die Antragsfrist beim Ent­schädigungsfondsgesetz bei Naturalrestitutionen von Landes- oder Gemeinde-Liegen­schaften soll zunächst generell bis Ende 2009 verlängert werden. Und weiters wird fixiert, dass die Antragsfrist jedenfalls mindestens zwei Jahre beträgt, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem die jeweilige Gebietskörperschaft von einem Opt-in gemäß § 38 Gebrauch macht.

Schade eigentlich, dass die FPÖ hier nicht mehr mitstimmt und den bisher gepflogenen nationalen Konsens verlässt. (Beifall bei der ÖVP.)

18.17


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

 


18.17.42

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen die Fristverlängerung bezüglich der Möglichkeit der Antragstellung auf Naturalrestitution für Länder und Gemeinden bei den Schiedsinstanzen.

Eines ist aber schon auffallend: Es hat zwei verschiedene Anträge gegeben, einen der SPÖ und einen der ÖVP. Jener der SPÖ war weiter gehend, er hat die Frist nicht nur für Länder und Gemeinden aufgemacht, sondern auch hinsichtlich des Bundes. Das hat der ÖVP-Antrag nicht enthalten. Und da frage ich mich schon: Wovor fürchtet man sich? Was will man verbergen? Gibt es noch irgendetwas im Bereich des Bundes an Naturalrestitution, was offen ist? Und soll dieses Gesetz die Frist abschneiden, weil man diese Frist offensichtlich nicht aufmachen will?

Ich hätte es sinnvoller und ehrlicher gefunden, man hätte den Antrag der Präsidentin Prammer angenommen. Damit hätte man die Frist hinsichtlich Bund, Länder und Ge­meinden aufgemacht. Stattdessen gehen wir diesen Weg, der völlig windschief ist, denn zusätzlich gibt es eine Ausschussfeststellung. Man muss sich das vor Augen halten! Das Gesetz sieht eine Fristverlängerung für Länder und Gemeinden vor, und dann beschließen wir im Ausschuss eine Ausschussfeststellung, die sinngemäß heißt: Man geht aber davon aus, dass das auch für Bundesimmobilien gilt.

Das ist doch lächerlich! Das ist durch den Gesetzestext nicht gedeckt, und das kann auch eine Ausschussfeststellung nicht toppen. Was wir hier machen, ist: Wir schaffen Rechtsunsicherheit anstelle dessen, dass wir das im Gesetz klar festschreiben, dass das auch für die Bundesimmobilien gegolten hätte.

Was ist das? Ist das Wunschdenken oder ist das ein Placebo? Ich weiß es nicht. Dieses Vorgehen des Parlaments wirft in einem wichtigen Bereich mehr Fragen auf, als beantwortet werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 211

Trotzdem werden wir dem Antrag natürlich zustimmen, weil auch dieser Schritt, der getan wird, notwendig ist. Es ist auch ein ausdrücklicher Wunsch der Kultusgemeinde. Daher stimmen wir zu, aber die ganze Vorgangsweise wirft ein fragwürdiges Licht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.19


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.19.45

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Ich kann meinem Vorredner insofern zustimmen, als es schon merkwürdig ist, dass sich diese Bundesregierung nicht einmal mehr bei solchen Materien und bei solchen Anträgen im Vorfeld auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen kann.

Wir hatten zwei Anträge im Ausschuss vorliegen, man hat sich dann auf einen ge­einigt. – Also wenn man schon der Meinung ist, dass das sensible Materien sind und ein nationaler Konsens erzielt werden sollte, dann sollte es auch im Vorfeld zumindest einen einheitlichen Regierungsantrag geben. Wir werden dem Antrag, so wie im Aus­schuss, natürlich unsere Zustimmung geben.

Ich glaube, die Beschlussfassung dieses Gesetzes war ein wichtiger Schritt, um viele, viele Jahrzehnte nach den schrecklichen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges doch auch in diesem Bereich Entschädigung möglich zu machen. Wir haben auch immer wieder den Verlängerungen zugestimmt, allerdings – und insofern gebe ich schon auch dem Redner der freiheitlichen Fraktion recht –: Eine Immer-wieder-Verlängerung gibt auch eine schlechte Optik auf den Gesetzgeber. Ich glaube, man hat das jetzt sehr extensiv gesehen, hat die Verlängerung auch noch mehr organisiert, als es selbst die Kultusgemeinde verlangt hat, und ich gehe schon davon aus, dass es irgendwann einmal auch möglich sein wird, dieses Kapitel als abgeschlossen zu sehen.

Wir werden aber dieser Verlängerung heute unsere Zustimmung geben. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

18.20


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 604 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

18.21.596. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (523 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz) (567 d.B.)

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 212

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Kickl. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschrän­kung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.22.19

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass wir vonseiten der Freiheitlichen Partei ein kla­res Bekenntnis für alle Maßnahmen abgeben, die in Richtung Hintanhaltung des Sozi­albetruges gehen, wenn sie – und das füge ich hinzu – sozusagen konsequent, nach­haltig und sinnvoll sind. Was nun dieses AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz betrifft, so vermissen wir ein wenig von dieser Konsequenz. Man hat vielmehr das Gefühl, dass es sich in diesem Bereich – ich werde Ihnen gleich erklären, warum – in gewisser Wei­se um eine inkonsequente Loch-auf-Loch-zu-Taktik handelt.

Was es aus unserer Sicht im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Abgabenhinter­ziehung, von Steuerhinterziehung bräuchte, wäre so etwas wie ein Zangenangriff. Wenn man sich das anschaut, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, so vermissen wir das zur Gänze. Ich darf Sie nur daran erinnern, dass es eine umfassen­de sozusagen Aktion gegeben hat, ausgehend von Deutschland; es hat eine ganze Latte von Steuerhinterziehern gegeben, die in Liechtenstein aktiv geworden sind. Da­bei ist es nicht um kleine Summen gegangen, sondern um sehr, sehr große, und es war schon auffällig und interessant, wie die Regierungsvertreter von ÖVP und SPÖ ja schon fast in einer Art Belangsendung im Fernsehen die Steuerflüchtlinge dazu aufge­fordert haben, doch das Mittel der Selbstanzeige zur Anwendung zu bringen – immer und immer wieder, bevor diese ominöse CD aus Deutschland gekommen ist –, damit sie sozusagen straffrei gehen und den Kopf aus der Schlinge ziehen können. – Also das ist eine Form, der wir nicht unsere Zustimmung geben können.

Genauso stecken Sie den Kopf dort in den Sand, wo es etwa um den Missbrauch im Gesundheitsbereich geht. Sie wollen einfach den systematischen Missbrauch der e-card, der Österreich zu einem Gesundheitstourismusland der allerersten Güte macht (Beifall bei der FPÖ), nicht zur Kenntnis nehmen, stecken den Kopf in den Sand und tun so, als ob es das nicht gäbe.

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich an, wie viel Missbrauch im Bereich der Bauwirtschaft getrieben wird! Die Zahlen sind in Wahrheit alarmierend. Wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass von zehn Unternehmen in der Baubranche neun, sage ich einmal, graue, dunkelgraue bis schwarze Schafe sind, dann ist es notwendig, dass man etwas tut. Die Frage ist allerdings nur, wie man es unternimmt. Und da muss man Ihrem Auftraggebergesetz einen schweren Mangel vorhalten.

Es geht nämlich darum, dass es im Grunde genommen gegenüber der Wirklichkeit in gewisser Weise zahnlos ist. Der Auftraggeber kann sich auch einen Subunternehmer im EU-Ausland, etwa in Tschechien, in der Slowakei oder in Ungarn, suchen. Und Ihr AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz wird nur dann schlagend, wenn auf die Dienstneh­mer das österreichische Sozialversicherungsrecht anwendbar ist. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn der Auftrag einer ausländischen Firma auch länger als zwölf Mo­nate dauert. Wenn er kürzer ist als zwölf Monate, wenn also die Arbeitnehmer nur ent­sendet werden – in Zukunft wird diese Frist von zwölf auf 24 Monate ausgeweitet –, dann gibt es auch diese Haftung nicht, konsequenterweise, weil man ja davon ausgeht,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 213

dass die Sozialabgaben dann in jenem Land, von dem her entsendet wird, abgeführt werden.

Es ist auch nicht unser Problem, das einzutreiben, sondern das Problem ist ein ande­res: Das Problem ist, dass wir damit im Grunde genommen einen Wettbewerbsnach­teil, eine Wettbewerbsungerechtigkeit schaffen. Wenn sich heute ein österreichischer Auftraggeber einen Subunternehmer aus dem EU-Ausland nimmt, sich nicht darum kümmern muss, ob dieser dort seine Sozialabgaben überhaupt abführt, kann er damit jeden Preis eines österreichischen Unternehmens, das einen österreichischen Subun­ternehmer beauftragt, torpedieren und wird möglicherweise den Zuschlag bekommen, weil er einfach billiger anbieten kann.

Meine Damen und Herren! Wenn man den Sozialmissbrauch und die Abgabenhinter­ziehung ernst nimmt, dann darf es nicht so sein, dass unterm Strich die österreichi­schen ehrlichen Unternehmer als Verlierer übrig bleiben. Deshalb gibt es von uns auch keine Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csör­gits. 3 Minuten freiwillige Redezeit. – Sie sind am Wort.

 


18.26.25

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Dr. Rasinger: ... Rumpelstilzchen!) Aber nicht mehr lange bin ich das Rumpelstilzchen, lieber Kollege Rasinger.

Zur ArbeitgeberInnen-Haftung: Mit dieser ArbeitgeberInnen-Haftung und mit diesem heutigen Vorschlag zur Abänderung dieses Gesetzes ist ein weiterer wichtiger Bau­stein im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Schwarzunternehmertums zu set­zen.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass wir das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007 dahin gehend abgeändert haben, dass mit 1.1.2008 vor Arbeitsantritt die Meldung bei der Sozialversicherung zu erfolgen hat und dass es auch stärkere Sanktionen geben wird, wenn in einem Betrieb die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht angemeldet sind. Es hat sich allerdings gezeigt, dass für die Bauwirtschaft ganz besondere Maß­nahmen zusätzlich notwendig sind. Warum? – Hier einige Beispiele, und zwar in Form von Zahlen:

Es gibt den Verdacht, dass von zehn zur Eintragung ins Firmenregister angemeldeten Baufirmen bei bis zu neun Firmen ganz einfach die Gefahr besteht, dass Sozialbetrug vorliegt, und dass von zirka 800 Firmenbucheintragungen von Firmen, die dem Bauge­werbe zuzuordnen sind, nach einem Jahr 600 bis 700 Firmen nicht mehr vorhanden sind. Was hat das für Folgen? – Sehr große finanzielle Folgen, insbesondere auch für die Sozialversicherungen, und man muss sich auch vor Augen halten, dass Menschen, die in solchen Unternehmungen beschäftigt sind, dann auch oft in der Situation sind, dass sie von einem Tag zum anderen vor dem Nichts stehen, weil sie keinen Lohn, kein Gehalt mehr bekommen. Es gibt zwar für diese Personengruppe die Möglichkeit, die offenen Forderungen über den Insolvenzausfallsgeldfonds zu bekommen, Tatsache ist aber, dass das natürlich wieder die Allgemeinheit bezahlt.

Daher haben wir mit dieser Gesetzesvorlage dahin gehend Sicherungen eingezogen, dass, wenn Unternehmungen Arbeiten weiter delegieren, in Form von einem neuen § 67a im ASVG eben eine grundsätzliche Haftung für jene Firmen vorgesehen ist, die im Baugewerbe ihre Arbeiten weitergeben. Ich denke, das ist eine gute Maßnahme. Damit ist sichergestellt, dass dem Schwarzunternehmertum beziehungsweise Firmen,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 214

die leider Sozialbetrug vorhaben, ein Riegel vorgeschoben werden kann. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.29


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolin­schek. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.29.15

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Anmeldung zur Sozialversicherung vor Ar­beitsantritt wurde im Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007 ein erster wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gesetzt. Mit Hilfe einer AuftraggeberInnen-Haftung soll nun einem systematischen Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen, dem Sozialbetrug ein Riegel vorgeschoben werden. Das betrifft jetzt die Baubranche, das Baunebengewerbe.

Wir wissen, dass bei neun von zehn zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldeten Baufirmen der Verdacht des Sozialbetrugs besteht. Und das ist keine kleine Summe. Zirka 1 Million € gehen dadurch verloren, und vor allem jene Firmen, die ihre Beiträge gewissenhaft abliefern, haben dadurch einen enormen Wettbewerbsnachteil. Es ist da­her nur zu befürworten, dass es hier Maßnahmen gibt, die dieses Schwarzunterneh­mertum und das Hinterziehen von Sozialbeiträgen, Dienstgeber- und Dienstnehmerbei­trägen, hintanhalten.

Ich habe aber auch Kritik anzubringen. Dieses AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz be­zieht sich nur auf Firmen und auf Subunternehmen, die ihre Niederlassung in Öster­reich haben oder einen Bezug zu unserem Sozialversicherungsrecht haben. Alle ande­ren werden nicht erfasst. Deswegen ist mir dieses Gesetz zu wenig weitreichend. Ich sage ganz klipp und klar, es wird natürlich immer wieder Schlupflöcher geben, die sich auftun und so den Betrug möglich machen, aber man sollte zumindest darauf achten, diese von Anfang an zu schließen.

Die nächste Kritik, die ich anzubringen habe: Warum wurde im AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz für die Aufnahme in diese Gesamtliste ein dreijähriger Beobachtungs­zeitraum herangezogen, obwohl eine Untersuchung des Kreditschutzverbandes im Auftrag der Bundesarbeitskammer ergeben hat, dass Bauunternehmen, die weniger als fünf Jahre tätig sind, 80 Prozent der Konkurse ausmachen, Unternehmen, die weni­ger als drei Jahre tätig sind, nur 60 Prozent der Konkurse? Durch diesen dreijährigen Beobachtungszeitraum bleiben somit schon einige unberücksichtigt, und deswegen ist das meiner Meinung nach nicht korrekt abgehandelt.

Die Vorlage ist meines Erachtens zu wenig weitläufig, deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen betreffend generelle Auf­traggeberInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge im Baubereich

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, noch vor dem Inkrafttreten des AuftraggeberInnen-Haftungsgesetzes dem Nationalrat einen Geset­zesentwurf zuzuleiten,

1. mit dem die geplante HFU-Gesamtliste durch eine generelle AuftraggeberInnenhaf­tung im Baubereich ersetzt wird und


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 215

2. gesetzlich sowie in den dazugehörigen Durchführungsverordnungen sichergestellt wird, dass die Weiterleitung des an die Sozialversicherungsträger bezahlten Werklohn­teiles an Auftragnehmer, die ihre Verpflichtungen gegenüber der Sozialversicherung zur Gänze erfüllen, so prompt erfolgen muss, dass diesen keinerlei wirtschaftlicher (Verzögerungs)schaden entstehen kann.“

*****

Wenn Sie auch dieser Meinung sind, sehr geehrte Damen und Herren, dann stimmen Sie diesem Entschließungsantrag zu, denn er ist wesentlich weitreichender als die Re­gierungsvorlage selbst. (Beifall beim BZÖ.)

18.33


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Dolinschek ein­gebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen

betreffend generelle AuftraggeberInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge im Baubereich

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (567 d.B.) über die Regierungsvorlage (523 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsge­setz)

Obwohl mit der Anmeldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt im Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007 ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gesetzt wurde und strenge Sanktionen vorgesehen sind, besteht bei ca. neun von zehn im Firmenbuch eingetragenen und angemeldeten Baufirmen der Verdacht des Sozialbe­trugs. Hinzu kommt, dass von ca. 800 Firmenbuchanmeldungen von im Baubereich tätigen Firmen rund 600 bis 700 ein Jahr später nicht mehr existieren. Zusätzlich eröff­nen unredliche Firmen nach etwa sechs bis neun Monaten den Konkurs, ohne die öf­fentlichen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Dies führt dazu, dass sich die Arbeitnehmer mit ihren Ansprüchen an den Insolvenz-Ausfallsgeld-Fonds wen­den.

Durch die von der Bundesregierung vorgesehene AuftraggeberInnen-Haftung soll der systematischen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen ein Riegel vorgescho­ben werden. Kommt es zu einer Weitergabe von Bauleistungen an ein anderes Unter­nehmen, so ist eine Haftung des Auftrag gebenden Unternehmens für Beitragsrück­stände (inklusive Umlagen) des Subunternehmens bis zur Höhe von 20 % des geleis­teten Werklohnes vorgesehen. Von der Haftung werden aber in Auftrag gebende Un­ternehmen befreit, wenn das beauftragte Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistung des Werklohnes in einer von der Wiener Gebietskrankenkasse als Dienstleistungszentrum zu führenden Gesamtliste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Gesamtliste) aufscheint. Liegen in einer Gesamtdauer von mindestens drei Jahren Bauleistungen nach § 19 Abs. 1a UStG 1994 vor und sind die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt,


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 216

kann das Unternehmen schon ab diesem Zeitraum die Aufnahme in die Liste bean­tragen.

Obwohl durch eine Untersuchung des Kreditschutzverbandes im Auftrag der Bundes­arbeiterkammer bekannt ist, dass die Bauunternehmen, die weniger als 5 Jahre tätig sind 80% der Konkurse ausmachen und Unternehmen, die weniger als 3 Jahre aktiv sind 60% der Konkurse betreffen, wird unverständlicher Weise nur eine dreijährige Frist festgelegt. Zusätzlich wird ein Beitragsrückstand von 10 % (Bagatellgrenze) der Summe der Beitragsschulden laut der letzten monatlichen Beitragsabrechnung bei der Aufnahme in die HFU-Liste toleriert. Auch bei vereinbarten Stundungen und vereinba­rungsgemäß entrichteten Ratenzahlungen wird an der Aufnahme bzw. am Verbleib in der Liste festgehalten.

Mit dieser beschränkten AuftraggeberInnen-Haftung werden daher Rückstände an Bei­tragszahlungen bewusst in Kauf genommen. Zusätzlich werden bei der Einrichtung der HFU-Gesamtliste neben der Erstinvestition von ca. 2 Mio. Euro zusätzlich Verwaltungs­kosten in der Höhe von rund 2,5 Mio. Euro pro Jahr entstehen.

Um den Sozialbetrug ernsthaft einzudämmen wäre es aber zum Wohle der Solidarge­meinschaft der Sozialversicherten sinnvoller, eine generelle Auftraggeberhaftung ohne Führung einer Liste von ausgenommenen Auftragnehmerbetrieben umzusetzen.

Gleichzeitig sollte aber – und diese Vorgabe fehlt im vorliegenden Gesetzesentwurf – sichergestellt werden, dass die Baubetriebe, die ihre Sozialversicherungsbeiträge pünktlich und vollständig bezahlen, nicht durch die Verzögerung der Weiterleitung der an die Sozialversicherung bezahlten Werklohnteile wirtschaftlich geschädigt werden. Dies ist umso wichtiger, als die Baubranche ohnehin von geringen Margen und star­kem Konkurrenzdruck geprägt ist.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, noch vor dem Inkrafttreten des AuftraggeberInnen-Haftungsgesetzes dem Nationalrat einen Geset­zesentwurf zuzuleiten,

1. mit dem die geplante HFU-Gesamtliste durch eine generelle AuftraggeberInnenhaf­tung im Baubereich ersetzt wird und

2. gesetzlich sowie in den dazugehörigen Durchführungsverordnungen sichergestellt wird, dass die Weiterleitung des an die Sozialversicherungsträger bezahlten Werklohn­teiles an Auftragnehmer, die ihre Verpflichtungen gegenüber der Sozialversicherung zur Gänze erfüllen, so prompt erfolgen muss, dass diesen keinerlei wirtschaftlicher (Verzögerungs)schaden entstehen kann.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sieber; 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort.

 


18.33.29

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Dieser Gesetzentwurf sieht im Kern eine Haftung für nicht einbringliche Sozialversicherungsbeiträge von Subunternehmen in der Bauwirtschaft vor. Ziel dieser


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 217

Regelung ist es, Unternehmen, die Bauleistungen nicht selbst erbringen, sondern an Subunternehmer weitergeben, zu veranlassen, vermehrt auf die Seriosität ihrer Auf­tragnehmer zu achten.

Das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz ist somit eine weitere wichtige Maßnahme der Bundesregierung zur Bekämpfung von Schwarzarbeit, welche einen fairen Wettbewerb auch im Sinne der Unternehmen und Kunden und die wirksame Vorbeugung gegen illegale Beschäftigung gerade im Baubereich gewährleisten wird. Sozialbetrug schädigt das Solidarsystem der Sozialversicherungen eben nachhaltig.

Die Auftraggeber der Subunternehmer sind in der Regel Generalunternehmer, die einen Bauauftrag angenommen haben, jedoch die einzelnen Leistungen weiterverge­ben. Somit tauchen am Bau immer wieder Subunternehmen auf, welche die Arbeitneh­mer zwar bei der Sozialversicherung anmelden, aber niemals Beiträge oder Steuern bezahlen. Werden nun diese Subunternehmer von den Krankenkassen sozusagen in den Konkurs geschickt, entstehen sie unter anderem Namen oft neu. Der Sozialversi­cherung entgingen durch derartige Fälle in den vergangenen Jahren Beitragseinnah­men in Millionenhöhe, wodurch die ohnehin schwierige Finanzsituation der Kranken­versicherungsträger zusätzlich beeinträchtigt wurde.

Wie notwendig ein solches AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz ist, zeigen folgende Zahlen: Von zirka 800 Firmenbucheintragungen von im Baubereich tätigen Firmen pro Jahr existieren nach einem Jahr rund 600 bis 700 Firmen nicht mehr. Dadurch entsteht ein fiskalischer Schaden von gut 1 Milliarde € im Jahr. Darüber hinaus hat es die Hin­terziehung von Sozialversicherungsbeiträgen den Auftragnehmern regelmäßig ermög­licht, die Angebote der seriösen Mitkonkurrenz zu unterbieten. Indirekt profitiert somit auch der Auftraggeber von unlauteren Praktiken der Subunternehmen. Mit Hilfe einer AuftraggeberInnenhaftung kann der systematischen Hinterziehung von Sozialversiche­rungsbeiträgen durch Schwindelfirmen im Baubereich ein Riegel vorgeschoben wer­den.

Abschließend kann man sagen, dass diese Regel für alle Beteiligten, sowohl für Sub­unternehmer als auch für den Auftraggeber, verhältnismäßig und zumutbar ist bezie­hungsweise zu keinen unverhältnismäßigen Nachteilen führen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

18.35


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllin­ger. 3 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


18.36.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte über die Anti-Atom-Politik hat Herr Kollege Kapeller von der ÖVP gemeint, die Grünen seien immer nur dann für etwas, wenn es zu 100 Prozent er­füllt wird. – Das wäre schön, Herr Kollege Kapeller, wenn es so einfach wäre! Diese Debatte über das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz ist ein wunderbarer Punkt, um zu demonstrieren: Wir sind nicht einmal zu 50 Prozent überzeugt, dass dieses Gesetz gut ist, dass es lange hält; das waren die Einwände des Kollegen Kickl. Ich bin höchstens, wenn man es quantifizieren will, zu 20 Prozent davon überzeugt, dass dieses Gesetz ein gutes Gesetz ist.

Ich nenne die Kritikpunkte ganz kurz: Dieses Gesetz – aber darüber stimmen wir jetzt nicht mehr ab – hat den schweren Mangel, dass es ohne Begutachtung auf die Welt gekommen ist. Die Sozialpartner glauben zu wissen, was gut ist, und da braucht man keine Begutachtung. Das ist offensichtlich Neu-Regieren unter Rot-Schwarz. Es ist ein bürokratisches Gesetz. Es schafft eine Reihe von bürokratischen Institutionen, um das


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zu kontrollieren, was man kontrollieren will. Es lädt zu Umgehungshandlungen ein, die zweifellos erfolgen werden. Das hat auch die Gebietskrankenkasse beziehungsweise der Hauptverband in der internen Vorstudie festgestellt. Und der schwerste Mangel: Es enthält keine Generalunternehmerhaftung, wie es ursprünglich die Bauindustrie und das Baugewerbe gefordert haben. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das ist nicht richtig!) Ja, das ist nicht ganz richtig, Herr Kollege, ich weiß.

Es ist nämlich so, dass Sie im Ausschuss gesagt haben, die Generalunternehmerhaf­tung können wir nicht vorsehen, weil sie rechtlich so problematisch ist. Lesen Sie aber § 67a Abs. 10, Herr Kollege Mitterlehner, dann werden Sie feststellen: Eine Generalun­ternehmerhaftung ist sehr wohl möglich, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen ist man bereit dazu. Denn in Abs. 10 heißt es:

„(10) Die Haftung des Auftrag gebenden Unternehmens nach Abs. 1 erstreckt sich auf jedes weitere beauftragte Unternehmen, wenn die Auftragserteilung als Rechtsge­schäft anzusehen ist, das darauf abzielt, die Haftung zu umgehen (Umgehungsge­schäft), und das Auftrag gebende Unternehmen dies wusste oder auf Grund offensicht­licher Hinweise ernsthaft für möglich halten musste und sich damit abfand.“

Also es wäre sehr wohl möglich gewesen, eine Generalunternehmerhaftung nicht nur bei Verdacht hineinzuschreiben. Sie wollten das nicht, und damit sind wir bei einem Rechtszustand, den wir in anderen Materien schon hundert Mal gehabt haben. Können Sie sich erinnern, Herr Kollege Mitterlehner? Bei der Anmeldung zur Sozialversiche­rung waren Sie der Meinung, am Tag der Anmeldung eines Beschäftigten auch die Anmeldung zur Sozialversicherung, das geht nicht, das ist unmöglich. Dann ist das im Burgenland gemacht worden, ausprobiert worden, und dann hat es geheißen: Jetzt müssen wir uns das ganz lange anschauen und dann machen wir es vielleicht. – Es ist gemacht worden, weil es sinnvoll ist.

Daher schlage ich Ihnen auch vor, Herr Kollege Mitterlehner, unserem Abänderungs­antrag, den ich jetzt einbringe – und auch dem von Kollegem Dolinschek eingebrach­ten Entschließungsantrag –, beizutreten.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberIn-
nen-Haftungsgesetz, 523 d.B. (XXIII. GP)) in der Fassung des Ausschussberichtes (567 d.B. XXIII. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Z. 1 wird in § 67a Abs. 1 nach der Wortfolge „die das beauftragte Unternehmen“ die Wortfolge „oder etwaige weitere Folge- und Subauftragnehmer“ eingefügt.

*****

Schlicht und einfach! Das wäre die Generalunternehmerhaftung, so einfach geht es. (Beifall bei den Grünen.)

18.39


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Öllinger ein­gebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 219

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geän­dert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz, 523 d.B. (XXIII. GP)) in der Fassung des Ausschussberichtes (567 d.B. XXIII. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

In Z. 1 wird in § 67a Abs. 1 nach der Wortfolge „die das beauftragte Unternehmen“ die Wortfolge „oder etwaige weitere Folge- und Subauftragnehmer“ eingefügt.

Begründung:

Die Beschränkung jeweils auf den nur nachfolgenden Auftragnehmer gefährdet die Er­reichung des mit der Gesetzesänderung verfolgten Ziels und eröffnet erheblich Spiel­raum für betrügerische Nichtabführung von Sozialversicherungsbeträgen.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.40.21

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Nachdem wir be­reits 2007 die Bedingungen für die Anmeldung zur Sozialversicherung verändert ha­ben, setzen wir heute einen weiteren Schritt gegen die heimische Schwarzarbeit, die vor allem im Baugewerbe massive Probleme aufwirft. Konkret geht es uns heute um sogenannte Schwindelfirmen, die in aller Regel nur einen einzigen Auftraggeber haben und von diesem auch zu 100 Prozent abhängig sind. Dass günstige Preise oft durch Steuerhinterziehung oder Sozialbetrug zustande kommen, interessiert die Auftragge­berInnen oft nicht. Sie sind durch die derzeitige gesetzliche Lage ohnehin vor jeglicher Strafverfolgung oder Sanktionen geschützt.

Meine Damen und Herren, aber was ist das? – Das ist Sozialbetrug, wie er im Buche steht, Sozialbetrug, der nach der Analyse des Linzer Professors Schneider einen mas­siven volkswirtschaftlichen Schaden verursacht. Wir müssen dem einen Riegel vor­schieben, denn wir nehmen heute an, dass dem Fiskus und der Sozialversicherung da­durch zwischen 800 Millionen und einer Milliarde € vorenthalten wird.

Und ohne hier jemanden vorzuverurteilen: Wir sehen auch, dass in der Baubranche zum Beispiel jährlich rund 800 Unternehmen angemeldet werden, von denen zwölf Monate später nur mehr maximal 200 existieren. Fachleute sprechen auch davon, dass von zehn Firmen neun unter dem akuten Verdacht stehen, Sozialbetrug zu betreiben.

Die Erkenntnis daraus ist, dass wir die auftraggebenden UnternehmerInnen ganz drin­gend in die Pflicht nehmen müssen, und mit dem AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz wird dies auch geschehen.

Es ist dies, lieber Kollege Öllinger, sicherlich ein seriöses Gesetz, das durchaus zumut­bar ist. Eine Zustimmung sollte hier also wirklich selbstverständlich sein. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 220

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 523 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den von diesem Abänderungsantrag betroffenen Teil des Ge­setzentwurfes und sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstim­men.

Die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 67a Abs. 1 in Z 1 des gegenständlichen Gesetzentwurfes bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Do­linschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend generelle AuftraggeberInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge im Baubereich.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

18.44.027. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (543 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008) (568 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 600/A(E) der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorziehen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 221

eines Teils der Pensionserhöhung 2009 zur Abdeckung der durch den außer­ordentlichen Preisanstieg verursachten Mehrkosten (569 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir gelangen zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Neubauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Sie sind am Wort.

 


18.44.42

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir, dass ich als Generalsekretär des Österreichi­schen Seniorenrings auch die Stimmung aus dem Seniorenring hier kurz wiedergebe, was die Diskussion um die Pensionen anlangt.

Die Menschen höheren Alters sind wirklich verzweifelt über die Situation, in die die Po­litik sie bringt. Es ist eigentlich fast schon ein Trauerspiel, dass praktisch jeden Monat die Menschen in diesem Land mit dieser Debatte mehr und mehr verunsichert werden. Ich würde wirklich bitten, dass man diese unseligen Debatten einmal beendet und eine Rechtssicherheit schafft, die den Menschen dieses Landes auch gerecht wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn mein Vorredner von der ÖVP, Kollege Sonnberger aus Linz, vorhin gesagt hat, es war Konsens in diesem Haus, dass man das, was man in den diversen Ausschüs­sen gemeinsam beschlossen hat, auch hier im Hohen Haus mitträgt, dann kann ich ihm recht geben. Aber es war auch immer Konsens in diesem Haus, dass man jene Positionen, die der Österreichische Seniorenrat beschlossen hat und für die Senioren für richtig befunden hat, auch mitträgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Seniorenrat hat einstimmig auch nach Befassung der Kommission für die Pensionssicherung beschlossen, dass eine Pensi­onsanpassung nach den Kriterien des Pensionistenpreisindex zu erfolgen hat, und nichts anderes. Und ich ersuche die Damen und Herren des Hohen Hauses, auch diesem Wunsch und diesem Beschluss des Seniorenrates Rechnung tragen zu wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte auch dahin gehend appellieren, von manchen Vorschlägen, die jetzt im Raum stehen, wirklich Abstand nehmen zu wollen. Den Hauptverband dahin gehend umzufunktionieren, dass die Seniorenvertreter dort in Zukunft ohne Stimmrecht sein und herausfallen sollen, wäre ein grober Anschlag auf die Pensionisten dieses Landes.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einen Antrag einbringen, der da lautet:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für alle Personen, deren Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes liegen und die keinen Anspruch auf Ausgleichszu­lage haben und deshalb im Rahmen der Pensionsanpassung 2008 in verfassungswid­riger Weise benachteiligt wurden,“ – nämlich nachweislich! – „unverzüglich und unbüro­kratisch, spätestens jedoch im Rahmen der vorgezogenen Pensionsanpassung 2009, einen Ausgleich vorzusehen.“

*****


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 222

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 60 €, die die Bundesregierung den Se­nioren zukommen lassen will, sind ein Witz, und Sie wissen das. Allein die Teuerungs­rate ist in diesem Jahr so hoch wie noch nie, und die Pensionisten verlieren nach Aus­kunft der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer pro Monat mindestens 30 €, je nach Pensionshöhe. Wenn das so ist, dann verliert ein Pensionist im Durchschnitt 360 € im Jahr. Geben Sie ihm jetzt 60 €, verliert er trotzdem noch bei der derzeitigen Warteregelung von einem Jahr 300 €.

Schaffen Sie hier Gerechtigkeit und zeigen Sie hier, Herr Bundesminister Buchinger, Ihr wirklich soziales Herz! Schaffen Sie diese Ungerechtigkeit ab! (Beifall bei der FPÖ.)

18.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Neubauer einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kickl, Neubauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend nachträgliche und rückwirkende Pensionserhöhung auch für Kleinstpensio­nen spätestens im Rahmen der vorgezogenen Pensionsanpassung 2009

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 7, Bericht (568 d.B.) des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (543 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008), in der 63. Sitzung des Nationalrates am 6. Juni 2008

Die Bundesregierung hat sich auf Grund der Preissteigerungen in den Bereichen Grundnahrungsmittel, Wohnungskosten und Energie und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust darauf geeinigt, den Wirksamkeitsbeginn der Pensionsanpas­sung 2009 um zwei Monate vorzuverlegen, um auf diese Weise eine besondere Infla­tionsabgeltung für Pensionsbezieher zu bewirken.

Das hat zur Folge, dass die Pensionsanpassung 2009 bereits mit 1. November 2008 in Kraft tritt. Zu diesem Zweck sieht das vorgeschlagene Übergangsrecht im Rahmen des Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 eine entsprechende Adaptierung der einschlägigen Termine für die Pensionsanpassung 2009 vor.

Dieser vorgezogenen Anpassung sollen grundsätzlich alle Pensionen unterliegen, de­ren Stichtag vor dem 1. November 2008 liegt (für bestimmte Hinterbliebenenpensionen reicht es auch aus, wenn der Stichtag auf den 1. November 2008 fällt). Im Jahr 2008 zuerkannte Pensionen werden aber - entsprechend der noch immer geltenden Rege­lung - erstmals mit der Pensionsanpassung für 2010 angepasst und verlieren daher unter Umständen für volle zwei Jahre die Inflationsabgeltung.

Auch die Ausgleichzulagen-Richtsätze sollen bereits mit 1. November 2008 (und nicht erst mit 1. Jänner 2009) in der gesetzlich vorgesehenen Weise – das heißt mit dem An­passungsfaktor für das Kalenderjahr 2009 – erhöht werden. Keine Berücksichtigung finden werden aller Voraussicht nach wieder die Mindestpensionisten ohne Anspruch auf Ausgleichszulage.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 223

Schon die Pensionserhöhung 2008 hat in diesem Zusammenhang für erhebliche Aufre­gung, Unverständnis und bürokratischen Aufwand gesorgt. Insbesondere die Tatsache, dass Pensionsbeziehern, die eine Pension unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes von 747 Euro beziehen, eine prozentuell geringere Pensionserhöhung zuteil wurde, als etwa Beziehern von Pensionen zwischen 747 und 2160 Euro hat für berechtigte Empö­rung unter den Betroffenen gesorgt.

Die Pensionsanpassung 2008 sieht eine gestaffelte Erhöhung vor, die höher ausfällt, je niedriger die Pension ist. Pensionen von 747 bis 1.050 Euro erhalten einen Fixbetrag von 21 Euro - das entspricht 2,81 bis 2 Prozent. Pensionen über 1.050 bis 1.700 um 2 Prozent mehr. Pensionen über 1.700 bis 2.161,5 Euro um einen Prozentsatz, der mit zunehmender Pensionshöhe von 2 auf 1,7 Prozent absinkt. Noch höhere Pensionen bekommen einen Fixbetrag von 36,75 Euro mehr. Auch die Ausgleichszulagenricht­sätze wurden um 2,9 Prozent angehoben. Pensionen unter 747 Euro brutto erhalten aber nur um 1,7 Prozent mehr.

Aus diesem Grund hat ein Linzer Rechtsanwalt im Namen einer Bezieherin einer Kleinstpension bereits erfolgreich gegen die Benachteiligung durch die Pensionserhö­hung 2008 geklagt.

Diese Pensionistin gehört zur großen Gruppe von Personen, deren Pension um nur 1,7 Prozent erhöht wurde, weil ihre Pension unter 747 Euro lag, wobei jedoch zusam­men mit der Pension des Ehegatten der Ausgleichszulagen-Richtsatz für Paare über­schritten wird. Bei ihr ist die Pension von 628,15 auf 638,83 Euro um Sage und Schrei­be 10,68 Euro gestiegen. Mehr als 500.000 Personen mit Kleinstpensionen, die diese Pensionsanpassung nur mit 1,7 Prozent erfahren wurden hier absichtlich vergessen. Das sind immerhin mehr als ein Viertel aller Pensionsbezieher und Großteils Frauen.

Das Landesgericht Linz folgte seiner Argumentation, dass die Benachteiligung der Be­zieher von Kleinstpensionen - offenbar aus budgetären Gründen - eine EU-rechts­widrige indirekte Frauendiskriminierung darstellt. Entsprechend den statistischen Da­ten, die er dem Gericht präsentierte, werden von dieser Diskriminierung weit mehr Frauen betroffen als Männer. Von den etwa 1,1 Mio. Pensionen unter 747 Euro sind ca. 830.000 Pensionen von Frauen. Das heißt, dass knapp 65% aller Pensionen von Frauen nur mit 1,7% erhöht wurden, während 63 % aller Männerpensionen mit einem höheren Betrag erhöht wurden. Diese Tatsache ist auch jenseits der Frage, ob die Be­troffenen existenziell abgesichert sind oder nicht von Bedeutung, weil sie Fortsetzung einer unterschiedlichen Behandlung und Bewertung von Frauen in der Arbeitswelt bis in die Pension bedeutet und die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern ver­größert.

Das Landesgericht hat nun im Urteil verkündet, dass die Klägerin seit Jahresbeginn um 21 Euro statt nur um 1,7 Prozent mehr zu erhalten habe. Dagegen legte zwar der be­klagte Sozialversicherungsträger Berufung ein – nach Einschätzung des Rechtsanwal­tes allerdings nur mit geringer Erfolgsaussicht. Als weitere Möglichkeiten nennt er die Bestätigung des Urteils durch die zweite Instanz oder die Befassung des EuGH.

Der Linzer Rechtsanwalt vertritt aber auch männliche Bezieher von Kleinstpensionen, die ebenso diskriminiert werden. Auch in diesem Fall ist ein gerichtliches Verfahren be­reits in der ersten Instanz abgeschlossen. Die Kanzlei bereitet derzeit eine Eingabe an die zweite Instanz vor mit dem Ziel, dass diese ein Gesetzprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof einleitet. Der Jurist rechnet als Konsequenz aus den Gerichts­verfahren damit, dass der Gesetzgeber spätestens im Zuge der nächsten Pensionser­höhung die vorhergehende "repariert".

Nach einem von der FPÖ in Auftrag gegebenen Gutachten widerspricht diese Re­gelung klar dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, der – nach ständiger


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 224

Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – auch ein allgemeines Sachlichkeits­gebot für gesetzliche Regelungen beinhaltet. Es ist verfassungswidrig, dass diejenigen, die besonders wenig Pension haben, eine vergleichsweise geringere Erhöhung er­halten als jene, die eine höhere Pension haben (so auch – konkret auf die gegenständ­lich relevierte Grundlage der Pensionsanpassung bezogen – die Verfassungsexperten Öhlinger und Funk im „Kurier“ vom 29.1.2008).

Der Umstand nämlich, dass für Pensionsbezieher mit Pensionen unterhalb des Aus­gleichszulagenrichtsatzes von 747 Euro die Pensionsanpassung lediglich 1,7 Prozent ausmacht, zumal die Erhöhung höherer Pensionen 2.9 Prozent ausmacht, ist unsach­lich und daher verfassungswidrig.

Dazu kommt, dass die Mindestrentner auch bei der Rezeptgebührendeckelung über­proportional zur Kassa gebeten werden. Obwohl die Betroffenen nicht in den Genuss einer Ausgleichszulage kommen, wird ihnen aber absurderweise die Rezeptgebühr mit einem Zwölffachen des Ausgleichszulagenrichtsatzes gedeckelt. Die sind somit nicht nur bei der Pensionsanpassung 2008 um eine angemessene Erhöhung gebracht wor­den, sondern sie wurden durch die Mindestobergrenze bei der Rezeptgebührendecke­lung somit zusätzlich erheblich belastet.

Überdies sind bei der in Rede stehenden Regelung besonders Frauen benachteiligt, weil sie meist niedrigere Pensionen beziehen. Beispiel: Der Mann erhält 1000 Euro Pension, seine Frau 500 Euro. Er erhält ein Plus von fast 2 Prozent, sie 1,7 Prozent. Auch Ehepaare, bei denen beide Partner eine niedrige Pension beziehen, zählen zu den Verlierern. Ein Beispiel: Mann und Frau erhalten 500 bzw. 700 Euro Pension. Beide erhalten 2008 ein Pensionsplus von je 1,7 Prozent, weil sie jeweils unter 747 Euro liegen. Anspruch auf die Ausgleichszulage (bei Paaren 1120 Euro) haben sie nicht, weil sie gemeinsam 1200 Euro Einkommen haben. Würde nur einer von beiden 1200 Euro Pension erhalten, betrüge die Erhöhung 2 Prozent. Im Zusammenhang er­weist sich daher die zugrunde liegende gesetzliche Regelung als offenkundig dem Sachlichkeitsgebot widersprechend und damit als verfassungswidrig.

Die Vorverlegung der Pensionsanpassung 2009 um zwei Kalendermonate im Jahr 2008 ist mit Mehraufwendungen für die gesetzliche Pensionsversicherung und da­mit für den Bund in Höhe von 36 Mio. € je Prozentpunkt Pensionserhöhung verbunden. Angesichts der Tatsache, dass der Bund im Jahr 2007 erhebliche Mehreinnahmen im Ausmaß von € 1,6 Milliarden zu verzeichnen hatte und die Forderung, die Mindestpen­sionisten im Rahmen der vorgezogenen Anpassung nachträglich mit einzubeziehen und für den Verlust durch die Pensionsanpassung 2008 zu entschädigen, Mehrkosten von in etwa € 94 Mio. oder nicht einmal 6 % der Mehreinnahmen verursacht, kann auch budgetärer Notstand diese fortgesetzte Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es erforderlich, dass der Staat rasch Abhilfe schafft und den in verfassungswidriger Weise benachteiligten Pensionisten einen finan­ziellen Ausgleich zukommen lässt. Es wäre unbillig, die Betroffenen auf den Rechts­weg zu verweisen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für alle Personen, deren Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes liegen und die keinen Anspruch auf Ausgleichszu­lage haben und deshalb im Rahmen der Pensionsanpassung 2008 in verfassungswid-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 225

riger Weise benachteiligt wurden, unverzüglich und unbürokratisch, spätestens jedoch im Rahmen der vorgezogenen Pensionsanpassung 2009, einen Ausgleich vorzuse­hen.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Keck. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.48.44

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! In Österreich leben in Summe rund 1,8 Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind und denen es derzeit in einem überwiegenden Maß alles andere als gut geht. Ich spreche hier nicht von der Gesundheit dieser Menschen. Es ist auch nicht so, dass ich hier behaupten will, dass es dieser großen Menge an Menschen an Lebensstan­dard oder auch am Rückhalt in der Bevölkerung mangelt. Nein, meine Damen und Her­ren! Ich meine hier die Situation der gestiegenen Preise, die wir ungefähr seit Mit­te 2007 bemerken. Seit Mai 2007, so legt das die Statistik Austria klipp und klar offen, hatten wir in Österreich nur in einem Monat eine Inflationsrate, die geringer war als 2 Prozent.

Auch das wäre noch akzeptabel, müssten wir nicht seit November 2007 durchgehende Preissteigerungen jenseits der 3 Prozent-Marke hinnehmen. Der absolute Höchststand lag im Dezember 2007 bei 3,7 Prozent, und auch im März 2008 erlebten wir gefähr­liche 3,5 Prozent an Preiserhöhungen.

Meine Damen und Herren! Ich nenne das nicht von ungefähr „gefährlich“, denn diese Zahl bedeutet nicht nur, dass in den letzten Monaten alles teurer wurde, sondern dass wir für 2008 auf eine durchschnittliche Preissteigerung zulaufen, die wir seit mehr als zehn Jahren nicht mehr hatten.

Und selbst das bringt noch immer nicht klar zum Ausdruck, wie sehr sich die Lage der Menschen in den letzten Wochen und Monaten verschlechtert hat.

Der Warenkorb, in dem auch Dinge enthalten sind, die zum Beispiel auf Grund der ak­tuellen Dollarschwäche billiger wurden, liefert nur einen Mischwert und verschleiert da­mit die prekäre Situation, in der sich auch Pensionistinnen und Pensionisten befinden. Das monatliche Durchschnittseinkommen bei den Pensionistinnen und Pensionisten liegt bei nicht einmal 850 € – Frauen erhalten sogar noch um 150 € weniger.

Und bevor jetzt überhaupt Kritik kommt, möchte ich sagen: Hätte die SPÖ beim Antritt der neuen Bundesregierung nicht eine Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes er­reicht, so müsste ein ganzes Viertel aller Pensionistinnen und Pensionisten mit weniger als 700 € das Auslangen finden. Obst, Gemüse, Milchprodukte, Teigwaren, Fleisch und Wurst sind für sie jetzt schon ein Luxus, aber mit der galoppierenden Inflation wird alles unbezahlbar. Und jene Kosten, die nicht wegzusparen sind, meine Damen und Her­ren – ich denke da an die Miete, an Heizkosten, an regelmäßig anfallende Gebühren –, können für viele schon bald existenzbedrohlich werden.

