Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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130. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 19., und Freitag, 20. Mai 2016

 

 


 

 

Stenographisches Protokoll

130. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode

Donnerstag, 19., und Freitag, 20. Mai 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Mai 2016: 9.05 – 24.00 Uhr

        Freitag, 20. Mai 2016: 0.00 –   0.18 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantritts des Herrn Bundes­kanzlers und der neuen Mitglieder der Bundesregierung

2. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2014/3

3. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/8

4. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/16

5. Punkt: Bericht über den Antrag 411/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung von EU-Fördermitteln, die direkt an Förderungsempfänger ausgezahlt werden

6. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2014/14

7. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/3

8. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/9

9. Punkt: Bericht über den Antrag 929/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1676/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und ‑verteidigern weltweit verstärken

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1677/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisa­beth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesse­rung der Menschenrechtslage in Bahrain


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1660/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtslage in der Türkei

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1205/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genos­sen­schafts­revisionsgesetz 1997, das SCE-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Versiche­rungsaufsichtsgesetz 2016, das Sparkassengesetz, das Allgemeine bürgerliche Ge­setzbuch, das Unternehmensreorganisationsgesetz, die Insolvenzordnung und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Abschlussprüfungsrechts-Ände­rungs­­gesetz 2016 – APRÄG 2016)

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1400/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Veröffentlichung aller letztinstanzlicher Urteile

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1584/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die raschere Übertragung von Firmenbuch- und Grundbuch-Eintragungen an das BRZ

17. Punkt: Bericht über den Antrag 1585/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die kostenlose Zurverfügungstellung von Basis-Informationen aus dem Firmenbuch

*****

Inhalt

Nationalrat

Angelobung der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Gerald Klug und Mag. Sonja Steßl             ............................................................................................................................... 17

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Ordnungsruf ................................................................................................................... 71

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 65/A der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXV. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vor­zeitig beendet wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 14. Juni 2016 zu setzen – Ablehnung     38, 279

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 38

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 119

Antrag der Einsetzungsminderheit gemäß § 53 Abs. 6 VO-UA auf nochmalige Verlängerung des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der politischen Verantwortung für die Vorgänge rund um die Hypo Group Alpe-Adria (Hypo-Untersuchungsausschuss) bis 10. Oktober 2016 – Annahme      135, 279


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 3

Fragestunde (18.)

Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ............................................................... 18

Erwin Spindelberger (212/M); Werner Neubauer

August Wöginger (208/M); Hermann Brückl

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (205/M); Josef Schellhorn, Ing. Markus Vogl, Dr. Kathrin Nachbaur

Mag. Birgit Schatz (215/M)

Mag. Gerald Loacker (207/M)

Ing. Waltraud Dietrich (211/M); Leopold Steinbichler

Ulrike Königsberger-Ludwig (213/M)

Mag. Gertrude Aubauer (209/M)

Peter Wurm (206/M); Angela Lueger, Angela Fichtinger

Mag. Judith Schwentner (216/M)

Johann Hechtl (214/M)

Dr. Franz-Joseph Huainigg (210/M); Mag. Helene Jarmer

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern betreffend Enthebung des Bundesministers für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer, der Bundesministerin für Frauen und Bildung Gabriele Heinisch-Hosek, des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Ge­rald Klug und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl vom Amt sowie Ernennung von Frau Mag. Dr. Sonja Hammerschmid zur Bundes­ministerin für Bildung und Frauen, Herrn Mag. Jörg Leichtfried zum Bun­des­minister für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Mag. Thomas Drozda zum Bundesminister ohne Portefeuille und Frau Mag. Muna Duzdar zur Staatssekretärin im Bundeskanzleramt zur Unterstützung des Bundeskanzlers in der Geschäftsführung und zu dessen parlamentarischer Vertretung durch den Bundespräsidenten ......................................................................................................... 17

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mutmaßliche Ermordung der Maria E. durch den Kenianer Francis N. (9366/J)                  119

Begründung: Heinz-Christian Strache ...................................................................... 123

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................... 128


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 4

Debatte:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 135

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 137

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 139

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 140

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 142

Christoph Hagen ........................................................................................................ 145

Dr. Walter Rosenkranz .....................................................................................  148, 165

Nurten Yilmaz .......................................................................................................... ... 150

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 151

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 152

Mag. Nikolaus Alm .................................................................................................. ... 154

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 156

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 158

Rudolf Plessl ........................................................................................................... ... 160

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 161

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 163

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 165

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Ab­satz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantritts des Herrn Bundeskanzlers und der neuen Mitglieder der Bundesregierung ............................................................................................................ 39

Bundeskanzler Mag. Christian Kern .......................................................................... 39

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ....................................................................... 45

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsord­nung                  39

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 50

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 54

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 57

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 61

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ..... 64

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 67

Bundesministerin Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................ ..... 69

Herbert Kickl ........................................................................................................... ..... 70

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 73

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ..... 75

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 76

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ....................................................................... ..... 77

Christoph Hagen ..................................................................................................... ..... 79

Bundesminister Mag. Jörg Leichtfried ................................................................. ..... 81