Und was auch die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss als löblich bezeichnet ha­ben, ist mehr als notwendig geworden: Wir müssen dringend eine Inflationsabgeltung vornehmen, und das vorgeschlagene Vorziehen der Pensionsanpassung auf den 1.11.2008 ist dafür sicher ein sehr guter und besonders sozialer Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 226

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolin­schek. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.51.43

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorverlegung der Pensionsanpassung 2009 um zwei Kalendermonate in diesem Jahr stellt für mich lediglich eine Alibiaktion der Bun­desregierung dar. Ein Vorziehen der Pensionsanpassung 2009 wird die finanzielle Be­lastung von vielen Pensionistinnen und Pensionisten nicht verbessern. Die zusätzliche Durchführung eines Teuerungsausgleichs wäre eine sinnvolle Maßnahme.

Unverständlich ist für mich auch, dass weiterhin die ungerechte Pensionsanpas­sung 2008 aufrecht bleibt. Diese bleibt aufrecht, und Pensionisten, die unter 747 € eine Ausgleichszulage erhalten, haben nur eine Erhöhung von 1,7 Prozent erhalten. Herr Bundesminister, ich kann mich noch gut erinnern, als wir im Ausschuss nachgefragt haben: Warum erhalten jene, die keine Ausgleichszulage erhalten, nur 1,7 Prozent Er­höhung? – Die haben keine Ausgleichszulage, ein fiktives Ausgedinge oder andere Dinge, und erhalten nur 1,7 Prozent, gleich viel wie jene, die eine Pension von 2 161 € erhalten. Das ist extrem ungerecht. Sie haben gesagt, die sind sowieso von der Re­zeptgebühr befreit. – Das kann es ja wohl nicht sein, Herr Bundesminister!

Es sind also zirka 700 000 Pensionistinnen und Pensionisten hier krass benachteiligt, und daher ist es im Zuge der Pensionsanpassung 2009 meiner Meinung nach unbe­dingt erforderlich, dass auch die Pensionsbezieher, die keine Ausgleichszulage erhal­ten, prozentuell eine stärkere oder eine gleiche Erhöhung der Pensionen erhalten wie die Ausgleichszulagenbezieher. Das wäre meiner Meinung nach gerecht, und deswe­gen bringe ich auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Ursula Haubner und Kollegen betreffend nachträgliche Pensionsanpassung für Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzesentwürfe zuzuleiten, die eine dringende Änderung der Pensionsanpassung 2008 dahingehend sicherstellen, dass bei jenen Pensionen, die unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen, eine rück­wirkende Pensionserhöhung erfolgt, die in Summe eine prozentuell gleiche Erhöhung wie für Pensionen ab dem Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährleistet.“

*****

Wenn Sie ein Herz haben, werte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsparteien, dann werden Sie diesem Entschließungsantrag auch Ihre Zustimmung geben. – Ich bin aber überzeugt, Sie werden es nicht tun, weil Sie kein Herz haben. (Beifall beim BZÖ.)

18.54


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Dolinschek ein­gebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 227

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Ursula Haubner

und Kollegen

betreffend nachträgliche Pensionsanpassung für Pensionen unter dem Ausgleichzu­lagenrichtsatz

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (568 d.B.) über die Regierungsvorlage (543 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geän-dert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008)

Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 soll die Pensionsanpassung für 2009 bereits mit 1. November 2008 durchgeführt werden. Damit soll eine besondere Inflationsabgeltung für Pensionsbezieherinnen und Pensionsbezieher vorgenommen werden. Auch die Ausgleichszulagen-Richtsätze werden mit 1. November 2008 erhöht. Doch die Vorverlegung der Pensionsanpassung 2009 um zwei Kalendermonate sieht weiterhin keine Berücksichtigung der derzeit unsozialen Bestimmungen der Pensions­anpassung 2008 vor. Während es ja bei den Pensionen ab dem Ausgleichszulagen­richtsatz zu einer deutlichen Erhöhung der Pensionen um 2,9 Prozent gekommen ist wurden die Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz lediglich mit 1,7 Prozent angehoben, was zu großer und berechtigter Empörung unter den Betroffenen geführt hat.

Zudem werden die österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten derzeit massiv belastet. Die enorme Verteuerung bei Lebensmitteln, ständig steigende Energie- und Wohnungskosten sowie hohe Gesundheitsausgaben erschweren zusätzlich die finan­zielle Situation für viele Menschen mit geringen Pensionen.

Daher ist eine nachträgliche und rückwirkende Pensionsanpassung von jenen Pensio­nen, welche unter der Ausgleichszulage liegen, durchzuführen. Diese Pensionen sollen einen finanziellen Ausgleich für die im Zuge der Pensionsanpassung 2008 erlittene Benachteiligung erhalten.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzesentwürfe zuzuleiten, die eine dringende Änderung der Pensionsanpassung 2008 dahingehend sicherstellen, dass bei jenen Pensionen, die unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegen, eine rück­wirkende Pensionserhöhung erfolgt, die in Summe eine prozentuell gleiche Erhöhung wie für Pensionen ab dem Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährleistet.“

Wien, 6. Juni 2008

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dona­bauer. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.54.47

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Standort bestimmt den Standpunkt. Selbige Vor-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 228

haltungen, die ich heute hier höre, mit Entschließungsanträgen unterlegt, habe ich vor zwei Jahren noch von hier (auf die Reihen der SPÖ weisend) gehört.

Ich denke, wir sollen einmal zur Sache kommen: Wahr ist, dass wir in Österreich eine herzeigbare, eine gute Altersversorgung haben, aber natürlich haben wir auch gewisse Aufholprobleme. Wir haben etwa 300 000 Ausgleichszulagenbezieher, die auf Signale warten. Die Preissteigerungen der letzten Wochen und Monate, vor allem im Energie­bereich und im Infrastrukturbereich, haben gerade diese Gruppe enorm unter Druck gebracht. Deshalb ist es auch richtig und gut, dass wir heute diese Beratung führen und ein Gesetz beschließen, wonach die Pensionsanpassung für das Jahr 2009 bereits mit 1. November 2008 erfolgen wird, um gerade diesen Menschen vor der Wintersai­son – erhöhte Heizkosten und dergleichen mehr – wirklich auch ein sichtbares Zeichen zu geben.

Jeder, der heute Forderungen stellt, wird vielleicht viel Gehör finden, aber er soll diese Forderungen nicht nur jenen sagen, die das gerne hören, sondern er muss das auch den jungen Menschen sagen. Wir sind in einer sehr, sehr schwierigen Situation bezüg­lich der demographischen Entwicklung. Meine Damen und Herren, diese Ehrlichkeit müssen wir uns hier zutrauen, und darüber dürfen wir einmal reden!

Und wir müssen uns auch über eines unterhalten: Wir haben in den letzten 30 Jahren an Lebenserwartung – und das ist positiv, da kann vielleicht die Politik nur zum Teil et­was dafür – enorm gewonnen. Die Versorgungszeit mit den Pensionen ist von nahezu neun auf 20 Jahre gestiegen. Auch das sind Fakten.

Ich bekenne mich zu einer ordentlichen Pensionspolitik, so wie wir sie in den letzten Jahren, auch seit dem Jahr 2000 bis 2006, gemacht haben, bekenne mich auch zu einem sinnvollen Beschluss, wie wir ihn heute machen, und ich wünsche uns allen, wo immer wir stehen, dass wir Weitblick, dass wir Kontinuität und dass wir auch Planbar­keit im Auge haben.

Herr Minister! Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, auch das im Raum stehende Thema Nachhaltigkeitsfaktor, das ja schon einer Lösung zugeführt worden ist, doch in entspre­chender Weise weiterzuentwickeln, denn ich denke, unnötige Konflikte auf diesem Ge­biet bringen keinem etwas – sicherlich nicht den Pensionisten und auch nicht den übri­gen Bürgern dieses Staates. (Beifall bei der ÖVP.)

18.57


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Ho­fer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort. (Abg. Ing. Hofer begibt sich zum Rednerpult und platziert dort eine Tafel mit der Aufschrift: „Freitag nach 16:00 Uhr – Wo ist BK Gusenbauer?“)

 


18.57.37

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich entschuldige mich gleich beim Präsidenten, der auf die Würde des Hauses zu achten hat, für diesen etwas plumpen Aktionismus, aber ich konnte es mir nicht verkneifen. Und Sie wissen: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, ein Thema vorzubringen, das mir beson­ders wichtig ist, und das betrifft die Schwerarbeiter. (Rufe bei der SPÖ: Wo ist der Herr Klubobmann? – Ruf: Wo ist der Herr Pilz?) – Nehmt es nicht so schwer! Ich sehe, eini­ge schmunzeln sogar. Ein bisschen was müsst ihr schon auch aushalten!

Meine Damen und Herren! Ein Thema, das mir besonders wichtig ist, sind die Schwer­arbeiter. Herr Kollege Donabauer hat völlig zu Recht gesagt, die Zeit, die man in Pen­sion verbringt, hat sich von neun auf 20 Jahre erhöht. Gerade bei den Schwerarbeitern


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 229

ist es aber so, dass diese, das wissen wir, früher sterben als jene, die einem Beruf nachgehen dürfen, der körperlich nicht so anstrengend ist, und daher verdienen diese Schwerarbeiter unsere ganz besondere Aufmerksamkeit.

Die derzeitige Schwerarbeiterregelung sieht vor, dass Schwerarbeiter, so sie als solche eingestuft werden, dann früher in Pension gehen können, wenn die Schwerarbeit in den letzten 20 Berufsjahren für zumindest zehn Jahre geleistet wurde. Aber auch dann können sie nicht abschlagsfrei in Pension gehen, sondern wenn der Betreffende mit 60 geht, muss er 9 Prozent Abschläge in Kauf nehmen.

Es ist aber in der Praxis natürlich so, dass Schwerarbeit eher dann geleistet wird, wenn man noch etwas jünger ist. Daher wäre es unser großes Anliegen, dass Schwerarbeit immer berücksichtigt wird, egal, wann sie anfällt, egal, in welchem Zeitraum sie anfällt, und dass dann, wenn der Status des Schwerarbeiters zuerkannt wird, dieser Mann, diese Frau auch abschlagsfrei in Pension gehen kann.

Daher folgender Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hofer, Kickl und weiterer Abgeordneter betreffend Schwerarbeiter­regelung

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzule­gen, die eine gerechte Anerkennung von Schwerarbeit für Frauen und Männer sicher­stellt und garantiert, dass Schwerarbeiter auf Grundlage notwendiger Versicherungs­zeiten ohne Abschläge mit 60 Jahren einen Pensionsanspruch erhalten.“

*****

Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen, und befreie Sie nun von diesem Taferl. (Beifall bei der FPÖ.)

19.00


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Der von Herrn Abgeordnetem Ing. Hofer einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hofer, Kickl und weiterer Abgeordneter

betreffend Schwerarbeiterregelung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 7, Bericht (568 d.B.) des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (543 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozi­alversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2008 – SVÄG 2008), in der 63. Sitzung des Nationalrates am 6. Juni 2008

Unser Sozialsystem hat auf die Bedürfnisse von Senioren Rücksicht zu nehmen. Zu oft werden Senioren als Bittsteller behandelt, welche der „arbeitenden“ Bevölkerung hohe


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 230

Kosten verursachen. Im Rahmen einer Salamitaktik wurden Pensionen sukzessive ge­kürzt, die Zuschüsse des Staates minimiert.

Eine besonders unsoziale Vorgangsweise wurde im Rahmen der Schwerarbeiterrege­lung gewählt. Diese sieht vor, dass Schwerarbeit vorerst nur dann berücksichtigt wird, wenn sie in den letzten 20 Berufsjahren für eine Dauer von zumindest 10 Jahren ge­leistet wurde. Und auch in diesem Fall kann man nicht abschlagsfrei mit 60 in Pension gehen. Die Pension wird – trotz Einstufung als Schwerarbeiter – um 9 Prozent gekürzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzule­gen, die eine gerechte Anerkennung von Schwerarbeit für Frauen und Männer sicher­stellt und garantiert, dass Schwerarbeiter auf Grundlage notwendiger Versicherungs­zeiten ohne Abschläge mit 60 Jahren einen Pensionsanspruch erhalten.“

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllin­ger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Sie sind am Wort.

 


19.00.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe einen umfangreichen Abänderungsantrag zu dem Thema Pensionen, von dem ich überzeugt bin, dass er verteilt wird. Der Antrag wurde auch im Ausschuss schon behandelt und hat als Kernthema die Pensionserhöhung 2008 beziehungsweise 2009, die jetzt auch schon von einigen Abgeordneten angesprochen wurde. Die BezieherIn­nen niedriger Pensionen unterhalb des Ausgleichszulagenrichtsatzes haben eine un­terdurchschnittliche Erhöhung bei der Pensionserhöhung 2008 erfahren, und sie wer­den durch die vorgeschlagene vorgezogene Pensionserhöhung auch wieder benach­teiligt, weil sie eine lineare Pensionserhöhung sein wird. Und wir gehen davon aus, dass bei der gegebenen Inflationsrate die BezieherInnen niedriger Einkommen, daher auch niedriger Pensionen, mit Sicherheit ein größeres Problem haben werden als die Bezieher höherer Pensionen. (Präsidentin Dr. Glawischnig-Piesczek übernimmt wie­der den Vorsitz.)

Bundesminister Buchinger sagt als Einwand gegen diese Argumentation, die erhalten ja ihre Pension netto für brutto, während die anderen mit höheren Pensionen noch Steuern zahlen müssen. Das stimmt schon, Herr Bundesminister, ein Problem aber kriegen Sie nicht weg: Bei den einen mit den höheren Pensionen und dem höheren Prozentsatz der Erhöhung bleibt dieser Prozentsatz picken für alle weiteren Pensions­erhöhungen. Das ist ja der neue Wert, auf den die nächste Pensionserhöhung drauf­gesetzt wird – und die anderen bleiben bei ihren 1,7 Prozent, und nur diese fließen dann in die neue Pension sozusagen wertberichtigt mit ein.

Das heißt, es ist nach wie vor eine Benachteiligung, eine Diskriminierung niedriger Pensionen in dieser Pensionserhöhung 2008 versteckt, und Sie wissen genauso gut, Herr Bundesminister, wie ich, dass diese Benachteiligung in erster Linie Frauen betrifft. Deshalb ist unser umfangreicher Abänderungsantrag auch in der Form ausgestaltet, dass er für die BezieherInnen niedriger Pensionen eine überdurchschnittliche Pensi­onserhöhung vorsieht, schlicht und einfach deshalb, weil das mit Gerechtigkeit zu tun


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 231

hat. Offensichtlich hat die Sozialdemokratie mittlerweile große Hörprobleme in diesem Bereich, sie kann es nicht mehr verstehen. (Beifall bei den Grünen.)

Damit bin ich abschließend bei einem Thema, Herr Bundesminister, wo ich mir auf alle Fälle eine Antwort von Ihnen erwarte: bei Ihrem neuerlichen Umfaller in der Pensions­automatik. Das, Herr Bundesminister, ist nicht akzeptabel. Ihre Erklärungsversuche da­nach – reden wir nicht drüber! Aber das eigentliche Problem ist, dass Sie als Bundes­minister sehr genau wissen, dass aus den Berichten, den Pensionsprognosen klar er­sichtlich ist, dass in dem bestehenden Pensionssystem – und da spreche ich nicht von der Automatik – in den nächsten Jahren die Bundesmittel in das ASVG zurückgehen, während sie im GSVG, also für die Gewerbliche und für die Bauernpensionsversiche­rung, stark ansteigen.

Sie wissen ganz genau, dass dieser Fehler der Pensionsreform von 2004 ein Grund ist dafür, warum es bestimmte Entwicklungen gibt, die von den ASVG-Versicherten jetzt mitfinanziert werden, dass die Pensionsautomatik in weiterer Folge nur das ASVG, die Sozialversicherungspensionen, B-SVG und so weiter betrifft, aber nicht das Beamten­pensionssystem. Niemand redet davon, dass für das Beamtenpensionssystem eine Art Pensionsautomatik gelten soll. Und da, Herr Bundesminister, schweigen Sie. Wenn aber jetzt aufgrund dieses Pensionsgesetzes von 2004 immer mehr Pensionsanteile von Beamten in das ASVG hinübergeschaufelt werden, was ja der Sinn und Zweck ist, dann wird natürlich auch der Bundeszuschuss beziehungsweise werden die Bundes­mittel ansteigen.

Dass Sie sich selber die Dynamik erzeugt haben, mit der die Bundeszuschüsse für die Pensionen aus der Allgemeinen Sozialversicherung ansteigen, darüber reden Sie nicht, und das finde ich wirklich perfide. Das betrifft nicht nur Sie, Herr Bundesminister, sondern das betrifft natürlich die ganze Dynamik dieses Pensionsgesetzes, das Sie 2004 geschaffen haben, mit eigenen Zuschüssen für Selbständige und für Bauern be­ziehungsweise mit dem Umstand, und da könnten wir durchaus darüber reden ... (Zwi­schenruf des Abg. Donabauer.) – Der Partnerbeitrag! Der Partnerbeitrag ist ein Zu­schuss für die Bauernpensionen. Aber sei’s drum, ich will mich jetzt gar nicht im Detail damit aufhalten, ich wollte meinen Beitrag kurz gestalten. Nur von Ihnen, Herr Bundes­minister, erwarte ich mir eine Erklärung, wie es mit dieser Pensionsautomatik weiter­gehen soll.

Interessiert hätte mich natürlich auch von der Kollegin Fuhrmann von der ÖVP eine Antwort auf meine Frage, warum sie wirklich glaubt, dass die Pensionsautomatik den Jungen hilft. Die Jungen sind die VerliererInnen dieser Pensionsautomatik! Ja, glauben Sie im Ernst, dass irgendeine wie auch immer zusammengesetzte politische Mehrheit in diesem Land es sich leisten kann, den Pensionisten überhaupt nichts zu geben, nicht einmal die Inflationsabgeltung?! Jetzt haben wir eh schon Jahre Erhöhungen un­terhalb der Inflationsabgeltung gehabt. Niemand wird hergehen und sagen, wir müssen bei den Pensionisten streichen, nämlich Pensionen wirklich reduzieren!

Das heißt, wenn es zum Auslösen dieser Pensionsautomatik kommt, na wo wird her­umgedreht? Beim Steigerungsbetrag – das trifft die Jungen. Bei der Ersatzrate – das trifft die Jungen. Beim Pensionsalter – das trifft die Jungen. Also wenn es in diesem Land noch irgendeinen Naiven gibt, der glaubt, dass die Pensionsautomatik den Jun­gen hilft, dann kann er oder sie offensichtlich nur mehr in der ÖVP beheimatet sein. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Donabauer: Tatsächliche Berichtigung!)

19.07


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Der Abänderungsantrag ist in seinen Kernpunkten erläutert, ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher auch mit zur Verhandlung.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 232

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen,

zum Bericht (568 d.B., XXIII. GP) des Ausschuss für Arbeit und Soziales über den Antrag Regierungsvorlage betreffend Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozi­alversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bau-
ern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Sozialversicherungs-Änderungsge­setz 2008 – SVÄG 2008; 543 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Artikel 1 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung Artikel 1 Ziffer 3.

2. In Artikel 1 werden folgende Ziffern 1 und 2 eingefügt:

„1. § 634 Abs. 10 lautet:

„(10) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz sind im Kalenderjahr 2008 alle Pen­sionen, die mehr als 746,99 € monatlich betragen, nicht mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen, sondern wie folgt zu erhöhen: Beträgt die Pension monatlich

1. weniger als 620,99, so ist sie mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen;

2. mehr als 620,99 € bis zu 1 050 €, so ist sie um 21 € zu erhöhen;

3. mehr als 1 050 € bis zu 1 700 €, so ist sie mit dem Faktor 1,020 zu vervielfachen;

4. mehr als 1 700 € bis zu 2 161,50 €, so ist sie um einen Prozentsatz zu erhöhen, der zwischen den genannten Werten von 2,0 % auf 1,7 % linear absinkt;

5. mehr als 2 161,50 €, so ist sie um 36,75 € zu erhöhen.“

2. Nach § 634 Abs. 12 wird folgender Absatz 13 eingefügt:

„(13) Jener Teil des Erhöhungsbetrages nach Abs. 10 Z. 1 oder 2, der auf Grund des rückwirkenden Inkrafttretens dieser Bestimmungen noch nicht zur Auszahlung gelangt ist, ist gemeinsam mit dem Pensionsbezug für September 2008 zur Auszahlung zu bringen.“

3. Artikel 2 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung Artikel 2 Ziffer 3

4. In Artikel 2 werden folgende Ziffern 1 und 2 eingefügt:

1. § 319 Abs. 5 lautet

„(5) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz sind im Kalenderjahr 2008 alle Pensio­nen, die mehr als 746,99 € monatlich betragen, nicht mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen, sondern wie folgt zu erhöhen: Beträgt die Pension monatlich

1. weniger als 620,99, so ist sie mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen;

2. mehr als 620,99 € bis zu 1 050 €, so ist sie um 21 € zu erhöhen;

3. mehr als 1 050 € bis zu 1 700 €, so ist sie mit dem Faktor 1,020 zu vervielfachen;

4. mehr als 1 700 € bis zu 2 161,50 €, so ist sie um einen Prozentsatz zu erhöhen, der zwischen den genannten Werten von 2,0 % auf 1,7 % linear absinkt;

5. mehr als 2 161,50 €, so ist sie um 36,75 € zu erhöhen.“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 233

2. Nach § 319 Abs. 7 wird folgender Absatz 8 eingefügt:

„(8) Jener Teil des Erhöhungsbetrages nach Abs. 5 Z. 1 oder 2, der auf Grund des rückwirkenden Inkrafttretens dieser Bestimmungen noch nicht zur Auszahlung gelangt ist, ist gemeinsam mit dem Pensionsbezug für September 2008 zur Auszahlung zu bringen.“

5. Artikel 3 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung Artikel 3 Ziffer 3.

6. In Artikel 3 werden folgende Ziffern 1 und 2 eingefügt:

1. § 309 Abs. 5 lautet

„(5) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz sind im Kalenderjahr 2008 alle Pensio­nen, die mehr als 746,99 € monatlich betragen, nicht mit dem Anpassungsfaktor zu vervielfachen, sondern wie folgt zu erhöhen: Beträgt die Pension monatlich

1. weniger als 620,99, so ist sie mit dem Faktor 1,035 zu vervielfachen;

2. mehr als 620,99 € bis zu 1 050 €, so ist sie um 21 € zu erhöhen;

3. mehr als 1 050 € bis zu 1 700 €, so ist sie mit dem Faktor 1,020 zu vervielfachen;

4. mehr als 1 700 € bis zu 2 161,50 €, so ist sie um einen Prozentsatz zu erhöhen, der zwischen den genannten Werten von 2,0 % auf 1,7 % linear absinkt;

5. mehr als 2 161,50 €, so ist sie um 36,75 € zu erhöhen.“

2. Nach § 309 Abs. 7 wird folgender Absatz 8 eingefügt:

„(8) Jener Teil des Erhöhungsbetrages nach Abs. 5 Z. 1 oder 2, der auf Grund des rückwirkenden Inkrafttretens dieser Bestimmungen noch nicht zur Auszahlung gelangt ist, ist gemeinsam mit dem Pensionsbezug für September 2008 zur Auszahlung zu bringen.“

Begründung

Die Pensionserhöhung 2008 hat für erhebliche Aufregung gesorgt. Für Empörung unter den Betroffenen sorgte insbesondere die Tatsache, dass PensionsbezieherInnen, die eine Pension niedriger als € 747,- beziehen, eine geringere Pensionserhöhung akzep­tieren mussten als etwa BezieherInnen von Pensionen zwischen € 747,- und € 2160,-.

Dadurch kam es zu unverständlichen Situationen, weil z.B. BezieherInnen von Pen­sionen in der Höhe € 1150 höhere Erhöhungsbeträge erzielten als etwa ein Paar, das mit zwei etwa gleich hohen Pensionen das selbe Haushaltseinkommen erreichte. Besonders augenfällig ist in Zusammenhang mit der Pensionserhöhung jedoch die geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung der PensionistInnen: Von den etwa 1,1 Mio. Pensionen unter € 747,- sind ca. 830.000 Pensionen von Frauen. Das heißt, dass knapp 65% aller Pensionen von Frauen nur mit 1,7% erhöht wurden, während 63 % aller Männerpensionen mit einem höheren Betrag erhöht wurden.

Diese Tatsache ist auch jenseits der Frage, ob die Betroffenen existenziell abgesichert sind oder nicht von Bedeutung, weil sie Fortsetzung einer unterschiedlichen Behand­lung und Bewertung von Frauen in der Arbeitswelt bis in die Pension bedeutet und die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern vergrößert.

Angesichts der Tatsache, dass der Bund im Jahr 2007 erhebliche Mehreinnahmen im Ausmaß von € 1,6 Mia. zu verzeichnen hatte und der gegenständliche Vorschlag Mehr­kosten in etwa von € 94 Mio. oder nicht einmal 6% der Mehreinnahmen verursacht, kann auch budgetärer Notstand eine derartige Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

*****

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 234

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Abgeordneter Donabauer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege. Sie ken­nen die gesetzlichen Bestimmungen. 2 Minuten Redezeit. Sie haben das Wort.

 


19.07.20

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Öllinger hat in seinem Debattenbeitrag von einem Partnerbeitrag im B-SVG gesprochen. – Das ist vollkommen systemfremd, das ist unrichtig.

Es ist so, dass bei der Einführung der Bäuerinnenpension der Versicherungswert gleich blieb, aber in zwei Teile geteilt wurde, in jenen der Frau und jenen des Mannes. (Abg. Öllinger: Das hat ja mit dem nichts zu tun!) Es gibt hier keine Partnerpension, sondern es gibt eine Teilung des Versicherungswertes. Ich bitte um Kenntnisnahme. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Partnerbeitrag, habe ich gesagt!)

19.08


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schopf mit 2 Minuten Redezeit. – Bitte sehr.

 


19.08.00

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Wir haben gestern bereits ein sehr wichtiges Gesetz beschlossen, wodurch letztendlich fast eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Ent­lastung von 300 Millionen € haben werden. Grund dieser sozialdemokratischen Initia­tive war die Entwicklung bei den Preisen, ob das im Bereich der Lebensmittel, im Be­reich des Wohnens oder bei den Energie- und Treibstoffpreisen ist. Ich denke daher, dass das Gesetz, das gestern beschlossen worden ist, ein Schritt in die richtige Rich­tung war.

Heute gibt es bereits wieder ein für die Menschen positives Gesetz, das auf eine sozi­aldemokratische Initiative zurückzuführen ist. Es geht in diesem Gesetz darum, dass man die Pensionen nicht wie üblich immer zu Jahresbeginn erhöht, sondern dass die Pensionen, aber auch die Ausgleichszulagenrichtsätze bereits mit 1. November 2008 erhöht werden.

Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, dass sehr viele Menschen mit einem Be­trag von 800, 900 oder 1 000 € im Monat auskommen müssen, dann ist klar, dass der Betrag, der den Pensionisten früher zur Verfügung steht, sehr wichtig für diese Men­schen ist.

Es geht letztendlich um eine beachtliche Summe, wenn man bedenkt, dass ein Pro­zentpunkt Pensionserhöhung eine Summe von 36 Millionen € ausmacht. Ich hoffe aber, dass die Pensionserhöhung nicht 36 Millionen, sondern deutlich über 100 Millio­nen betragen wird, denn ich denke, es ist notwendig und wichtig, dass die Pensionis­tinnen und Pensionisten ab 1. November 2008 eine kräftige Pensionserhöhung erhal­ten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.10.06

Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Monaten sehr intensiv mit Teuerungen zu tun gehabt, mit Teuerungen im Bereich Nahrungsmittel, mit Teuerungen im Bereich Energie, mit Teuerungen im Be­reich Wohnungskosten. Diese Gleichzeitigkeit der Teuerungen hat es notwendig ge-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 235

macht, dass wir die Pensionsanpassung für 2009 um zwei Monate vorziehen, weil diese Preissteigerungen zu entsprechenden Kaufkraftverlusten natürlich auch bei den Pensionisten geführt haben. Wir erleichtern mit dieser Maßnahme den Seniorinnen und Senioren das Leben.

Kollege Karl Donabauer hat es aus meiner Sicht völlig zu Recht angesprochen: Wir stehen in den nächsten Jahren vor einem großen demographischen Problem: Es wer­den sehr, sehr viele in Pension gehen, und es werden relativ wenige in den Arbeits­markt nachkommen. (Abg. Dr. Cap: Heißt das jetzt Zuwanderung?) Wir müssen daher Vorsorge treffen, und diese Pensionsautomatik, die auf Regierungsebene aus meiner Sicht sehr vernünftig ausverhandelt wurde, wäre so eine Automatik, die uns Hinweise gibt, wo wir sorgsam nachkorrigieren müssen. In diesem Sinne wäre es notwendig, die­se Pensionsautomatik in das Hohe Haus zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Buchinger. – Bitte.

 


19.12.00

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten im Hohen Haus! Der geschätzte Abgeordnete Neubauer hat darauf hingewiesen, dass es Ungerechtigkeiten bei der Pensionsanpassung abzuschaffen gilt, und ich sage, er hat recht, ich bestätige ihn darin. Die neue Bundesregierung hat das mit der Pensions­anpassung zum 1.1.2008 und nun mit der vorgezogenen Pensionsanpassung zum 1.11.2008 auch gemacht und hat das weiter vor. Denn in den Vorjahren, seit 2000, wurde tatsächlich die Pensionsanpassung unter der Inflationsrate durchgeführt. Damit wurde den österreichischen Pensionistinnen und Pensionisten ein Gesamtvolumen von mehr als 2 Milliarden € vorenthalten.

Das ist korrigiert worden mit 1.1.2008, und zwar mit einer Erhöhung entsprechend der Inflationsrate der zwölf Monate, die im Gesetz zeitnah vorgesehen sind. Es hat sich freilich dann in den Folgemonaten ab Oktober herausgestellt, dass die Inflationsrate bedeutend höher war als im Schnitt der zwölf Monate vorher. Daher war hier erneut Handlungsbedarf gegeben, und die Bundesregierung hat rasch reagiert. Mit dieser auf den 1.11.2008 vorgezogenen Pensionsanpassung wird, wenn man davon ausgeht, dass diese Anpassung mit großer Wahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 2,9 bis 3,1 Prozentpunkten erfolgen wird, insgesamt eine Pensionserhöhung für das Jahr 2008 im Wert von 2,3 bis 2,4 Prozent im Durchschnitt vorgenommen werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn Sie das mit den Pensionsanpassungen etwa in Frankreich vergleichen, mit 1 Prozent, oder in Deutsch­land, mit 1,1 Prozent, dann sehen Sie, dass Politik mit sozialer Handschrift bedeutet, die Pensionen in Österreich im Vergleich zu diesen Ländern um mehr als das Doppelte zu erhöhen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abgeordneter Öllinger hat im Ausschuss ein Rechenbeispiel für die Pensionsanpassung zum 1.1.2008 genannt, wo ich ihn er­sucht habe, er solle mir das schriftlich übermitteln. Das hat er nicht getan. Ich habe es konstruiert, und jetzt weiß ich, warum er es nicht getan hat – ich habe es ihm auch im Ausschuss zugerufen –: weil sich tatsächlich, wenn man das von seiner Bruttoberech­nung auf die Nettoberechnung umlegt, auch hier zeigt, dass die Pensionisten mit nied­rigem Einkommen bei der Nettoanpassung stärker berücksichtigt worden sind, als wenn man diese beiden Pensionen zu einer einzelnen Familienpension über der Aus­gleichszulagengrenze zusammenrechnen würde. (Abg. Öllinger: Das ist unseriös!)


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Sie haben auch gefragt, geschätzter Herr Abgeordneter Öllinger, wie es denn in Bezug auf die Nachhaltigkeit aussieht, und es haben auch andere geschätzte Abgeordnete ähnliche Fragen gestellt. Daher kurz auch eine Information dazu.

Auf Regierungsebene ist zwischen mir und Minister Bartenstein hier eine Vereinbarung getroffen worden. Einen Ministerratsbeschluss gibt es derzeit noch nicht, weil es einen Wunsch vonseiten meiner Fraktion, aber auch von Teilen der ÖVP-Fraktion gibt, näm­lich die Rolle des Parlaments in dieser Nachhaltigkeit stärker zu betonen. Die Not­wendigkeit einer verbesserten Nachhaltigkeit, meine sehr geschätzten Damen und Herren, liegt aus meiner Sicht tatsächlich auf der Hand: Den bestehenden Nachhaltig­keitspfad zugrunde gelegt, wird der Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung von der­zeit 2,3 Prozentpunkten auf 4 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts steigen. Das ist in absoluten Zahlen ein Mehrbedarf von etwa 4 Milliarden €. Wir gingen bisher da­von aus, dass das im Nachhaltigkeitspfad noch bewältigbar ist.

Was aber passiert, wenn die Lebenserwartung noch stärker steigt, als in diesem Pfad angenommen? Was passiert, wenn sich die Wirtschaft schlechter entwickelt, als in die­sem Pfad angenommen? – Für so einen Fall ist es sinnvoll, einen Notfallplan zu entwi­ckeln. Auch Unternehmen, wenn sie Notfallpläne erstellen, tun das nicht dann, wenn bereits eine Katastrophe eingetreten ist, sondern tun das in guten Zeiten. So haben wir uns das auch vorgenommen im Regierungsprogramm und im Regierungsbeschluss vom 11. Jänner, eine derartige verbesserte Nachhaltigkeit einzuführen, und ich denke, dass mit weiteren Diskussionen und einer Stärkung der Rolle des Parlaments hier auch ein guter Weg gefunden werden kann – genauso, wie Sie heute mit der vorgezogenen Pensionsanpassung zum 1.11.2008 auch eine gute Entscheidung für über zwei Millio­nen Pensionistinnen und Pensionisten in unserem Land treffen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.17


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Sozialversiche­rungs-Änderungsgesetz 2008 in 568 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über diesen Zusatzantrag und sodann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag einge­bracht, der sich auf die Einfügung neuer Ziffern 1 und 2 jeweils in Artikel 1, Artikel 2 und Artikel 3 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes samt der sich daraus ergebenden Änderungen der Ziffernbezeichnungen bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 237

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend nachträgliche und rückwirkende Pensionserhöhung auch für Kleinstpensionen spätestens im Rahmen der vorgezoge­nen Pensionsanpassung 2009.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dolinschek, Kollegin und Kollegen betreffend nachträgliche Pensionsanpas­sung für Pensionen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

Ich bitte auch hier jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit und abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schwerarbeiterregelung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum die Minderheit und damit abgelehnt.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 569 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben wollen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.19.469. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 232/A(E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundes­einheitliche Regelungen betreffend Persönliche Assistenz (570 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nun kommen wir zum 9. Punkt der Ta­gesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr für 4 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


19.20.04

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man hier herinnen alles glauben würde, was hier gesagt wird, dann wäre die Bevölkerung schlecht dran.

Ich kann mich daran erinnern – es ist, denke ich, zwei, drei Jahre her –, dass Frau Fuhrmann gesagt hat, dass drei Wurstsemmeln 10 € kosten. Heute hat uns Herr Wö­ginger von der ÖVP gesagt, dass im Innviertel, nämlich im ländlichen Raum, die Spar­bücher der Erbschaftssteuer unterliegen. Und dann haben wir heute noch von Herrn Cap gehört, dass jetzt die Stiftungen eigentlich die Lokomotive der Reduzierung der Arbeitslosigkeit sein werden.

Und letztens im Ausschuss hat uns Frau Lapp darüber informiert, dass die Bundesre­gierung, und in diesem Fall Herr Minister Buchinger, für Menschen mit Behinderungen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 238

ja gar nicht zuständig ist. (Bundesminister Dr. Buchinger: Na, na! – Abg. Mag. Lapp: Das ist falsch!) – Das nur einmal so als Kurzerklärung, was da eigentlich abgeht. Sie hat uns nämlich erklärt, er sei deshalb nicht zuständig, weil Persönliche Assistenz Sa­che der Länder ist.

Jetzt möchte ich nur ganz kurz Revue passieren lassen: Es war Anfang der neunziger Jahre – wer sich noch erinnern kann –, da hatten wir elf Pflegegeldregelungen: neun Landes-Pflegegeldregelungen, die Blindenbeihilfe und dann den Hilflosenzuschuss. Und wir haben gesagt, wir wollen ein bundeseinheitliches Pflegegeld. Dann hat es ge­heißen, das kommt überhaupt nicht in Frage, das geht uns alles nichts an, das ist Län­dersache. Und seit 1993 haben wir ein bundeseinheitliches Pflegegeldgesetz, und das ist gut so.

Fall zwei: Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man gesagt, diese ganze Pflege­debatte von alten Menschen und 40 000 illegalen PflegerInnen geht eigentlich den Bund auch alles nichts an, das ist Sache der Länder. Trotzdem ist man dann irgendwo draufgekommen, es müsste den Bund schon etwas angehen, denn es gibt ja seit 1. Jänner 2008 die sogenannte 24-Stunden-Pflege, wo sich nur 15 Prozent der illegal beschäftigten BetreuerInnen bis jetzt legalisiert haben.

Jetzt haben wir den nächsten Punkt, und da geht es um eine bundeseinheitliche Rege­lung zur Persönlichen Assistenz. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer es bis jetzt noch nicht begriffen hat, dem muss ich es noch einmal extra sagen: Eine einheit­liche Bundesregelung für Persönliche Assistenz ist selbstverständlich, Herr Minister! Da brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren! Als Ergänzung, wie es eben die 24-Stunden-Betreuung gibt, wie es die Assistenz am Arbeitsplatz gibt, muss es auch die Persönliche Assistenz geben. Da darf es nicht neun Landesregelungen geben, son­dern da muss es eine bundeseinheitliche Regelung geben.

Wer das dann bezahlt, ist die andere Diskussion, die wir irgendwann auch führen müs­sen. Aber jetzt geht es darum, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung brauchen, um zu definieren, was Persönliche Assistenz ist, damit wir nicht wieder den Wildwuchs haben, dass jeder irgendetwas anderes darunter versteht und jeder tut, wie er will, und viele Bundesländer gar nichts tun.

Für die Persönliche Assistenz gibt es jetzt seit Kurzem eine Regelung in Wien. Dann gibt es eine Regelung in Oberösterreich, dann gibt es eine Regelung in Tirol, die aber in der Regel über das Rehabilitationsgesetz läuft, und sonst gibt es ohnehin nichts.

Das sind nur drei Regelungen, und diese drei sind bereits unterschiedlich. Wenn wir bereits neun Regelungen hätten, dann hätten wir neun unterschiedliche. Und um die­sem Wildwuchs gleich im Vorhinein auszuweichen und etwas Ordentliches zu machen, brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung. (Beifall bei den Grünen.)

Mein Entschließungsantrag hat nicht mehr ausgesagt, als dass wir von Ihnen wollen, dass Sie dafür sorgen, dass eine bundeseinheitliche Regelung betreffend Persönlicher Assistenz ausgearbeitet wird. Da hat Frau Lapp gesagt: Nein, das geht uns nichts an, das ist Sache der Länder! – Und die ÖVP hat gesagt: Ihr habt recht, das ist so! – Und wir sagen: So ist es nicht! Der Bund kann sich auch im Bereich von behinderten Men­schen nicht seiner Verantwortung entziehen. (Beifall bei den Grünen.)

19.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


19.25.05

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Mit Frau Kollegin Haidlmayr ist es halt immer so ein


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 239

Problem, weil sie halbe Informationen in den Raum stellt. Es hat damit begonnen, dass sie meint, es gebe nur ein bundeseinheitliches Pflegegeldgesetz. Sehr geehrte Frau Kollegin, es gibt in den Ländern Pflegegeldgesetze! Das ist also eine halbe Informa­tion. (Abg. Haidlmayr: Eine Ergänzung!)

Die zweite halbe Information, die sich bei diesem Antrag mit der Persönlichen Assis­tenz beschäftigt, ist – und das ist interessant, da haben wir nämlich nicht die Informa­tion von Frau Kollegin Haidlmayr bekommen –, dass es ja bereits eine bundeseinheit­liche persönliche Assistenz gibt (Abg. Haidlmayr: Gibt es nicht!), und zwar am Arbeits­platz, sehr geehrte Frau Kollegin! (Abg. Haidlmayr: Ja – aber in anderen Berei­chen?!) – Ach, jetzt höre ich sie „Ja“ sagen, aber vorher hat sie es vergessen. (Neuerli­cher Zwischenruf der Abg. Haidlmayr.)

Die halben Informationen, sehr geehrte Frau Kollegin, will ich Ihnen gerne auffüllen, denn ich glaube, behinderte Menschen haben das Recht, ganze Informationen zu be­kommen, ganze Unterstützung zu bekommen und nicht nur halbe Informationen. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haidlmayr: Ja, die bestehen ja nicht nur aus Arbeit! Die haben auch Freizeit!)

Es ist so, dass bei der beruflichen Persönlichen Assistenz die Fälle ständig steigen. Im Jahr 2005 gab es 136 Personen, die eine Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz be­kommen haben, und im Jahr 2007 sind es bereits 255 Personen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man die Aufgaben im eigenen Haus ordentlich erfüllt. Der Bund hat mit der Persönlichen As­sistenz in der Berufswelt seine Aufgaben ordentlich erfüllt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haidlmayr: Der Freizeitbereich ...!)

19.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


19.27.16

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Für behinderte Menschen ist es ganz wichtig, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können und dass man bei Leistungen, die es für be­hinderte Menschen gibt, auch Rechtssicherheit hat, das heißt, dass man genau weiß, welche Leistungen man bekommt. Wenn man einen Anspruch darauf hat, dann soll es auch einen Rechtsanspruch darauf geben.

Das ist bei der Persönlichen Assistenz derzeit nicht der Fall. Es wäre uns ganz wichtig, dass die Kriterien für die Persönliche Assistenz ganz genau definiert werden und dann, wenn diese Kriterien zutreffen, am Arbeitsplatz, aber auch im Rahmen einer Ausbil­dung dieser Rechtsanspruch zuerkannt wird.

Frau Kollegin Haidlmayr ist mit Sicherheit eine Dame, die sich sehr vehement für die Interessen der Behinderten einsetzt. Ich verstehe auch die Kritik, die von manchen Sei­ten manchmal kommt, weil sie in ihrem Engagement und in ihrer Begeisterung für die Sache manchmal zu sehr drastischen Maßnahmen greift, aber man muss ihr zugeste­hen, dass sie mit ihrem Einsatz für behinderte Menschen über viele Jahre hinweg auch sehr, sehr viel bewegt hat. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.28


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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19.28.35

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Theresia Haidlmayr hat recht, Persönliche Assistenz ist wichtig. Viele behinderte Men­schen leben damit, und es braucht auch eine bundeseinheitliche Regelung zur Fi­nanzierung. Der Bund hat mit der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz da ein sehr gutes Vorbild gezeigt, wie es gehen kann und wie es funktioniert. Im Alltagsbereich gibt es noch Länderlösungen, und es ist wirklich schwierig, dass es in Wien beispielsweise ein anderes Modell gibt als im Burgenland. Und hier braucht es eine bundeseinheitliche Regelung.

Bei den Koalitionsverhandlungen war das Thema. Wir haben es mit den Ländern dis­kutiert. Minister Buchinger war dabei, er ist Zeuge, dass die Länder gesagt haben: Nein, wir wollen das nicht, das ist unser Kompetenzbereich. Wir wollen keine bundes­einheitliche Regelung, sondern Länderlösungen. Deshalb ersuche ich auch die Länder, sich an den Tisch mit dem Bund zu begeben. Es ist ihr Kompetenzbereich, und es muss von ihnen ein Schritt gesetzt werden, dass es hier eine Lösung gibt, die einheit­lich für Österreich ist.

Ich möchte noch ein Wort zum neuesten Bundespflegegeldgesetz sagen, das jetzt in Begutachtung ist. Ich finde es erstens gut, dass jetzt „schwerstbehinderte“ Kinder in Zukunft besser eingestuft werden sollen. Nur: Die Lösung, die vorliegt, finde ich nicht so gut – denn was ist eine „schwerste Behinderung“? Ist das Down-Syndrom? Ist das ein Kind, das spastisch ist? Es steht im Gesetz drinnen, dass man zwei Funktionsein­schränkungen haben muss. Aber auch das ist problematisch. Wenn zum Beispiel ein spastisches Kind so spastisch ist, dass es nicht reden, nicht kommunizieren kann oder nur schwer kommunizieren kann, ist das nur eine Funktionsbeeinträchtigung, die aber auch Wirkungen hat.

Das wird zu neuen Härtefällen und auch zu sehr unguten Diskussionen führen: Habe ich ein schwerstbehindertes Kind oder nur ein schwerbehindertes Kind?

Da ersuche ich den Herrn Minister, dass man eine praktikablere Lösung findet – es kommen nicht so viele behinderte Kinder zur Welt, leider immer weniger –, dass man hier wirklich individuelle Einstufungen findet, dass man individuelle Situationen ver­gleicht und auch nicht ein behindertes Kind mit einem gesunden Kind vergleicht, son­dern von der Behinderung ausgeht, die ein Kind und auch ein Erwachsener hat. – Dan­ke. (Allgemeiner Beifall.)

19.32


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.33.12

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Persönliche Assistenz steht sozusagen für jede Art der persönlichen Hilfe, die es Menschen mit Behinderungen ermöglicht, ein unabhängi­ges und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Ich bin sehr froh, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung in der Berufswelt haben, wo es die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz gibt, die persönliche Ausbildungsas­sistenz, das Clearing, die schwierige Schnittstelle zwischen Schule und Beruf. Das wurde in der Vergangenheit, in den letzten Jahren eingeführt und hat sich mit Sicher­heit bewährt.

Jetzt geht es um die persönliche Assistenz in allen Bereichen. Einer bundeseinheitli­chen Regelung in diesem Bereich kann ich schon einiges abgewinnen, denn der Unter­schied zu den herkömmlichen Hilfsangeboten von sozialen Diensten besteht ganz ein-


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fach darin, dass eben die Menschen mit Behinderung die ganze Organisation selbst in die Hand nehmen. Sie bilden für die persönlichen Dienste selbst aus, sie leiten an, sie bestimmen Zeit, Ort, Art und Ablauf der privaten Assistenzleistung.

Daher glaube ich, dass auch im privaten Bereich diese Persönliche Assistenz wichtig ist. Das ist an unserem Kollegen Dr. Huainigg beispielhaft, wie er das organisiert.

Ich denke, dass dieser Antrag schon Sinn macht, und wir werden dem Antrag unsere Zustimmung geben. (Beifall bei BZÖ, ÖVP und SPÖ.)

19.35


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nun hat sich von der Regierungsbank Herr Bundesminister Dr. Buchinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.35.05

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Wir wissen alle: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ Wir – auch ich per­sönlich – anerkennen und respektieren das Engagement der geschätzten Frau Abge­ordneten Haidlmayr.

Aber wenn Sie sagen, geschätzte Frau Abgeordnete, dass der Bund seiner Verpflich­tung im Rahmen der Arbeit für Menschen mit Behinderung nicht nachkommt, dann, meine ich, ist Ihnen der Mund übergegangen. (Abg. Haidlmayr: In dem Bereich nicht! Das ist so!)

Tatsächlich ist es nämlich so – und das ist nicht nur die neue Bundesregierung, das sage ich auch mit allem Respekt, auch die Vorgängerregierung hat dem Bereich der Arbeit für Menschen mit Behinderung großes Augenmerk gewidmet –: Wir haben in der neuen Regierung die entsprechenden Mittel der Beschäftigungsoffensive jährlich zwi­schen fünf und zehn Prozent weiter ausgebaut, jetzt zum zweiten Mal.

Wir haben im Bereich der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz das Modell nicht nur quantitativ ausgebaut, sondern auch qualitativ verfeinert: für Krankenstandszeiten, für Absenzzeiten. Hier ist also eine große Weiterentwicklung, die auch notwendig ist, für die Menschen mit Behinderung im Gange. (Abg. Haidlmayr: Es geht nicht ..., es geht um den Freizeitbereich!)

Im Freizeitbereich ist es tatsächlich so – Frau Abgeordnete Lapp hat zu Recht darauf hingewiesen –, dass die Verantwortung im gesetzlichen Bereich hier bei den Ländern liegt. (Abg. Haidlmayr: Stimmt nicht!) – Ja selbstverständlich, bei den Landesbehinder­tengesetzen!

Und natürlich könnte der Bund im Rahmen einer 15a-Vereinbarung, so wie er es beim Pflegegeld und bei der 24-Stunden-Betreuung gemacht hat (Abg. Haidlmayr: Genau!), hier eine Entwicklung für bundesweit einheitliche Lösungen einleiten. Sie wissen aber auch, geschätzte Frau Abgeordnete, wie lange das braucht, um den derartigen Boden bei den Ländern aufzubereiten. (Abg. Haidlmayr: Ja, das macht nichts! Da muss man halt einmal anfangen!) Sie wissen vielleicht noch nicht, aber wir tun es, dass das beste Beispiel für eine derartige Weiterentwicklung ist, im eigenen Zuständigkeitsbereich gute Benchmarks zu setzen. Und das tun wir im Bereich der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz.

Bei Herrn Abgeordnetem Huainigg möchte ich mich für seine Anregungen und Hinwei­se in Bezug auf schwer- und schwerstbehinderte Kinder bedanken. Ich darf hier darauf hinweisen, geschätzter Herr Abgeordneter, dass wir deswegen im Ministerium mit einer gewissen Vorsicht an diese Frage herangehen, weil hier eine ähnliche Situation gege­ben ist wie bei der Persönlichen Assistenz.


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Im Bereich der Pflegegeldeinstufung und der Pflegegeldleistung für Kinder ist es so, dass von etwa 5 000 betroffenen Kindern in Österreich 4 500 in der Ingerenz der Län­der liegen, also von dort die Pflegegeldleistung erhalten, und nur zirka 500 die Pflege­geldleistung vom Bund erhalten. Und wenn 90 Prozent, 80 Prozent der Leistungen ein Dritter, nämlich die Länder, leistet, dann muss man mit entsprechender Behutsamkeit auf die Vorschläge eingehen und sehr Bedacht nehmen auf das, was die Länder bereit sind, zu tun.

Und in einer Arbeitsgruppe mit den Ländern unter Vorsitzführung der Steiermark ist eben dieses Modell als konsensfähig mit den Ländern herausgekommen. Vielleicht ist es so – auch ich habe eine gewisse Hoffnung, geschätzter Herr Abgeordneter –, dass in der Begutachtung hier noch die eine oder andere Verbesserung erreicht und von den Ländern akzeptiert werden kann. Am Bund wird es nicht liegen. Aber ich sage nochmals dazu: Der Bund tut sich hier leicht, weil die meisten Kosten beim Pflegegeld für Kinder bei den Ländern anfallen.

Bei der geschätzten Abgeordneten Lapp möchte ich mich sehr bedanken für die Initiati­ven und für die Anregungen, die zu den bisherigen Verbesserungen insbesondere im Arbeitsbereich geführt haben.

Und ich wäre sehr froh, wenn der große Konsens im Hohen Haus, wenn es um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für behinderte Menschen geht, auch in dieser Frage gewahrt bleiben könnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.39


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 570 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben wollen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.39.3710. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 17, 18, 22, 24, 25, 27, 28, 30 und 31 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 15, 17 und 18 (578 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. 5 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


19.40.01

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Wir alle arbeiten jetzt, nach 16 Uhr, noch immer, und ich bin schon so müde, dass ich mich beim Herunterfahren der Rampe schon schwertue.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Petitionsausschuss hat oder hätte – sagen wir es einmal in der Möglichkeitsform – eigentlich den Sinn, Anlie­gen von Bürgerinnen und Bürgern ernst zu nehmen und zu versuchen, diese Anliegen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. Das ist der Grund, warum wir in


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diesem Haus einen Petitionsausschuss haben. Er ist das Spiegelbild der Gesellschaft, und wenn der Bevölkerung etwas nicht passt, dann hat sie die Möglichkeit, das zu arti­kulieren, und zwar in Form einer Bürgerinitiative oder Petition. Und es ist unser Auftrag, diese Bürgerinitiativen und Petitionen ernst zu nehmen. Das geschieht aber nicht oder nur dort, wo es um nicht viel geht.

Ich möchte Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem jenen, die nicht im Petitionsausschuss sind, ein paar Zuckerl liefern, sagen, wie das Ganze abläuft, weil das nämlich nicht „ohne“ ist.

Abgeordnete bringen zum Beispiel eine Petition ein, in der sie fordern, dass der Poli­zeiposten in Bernbach wieder aufgesperrt wird. Das kommt in den Ausschuss, dann gibt es eine Stellungnahme des Ministers, in die der Minister überhaupt nichts dahin gehend schreibt, ob dieser Polizeiposten wieder aufgesperrt wird oder nicht. Der Minis­ter sagt nur, dass die Kriminalitätsrate zurückgegangen ist und blablabla – und der Rest ist wirklich ein Blabla, darum habe ich es so gesagt. Der oder die betreffende Abgeordnete sagt dann: Na gut, wenn es heißt, die Kriminalität ist jetzt eh zurückge­gangen – wir wollen zwar schon noch, dass der Polizeiposten in Bernbach aufgesperrt wird, freilich wollen wir das, aber wir nehmen zur Kenntnis, dass er nicht aufgesperrt wird.

Ich meine, entweder möchte ich etwas haben – dann sollte ich das auch durchzie-
hen –, oder ich möchte es nicht – dann ist es gescheiter für alle, ich rühre gleich von Haus aus das Thema nicht an.

So funktioniert in der Regel die Arbeit im Ausschuss.

Und dann gibt es natürlich Petitionen und Bürgerinitiativen der Opposition, die nicht so windelweich zu erledigen sind, durch Kenntnisnahme, sondern wo die Abgeordneten der Opposition die Bevölkerung mit allen Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung ste­hen, vertreten.

Eine dieser Petitionen, die wir jetzt gehabt haben, betrifft das Sicherheitspolizeigesetz, bei dem, nach Umfragen, knapp 80 000 Menschen – und 24 000 haben das schriftlich bekannt gegeben – mit dem Umstand, wie das Sicherheitspolizeigesetz zustande ge­kommen ist, nämlich in dieser Nacht-und-Nebel-Aktion, nicht zufrieden sind und wollen, dass es an den Innenausschuss zurückverwiesen wird, um eine sachliche und ordent­liche Debatte führen zu können.

Die 24 000 Personen, die das unterschrieben haben, sind keine Spinner oder ausge­kommene wahnsinnige Grüne, wie das immer wieder unterstellt wird, sondern da sind Leute dabei, die Sie alle kennen, ich nenne nur Frau Dr. Helige, Menschen, die an der Uni sind. Und die sagen: Freunde, so geht das nicht! So kann man in Österreich nicht umgehen!

Deshalb hat es von uns, den Grünen, diese Petition gegeben. Und das, was daraus geworden ist, nämlich dass Sie gar nichts gemacht haben, ist Ihr Ergebnis. Sie haben gesagt: Jetzt machen wir eine Stellungnahme vom Innenministerium!, und dann: So, und jetzt lassen wir diese Geschichte wieder deppert sterben! – Mein Kollege Pilz wird Ihnen das dann noch genauer sagen, nämlich was unsere Forderung war und wie ignorant Sie gegenüber 24 000 UnterzeichnerInnen sind! Das ist eine Ignoranz, bei der es mir die Haare aufstellt.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir in diesem Haus nicht! Deshalb werden wir dem Sammelbericht auch nicht zustimmen, nicht, weil er schlecht geschrieben ist, das passt schon, sondern weil die Art und Weise, wie Sie mit Bürger­interessen umgehen, so etwas von elendig ist – mir fällt jetzt kein besserer Ausdruck ein, bei uns daheim sagt man halt so; wenn jemand von Ihnen einen besseren Begriff


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hat, dann sagen Sie ihn mir bitte –, dass man da ganz einfach nicht zustimmen kann, denn wir verraten nicht so wie Sie die Bürger. (Beifall bei den Grünen.)

19.45


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort. 2 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.45.43

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr hat gerade die Petition aufgrund einer Schließung des Polizeipostens in Bernbach erwähnt.

Ich kann Ihnen berichten, auch ich habe einmal eine Petition diesbezüglich einge­bracht – da ist es um die Polizeipostenschließung in Innsbruck in der Reichenau ge­gangen –, mit sehr vielen Unterschriften. Es ist damals – das war noch zu Zeiten des Innenministers Strasser – sehr wohl gelungen, dass diese Polizeistation in Innsbruck nicht zugesperrt wurde, diese gibt es nach wie vor. Und eine weitere, da kann ich auch über einen Erfolg des Petitionsausschusses berichten, ... (Abg. Haidlmayr: Da hat man das dem Innenausschuss zugewiesen!) Da haben wir es nicht dem Innenaus­schuss zugewiesen – nachlesen, Frau Kollegin Haidlmayr! –, sondern auf Grund einer Stellungnahme ist dann dieser Posten, also damals noch das Polizeiwachzimmer, in der Reichenau nicht geschlossen worden.

Das Gleiche kann ich Ihnen zum Beispiel vom Wachzimmer Bahnhof Innsbruck berich­ten, wo uns dies auch gelungen ist. Auch das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Bürger­initiativen oder Anliegen der Bürger ernst genommen werden.

Wir haben in den verschiedenen Perioden – und ich verabschiede mich hier jetzt als Vorsitzende des BürgerInneninitiativenausschusses – unterschiedliche Petitionen zu behandeln gehabt, selbstverständlich: 100 000 Unterschriften zum Beispiel gegen den EU-Beitritt beziehungsweise gegen den neuen Vertrag, zum Beispiel 100 000 Unter­schriften gegen die Pensionskürzungsreform und, und, und. Alles Mögliche hat es da gegeben. Und immer entscheidet wie überall im parlamentarischen Alltag die Mehrheit. Natürlich entscheidet dann die Mehrheit! So ist es halt einmal in der Demokratie, und das haben wir zur Kenntnis zu nehmen.

Ich aber, sehr geehrte Damen und Herren, kann Ihnen sagen, ich habe mich in diesem Ausschuss immer bemüht, die Angelegenheiten der Bürger und Bürgerinnen ernst zu nehmen, habe mich auch bemüht, einiges transparenter zu machen für diejenigen, die die Bürgerinitiativen und Petitionen einbringen. So sind die Stellungnahmen seit dem Jahr 2002, war es dann, glaube ich, auf der Homepage nachzulesen. Das war nämlich vorher nicht der Fall.

Ich habe auch einige Anträge gestellt in Bezug auf die Herabsetzung des Alters für die Unterstützung von Bürgerinitiativen, nämlich auf 16 Jahre, weiters Anregungen ge­macht in Bezug auf die Novellierung der Geschäftsordnung, die da zum Beispiel gelau­tet haben, dass es möglich sein sollte, dass wir als Ausschuss eigenständige Anträge, nämlich die sogenannten § 27-Anträge, einbringen. Dann die Anregung, es zu ermögli­chen, die Wünsche der Bürgerinitiative auf elektronischem Wege einzubringen. Es hat damals eine Antwort des damaligen Präsidenten Khol gegeben, der das mehr oder we­niger positiv beurteilt hat. In Zukunft sollte auch eine sogenannte Online-Petition mög­lich sein. Das sind alles Aufgaben, die die neue Vorsitzende und die Mitglieder des zu­künftigen Ausschusses sicher weiterverfolgen werden. Ich wünsche allen viel Erfolg bei der Arbeit.


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Das ist ein Ausschuss, der viel arbeitet, der einen großen Generalismus von den Abge­ordneten verlangt, oft nicht so im Rampenlicht steht und daher besonders zu schätzen ist.

Ich jedenfalls bedanke mich bei allen für die wirklich gute Zusammenarbeit, beim Kolle­gen Freund, selbstverständlich auch bei der Kollegin Haidlmayr, bei den Kollegen von FPÖ und BZÖ, die immer wieder in unterschiedlicher Besetzung da waren. Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit und weiterhin viel Erfolg im Interesse der Bürger und Bürgerinnen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen, FPÖ und BZÖ.)

19.49


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Kurzmann das Wort. Sie haben für 3 Minuten, freiwillig natürlich, das Wort. – Bitte.

 


19.50.01

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Umgang der Regierungsparteien mit Bürgerinitiativen und Petitionen – die Frau Kollegin Haidlmayr hat einen eigenen Ausdruck dafür gebraucht, ich sage es anders – ist doch leichtfertig und vom Klubzwang, aber auch vom Koalitionsabkommen geprägt.

Wir haben das auch in der letzten Woche im Petitionsausschuss festgestellt, als näm­lich eine Petition unseres Klubobmanns Heinz-Christian Strache nicht der parlamentari­schen Behandlung zugeführt worden ist, sondern einfach im Petitionsausschuss abge­würgt wurde. Das war genau jene Petition, die eine Volksabstimmung über die neue EU-Verfassung, den Vertrag von Lissabon, aber auch den bevorstehenden Beitritt der Türkei zur EU zum Inhalt hatte.

Sie haben es in diesem Ausschuss abgelehnt, Stellungnahmen zum Beitritt der Türkei zur EU vom Bundeskanzleramt einzuholen. Wir wollten auch eine Stellungnahme der Außenministerin haben.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, so geht man mit Bürgeranlie­gen nicht um, vor allem dann nicht, wenn sie von mehr als einer Viertelmillion Men­schen unterstützt werden! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scheibner.)

Aber auch wenn die Regierungsparteien abgehoben und überheblich agieren, wofür es eigentlich keinen Grund gibt – schauen Sie sich nur die Ergebnisse der Meinungsum­fragen an! –, geben wir Freiheitlichen die Hoffnung nicht auf.

Wie Sie wissen, steht eine Volksabstimmung in Irland bevor, und die „Kronen Zeitung“ titelt schon jetzt: Mehrheit bereits gegen den EU-Verfassungsvertrag. (Beifall bei der FPÖ.)

Möglicherweise kann Ihre Absicht, einen zentralistischen europäischen Bundesstaat zu schaffen, doch noch verhindert werden. Wir haben aber auch Hoffnung, dass die deut­schen Verfassungsrichter, die der CSU-Abgeordnete Gauweiler mit einer Verfassungs­klage angerufen hat, ein solches Vorhaben auch noch verhindern können. Wir wollen jedenfalls nicht, dass Österreich zu einer unbedeutenden Provinz von Brüssel absinkt.

Ich möchte noch ganz kurz auf ein Thema zu sprechen kommen, das uns Freiheitli­chen auch wichtig ist, und zwar auf das Sicherheitspolizeigesetz. – Kollegin Haidlmayr hat es schon gesagt: überfallsartig eingeführt, ohne Besprechung im Innenausschuss. Sie haben es einfach um Mitternacht am 6. Dezember im Plenum beschlossen.

Der Innenminister behauptet, er brauche dieses Instrument als Mittel zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung. Wenn dem wirklich so wäre, meine Damen und Herren,


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dann würde die Freiheitliche Partei als Sicherheitspartei da sicher mitgehen. Aber das sprunghafte Ansteigen der Kriminalität, das Sie immer so bejammern, ist in erster Linie auf die organisierte Kriminalität zurückzuführen, die Sie ja durch Ihre Unsicherheitspoli­tik importiert haben. (Beifall bei der FPÖ.) Und jetzt stehen Sie da, meine Damen und Herren, wie der sprichwörtliche Zauberlehrling, der nicht weiß, wie es weitergeht. Sie stehen vor dem Scherbenhaufen Ihrer Sicherheitspolitik – eigentlich müsste man sa­gen: Unsicherheitspolitik – und wollen jetzt mit einem totalen Überwachungsstaat ge­gensteuern.

Meine Damen und Herren! Wir lehnen die totale Überwachung, nämlich die Mobilfunk­überwachung für die gesamte Bevölkerung ohne richterliche Anordnung ab. Wenn Herr Platter da auf den Spuren des deutschen Innenministers wandelt, der offensichtlich den Rechtsstaat in der Bundesrepublik Deutschland aushebeln will, schwächen will, dann stehen wir als Freiheitliche für einen solchen Zweck nicht als Erfüllungsgehilfen zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.54.01

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr ge­schätzten Damen und Herren! Unsere Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, ein Begehren, ein Anliegen, das sie bewegt, aufzuzeigen und von der Politik einzufordern. Auch wenn nicht jeder Abgeordnete immer mit den einzelnen Entschei­dungen einverstanden ist, so wird doch jede Petition und jede Bürgerinitiative ernst ge­nommen, diskutiert, weitergeleitet und entsprechend behandelt. Denn: Das müssen uns die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger wert sein!

Ich danke hier namens der ÖVP-Fraktion der scheidenden Vorsitzenden Frau Mag. Gi­sela Wurm für die gute Zusammenarbeit und für ihren Einsatz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen liegt nun vor. Fünf Petitionen und drei Bürgerinitiativen wurden Ausschüssen zugewiesen und sind nun dort, wo die Inhalte verhandelt und abgestimmt werden.

Eine Petition davon möchte ich besonders herausstreichen, nämlich die Petition Nr. 24: „Österreich gentechnikfrei“, eingebracht vom Klubobmann Heinz-Christian Strache. Er ersucht darin die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung, bei Verhandlungen auf europäischer Ebene gegenüber jeglicher grünen Gentechnik eine klare Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.

Ich kann dieser Forderung nur zustimmen, möchte aber auch anmerken, dass im Re­gierungsprogramm die Sicherung der Gentechnikfreiheit enthalten ist und diese Bun­desregierung bereits Regelungen getroffen hat. Diese Absicht haben Lebens- und Ge­sundheitsministerium auch in ihrer Stellungnahme zur Petition untermauert.

Auch im Oberösterreichischen Landtag wurde bereits 2003 von allen Parteien ein To­talverbot von GVOs in der Landwirtschaft beschlossen. Jeder Anbau ist dort zu mel­den.

Diese Petition wurde dem Landwirtschaftsausschuss zugewiesen und wird in der nächsten Sitzung behandelt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Pilz hat in seinem Weblog aus dem Ausschuss zum Sicherheitspolizeigesetz berichtet. Dort bezeichnete


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er die Ausschussmitglieder von ÖVP und SPÖ als jämmerlich und führte sie mit deren Namen an. Damit nicht genug. Es stand dort weiters wortwörtlich über dieselben – ich zitiere –:

„Man soll sie sich merken, denn genau das ist der politische Bodensatz, auf den das österreichische Parlament gebaut ist.“ – (Abg. Mag. Kogler: Ja eh!)

Das ist Ihr Verständnis von Demokratie, Herr Abgeordneter Pilz, und ich glaube, das richtet sich von selbst! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Pilz. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.56.49

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Damen und Herren! (Ruf bei der ÖVP: Hoffentlich ist er gut vorbereitet!) Sie haben mich gut auf diese Debatte vorbereitet. Sie im Innenausschuss und Sie im Petitionsausschuss haben nichts ausgelassen, um mich gut auf diese Debatte vorzubereiten.

Ich erinnere daran, was am 5. Dezember 2007 in diesem Haus geschah. Vielleicht haben es auch einige Abgeordnete von den Regierungsparteien noch nicht ganz ver­gessen, wie damals ein Sicherheitspolizeigesetz mit Mehrheit beschlossen wurde, das nicht eine Sekunde im Innenausschuss war. Vielleicht haben es ein paar Abgeordnete von den Regierungsparteien noch nicht vergessen, dass am selben Tag ein Abände­rungsantrag eingebracht worden ist, in welchem die Überwachung der dynamischen IP-Adressen – das heißt das Internet – ohne richterliche Genehmigung zum Gesetz ge­macht worden ist und damit verhindert worden ist, dass die Justizministerin begut­achten konnte, dass die Datenschutzkommission etwas dazu sagen konnte, dass die Sozialpartner ihre Meinung dazu äußern konnten, dass der Verfassungsdienst Stellung dazu nehmen konnte, dass die Provider, die Firmen, die Betroffenen ihre Meinung dazu formulieren konnten, dass die Rechtsanwaltskammer dazu etwas sagen konnte und viele andere auch.

Einige von Ihnen – ich gehe davon aus, die wenigsten in den Regierungsparteien –haben gewusst, dass die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren von der Justiz­ministerin bis zu den Sozialpartnern negativ gewesen wären. Die einzigen positiven Stellungnahmen sind aus dem Kabinett des Innenministers gekommen, und über die Qualität der Kabinette der verschiedenen Innenminister können wir uns ja derzeit ein ganz gutes Bild machen. – So. (Beifall bei den Grünen.)

Dann haben sich Menschen zusammengetan, und zwar drei Informatikprofessoren, darunter der Präsident der Österreichischen Computer Gesellschaft, und die ehemalige Vorsitzende der Österreichischen Richtervereinigung und haben gesagt: Wir wollen wissen, ob wir von diesem Parlament irgendetwas zu erwarten haben. Wir starten eine Petition, die nur ein Ziel hat, nämlich vom Petitionsausschuss dem Innenausschuss zu­gewiesen zu werden, damit dort ein erstes Mal das neue Sicherheitspolizeigesetz dis­kutiert wird!

Dann haben mehr als 24 000 Menschen diese Petition unterschrieben. Ich habe sie persönlich der Präsidentin des Nationalrats übergeben, weil laut Geschäftsordnung für die Einbringung einer Petition ein Nationalratsabgeordneter notwendig ist.

Dann ist die Petition in den Petitionsausschuss gekommen. Und dann gab es den Vor­schlag der Koalition, diese nicht dem Innenausschuss zuzuleiten, sondern den Innen­minister um eine Stellungnahme zu ersuchen. Und zur Überraschung aller, insbeson­dere der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP, war die Antwort des Innenministers kurz, lakonisch, sie bestand aus zwei Absätzen, und das für mehr als 24 000 Menschen, die


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Fragen gestellt haben. Minister Platter sagte unter anderem: Das ist ein Supergesetz. Viel mehr ist nicht dringestanden. Und: Es ist alles in Ordnung.

Daraufhin hat der Petitionsausschuss ein zweites Mal getagt. Kollegin Haidlmayr hat wieder verlangt und wieder darauf hingewiesen, dass doch 24 000 Menschen das Recht haben sollten, dass zumindest ihr Anliegen dem Innenausschuss zugewiesen wird. Die Petition ist enderledigt worden, zum Altpapier geworfen worden, entsorgt wor­den, schlicht und einfach politisch weggeschmissen worden.

Das war das Schicksal einer Initiative von mehr als 24 000 Menschen, die geglaubt ha­ben, dass sie von den Abgeordneten von SPÖ und ÖVP im Petitionsausschuss irgend­etwas zu erwarten haben!

Im Wahlkreis rennen Sie ihnen mit Gusenbauer-Photos und Kugelschreibern nach. Im Parlament interessieren Sie sich nicht für diese Menschen. Im Parlament schmeißen Sie ihre Anliegen zum Altpapier. Im Parlament ist Ihnen das Anliegen dieser mehr als 24 000 Menschen nicht einmal eine ernsthafte Debatte wert. (Abg. Mag. Donner­bauer: Sie sind nicht glaubwürdig, Herr Abgeordneter!)

Was glauben Sie, was diese Menschen von Ihnen halten? – Ich sehe es als Reaktion auf die Debatte, wo ich einmal Ihr Arbeitsverhalten möglichst präzise und zurückhal­tend charakterisiert habe: fast nur Zustimmung, 99 Prozent Zustimmung! Aber das ist für mich kein Grund zur Freude, sondern ein Grund zu fragen: Wie kann dieses Parla­ment das ändern? Wie kann es möglich gemacht werden, dass dieses Parlament das Vertrauen der Menschen zurückgewinnt?

Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, haben dieses Vertrauen weitge­hend verspielt. Doch Sie können das nicht nur auf die Bundesregierung schieben. Das Versagen der Bundesregierung ist außerordentlich. Aber was haben Sie diesem Versa­gen entgegengesetzt? Was hatten Sie zu bieten angesichts einer Regierung Gusen­bauer/Molterer? Hat sich der Petitionsausschuss ernsthaft um diese Menschen geküm­mert? Nein! Es hieß: Weg damit! Wir haben zwei Stunden Sitzungszeit! Und jede Minu­te darüber ist eine Geschäftsstörung im Lebensablauf einzelner Regierungsabgeordne­ter. Keine Zeit für die Menschen! Nichts da! Kein Interesse! Weg damit! Enderledigen! Entsorgen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Meine Damen und Herren, insbesondere jene von der SPÖ! Ich weiß, dass sich viele von Ihnen an Ihre Zeit in der Opposition erinnern können. Und ich weiß, dass viele von Ihnen versprochen haben, innerparteilich, auch öffentlich: Wenn wir wieder regieren, dann werden wir es anders machen. Ich muss auch sagen: Es ist nicht alles so wie früher.

Untersuchungsausschüsse mit Unterstützung der SPÖ heißt, dass sich zumindest eini­ges geändert hat, dass ein neues Mindestmaß von parlamentarischer Kontrolle mög­lich ist.

Ich weiß, dass es nicht an Ihnen liegt, wenn die ÖVP unter Wolfgang Schüssel jeden Versuch zur Stärkung des Parlaments, jeden Versuch für mehr Demokratie, jeden Versuch für mehr Kontrolle blockiert. Ich weiß schon, wo die Totalblockade politisch zu Hause ist. Aber Sie haben doch als Abgeordnete der SPÖ die Chance, zumindest die politische Kultur in den Ausschüssen zu verändern. Es muss doch möglich sein, im Innenausschuss Fragen, die auch Sie interessieren sollten, wie zum Beispiel: Soll der Überwachungsstaat in Österreich so ausgebaut werden, wie es sich Menschen vom politischen Schlag eines Wolfgang Schüssel und eines Günther Platter vorstellen, soll das Realität werden, oder kämpfen wir für eine offene Gesellschaft und für die Persön­lichkeits- und Menschenrechte der Bürgerinnen und Bürger?, zu erörtern! (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 249

Keine einzige ernsthafte Debatte dazu war im Innenausschuss möglich! Es gab keine einzige ernsthafte Auseinandersetzung um das Sicherheitspolizeigesetz, keine einzige ernsthafte Auseinandersetzung um die Online-Durchsuchung, keine einzige ernsthafte Auseinandersetzung über die biometrischen Pässe, keine einzige ernsthafte Auseinan­dersetzung um die Bildungsevidenz, um Lauschangriff, um die Rasterfahndung, um gentechnische Massentests und um viel, viel mehr. – Das ist der Vorwurf, den ich Ihnen hier mache!

Ich weiß, dass vieles, was in Zeitungen steht, nicht stimmt. Die Abgeordneten dieses Hauses, sofern sie Regierungsparteien angehören, sind nicht faul, sie sind außeror­dentlich fleißig – im Wahlkreis! Im Wahlkreis sind sie fleißig, wenn sie mit Kugelschrei­bern und Feuerzeugen in der Hand danach trachten, dass sie möglichst viel Kontakt zu Wählerinnen und Wähler haben. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ja, das ist Teil Ihrer Arbeit. Ich beneide Sie manchmal in Zeiten wie diesen wirklich nicht darum. Aber Ihre wichtigste Arbeit ist es, diese Menschen im Parlament zu vertre­ten, ernsthaft ihre Interessen zu vertreten – auch gegen die Regierung, auch gegen die ÖVP, auch gegen Gesetze, die Ungerechtigkeit schaffen, die Vorteile für Stiftungsmil­liardäre schaffen und schwache Pendler und Pendlerinnen benachteiligen!

Das wäre Ihre Aufgabe, nämlich hier aufzustehen und zu sagen: Bei solchen Gesetzen stimmen wir nicht mit. (Abg. Mag. Wurm: Zur Sache!) Aber Sie haben heute schon wieder mitgestimmt und schon wieder die Interessen dieser Menschen nicht vertreten. Das nächste Mal, wenn Sie mit Kugelschreibern und Gusenbauer-Photos im Wahlkreis auftauchen, wundern Sie sich bitte nicht, wenn Ihnen die Leute keine Gusenbauer-Photos mehr abnehmen!

Die Menschen brauchen keine Gusenbauer-Photos, sondern sie brauchen Reformen. Sie brauchen keine SPÖ- oder ÖVP-Kugelschreiber, sondern sie brauchen Abgeord­nete, die sich für ihre Interessen einsetzen. Deswegen wollen wir, dass das Parlament, das ja alle Möglichkeiten hat, sich selbst zu ändern, Gesetze zu schaffen, sich die Ressourcen zu beschaffen, sich selbst an der Nase fasst und ändert.

Deswegen schlagen wir vor Minderheitsrechte, mehr Demokratie, einen starken Ver­fassungs- und Legislativdienst, damit wir auch selbst Gesetze erarbeiten können, Transparenz bei den Einkommens- und Berufsverhältnissen und vieles anderes mehr. Ein Arbeitsparlament ist möglich, und ein Arbeitsparlament ist das, was die Menschen zu Recht von uns erwarten.

Wenn diese öffentliche Debatte den Nerv getroffen hat und wenn es jetzt endlich Aufre­gung über diese Zustände gibt (Abg. Königsberger-Ludwig: Über Ihre Wortwahl!), dann gestehe ich Ihnen ganz offen zu: Ich bin heilfroh, dass ich beigetragen habe, die­sen höchstsensiblen Nerv zu treffen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Donnerbauer: Pilz soll sich den Gerichten stellen und nicht hinter der Immunität verstecken!)

20.07


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier zu Wort gemeldet. Sie kennen die ge­setzlichen Bestimmungen. – Bitte.

 


20.07.35

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete Pilz hat einige Unwahrheiten gesagt. Unter anderem hat er ausgeführt, dass bei der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz die Bekanntgabe oder die Auskunftsverpflichtung von IP-Adressen zum Gesetz ge­macht wurde. – Diese Aussage ist falsch.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 250

Ich stelle richtig: Die Auskunftserteilung von IP-Daten an die Sicherheitsbehörden ist insgesamt nichts Neues. IP-Daten wurden bereits nach der alten Rechtslage den Si­cherheitsbehörden, und zwar ohne Information des Rechtsschutzbeauftragten, von den Providern zur Verfügung gestellt. Eine Meldepflicht an den Rechtschutzbeauftragten war im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage nicht vorgesehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeord­netem Dolinschek das Wort. 2 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


20.08.44

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Pilz, ich kann Sie beruhigen: Auch unsere Petitionen landen im Papierkorb. (Abg. Dr. Pilz: Das ist ja keine Beruhigung!)

Es ist halt so! Es ist schade, dass es so ist, denn eine Petition ist sozusagen das In­strumentarium des einzelnen Bürgers, sich selbst in die Gesetzgebung einzubringen. So, wie das zurzeit gehandhabt wird, ist es nicht in Ordnung, und daher glaube ich, dass es unbedingt einer Reform der Behandlung von Petitionen bedarf. Daran sollten wir alle arbeiten. (Beifall beim BZÖ.)

Petitionen können regionale Probleme betreffen, wo die Bürger sich in die Gesetzge­bung einbringen. Diese Initiativen können aber auch überregionalen Charakter haben.

Wir behandeln heute hier vier Petitionen. Bei der einen geht es um die Aufnahme der HPV-Impfung in das Kinderimpfprogramm. Ich sage, eine ausgezeichnet Sache, Frau Kollegin Muttonen. Ich bin froh, dass die HPV-Impfung in das Impfprogramm aufge­nommen wird. Die Initiative hat sich ausgezahlt.

Das Nächste, die Wiedereröffnung eines Polizeipostens in Bärnbach, ist natürlich eine regionale Angelegenheit. Ich hätte mir gewünscht, dass da die Zuweisung an den In­nenausschuss erfolgt. Das ist nicht der Fall, und das tut mir leid.

Das gilt auch für die Behandlung des Sicherheitspolizeigesetzes, Herr Kollege Pilz: Auch da wäre ich froh gewesen, wenn das dem Innenausschuss zugewiesen worden wäre.

Und was die Petition über den Vertrag von Lissabon und den EU-Beitritt der Türkei betrifft, da muss ich eines sagen (Abg. Königsberger-Ludwig: Da haben die Grünen ja mit uns gestimmt!) – ja, so war es –: Ich hätte mir da schon eine Stellungnahme des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten und des Bundesministeriums für Finanzen gewünscht. Wieso hat man da so eine Eile? Man hat jetzt das Referendum vom Juni vorgezogen, um hier einer Stellungnahme des Landes Kärnten entgegenzuwirken, weil diese damit nicht mehr eingebracht werden konnte. Dort wollte man das Volk befragen: Soll die Kärntner Landesregierung eine positive oder eine negative Stellungnahme abgeben? – Aber nein, man ist darübergefahren, man hat die Beschlussfassung über den Vertrag vorge­zogen.

Was dieses sensible Thema EU-Reformvertrag betrifft, so hat jeder von uns unzählige E-Mails bekommen – ich selbst auch –, in denen die Menschen zum Ausdruck ge­bracht haben, dass sie damit nicht einverstanden sind. Man muss den Leuten ganz einfach reinen Wein einschenken über das, was passiert! Ich bin neugierig, wie das jetzt in Irland ablaufen wird. Von 27 europäischen Staaten handeln 26 den EU-Vertrag in den Parlamenten ab, in einem Land aber, Irland, ist es verpflichtend, eine Volksab­stimmung durchzuführen. Mittlerweile ist dort, wie ich den Medien entnehme, die Mehr­heit ebenfalls so weit, dass sie gegen den EU-Reformvertrag ist. Na, das schaue ich


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 251

mir dann an! Jetzt hat man alles so gebogen und dorthin gebracht, dass es eben posi­tiv ausgeht – da aber kann sozusagen ein Land alles zu Fall bringen, und dann fangen wir wieder von vorne an.

Wichtig wäre es, dass man in dieser Frage allen europäischen Bürgern die Wahrheit sagt und sich diesen Fragen stellt: Wollen wir weg von einem Staatenbund hin zu einem Bundesstaat? Hat das EU-Recht Vorrang vor dem nationalen Recht? Wie ist das mit den sozialen Rechten? Und so weiter und so fort. Und wenn man in dieser Form Aufklärungsarbeit leistet, dann – davon bin ich überzeugt – wird auch die Stim­mung in der Bevölkerung in Bezug auf diese Frage wesentlich positiver ausfallen. – So kann man das jedenfalls nicht handhaben.

Und abschließend sage ich noch: Eine Reform der Handhabung der Petitionen ist un­bedingt notwendig. (Beifall beim BZÖ.)

20.12


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mayerhofer zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.12.49

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich ein bisschen in Bärnbach aufhalten. Ja, Frau Kollegin Grossmann, Sie haben wirklich sehr löblich begonnen und haben sich für die Bürger eingesetzt und haben Bürgermeister eingespannt – 25 an der Zahl haben das unterschrieben. Sie haben erfreulich stark begonnen.

Der Bürger hat wahrlich ein Recht, für seine Steuerleistung eine entsprechende Ge­genleistung, eine ganz einfache, elementare Gegenleistung zu verlangen, nämlich die der Sicherheit. Gerade in der Steiermark, die ja hauptsächlich ein Tourismusland ist, einen Polizeiposten in einer Stadt zuzusperren – ich glaube, das ist in der EU ein Novum, möchte ich fast sagen, und nicht wirklich ein Verkaufsargument in der Touris­musbranche.

Nun, da hat wiederum die Statistik, diese berühmte Kriminalstatistik als Entscheidungs­hilfe herhalten müssen, die eine Statistik ist, die ganz einfach nicht stimmt, wie hier am Rednerpult schon verschiedene Fraktionen, auch die der SPÖ nunmehr glaubhaft, kriti­siert haben. Und es ist ganz einfach die statistische Unwahrheit, die das Ministerium herangezogen hat als Grund dafür, dass man den Polizeiposten in einer Stadt in der Steiermark schließt. Das ist ungeheuerlich! Und das ist ja nicht nur meine Meinung beziehungsweise die Meinung der Abgeordneten, sondern ist auch in der Presse – zum Beispiel in der „Kronen Zeitung“ – zu lesen:

„Kriminalitätszahlen können leicht rückläufig sein, wenn es nicht einmal mehr Sinn macht, Anzeige zu erstatten“, schreibt etwa Kurt Seinitz in der „Kronen Zeitung“ unter der Rubrik „Thema des Tages“ am 21. April.

Dass eine Statistik als Grundlage für diese Entscheidung herangezogen wird, das finde ich ungerecht und – wie soll ich sagen? – für die Bevölkerung nicht hinnehmbar.

Ich möchte da auch die Stellungnahme des BMI ansprechen, wo man jetzt davon aus­geht, dass die Kriminalität zurückgeht. – Sie geht nicht zurück! Davon kann ich Ihnen ganz sicher berichten. Die Menschen gehen nur nicht mehr hin, um Anzeige zu erstat­ten – und schon gar nicht dann, wenn sie keine entsprechende Servicestelle vorfinden, die in diesem Fall Polizeiinspektion heißt; das möchte ich auch sagen. Wenn die Leute keine Bestätigung für ihre Versicherung brauchen, dann wissen sie, dass eine Anzeige ganz einfach nutzlos ist, und sie nehmen davon Abstand.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 252

Ich möchte dazu auch aus einem Artikel zitieren:

Mit einem Rückgang von 9,3 Prozent ließ die jüngste Kriminalstatistik aufhorchen: Für Tausende Österreicher, die Tag für Tag Einbrechern, Dieben und Räubern zum Opfer fallen, blanker Hohn. Die Mogelpackung: Die sinkende Zahl der Anzeigen heißt nicht zwangsläufig, dass weniger Straftaten verübt werden. – Zitatende.

Diese Statistik, die bereits so sehr in der Kritik der Abgeordneten steht, wird als Ent­scheidungsgrundlage dafür herangezogen, dass man einen Polizeiposten, eine Ser­vicestelle für den Bürger ganz einfach schließt!

Und Sie, Frau Abgeordnete Grossmann, hätten mutig, ein bisschen mutig sein und das ganz einfach zu Ende führen sollen. Das hätte Ihre Glaubwürdigkeit erhöht und den Ärger der Bürger, die das unterschrieben haben, minimiert. (Beifall bei der FPÖ.)

20.16


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig mit einer Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


20.16.17

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Leider ist Kollege Pilz jetzt nicht mehr im Saal. (Abg. Broukal: Der telefoniert draußen! Ich kann ihn hereinholen!) Ich wollte ihm ein paar Worte zu seiner Rede sagen und auch zu seinem Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss, der mich doch sehr, sehr verwundert hat.

Wenn Kollege Pilz davon spricht, dass er das Parlament stärken möchte, dann, denke ich, sind wir alle mit ihm einer Meinung und hätten das auch alle gerne. Und ich hoffe sehr, dass wir das alle gemeinsam auch schaffen werden, dass wir als Nationalratsab­geordnete auch verstärkt Selbstbewusstsein zeigen. (Abg. Dr. Pilz betritt soeben den Sitzungssaal.)

Ich glaube aber nicht, Herr Kollege Pilz – schön, dass Sie wieder da sind –, dass Sie die Stärkung des Parlaments dadurch erreichen können, dass Sie Kolleginnen und Kol­legen, die wir ja trotz aller Meinungsunterschiede sind, anpatzen, nämlich mit Worten, die ich wirklich beschämend finde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP in Richtung des Abg. Dr. Pilz: Entschuldigen Sie sich!)

Sie sagen, Ausschussmitglieder des Petitionsausschusses seien jämmerlich, faul und charakterlos, und sie seien „der politische Bodensatz, auf den das österreichische Par­lament gebaut ist“. – Ich finde das ungeheuerlich! Ich finde das wirklich niveaulos, Herr Kollege Pilz! Ich finde das beinahe menschenverachtend, und ich finde das eines Ab­geordneten sehr, sehr unwürdig – ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Ursula Haubner.)

Ich weise auch als neue Vorsitzende des Ausschusses diese Ihre Aussagen auf das Schärfste zurück, Herr Kollege Pilz (Abg. Dr. Pilz: Was sagen Sie den 24 000 Men­schen?), und ich möchte Ihnen auch sagen, Herr Kollege (Abg. Dr. Pilz: Was sagen Sie denen?) – dazu komme ich schon noch –, dass ich einen derartigen Umgang in keinem meiner Lebensbereiche – und ich habe viele, so wie alle – in irgendeiner Art toleriere und dass auch in diesem Haus, glaube ich, wir alle gemeinsam einen solchen nicht tolerieren können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Zanger.)

Wenn Sie, Herr Kollege Pilz, davon sprechen, dass Sie die Menschen, die Interessen der Menschen vertreten möchten oder sollen, dass wir das alle müssen, dann sind wir auch alle mit Ihnen einer Meinung, hundertprozentig. Aber, Herr Kollege Pilz, wenn man die Interessen der Menschen vertreten möchte, dann muss man die Interessen eben auch kennen und dann muss man bei den Menschen sein! Und das ist auch


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Wahlkreisarbeit! (Ruf bei der ÖVP: Das kennen die Grünen nicht! Da weiß er nicht, was das ist!) Nicht, wie Sie sagen, Kugelschreiber oder Pickerl verteilen, sondern Wahlkreisarbeit ist, den Menschen zuzuhören, mit ihnen zu reden und ihre Interessen hier im Haus zu vertreten. Das ist auch Wahlkreisarbeit und das Vertreten der Interes­sen der Menschen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Betreffend die Petition zum Sicherheitspolizeigesetz, Herr Kollege Pilz: Wir haben un­terschiedliche Auffassungen zum Inhalt des Gesetzes. Das Gesetz ist beschlossen worden, hier im Nationalrat. Das mag Ihnen nicht gefallen, das ist richtig. (Abg. Sbur­ny: Es ist nicht diskutiert worden! Es war nicht im Ausschuss!) Mir hat vielleicht auch die Vorgehensweise nicht ganz gefallen, aber: Um diese Petition zu behandeln, dafür ist der Innenausschuss nicht der richtige Ort, Herr Kollege Pilz! (Abg. Dr. Pilz: Wo? Wo? Wo soll es behandelt werden?) Ich denke, da muss man andere Wege gehen.

Und es steht Ihnen frei, das Parlament zu stärken, wie Sie gesagt haben, und es steht Ihnen wirklich frei, einen Selbständigen Antrag im Innenausschuss einzubringen, damit wir ihn dort noch einmal neu behandeln können. (Abg. Sburny: ... Sie das vertagen!) Und es wird eine Evaluierung des Sicherheitspolizeigesetzes geben, und ich kann Ihnen versprechen und kann auch den MitunterzeichnerInnen, -unterstützerInnen der Petition versprechen, dass wir seitens der SPÖ-Fraktion – und ich denke auch seitens der ÖVP-Fraktion – diese Kritikpunkte sehr ernst nehmen werden und ernsthaft über diese Punkte beraten werden (Abg. Dr. Pilz: Das hätten Sie können!), wenn die Evalu­ierung des Gesetzes ansteht. (Abg. Dr. Pilz: Das hätten Sie jetzt können! – Abg. Sbur­ny: Dann machen Sie es jetzt!) Ich bin auch Mitglied des Innenausschusses, und wir werden das hundertprozentig machen!

Das kann ich auch den Petenten versprechen, und das ist auch mein Versprechen als Ausschussvorsitzende: dass man natürlich über Veränderungen, über eine Stärkung des Ausschusses sprechen kann. Dazu lade ich alle Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses herzlich ein, damit wir wirklich ganz massiv und ernsthaft die Interessen der Menschen hier in diesem Haus bestmöglich vertreten können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.19


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Vock mit einer Redezeit von 3 Minuten. – Bitte.

 


20.20.20

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Tierschutzsprecher der FPÖ hätte ich begrüßt, wenn wir die Unterschriftenliste des Verbandes österreichischer Tierschutzvereine zum Anlass ge­nommen hätten, um den Tierschutz in den Verfassungsrang zu heben.

Ich habe von der ÖVP im Ausschuss gehört, es soll ja ohnehin ein Allparteienantrag kommen, aber es ist eben wieder einmal typisch: Wenn ein Antrag nicht von der Re­gierung kommt, sondern von der Opposition oder gar von einer Bürgerinitiative, dann kann man den im Nationalrat nicht einfach beschließen.

Da muss ich Ihnen sagen, wir hätten in diesem Fall vielleicht einmal über unseren Schatten springen können und hätten sagen können: Wir sehen, dieser Antrag ist es wert, wir unterstützen diese Initiative und beschließen diesen Antrag gleich!, hätten ihn entsprechend dem Gesundheitsausschuss zuweisen und beschließen können. (Abg. Keck: Welcher Antrag?)

Ich glaube, das wäre besser gewesen, als jetzt irgendwo an irgendeinen ... (Abg. Keck: Welche Petition war das, Kollege?) – Die Tierschutzpetition! Die Unterschriften­liste des Verbandes österreichischer Tierschutzvereine! – Lesen Sie sich die Tagesord-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 254

nung durch! Ich weiß, Herr Abgeordneter, es ist nach 16 Uhr, es ist das Lesen jetzt schon schwierig, aber man muss das trotzdem hier beachten.

Was nun das Thema Wiedereröffnung des Polizeipostens in Bärnbach betrifft, so habe ich gestern anlässlich der Debatte über den Antrag betreffend Wieder-in-Kraft-Setzen des Bazillenausscheidergesetzes Folgendes gelernt: Es wird jetzt nach diesem Gesetz nicht mehr kontrolliert, daher sind weniger Fälle bekannt, daher gibt es weniger Erkran­kungen! – Wenn man das jetzt übersetzt auf den Posten Bärnbach: Der Polizeiposten Bärnbach wurde geschlossen. Um ein Delikt, zum Beispiel einen Einbruchsdiebstahl, anzuzeigen, braucht man natürlich einen Polizeidienstposten. Da es in Bärnbach kei­nen Posten mehr gibt, werden dort auch keine Delikte mehr angezeigt – das ist ganz logisch. Das heißt, die Kriminalität in Bärnbach ist um hundert Prozent gesunken! Und daher, weil eben die Kriminalität dort so eindeutig gesunken ist, brauchen wir auch kei­nen Polizeidienstposten! – So ungefähr klingt diese Argumentation für mich.

Enttäuscht bin ich, Frau Abgeordnete Grossmann, dass Sie selbst Ihre eigene Petition zu Fall gebracht haben, weil Sie die Enderledigung für den heutigen Tag vorbereitet haben und sie damit nicht zugewiesen wurde. (Beifall des Abg. Mayerhofer.)

Ich bin am 9. April noch auf der Besuchergalerie gesessen und habe Ihre Ideen zum Vertrag von Lissabon gehört. Damals haben Sie Ihre Unterstützung des Vertrags auch damit begründet, dass man ja dann mit der Unterstützung von einer Million Bürgern ein europaweites Volksbegehren unterbreiten können wird. Da frage ich Sie nur: Warum sollen die Eurokraten in Brüssel über Bürgerinitiativen anders entscheiden, als Sie heu­te über 250 000 Unterschriften entscheiden, nämlich indem Sie diese heute einfach zur Kenntnis nehmen wollen, und Punkt!? (Beifall bei der FPÖ.)

20.23


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.23.15

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich möchte der neuen Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Kollegin Königs­berger-Ludwig, ausdrücklich sehr danken, dass sie so klare Worte zur Arbeit im Aus­schuss gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt steht leider ein Zaun rund um das Parlament, aber zum Glück nur wenige Wo­chen. Dieser Zaun bedeutet nicht, dass es jetzt Barrieren gibt: Keine Barrieren in den Köpfen! Jeder Bürger und jede Bürgerin soll und kann sich politisch einbringen.

Für die Volkspartei, für die Regierungsparteien darf ich sagen: Wir nehmen im Peti­tionsausschuss die Anliegen der Bürgerinitiativen und Petitionen ernst. Die Anträge werden im Ausschuss in diesem Arbeitsparlament sorgfältig geprüft.

Ich wünsche mir, auch stärker die Jugend für das Engagement in der Politik zu interes­sieren. Warum sollten Sechzehnjährige wählen können, aber keine Bürgerinitiative un­terschreiben? Das ist schwer zu verstehen. In diesem Sinne finde ich den Vorschlag von Kollegin Wurm sehr interessant und sehr zu verfolgen.

Unser Ziel ist es, so viele Bürger wie möglich zu ermuntern, sich einzubringen, sich an der Politik zu beteiligen. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Anliegen von Petitionen und Bürgerinitiativen in diesem Arbeitsparlament berücksichtigt werden konnten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.24


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer mit einer Redezeit von 2 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 255

20.25.00

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Ich möchte mich auf die Petition Nummer 18 beziehen, betreffend die Aufnahme der HPV-Impfung in das Kinderimpfprogramm. Sie wurde im Juli letzten Jahres von den Abgeordnetenkolleginnen Christine Muttonen und Melitta Trunk im Parlament ein­gebracht.

In einem Begleitschreiben des Landes Kärnten wurde die Bedeutung dieser Präven­tionsmaßnahme betont und für einen möglichst breiten Zugang zu dieser HPV-Impfung plädiert. Der Petitionsausschuss hat das Gesundheitsministerium um eine Stellungnah­me gebeten, und der eingelangten Stellungnahme liegt der HPV-Bericht des Ludwig-Boltzmann-Instituts aus dem Dezember 2007 zugrunde.

„HPV“ ist die Abkürzung für „Humane Papillomaviren“, die für die Erkrankung an Gebärmutterhalskrebs verantwortlich sind. In Österreich gab es 2003 473 Erkrankun­gen beziehungsweise 169 Todesfälle. Im Vergleich dazu: in der EU im selben Jahr 34 000 Erkrankungen und 14 000 Todesfälle.

Insgesamt hat die Sterblichkeit durch die Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung in den westlichen Ländern und in Österreich abgenommen, und zusätzlich gibt es eben seit 2006 eine Impfung gegen diese Infektion. Die zugelassenen Impfstoffe wirken gegen vier Virentypen, die 75 Prozent der Krebsfälle verursachen.

Durch diese Impfung wächst verständlicherweise die Hoffnung, die Anzahl der Neu­erkrankungen längerfristig zu reduzieren.

Allerdings verunsichern einige Verdachtsfälle von Nebenwirkungen dieser Impfstoffe die Bevölkerung. Ich möchte hier nochmals auf die Bedeutung der Vorsorgeunter­suchungen hinweisen, die auch durch eine Impfung nicht ersetzt werden können.

Abschließend heißt es in der Stellungnahme des Gesundheitsministeriums, dass im Impfkonzept des Bundes, der Länder und des Hauptverbands der Sozialversicherungs­träger Impfungen nur nach einer positiven medizinischen und sozioökonomischen Eva­luation in das Impfprogramm aufgenommen werden können.

Wir werden in dieser Sache weiter beobachten, wohin der Weg führt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.27


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Dr. Eder das Wort. Wiederum 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.27.41

Abgeordneter Dr. Sebastian Eder (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Noch in Ergänzung zur HPV-Impfung, die ja jetzt nicht in das bezahlte Impfpro­gramm aufgenommen wird: Seit Einreichung der Petition hat sich ja einiges geändert. Was man schon länger weiß, ist, dass die Impfung in nur zirka 70 Prozent der Fälle den auslösenden Erreger trifft und daher nur eine relative Sicherheit gibt. Besonders wichtig – und darauf wurde soeben hingewiesen – ist die Vorsorge, denn besonders das Zervixkarzinom ist im Frühstadium sehr gut heilbar.

In der Medizin muss man sich in erster Linie natürlich nach den Patienten richten, aber auch nach einer positiven medizinischen und soziökonomischen Evaluation, aber auch nach dem Budget und vor allem nach Prioritäten. Kurzum, diese Impfung ist zurzeit noch sehr teuer, aus verschiedenen Gründen. Das Geld würde, wenn man sie bezah­len würde, lückenlos bezahlen würde, woanders fehlen. Und es gibt – auch darauf wurde gerade hingewiesen – negative Gutachten beziehungsweise nicht günstige Gut-


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achten für ein Argument, dass man sie bezahlen müsste. Und vor allem würde sie zur­zeit einfach keine wesentliche Besserung des Ist-Zustandes bringen.

So viel nur als Ergänzung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.29


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. Ebenfalls 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.29.13

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Zum Petitionsausschuss und zur Petition betreffend das Sicherheitspolizeigesetz: Kollege Pilz war im Petitionsaus­schuss anwesend, und ich muss wirklich sagen, ich war zutiefst enttäuscht über sein Statement, das er dort abgegeben hat, denn er hat uns in diesem Ausschuss wirklich beschimpft, und er hat uns dort gedroht. Wir haben das, was er gesagt hat, nicht zur Kenntnis genommen, muss ich wirklich sagen, denn wir können unsere Ohren auch zumachen, wenn solche Aussagen kommen. – Und als die Petition, die 24 000 Men­schen unterschrieben haben, abgehandelt war, ist Kollege Pilz aufgestanden und ge­gangen.

Mit diesem Aufstehen und Gehen hat er die Anliegen von Hunderttausenden Men­schen, deren Petitionen und Bürgerinitiativen wir in diesem Ausschuss noch behandelt haben, ignoriert. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Und der Kollege Pilz braucht hier in diesem Haus nicht zu sagen, wir ignorieren die Meinung von 24 000 Menschen, weil wir diese Petition nicht dem Innenausschuss zu­gewiesen haben. Ich kann nur sagen: Der Kollege Pilz hat die Meinung von Hundert­tausenden Menschen ignoriert, weil er den Petitionsausschuss verlassen hat, als seine Meinung nicht durchgegangen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber, meine Damen und Herren: Kollege Vock hat gesagt, es war eine Bürgerinitiative im Ausschuss, die den Tierschutz in der Verfassung vorgesehen hätte. Im letzten Peti­tionsausschuss gab es die Petition Nr. 38 betreffend „Langstrecken-Lebend-Tiertrans­porte“ und die Bürgerinitiative Nr. 16 betreffend „Gegen Tiertransporte – Initiative ge­gen unnötige Tiertransporte“, die behandelt wurden. Wir haben eine Stellungnahme im Gesundheitsministerium eingeholt und haben eine vertagt mit der Begründung, dass viele dieser Dinge, die in diesen Petitionen gestanden sind, schon durch das letzte Tiertransportgesetz erledigt wurden, uns aber klar ist, dass wir gegen Langstrecken-Lebend-Tiertransporte sehr wohl etwas unternehmen müssen.

Ich glaube, das ist auch im Petitionsausschuss sehr, sehr eindeutig herausgekommen, nur muss man hier auf EU-Ebene intensivst einwirken. Denn was nützen die besten österreichischen Gesetze, wenn vorher über 16, 20, 25 Stunden Tiere nach Österreich transportiert werden, und hier dürfen die Transporteure noch einmal viereinhalb Stun­den fahren, bevor die österreichischen Gesetze wirksam werden?

Ich denke, eine Stellungnahme der Gesundheitsministerin wird uns sicherlich auch da­hin gehend weisen, dass wir von allen Parteien auf unsere EU-Abgeordneten einzuwir­ken haben, damit diese Lebend-Tiertransporte nicht mehr grenzübergreifend stattfin­den dürfen. Dass wir da Initiativen setzen werden, das ist ganz klar. Da hat es schon Absprachen mit den Tierschutzsprechern der einzelnen Parteien gegeben.

Kollege Vock, das wird dann deine erste Amtshandlung als Tierschutzsprecher der F, dass du auch diese Initiative unterstützen kannst und wirst. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Eder-Gitschthaler. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 257

20.31.58

Abgeordnete Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Es ist für mich eine Ehre und ein Anliegen, in diesem Ausschuss tätig zu sein. Ich fühle mich nicht als jämmerliches Ausschussmitglied, Kollege Pilz. Ich bin sehr froh, hier die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger vertreten zu dürfen. Es gelten auch für Sie demokratische Spielregeln, Herr Kollege Pilz. Leider sind Sie jetzt wieder nicht mehr hier, um das zu hören. (Abg. Öllinger: Ich sage es ihm schon!)

Also, zum Wesentlichen: Die Bürgerinnen und Bürger gehen hier mit uns Parlamenta­riern Hand in Hand. Wir pflegen die direkte Demokratie. Wir nehmen alle Anliegen sehr ernst, denn die Geschichte hat gezeigt, dass gerade die aktive Beteiligung der Men­schen am politischen Geschehen eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie ist. Wir Politikerinnen und Politiker erhalten eine direkte Rückkoppelung: Kommen unsere Gesetze an, funktionieren sie, wo ist Änderungsbedarf? – Daher sehe ich die Arbeit hier im Ausschuss als Seismograph der Nation; ungemein wichtig für mich, auch für meine Wahlkreisarbeit.

Lassen Sie mich noch zum Abschluss kurz auf unsere Salzburger Petition Nr. 17 be­treffend „380-kV-Stromtransit-Freileitung durch das Bundesland Salzburg“ Stellung nehmen! Ein sehr wichtiges Thema für unsere Bürgerinnen und Bürger im Bundesland. Auf Basis eines offenen Briefes unserer besorgten Bürgermeister im Flachgau haben wir ÖVP-Abgeordnete dieses Anliegen als Petition im Juli eingebracht. Wir nehmen die Sorgen und Anliegen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ernst und kümmern uns darum.

Es ist uns hier die Einbeziehung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger wichtig und deren umfassende Information. Wir haben erreicht, dass wir uns mit diesem Anliegen nun im Wirtschaftsausschuss beschäftigen, dass es im Wirtschaftsausschuss behan­delt wird. Ich denke, damit hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, Anliegen aufzugreifen und dass wir die Arbeit im Petitionsausschuss sehr ernst nehmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.34


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin gelangt Frau Ab­geordnete Mag. Grossmann zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.34.12

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Eine Vielzahl der eingebrachten Petitionen beschäftigt sich mit dem unmittelbaren Lebensraum der Menschen. Die schwarz-blau-orange Kahl­schlagpolitik der vergangenen Jahre hat hier sehr viele Anlässe gegeben, tätig zu wer­den. Sehr viele Infrastruktureinrichtungen sind dieser Politik der vergangenen Jahre zum Opfer gefallen: Postämter, Regionalbahnen und unter anderem auch Polizeipos­ten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Betroffen war ganz besonders der sonst viel gepriesene ländliche Raum, der durch diese Politik eben noch weiter ausgedünnt wurde (Zwischenruf des Abg. Dr. Haim­buchner), was auch Ihre Fraktion mitzuverantworten hatte. Da ist teilweise nach völlig unsachlichen Kriterien vorgegangen worden, gewissermaßen mit dem Lineal, wie etwa beim Polizeiposten in Bärnbach. Entgegen dem sonstigen Trend wachsen auf der einen Seite in dieser ehemaligen Bergbaustadt die Bevölkerungszahlen, weil eine um­sichtige Kommunalpolitik gemacht wird. Auf der anderen Seite ereignen sich im Um­kreis von einschlägigen Lokalen immer wieder Vandalismusakte, Raufereien und sons­tige Übergriffe, die eben das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung erschüttern.

Und diese Petition hat insofern Wirkung gezeigt, als die Polizeipräsenz im Stadtgebiet merklich erhöht wurde und auch eine Entspannung der Situation zu verzeichnen ist.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 258

Das ersetzt zwar noch keinen Polizeiposten – und diese Forderung wird auch auf kei­nen Fall aufgegeben –, wir setzen hier aber auch durchaus zuversichtlich auf Gesprä­che, weiterführende Gespräche, um unser Ziel der verstärkten Kriminalitätsbekämp­fung und -vorbeugung durch weitere personelle Maßnahmen erreichen zu können.

Eine andere Petition mit einem völlig anderen Hintergrund ist jene des Herrn Klubob­mann Strache betreffend Volksabstimmung zum EU-Reformvertrag. Das ist ein weite­rer Versuch, mit Falschinformationen Ängste zu schüren und daraus politisches Kapital zu schlagen. Sämtliche Behauptungen in dieser Petition sind eingehend im Verfas­sungsausschuss und in vielen anderen Gremien von ExpertInnen verschiedenster Dis­ziplinen erörtert worden (Abg. Dr. Kurzmann: Das stimmt ja nicht!) und irgendwann muss man das auch zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Eisenschenk. Eine Minute Redezeit haben Sie sich vorge­nommen. – Bitte.

 


20.36.55

Abgeordneter Mag. Peter Eisenschenk (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Ich wollte ursprünglich über die sinnvolle Petition meiner charmanten Kolle­gin Claudia Durchschlag betreffend „Gegen Gewalt in den Medien“ sprechen. So wie sie habe ich wenige Minuten vor der Debatte erfahren, dass der Kollege Pilz eben die Abgeordneten des Petitionsausschusses, die ihre Wahlkreisarbeit ernst nehmen, als „Bodensatz“ bezeichnet hat.

Sehr geehrter Herr Kollege Pilz, was Sie als „Bodensatz“ sehen, das ist für mich das Fundament erfolgreicher Politik, eine demokratische Verpflichtung und eine Wertschät­zung des Wählers. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Übrigens: „Bodensatz“ ist ja etwas durchaus Nachhaltiges und am Bodensatz erkennt man auch die Qualität des Kaffees. Herr Kollege Pilz, Behauptungen wie die Ihrigen – Sie sind zwar leider nicht da. Er ist nicht da. Das zeigt auch seine Wertschätzung und auch ein bisschen etwas von seiner Arroganz gegenüber den Kollegen und Mitgliedern des Hohen Hauses. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auf jeden Fall: Mich inspirieren seine Wortmeldungen dazu, meinen und auch Ihren erfolgreichen Weg fortzusetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.38


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Franz. Auch eine Minute Redezeit. – Bitte.

 


20.38.17

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Ja, wir haben eine ganz Reihe von Petitionen und Bürgerinitiativen seit dem letzten Sammelbericht behandelt. Es sind berechtigte, es sind ernstzunehmende Anlie­gen von Bürgerinnen und Bürgern; es wird nicht einfach abgehakt und darübergefah­ren, wie das von Vorrednern behauptet wurde.

Es ist ungeheuerlich, wenn Frau Haidlmayr – sie ist leider auch nicht mehr da – uns unterstellt (Abg. Haidlmayr: Ich bin immer da!) – Entschuldigung –, dass gewisse Ab­geordnete die Unterzeichner von Bürgerinitiativen als „Spinner“ deklarieren würden. – Das weise ich entschieden zurück. (Abg. Haidlmayr: Das mache nicht ich, das ma­chen Sie!) Wir nehmen die Bürgerinitiativen und Petitionen sehr ernst. Wir behandeln sie ordnungsgemäß.


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Und noch zum Herrn Pilz – jetzt wieder in Abwesenheit –: Wo waren Sie denn heute in der Früh, Sie als selbsternannter Oberhackler des Parlaments? Sie spielen sich als Saubermann auf, indem Sie andere, nämlich Ihre Kolleginnen und Kollegen schlecht­machen. Haben Sie vorher nachsitzen müssen? Wir hätten auf Ihr Nachsitzen eigent­lich verzichten können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.39


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Höfinger. Eine Minute Redezeit. – Bitte.

 


20.39.51

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ohnehin nicht leicht, innerhalb einer Minute auf den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen einzugehen. Wenn aber die Diskussion dann noch solche Formen annimmt, wenn es darum geht, dass die Arbeit in den Wahlkreisen draußen kritisiert wird und man als Wahlkreisman­datar zum Kugelschreiberverteiler degradiert wird, dann, finde ich, sollte darauf auch repliziert werden.

Aber ich möchte nicht einmal den Namen jener Abgeordneten hier vom Rednerpult aus erwähnen, weil sie es nicht wert sind, dass sie erwähnt werden, weil wir genau wissen, dass diese in Wirklichkeit Abgeordnete zwischen 10 und 15 Uhr sind, die nicht wis­sen – und das zeigt mir genau diese Antwort –, welch verantwortungsvolle Tätigkeit draußen in den Wahlkreisen gemacht wird. Gerade wenn es um Bürgerinitiativen und Petitionen geht, dann sind wir draußen bei den Menschen, dann hören wir, was die Menschen für Empfindungen haben, welche Anliegen sie haben und nicht eventuell – wie das oft vorkommt –, wenn man eine repräsentative Umfrage in einem Parteilokal macht und glaubt, das sei dann wirklich das Begehren der Bürger.

Hier geht es darum, wie gesagt, die breite Meinung zu erfassen. Ich mache das sehr gerne, viele meiner Kollegen machen das sehr gerne. Und ich denke, wir setzen das, auch wenn es um Bürgerinitiativen geht, sehr ernst um. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.41


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordnetem Pack das Wort. Eine Minute Redezeit wollen Sie haben. – Bitte.

 


20.41.16

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Da­men und Herren! Ich möchte nur ganz kurz zwei Punkte sagen: erstens zur Frau Kolle­gin Grossmann und zweitens auch zum Kollegen der FPÖ, der festgestellt hat, es müs­se ein Polizeiposten vor Ort sein, um eine Anzeige machen zu können.

Es genügt in den meisten Fällen ein Telefon, um eine Anzeige zu tätigen beziehungs­weise um die notwendigen Beamten vor Ort anzufordern. Beziehungsweise ist der Poli­zeiposten kein Garant für die Präsenz vor Ort. Was hilft uns der Polizeiposten, wenn sich die Beamten im Polizeiposten aufhalten? – Frau Grossmann hat gesagt, dass sie dann eben vor Ort sind.

Das Wichtige ist, die Beamten können ja auch von der benachbarten Bezirkshauptstadt die wenigen Minuten nach Bärnbach fahren und auf Streife gehen.

Meine Damen und Herren! Zu meinen vielen Vorrednern zum Thema des Sicherheits­polizeigesetzes einfach nur ein Punkt: Die Ehrlichkeit liegt darin, meine werten Kolle­gen und Kolleginnen des Ausschusses, es wäre egal gewesen, was immer wir getan hätten, den Grünen hätte es sowieso nie gepasst, denn, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können, dann sind alle anderen immer die Schlechten. Und das lassen wir


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uns nicht gefallen. Jeder hat seine eigene Meinung und jeder stimmt danach ab. (Bei­fall bei der ÖVP.)

20.42


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächste Rednerin gelangt Frau Ab­geordnete Durchschlag zu Wort. Eine Minute Redezeit. – Bitte.

 


20.42.41

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich darf inhaltlich zur Petition betreffend „Gegen Gewalt in den Medien“ Stellung nehmen. Medien und Gewalttätigkeit – das ist ein Thema, das sehr oft zum Polemisie­ren missbraucht wird. Es geht den UnterzeichnerInnen aber nicht um das Verteufeln der neuen Medien, sondern um den verantwortungsbewussten Umgang mit ihnen.

Wenn wissenschaftlich zum Beispiel über eine Langzeitstudie 30 Jahre lang in Neu­seeland nachgewiesen ist, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Fern­sehkonsum und höchstem Bildungsabschluss gibt, wenn man weiß, dass die amerika­nische Armee Ego-Shooter einsetzt, um die Tötungshemmung der Soldaten zu sen­ken, wenn man bedenkt, dass praktisch bei allen jugendlichen Gewalttätern – Littleton, Erfurt et cetera – das Konsumieren gewalthältiger Videospiele oder Internetseiten im Vorfeld eine entscheidende Rolle gespielt hat, so wird klar, dass tatenloses Zusehen verantwortungslos wäre.

60 Prozent der Kinder haben einen eigenen Fernsehapparat im Zimmer. Kinder sind auch im Normalfall wesentlich fitter als ihre Eltern, was den Umgang mit PC und Inter­net angeht. Es gibt zwar eine Selbstkontrolle des ORF, aber die Einführung einer Art Kindersicherheitsschlüssel, wie zum Beispiel bei „Premiere“, wäre ein gutes Instrument für die Eltern.

Außerdem mangelt es an einem erweiternden Angebot an wissensvermittelnden Sen­dungen. Es mangelt auch an Information der Eltern über den Umgang mit den neuen Medien und auch an Aufklärung der Eltern und Betreiber über die Auswirkungen von Gewaltdarstellungen auf das Verhalten von Kindern. Die Elternvereine wären dabei sicher unterstützende Partner.

Und schlussendlich mangelt es oft auch hier im Hohen Haus an der nötigen Sensibilität und auch Kontrolle in Bezug auf Gewalt in der Sprache. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner erwarten sich daher mehr Sensibilität vonseiten des Gesetzgebers zu diesem Thema und sie erwarten sich auch deutliche Verbesserungen in diesem Be­reich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.44


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 578 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

20.44.5711. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvorlage (415 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bun-


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desgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungs­anwaltschaft geändert werden (559 d.B.)

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nun gelangen wir zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement mit einer Redezeitbegrenzung von 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Klement stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der eine Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind, abgebildet ist und in blauer Schrift zu lesen steht: „Wer schützt Österreich vor Bures?“ – Abg. Mag. Wurm: Wer schützt Österreich vor Klement? – Das ist die Frage!)

 


20.45.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Schönen guten Abend! Ich gehe nicht auf die Passagen dieses trockenen und öden Gesetzes ein. Ich möchte auf die Hinter­gedanken eingehen, die wesentlicher und entscheidend sind. Ich halte fest, dass es sich bei diesen gesamten Materien nur um Umerziehungsprojekte handelt, die Sie vor­nehmen wollen – gefördert durch die EU, auch gefördert durch das Ministerium. (Abg. Öllinger: Wie bitte?)

Es ist wirklich unglaublich, was da drinnen zu lesen ist. Wenn ich daran denke, dass wir den Bericht „Gender Mainstreaming und geschlechtssensible Ansätze in der außer­schulischen Jugendarbeit“ vorgelegt bekommen haben (der Redner hält ein Exemplar dieses Berichts in die Höhe), dann muss ich sagen: Hier wird Geld verschleudert. (Abg. Mag. Wurm: Man versteht Sie so schlecht!) Dieser Bericht kostet sage und schreibe 140 000 € – Geld, das woanders wirklich dringender notwendig ist und das wir dringen­der brauchen würden! (Abg. Dr. Haimbuchner: Skandal!) Und er zeigt, dass wir hier einen Gender-Wahn und eine rein feministisch geführte Gender-Diskussion erleben. Sie sind auf dem männlichen Auge völlig blind. (Abg. Mag. Wurm: Ich habe kein männ­liches Auge!) Sie sehen nur mehr Ihre feministischen Flecken. Und das ist gefährlich. (Abg. Mag. Wurm: Fürchten Sie sich nicht!)

Das ist sehr gefährlich: Sie wollen eine Besserstellung der Frauen, aber Sie vergessen, dass Sie mit Ihrer total überzogenen Politik eine Schlechterstellung der Männer errei­chen. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommen wird. (Beifall bei der FPÖ.) Mit uns jedenfalls machen Sie dieses Spiel nicht! Das ist klar. (Abg. Öllinger: Ihnen würde Gender-Arbeit nicht schaden!)

Wenn wir nun erleben, Frau Minister Bures, dass wir monatelang durch Ihre Plakate – „Verliebt. Verlobt. Verprügelt.“ – in Österreich gequält werden, dann sehen wir schon, welche Grundeinstellung Sie verfolgen. Und wir müssen erleben, dass hier leider Got­tes eine völlig menschenverachtende Politik zum Tragen kommt, eine Einstellung von einem völlig verkorksten Männerbild. (Abg. Öllinger: Was haben Sie für ein verkorks­tes Frauenbild?) Ihre Plakate, Frau Minister, sind eine Schande für Österreich! Sie sollten sich eigentlich bei den Männern und bei der Gesellschaft hier in Österreich ent­schuldigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein kleiner Rückblick auf die Geschichte im Ausschuss. Es war sehr interessant, was da gekommen ist. Man müsse alles frauenfreundlicher machen, aber es stört nieman­den in Ihren Reihen, dass bereits Werbespots gezeigt werden, wo Männer in Käfigen gehalten werden und oben drauf die Frau neue Mode präsentiert. Und der Kommentar von Frau Kollegin Rauch-Kallat war: Hat der Mann im Käfig wenigstens eine Banane bekommen?


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Frau Kallat, das zeigt auch, wie weit Sie schon sind. Bei Ihrer Einstellung muss man sich wirklich an den Kopf greifen und fragen: Wo ist denn die ÖVP gelandet? – Das ist eine Peinlichkeit für dieses Land! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist eine Diskriminierung der Männer. Das lassen wir nicht zu – ganz klar. Da können Sie mit uns nicht rechnen.

Jetzt kommt ein wichtiger Punkt, ein sehr lustiger Punkt: das Gebot zur sprachlichen Gleichbehandlung. Sie wollen bis Herbst einen Leitfaden erstellen, um eine diskriminie­rungsfreie Sprache zu haben. Unglaublich! (Demonstrativer Beifall der Abg. Mag. Mut­tonen.)

Wie viel kostet dieser Unsinn den Steuerzahler wieder? Vor allem: Was soll er brin­gen? Gibt es bald wieder eine Rechtschreibreform, wo wir alles „vergendern“, wo eine Pflicht eingeführt wird, einen Gender-Wahn in die Sprache zu bringen? (Abg. Mag. Wurm: Das ist im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz!)

Gibt es eine neue Gender-Sprache? Vielleicht wird das Binnen-I verpflichtend werden, vielleicht bekommen Schüler dann einen Gender-Watch-Lehrer, der beauftragt wird, zu schauen, ob die Schüler in der Schule ja richtig gendern. Das ist vielleicht der nächste Punkt, das heißt, eine Gender-Watchlist, die dann auch Lehrer verpflichtet, Genderung vorzunehmen. Vielleicht gibt es dann Sittenwächter und Gender-Tugendwächter. Was Ihnen noch alles einfallen wird – wir sind gespannt darauf. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Haimbuchner: Eine Gender-Kommissarin!)

Folgendes wird auch interessant werden: Wie werden Sie mit anderen Sprachen vor­gehen? Was machen Sie im Englischen? Das Englische ist nicht dazu geeignet, Ihrem Gender-Wahn aufzusitzen. Im Englischen geht das einfach nicht. Und was machen Sie im Finnischen? (Abg. Mag. Muttonen: Man merkt, dass Sie kein Sprachwissenschafter sind!)

Im Finnischen, Frau Kollegin Muttonen, gibt es überhaupt keine Geschlechter. Wird dann die EU hergehen und vielleicht eine neue Sprache schaffen? – Kein Esperanto, sondern ein „Genderanto“, das allen europäischen Völkern zwangsverordnet wird. Ich bin schon gespannt, zu welchen Blödsinnigkeiten Sie sich noch hinreißen lassen. (Bei­fall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Muttonen: Das ist so was von Blödsinn!) Das Gesetz zur Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft hat ja noch einige lustige Punkte drinnen. Warum darf etwa ein Gleichbehandlungsanwalt in der Arbeits­welt nur weiblich sein? – Erklären Sie mir das, bitte. Das heißt, einer sexuell belästig­ten Frau mutet man keinen Gleichbehandlungsanwalt zu, aber ein sexuell belästigter Mann müsste auch mit einer Gleichbehandlungsanwältin auskommen. Ob das jetzt diskriminierend oder nicht diskriminierend ist – ich bin sehr gespannt, wie Sie das dann in Ihren Antworten beurteilen werden.

Es geht aber noch weiter. Wir wissen – und das ist ein wirklich großes Problem –, dass wir eine Feminisierung der Schulen und Kindergärten erleben und dass das längst eine Ursache für eine Bildungsdiskriminierung der Knaben ist. Das ist eine Bildungsdiskrimi­nierung, durch die männliche Schüler und Kindergärtner benachteiligt werden. Das führt oft dazu, dass, völlig unabhängig von der tatsächlich erbrachten Leistung in der Schule, Mädchen bessere Noten bekommen – wegen des Geschlechts! (Abg. Rauch-Kallat: Das war aber bei Ihnen nicht ...!)

Das hält Sie auch nicht davon ab, auf Grund der jetzt großen Erkenntnisse bei der Zu­lassung zu Medizinstudien von einer weiteren Feminisierung zu sprechen: Es kann doch nicht sein, dass Männer plötzlich bei Tests besser abschneiden, das ist doch unglaublich! Da muss sofort bei den Tests etwas geändert werden, wir müssen sofort eine weitere Änderung einziehen!


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Diese Auswüchse Ihrer Gender-Wahnsinnigkeit sind wirklich schon ...

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Kollege! Sie haben jetzt drei Mal den Begriff „Gender-Wahn“ und „‑Wahnsinn“ verwendet. Ich bitte Sie, diesen Ausdruck zurückzunehmen, oder ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (fortsetzend): Das ist Gender-Wahnsinn! Das kann ich nicht zurücknehmen, weil es Gender-Wahnsinn ist, Frau Prä­sidentin.

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich erteile Ihnen hiermit einen Ord­nungsruf.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (fortsetzend): Ich nehme diesen Ordnungsruf gerne zur Kenntnis. Ich nehme ihn als kleinen Orden mit, wenn ich hier das Rednerpult verlasse. (Abg. Öllinger: Ja, Sie sind ...!)

Zur Arbeit und zur Einkommensgerechtigkeit: Sie wollen uns einreden, dass wir die Frauenförderung brauchen, um Gerechtigkeit in der Arbeitswelt und im Einkommen zu erreichen. Genau das Gegenteil erreichen Sie damit, wenn Sie Frauen mit aller Gewalt in technische Berufe hineindrängen! Das führt nämlich dazu, dass die sogenannte billige Arbeitskraft Frau von der Wirtschaft missbraucht wird, somit einen Gesamtdruck auf alle ausübt und somit auch die Männer und alle Familien weniger Einkommen ha­ben. Das kann auch nicht der Sinn dieser überzogenen Forderung sein. (Ruf des Abg. Dr. Graf in Richtung ÖVP.)

Interessant ist auch Folgendes. Trotz Ihrer Kampagnen, um Frauen in technische Berufe zu bringen, sind nach wie vor – nach zehn Jahren, nach fünfzehn Jahren mit vielen Projekten, die sehr teuer waren – die Wünsche der Frauen immer noch ganz andere. Sie wollen weiterhin Verkäuferin werden, Friseurin werden, Sekretärin werden; das sind weiterhin die beliebtesten Lehrberufe bei Frauen. Auch bei Akademikerinnen sieht es nicht anders aus; weiterhin wollen sie eher in Geisteswissenschaften, Päda­gogik oder Veterinärmedizin tätig sein.

Das heißt, Ihr ganzer – noch einmal – Gender-Wahnsinn hat nichts bewirkt.

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Ich erteile Ihnen noch einmal einen Ordnungsruf! (Abg. Dr. Graf: Frau Präsidentin! Zur Geschäftsordnung!)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (fortsetzend): Ich lasse mich nicht unterbrechen, Frau Präsidentin, und komme zu einem weiteren Punkt, der auch inter­essant sein wird. (Abg. Dr. Brinek: Hat er noch Redezeit? – Abg. Dr. Graf: 45 Minu­ten!)

Wie wird es sich dann verhalten, wenn Ihre Einwanderungspolitik wirklich funktioniert, bei der Sie mit aller Gewalt auch Mohammedaner hereinholen? Was wird denn dann sein? – Die haben ein völlig anderes Verständnis von den Geschlechtern. Ich bin ge­spannt, wie dann Ihre Politik greifen wird.

Wenn wir weiterschauen: Heute gibt es bereits Forderungen nach eigenen Frauen­stadtteilen. Das ist auch eine Forderung, die Ihren Ideen entspringt. Das heißt, es sol­len in Wien eigene Stadtteile gebaut werden, in denen nur noch Frauen wohnen dür­fen.

Was wird dann mit der männlichen Jugend passieren, die diese Frauen mitbringen? Was passiert mit den Kindern dieser Frauen? Müssen sie, wenn sie geschlechtsreif sind, irgendwann diesen Frauenstadtteil verlassen? Dürfen sie vielleicht auch nicht mehr diese Wohnungen übernehmen, wenn die Frauen ausziehen? (Abg. Öllinger:


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Das ist ja jenseitig!) Und darf in dieser Stadt überhaupt ein Postbote noch männlich sein? – Denken Sie einmal ein bisschen nach über Ihre Kuriositäten!

Wir werden uns auf jeden Fall nicht diesem Gender-Wahn anschließen. Und wir wer­den dafür kämpfen ...

 


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Herr Kollege! Ich bitte Sie wirklich ein­dringlich, zur Kenntnis zu nehmen, dass es gewisse Begriffe gibt, die die Würde und den Anstand dieses Hauses verletzen. Der Vergleich von Wahnsinn mit Gender-Politik fällt aus meiner Sicht als hier amtsführende Präsidentin genau in diese Kategorie. (Abg. Lutz Weinzinger: Aus Ihrer Sicht! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist mein Recht und meine Pflicht, Sie hiermit zum dritten Mal mit einem Ordnungs­ruf zu bedenken! – Fahren Sie fort. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Dr. Brinek. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (fortsetzend): Ich nehme es zur Kenntnis, Frau Präsidentin. Trotzdem, sage ich Ihnen, werden wir uns dieser versuch­ten Einmischung auch in meine Rede nicht beugen. Ich werde trotzdem den Gedanken zu Ende bringen, auch wenn Sie mich drei Mal unterbrechen. (Abg. Öllinger: Was war der Gedanke bei dieser Rede?)

Ich bin gespannt, wann das auch ein anderer Präsident einmal bei Ihrer Fraktion tun wird. Ich bin sehr gespannt darauf. (Abg. Öllinger: Eine Ansammlung von blinden Vor­urteilen!)

Faktum ist: Wenn Sie, Frau Bures, wirklich etwas tun wollen, dann nehmen Sie sich tatsächlich der diskriminierten Frauen an. Dafür gibt es einige Beispiele. Ich denke nur daran, was vor Kurzem in einigen Großhandelsketten passiert ist. Da sind Frauen durch kleine Löcher in den Decken beobachtet worden, bis hinein in die Privatsphäre, in die Intimsphäre. Das wäre eine Aufgabe, dieser Bespitzelung von Frauen entgegen­zuwirken! Da könnten Sie sich große Verdienste erwerben. Ich gebe Ihnen diese Aus­züge mit, da können Sie nachlesen, wo wirklich Bedarf wäre, um den Frauen zu helfen. (Der Redner überreicht Bundesministerin Bures eine Sammlung von Schriftstücken.)

So wird auf jeden Fall eine geschlechterneutrale, geschlechterfreundliche und ge­schlechtergerechte Politik nicht gemacht werden. Ich fordere Sie auf: Kehren Sie um! Hören Sie damit auf, diese Politik der Spaltung zu machen, und versuchen Sie, wirklich das Verbindende in den Vordergrund zu stellen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stadl­bauer: Was ist das Verbindende ...? – Weitere Zwischenrufe.)

20.55


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Kollege Graf zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

 


20.55.10

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Uns ist zwar ganz bewusst, dass es in der Hand des jeweiligen Prä­sidenten oder der jeweiligen Präsidentin liegt, Ordnungsrufe zu erteilen – und zwar ge­mäß § 102 –, und es ist ausschließlich die Sache der leitenden Präsidentin, zu beurtei­len, wann sie vermeint, dass die Würde des Hauses verletzt ist, um Ordnungsrufe zu erteilen; es darf aber nicht so weit gehen, dass es Willkür ist. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wenn das nächste Mal in diesem Hohen Haus jemand über den Rinderwahn oder Rin­derwahnsinn spricht oder über einen politischen Wahn oder politischen Wahnsinn (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), politischen Wahn oder politischen Wahnsinn (Beifall bei der FPÖ), dann ist das eine politische Wertung, und die muss zulässig sein. (Abg. Binder-Maier: Sie vergleichen Ihre eigene Frau und Ihre eigenen Töchter damit?)


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Ich ersuche daher im Sinne der Geschäftsordnung, sich in der nächsten Präsidiale dieses Themas anzunehmen (Abg. Binder-Maier: Sie vergleichen das mit ihnen!) und eine Beurteilung zu finden (Abg. Binder-Maier: Ihre eigenen Töchter!), ob das, was Herr Kollege Klement gesagt hat, und Sinngemäßes künftighin mit Ordnungsruf geahn­det werden soll oder nicht. (Abg. Binder-Maier: Sie vergleichen Ihre eigene Frau und Ihre eigenen Töchter mit Rinderwahn!) Ich bitte daher, das bei der nächsten Präsidiale zu behandeln.

In diesem Punkt sage ich nur eines: Ich habe überhaupt nichts Bösartiges gesagt, son­dern ich bitte nur (Abg. Binder-Maier: Ihre eigenen Töchter! Ihre eigene Frau!), dass man sich in der nächsten Präsidiale darüber unterhält, ob diese Begriffe in den Katalog aufgenommen werden oder nicht, und diesbezüglich eine Meinungsfindung stattfinden lässt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stadlbauer: Unglaublich!)

20.56


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Es hat sich nun Herr Abgeordneter Öllin­ger zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


20.56.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich kann die Anregung, dass in der Präsidiale darüber gesprochen werden soll, nur akzeptieren, und zwar aus dem einen Grund: weil ich es für ziemlich unerträglich halte, was Kollege Klement jenseits der Ordnungsrufe in seiner Rede von sich gegeben hat (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abg. Rauch-Kallat) – und ich finde es wirklich vom Nationalrat und von den Kolleginnen, in erster Linie von den Kolleginnen, für höchst anständig, dass sie nicht mehr Zwischenrufe gemacht haben –, weil diese Rede an die Grenzen dessen geht, was hier erträglich ist.

Eine bewusste Provokation, dass Sie, Herr Kollege Graf, das in Ihren Ausführungen zur Geschäftsordnung wiederholt und auf eine neue Stufe gestellt haben – oder gestellt wissen wollten – durch den Vergleich zwischen Rinderwahnsinn und „Gender-Wahn­sinn“ ... (Abg. Dr. Graf: Ich habe das Wort „Gender-Wahnsinn“ nie in den Mund ge­nommen! Schauen Sie im Protokoll nach!)

Sie haben den Vergleich herbeigeholt. Allein das, Herr Kollege Graf, zeigt, dass Sie ganz bewusst provozieren wollen, wie offensichtlich auch Kollege Klement. Das halte ich in diesem Kontext für entbehrlich. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Dr. Fichten­bauer: Noch einmal zur Geschäftsordnung!)

20.57


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Zur Geschäftsbehandlung hat sich noch Kollege Stummvoll zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.58.10

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich unterstütze an sich das Verlangen, in der nächsten Präsidiale darüber zu reden. Ich glaube auch, dass hier eine Rede erfolgt ist, die zweifellos gewisse Schmerzgrenzen vieler Abgeordneter, vor allem auch weiblicher Abgeordneter, über­schritten hat. Ich bin daher sehr dafür, dieses Thema zu diskutieren.

Ich würde aber schon auch bitten, dass solche Verhaltensweisen wie jene des Kolle­gen Pilz, der heute ja mehrmals erwähnt wurde, ebenfalls in der Präsidiale diskutiert werden. Er ist schon wieder nicht da, schüttet ständig Abgeordnete an. Ich würde bitten, beides zu diskutieren: Wie kann man Extremverhalten von Abgeordneten, wie kann man die in den Griff bekommen? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hornek: Der faule Pilz!)

20.58



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 266

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Weiters hat sich Herr Klubobmann Cap zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


20.58.52

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte nur hin­zufügen: Es ist eine Einmaligkeit, dass es Ordnungsrufe gegeben hat und dass der Redner, demonstrativ negierend, immer wieder dieses Wort wiederholt und daher meh­rere Ordnungsrufe zum gleichen Wort provoziert hat. Das ist, finde ich, eine Einmalig­keit, und das ist völlig inakzeptabel.

Das Zweite ist: Abgeordneter Klement ist mit seinen frauenfeindlichen Initiativen und Aktivitäten schon mehrfach aufgefallen und hat dem heute eine neue Provokation hin­zugefügt. Das ist absolut nicht zu akzeptieren und dieses Hauses nicht würdig. Daher wird das in der nächsten Präsidiale ernsthaft zu besprechen sein. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

20.59


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Eine weitere Wortmeldung zur Ge­schäftsbehandlung liegt von Herrn Abgeordnetem Fichtenbauer vor. – Bitte, Herr Kol­lege.

 


20.59.39

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Hohes Haus! Aus der Tatsache, dass Gender politisch nicht in der Übereinstim­mungswelt des Kollegen Klement liegt, ist keine Frauenfeindlichkeit abzuleiten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweitens wende ich mich mit Entschiedenheit dagegen, dass Kollege Graf vonseiten der grünen Partei deswegen, weil er den Sachverhalt des Ordnungsrufes zum Gegen­stand einer Präsidialbesprechung machen möchte, als Provokateur bezeichnet wird. Das ist völlig ungehörig! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Deswegen nicht!)

21.00


Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Wir werden die Anregungen aufgreifen und in der Präsidiale jedenfalls darüber sprechen.

Ich erteile nun das Wort an Frau Abgeordnete Mag. Wurm mit einer freiwilligen Rede­zeitbeschränkung von 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


21.00.23

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Was uns hier Herr Abgeordneter Klement geboten hat, das schlägt wahrlich an Frauenfeindlichkeit dem Fass den Boden aus! Es ist ja nicht das erste Mal, dass er die Frauen verunglimpft. Ich erinnere mich noch an eine weitere Entgleisung, die Sie vielleicht schon verdrängt haben. Da hat er einmal gesagt: Die Gebärmutter ist der gefährlichste Ort, an dem sich ein Kind befin­den kann, und, und, und. Wie weit geht denn das noch? Was sollen wir uns hier noch alles anhören von Herrn Klement? (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Er ist in der letzten Zeit auch im Gleichstellungsausschuss, den wir vor zirka zehn Ta­gen hier im Haus abgehalten haben, durch besonders unseriöse, noch einmal: frauen­feindliche Meldungen aufgefallen. Das ist weder des Ausschusses noch des Hauses würdig. Herr Klement wird sich hier zusammenreißen müssen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich bin froh darüber, dass die Präsidiale sich mit solchen Verhaltensweisen auseinan­derzusetzen hat, denn das ist der Würde des Hauses, der Würde der Menschen, der


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 267

Würde der Hälfte der Menschheit – und sehr viele Männer sind ja auch nicht dieser Auffassung – wirklich nicht zuzumuten! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wissen Sie, was in Wirklichkeit eine der größten Ungerechtigkeiten ist? – Dass es nach wie vor bei gleicher Leistung oft bis zu 40 Prozent unterschiedliche Löhne gibt. Dagegen sollten Sie sein, dagegen sollten Sie kämpfen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Lutz Weinzinger: Jawohl, dagegen sollten Sie etwas tun! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was diese Richtlinie, was dieses Gesetz beinhaltet? – Dass genau diese Ungerechtigkeiten, die die Hälfte der Menschheit betreffen, ausgeräumt werden sollen. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft (Zwischenrufe bei der FPÖ), für mehr Demokratiepolitik, und das heißt, dass die Hälfte der Menschheit auch den entsprechenden Platz findet. Ob es Ihnen gefällt oder nicht! (Beifall und Bravorufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

21.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haimbuch­ner zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.02.44

Abgeordneter Mag. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Erstens wird der Souverän be­stimmen, was hier irgendwann einmal gesprochen wird. Denn das werden wir bei den nächsten Wahlen sehen, ob Sie abgewählt werden – oder die Freiheitliche Partei und Kollege Karlheinz Klement. Das wird die Wählerin und der Wähler beurteilen, nicht Sie hier herinnen! (Beifall bei der FPÖ.)

Im Metternich’schen Staat sind wir noch lange nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man heute für eine subjektive Wertung in diesem Hohen Haus – für eine subjektive Wertung, ob sie einem gefällt oder nicht – einen Ordnungsruf bekommt, ist das wahrlich nicht in Ordnung. Das ist wahrlich nicht in Ordnung!

Sie echauffieren sich hier künstlich. Wenn Sie, Frau Kollegin Wurm, völlig richtig sa­gen, dass es eine Ungerechtigkeit sondergleichen ist, dass es für gleiche Arbeit nicht gleichen Lohn gibt, dann pflichte ich Ihnen bei. Aber wer hat in den letzten Jahrzehnten hier in der Republik Österreich regiert? Wer war das? Wer war dafür verantwortlich? (Abg. Mag. Muttonen: Ihre Partei! Sie waren dabei!) – Sie mit Ihrer Politik waren dafür verantwortlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines sage ich Ihnen: Sie brauchen gar nicht so hysterisch zu reagieren, wenn es um den Begriff des Genderns geht, denn das hat überhaupt nichts mit Gleichbehandlung von Mann und Frau zu tun! (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das hat nichts damit zu tun, sondern das ist eine ganz klar ideologische Angelegenheit: Hier geht es um die Abschaffung der Geschlechter! Sie wollen letztendlich die Geschlechter abschaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Eines sage ich Ihnen auch: Sie werden sich selbst einmal ad absurdum führen. Bitte, ich habe heute mehrmals „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“ gehört. Na, das müs­sen Sie mir jetzt einmal grammatikalisch erklären, wie das funktioniert, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren!

Das müssen Sie den Wählern draußen erzählen. Erzählen Sie das den alleinerziehen­den Müttern, womit Sie sich hier in diesem Hohen Haus beschäftigen! Sie beschäftigen sich mit dem Binnen-I, mit „Mitgliederinnen und Mitgliedern“, statt dass Sie sich mit den wahren Problemen der Frauen beschäftigen, mit den wahren Problemen der allein­erziehenden Mütter (Beifall bei der FPÖ), statt dass Sie sich damit beschäftigen, dass


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 268

es sehr arme Familien gibt, statt dass Sie sich damit beschäftigen, meine sehr verehr­ten Damen und Herren.

Tatsache ist, dass immer wieder gesagt wird: Ach, in welch freier Gesellschaft leben wir, niemals hatten wir so viele Rechte! – In Wirklichkeit befinden wir uns in oder schreiten wir einer sehr illiberalen Gesellschaft und einem illiberalen Staat entgegen, und der Feind dieser freiheitlichen Rechtsordnung heißt Gender Mainstreaming. Der neue Mensch soll erschaffen werden, ein Mensch, der kein Geschlecht hat (Heiterkeit bei der SPÖ), völlig gleich und austauschbar. Die Existenz von Mann und Frau ist so­wieso nur ein Fall der gesellschaftlichen Erziehung und sonst nichts mehr.

Das ist eine neue Religion für Sie, deswegen werden Sie auch so emotional! Sie brau­chen das als Religion, denn Sie leben in einer gottlosen Welt. Wir haben das ja gestern bei Frau Bundesministerin Kdolsky miterlebt: Wir haben über Abtreibung diskutiert, und da ist gelacht worden, da ist am Handy herumgetipselt worden. Finden Sie das lus­tig? – Ich finde es nicht lustig. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Beschäftigen Sie sich einmal damit, und echauffieren Sie sich nicht so künstlich! Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.) Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus dem letzten Gleichbehandlungsausschuss. Da hat doch Frau Staatssekretärin Marek im Ernst gemeint – Sie können das ja heute wieder richtigstel­len –: Es ist nicht egal, wem ich als Privater meine Wohnung vermiete; das ist nicht egal!

Also in einer freiheitlichen Gesellschaft, in einer Gesellschaft, die auf Grundrechte ver­ankert ist, wo die Privatautonomie eine Rolle spielt, wo jeder das Recht haben soll, dass er über sein Eigentum in den Grenzen der Verfassung verfügt, da sagen Sie, es ist nicht egal? Sie wollen uns etwas vorschreiben, wenn ich als Privater meine Woh­nung vermiete, wenn ich als Privater vielleicht einmal meinen Gebrauchtwagen ver­äußere? Das wollen Sie mir vorschreiben? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Abschaffung der Demokratie, und das müssen wir einmal zur Kenntnis neh­men, was Sie hier bezwecken! Nehmen Sie das einmal zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

Zu welchem Preis betreiben wir das? – Es kostet Hunderttausende Euro! Kollege Karl­heinz Klement hat völlig richtig argumentiert (Heiterkeit bei der SPÖ), dass wir hier einen Bericht über Gender Mainstreaming haben, zur Lage der Jugend, der 140 000 € gekostet hat. Ich würde da jetzt nicht mehr lachen. 140 000 € geben Sie auf der einen Seite für einen derartigen Unsinn aus; auf der anderen Seite haben wir aber keinen Be­richt zur Lage der Jugend in Österreich, wir haben keinen Bericht über die Situation der jungen Menschen, ob Damen oder Herren, über ihre soziale Situation. Darüber sollte man sich Gedanken machen. (Beifall bei der FPÖ.) Dafür sollte man Geld ausgeben, und nicht für irgendwelche Begrifflichkeiten. Nehmen Sie das einmal ernst!

Gestern hat Frau Kollegin Rudas hier in einem Zwischenruf zu mir herüber gesagt, als Kollege Vock heruntergegangen ist: Ist das eure Frauenquote? – Liebe Frau Kollegin! Sie haben bei den letzten Landtagswahlen in Niederösterreich auf Ihrer Liste der Sozi­aldemokraten eine so tolle Frauenquote gehabt, und da haben Sie ordentlich einen „Wahlsieg“, kann ich mich erinnern, für Ihre Frauenquote eingefahren. Darauf kommt es also nicht an. (Abg. Rudas: ... in Wien auch!) Wir aber haben eine starke Frau in Niederösterreich: Frau Barbara Rosenkranz! (Beifall bei der FPÖ.) Sie wird Ihnen schon zeigen, was Familienpolitik ist, was aber auch Politik für Frauen ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wollen eine Gleichbehandlung, wir wollen aber nicht irgendwelche künstlichen ge­sellschaftlichen Experimente; das brauchen wir nicht. Was brauchen wir? – Wir brau­chen weniger Gender (Abg. Mag. Muttonen: Wir brauchen ein Ende der Rede!), mehr


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Freiheit; wir brauchen mehr Vernunft in dieser Gesellschaft und mehr Arbeit für unser Volk! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.09.12

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wenn hier von Emotionalität die Rede ist, dann ist jedem zu empfehlen, sich die Rede des Herrn Klement und des Herrn Haimbuchner anzuhören. Es gibt namhafte Psychiater, die derartige Verhaltens­weisen (Heiterkeit bei der SPÖ) unter dem Thema „Kastrationsängste“ subsumieren würden. (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Aber es sei Ihnen unbenommen.

Sie haben ja Gott sei Dank gesagt, die Wählerinnen und Wähler werden entscheiden, und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass der Anteil der Wählerinnen bei den Freiheit­lichen und beim BZÖ ganz gering ist. (Zwischenruf der Abg. Mag. Muttonen.)

Ich bin überzeugt, wenn wir die heutigen Reden der beiden Herren den Wählerinnen zeigen – und Sie können sicher sein, dass wir das tun werden; ich hoffe, dass es auch ein Video dazu gibt –, dann wird dieser Anteil noch geringer werden. (Lebhafter Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Öllinger: Wir wollen auch eine Kopie!)

Meine Damen und Herren! Es ist beschämend, dass mit einem derart ernsten Thema wie der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, von Ethnien, von Menschen mit verschiedenen Religionsbekenntnissen mit derartiger Verulkung und Verhöhnung um­gegangen wird. Ich muss Ihnen sagen, das haben sich die Wählerinnen und die Wäh­ler nicht verdient, und wir in diesem Hohen Haus auch nicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht hier nicht nur um eine Qualitätsanpassung, nicht nur um eine Anpassung an eine EU-Richtlinie, sondern auch um eine Verbesserung der österreichischen Gleich­behandlungsgesetze. Das gilt nicht nur für die in der Privatwirtschaft, sondern auch für die im öffentlichen Dienst, die wir beim nächsten Tagesordnungspunkt behandeln.

Im Hinblick auf die reduzierte Gesamtredezeit unserer Fraktion und mit Rücksicht auf die nachfolgenden RednerInnen ziehe ich daher meine Wortmeldung zum nächsten Tagesordnungspunkt zurück und subsumiere sie in dieser Wortmeldung. Ich hoffe, dass wir jetzt zum Ernst des Hauses zurückkehren können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

21.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Aspöck zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.11.51

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretär! (Rufe bei SPÖ und ÖVP: „-in“!– Ich bediene mich der deutschen Sprache. (Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Die – unter Anführungszeichen – „juristische Diskussion“, die zuerst geführt wurde, lässt sich leicht führen, wenn man weiß, dass Entscheidungen, wie Kollege Dr. Martin Graf bereits richtig ausgeführt hat, natürlich von der Justiz nicht überprüfbar sind.

Frau Präsidentin! Das erinnert mich an die von uns versuchte juristische Diskussion bei den Volksanwälten, bei der es nie zu einer echten juristischen Diskussion kam und das


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Schlupfloch natürlich war, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangte, es handle sich um eine politische Entscheidung.

So weit, so gut. Die politische Entscheidung ist eben juristisch nicht überprüfbar. Sie liegt bei der jeweiligen Präsidentin. Ich frage aber jetzt Sie, die jetzt amtierende Präsi­dentin: Frau Präsidentin! Würden Sie mir jetzt einen Ordnungsruf erteilen, wenn ich sage, dass die Frau Präsidentin Glawischnig ein Provokateur ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Sie haben vollkommen recht, Sie kriegen einen Ordnungsruf. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und Grünen.)

 


Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (fortsetzend): Nein, Frau Präsidentin! Nein! (Abg. Dr. Wittmann: Der Schuss ist jetzt nach hinten losgegangen!) Ich nehme das natürlich zurück, aber ich frage Sie jetzt anders. (Abg. Öllinger: Geh bitte! Ja, ja!) – Ja, ja, Herr Kollege Öllinger! Das weiß ich. Sie erinnern sich nämlich jetzt, dass Sie in Ihrem Rede­beitrag unter dem Vorsitz Glawischnig meinen Klubkameraden Karlheinz als Provoka­teur bezeichnet haben. Deswegen erlaubte ich mir die Frage.

Frau Präsidentin! Hätten Sie anstelle der Frau Präsidentin Glawischnig für die Bezeich­nung „Provokateur“ in Richtung Karlheinz Klement einen Ordnungsruf erteilt oder nicht? Können Sie mir das auch beantworten? (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja kein Quiz da! Beifall und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Ich stelle nur fest: Ihre Frage ist nicht nachvollziehbar, Herr Abgeordneter. Ich halte also lediglich ganz klar fest: Die vorsitzführende Präsidentin, der vorsitzführende Präsident entscheidet autonom darüber, was die Würde dieses Hauses ausmacht und wie die Würde dieses Hauses zu gewährleisten ist. Das ist in der Geschäftsordnung ausdrücklich so gere­gelt, hat nichts mit Debattenbeiträgen zu tun und steht auch nicht zur Disposition.

 


Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (fortsetzend): Also, das heißt, wenn der Kollege Öllinger in Richtung Klement sagt, er sei ein Provokateur, und die amtsführende Präsi­dentin – die Dritte – nicht darauf reagiert, dann hat das Parlament das einfach so hin­zunehmen. – Okay, ich nehme das zur Kenntnis. (Abg. Mag. Wurm: Inhaltlich haben Sie nichts zu sagen!) Wir werden jedoch genauestens darauf achten, wie das in Hin­kunft gehandhabt wird, denn ich habe das Gefühl, dass da irgendwo Sympathie und Antipathie herrschen und keine offene Diskussion mehr geführt wird. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Öllinger: Sie wollen es offensichtlich nicht verstehen!)

Zum nächsten Punkt, meine Damen und Herren! Da wird von gleichem Lohn für glei­che Arbeit gesprochen. (Abg. Mag. Muttonen: Sie haben bald keine Zeit mehr!) – Wir haben noch viel Zeit. Ich glaube, so an die 40 Minuten. (Abg. Mag. Muttonen: Ja, super!) Sie reden immer von gleichem Lohn für gleiche Arbeit.

Meine Damen und Herren von der ÖVP und von der SPÖ! Warum haben Sie denn dieses Gesetz nicht längst beschlossen? Dazu braucht man ja kein Gleichbehand­lungsgesetz, das juristisch sehr problematische Materien beinhaltet. Da braucht man
ja nur zu beschließen, der Dienstgeber, der jemanden anstellt und für gleiche Arbeit nicht gleichen Lohn gibt, hat diesen Lohn – notfalls über Klage beim Arbeitsgericht – mit einer sehr langen Verjährungsfrist natürlich im Nachhinein zu zahlen.
(Abg. Mag. Weinzinger: Guten Morgen!)

Warum ist denn das nie geschehen? Was soll denn dieses Schlagwort „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ immer wieder? Ein ganz einfaches Gesetz bestünde aus zwei, drei Sätzen, und damit wäre alles gesagt. Aber das wollten Sie offenbar nicht.

Ich sehe, dass da aber juristisch sehr problematische Themen angerissen werden. Das halte ich für ein problematisches Angehen der Juristerei. Wir haben in unseren Staa-


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ten – in zivilisierten Staaten – auch eine zivilisierte Rechtskultur, die in diesem Gesetz jedoch so auf den Kopf gestellt wird, dass fast nichts mehr übrig bleibt.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stummvoll! Ich frage Sie, denn Sie haben mit der Wirtschaft zu tun: Ich stelle jemanden zur Probe an. Was bedeutet das? Dass ich dieses Dienstverhältnis jederzeit wieder beenden kann. (Abg. Dr. Stummvoll: Wäh­rend der Probezeit!) – Das ist normal. Während der Probezeit, jawohl.

So, und jetzt kommt das Gesetz: Wir beenden jetzt als Dienstgeber dieses Dienstver­hältnis und sagen während der Probezeit: Okay, wir machen Schluss. Wenn uns jetzt irgendjemand unterstellt, dass das vielleicht irgendwie etwas mit Frauen oder Nicht-Frauen und so weiter zu tun hat, dann wird aus dem Probedienstverhältnis ein Dauer­dienstverhältnis. (Abg. Rauch-Kallat: Das stimmt ja nicht!) – Ja, Herr Kollege Stumm­voll, das steht so im Gesetz!

Und jetzt sage ich Ihnen etwas noch viel Wilderes: Wissen Sie, was nach diesem Ge­setz noch möglich ist? – Nehmen wir an, wir beide sind Unternehmer und wissen, dass wir bis zum 31. Oktober sehr viele Leute brauchen, aber am 1. November ist Schluss. Was machen wir dann? Wir regeln das über ein befristetes Dienstverhältnis.

Wissen Sie, was am 1. November nach diesem Gesetz möglich ist? Die Damen mit diesem befristeten Dienstverhältnis kommen daher, machen uns die gleiche Unterstel­lung, dringen durch und bleiben auf ewig in unserem Betrieb beschäftigt! (Abg. Rauch-Kallat: Das stimmt doch alles nicht!) Danke, meine Herren! Für so eine Rechtskultur habe ich nichts übrig! (Beifall bei der FPÖ. Abg. Rauch-Kallat: Schämen Sie sich, dass Sie als Jurist ...!)

21.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzin­ger zu Wort. Gewünschte Redezeit: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


21.18.54

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Abgeordneter Kle­ment ausgerechnet in diesem Tonfall über Wahn spricht und dabei krudeste Vorstellun­gen zum Besten gibt, wenn Kollege Haimbuchner in einer – ich kann mich nicht erin­nern, also in einer in meinen Augen – noch nie da gewesenen Form der rhetorischen Darbietung von Hysterie und Emotionalität spricht – einmal ganz abgesehen von mei­nem Vorredner, der offenbar keinerlei Gesetze einschlägiger Art kennt –, dann könnte man das ziemlich amüsant finden. (Zwischenrufe bei der FPÖ. Abg. Dr. Graf: Ihr habt schon öfters so geredet! – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement.)

Ehrlich gestanden bleibt mir das Lachen aber ein bisserl im Halse stecken. Wenn ich mir anhöre, in welchem Tonfall, mit welcher Körpersprache, mit welchen kippenden Stimmeffekten und mit welcher Phraseologie gearbeitet wird, dann erinnert mich das an Tonbandaufnahmen von Politikern vergangener Zeiten, und das finde ich überhaupt nicht mehr lustig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

„Mehr Arbeit für das Volk.“ – Ich werde dieses Zitat heraussuchen. (Abg. Dr. Haim­buchner: An welche Zeiten denken Sie? Das hätte ich gerne gewusst! – Abg. Dr. As­pöck: Das ist eine Unterstellung! Abg. Dr. Graf: Was haben Sie gegen Kreisky?)

Was dabei neu ist, ist das Themenfeld. Ich kenne so manche einschlägigen, sprachlich absolut immer wieder verräterischen – gerade Sie sollten aufpassen, was Sprache alles verrät! – Äußerungen gegen Fremde, gegen Ausländerinnen und Ausländer in Österreich. Ich habe aber noch nicht erlebt – und schon gar nicht im Parlament! –, dass da flächendeckend gegen eine gesamte Geschlechtsgruppe vorgegangen wird und ein Anliegen, das als zentrales Anliegen der österreichischen Gesellschaft veran-


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kert ist, lächerlich gemacht wird – mit fast schon schenkelklopfendem Gejohle der Zu­stimmung in den Reihen der Parteikollegen der Herren Klement und Haimbuchner. Das ist ein Novum, und ich bin froh, dass dieses Novum Konsequenzen in der Präsi­diale finden wird. Das ist unerträglich! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP. Abg. Dr. Haimbuchner: Der Wähler wird es beurteilen!) Und die Wählerin, keine Sorge! (Abg. Dr. Haimbuchner: Vor allem diese! Wir freuen uns!)

Was dazukommt, ist, dass Sie auf diese Art und Weise – und ich konnte das leider auch nicht vermeiden – effektiv eine Diskussion über die Inhalte eines wichtigen Ge­setzes, nämlich des Gleichbehandlungsgesetzes, verhindern. Das ist ja auch Ihre Ziel­setzung, nehme ich einmal an. Das ist ja das, was Sie als des Teufels – oder der Teu­felin; ich weiß ja nicht, wie Sie so Ihre Phantasien pflegen – verurteilen, wovor man – ich weiß nicht, womit, vielleicht mit religiösem Eifer und Inbrunst – Österreich schützen muss. (Abg. Mag. Wurm: Hexen ...! Abg. Öllinger: Genau, Hexen!)

Da geht es ganz banal um die Gleichberechtigung, die gleichen Chancen, die gleichen Lebensmöglichkeiten von Männern und Frauen. Sie machen das lächerlich und be­kämpfen Bemühungen, die in diese Richtung gehen. Das sollte uns allen zu denken geben, weil ich überzeugt davon bin, dass das, was wir hier von Ihnen geboten bekom­men, noch die gemäßigte Form, der gemäßigte Ausdruck Ihrer wirklichen Überzeugun­gen ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.  Abg. Öllinger: Das glaub’ ich auch!)

Dass Sie im Übrigen von der Sache wenig Ahnung haben, zeigen die Äußerungen des Abgeordneten Aspöck, der meint, für die Sicherstellung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit soll man einfach ein Gesetz machen. Ich könnte Ihnen jetzt mehrere Gesetze nennen, wo genau diese Dinge geregelt sind – im Übrigen jenes Gesetz, das wir jetzt eigentlich zu verhandeln haben.

Wenn jemals klargemacht wurde, wie dringend wir Gleichbehandlungsgesetzgebung brauchen und – das ist meine Kritik an der Regierung! – wie dringend wir wesentlich schärfere Gesetze, gesetzliche Maßnahmen zur Gleichbehandlung brauchen, dann haben das diese Debatte und – ich würde sagen – dieser Eklat gezeigt. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

21.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


21.22.56

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Es herrscht in diesem Haus – ich sage, Gott sei Dank – Meinungsfreiheit. Es sind hier fünf Parteien vertreten, und jede Partei kann mit ihren Vertreterinnen und Vertretern ihre Meinung sagen. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich nehme mir die Freiheit heraus, meine Meinung zu sagen, und ich nehme mir auch die Freiheit heraus zu sagen, dass das, was die Herren von der FPÖ bisher gesagt haben, absolut keine Meinung ist, die ich teile. (Beifall beim BZÖ.)

Wissen Sie, ich habe so ein bisschen das Gefühl – ich war ja auch im Gleichbehand­lungsausschuss –, Sie haben heute Befehlsausgabe gehabt: Zu diesem Thema wollen wir einmal ordentlich provozieren und werden schauen, wie sich die Damen – Sie be­zeichnen ja die Frauen immer als „Damen“ – hier im Haus verhalten: ob sie sich wirk­lich aufregen, ob sie schreien, ob sie kreischen, ob sie ein aus Ihrer Sicht typisch weib­liches Verhalten an den Tag legen. (Abg. Dr. Graf: Befehlsausgabe hat es nur unter Haider gegeben!)


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Ganz ist es Ihnen nicht gelungen, muss ich sagen, denn mich können Sie mit solchen Meldungen nicht provozieren. (Abg. Dr. Graf: Befehlsausgabe in der FPÖ hat es nur unter Haider gegeben!) Es zeigt mir ganz einfach, dass Sie ein Gesetz – ein Gleichbe­handlungsgesetz, das es seit 1979 gibt, das ist nichts Neues – nicht angeschaut ha­ben, dass Sie sich nicht auskennen, wenn Sie zum Beispiel sagen, die Geschlechter werden abgeschafft. Also das ist ja wohl das Ärgste! (Abg. Ing. Westenthaler: Blöd­sinn! Rufe bei der FPÖ: Zuhören! Abg. Dr. Haimbuchner: Ich habe über Gender Mainstreaming gesprochen!) – „Geschlechter abgeschafft“!

Herr Kollege Haimbuchner! Haben Sie nicht gesehen und gelesen, dass es um die Gleichbehandlung von Frauen und Männern geht? Von Gender Mainstreaming habe ich eigentlich in diesem Gesetz überhaupt nichts gelesen. (Ruf bei der FPÖ: Aber er hat darüber gesprochen! Das darf er ja noch, oder?) – Das ist eine, wenn Sie mir erlau­ben, andere Debatte. Aber das ist natürlich ganz lustig, um diese Zeit – um halb zehn – alles in einen Topf zu werfen und ein bisschen Stimmung hier in diesem Hohen Haus zu machen.

Dass Sie natürlich mit Gleichstellung generell Probleme haben (Abg. Dr. Haimbuch­ner: Ich? Ich habe ein Problem? Reden Sie mich persönlich an?), ist mir ja auch aus meiner Zeit damals noch in der FPÖ ganz gut bekannt. Daher habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie sich bei diesem Gesetz so aufregen. (Abg. Dr. Haimbuch­ner: Darum haben wir Sie als Landesrätin aufgestellt! Deswegen sind Sie auch Lan­desrätin geworden in Oberösterreich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher sage ich, dieses Gesetz wird sicher dieses Hohe Haus insgesamt nicht spalten, sondern, so glaube ich, dahin gehend einen, dass wir ein Gesetz beschließen – und es wird ja mehrheitlich beschlossen –, das sicher überwiegend positive Aspekte hat und einen Schritt in Richtung Weiterent­wicklung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern geht.

Ich sage das, was ich auch im Ausschuss gesagt habe: Es ist kein Frauengesetz, es ist kein Männergesetz, es ist ein Gleichbehandlungsgesetz, und wir müssen mit beiden Augen sowohl auf die Frauen als auch auf die Männer schauen.

Dass es natürlich nach wie vor so ist, dass bei Frauen ein größerer Nachholbedarf be­steht als bei Männern, auch gerade im Arbeitsleben, wo es um Diskriminierungen geht, ist ganz klar.

Wenn ich aber an die Werbung denke, die ja in diesem Gesetz nicht behandelt wird, dann bemerke ich schon den Beginn eines Umschwenkens im Rollenklischee. Es gibt dort mittlerweile mindestens genauso viele diskriminierende Darstellungen von Män­nern wie bisher von Frauen. Da müssen wir auch aufpassen. Das ist das, was dieses Gesetz durch eine gewisse Bewusstseinsbildung erwirken und dementsprechend auch fortschreiben kann.

Daher werden wir seitens des BZÖ diesem Gesetz zustimmen, weil es ein Gesetz ist, das zwar nicht die Probleme, die bestehen – gerade in der Beschäftigung oder in der Bildung – löst, aber ein Signal darstellt: ein Signal, dass in diesem Land, in diesem Staat niemand benachteiligt sein darf, dass Frauen und Männer gleich behandelt wer­den können. Wenn Sie damit Probleme haben, dann frage ich Sie: Wie gehen Sie mit dem Behindertengleichstellungsgesetz um? – Danke schön. (Lebhafter Beifall beim BZÖ, bei der SPÖ, der ÖVP und den Grünen.)

21.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 274

21.28.15

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Ich bin ein deklarierter Feind wechselseitigen Angrölens, wechselseitiger Pauschalbeschuldigungen, wechselseitiger Verdächtigun­gen und was es dergleichen mehr auf der politischen Speisekarte gibt. (Abg. Öllinger: Das war nicht wechselseitig!) – Das war durchaus wechselseitig, und ich bitte, dass Sie mich ganz nüchtern zur Sache sprechen lassen. (Abg. Rauch-Kallat: Nein, das war sehr einseitig vonseiten der FPÖ!) – Sie werden mich nicht drausbringen.

Vor allem möchte ich den völlig unqualifizierten juristischen Herabsetzungsvokabeln, die gegenüber dem Kollegen Aspöck dargeboten worden sind, den nüchternen Geset­zestext entgegenbringen. (Abg. Rauch-Kallat: Reine Meinungsäußerung!) Die Kunst des Lesens und des Verstehens der Texte wird Ihnen ja vielleicht nicht verborgen sein.

In § 12 Abs. 7 soll es neu wie folgt lauten:

„Ist das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/in wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltend­machung von Ansprüchen nach diesem Gesetz gekündigt oder vorzeitig beendigt wor­den oder ist das Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes aufgelöst wor­den (§ 3 Z 7)“ (Abg. Mag. Wurm: Ja!) – ja, ja, ja! – „so kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses bei Gericht angefochten werden.“

Bitte, zur Klarstellung: Ein Probearbeitsverhältnis war bisher nach allen Regeln des österreichischen Arbeitsrechts ein solches, das ohne Angabe von Gründen von beiden Seiten einseitig für aufgelöst erklärt werden konnte. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist, bitte, ein Abgehen von der bisherigen Rechtslage, dass also aus Motivgründen das Probearbeitsverhältnis in ein nicht aufgelöstes oder klagsweise in ein Dauerar­beitsverhältnis umgewandelt werden können soll. (Abg. Rauch-Kallat: Niemand hat behauptet, dass er sie auf ewig beschäftigen muss! Es kann angefochten werden!) Das ist, bitte, immerhin ein bemerkenswerter neuer Zustand, über das wird man doch noch ohne Hysterie reden können. (Beifall bei der FPÖ.) Wo ist denn da das Problem? Herrscht hier allgemeines Redeverbot, wenn hier etwas gesagt wird, was nicht in den Köpfen so verankert ist, dass es mit einer Gebetsmühle innen nachgearbeitet werden muss?

Das Haus ist offen für Diskussion und für Meinungsfreiheit, und die nehmen wir uns heraus (Beifall bei der FPÖ), zumal Kollege Aspöck recht gehabt hat.

Ferner geht es auf dasselbe hinaus, dass befristete Arbeitsverhältnisse aus denselben Motiven auf Dauerarbeitsverhältnisse umgeklagt werden können. Das ist eine Neuig­keit, und es sollen sich alle hier klar darüber sein, dass in diesem Punkt ein neues ar­beitsrechtliches Verhältnis eingegangen wird. Über nichts anderes hat Kollege Aspöck geredet, und da braucht ihm hier niemand nachzusagen, dass er juristisch nicht auf der Höhe der Zeit wäre und nicht lesen könne. Solche Argumente fallen auf die Leute zu­rück, die hier Schimpfereien dieser Methode beginnen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen; 2 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


21.31.44

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Zu einer tatsächlichen Berichtigung, ganz ohne Hysterie:

Herr Kollege Aspöck hat hier behauptet, dass, wenn jemand oder wenn eine Frau un­terstellt, dass sie wegen ihres Geschlechts gekündigt wird (Abg. Dr. Graf: Wen berich-


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tigt sie jetzt? Den Fichtenbauer?), ein befristetes Dienstverhältnis in ein dauerndes, nicht kündbares übergeht, und er hat sie dann „auf ewig“, und hat das Gleiche für die Probezeit behauptet. Das ist juristischer Unsinn! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Abg. Dr. Graf: Das ist doch keine tatsächliche Berichtigung! Sie wissen ja gar nicht, was der Aspöck gesagt hat!)

21.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Bures zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


21.32.00

Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst Doris Bures: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wie Sie wissen, habe ich ja schon unzählige Debatten aus den Reihen der Abgeordneten in diesem Haus verfolgen können, und ich gehöre ja nicht zu jenen, die rasch um Worte ringen. Aber ein Teil des Verlaufs dieser Diskussion könnte selbst mich ein wenig sprachlos machen.

Ich möchte mich deshalb ausdrücklich bei jenen Mitgliedern des Hohen Hauses bedan­ken, die durch die Kundgebungen aus den Reihen, aber vor allem in ihren Wortmel­dungen – und das waren ausnahmslos die weiblichen Mitglieder und weiblichen Wort­meldungen – darauf Bezug genommen haben, worum es wirklich geht. Wenn es den Versuch gibt, über ein ganz entscheidendes und wichtiges Gesetz in unserem Land zu diskutieren, dann gibt es von anderen den Versuch, diese Diskussion nicht zu führen, nicht darüber zu reden, weil man offensichtlich nicht will, dass es gesetzliche Regelun­gen gibt, durch die Menschen vor Diskriminierung geschützt werden, durch die Frauen vor sexueller Belästigung von Männern geschützt werden, durch die Menschen davor geschützt werden, dass sie aufgrund ihrer Weltanschauung, ihrer religiösen Zugehörig­keit oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. Ich kann Ihnen nur sa­gen, ich bin froh, dass ich in einem Land lebe, das einer modernen und entwickelten Demokratie entspricht und in dem wir Menschen, die diskriminiert werden, aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, Schutz geben und dafür auch Gesetze in Österreich haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abge­ordneten von ÖVP und BZÖ.)

Daher möchte ich Ihnen in aller Kürze, da Sie sich offensichtlich dem Studium dieses Gesetzes nicht ausgesetzt haben, ein paar wirklich zentrale Punkte erläutern. Ur­sprünglich ist es um die Umsetzung einer EU-Richtlinie gegangen, was den Zugang von Männern und Frauen zu Dienstleistungen betrifft. Was gemeinsam gelungen ist, vor allem auch mit Frau Staatssekretärin Marek im Wirtschaftsministerium, ist, dass wir heute – über die Umsetzung dieser Richtlinie hinaus – ganz wesentliche Verbesserun­gen im Gleichbehandlungsgesetz vornehmen können.

Wir haben ab sofort, sofern das Hohe Haus dieses Gesetz heute auch beschließt, und davon ist ja dankenswerterweise aufgrund der Ausschussdebatte und der Diskussion hier auszugehen, in Zukunft die Chance, dass man bei Arbeitsverhältnissen, die wegen Diskriminierung aufgelöst wurden, nicht nur die Auflösung bekämpfen kann – denn viele Frauen wollen an einen Arbeitsplatz, an dem sie sexuell belästigt wurden, gar nicht mehr zurückkehren –, sondern dass man künftig die Wahlmöglichkeit hat, bei Dis­kriminierung entweder die Anfechtung der Beendigung des Dienstverhältnisses vorzu­nehmen oder aber Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Wir haben auch, was Mindestschadenersatzansprüche betrifft, diese Novelle genützt, um diese Ansprüche zu erhöhen. Darüber hinaus haben wir auch gesagt, dass, wenn es Mehrfachdiskriminierungen gibt, das auch beim Schadenersatz berücksichtigt wer­den muss.


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Wir haben auch die Verjährungsfristen verlängert, weil wir wissen, dass man in einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oft Zeit braucht, um solche Erlebnisse zu verarbeiten und dann zu sehen: welche rechtlichen Schritte kann ich ergreifen? Das ist für betroffene Menschen ganz wichtig.

Wir haben – und darauf möchte ich noch eingehen – natürlich auch aufgenommen, dass es Diskriminierungsschutz bei Beendigung von jenen Arbeitsverhältnissen gibt, die befristete sind oder Arbeitsverhältnisse, die sich noch in der Probezeit befinden. Ich finde das ganz, ganz wichtig, dass wir auch diese Arbeitsverhältnisse berücksichtigen, weil ich glaube, dass niemand, der in einem Betrieb beschäftigt ist, egal, ob es sich um einen befristeten Dienstvertrag oder einen unbefristeten Dienstvertrag handelt, Belästi­gung und Diskriminierung ausgesetzt sein darf. Wenn es zu einer Beendigung wegen Diskriminierung kommt, dann haben die Menschen den Schutz des Gesetzes zu erfah­ren, und den werden sie haben, wenn wir dieses Gesetz heute beschließen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, dass es damit gelingt, das wirklich gute Gleichbehandlungsgesetz, das wir in Österreich zum Schutz der Menschen vor Diskriminierung haben, weiter zu verbes­sern. Ich möchte auch noch ganz kurz darauf Bezug nehmen, dass ich meinerseits und vonseiten meines Ressorts eine Kampagne unterstütze, die sich ganz eindeutig aufsei­ten der Opfer stellt, nämlich dann, wenn es um Gewalt gegen Frauen und Kinder in diesem Land geht. Immer dann, wenn es Ereignisse gibt, die so dramatisch sind, dass sie ganz stark in die Öffentlichkeit kommen, dann bekunden alle, dass es einen besse­ren Opferschutz geben muss. Wenn wir aber sagen, wir haben zu Recht Gesetze, wo der Opferschutz, was die Wohnung betrifft, vor dem Eigentumsschutz steht – und das ist der Kern der österreichischen Antigewaltschutzgesetze –, gibt es wieder Kritik.

Wenn wir in Österreich sagen: nicht das Opfer muss den Täter klagen, sondern der Staat stellt sich hinter das Opfer – und das sind in überwiegender Anzahl, zu 94 Pro­zent, Frauen und ihre Kinder –, dann ist das zu Recht so. Es ist zu Recht so, dass die­ses Hohe Haus immer ganz klar gesagt hat: es gibt keine Toleranz für Gewalt an Frau­en und Kindern, das ist kein Kavaliersdelikt, über das man schnoddrig vom Rednerpult aus sprechen kann (Abg. Dr. Graf: Ja eh nicht! – Abg. Strache: Das haben wir auch nicht getan!), sondern es ist eine ganz schwere Menschenrechtsverletzung, wenn Frauen und Kindern in den eigenen vier Wänden Gewalt angetan wird. (Abg. Dr. Graf: Das hat ja niemand behauptet!) Darum kann ich Ihnen nur versichern, all Ihre Versu­che mit Taferln, all Ihre Versuche, etwas, das eine wirkliche Bedrohung für viele Frau­en ist, hier lächerlich zu machen, das wird mich als Frauenministerin nur noch mehr motivieren, Frauen, die Opfer von Gewalt werden, zu helfen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Strache: Sie arbeiten da mit unwahren Unterstellungen! Rei­ßen Sie sich zusammen! Das ist ja letztklassig, was Sie sagen! Das ist eine Unver­schämtheit! – Abg. Dr. Graf: Selbsterfüllende Prophezeiungen!)

21.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Aspöck! Ich nehme an, Sie melden sich nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung, denn das ist geschäftsord­nungsmäßig nicht möglich, sondern Sie können sich natürlich zu einer Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung zu Wort melden. Ich verweise diesbezüglich auf § 58 der Geschäftsordnung. – Bitte sehr. Wir werden es gleich sehen.

 


21.39.55

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Frau Präsidentin! Ich kann es auch so sagen. Wissen Sie, im Unterschied zu anderen ist das bei uns keine Religion, aber bei vielen anderen ist es Religion. (Abg. Öllinger: Das ist ja eine Wortmeldung!)


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Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Frau Kollegin Rauch-Kallat, Sie haben gemeint, dass Sie eine tatsächliche Berichtigung anbringen müssen.

Juristisch ausgeführt war (Abg. Dr. Graf: Das ist die Geschäftsordnung, so einfach ist das! – Abg. Öllinger: Nein!), dass es vollkommen unkonform zu unserer Rechtsord­nung ist, dass ein befristetes Dienstverhältnis – hören Sie zu, ich verstehe wirklich etwas davon, lassen Sie das einmal –, dass ein befristetes Dienstverhältnis …

21.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Aspöck, es tut mir leid, aber das ist keine Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung. Das ist eine Wortmel­dung, und ich ersuche Sie, eine Wortmeldung anzumelden, dann können Sie auch diese Ausführungen hier machen, aber nicht als Erwiderung auf eine tatsächliche Be­richtigung, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Aspöck: Aber lassen Sie mich doch diesen einen Satz zu Ende bringen!) – Sie sind bei einer Wortmeldung. Ich kann es nicht zulassen, weil die Geschäftsordnung das nicht vorsieht. Es tut mir leid. (Abg. Heinzl: Nehmen Sie Platz!)

Als Nächste gelangt Frau Staatssekretärin Marek zu Wort. – Bitte sehr.

 


21.41.17

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frau Bundesministerin hat die wichtigsten Eckpunkte des Gesetzes erläutert. Das gibt mir die Möglichkeit, auf ein paar grundlegende Dinge einzugehen, und ich möchte der Frau Abgeordneten Wein­zinger zustimmen, wenn sie sagt, die Debatte, die wir hier jetzt führen, und das, was wir hier an Anwürfen und Respektlosigkeit gehört haben, sind so, wie ich sie in diesem Haus noch niemals – und auch ich bin schon einige Jahre hier im Hohen Haus – erlebt habe. (Abg. Strache: Da kann ich ihr auch beipflichten!) Ich kann nur beipflichten, wenn die Frau Abgeordnete sagt, das ist der beste Beweis, dass wir die Gleichstel­lungsgesetzgebung und Gleichbehandlungsgesetzgebung in Österreich brauchen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber ich finde es auch schade, meine Damen und Herren, dass aufgrund eines vorvor­gestrigen Frauenbildes ein paar weniger Personen hier im Hohen Haus nicht einmal eine annähernd sachliche Diskussion möglich ist.

Herr Abgeordneter Klement, zu Ihnen ein paar Worte. Sie haben gesagt, diskriminie­rungsfreie Sprache ist Unsinn. Nur, weil Sie das nicht verstehen, Herr Abgeordneter, ist das noch lange nicht Unsinn, und ich glaube, dass wir auch in der Sprache, die sehr mächtig sein kann – und das erleben wir heute einmal mehr, welche Macht, negativ oder positiv, die Sprache haben kann –, sehr vorsichtig sein müssen, da man auch Dis­kriminierung im höchsten Maß und sehr viele Verletzungen mit Sprache anrichten kann. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

An die Herren von den Freiheitlichen: Warum Ihre einzige weibliche Abgeordnete nicht im Saal ist, das hat vielleicht auch einen Grund. (Abg. Dr. Bösch: Das gibt es ja nicht! – Abg. Dr. Graf: Da fehlen 15 Leute Ihrer Riege, und da sagen Sie nichts!) Das möchte ich bei dieser Diskussion auch in den Raum stellen. Auch die FPÖ muss zur Kenntnis nehmen, dass Mädchen und Burschen, Männer und Frauen unterschiedlich sind und hier ein differenzierter Zugang notwendig ist und gerade bei Frauenförderung unterschiedliche Maßnahmen beziehungsweise Förderungen von Frauen – ebenso wie Burschen, meine Herren von der FPÖ – natürlich notwendig sind. Aber dass Frauenför­derung nicht automatisch Männerdiskriminierung bedeutet, sollten eigentlich auch Sie verstehen, meine Herren von der FPÖ. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)


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Auch das, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Chancen am Arbeitsmarkt, gleiche Chancen in allen Lebensbereichen, ist etwas, was wir im Laufe von Generationen noch weiterentwickeln müssen. Wir können nicht etwas, was innerhalb von vielen, vielen Generationen traditionell verankert war, innerhalb kürzester Zeit verankern. Wenn Herr Abgeordneter Aspöck sagt, wir hätten doch eigentlich das Gesetz in zwei Zeilen – glei­cher Lohn für gleiche Arbeit – beschließen können, und dann ist alles gut: Herr Abge­ordneter, so etwas Realitätsfernes habe ich selten gehört, und ich glaube, diese Aus­sage richtet sich eigentlich selbst.

Zu Herrn Abgeordnetem Haimbuchner: Sie haben das Wohnungsbeispiel angeführt. Wir hatten diese Diskussion schon auf eine ähnliche Art und Weise auch im Aus­schuss, und ich möchte sagen, es ist gut, dass nicht jeder Mann und jede Frau in Österreich einfach tun kann, was er oder sie will, und anderen einfach aufgrund des Geschlechts, der Ethnie, der sexuellen Orientierung, des Alters oder einer Behinderung etwas antun kann beziehungsweise diese anders behandeln kann, nur weil man der Meinung ist, man will diese Person nicht. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Klement.) Ich und wir, die überwiegende Mehrheit dieses Hauses, wir bekennen uns zu Spiel­regeln, die wir in der Republik Österreich haben, in der Demokratie – und das ist keine Abschaffung der Demokratie, sondern, ganz im Gegenteil, ein demokratisches, wert­schätzendes Miteinander. Das ist das, was wir heute beschließen: ein weiterer Schritt in diese Richtung und, ganz im Gegenteil, nicht die Abschaffung der Demokratie, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Aspöck, auch das habe ich Ihnen im Ausschuss bereits gesagt: Sie wissen ganz genau, auch wenn Sie es immer wieder zu negieren versuchen, dass die diskriminierende Beendigung in der Probezeit, was Sie hier auch vehement bestreiten beziehungsweise wogegen Sie sich stellen, geltende Rechtssprechung in Österreich ist. Auch das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

Abschließend darf ich Ihnen einen Folder präsentieren, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit jetzt aktualisiert wieder herausgibt beziehungsweise wieder auf­legt: „Chancengleichheit – Das Gleichbehandlungsrecht in Österreich“. Ich muss meine Rechte kennen, um sie auch einfordern zu können. Da steht etwas ganz Spannendes: „Gleichstellung beginnt im Kopf.“ – Meine Herren, das nur, solange der Zugang zum Kopf frei ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Abg. Ursula Haubner.)

21.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Aspöck zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte, Herr Abge­ordneter. (Abg. Riepl: Schon wieder!)

 


21.46.18

Abgeordneter Dr. Robert Aspöck (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Ich möchte der Kollegin Rauch-Kallat nur Folgendes sagen: Als ich eigentlich von einem Paradoxon gesprochen habe (Abg. Öllinger: Bitte verhaspeln Sie sich nicht im Arbeitsrecht!), dass ein befristetes Dienstverhältnis auf einmal nicht mehr befristet ist, das war die juristische Ausführung. (Abg. Öllinger: „Unkündbar“ ha­ben Sie gesagt!) Die vollkommen unjuristische Ausführung war, als ich mit dem Herrn Kollegen Stummvoll gesprochen oder ihn angesprochen habe und dann – natürlich nur plakativ – ausgeführt habe: na ja, für ewige Zeiten. – Frau Kollegin, jeder unter uns Ju­risten weiß, wenn ich sage: ein Dienstverhältnis „auf ewige Zeiten“, dass es ein Dienst­verhältnis auf ewige Zeiten nicht gibt. Das war eine plakative Überzogenheit, aber das war keine juristische Ausführung, und ich brauche da die Belehrung nicht.

Und zum anderen: Frau Staatssekretärin, ich möchte Ihnen schon auch etwas sagen. (Abg. Öllinger: Sie können nicht einmal einen Fehler zugeben! – Zwischenruf des Abg.


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Strache.) Sie haben mich missverstanden. Wenn es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht, dann meine ich nicht, dass damit die Gleichberechtigung mit einem Zwei­zeiler in einem Gesetz bereits gelöst ist. (Zwischenruf der Abg. Mag. Brigid Weinzin­ger.) Es geht mir nur, ehrlich gesagt, auf den Wecker, dass ich seit zwei oder drei Jahrzehnten von Rot und Schwarz höre: gleicher Lohn für gleiche Arbeit!, und genau dieser Teilbereich wurde in den vielen, vielen Jahren der großen Koalition niemals erle­digt. (Beifall bei der FPÖ.) Das und nicht mehr wollte ich Ihnen sagen.

Jetzt sage ich Ihnen, Frau Staatssekretärin, noch etwas: Auch deswegen, weil es eine gewisse Judikatur gibt, heißt das noch lange nicht, dass sie richtig sein muss. Ich sage Ihnen ein Beispiel – ich nehme ja an, dass Sie mehrheitlich sowieso dafür sind, dass man das dann schon so akzeptiert –: Vor dem Lissabon-Vertrag sind wir in Österreich immer davon ausgegangen, dass wir keine Provinz sind, sondern ein selbständiger Staat. Im Lissabon-Vertrag, da heißt es, die Regierungserklärungen sind Bestandteil des Vertrages. In der 127., glaube ich – die Ziffer weiß ich nicht –, so und so Erklärung (Zwischenruf) – wir haben noch viel Zeit – heißt es, in Entsprechung der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes stellen wir fest, dass Unionsrecht vor staatli­ches Recht geht. (Abg. Öllinger: Das war vorher auch schon so! – Abg. Dr. Van der Bellen: Das hat mit dem Lissabon-Vertrag nichts zu tun!) – Wir sind also doch eine Provinz! Ich muss aber sagen, ich halte diese bisherige Judikatur vor dem Vertrag von Lissabon für völlig falsch. Und solche falsche Judikatur kann es natürlich auch im Ar­beitsrecht geben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

21.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadl­bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte sehr.

 


21.49.54

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich bin mir nie sicher, ob man diese Hasstiraden und frauenfeindlichen Aussagen der FPÖ ignorieren soll, weil sie sich ja selbst richten, oder ob man auf die Argumente eingehen soll, was auch wieder schwierig ist, weil es ja nicht wirklich Argumente sind.

Ich frage mich nur immer, warum eine derartige Stimmung – wenn ich es freundlich ausdrücke, ist es eine emotionale Stimmung, wenn ich es weniger freundlich ausdrü­cke, dann ist es schlimmstes Machogehabe (Abg. Zanger: Jetzt haben Sie mich belei­digt!) – in diesem Hohen Haus immer dann auftritt, wenn es um Frauenthemen geht, wenn es um die Gleichbehandlung von Frauen und Männern geht. (Abg. Strache: Richtig männerfeindlich ist das!) Da gibt es auf der einen Seite die dumpfen Reaktio­nen wie die eines Herrn Klement oder die eines Herrn Haimbuchner, oder es gibt den Versuch, inhaltlich-rechtlich zu argumentieren, wie es Herr Aspöck und Herr Fichten­bauer machen. Das Ziel ist aber immer gleich, nämlich Gleichbehandlung zu verhin­dern. (Abg. Zanger: Stimmt nicht! Sie verstehen das nicht richtig!)

Meine Herren von der FPÖ! Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie sich selbst nicht sehen können. Ihre Stimme wird betont tief, Sie lachen, bekommen gleichzeitig ein ziemlich hasserfülltes Gesicht – was auch, nebenbei gesagt, sehr hässlich macht –, und Sie klopfen sich auf Ihre Schenkel und halten Ihre Bäuche. (Abg. Strache: Die typischen männerfeindlichen Klischees! Jetzt bricht es aus Ihnen heraus!) Also, das schaut auch ziemlich lächerlich aus. Und ich frage mich eigentlich wirklich, wenn Sie sich so aufführen: Wovor fürchten Sie sich eigentlich? Was macht Ihnen so viel Angst?

Und eines sollten Sie sich bewusst sein, meine Herren: Wenn Sie hier so frauenver­achtend reden, dann meinen Sie nicht nur uns Frauen hier im Parlament, meine Frak­tionskolleginnen oder die Kolleginnen von der ÖVP oder von den Grünen, nein, Sie


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meinen alle Frauen in Österreich, und Sie meinen auch Ihre Frauen, Sie meinen Ihre Mütter, Sie meinen Ihre Schwestern und Tanten und Ihre weiblichen Verwandten, und ich hoffe, dass wenigstens das vielleicht ein bisschen in Ihren Kopf hineingeht, was Sie damit wirklich anrichten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rauch-Kallat.)

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz enthält viele positive Verbesserun­gen. Die Frauenministerin und die Frau Staatssekretärin haben schon darauf hingewie­sen. Ich finde, es ist ein wichtiges, gutes Gesetz. Die FPÖ beweist, wie wichtig es ist. Und ich freue mich auf eine wirklich breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rauch-Kallat.)

21.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer zu Wort. Gewünschte Redezeit: 3 Minuten. (Abg. Dr. Fichtenbauer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Entschuldigung! Ich gehe zurück auf 2 Minuten!) – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


21.52.24

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Es gibt natürlich Situationen, in denen man nicht schweigen kann. (Abg. Öllinger: Ja, bitte! Machen Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube!) Ich entwickle mich über das Niveau des unartikulierten Rufens, Schreiens hinaus und vermeide böse Worte. Bitte vielmals, zur Klarstellung: Kein Mensch der FPÖ wendet sich gegen die Gleichstellung oder hat sich gegen die Gleich­stellung geäußert. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Es ist eben nur so, dass bei Ihnen auch die Lust zur Kampfrhetorik die Rationalität überlagert, und diese Lust zur Kampfrhetorik ist dann eben teilweise parteiübergrei­fend.

Frau Bundesminister! Ich darf also in Richtung Regierungsbank wirklich in aller Klarheit dagegen protestieren, dass Sie aus Anlass der nüchternen Facettierung arbeitsrecht­licher Neufassungen mit diesem Gesetz dazu übergehen, die FPÖ als Männerklub zu bezeichnen, oder – ich habe das nicht ganz mitbekommen, aber „Burschen“ oder „Jun­gen“ hat die Frau Staatssekretärin „meine Herren von der FPÖ“ genannt. (Abg. Rauch-Kallat: Sie haben es zwar nicht mitbekommen, aber Sie sprechen einfach einmal da­gegen!)

In Richtung FPÖ haben Sie nicht den geringsten Rechtfertigungsgrund, damit auf­zuwarten, dass nicht allen Aspekten der Gleichstellung, der Gleichberechtigung, der Gleichbewertung des Männer- und Frauenverhältnisses entsprochen wird, dem entge­genzutreten, auch wenn Sie noch so aufgeregt herüberbrüllen. Es ist Ihnen eben nicht recht, aber die FPÖ ist eine staatstragende Partei, die schon längst die Werte von Hu­manität und Rechtsgebietsadäquanz auf diesem Sektor entdeckt hat, als Sie noch weitab von solchen Gedankengängen gewesen sind. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Diese Rede merke ich mir! Die lasse ich mir ausheben!)

21.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Lentsch zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte sehr.

 


21.55.06

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich werde jetzt auf die Wortspenden der freiheitlichen Männer nicht eingehen, denn ich muss mir eigentlich schon seit Wochen im Raucherkammerl anhören, dass wir die Geschlechter abschaffen wollen, und zwar von Herrn Kollegen Aschböck, und daher werde ich jetzt


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auf eine sehr ... (Abg. Strache: Das war wieder so eine männerfeindliche Namensver­unstaltung! – Rufe und Gegenrufe zwischen der FPÖ und den anderen Fraktionen.) – Ich verstehe kein Wort!

Ich werde jetzt zum eigentlichen Thema und auf eine sachliche Ebene kommen. Wir haben vor Kurzem hier (Zwischenruf bei der FPÖ) – ich kann nicht, ich habe nur zwei Minuten – im Hohen Haus den EU-Reformvertrag ratifiziert, einen Vertrag, den leider viele zu wenig gelesen haben und der auch von sehr vielen hier im Hohen Haus miss­braucht wurde, vor allem von der Freiheitlichen Partei, um gegen die Europäische Uni­on Stimmung zu machen.

Heute haben wir eine Gesetzesnovelle vorliegen, die uns sehr genau zeigt, was diese Europäische Union wirklich für uns bedeutet. Im Konkreten: dass wir in Österreich die Gleichbehandlung von Frauen und Männern verbessern müssen.

Für Frauen, die am Arbeitsplatz belästigt werden, wird es leichter sein, zu ihrem Recht zu kommen. Frauen, die am Arbeitsplatz benachteiligt werden, haben Anspruch auf mehr Entschädigung. Und alle Benachteiligten, geschätzte Kollegen von der Freiheitli­chen Partei, auch die Männer, haben es künftig leichter, zu ihrem Recht zu kommen, denn die Verfahren vor den Gerichten werden einfacher und transparenter.

Die Liste ist natürlich noch viel länger. Ich werde sie in Ermangelung von ausreichend Zeit nicht fortsetzen, aber es ist ein wunderschönes Beispiel dafür, wozu uns diese Europäische Union wirklich zwingt. Wir müssen etwa in diesem Fall sicherstellen, dass niemand in Österreich diskriminiert wird, nicht wegen seines Geschlechtes, nicht we­gen seiner Herkunft und auch nicht wegen seiner Rasse. (Abg. Strache: Das ist mit „wegen seines Namens“ zu ergänzen!) Genau deswegen novellieren wir heute dieses Gleichbehandlungsgesetz, und genau deswegen brauchen wir dieses vereinte Europa. Die Diskussion war notwendig. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Knoll zu Wort. Gewünschte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte sehr.

 


21.57.59

Abgeordnete Mag. Gertraud Knoll (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Frau Staatssekretärin! Ja, dieses Gleichbehandlungsgesetz hätte sich wirklich eine andere inhaltliche Auseinandersetzung verdient, und es ist schade, dass wir hier so viel Zeit für die Selbstvorführung der FPÖ vergeudet haben, denn es gibt tatsächlich große Fortschritte, und es wären auch noch mehr drinnen gewesen, wenn von Herrn Minister Bartenstein ein bisschen mehr Leidenschaft eingebracht worden wäre – aber die kann er ja noch nachholen, bei der Koppelung von Frauenförderung mit der Wirtschaftsförderung zum Beispiel.

Wir haben in Österreich wieder eine engagierte, ambitionierte Gleichstellungspolitik, und das ist gut so. In dieser Novelle wird festgehalten, Belästigung, sexuelle Belästi­gung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Tatbestand, der geahndet wird, und das stört offenbar bestimmte Herrschaften. (Abg. Zanger: Na bitte!)

Es sind Tatbestände, für die es Folgen gibt, denn wer anderen Schaden zufügt, der muss Schadenersatz leisten. Und wem Schaden zugefügt wurde, der hat Anspruch auf Schutz und hat Anspruch auf Entschädigung. Es gibt Mindestansprüche, und es gibt Berücksichtigungen von Mehrfachdiskriminierungen, und genau so gehört das auch.

Entwürdigendes und die Würde von Menschen verletzendes Diskriminieren und Beläs­tigen können nicht und in keinem Bereich mit Appellen abgestellt werden. Das haben wir auch heute wieder anhand von vielen Beispielen gehört, und wer es immer noch nicht glaubt, möge sich anschauen, wie Diskriminierungen amtlich bestätigt werden, ob


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das jetzt – nur als Stichwort – bei der Rektorenbesetzung an der Akademie der bilden­den Künste ist oder in Krems, an der Donau-Universität.

Für diese Tatbestände braucht es genau diese Maßnahmen, und niemand wird es schaffen, diese Novelle schlechtzureden. Lieber sollten wir alle unsere Unterstützung einer Gleichstellungspolitik geben, die gerechte Einkommenschancen für alle Men­schen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie herstellt, denn das ist der beste Schutz vor Ungleichbehandlung und der beste Schutz auch vor allen Unbelehrbaren. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

22.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schit­tenhelm zu Wort. Gewünschte Redezeit: ebenfalls 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


22.00.39

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Staatssekretärin! Hohes Haus! Eigent­lich steht ein Thema zur Diskussion, bei dem wir uns alle einig sein sollten. Und den­noch – ich kann das nicht unwidersprochen lassen – lesen wir: „Wer schützt Österreich vor Bures?“ – Ich frage mich: Wer schützt Österreich vor solchen, sich so artikulieren­den Politikern? (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe das nur stichwortartig aufgeschrieben: Es gehe hier um „Umerziehungspro­jekte“. – Diesen Begriff kenne ich aus diversen Geschichtsbüchern. Beschämend! (Bei­fall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wurde gesagt: Diskriminierung der Männer, Bildungsdiskriminierung der Buben. – Wollen Sie damit sagen, dass unsere LehrerInnen, Pädagoginnen, Pädagogen die Bu­ben in der Schule diskriminieren? – Ich glaube, es ist eine Entschuldigung angebracht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Und ich frage mich grundsätzlich: Wieso so aufgeregt? – Wissen Sie, was mich auf­regt? Dass wir überhaupt in Österreich, in einer Demokratie, in einem freien Land, im Jahr 2008 ein Gleichbehandlungsgesetz brauchen und hier noch dazu Novellierungen machen müssen, weil der bestehende Gesetzestext nicht ausreicht, weil hier ganz ein­fach Diskriminierungen vorkommen, weil hier Verletzungen von Menschen, Frauen und Männern vorkommen – in unserem Land.

Und dann stellt man sich hier ans Rednerpult und beschimpft Frauen und Männer, die wir schützen und denen wir ein Maß vorgeben sollten, mit dem sie sich wohlfühlen. Das ist unsere Aufgabe! Nicht aber, hier im Haus die Menschen draußen, Frauen wie Männer zu diskriminieren. Unsere Aufgabe sollte eine höhere sein, und auch die Wort­wahl hier im Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine bedenkliche. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bewege mich sehr oft und viel in Männergremien oder oft ausschließlich in Män­nergremien, seit 8 Jahren als Bürgermeisterin, als Bezirksparteiobfrau in einem großen Bezirk, Korneuburg, als Landesleiterin der Frauen Niederösterreichs. Ich habe mit vie­len Männern zu tun, aber diese Art der Artikulation habe ich in den ganzen Jahren mei­ner politischen Arbeit nicht gehört. Und ich hoffe, dass ich sie auch nie mehr wieder zu hören bekomme. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

22.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Durch­schlag zu Wort. Gewünschte Redezeit: ebenfalls 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 283

22.03.19

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Auch wenn es manche Rückwärtsge­wandte in diesem Haus nicht glauben wollen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ge­hen wir Gott sei Dank noch ein Stück weiter auf dem Weg zur völligen Gleichstellung – und nicht zur Gleichheit – von Männern und Frauen. Seit dem Jahr 1979, in dem das Gleichbehandlungsgesetz, das die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Ar­beitswelt geregelt hat, in Kraft getreten ist, hat sich Gott sei Dank vieles zum Besseren geändert.

Das Antidiskriminierungsgesetz im Jahr 2004 war auch so ein Meilenstein, durch den das Gesetz auch um die Diskriminierungsgründe ethnische Zugehörigkeit, Religion, Alter, Weltanschauung oder sexuelle Orientierung ausgeweitet wurde.

Zwei Bereiche – um jetzt auch inhaltlich etwas dazu zu sagen – in der jetzigen Novel­lierung halte ich für besonders wichtig und auch für sehr praxisnah. Da ist zum einen die Anhebung des Mindestschadenersatzanspruches von 400 € auf 720 €, der dann zum Tragen kommt, wenn es zu einer Belästigung am Arbeitsplatz kommt, zu einer Be­lästigung, die entweder nur so empfunden wird oder die auch als Belästigung gedacht ist. Ein solches Verhalten, das die Würde einer anderen Person verletzt, kann künftig einen Schadenersatzanspruch von 720 € begründen.

Sehr positiv ist auch die Intention des Gesetzes im Bereich der sexuellen Belästigung, da es sich nicht nur gegen die Belästiger wendet, sondern auch gegen Arbeitgeberin­nen und Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmerinnen nicht gegen sexuelle Belästigung durch Kolleginnen und Kollegen oder Kundinnen und Kunden schützen. Daher sollte es zukünftig auch dort öfter Hinschauen statt Wegschauen heißen.

Trotz allem – und da werden nicht alle zustimmen –, trotz aller erreichten Verbesserun­gen ist die Gleichstellung der Geschlechter in einigen Bereichen noch verbesserungs­fähig. Gleichstellung muss nämlich auch in den Köpfen stattfinden, und dass das in sehr vielen Köpfen noch nicht der Fall ist, das haben wir heute gesehen.

Gleichstellung ist ein Grundrecht und ist auch eine Voraussetzung zur Erreichung von mehr Wachstum und Wohlstand. Verschiedenste Maßnahmen zur Frauenförderung haben hier schon deutliche Fortschritte gebracht, und ich bin sicher, dass unsere Staatssekretärin Christine Marek weiter an der positiven Umsetzung arbeiten wird. Da­für meinen herzlichsten Dank! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Zwey­tick zu Wort. Gewünschte Redezeit: 1 Minute. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Öllin­ger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Zweytick –: Das wird knapp!)

 


22.05.46

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Das wird sehr knapp! – Frau Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Her­ren! Das Schöne an dem heutigen Abend ist eigentlich, dass das vorliegende Gesetz eine Fülle von Verbesserungen bringt. Es werden damit weitere Ungerechtigkeiten be­seitigt und abgeschafft, und das ist ein großer Erfolg des Gleichbehandlungsausschus­ses, der dem so oft zitierten schwachen Geschlecht in der Gesellschaft mehr Schutz und Hilfe bietet. Sogar hier im Hohen Haus erkennen so manche immer noch nicht die Realität. Das ist auch ein repräsentativer Teil, eigentlich ein Spiegelbild der Gesell­schaft, in der auch viele Verstöße begehen und uns zwingen, hier entsprechende Ge­setzesvorlagen, Veränderungen, Verbesserungen zu beschließen – wenn es nicht so wäre, dann bräuchten wir es nicht zu tun. Dieses Spiegelbild hat sich auch heute wie-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 284

der hier im Hohen Haus gezeigt. Es ist zum Glück eine Minderheit, und es wird auch eine bleiben, wenn es so weitergeht. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil ich zu denen gehöre, die anderer Meinung sind, möchte ich mich von den Äuße­rungen meiner männlichen Kollegen distanzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber auch stellvertretend für fast alle männlichen Abgeordneten des Hohen Hauses betonen, dass dies nicht unsere Sprachkultur im Umgang mit den Kolleginnen im Hohen Haus ist. Das darf ich, glaube ich, auch stellvertretend für die meisten Abge­ordneten hier betonen, um da einiges richtigzustellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Und auch nicht hinter vorgehaltener Hand, lieber Kollege. Das sind Unterstellungen! Da braucht man sich keine Hand vorzuhalten, da kann man offen reden. Gott sei Dank!

Und es wurden von meinen Kollegen, die Juristen sind, einige Dinge dann in weiteren Wortmeldungen als sogenannte plakative Ausdrücke korrigiert, die jetzt von mir nicht mehr erörtert oder erwähnt werden. Ich bin kein Jurist, aber dafür gibt es schon Ge­setze. Sie haben sich aber in weiteren Redebeiträgen selbst korrigiert und das als so­genannte plakative Aussagen, plakative Redewendungen dargestellt. – Seid ein biss­chen ernster! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 559 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheit­lich angenommen. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

22.09.0512. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvorlage (541 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geän­dert wird (560 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Klement zu Wort. 3 Minuten gewünsch­te Redezeit. – Bitte sehr.

 


22.10.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minis­ter! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Das eine sind die Gesetze, die wir bespro­chen haben, und das andere ist das, was dahintersteckt. Ich glaube, das muss man ganz klar trennen. Die Freiheitliche Partei will ganz sicher auch keine Ungerechtigkei-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 285

ten, will sicher auch keine Diskriminierungen, aber wir stellen klar, was im Hintergrund damit verbunden ist.

Wenn Sie Herrn Kollegem Haimbuchner vorhalten, es gäbe nicht die Intentionen des sozialen Umbaus, des sogenannten Social Reengineering, dann müssen Sie ein biss­chen mehr lesen als in diesen trockenen Gesetzestexten. Lesen Sie nach bei einer Frau, bei der Forscherin Gabriele Kuby, die ganz klar von Social Reengineering spricht. Da sollten Sie einmal nachlesen, aber ich glaube, Rot und Schwarz wollen ja nichts hören.

Herr Kollege Cap – Herr Kollege Mitterlehner hat sich auch schon gefragt, was die Dis­kussion überhaupt bringen soll –, wir zumindest in der freiheitlichen Fraktion lassen uns nicht von irgendwelchen Gender-Keulen dressieren. Wir sind keine Männchen, sondern wir sind Männer und trauen uns auch etwas zu sagen. Sie offenbar, Ihre Frak­tionen trauen sich nichts mehr zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.) Bitte, genieren Sie sich ein bisschen dafür! Das muss man auch sehen.

Ich werde Ihnen beweisen, wohin das geht mit diesem Social Reengineering. Lesen Sie nach unter „fun & care“, wie die Kindergartenausbildung in Zukunft ausschauen soll und wie sie bereits in Wien gelebt wird. Da gibt es nämlich für Mädchen eine beson­dere Förderung: für geschlechtergerechten Sprachgebrauch, für Quotenregelung – für Kindergartenmädchen! –, für ein Offensiv-auf-etwas-Zugehen, Fußballspielen, Fangen, Turmbauen, Zwicken in der Krippe, Verdrängen vom Platz, Wegnehmen von Autos – den Buben das Auto wegnehmen –, Schreien und Auf-sich-aufmerksam-Machen, Technik, Werken und Computer.

Jetzt wird es lustig, jetzt kommt das, was den Buben in diesen Kindergärten vorgesetzt wird: positive Körperwahrnehmung, Massage, Kosmetikkorb, eigenen Körper schön herrichten, schminken und in andere Rollen schlüpfen, das heißt, Prinzessinnenkleid­chen anziehen, das heißt, Nägel lackieren. – Sehr schön. (Abg. Broukal: Steht das dort, oder ist das Ihre Phantasie?)

Das ist die Jugend der Zukunft, das sollen unsere Burschen der Zukunft sein. Das ist Ihre Idee. – Da, werte Kollegen, kann man nur noch lachen. Wenn Sie gerne Puppen spielen, Herr Cap oder Herr Broukal, dann tun Sie es, dann spielen Sie Puppen, aber das darf doch nicht das Ziel und die Zukunft der Gesellschaft sein. Das kann es ja wohl nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss, weil sich einige Kollegen und Kolleginnen so große Sorgen gemacht haben um die Zukunft der Freiheitlichen Partei: Machen Sie sich bitte keine Sorgen um die Zukunft der Freiheitlichen Partei, machen Sie sich Sorgen um die rote Wähler­schaft! Hier ist eine ganz neue Umfrage vom forsa-Institut, die gibt Ihnen, Herr Cap, vielleicht auch ein bisschen zu denken. Ich lese Ihnen vor:

So wenig Unterstützung für die SPD gab es noch nie. Bei der wöchentlichen forsa-Um­frage kommen die Sozialdemokraten nur mehr auf knapp 20 Prozent der Wählerstim­men. – Und ganz interessant, Herr Cap –: Besonders eklatant ist der Einbruch bei männlichen Wählern. Dort bewegt sich die SPD in der Größenordnung von FDP und Linken. – Zitatende.

Also, werte Kollegen von der Sozialdemokratie, machen Sie sich keine Sorgen um uns, machen Sie sich über Ihre Probleme Gedanken! Wenn Sie diese Gesellschaftspolitik so weiter betreiben, sind Sie in Zukunft wirklich nur mehr eine reine Frauenrunde, und ob das gut ist, bezweifle ich. – Viel Spaß und viel Vergnügen bei Ihren nächsten Wahl­erfolgen. (Beifall bei der FPÖ.)

22.13



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 286

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.13.27

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Abgeordneter Klement, fürchten Sie sich nicht! Gleichbehandlung ist das Ziel, und genau das impliziert all das, was wir heute hier beschließen. Das sind die Umsetzun­gen von Richtlinien, die innerhalb der EU schon im Jahr 2002, 2004 und so weiter for­muliert wurden. Worum geht es da? Um Diskriminierungsschutz, um Ausweitung des Diskriminierungsschutzes. Das ist etwas Wichtiges.

Gleichbehandlung ist das Ziel, Herr Abgeordneter Klement! Fürchten Sie sich nicht vor den Frauen! Ihre Phantasie in dieser Richtung ist schon etwas Eigenes, das macht einen nachdenklich. Ich sage Ihnen, was mir bei dieser Debatte heute gefallen hat. Herr Abgeordneter Graf, wissen Sie, was mir heute gefallen hat? Dass die Frauen, sämtliche Frauen, die sich hier zu Wort gemeldet haben, hoch stehende Beiträge ge­leistet und sich solidarisiert haben. Es hat eine Frauensolidarität gegeben, die wir hier in diesem Haus schon lange nicht mehr erlebt haben, und das freut mich.

In diesem Sinne hoffe ich auf eine gute Umsetzung des Gesetzes, denn das bedeutet mehr Gerechtigkeit in unserem Land und das bringt die Frauen weiter. Auch wir Frauen hier im Parlament sollten mehr zusammenhalten, damit Sie sich in diesem Fall sehr wohl fürchten sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte sehr. (Zwischenruf des Abg. Broukal.)

 


22.15.29

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Abgeordneter Broukal, es dürfte Ihnen entgangen sein, dass die Emotionalität und Hysterie heute eher von den Herren dieses Sektors hier (in Richtung FPÖ) gepachtet ist. Ich bleibe cool. Das Einzige, das ich diesen angeblich „Herren“ hier sagen möchte, und da widerspreche ich der Frau Kollegin Wurm, die gesagt hat, sie brauchen keine Angst zu haben: Ich finde, das stimmt gar nicht. Sie müssen sich fürchten, ja! Es geht nämlich nicht bloß darum, dass man im Kindergarten den Mädchen schon beibringt, wie man den Burschen die Spiel­zeugautos wegnimmt, sondern es geht noch um etwas ganz anderes. Die Frauen in diesem Land – und ich werde das aktiv unterstützen, mit allem, was demokratisch möglich ist – wollen Vorstandsposten, wollen Mandate, denn es ist unerträglich, dass so viele Männer auf Mandaten herumsitzen, die von qualifizierten Frauen viel besser zu besetzen wären. Wir wollen die Führungspositionen, wir wollen die Rektoratsjobs quer durch, und wir wollen das zumindest zu demselben Geld, das die Männer dafür bekommen. – Sie haben allen Grund, sich zu fürchten. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde es ja schon bezeichnend, wenn Sie sich sogar schon vor dem sozialen Wan­del, also vor dem, das es immer gibt, fürchten. Das muss ein wirklich anstrengendes Leben sein.

Zum Gesetz selbst: Sowohl beim vorherigen Gleichbehandlungsgesetz als auch beim Bundes-Gleichbehandlungsgesetz jetzt stimmen wir zwar zu, finden aber – und angesichts der heutigen Debatte wird es Ihnen hoffentlich selbst schon leid tun –, dass es ein bisschen eine brave Pflichterfüllung ist dessen, was uns die EU vorschreibt, und dass wir uns ruhig mehr trauen könnten und dringender Bedarf besteht, auch tatsäch­lich mehr zu tun, damit wir zum Beispiel im öffentlichen Dienst bei den Sektionsleitun-


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 287

gen endlich deutlich mehr Frauen hineinbekommen und nicht nur diese einigen weni­gen spärlichen Männer haben oder in der Privatwirtschaft der Anteil von Frauen in Vor­standsetagen, in den Aufsichtsräten steigt oder aber das, was da so simpel als: Ma­chen wir ein Gesetz, wo drinsteht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit!, dargestellt wird, tat­sächlich sozusagen mit Biss im Gesetz umgesetzt werden kann, zum Beispiel mit einer verpflichtenden Gleichbehandlungsbilanz für die Wirtschaftsförderung und darüber hinaus, damit die „Herren“, wie sie sich nennen, von der FPÖ wenigstens einen Grund dafür haben, dass sie sich so fürchten. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Ursula Haubner zu Wort. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.18.04

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! In aller Kürze: Das, was ich zu sagen hatte, sagte ich zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt. Das Gleiche gilt für das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz. Es wird vieles, analog dazu, wie im Gleichbehandlungsge­setz für die Privatwirtschaft geregelt.

Ich denke, es ist auch positiv, dass es eine Einbeziehung von Frauen in Kommissionen gibt. Ich möchte mich aber klar dagegen aussprechen, dass es hier jemals zu einer Quotenregelung kommt. Dass Frauen in der Kommission dabei sind ist selbstverständ­lich, weil sie andere Perspektiven und auch andere Erfahrungen mit einbringen.

Wir werden also auch diesem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zustimmen, auch wenn wir aus „diesem Sektor“, wie Sie gesagt haben, Frau Kollegin Weinzinger, kom­men. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

22.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Binder-Maier ist die Nächste, die zu Wort kommt. – Bitte.

 


22.19.11

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Im Wesentlichen geht es bei diesem Gesetz um die An­passungen an das EU-Recht. Erklärtes Ziel von den meisten von uns ist die Ver­wirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Da geht es um Teilen, da geht es um Solidarität, da geht es um Partnerschaft und um gleich­wertiges Miteinander in unserem Leben. Ich denke, Diskriminierung, Rassismus, Sexis­mus dürfen und können kein Kavaliersdelikt sein.

Was mir sehr wichtig ist, meine Damen und Herren: Es geht um Respekt, es geht um Würde, es geht um Anerkennung, es geht um Wertschätzung und auch um Gleichwer­tigkeit und Gleichbehandlung. So wie wir selbst behandelt werden möchten, so müssen wir das auch anderen zugestehen und so wollen wir auch anderen dieses Recht ge­ben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang möchte ich noch einen Abän­derungsantrag zum Bundes-Gleichbehandlungsgesetz einbringen.

Im Wesentlichen geht es um ein Redaktionsversehen. Es geht darum: Analog zur Pri­vatwirtschaft soll im Bund die Verjährungsfrist für die Geltendmachung einer Belästi­gung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht werden.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 288

Meine Damen und Herren! Ein Gesetz, das notwendig, das wichtig ist. Es ist die Basis, dass das Teilhaben-Können von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft tatsäch­lich Realität wird und jene, die das verhindern möchten, dies nicht können. (Beifall bei der SPÖ.)

22.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der in seinen Kernpunkten erläuterte Abände­rungsantrag, der von Frau Abgeordneter Binder-Maier eingebracht wurde, ist ausrei­chend unterstützt, steht mit in Verhandlung. Er wurde auch gemäß § 53 Abs. 4 GOG bereits zur Verteilung gebracht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Gisela Wurm und Abg. Maria Rauch-Kallat und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht (560 d.B. ) des Gleichbehandlungsausschusses über die Regierungsvor­lage (541 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungs­gesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Z 17 lautet:

„,17. § 20 Abs. 1 und 2 lautet:

(1) Ansprüche von Bewerberinnen oder Bewerbern nach § 17 und von vertraglichen Dienstnehmerinnen oder Dienstnehmern nach § 18 sind binnen sechs Monaten ge­richtlich geltend zu machen. Die Frist für die Geltendmachung der Ansprüche nach den §§ 17 und 18 beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Bewerberin, der Bewerber, die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung erlangt hat. Ansprüche von vertraglichen Dienstnehmerinnen oder Dienstnehmern nach § 19 infolge Belästigung nach §§ 8, 8a und 16 sind binnen eines Jahres gerichtlich geltend zu machen. Eine Anfechtung einer Kündigung, Entlassung oder Auflösung eines Probedienstverhältnisses der vertraglichen Dienstnehmerin oder des vertraglichen Dienstnehmers gemäß § 18c Abs. 1 oder § 20b, sowie die Einbrin­gung einer Feststellungsklage nach § 18c Abs. 2 oder § 20b hat binnen 14 Tagen ab ihrem Zugang bei Gericht zu erfolgen. Ansprüche von vertraglichen Dienstnehmerin­nen oder vertraglichen Dienstnehmern nach § 18c Abs. 3 sind binnen sechs Monaten ab Zugang der Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probedienstverhältnisses oder der Beendigung eines Dienstverhältnisses durch Zeitablauf gerichtlich geltend zu machen. Für Ansprüche nach §§ 17a bis 17c und 18b gilt die dreijährige Verjährungs­frist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches.

(2) Ansprüche von Beamtinnen oder Beamten gegenüber dem Bund nach § 18a sind binnen sechs Monaten, Ansprüche nach § 19 infolge Belästigung nach §§ 8, 8a und 16 binnen eines Jahres mit Antrag bei der für sie zuständigen Dienstbehörde geltend zu machen. Ansprüche von Beamtinnen oder Beamten gegenüber der Belästigerin oder dem Belästiger nach § 19 infolge Belästigung nach §§ 8, 8a und 16 sind binnen eines Jahres gerichtlich geltend zu machen. Die Frist für die Geltendmachung des Anspru­ches nach § 18a beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Beamtin oder der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung erlangt hat.‘“


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 289

2. In der Z 27 wird in § 47 Abs. 17 Z 1 das Zitat „§ 20 Abs. 1 und 3“ durch das Zitat „§ 20 Abs. 1 bis 3“ ersetzt.

Begründung

Zu § 20 Abs. 1 und 2:

Anpassung der Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen infolge Belästigung wegen einer ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung an die Fristen für die Geltendmachung von Ansprü­chen infolge Belästigung wegen des Geschlechts.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.21.35

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich denke, die Wortwahl und die Reaktionen unserer Kollegen von der FPÖ zei­gen, wie dringlich es ist, dieses Gesetz weiterzuführen. Mit der Novelle dieses Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes wird der Verantwortung auf höchster politischer Ebene in vielen Punkten Rechnung getragen. Das bringt uns in Sachen Gleichbehandlung wie­der einige Schritte weiter.

Die Novelle beinhaltet viele absolut notwendige Verbesserungen wie die Anpassung der Definition der sexuellen Belästigung oder die Einführung des Gebots der sprachli­chen Gleichbehandlung, aber auch die Wahlmöglichkeit bei Diskriminierung zwischen Anfechtung der Kündigung oder Schadenersatz.

Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass über kurz oder lang Artikel wie: „Hier ist kein Platz für Frauen!“ in Tageszeitungen doch mehr und mehr der Vergangenheit an­gehören werden – auch wenn die Bundes-Gleichbehandlungskommission 2007 von 23 Frauen und zwei Männern wegen Diskriminierungen angerufen wurde; Diskriminie­rungen, in denen Frauen und Männer im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis ungleich behandelt wurden.

Dass die österreichischen Universitäten bis auf eine Rektorin so gut wie durchgehend männlich geführt sind, spricht in dieser Hinsicht leider für oder, treffender gesagt, ge­gen sich. Auch der jüngste Fall der Donau-Uni in Krems, wo zwei hoch qualifizierte und erwiesenermaßen geeignete Mitarbeiterinnen auf dem Rektorsposten verhindert wur­den, bestätigt uns einmal mehr, dass im Hinblick auf die Umsetzung dieses Gesetzes noch sehr viel zu tun ist.

In diesem Zusammenhang gilt mein großer Dank Frauenministerin Bures für ihr enga­giertes Bemühen in Sachen Gleichstellungspolitik. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 541 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Wurm, Rauch-Kallat, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 17 und 27 des Gesetzentwurfes einge­bracht.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 290

Da nur dieser eine Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzent-
wurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichti­gung des erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Wurm, Rauch-Kallat, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

22.24.5313. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.): Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG) (566 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Eisenschenk. 2 Minuten ge­wünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.25.20

Abgeordneter Mag. Peter Eisenschenk (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärinnen! Herr Bundesminister! Öster­reichs Stellung im globalen Wettbewerb der Wissensgesellschaften ist von größter Be­deutung, hat höchste Priorität. Die europäische Kooperation in Bildung und Forschung ist dafür unabdingbar. Vor allen Dingen ist eines ganz wesentlich: Hohe Mobilität zeich­net erfolgreiche Menschen aus. Und wir können stolz sein, rund ein Drittel der österrei­chischen Absolventen verfügt über Auslandserfahrung. Andererseits haben wir hier bei unseren Studenten einen Anteil von rund 20 Prozent international Studierenden. Damit haben wir europaweit die zweithöchste Quote. Wir sind damit sehr gut im Rennen und werden auch weiterhin das ambitionierte Ziel von 50 Prozent bis zum Jahr 2020 an­steuern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird der Verein Österreichischer Austauschdienst in eine GmbH entwickelt. Eine wichtige Entscheidung, auch ein ganz wichtiges Anliegen wird damit gestützt, nämlich das Service für die Studierenden auszubauen. Damit fördern wir zum einen die Erweiterung des persönlichen Horizonts der jungen Menschen im Hinblick auf Kultur und Sprache, und damit leisten wir auch sehr wohl einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Durch diese Ko­operation wird natürlich auch das Service im Bereich lebenslanges Lernen verstärkt. Letztendlich werden wir alle davon profitieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Mag. Knoll ist die Nächste, die zu Wort kommt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 291

22.27.31

Abgeordnete Mag. Gertraud Knoll (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der OeAD leistet seit Jahrzehnten eine hervorragende Arbeit über Gren­zen, und nichts ist vernünftiger, als Bildung grundsätzlich grenzenlos zu denken, denn dann zahlt sie sich am meisten aus.

Auf der Basis von Vertrauen und Toleranz, auf gegenseitiger Achtung zwischen Men­schen, Völkern und Kulturen – so steht es im Leitbild des OeAD. Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass es politisch in jeder Hinsicht sinnvoll ist, eine so hoch anerkannte Institution zu fördern und Voraussetzungen zu schaffen, um ihn wirklich entwicklungs­mobil und damit zukunftsfähig zu machen. Das will diese Bundesregierung, damit den Forschungsstandort Österreich attraktiver machen, Rahmenbedingungen schaffen, um diese Weiterentwicklung und Professionalisierung der Tätigkeiten des OeADs herzu­stellen.

Dieser soll auch morgen seinen international anerkannten Ruf festigen können und seine herausragende Bedeutung als führende Serviceorganisation für Bildungsmobilität im In- und Ausland ausbauen können. Das bedeutet letztendlich auch eine nachhaltige Steigerung und Sicherung von Bildungsqualität in Österreich.

In einer global vernetzten Welt gibt es eine Fülle neuer dringlicher Herausforderungen, für die diese internationale Zusammenarbeit auch bedeutet, dass neue Potenziale für internationale Problemlösungen entwickelt werden können, auf Augenhöhe entwickelt werden können.

Nicht nur gut gemeint, so von oben herab, wie das immer wieder passiert ist, von Nord in Richtung Süd, sondern auch unter Einbeziehung des Know-hows von Entwicklungs­ländern auch mit wirtschaftlichen Vernetzungen zu unterstützen, auch das ist ein wich­tiger Teilbereich der Arbeit des OeAD in Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit.

Alles in allem geht es bei dieser internationalen Zusammenarbeit in Bildung und Wis­senschaft um die Ermöglichung von Weltoffenheit, und diese Weltoffenheit ist eine Voraussetzung für eine friedliche Konfliktlösung und damit für Friedenssicherung. Ich hoffe, dass der OeAD nunmehr als Gesellschaft für seine vielfältigen, verantwortungs­vollen Tätigkeitsbereiche auch strukturell gut gerüstet ist, und ich wünsche im Namen der SPÖ-Fraktion dafür alles Gute für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

22.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grü­newald. 4 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.30.45

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Der OeAD hat sicher gute Arbeit geleistet, und ich halte es für ein vernünftiges Signal, dass man, ähnlich wie bei der Forschungsförderungsgesellschaft, versucht, Kräfte zu bündeln. Was einem zwischen drei Ministerien nicht so leicht gelingt, das geht vielleicht hier besser und schneller.

Es sollen Kräfte gebündelt werden, Internationalität gestärkt, Kooperationen gesucht, Serviceleistungen angeboten werden, und zwar nicht nur für Forscher und Forscherin­nen, sondern auch für die Entwicklung der Künste. Ich finde auch gut, dass man neben der Ausbildung auch den Bildungsbereich dezidiert genannt hat und hier etwas diffe­renziert.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 292

Die Chancen sind vorhanden. Es werden sicher gute Leute beteiligt sein, aber es sind relativ viele. Ein Aufsichtsrat und ein Kuratorium mit 37 Mitgliedern, und offen gesagt, als ich jetzt die Frau Staatssekretärin gesehen habe, habe ich mir schon gedacht, es sind jetzt 39 Mitglieder und ich habe das überlesen.

Man hat schon den Eindruck, dass hier alle eingebunden sind. Alle neun Bundeslän­der – das ist okay, alle neun sind ja interessiert –, alle Ministerien, alle Organisationen. Wahrscheinlich musste man, um alle auf seine Seite zu kriegen, alle einbinden. Ob das der Arbeitsfähigkeit dient, wird man sehen, aber ich wünsche wirklich viel Glück, und die Chancen stehen gut.

Ich war sehr dankbar: Meine Vorrednerin, Kollegin Knoll, hat von Augenhöhe gespro­chen, von Toleranz, Mobilität, von Netzwerken und von Teams. Alles läuft auch in Ös­terreich irgendwo im Rahmen von Gesetzen ab, und, Herr Bundesminister, ich bitte Sie, bei dieser Novelle zu schauen, dass es zur Augenhöhe zwischen Forscherinnen und Forschern kommt, dass es, wie der Wissenschaftsrat schreibt, zwar nicht immer ganz stimmig und nachvollziehbar, aber in den Grundsätzen klar, ein Ende hat mit der Gruppen- und Kurienuniversität, dass es einen fairen Wettbewerb der besten Köpfe gibt, unabhängig von ihrer Position in der Hierarchie.

Man sieht, junge Leute und Studierende sind so mobil wie noch nie – ERASMUS, Schrödinger-Stipendien –, sie publizieren in besten internationalen Journals, bekom­men Forschungsprojekte nach international ausgezeichneter Evaluierung vom FWF, sind aber nach wie vor in einem relativ imperialen, monarchischen System nicht immer Herr über ihr Tun, leiten nicht, wie im Ausland und international üblich, bereits in relativ jungen Jahren eigene Arbeitsgruppen, kleine Labors und so weiter.

Im Ausland können diese Leute mit den Professoren und Professorinnen in einen Wettbewerb treten. Dort nutzt man auch ihr Know-how und den ganzen Pluralismus ihrer Forschungsrichtungen, um einen Rektor zu beraten, um den Senat aufzuwerten. Aber Sie hätten es hier in der Hand, Chancen zu eröffnen. Und die Zeiten, wo jemand sagt: Das sind meine Assistentinnen, das ist meine Klinik, das ist mein Institut! sollten an und für sich schon zugunsten einer höheren Ordnung und einer breiteren Weitsicht langsam enden.

Ich hoffe, dass Sie den Mut dazu finden, diesen Leuten eine Chance zu geben, auch unabhängig von ihrer Position in den Hierarchien ämterfähig zu sein und nicht nur von Gunst und Gnade jener abzuhängen, die diese Macht besitzen und sie nicht immer zum Wohl des wissenschaftlichen Nachwuchses und zum Wohl anderer glücklich aus­üben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


22.34.52

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! In aller gebotenen Kürze: Wir werden diesem Gesetz zustimmen, und ich bringe einen Abänderungsan­trag der Abgeordneten Graf, Brinek, Broukal, Darmann und Grünewald betreffend § 1 ein:

§ 1 soll lauten: „Zur Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationa­len Kooperation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (in weiterer Folge ,Kooperationsbereich‘) wird die ,OeAD (Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft


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mit beschränkter Haftung – Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH)‘ errichtet.“

*****

Ich bin froh, dass dieser Antrag, auch wenn er nur ein Symbol ist, durchgegangen ist, weil sich dann wenigstens eine Abkürzung, die verwendet wird, auch in der Amts­sprache, nämlich in Deutsch, im Gesetz wiederfindet.

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich habe im Ausschuss dafür gekämpft, dass auch das BMVIT ein Kuratoriumsmitglied im OeAD neu bekommt und/oder vielleicht im Auf­sichtsrat, weil ich nach wie vor der tiefen Überzeugung bin, dass auch das BMVIT mit seinen Programmen im Austauschbereich, im Stipendiatenbereich sehr viel Kompetenz hat und auch diesbezüglich Programme fährt. Für mich ist an sich nicht einsichtig, dass man jetzt mit einem Gesetz einen zukünftigen Zustand, dass man vielleicht auch zu­sammenarbeitet, nicht vorwegnimmt, sage ich einmal.

Aber offensichtlich ist das BMVIT dem Gesetzgeber oder den maßgeblichen Kräften dieses Landes weniger wichtig als acht Mitglieder, die die Fachhochschulkonferenz entsendet, oder acht Mitglieder von der Universitätenkonferenz, oder die Österreichi­sche Industriellenvereinigung, die ja nur ein Verein ist, oder der Österreichische Ge­werkschaftsbund, der ja nur ein Verein ist, oder die Bundesarbeiterkammer und Ähnli­ches mehr.

Das war meine Kritik. Ich finde es aber auch mutig, dass man sich mit diesem Gesetz entschlossen hat, nur einen Geschäftsführer zu bestellen, und somit zumindest einmal der sinnlose Parteiproporz einmal von Haus aus ausgeschaltet ist. Das ist eine mutige Entscheidung, und das habe ich auch immer so anerkannt.

An sich ist das eine Verrechtlichung, die schon längst hätte erledigt werden sollen, um aus einem Vereinsgebilde etwas Verrechtlichtes zu machen, das ja mit sehr viel Steu­ergeld umgeht, insbesondere in wesentlichen Bereichen.

In diesem Zusammenhang bringe ich auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Neubauer und Ing. Hofer

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Damit der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitä­ten mit 1. 1. 2009 in Kraft gesetzt werden kann, wird die Regierung aufgefordert, alle dafür notwendigen Maßnahmen zu setzen und insbesondere die Finanzierung allfälli­ger Mehrkosten mindestens bis zu einem Betrag von € 35 Mio. bereitzustellen.“

*****

Mir ist schon bewusst, dass es bei Kollektivvertragsangelegenheiten, Tarifpartnerange­legenheiten um Arbeitgeber und Arbeitnehmer geht. In diesem speziellen Fall, wo ein provisorisches Dienstrecht, das 2001 auch mit Zustimmung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes implementiert worden ist, neu kodifiziert im Jahre 2002 im UG 2002, das immer nur als Übergangsdienstrecht gegolten hat und eingesetzt wurde auf drei bis vier Jahre, bis zum Inkrafttreten eines Kollektivvertrags. Und die öffentliche Hand wird das unterstützen – damals vereinbart zwischen den Regierungsparteien – mit mindestens 30 Millionen Schilling. Ich habe aus den mindestens 30 Millionen Schil-


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ling jetzt einmal eine Indexanpassung gemacht, und der Finanzminister und der Wis­senschaftsminister sollen bitte das Geld in die Hand nehmen, um diesbezüglich einen Kompromiss durchzusetzen, der möglich ist, wenn auch die öffentliche Hand gewisse pekuniäre Zusagen macht.

Wenn Sie jetzt sagen werden, dieses Gesetz steht nicht im inneren Zusammenhang mit der Materie des OeAD, möchte ich Sie nur darauf hinweisen, dass die Materie des OeAD auf der Kompetenzgrundlage des Artikels 14 Abs. 1 B-VG Hochschulwesen fußt, und zweifellos ist der Kollektivvertrag auf Österreichs Universitäten eine Hoch­schulangelegenheit.

Darüber hinaus enthält der § 5 des OeAD-Gesetzes einen ausdrücklichen Verweis auf das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und ist daher auch für diese Mitarbeiter interessant.

Ich sage auch noch in aller Kürze, weil ich wenig Zeit habe, dazu, dass einer der we­sentlichen Kompetenzbereiche des OeAD ist: unter anderem Information und Beratung von Institutionen, insbesondere von Bildungsinstitutionen sowie österreichischen Ver­tretungsbehörden, über das gesamte Leistungsspektrum der OeAD GmbH, Erbringung von mobilitätsrelevanten Serviceleistungen für europäische und internationale Koope­rationen und die Präsentation Österreichs als Standort in Angelegenheiten des Koope­rationsbereichs. Ich erinnere: Das ist Forschung, Weiterbildung und Bildung.

Und an dieser Stelle, möchte ich sagen, steht es in einem inneren Zusammenhang, weil diese Institution soll ja über unsere Institutionen, wo der Kollektivvertrag und das Dienstrecht in Geltung gestellt werden sollen, letztlich beraten: andere Institutionen, Studenten, auch zukünftige Akademiker oder Forscher, die nach Österreich kommen, um zu forschen. Dazu ist notwendig, dass man die arbeitsrechtlichen Grundlagen bera­ten kann, und wenn das nicht der Fall ist, dann haben wir in Wirklichkeit nur einen Teil an Möglichkeiten in die Hand gegeben, die dieses Gesetz, das wir heute beschließen, einstimmig bietet.

Daher ersuche ich, das im Zusammenhang stehende Gesetz und auch den Antrag mit zu beschließen. – Danke.

22.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag sowie der eingebrachte Entschließungsantrag – beide sind ausreichend unterstützt und ordnungsgemäß eingebracht – stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Brinek, Broukal, Mag. Darmann, Dr. Grünewald

zum Bericht (566 d.B.) des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (544 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz zur Errichtung der „OeAD-Gesellschaft mit be­schränkter Haftung“ (OeAD-Gesetz – OeADG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

§ 1. (1) lautet:

„§ 1. (1) Zur Durchführung von Maßnahmen der europäischen und internationalen Ko­operation im Bereich der Wissenschaft und Forschung sowie der Erschließung der Künste, der Hochschulbildung, der Bildung und der Ausbildung (in weiterer Folge „Ko-


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operationsbereich“) wird die „OeAD(Österreichische Austauschdienst)-Gesellschaft mit beschränkter Haftung – Austrian Agency for International Cooperation in Education and Research (OeAD-GmbH)“ errichtet.“

Begründung

Durch die Änderung wird die Abkürzung „OeAD“, die bereits im Titel des Gesetzes auf­scheint, im Gesetz erläutert.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Graf, Neubauer, Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter

betreffend Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten

eingebracht in der 63. Nationalratssitzung am 6.6.2008 im Zuge der Debatte zu TOP 13

Das Dienstrechtsgesetz 2001 fand im UG 2002 Niederschlag als Provisorium bis zum Inkrafttreten des Kollektivvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten. Bei Inkrafttreten wurde mit einer Dauer von 3 – 4 Jahren für dieses Provisorium gerechnet.

Die Regierung Schüssel I rechnete darüber hinaus mit degressiven Mehrkosten des Bundes bei der Implementierung des KV von ca. 30 Mio. EURO im 1. Jahr und es bestand Konsens die Mehrkosten bis zu dieser Höhe zu übernehmen.

Seit dem 14.09. 2007 gibt es bereits die Endfassung des Kollektivvertrags für die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten. Berechnungen gehen davon aus, dass die Mehrkosten im 1. Jahr ca. 70 Mio. EURO betragen werden. Der KV konnte bislang nicht in Kraft gesetzt werden, da die Finanzierung allfälliger Mehrkosten durch die Universitäten nicht gesichert ist.

Darüber hinaus ist die Regierung Gusenbauer offensichtlich nicht mehr bereit, den im Jahr 2002 ins Auge gefassten Mehrkostenanteil von 30, indexiert 35 Mio. EURO zu übernehmen und putzt sich argumentativ mit dem Hinweis ab, dass die Kollektivver­tragspartner sämtliche Mehrkosten zu tragen haben.

Bei Verhandlungen der Regierung, vertreten durch den Finanz- und den Wissen­schaftsminister, mit den Kollektivvertragspartnern ist die Möglichkeit eines Kompromis­ses zu suchen. Dazu muss Verhandlungsbereitschaft auf allen Seiten gegeben sein. Die Regierung ist im Interesse eines funktionierenden Hochschulstandortes Österreich aufgefordert, Verhandlungen über die Finanzierung des KV zu initiieren. Dabei soll angestrebt werden, dass alle Beteiligten einen Beitrag zur Implementierung des KV leisten, wobei der Bund zumindest die zugesagten 30 Mio. EURO, indexangepasst ca. 35 Mio. EURO, beisteuert.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Damit der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitä­ten mit 1.1.2009 in Kraft gesetzt werden kann wird die Regierung aufgefordert, alle


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dafür notwendigen Maßnahmen zu setzen und insbesondere die Finanzierung allfälli­ger Mehrkosten mindestens bis zu einem Betrag von € 35 Mio. bereitzustellen.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fürn­trath-Moretti. – Jetzt habe ich es endlich geschafft, Ihren Namen richtig auszuspre­chen. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Danke schön.

Frau Abgeordnete, 1 Minute haben Sie sich zu reden vorgenommen. – Bitte.

 


22.41.28

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Dabei ist „Moretti“ so einfach: der kleine Schwarze. Obwohl: Das trifft auf mich nicht zu.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungs­bank! Hohes Haus! In aller Kürze ein paar Ausführungen. Zurzeit werden ja die Mög­lichkeiten zur internationalen Kooperation im Bereich Wissenschaft, Forschung, Bil­dung und Ausbildung nicht optimal ausgeschöpft. Warum ist das so?

Zum einen liegt das im historischen Aufgabenbereich, zum anderen auch in einer nur sehr losen Zusammenarbeit mit den zuständigen Ressorts. Durch die Umwandlung des OeAD in eine Bundes-GmbH sollen Verbesserungen erzielt werden. Diese Etablie­rung des OeAD als Bundes-GmbH wurde ja bereits im Regierungsprogramm verein­bart und wird jetzt umgesetzt.

Ziel ist es, erstens die Attraktivität des Forschungsstandorts Österreich zu steigern, und zweitens, mehr Mobilität von und nach Österreich zu erreichen. Die OeAD GmbH soll ein einheitlicher Ansprechpartner sein. Dazu müssen die bisherigen sowie die neu zu schaffenden Aufgaben gebündelt und sehr klar strukturiert werden.

Zu den Aufgaben der GmbH gehören etwa die Durchführung von EU-Programmen, Beratungen zum Fremdenrecht, Bereitstellung von Wohnungen oder Vermittlung von Praktika.

Ich freue mich über dieses Gesetz und wünsche alles Gute. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bri­nek. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Abg. Faul: 20!)

 


22.43.01

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): 20? Wer möchte 20? – Kollege Faul. Ich muss Sie enttäuschen – ich glaube, ich schaffe das heute nicht mehr.

Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! In aller Kürze: Was waren die leitenden Begriffe heute zum OeAD neu? – Internationalität, Flexibilität, Mobilität, Qualität, Qualitätssteigerung, Wettbewerb. Ganz richtig, Herr Kollege Grüne­wald, das ist entscheidend für die Universitäten. Mit dem OeAD-Gesetz schaffen wir die Grundlage für eine schnellere, flexiblere Möglichkeit des Austausches, der Begeg­nung und der Qualifizierung.

Sie haben in diesem Zusammenhang auch angesprochen, dass es dazu auch eine uni­versitätsgesetzliche Grundlage braucht. Ich darf Ihnen versichern, mit diesem Minister sind wir genau in der richtigen Richtung unterwegs. Auch hier gilt, nach einem schon sehr breit und sehr öffentlich und sehr engagiert geführten Dialog mit den Universitä-


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ten – an den Universitätsstädten haben wir das durchgeführt, in vielen, vielen Stunden, auch mit sogenannten Stakeholdern diskutiert –, auch hier gilt Orientierung an der Qualität, am Wettbewerb. Und wenn ich „Qualität“ sage, meine ich etwa Startpreis be­ziehungsweise Wittgensteinpreis-Niveau. Es können die alten Fehler, die Sie als Mittel­bauvertreter nicht ausmerzen konnten, auch nicht mit dem Universitätsgesetz neu ge­macht beziehungsweise behoben werden: Dienstalter absitzen und Verwaltungstätig­keiten erledigen werden Qualifikationen nicht ersetzen können, weil sich sonst auch die Studierenden von den Universitäten abwenden, weil wir nicht die gut qualifizierten Leh­renden und Forscherinnen und Forscher bekommen.

Also: Mit diesem Minister, mit dem Koalitionspartner – auch wenn es mühsam ist, aber er kommt drauf – über Universitäten zu verhandeln und hier alle möglichen Aspekte zu berücksichtigen, ist ein aufwändiger Prozess. Aber das werden wir gut hinbekommen, und wir werden zeitgerecht, fristgerecht ein gutes Gesetz verabschieden – zum Wohle der Universitäten und der dort handelnden männlichen und weiblichen Personen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. 3 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Die Grü­nen geben Redezeit her!)

 


22.45.18

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Wirklich sehr freundlich; danke.

Guten Abend allseits! – Wenn die Frau Kollegin Brinek diese Lesart der letzten Tage und Wochen hier verbreitet, muss ich leider auch ein wenig dazu Stellung nehmen.

Frau Kollegin, ich werde dafür sorgen, dass das, was Sie gerade gesagt haben, an Österreichs Universitäten verbreitet wird. Sie haben nicht mehr und nicht weniger ge­sagt, als dass Sie dem größten Teil der an diesen Universitäten tätigen Wissenschafte­rinnen und Wissenschaftern die Qualität absprechen, Österreichs Studierende gut aus­zubilden. (Abg. Dr. Brinek: Nein, das habe ich nicht gesagt!) Sie haben diesen Men­schen die Qualifikation abgesprochen, selbständig in Lehre und Forschung tätig zu sein, die das jeden Tag tun! 8 000 Personen, die jeden Tag dafür hauptverantwortlich zuständig sind, dass an Österreichs Universitäten Forschung und Lehre funktioniert! Stellen Sie das jetzt nicht in Abrede! Wir haben das alle gehört und werden es morgen nachlesen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schüssel: Gleich morgen!)

Worum geht es? – Seit Mitte November verhandeln SPÖ und ÖVP über eine Neuord­nung des Universitätsgesetzes. Dieses Gesetz ist gegen die Stimmen der SPÖ be­schlossen worden. Es trägt in weiten Teilen nicht dem Rechnung, was die SPÖ unter einer zeitgemäßen demokratischen Universitätsorganisation versteht. Im Regierungs­programm vom Jänner 2007 ist es daher auch zu Änderungen gekommen, was die innere Organisation der Universitäten betrifft. Dieses Programm ist anschließend von allen StaatssekretärInnen und Ministern unterschrieben worden, auch von Minister Hahn. – (Dem Minister besagtes Programm zeigend:) Herr Minister, Sie kennen diese Unterschrift.

In diesem Regierungsabkommen wird vereinbart, dass alle an den Universitäten dauer­haft bestellten Wissenschafterinnen und Wissenschafter einer gemeinsamen Kurie an­gehören sollen. Das heißt, sie sollen an den Universitäten im gleichen Ausmaß an der inneren Selbstverwaltung teilnehmen können.

Dieser Grundsatz wird von der ÖVP missachtet. In dem mir vor einer Woche überreich­ten Entwurf ist davon keine Rede mehr. Genauso steht im Regierungsabkommen, dass


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die Mitbestimmung, die innere Information und das Mitspracherecht der Betriebsräte erweitert werden sollen. Auch davon ist in dem Entwurf keine Rede mehr. Es ist daher nicht richtig, Frau Kollegin Brinek, wenn du sagst, da werden wir uns schon auf etwas einigen. Wir werden uns auf nichts einigen! Entweder es kommt zu der im Regierungs­programm vereinbarten Weiterentwicklung der Mitbestimmung der Betriebsräte (Abg. Strache: Oder?), entweder (Abg. Strache: Oder?) es kommt zu der im Regierungspro­gramm vereinbarten Überführung der außerordentlichen ProfessorInnen in die Profes­sorenkurie – oder es wird kein neues Universitätsgesetz geben. (Beifall bei der SPÖ.) Dann soll das alte in Geltung bleiben, und ganz Österreich soll wissen, vor allem an den Universitäten, wer daran schuld hat. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

22.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort gemeldet. Frau Abgeordnete, Sie kennen die Be­stimmungen. – Bitte.

 


22.48.42

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Es ist sicher nachzulesen, dass ich ent­gegen den Aussagen des Herrn Kollegen Broukal niemals allen Lehrenden eine Quali­fikation abgesprochen habe, und ich betone das. (Ruf bei der SPÖ: Das hat er nicht gesagt!) – Ja, er hat gesagt, dass ich das gesagt hätte.

Ich stelle richtig: Ich habe nicht gesagt, dass ich jedem Lehrenden/jeder Lehrenden die Qualifikation abspreche. Ich habe gesagt, das Richtmaß für Qualität ist Startpreis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Herr Bundesminister Dr. Hahn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


22.49.18

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Prä­sidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich möchte mich eigentlich bei allen Frak­tionen für die einhellige Unterstützung der GmbH-Werdung des OeAD bedanken. Ich denke, das ist eine ganz wesentliche Maßnahme. Das ist in den Redebeiträgen auch deutlich geworden. Wir liegen, sowohl was die Incoming- als auch die Outgoing-Studie­renden anbelangt, weit über dem europäischen Durchschnitt. Daher ist es notwendig, hier professionelle Strukturen zu schaffen.

Das gilt im Übrigen auch für das Universitätsgesetz, das in Diskussion steht.

Ich muss mir nur überlegen, ob ich in der Zukunft Diskussionspapiere noch hergebe, wenn ich sie dann in der Zeitung lese. Aber das ist ein bestimmter Stil, an den man sich offensichtlich gewöhnen muss. Soll sein.

Ich hoffe dennoch, dass wir alle hier im Haus eine gemeinsame Linie haben, nämlich diese österreichischen Universitäten zu einer weiteren Exzellenzeinrichtung werden zu lassen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und nicht in Träume zu­rückzufallen, die schon 30 Jahre alt sind und die sich nicht bewährt haben.

In diesem Sinne nochmals vielen herzlichen Dank für die Unterstützung des OeAD. Ich schließe in diesen Dank insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses ein, die sehr viel Zeit in dieses Projekt investiert haben, und ich glaube, es ist ein gutes Projekt, und die Zukunft wird das beweisen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.50



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 299

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Ab­geordnetem Broukal vor. – Bitte.

 


22.50.58

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Also die Einzigen, die sich darüber nicht bekla­gen dürfen, sind die FPÖler. Die tun das eh nicht, denn die machen das auch gern.

Wenn der Herr Minister sagt, es handle sich um ein Diskussionspapier, das an die Me­dien weitergegeben worden wäre, so muss ich feststellen, das ist unrichtig. Es handelt sich um den Amtsentwurf für die Veränderung oder besser gesagt Nichtveränderung des Universitätsgesetzes 2002. (Abg. Dr. Brinek: Nein, ich kenne keinen Amtsent­wurf!) Es hat Verhandlungen gegeben am letzten Donnerstag, am Montag dieser Wo­che, am Donnerstag dieser Woche, und es ist mir heute mitgeteilt worden, dass es keine weiteren Verhandlungen mehr geben wird ... (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Dr. Hahn.) – Ich spreche, Herr Minister, dann sprechen Sie! (Hallo-Rufe bei der ÖVP. – Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Hahn.) – Bitte, Frau Präsidentin, könnten Sie dem Herrn Minister sagen, dass er mir nicht ins Wort fallen soll! So viel Zeit wird sein. Sie können sich nach mir melden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist mir heute von Kollegin Brinek mitgeteilt worden und es ist dem Klubsekretär aus dem Büro des Ministers mitgeteilt worden, dass es keine weiteren Verhandlungen mehr geben wird und dass dieser Entwurf als Begutachtungsentwurf versendet werden wird. Ich lasse mich doch nicht für blöd halten! (Beifall bei der SPÖ.)

22.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Dr. Jarolim: Warum macht der Herr Minister das? – Bundesminister Dr. Hahn: Weil ich böse bin!) – Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, wir kommen zur Abstimmung!

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 544 der Beilagen.

Hiezu liegt ein gemeinsamer Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Bri­nek, Broukal, Mag. Darmann und Dr. Grünewald vor.

Da nur dieser eine Antrag gestellt wurde, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Abänderungsantrages abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung des gemeinsa­men Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Graf, Dr. Brinek, Broukal, Mag. Dar­mann und Dr. Grünewald zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kollektivvertrag für Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer der Universitäten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 300

22.53.4514. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (537 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (580 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (538 d.B.): Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 (BGzLV 2008) (581 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


22.54.14

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Zuerst herzlichen Dank dafür, dass Sie sich persönlich annehmen um die Mails der vie­len Fluglärmgeplagten. Zweitens: Wir werden natürlich dem zwischenstaatlichen Luft­verkehrsabkommen zustimmen. Und drittens: Wir müssen leider das Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, massiv ablehnen.

Diese massive Ablehnung haben wir auch in einer Abweichenden Stellungnahme de­poniert, und aufgrund der vorgeschrittenen Zeit beschränke ich mich auf die wesentli­chen Punkte. Auch wenn einzelne besonders bürgerfeindliche Ideen durch die Begut­achtung gekippt worden sind und jetzt nicht mehr vorhanden sind, verbleiben doch einige andere gravierende Kritikpunkte.

Erstens: Das Luftfahrtrecht wird einmal mehr nicht an den zum Beispiel im Gewerbe­recht gegebenen anlagerechtlichen Stand der Technik bei Nachbarrechten und Um­weltschutz herangeführt.

Zweitens: Die Novelle setzt in erster Linie das „Single European Sky“-Paket der EU um. Flugsicherheit und so weiter ist damit gemeint. Dieses „Single European Sky“-Pa­ket beinhaltet sehr wohl Umweltaspekte, aber gerade diesen Teil des europäischen Pakets übernehmen wir nicht in die österreichische Gesetzgebung, dieser wird bei uns praktisch lückenlos ignoriert. Gerade das wäre aber angesichts der zahlreichen aus dem Ignorieren von Umweltvorgaben resultierenden Konflikte mit Betroffenen bei Aus­bauten besonders wichtig, gibt es doch derzeit verschiedene laufende Verfahren, weil das Flugfeld erweitert werden soll. Hier gibt es viele Anrainer, die sich betroffen fühlen, weshalb Umweltaspekte berücksichtigt werden müssten.

Und drittens: Bestimmte Flugfelder – so ist das immer definiert, das sind kleine Flug­plätze – sollen künftig ebenfalls mit Sicherheitszonen versehen werden. Das ist wieder eine Maßnahme, die angesichts jahrzehntelang unbeanstandet gebliebener Luftfahrt­hindernisse nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Rechte und Interessen der betroffenen Liegenschaftseigentümer und -eigentümerinnen darstellt.

Deshalb werden wir Ihre Luftfahrtgesetz-Novelle ablehnen müssen, und das ist leider auch mit einer Abweichenden persönlichen Stellungnahme ausführlich zu dokumentie­ren gewesen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Hursky. 2 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 301

22.57.00

Abgeordneter Christian Hursky (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kollegin Moser! Es ist wieder einmal nicht richtig, was Sie zum Thema Fluglärm sagen. Sie können es noch so oft wiederholen, die Sache wird nicht wahrer! Sie brauchen sich nur die „Kronen Zeitung“ des heutigen Tages herzunehmen, in der zu lesen steht, dass zum Beispiel der Fluglärm über Wien nicht so laut ist. Normalerweise sage ich immer, ich glaube einer Zeitung nichts, nur in dem Fall weiß ich, dass das, was da drinnen steht, eindeutig stimmt: Es gibt weniger Flugzeuge und weniger Fluglärm über Wien. Das heißt, das Mediationsverfahren des Flughafens Wien hat tatsächlich große Erfolge gebracht. Und auch wenn die Grünen das noch die nächsten sieben Jahre so erzählen, es wird nicht wahrer.

Wichtig ist, dass das neue Luftfahrtgesetz eine Grundlage für einen modernen, siche­ren Flugverkehr bietet. Wir werden ihn brauchen. Wir werden ihn am Standort Wien Schwechat brauchen. Wir werden ihn auch für unsere AUA brauchen, die hoffentlich auch in Zukunft nach wie vor unter einer starken österreichischen Herrschaft sein wird. Ich glaube, es kann nicht sein, dass wir die AUA ganz leichtfertig aus der Hand geben und damit anderen Fluglinien die Möglichkeit bieten, in einer Form aufzutreten, sodass wir den Standort Flughafen Schwechat nicht mehr ausreichend nützen können.

Hier geht es schlicht und einfach um 55 000 Arbeitsplätze in der Region, die wir zu er­halten haben. Ich bitte daher, dass wir die AUA nicht leichtfertig aufgeben. Wer die gestrige „Presse“ gelesen hat, der weiß, dass der Flughafen München sehr stark auf­rüstet. Die warten nur darauf, dass wir hier in irgendeiner Form abspringen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordne­ter Mag. Kukacka. 2 Minuten Redezeit sind gewünscht. – Bitte.

 


22.58.57

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ho­hes Haus! Die neuen Rahmenbedingungen für den Luftverkehr, die wir heute beschlie­ßen, sind notwendig. Sie sind sinnvoll, um die europäischen Fluglinien im Allgemeinen und die AUA im Besonderen im internationalen Wettbewerb zu unterstützen und zu för­dern. Wir wissen, es gibt Probleme im Luftverkehr. Die Tonne Kerosin kostet jetzt dop­pelt so viel wie im Durchschnitt des vorigen Jahres. Weltweit sind allein in den letzten sechs Monaten 24 Fluglinien in den Konkurs gefahren. (Abg. Dr. Stummvoll: Geflo­gen!) Deshalb ist es wichtig, dass die österreichische Luftverkehrswirtschaft hier be­sonders unterstützt wird und dass wir europaweite Synergien nutzen, die sich mit diesen neuen Rahmenbedingungen auftun. (Präsident Dr. Spindelegger übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin überzeugt davon, dass der AUA das auch gelingen wird. Und deshalb, glaube ich, sind die Rücktrittsaufforderungen gegenüber dem Vorstand und gegenüber dem Aufsichtsrat, die der Herr Kollege Kräuter im Besonderen geäußert hat, völlig unnötig, denn damit wird ganz sicher keines der AUA-Probleme gelöst. Ich glaube, politische Mandatare sollten sich hier mit politischen und öffentlichen Zurufen und Ratschlägen an börsennotierte Unternehmen zurückhalten. Aktienrecht und Organverantwortung reichen vollkommen aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Kräuter! Das gilt für die ÖBB, und das gilt erst recht für die börsennotierte AUA. (Abg. Öllinger: Haben Sie nicht gesagt, die ÖBB ist konkursreif?)

In diesem Sinne, glaube ich, sollten wir alles tun, um die AUA stark zu halten. Sie ist derzeit stark genug, um mit jedem möglichen Partner auf Augenhöhe verhandeln zu können. Aber da geht es vor allem darum, der AUA den Rücken zu stärken, auch ihren


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 302

Organen, und das müssen wir tun. Alles andere wäre ein politischer und ein wirtschaft­licher Unfug! (Beifall bei der ÖVP.)

23.01


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Ho­fer. Eine Minute freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.01.21

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Ich bringe drei Abänderungsanträge der Abgeordneten Ing. Hofer und Dipl.-Ing. Klement ein. (Der Redner verliest die Anträge extrem schnell.)

Erster Antrag:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht (580 d.B.) angeschlossene Regierungsvorlage (537 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. „Ziffer 11 wird wie folgt geändert:

Im dritten Satz des § 16 Abs. 1 wird nach dem Wort „Zivilluftfahrzeughalters“ die Wort­folge „und des Zivilluftfahrzeugeigentümers“ eingefügt.“

*****

Zweiter Antrag:

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die dem Bericht (580 d.B.) angeschlossene Regierungsvorlage (537 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. „Ziffer 74 entfällt, die Ziffern 75 bis 80 erhalten die Bezeichnungen 74 bis 79“

*****

Dritter Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Ziffer 20 lautet wie folgt:

„20. Im § 34 Abs. 1 lautet der zweite Satz wie folgt:

,Über diese Untersuchung hat die flugmedizinische Stelle eine Bestätigung an die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige Behörde zu übermitteln, aus der sich ergibt, welches Tauglichkeitszeugnis ausgestellt wurde.‘“

2. Ziffer 56 lautet wie folgt:

„56. Im § 131 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

,(3) Zuständige Luftfahrtbehörde zur Vollziehung der gem. Abs. 2 erlassenen Be­stimmungen ist die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige Behörde.


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(4) Die Bestimmungen gemäß Abs. 2 sind insoweit nicht anzuwenden, als Betriebs­vorschriften in der Verordnung (EG) Nr. 3922/91 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt, ABl. L 373 vom 31.12.1991 S. 4, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 8/2008, ABl. L 10 vom 12.1.2008 S. 1, geregelt sind. Zuständige Luftfahrtbehörde im Sinne dieser Bestim­mung ist die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige Behörde.‘“

*****

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.03


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Die drei von Herrn Abgeordnetem Ing. Hofer eingebrachten Abänderungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, DI Klement und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 14, Bericht des Verkehrs­ausschusses über die Regierungsvorlage (537 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Luft­fahrtgesetz geändert wird (580 d.B.), in der 63. Sitzung des Nationalrats am 6.6.2008

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen

Die dem Bericht (580 d.B.) angeschlossene Regierungsvorlage (537 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. „Ziffer 11 wird wie folgt geändert:

Im dritten Satz des § 16 Abs. 1 wird nach dem Wort „Zivilluftfahrzeughalters“ die Wort­folge „und des Zivilluftfahrzeugeigentümers“ eingefügt.“

Begründung:

Gemäß der, mit der Regierungsvorlage (537 d.B.) vorgeschlagenen, Bestimmung des § 16 Abs. 1 ist nur der Zivilluftfahrzeughalter in das Luftfahrzeugregister einzutragen. Aus der Praxis ergibt sich das Problem, dass das österreichische Luftfahrzeugregister ein Verwaltungsregister darstellt und dingliche Rechte somit aus diesem Register nicht abgeleitet werden können. Es würde eine wesentliche Erleichterung für die Finanzie­rung von Luftfahrzeugen und Absicherung der finanzierenden Stellen bedeuten, wenn der Eigentümer in das Luftfahrzeugregister eingetragen wird. Dies spielt insbesondere beim gutgläubigen Erwerb gemäß § 367 ABGB eine wesentliche Rolle. Es kann näm­lich ein Erwerber vom Nichteigentümer sich nicht auf Gutgläubigkeit berufen, wenn eine andere Person, als der Verkäufer im Luftfahrzeugregister als Zivilluftfahrzeughal­ter vermerkt ist. In einem solchen Fall trifft den Käufer eine entsprechende Überprü­fungspflicht. Dass die Publizität eine besondere Rolle spielt, ersieht man auch daraus,


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dass finanzierende Banken verlangen, dass in Luftfahrzeugen an sichtbaren Stellen Plaketten angebracht werden, aus denen sich der Eigentümer entnehmen lässt.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, DI Klement und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 14, Bericht des Verkehrs­ausschusses über die Regierungsvorlage (537 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Luft­fahrtgesetz geändert wird (580 d.B.), in der 63. Sitzung des Nationalrats am 6.6.2008

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen

Die dem Bericht (580 d.B.) angeschlossene Regierungsvorlage (537 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. „Ziffer 74 entfällt, die Ziffern 75 bis 80 erhalten die Bezeichnungen 74 bis 79“

Begründung:

Mit den Bestimmungen der Ziffer 74 sollte wieder eine Bestimmung ähnlich dem § 103 Abs. 2 KFG eingeführt werden. Diese Bestimmung wurde schon einmal versucht einzu­führen und ist am Widerstand der Luftfahrttreibenden gescheitert. Es ist zu berücksich­tigen, dass sich Piloten selbst bezichtigen müssten und dadurch verfassungsmäßig ge­währleistete Rechte beeinträchtigt würden. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass es in der Vergangenheit darum gegangen ist, dass Flugplatzgegner mittels Feldstecher Flugzeugkennzeichen ermittelt haben, um diese für Anzeige zu verwenden. Weiters wird darauf verwiesen, dass An- und Abflugrouten nicht – wie Straßen – auf Meter ge­nau beflogen werden können. Mit der Einführung dieser Bestimmungen würden Ver­waltungsstrafverfahren – durch Flugplatzgegner eingeleitet – überhand nehmen. Im Falle von gerichtlichen Strafverfahren hat die Ermittlung von Piloten bisher keine Pro­bleme aufgeworfen.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer, DI Klement, Vilimsky und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zum Tagesordnungspunkt 14, Bericht des Verkehrs­ausschusses über die Regierungsvorlage (537 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Luft­fahrtgesetz geändert wird (580 d.B.), in der 63. Sitzung des Nationalrats am 6.6.2008

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen

Die dem Bericht (580 d.B.) angeschlossene Regierungsvorlage (537 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird, wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Ziffer 20 lautet wie folgt:

„20. Im § 34 Abs. 1 lautet der zweite Satz wie folgt:

„Über diese Untersuchung hat die flugmedizinische Stelle eine Bestätigung an die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige


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Behörde zu übermitteln, aus der sich ergibt, welches Tauglichkeitszeugnis ausgestellt wurde.““

2. Ziffer 56 lautet wie folgt:

„56. Im § 131 werden nach Abs. 2 folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

(3) Zuständige Luftfahrtbehörde zur Vollziehung der gem. Abs. 2 erlassenen Be­stimmungen ist die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige Behörde.

(4) Die Bestimmungen gemäß Abs. 2 sind insoweit nicht anzuwenden, als Betriebsvor­schriften in der Verordnung (EG) Nr. 3922/91 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt, ABl. L 373 vom 31.12.1991 S. 4, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 8/2008, ABl. L 10 vom 12.1.2008 S. 1, geregelt sind. Zuständige Luftfahrtbehörde im Sinne dieser Bestim­mung ist die Austro Control GmbH oder eine aufgrund einer Übertragung gem. § 140b zuständige Behörde.““

Begründung:

1. Derzeit wird von der flugmedizinischen Stelle der gesamte Untersuchungsbefund inklusive Anamnese an die Behörde Austro Control GmbH übermittelt. Eine Übermitt­lung des gesamten Untersuchungsbefundes widerspricht den datenschutzrechlichen Bestimmungen und insbesondere deren Verhältnismäßigkeit. Die vorgeschlagene Fas­sung trägt den datenschutzrechlichen Bestimmungen Rechnung und gibt der Behörde trotzdem die Möglichkeit, in begründeten Fällen in die Befunde einzusehen.

2. Der Österreichische Aero-Club ist als beliehenes Unternehmen, insbesondere auf dem Gebiet der Jahresnachprüfungen für Segelflugzeuge zuständig. Dieser Bereich wird zukünftig durch den Part M Anhang einer EU-Verordnung geregelt. Sollte die aus­schließliche Zuständigkeit für diese Tätigkeit in Zukunft die Austro Control haben, würde die Tätigkeit des Österreichischen Aero-Clubs auf dem Gebiet des Airworthiness Review – früher Jahreskontrolle – wegfallen und die Sportluftfahrt mit erheblichen Kos­ten für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit der Luftfahrzeuge konfrontiert werden. Es ist davon auszugehen, dass dies bei der Änderung des Gesetzes übersehen wurde, da sich in den erläuternden Bemerkungen kein Hinweis findet, dass diese behördliche Tätigkeit zukünftig vom Aero-Club nicht mehr ausgeübt werden soll.

*****

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fleckl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.03.08

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich werde mich in Anbetracht der Zeit sehr kurz halten. Das vorliegende Luftfahrtgesetz ist natürlich von uns allen zu begrüßen. Wir sind sehr froh, dass europäisches Recht nun in nationales Recht umgesetzt wird und gemeinschaftliche Bestimmungen über „Single European Sky“ nun in nationales Recht implementiert werden.

Zweifelsohne ist der Luftverkehr, die Luftfahrt für Österreich ein außergewöhnlicher und nicht wegzudenkender wirtschaftlicher Faktor, ein touristischer Faktor, ein Faktor der Mobilität, auf den wir alle in Österreich nicht mehr würden verzichten können. Ges­tern haben wir ja unter dem Tourismus-Tagesordnungspunkt gehört, dass 60 Millionen


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Touristen in Österreich übernachtet haben – davon sind mit Sicherheit viele mit dem Flugzeug gekommen.

Die vorliegende Gesetzesnovelle beinhaltet eine große Anzahl von Regelungen, die begleitend zu den jeweiligen EU-Verordnungen geschaffen werden.

Ich bin froh – und das möchte ich nicht unerwähnt lassen –, dass gerade die Frau Staatssekretärin bei diesem heiklen Thema der Luftfahrt in Österreich immer wieder den Dialog mit den Menschen vor Ort, mit den Betroffenen, den Interessierten am Boden wie auch in der Luft führt und mit ihnen im Interesse aller Lösungen findet. Da­für danke ich der Frau Staatssekretärin sehr. Und ich bitte natürlich um Ihre Zustim­mung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.04


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haber­zettl. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.04.56

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Die Bestimmungen des geltenden Bundesgesetzes über den zwischenstaatlichen Luftver­kehr müssen als Folge einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates an die Vorgaben dieser Verordnung angepasst werden. Unter den Prämissen der Gleichbehandlung, Transparenz, Fairness und Qualität wird die Zuweisung einge­schränkter Flugrechte neu geregelt. Der Entwurf enthält aber auch Übergangsrechte für bereits in diesem Markt tätige Flugunternehmen.

Durch die Anpassung der österreichischen Vorschriften an europarechtliche Vorgaben wird einerseits allen Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft das Anbieten der Flugver­kehrsdienste zwischen Österreich und Drittstaaten erleichtert. Andererseits, denke ich, wird dadurch ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes, aber auch des Tourismus erbracht. (Beifall bei der SPÖ.)

23.06


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.06.10

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Noch 1999 gab es 41 nationale Flugsicherungen, die die Lufthoheit der National­staaten überwachten. Bei jedem Flug über Europa kam es zu häufigen Wechseln der Kontrollstationen. Deshalb ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luft­raums wirklich von großer Bedeutung und schafft eine wesentliche Erleichterung für den europäischen Flugverkehr.

Neben der Erleichterung für den Flugverkehr bedeutet die Schaffung eines einheitli­chen europäischen Luftraums die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus für den Flugverkehr.

Die wichtigsten Maßnahmen zur Garantie der Flugsicherheit sind, ganz kurz:

Erstens: die europaweite Angleichung der Anforderungen an den Flugsicherheits­dienstleister an die nationalen Aufsichtsbehörden.

Zweitens: Die Nutzung und Ordnung des Luftraums sollen vereinheitlicht werden.

Drittens: Die einzelnen Verkehrsmanagementsysteme müssen untereinander kompati­bel sein, um die reibungslose Datenweitergabe zu ermöglichen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 307

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Sicherstellung von Qualität und Service muss Inhalt zentraler Überlegungen der Verkehrspolitik sein. Das gilt nicht nur für den Flugverkehr, sondern auch für den normalen öffentlichen wie auch privaten Verkehr. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.07


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Frau Staatssekretärin Kranzl gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


23.07.52

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf nur einige Klarstellungen hier anführen, die mir doch wichtig erscheinen.

Frau Dr. Moser! Ihre Kritik, dass Umweltaspekte nicht aufgenommen worden sind, kann ich insofern entkräften, als die Verordnungen im Rahmen von „Single European Sky“ unmittelbar anwendbare Verordnungen sind und selbstverständlich diese hier getroffenen Vereinbarungen auch, wie gesagt, für Österreich, für den österreichischen Luftraum gelten. Es gibt eine Vielzahl von Bestrebungen. Ich darf nur Clean Sky an­führen, darf nur ACARE anführen, wo vor allem die Intention verfolgt wird, Technolo­gien zu entwickeln, die den Bau umweltfreundlicher Flugzeuge ermöglichen sollen.

Zu einigen Wortmeldungen die AUA betreffend sei mir gestattet zu sagen, ich gehe da­von aus, dass selbstverständlich alle politisch Verantwortlichen an einer sehr, sehr starken österreichischen Airline interessiert sind. Die, glaube ich, alles entscheidende Frage ist nur, was man unter Stärke versteht. Ich gehe in erster Linie von einer Vor­gangsweise aus, die gewährleistet, dass geprüft wird, unter welchen Voraussetzungen eine eigenständige österreichische Airline bestehen kann – sollte das nicht der Fall sein, unter welchen Voraussetzungen, ob finanzielle Partner, ob strategische Partner. Aber wesentlich ist, dass hier nicht nur immer ein Partner genannt wird, sondern alle möglichen potentiellen, vor allem jene Partner, wo der Airline beziehungsweise auch den damit verbundenen Flughäfen, den Industrien, wie es auch angeführt worden ist, keine unmittelbare Konkurrenz erwächst. Ich denke, das ist ein nachvollziehbarer Weg.

Zu den Anträgen des Herrn Abgeordneten Hofer. Ich habe das auch im Ausschuss be­reits berichtigt. Sie haben so schnell gesprochen, dass ich nicht alles habe mitverfol­gen können. Ich gehe einmal davon aus, dass es zwei sind, die inhaltlich auch die Anregung des Aero-Clubs betreffen.

Ich darf noch einmal die Vollziehung betreffend klarstellen: Die zuständige Behörde kann nur die Austro Control sein, weil, wie gesagt, der Aero-Club keine Zuständigkeit im Bereich der gewerblichen Luftfahrt hat. Auch was im Endeffekt im Bericht betreffend flugmedizinische Tauglichkeitszeugnisse steht, ist zu sagen: Das ist ebenfalls eine Maßnahme, die die ACG im Auftrag der Behörde durchzuführen hat. Es gibt aber im Gesetz eine Verordnungsermächtigung.

Das heißt: Da werden wir sehr wohl flexibel vorgehen, besonders, was die Kategorien der Pilotenscheine betrifft, um hier auch eine unterschiedliche Vorlage, eine unter­schiedliche Ausstattung dieses Berichts zu ermöglichen. Ich denke, dass hiemit auch durchaus dieses Ansinnen erfüllt ist.

Ich bedanke mich schlussendlich dafür, dass dieses Luftfahrtgesetz heute trotzdem beschlossen werden kann. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.10


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 308

Wünscht einer der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­me.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird in 537 der Beilagen.

Hiezu liegen drei Abänderungsanträge der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich lasse zuerst über die von diesen Abänderungsanträgen betroffenen Teile des Gesetzentwurfes, der Reihe nach, und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regie­rungsvorlage abstimmen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie ein Abänderungsantrag Verfassungsbestim­mungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Absatz 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsan­trag betreffend Ziffer 11 des gegenständlichen Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dem ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Die Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen haben weiters einen Abände­rungsantrag betreffend Ziffer 20 und Ziffer 56 des gegenständlichen Gesetzentwurfes eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen einen Abände­rungsantrag betreffend die Streichung der Ziffer 74 und der sich daraus ergebenden Änderungen der folgenden Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und daher abgelehnt.

Ich komme sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 309

Schließlich lasse ich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich dafür aussprechen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehr­heit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesge­setz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 2008 samt Titel und Eingang in 538 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegendem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

23.14.5616. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-113 d.B.) des Rechnungshofes Reihe Bund 2008/1 (558 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir kommen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 3 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


23.15.17

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident des Rechnungshofes! So einem Rechnungshofbericht geht ein Rohbericht voran. Das ist eine jahrzehntelange Praxis. Rechtlich gibt es das Ganze ja gar nicht. Das ist jetzt in Diskussion geraten, dagegen ist auch nichts einzu­wenden; die Gründe erspare ich mir.

Wir haben ungefähr eine Sachlage, die so ausschaut: Die Oppositionsparteien wollen Rohberichte eigentlich direkt im Ausschuss haben. Die ÖVP will ausschließlich Berich­te, die im Parlament den Ausgang finden, als Rohberichte haben. Und ehrlich gesagt, für die SPÖ möchte ich sagen, wir werden den Herrn Präsidenten und den Rechnungs­hof fragen. Da brauchen wir einmal eine Expertise. Da kann man ja nicht irgendwie fuhrwerken, wenn man in Wahrheit eine jahrzehntelange Praxis hat. Es geht ja darum, die andere Seite zu hören. Ich glaube, da kann man nicht so mir nichts dir nichts her­umtun.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 310

Daher würde ich bitten – das muss nicht jetzt zu später Stunde sein (Abg. Neuge­bauer: Der Rechnungshof ist aber ein Organ des Nationalrates!) – und glaube, wir sind alle gut beraten, Herr Kollege, wenn wir den Rechnungshof da um seine Meinung fra­gen. (Abg. Neugebauer: Der Rechnungshof ist aber schon noch ein Organ des Natio­nalrates!) – Natürlich! Er ist sogar ein Hilfsorgan! (Abg. Neugebauer: Wenn Sie Ihre Willensbildung dem Präsidenten überlassen!) – Richtig, er ist ein Hilfsorgan, und trotz­dem bin ich dafür, dass wir den Herrn Präsidenten fragen, was er dazu für eine Mei­nung hat. Das ist wohl nicht zu viel verlangt, dass wir uns das gut überlegen.

Dass Sie von der ÖVP diese ganze Sache aus Ihrem Eurofighter-Trauma heraus in­szenieren, ist ja eine andere Geschichte.

Ich denke, das kann man alles in Ruhe diskutieren, wie das System mit den Rohberich­ten funktionieren soll. Und das werden wir tun. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das war eine gute Rede! – Abg. Neugebauer: Bis zum Schluss! Die letzten 30 Sekunden waren schwach!)

23.16


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.17.03

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich werde mich kurz mit dem vorgelegten Bericht zur Spanischen Hofreitschule beschäftigen, den wir im Ausschuss nicht behandelt ha­ben. Dieser Bericht zur Spanischen Hofreitschule ist durchaus ein sehr kritischer, weil er sehr viel Dinge aufzeigt.

Ich möchte sagen: Der Rechnungshof hat sich wirklich bemüht, die Dinge ganz klar aufzuzeigen, was bei dieser Ausgliederung seit dem Jahre 2001 schlecht gelaufen ist. Die wirtschaftlichen Entwicklungen wurden nicht erreicht. Der Umbauprozess war viel zu langsam. Natürlich hat man da bestehende Verträge übernommen, Beamte, Ver­tragsbedienstete und so weiter. Was auch sehr stark und auch medial gespielt wurde ist der lockere Umgang mit den Löhnen. Insgesamt hat die Geschäftsführung, wie ich glaube, nicht nach wirtschaftlichen Kriterien gearbeitet.

Aus meiner Sicht ist es derzeit das erste Mal unter dem neuen Führungsduo Klissen­bauer/Gürtler so, dass die Spanische Hofreitschule auf Zukunftskurs gebracht wird. Es geht einfach darum, dass man künftig Veränderungen konsequent umsetzt. Es geht um Kosteneinsparung, es geht um Sparsamkeit, es geht aber auch um Umsatzerhö­hungen und gezielte Investitionen. Es hat einen Bericht mit dem Titel gegeben: Die Spanische Hofreitschule galoppiert auf Sparkurs.

Ich meine, eines ist ganz klar: Wo Leistung ist, soll auch gut entlohnt werden. Es soll aber mit Maßstäben gearbeitet werden, die durchaus vergleichbar sind. Herr Präsident, ich denke, das wird in dem Bericht ganz klar dargestellt. Es kann und soll vieles ver­ändert werden. Es geht darum, dass man personelle Kompetenzen, ein leistungsorien­tiertes Gehaltssystem und so weiter einsetzt.

Derzeit ist der Stand so: Von 23 vorgelegten Kritikpunkten sind aus meiner Sicht zwei Drittel in etwa abgearbeitet. Einige Dinge werden in nächster Zeit noch abgearbeitet werden. Und ich hoffe und wünsche, dass man die Spanische Hofreitschule – es ist ja schwierig, so ein Unternehmen gewinnorientiert zu führen – so führt, dass sie effizient geführt wird und dass sie ihrem Auftrag als Vorzeigebetrieb im Staate Österreich ge­recht wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.19



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 311

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.19.32

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Minister Pröll ist meiner Meinung nach ein ziemlicher Spaßvogel, weil er im Zusammenhang mit dem Rechnungshofbericht zur Spanischen Hofreitschule schreibt: „Die Spanische Hofreitschule ist in betriebswirt­schaftlicher Hinsicht erfolgreich.“

Das ist sehr lustig angesichts dieses Berichts. Und der Scherz ist besonders gut, weil er nämlich Tage zuvor, am 22. Februar die Order an die Spanische Hofreitschule er­teilt, dass die Rechnungshofempfehlungen alle vollinhaltlich umzusetzen sind. Also, das geht sich irgendwie nicht aus. Entweder es ist ohnehin alles in Ordnung, oder die Empfehlungen sind umzusetzen.

Um welche Empfehlungen geht es da? – Es sind 23 Empfehlungen, und die deuten doch ein bisschen darauf hin, dass einiges im Argen ist. Ich nenne nur ein, zwei: Da steht zum Beispiel, „die Jahresvoranschläge sollten beschlossen werden, bevor das Jahr beginnt“, oder: „sie sollten auf einer realistischen Basis erstellt werden“.

Wenn der seriöse Rechnungshof so etwas kritisiert, dann muss er schon Arges zu lesen bekommen haben. Wahrscheinlich ist so etwas gestanden wie: Im kommenden Jahr wollen wir das Defizit von 18 Millionen € auf Null begleichen oder etwas Ähnli­ches. Das erinnert mich auch ein bisschen an den Beginn der Ausgliederung. Da hat es nämlich auch geheißen: In spätestens acht Jahren wird die Spanische Hofreitschule wieder auf Null sein. Und damals lag das Defizit bitte bei 2 Millionen €. In der Zwi­schenzeit sind es 18 Millionen €.

Was empfiehlt der Rechnungshof noch? – Ich könnte jetzt alles Mögliche aufzählen, aber zum Beispiel: Prämien an die Geschäftsführung sollten nur dann ausbezahlt wer­den, wenn die Bedingungen dafür erfüllt werden, oder Tourneeverträge sollten eigent­lich vor der Tournee abgeschlossen werden. Mit einem Wort: Da geht es wirklich drun­ter und drüber.

Ich frage mich: Was macht eigentlich der Aufsichtsrat bei dieser Gesellschaft? Das fra­ge ich mich deswegen, weil nämlich in diesem Aufsichtsrat von sechs Mitgliedern drei vom Landwirtschaftsministerium sind und einer vom Finanzministerium. Die restlichen zwei sind Betriebsräte. Da kann man noch irgendwie verstehen, dass die wollen, dass zum Beispiel die Bereiter zwischen 10 000 € und 15 000 € monatlich verdienen. Das kann man noch nachvollziehen. Aber dass ein Aufsichtsrat, der sozusagen mit ministe­riellen Delegierten besetzt ist, dem allen zustimmt, ist sehr merkwürdig. Jetzt frage ich mich: Wer trägt dafür die Verantwortung? Wer trägt für so einen Flop die Verantwor­tung?

Wir haben immer schon, von Beginn an, bevor die Ausgliederung begonnen wurde, im Jahr 2000, gefordert, dass nicht ausgegliedert werden soll, wenn es schnell, schnell geht und auf keinen Fall, wenn es schludrig und so schlampig sein soll, wie es eben geplant war. Jetzt, wo der Rechnungshof uns recht gibt, ist niemand schuld, und der Minister sagt erstens: Alles ist gut!, zweitens: Alles wird wieder gut, denn ich habe an­geordnet, dass alles wieder gut werden soll!, und drittens: Ich kann überhaupt nichts machen, weil die Spanische Hofreitschule eigenverantwortlich ist. Sie ist ja ausgeglie­dert.

Ich glaube, es wäre eine gute Empfehlung seitens des Rechnungshofes – ich kann das ja gar nicht fordern! – gegenüber dem Minister, dass er jetzt tatsächlich schauen sollte, dass alles gut werden wird. Sonst fordern wir, dass die Spanische Hofreitschule über-


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haupt komplett privatisiert werden soll und das würde mir schon irgendwie leidtun, dass dann so etwas wie eine Zuckerbäcker-Sisi-Identität Österreichs verloren geht. Das wol­len wir doch alle nicht! (Beifall bei den Grünen.)

23.23


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grad­auer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Er zieht zurück.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. 2 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


23.23.45

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zukunft des Verkehrs liegt aus verschiedenen Gründen zweifellos bei der Schiene, vor allem aus wirtschaftlichen und ökologischen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch der Bereich der Nebenbahnen, die die Hälfte der Bevöl­kerung erreichen und in deren Gebiet ein Gutteil der zweiten Hälfte regelmäßig Erho­lung sucht, auch von dieser Zukunft erreicht wird. Denn ich bin sicher, dass davon auch die Zukunft des ländlichen Raumes abhängig sein wird.

Daher ist deren Ausbau und die Sicherheit Gebot der Stunde, wie auch der Bedarf zweifellos mitentscheidend ist. Wir wissen aber auch, dass Bedarf auch entwickelbar ist.

In regionalpolitischer Kooperation wird auch die notwendige Diskussion der Übergänge zu führen sein, wobei weniger Übergänge wesentlich mehr Sicherheit bedeutet. Die Sicherung des Rests ist eine notwendige Maßnahme. Der Bericht zeigt uns, dass die Schrankensicherung höchste Sicherheit bietet und auch die Qualität des rollenden Materials ganz wesentlich Funktion des Bedarfs ist.

Betriebswirtschaftliche Betrachtungen sind in Ordnung, aber nicht ausschließlich. Sehr wohl sind auch volkswirtschaftliche Betrachtungen anzustellen. Ich möchte an dieser Stelle auch die Bemerkung des Präsidenten des Rechnungshofes im Ausschuss unter­streichen, der da meinte, dass die volkswirtschaftlichen Effekte den Österreichischen Bundesbahnen abzugelten sind.

Der Bericht sagt auch einiges über die Sicherheit aus. In den Jahren 2005 und 2006 gab es neun beziehungsweise zehn Tote. Ich bin sehr froh, dass der Verkehrsminister mit seinem Verkehrssicherheitsprogramm das Ziel verfolgt, die Zahl der Toten bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Auch stellt er sich der Herausforderung der Schnittstellenpro­blematik Straße/Schiene. Die lange diskutierte Maßnahme „Güter auf die Schiene“ ist umzusetzen, wie auch das Thema Bus/Bahn auf einen gemeinsamen Nenner zu brin­gen sein wird.

Es ist möglich, dass mit mehr Blick für das notwendige Ganze durchaus attraktiver öffentlicher Verkehr auch in den Regionen zum Vorteil der Menschen und der Umwelt entwickelbar ist. Daher sind wir gut beraten, gemeinsam diese Ziele zu verfolgen. (Bei­fall und Bravorufe bei der SPÖ.)

23.26


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.26.46

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Rechnungs­hofpräsident! Hohes Haus! Wieder zurück zur Spanischen Hofreitschule, sozusagen


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 313

einem Steckenpferd von mir. Es ist ja von meinem Kollegen Wolfgang Zinggl schon darauf hingewiesen worden, dass da einiges an Missständen zu kritisieren ist. Wer sich ein wenig mit der Materie beschäftigt hat – ich nehme einmal an, dazu zählen Sie, Herr Präsident des Rechnungshofes, sehr intensiv –, weiß, dass damit noch längst nicht alles aufgedeckt ist, was es zu prüfen und aufzudecken gäbe.

Nichtsdestotrotz möchte ich noch auf zwei weitere Aspekte eingehen, die noch nicht einmal im Prüfauftrag waren oder mit der Gebarung zu tun haben. Das ist die Frage, wie weit sich dieser ausgelagerte und vom Bund mit substantiellen Finanzmitteln aus­gestattet Betrieb an gesetzliche Vorschriften hält, und zwar einerseits im Tierschutz­gesetz. Gehen wir auf das ein, bevor ich zum Lieblingsthema der Herren Kollegen Kle­ment und Co komme.

Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass es bei der Pferdehaltung nicht zulässig ist, eine reine Boxenhaltung zu betreiben, sondern dass die Pferde mehrfach in der Woche die Möglichkeit zum freien Auslauf bekommen sollen. Ich gebe schon zu, dass das in den Räumlichkeit der Spanischen Hofreitschule gar nicht so leicht zu organisieren ist und dass man sich da etwas einfallen lassen müsste. Aber die Antwort, die ich von der vor­herigen Geschäftsführung bekommen habe: Die gehen ja ohnehin einmal im Jahr auf Sommerfrische!, zeugt von glatter Ignoranz. Sie kannten im Übrigen auch die Bestim­mung des Bundestierschutzgesetzes nicht. Das halte ich für blamabel für einen Vorzei­gebetriebe wie die Spanische Hofreitschule. (Beifall bei den Grünen.)

Das zweite Gesetz, das in meinen Augen noch eindeutiger verletzt wird, ist das Gleich­behandlungsgesetz. (Rufe bei der ÖVP: Bei den Pferden!) Da ist es wieder, das Bun­des-Gleichbehandlungsgesetz und das Gleichbehandlungsgesetz, das vorschreibt, dass eine Diskriminierung von Frauen nicht zulässig ist. Nichtsdestotrotz hat es in der langjährigen, hundert- und noch länger jährigen Geschichte der Spanischen Hofreit­schule keine einzige Frau als Bereiterin gegeben. Wie wir wissen, ist das ein höchst gut dotierter Job, eine prestigeträchtige Karriere mit üppigem Salär, allerdings Män­nern vorbehalten.

Die Grünen haben das ja schon früher zum Thema gemacht. Aus dem Jahr 2002 gibt es schon eine Anfragebeantwortung, wo es heißt: Ein Change-Management-Prozess der Spanischen Hofreitschule – ich weiß nicht, ob Ihnen der jemals untergekommen ist – würde vorsehen, dass künftig weiblicher Eleven – das ist die Voraussetzung, dass man dann Bereiter oder Bereiterin werden könnte – aufgenommen werden. Dazu braucht es merkwürdigerweise eine Kapazitätserweiterung bei ausgebildeten Schul­pferden und Ausbildnern.

Es hätte ganz simpel gereicht, dass man von – sagen wir einmal – 50 Eleven, die man aufnimmt, ein paar Mädchen und ein paar Burschen nimmt. Da muss man ja nicht zu­sätzlich Schulpferde noch ausbilden, damit dann auch die Mädchen auf einem Schul­pferd reiten können! Bis heute gibt es kein Mädchen, keine Frau im reitenden Personal im Ausbildungsbereich.

Ich halte das für einen glatten Bruch des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes und der Verpflichtung zum Gender Mainstreaming. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Damit steht die Spanische Hofreitschule, wenn ich es höflich formuliere, noch vor einer gewissen gesellschaftspolitischen Aufgabe, die es nachzuvollziehen gilt. Ich könnte auch noch sagen, es steht ihr die Lektion der Wiener Philharmoniker noch bevor. Wenn man sich nämlich nicht freiwillig rasch aus verkrusteten Strukturen befreit, könn­te einem der Druck der Ticketkäuferinnen und -käufer, insbesondere jener in den USA, bald schon gehörig zu schaffen machen. Wirtschaftlich kann sich das die Spanische


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 314

Hofreitschule genauso wenig leisten wie gesellschaftspolitisch. (Beifall bei den Grü­nen.)

23.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schön­pass. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Warum kann man nicht den Herrn Abgeordneten Neugebauer zum Präsidenten machen? – Abg. Neugebauer: Ich komme auf das Angebot gerne zurück!)

 


23.31.13

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Geschätzte Herren Präsidenten! Hohes Haus! Ich beziehe mich auf den Bericht des Rechnungshofes betreffend die Sicherheit auf den Nebenbahnen. Die konkreten Empfehlungen des Rechnungshofes lauten: We­niger Eisenbahnkreuzungen, mehr Schranken, besser sichtbare Sicherungsmaßnah­men und Aufklärung der Straßenbenützer.

Das BMVIT hat deshalb eine Liste von 56 besonders gefährlichen Kreuzungen, soge­nannten Hotspots, erstellt. Minister Faymann hat für jeden Hotspot Sofortmaßnahmen ergriffen, um die Situation zu entschärfen. 2007 wurden bereits 90 Eisenbahnkreuzun­gen aufgelassen, 2008 werden weitere 36 Kreuzungen aufgelassen.

Der Rechnungshof verlangte weiters, ebenfalls zu Recht, dass die Eisenbahnkreu­zungsverordnung dringend novelliert wird. Auch hier ist Minister Faymann aktiv. Mit einer an die Veränderung im Straßenverkehr angepassten Verordnung ist voraussicht­lich im nächsten Frühjahr zu rechnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen, wir sind auf einem guten Weg, die Sicher­heit auf den Nebenbahnen weiter zu verbessern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.32


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krist. Ebenfalls 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.32.48

Abgeordneter Hermann Krist (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Auch ich gehe ganz kurz auf die Frage der Sicherheit der Neben­bahnen ein, und zwar auf den Eisenbahnkreuzungen.

Meine Vorrednerin hat es schon erwähnt, wir reden von rund 56 so gefährlicher Kreu­zungen. Ich habe mir das in Oberösterreich angeschaut, da sind neun von 20 als ge­fährlich eingestuft. Auch der ÖAMTC meldet erst vor Kurzem, dass jährlich in Öster­reich zirka jeder dreißigste Verkehrstote auf einer Eisenbahnkreuzung zu beklagen ist. Wenn man die letzte Statistik, die auf der Homepage des Landes Oberösterreich veröf­fentlicht wurde, betrachtet, dann sieht man, es waren Anfang 2007 bekanntlich 50 Un­fälle mit fünf Toten und 61 Verletzten. Meine Damen und Herren! Das sind ganz ein­deutig um 50 Unfälle, fünf Tote und 61 Verletzte in Oberösterreich zu viel.

Der Rechnungshof verlangt in seinen Empfehlungen insbesondere eine regelmäßige Aktualisierung der Analysen von Unfallhäufungspunkten bei den Eisenbahnkreuzun­gen. Bei der Ausgestaltung von Eisenbahnkreuzungen und Übergängen sollte man in Zukunft ganz besonders auf die Bewusstmachung des Gefahrenpotenzials für die Stra­ßenverkehrsteilnehmer und auf die Erkennbarkeit der Sicherungseinrichtungen achten.

Meine Damen und Herren! Es darf heutzutage – und ich glaube, da sind wir uns alle einig – einfach nicht mehr passieren, dass Menschen auf Eisenbahnkreuzungen ihr Le­ben verlieren. Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass da Handlungsbedarf be­steht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.34



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 315

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Präsident des Rechnungshofes Dr. Moser. – Bitte, Herr Präsident.

 


23.34.26

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Ich möchte mich herzlich dafür bedanken, dass trotz der späten Stunde die Rechnungshofberichte noch derartig eingehend behandelt werden, und werde meine Ausführungen auch dementsprechend kurz halten. Ich möchte darauf hinweisen, was die Sicherheit auf Nebenbahnen betrifft, dass von 14 Empfehlungen zehn Empfehlun­gen umgesetzt wurden beziehungsweise in Umsetzung befindlich sind.

Wichtig wäre es aber, dass die Hauptbahnerklärungs-Verordnung – ich brauche nicht näher zu erklären, worum es dabei geht, weil es im Bericht nachzulesen ist – und ins­besondere auch das Regionalbahnkonzept erlassen werden. Sie wissen ja, dass da ein grobes Missverhältnis zwischen den Erlösen auf der einen Seite und den Kosten, die für nicht befahrbare Strecken aufgewandt werden, auf der anderen Seite, also Mit­teln, die wiederum dort fehlen, wo sie für die Sicherheit und Rationalisierungsmaßnah­men notwendig wären, besteht.

Ganz kurz noch zur Spanischen Hofreitschule. Hier sei darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass der Rechnungshof die Möglichkeit hat, gerade Unternehmen oder ausge­gliederte Einrichtungen zu überprüfen. Die Spanische Hofreitschule, die im Jahre 2001 ausgegliedert worden ist, ist ein Sinnbild dafür. Seit der Ausgliederung wurden immer wieder Verluste geschrieben, im Jahr 2007 wurde bereits wieder ein Verlust von über 2,6 Millionen € erzielt. Schlussendlich ist der kumulierte Verlust bis dato bereits auf über 21 Millionen angewachsen.

Dieser Verlust ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die erwarteten Erlöse nicht erzielt werden konnten und die Aufwände in unvertretbarem Ausmaß gestiegen sind. Laut § 14 des Spanischen Hofreitschule-Gesetzes hat die Bundesregierung, sprich der Steuerzahler, die dauerhafte Erhaltung der Spanischen Hofreitschule zu gewährleisten, was bedeutet, dass Verluste aufgrund unwirtschaftlichen Handelns durch Steuergeld ausgeglichen werden müssen.

Abgeordneter Zinggl hat bereits darauf hingewiesen, dass im Unternehmensbereich nicht einmal klare Zielvorstellungen vorgelegen sind, dass die Unternehmenskonzepte zu spät beschlossen worden sind. Wenn Sie sich den Veranstaltungs- und Tournee­bereich anschauen, dann werden Sie sehen, dass als Tournee bereits ein Auftritt in Schönbrunn gewertet wird, dass der Oberbereiter bis zu 60 000 € im Jahr an Tournee­geldern erhalten hat, für eine Aufführung bis zu 3 500 €, obwohl das Taggeld, die Nächtigungskosten und die Reisekosten als solche vom Veranstalter zusätzlich über­nommen worden sind. Die Angehörigen und Partner konnten kostenlos, also auf Kos­ten des Veranstalters, mitreisen. Es wurden Freikarten zur Verfügung gestellt. Bediens­tete, die dem BDG oder dem Vertragsbedienstetengesetz und somit dem Gehaltsge­setz unterliegen, haben eben als Oberbereiter einen durchschnittlichen Jahresbezug von 173 000 €, davon zwei Drittel an Zulagen, erhalten, ein Bereiter in der Höhe von 121 000 €. Man hat eine Individualzulage für den Oberbereiter von 28 000 € jährlich geschaffen, wobei nicht nachweisbar ist, wofür diese Individualzulage gezahlt wurde.

Man sieht auch, wie sozial man vorgegangen ist, daran, dass der durchschnittliche Jahresbezug des Oberbereiters seit dem Jahr 2001 um 42,5 Prozent angestiegen ist, jener eines Bereiters um 32,86 Prozent, jener eines Bereiteranwärters um 0 Prozent. Daran sieht man auch, in welche Richtung man gegangen ist. Deshalb ist es notwendig und zweckmäßig, dass diese 23 Empfehlungen umgesetzt werden, um auch dem Steuerzahler ein Nachschießen aufgrund unwirtschaftlichen Handelns zu ersparen.


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 316

Ich kann Ihnen versichern, dass der Rechnungshof im Rahmen einer Follow-up-Prü­fung sehr wohl dahinter sein und schauen wird, inwieweit den Empfehlungen Rech­nung getragen wird.

Ich gratuliere aber auch bereits der neuen Geschäftsführung. Wie den Medien zu ent­nehmen ist, ist sie dabei, die Empfehlungen umzusetzen. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass der zuständige Bundesminister eben einbekannt hat, dass die Emp­fehlungen vollinhaltlich umzusetzen sind.

Generell möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass es notwendig wäre, gerade bei Ausgliederungen ein Ausgliederungskonzept mit konkreten Motiven und Zielsetzun­gen voranzustellen und insbesondere auch den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingun­gen erhöhtes Augenmerk zuzuwenden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemei­ner Beifall.)

23.38


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Darf ich alle Abgeordneten bitten, ihre Plätze einzunehmen?! Wir kommen zur Abstim­mung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-113 d.B. zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

23.39.1417. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (322 St 7/08 z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeord­neten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz (608 d.B.)

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Wir kommen jetzt zum 17. Punkt der Tagesord­nung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 3 Minuten freiwillige Redezeitbe­schränkung. – Bitte.

 


23.39.42

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die ÖVP-Fraktion wird im Gegensatz zur Mehrheit des Hauses der Auslieferung des Kollegen Pilz aufgrund eines Antrages der Staatsanwaltschaft Wien zustimmen, weil es offenbar den Verdacht auf Verletzung des Amtsgeheimnisses und der Anstiftung zum Amts­missbrauch gibt.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns hier offensichtlich durchaus in Überein­stimmung mit dem Kollegen Pilz, denn der Kollege Pilz hat ja selbst öffentlich nach dem Immunitätsausschuss erklärt, er hätte das Verfahren gerne geführt. Ja, meine Damen und Herren, genau dieser Meinung sind wir auch. Lassen wir Peter Pilz dieses Verfahren führen! Wir vertrauen auf die Gerichte und den Rechtsstaat, meine Damen und Herren, auch in dieser Angelegenheit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Aber nicht dem Kollegen Kukacka!)


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 317

Sie sind doch wohl mit mir, so hoffe ich, einer Meinung, wenn ich sage, dass sich auch die Abgeordneten an die Gesetze halten müssen. Dass sich Peter Pilz damit bisweilen schwer tut, das hat er während seiner politischen Tätigkeit eigentlich hinlänglich bewie­sen.

Seit der XVII. Gesetzgebungsperiode hat es bereits elf Auslieferungsbegehren der Staatsanwaltschaft und der Gerichte an den Immunitätsausschuss gegeben. Achtmal wurde er nicht ausgeliefert, zweimal ausgeliefert, einmal wurde das Verfahren wegen Fristablauf nicht weiter verfolgt. Üble Nachrede, Verleumdung, Ehrenbeleidigung, fal­sche Beweisaussagen waren die inkriminierten Tatsachen. (Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren, für uns ist Peter Pilz so etwas wie ein politischer Wieder­holungstäter, denn er hat die rechtliche Grenzüberschreitung und das Ausreizen der Rechtsordnung zum Stilmittel und zum Markenzeichen seiner Politik und seiner Selbst­darstellung gemacht und sich selbst dabei zum Aufdecker der Nation ernannt. Seine Selbstdarstellung, meine Damen und Herren, bleibt ihm selbstverständlich unbenom­men, aber wir wehren uns gegen diese ständigen rechtlichen Grenzüberschreitungen. Dagegen sollen entsprechende Schranken errichtet werden. (Beifall bei der ÖVP.) Das soll aber nicht nur hier und vor allem nicht hier im Haus, mit der politischen Mehrheit, je nach politischer Opportunität festgestellt werden, sondern durch unabhängige Gerich­te. Das ist unsere Meinung.

Meine Damen und Herren, wir haben auch kein Verständnis, wenn Peter Pilz in der Öffentlichkeit und auch im Untersuchungsausschuss immer wieder mit E-Mails hantiert, die einem früheren Bundesminister gestohlen wurden. (Ruf: Das behauptet er! Ob es wahr ist, weiß niemand!) Peter Pilz hat selbst im Untersuchungsausschuss gesagt, dass sie ihm auf einem Datenträger und auf anonymem Weg zugekommen sind. Er soll, bitte, sagen, von wem und wie dieser Datenträger eigentlich ausschaut, meine Da­men und Herren. (Abg. Sburny: Das ist unglaublich!) Er darf vor allem diese Beweis­mittel nicht im Verfahren und im Untersuchungsausschuss verwenden, denn nach der Verfahrensordnung ist das verboten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es widerspricht auch der politischen Moral, das sage ich auch. (Abg. Sburny: Sie reden von Moral?) Es widerspricht der politischen Moral, und es ist deshalb für uns auch unverständlich, wenn diese Praxis, nämlich gesetzwidrig erlangtes Material zu verwenden, um jemanden politisch abzuqualifizieren oder Verdächtigungen und Unter­stellungen zu streuen, von den anderen Fraktionen widerspruchslos hingenommen wird, wenn es ins jeweilige politische Kalkül passt. Das halten wir nicht für verantwort­lich. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Und dass von diesen Abqualifizierungen und Unterstellungen des Kollegen Pilz auch dieses Haus und seine Abgeordneten nicht verschont werden, meine Damen und Her­ren, das hat ja gerade dieser „profil“-Artikel gezeigt und das hat heute der Kollege Pilz hier im Hohen Haus wiederholt. Das ist zwar kein Grund für eine strafrechtliche Verfol­gung und eine Zustimmung zu einer Auslieferung, das ist schon klar. Aber es ist eben­so klar, dass dieses überhebliche und ungerechtfertigte und dem Ansehen des Parla­ments schädliche Verhalten des Kollegen Pilz kein Anlass sein sollte, ihm durch die Mehrheit dieses Hauses einen weiteren Persilschein auszustellen. Meine Damen und Herren, er wird das nämlich nur als eine Bestätigung seines Verhaltens verstehen, nach dem Motto, jetzt kann ich weitermachen wie bisher.

Mit unserer Zustimmung zu einem solchen Politikverständnis werden Sie auch in Zu­kunft nicht rechnen können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sburny: Wegen Überheblich­keit wäre die halbe ÖVP im Häfen! – Abg. Neugebauer: Das war aber stark, Mitzi!)

23.45



Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 318

Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


23.45.16

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Her­ren! Hohes Haus! Ich glaube, dass wir gut beraten sind, das ist unsere einzige Aufga­benstellung, eine rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes vorzunehmen. Wir müs­sen zur Kenntnis nehmen, es lieben einander nicht alle. Ob einer leichter ist, schwerer ist, ob wir eine Freude mit ihm haben oder nicht, die rechtliche Aufgabe, die wir, wie ich meine, gemeinsam haben, haben wir zu erfüllen. Ich meine, dass wir für das Haus und für alle Kolleginnen und Kollegen auch für die Zukunft schlecht beraten wären, wenn wir auf Anlassfälle aufspringen oder von der guten Usance der rein rechtlichen Prüfung abrücken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben einige Argumente, meine geschätzten Damen und Herren, im Ausschuss gehört. Nicht böse sein, Herr Kollege Kukacka: Befindlichkeit hin oder her, Ansehen hin oder her, mir gefällt selber nicht viel, was hier oft an den Tag gelegt wird, aber wir sind dem Recht verpflichtet. Und ich glaube, dass die Kolleginnen und die Kollegen des Immunitätsausschusses ganz korrekt vorgegangen sind. Ich lade Sie wirklich ein, auch für die Zukunft, dass wir von einer langjährigen Praxis, die sich bewährt hat, auch in diesem Fall nicht abrücken. Ich mache darauf aufmerksam, kein Ausschuss lässt sich in Wirklichkeit gefallen, dass, wie wir es erlebt haben, auf andere Ausschüsse verwie­sen wird, dass ein Präjudiz geschaffen wird oder dass Ausschussfeststellungen, aus dem Geschäftsordnungsausschuss aus dem Jahre 1993, die in einem ganz anderen Zusammenhang gemacht worden sind, lieber Kollege, vorgelegt werden.

Seien wir doch einmal ehrlich! (Abg. Strache: Immer, nicht einmal!) Die Geschichte oder der Vorfall war am 5. Februar. Erst am 3. März hat dieses Haus die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses überhaupt beschlossen, und am 7. März hat er sich konstituiert. Da können wir jetzt vergleichen, wie ihr das gemacht habt, mit Unteraus­schüssen oder mit Untersuchungsausschüssen. Ich glaube, die Rechtslage ist klar. Ich lade Sie ein, einer guten Usance des Hauses zu folgen und rein rechtliche Beurteilun­gen vorzunehmen. Der politische Zusammenhang wurde von allen hergestellt. Somit ist nicht auszuliefern. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

23.48


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllin­ger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. Die Restredezeit Ihrer Fraktion be­trägt 8 Minuten. – Bitte.

 


23.48.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre eigentlich gut gewesen, wenn man die Redezeit nach dem Ab­geordneten Kukacka dazu benützen hätte können, um zu sagen: Jetzt, bitte, schwei­gen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) 2 Minuten, eine Minute reicht schon. Diese Rede, Herr Kollege Kukacka, hat sich so selbst entlarvt wie auch schon Ihr Verhalten im Immunitätsausschuss. Das muss ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen.

Man muss den Abgeordneten Pilz nicht lieben, um dennoch der Meinung zu sein, dass der Immunitätsausschuss Recht sprechen und Recht gelten lassen soll, aber nicht über die Überheblichkeiten, die vermeintlichen Überheblichkeiten oder sonstige Absurditä­ten des Kollegen Kukacka richten soll.

Man muss mit dem Kollegen Pilz nicht einer Meinung sein, um dennoch zu dem Ergeb­nis kommen zu können, dass das, was Abgeordneter Pilz damals im Innenausschuss gesagt und dem restlichen Innenausschuss mitgeteilt hat, dazu geführt hat, dass


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 319

Innenminister Platter zwei Kommissionen eingerichtet hat und dass dadurch ein Unter­suchungsausschuss ins Rollen gekommen ist. Das war nicht das Verdienst des Abge­ordneten Pilz allein, sondern des Parlaments. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Man muss mit Abgeordnetem Pilz auch in der Beurteilung der Abgeordneten dieses Hauses nicht einer Meinung sein – ich bin es auch nicht –, um dies dennoch klar tren­nen zu können: Was das eine ist, ist eine politische Debatte, und was das andere ist, ist die Entscheidung darüber, ob das, was Abgeordneter Pilz gemacht hat, tatsäch­lich – so wie Abgeordneter Kukacka nämlich fälschlich behauptet hat, wahrheitswidrig behauptet hat – den Verdacht des Amtsmissbrauches begründet. (Abg. Dr. Schüssel: Die Staatsanwaltschaft!) Denn der steht überhaupt nicht zur Debatte, Herr Abgeordne­ter Kukacka, Sie haben die Unwahrheit gesagt! Es geht nicht um den Amtsmissbrauch. (Abg. Mag. Kukacka: Verdacht auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch! Steht ja ...!)

Nein! Verdacht auf Anstiftung, das Amtsgeheimnis verletzt zu haben – das ist aber ein Unterschied zum Amtsmissbrauch! Was Kollege Kukacka gemacht hat, war, ihm zu unterstellen ... (Zwischenruf des Abg. Neugebauer.) – Ja, für Sie ist es vielleicht irrelevant, welche strafrechtlichen Delikte wir verhandeln. Aber Faktum ist, dass weder die Staatsanwaltschaft noch der Immunitätsausschuss – und auch Sie im Ausschuss nicht – Kollegen Pilz beschuldigt haben, dass Kollege Pilz Amtsmissbrauch begangen habe oder das Amtsgeheimnis verletzt habe, sondern die Staatsanwaltschaft hat ge­sagt – das ist eine merkwürdige Konstruktion, auf die ich noch zu sprechen kommen werde –, dass Abgeordneter Pilz unbekannte Täter angestiftet habe, das Amtsge­heimnis zu verletzen.

Das ist deshalb eine merkwürdige Konstruktion – ich habe das schon im Ausschuss gesagt; Sie haben sich ja nicht geniert, dies herinnen als Vorwurf zu wiederholen –, das ist deshalb eine merkwürdige Konstruktion, weil ich dann jede Zuschrift, die ich von einem Beamten erhalte, jedes Mail, das ich von irgendeinem Vertragsbediensteten aus dem öffentlichen Dienst erhalte (Abg. Strache: Seien wir froh, dass sie uns etwas zu­kommen lassen!), im Sinne dessen, was Sie wollen, Herr Abgeordneter Kukacka, an die Staatsanwaltschaft weiterleiten müsste, damit nicht ich mich der Anstiftung zur Ver­letzung des Amtsgeheimnisses schuldig mache. (Abg. Strache: Das ist richtig! – Zwi­schenruf des Abg. Hornek.)

Wenn das wirklich Ihre Absicht und Intention ist, dann sind wir bei dem Punkt gelandet, bei dem die ganze Debatte eigentlich steht. Sie wollen einen Schreckschuss, einen Warnschuss an die Beamtenschaft in diesem Land setzen (Beifall bei Grünen, SPÖ und FPÖ), mit dem Sie der Beamtenschaft klarmachen: Lasst euch nicht mit Opposi­tionsabgeordneten und schon gar nicht mit Pilz ein! Denn das kann euch unter Um­ständen in den Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses und Peter Pilz in den Verdacht, unbekannte Täter zur Verletzung des Amtsgeheimnisses angestiftet zu ha­ben, bringen.

Das, Herr Kollege Kukacka, ist nicht absurd, sondern das ist ein bösartiger Vorsatz, mit dem Sie die Arbeit der Opposition insgesamt unter Strafverdacht stellen wollen. (Abg. Dr. Schüssel: Es geht um Pilz! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das lassen wir uns sicher nicht bieten! (Beifall bei Grünen, SPÖ und FPÖ.)

Es ist ja merkwürdig, dass Abgeordneter Kukacka den Brief an die Staatsanwaltschaft schreibt, dann laut schreit: bitte strafverfolgen!, und gleichzeitig im Immunitätsaus­schuss der Briefempfänger ist, der daraufhin sagt: Ja, die Staatsanwaltschaft hat uns etwas geschrieben, jetzt werde ich ganz neutral und objektiv (Heiterkeit bei den Grü­nen) über das, was die Staatsanwaltschaft uns da geschrieben hat, urteilen, ich gebe als Herr Kukacka ein Urteil ab. – Natürlich, Herr Kukacka ist ja, wie er uns in seiner


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 320

Rede bewiesen hat, immer neutral und immer ohne Vorurteile. (Abg. Dr. Schüssel: Das stimmt! Richtig!) Das haben Sie uns hier deutlich bewiesen.

Herr Kollege Kukacka! Wir können über vieles diskutieren. Aber ganz sicher sollten wir auch darüber diskutieren, dass Sie im Immunitätsausschuss gesessen sind, obwohl Sie derjenige waren, der die Strafanzeige, die Sachverhaltsdarstellung eingeleitet hat. Sie fühlen da überhaupt nichts an Befangenheit; ich sehe das sehr wohl. Wir können darüber diskutieren, ob es wirklich die Aufgabe eines Regierungsabgeordneten ist, einem Oppositionsabgeordneten vorzuhalten, dass er seine Aufgabe ernst nimmt (iro­nische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP), indem er im Innenausschuss einen Sachverhalt zur Kenntnis bringt, der dazu führt, dass der Innenminister selbst zwei Kommissionen einrichtet. Nicht Peter Pilz hat die zwei Kommissionen eingerichtet, sondern der Innenminister hat sie eingerichtet.

Das spielt für Sie keine Rolle. Sie wollen (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka) – und das haben Sie im Immunitätsausschuss deutlich klargemacht – ein Exempel statuieren. Das zeigt, Herr Kollege Kukacka, wo Sie stehen (Abg. Mag. Kukacka: Auf der Seite des Rechts stehen wir!) und wie Sie es mit der Kontrolle des Parlaments gegenüber der Regierung halten wollen, nämlich: Null! (Beifall bei Grünen, SPÖ und FPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Wir stehen auf der Seite des Rechtsstaates!)

23.55


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Restredezeit Ihrer Fraktion: 4 Minuten. – Bitte.

 


23.55.18

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Leider lau­fen wir Gefahr, dass das Rechtsinstitut der Immunität hier im Hohen Hause beliebig und immer beliebiger wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist richtig!) Denn wir stellen fest, dass es keine Richtschnur mehr gibt (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber schon lange so!), die an sich parlamentarische Praxis gewesen ist, in welchen Fällen man ausliefert.

Man hat aus gutem Grund in der Vergangenheit immer gesagt, als erste Frage gilt es Folgendes zu beantworten: Liegt ein politischer Sachverhalt oder im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit ein inkriminierter Tatbestand oder ein Auslieferungsbegeh­ren vor?

Man hat dann eine zweite Frage – ich habe das vor mehreren Wochen und Monaten releviert, weil ich glaube, dass es reformbedürftig ist, ohne Frage – zu beurteilen ge­habt, und da gab es eine Usance, dass man, wenn ein politischer Zusammenhang vor­liegt, nicht ausgeliefert wird. Sonst müsste man sich ja in irgendeiner Art und Weise vorausfassend ein Urteil bilden, und das ist wirklich nicht Aufgabe der Abgeordneten. Dann wird es zur Mehrheitsentscheidung, und genau das wollen wir nicht, dass die Auslieferung nach Anträgen der Staatsanwaltschaft mehrheitlich abgelehnt oder ihr zugestimmt wird, und dann noch je nach politischer Gesinnung. (Abg. Dr. Schüssel: Ihr macht ja eine Mehrheitsentscheidung!)

Es war schon verräterisch: Herr Kollege Pilz hat ein anderes Politikverständnis. (Abg. Neugebauer: Das ja!) Ja, das stimmt, auch von mir – und ich müsste ihn tagtäglich ausliefern! (Heiterkeit bei der FPÖ.) Tagtäglich, weil er ein ganz anderes Politikver­ständnis als ich und meine Fraktion hat – aber das allein ist zu wenig! (Beifall bei FPÖ, SPÖ und Grünen.)

Sie sprechen auch nicht mehr von inkriminierten Tatbeständen, sondern verräterischer­weise schon von inkriminierten Tatsachen. Wer hat die festgestellt? Sie, Herr Kollege


Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll63. Sitzung, 6. und 7. Juni 2008 / Seite 321

Kukacka? – Ich traue mich nicht, das festzustellen. (Abg. Mag. Kukacka: ... Sachver­haltsdarstellung!)

Ja, Herr Kollege Kukacka, Sie haben die Sachverhaltsdarstellung für Ihre Fraktion ge­macht, und daher muss es eine Tatsache sein. Wie ich schon im Ausschuss gesagt habe: Es ist verdächtig. Wenn ein Bürger eine Strafanzeige gegen irgendjemanden macht, dann wartet der Staatsanwalt oft – und in der letzten Zeit überhaupt, seit die Strafrechts-Novelle greift, die Strafprozess-Novelle und die Geschäftsordnungsände­rungen –, dass überhaupt ein Strafverfahren einmal eingeleitet, dass Ermittlungshand­lungen gesetzt werden.

Wenn die ÖVP einen Sachverhalt bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt, dann wird ermittelt! Und zwar schnell, das geht innerhalb von Wochen; man könnte vor Neid erblassen. Denn wir haben mit drei Fraktionen eine Strafanzeige und Sachverhaltsdar­stellungen gemacht (Abg. Ing. Westenthaler: Die Staatsanwaltschaft Wien ist rot, Herr Kollege!), die bis heute noch nicht einmal veraktet sind! Aber nicht, weil nichts dran ist.

Ich sage Ihnen, wo es nach meiner Meinung reformbedürftig ist. Wir haben darüber gesprochen: Was ist, wenn jemand in einem Ausschuss, in dem eine erhöhte Vertrau­lichkeit besteht, die Vertraulichkeit bricht? – So einen Fall hat es unserer Meinung nach gegeben, wir haben eine Sachverhaltsdarstellung gemacht; Sie haben gegen die Aus­lieferung gestimmt! Was hat das für einen Sinn, wenn eine Auskunftsperson anders be­handelt wird als ein Nicht-Abgeordneter und Ähnliches mehr? Was nützt diese erhöhte Strafdrohung, wenn man dann nicht ausliefert?

Die SPÖ war in dem Fall konsequent. Sie hat zwar die Sachverhaltsdarstellung damals bei Westenthaler mitgetragen, diese ist eingebracht worden; aber als es dann um die Auslieferung gegangen ist, hat sie gesagt: politischer Zusammenhang, wir liefern nicht aus. Ich habe es nicht verstanden, denn gerade in solchen Fällen könnte man auslie­fern.

Politischer Zusammenhang: ein zweiter Fall, den ich immer wieder bringe. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Ein Listenplatz-Zweiter auf irgendeiner Liste einer wahlwerbenden politischen Partei bringt den Listenplatz-Ersten um. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glockenzeichen.) Er kommt ins Parlament, dort wird dann gegen ihn ermittelt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Man stellt fest, dass ein politischer Zusammenhang besteht, und liefert nicht aus. Das halte ich für falsch. Der erfolgreiche Wahlbetrüger wird nicht ausgeliefert; derjenige, der nicht ins Parlament kommt, wird ausgeliefert.

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Den Schlusssatz bitte!

 


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (fortsetzend): Mein Schlusssatz, und aus diesem Grunde: Setzen wir uns endlich zusammen! Überarbeiten wir bitte die Immunitätsbe­stimmung und die Auslieferungspraxis! (Abg. Ing. Westenthaler: Abschaffen!) Machen wir sie modern und adäquat, aber nicht beliebig und beliebiger, so wie es derzeit, nur nach rein parteipolitischen Überlegungen, immer passiert. (Beifall bei FPÖ und Grü­nen.)

23.59


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Darmann. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung; die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 4 Minuten. – Bitte.

 


0.00.17

Abgeordneter Mag. Gernot Darmann (BZÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das war ein Wort, Herr Abgeordneter Graf: Setzen wir uns zusammen,


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und überarbeiten wir diese Immunität in dem Sinn, dass wir sie abschaffen! (Beifall beim BZÖ.) Die Uhrzeit passt sehr gut. Ich muss schon sagen, seien wir froh ... (Abg. Strache: Damit die Willkür dann greifen kann?)

Herr Klubobmann! Seien wir froh, dass es jetzt null Uhr ist und wir zur Geisterstunde hier dieses erbärmliche Schauspiel abführen, bei dem uns die Bevölkerung zum Glück nicht zuschaut: wie hier der Großteil der Abgeordneten sich mit Zähnen und Klauen verbeißt und verkrallt in dieser Immunität, in diesem historischen Institut, in diesem his­torischen parlamentarischen Institut, das heutzutage durch nichts mehr begründet ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Kein Bürger ist immun!)

Ich spreche nicht von der parlamentarischen Immunität. Die soll es weiter geben, keiner herinnen soll für das verfolgt werden, was er hier im Gesetzgebungsprozess macht, keine Frage. Aber es gibt auch die außerparlamentarische Immunität, und diese ist durch nichts zu begründen, durch absolut gar nichts, was uns als Abgeordnete hier besser macht gegenüber dem einzelnen Bürger draußen, außerhalb dieses Parla­ments. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: Wo liegt der Ausschuss? Liegt der Aus­schuss nicht im Parlament?)

Wenn wir hier von der Praxis reden, von der parlamentarischen Praxis in diesem Im­munitätsausschuss, der nach Belieben vorgeht ... (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte beruhigen Sie sich! Wir werden der Auslieferung auch nicht zustimmen, genauso we­nig, wie wir dagegen stimmen werden, und zwar genau aus diesem Grund. Das ist eine Begründung: Weil wir schon seit Monaten, seit über einem halben Jahr fordern (Abg. Dr. Graf: Das ist ja die schwächste Haltung!), diese Immunität abzuschaffen, da sie durch nichts zu begründen ist, werden wir an dieser Abstimmung aus Protest nicht teilnehmen.

Sagen Sie uns zum Beispiel eines: Was für einen Sinn hat diese Immunität noch, die nur blockiert, wenn Herr Abgeordneter Pilz und sonstige Herrschaften – egal, ob es der Eurofighter-Ausschuss oder sonstige Untersuchungsausschüsse waren – zureglemen­tiert sind, wir aus Steuergeldern Zigtausende, Hunderttausende Euro für Vertraulich­keitsmaßnahmen ausgeben, hier Gesetze gebrochen werden noch und nöcher, und dann kann aufgrund der Immunität nicht ausgeliefert werden? (Abg. Dr. Graf: Das halte ich auch für falsch! Reden wir darüber!)

Wenn hier jemand etwas macht und die Staatsanwaltschaft versucht, nur eine Befra­gung durchzuführen, dann soll sie das machen. Wieso weigern wir uns mit der Begrün­dung einer Immunität, ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft zu führen? Was spricht dagegen? – Ich frage Sie alle! Gehen Sie in sich, schaffen wir diese Immunität ab, und setzen wir dadurch ein anständiges Zeichen für die Bevölkerung. (Beifall beim BZÖ.)

0.02


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 608 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur be­hördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkrimi­nierten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Na­tionalrat Dr. Peter Pilz besteht; daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abge­ordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz nicht zugestimmt.“


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Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und daher angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.03.41Einlauf

 


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 779/A(E) bis 838/A(E) eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 4530/J bis 4598/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 0.04 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.04.06Schluss der Sitzung: 0.03 Uhr

 

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