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 84

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................ ..... 86

Georg Willi ............................................................................................................... ..... 87

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 88

Michael Pock ........................................................................................................... ..... 89

Ing. Waltraud Dietrich ............................................................................................ ..... 91

Bundesminister Mag. Thomas Drozda ................................................................. ..... 93

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 94

Mag. Gisela Wurm ................................................................................................... ..... 97

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ..... 98


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 5

August Wöginger .................................................................................................... ..... 99

Mag. Nikolaus Alm .................................................................................................. ... 101

Leopold Steinbichler .............................................................................................. ... 103

Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar .................................................................... ... 104

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 105

Wolfgang Katzian ................................................................................................... ... 107

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 108

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 111

Mag. Aygül Berivan Aslan ..................................................................................... ... 113

Rainer Wimmer ....................................................................................................... ... 115

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 116

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 117

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 167

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ... 168

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 169

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................. 171

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 172

Brigitte Jank ............................................................................................................ ... 173

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 175

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 176

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend: TTIP stoppen und CETA ablehnen – Ablehnung ...............................  60, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kollegin­nen und Kollegen betreffend NEIN ZU TTIP UND CETA – Ablehnung .............................................................  96, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rehabilitation vor Pension für Beamtinnen und Beamte – Ablehnung ...............  109, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Rein­hold Lopatka, Dr. Peter Pilz, Mag. Christoph Vavrik, Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten im türkischen Parlament – Annahme (E 147)  114, 177

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2014/3 (III-53/1019 d.B.) ..................................................................................... 178

3. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/8 (III-179/1070 d.B.) ................................................................................... 178

4. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/16 (III-219/1069 d.B.) ................................................................................. 178

5. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Antrag 411/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung von EU-Fördermitteln, die direkt an Förderungsempfänger ausgezahlt werden (1093 d.B.) ............................................... 178

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 178

Elmar Mayer ............................................................................................................. ... 181

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 182

Hermann Gahr ............................................................................................................ 184


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 6

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ....................................................................... ... 185

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 187

Martina Schenk ........................................................................................................... 187

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 189

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 190

Marianne Gusenbauer-Jäger ................................................................................. ... 191

Dieter Brosz, MSc ................................................................................................... ... 192

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 194

Petra Steger ............................................................................................................. ... 195

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 197

Sigrid Maurer ........................................................................................................... ... 198

Johann Singer ......................................................................................................... ... 199

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 200

Nurten Yilmaz .......................................................................................................... ... 200

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 201

Kenntnisnahme der drei Berichte III-53, III-179 und III-219 d.B. .................................. 203

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1093 d.B. .................................................... 203

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2014/14 (III-121/1020 d.B.) ................................................................................. 203

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/3 (III-152/1021 d.B.) ................................................................................... 203

8. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2015/9 (III-185/1022 d.B.) ................................................................................... 203

Redner/Rednerinnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 203

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ... 204

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 205

Dr. Eva Mückstein ................................................................................................... ... 206

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 208

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 209

Johann Hell .............................................................................................................. ... 210

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 211

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 213

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) ....................................................................... ... 214

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 215

Claudia Durchschlag .............................................................................................. ... 216

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 217

Philip Kucher ........................................................................................................... ... 218

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 219

Dr. Marcus Franz .................................................................................................... ... 220

Dr. Gabriela Moser .................................................................................................. ... 222

Rechnungshofpräsident Dr. Josef Moser ............................................................... 224

Kenntnisnahme der drei Berichte III-121, III-152 und III-185 d.B. ................................ 226

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 929/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 7

Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1128 d.B.) ......... 227

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1676/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Schutz von Menschenrechts­verteidigerinnen und ‑verteidigern weltweit verstärken (1130 d.B.)                         227

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1677/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Menschen­rechtslage in Bahrain (1131 d.B.) ................................................................ 227

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1660/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Menschenrechtslage in der Türkei (1132 d.B.)      ............................................................................................................................. 227

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 227

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 228

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ... 229

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 230

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 231

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 232

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 233

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 236

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ... 237

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 238

Mag. Christoph Vavrik ............................................................................................ ... 239

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ... 240

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 241

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 242

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 243

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage für Frauen in Österreich – Schutz vor Verletzung des Privatlebens – Ablehnung          235, 244

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1128 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Kon­vention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (E 148) .......................................................................................................................... 243

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1130 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend: Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidi­gern weltweit verstärken (E 149)                        244

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1131 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain (E 150) ........................................ 244

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1132 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1660/A(E)               244

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1132 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend Menschenrechtslage in der Türkei (E 151) .................................................................. 244

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1205/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen (1129 d.B.) .................................................................................................................... 244


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 8

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ... 244

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ... 245

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 246

Nurten Yilmaz .......................................................................................................... ... 247

Petra Steger ............................................................................................................. ... 247

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 249

Bundesminister Sebastian Kurz ........................................................................... ... 250

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ... 251

Harry Buchmayr ...................................................................................................... ... 252

Gerhard Schmid ...................................................................................................... ... 253

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1129 d.B. hinsichtlich des An­tra­ges 1205/A(E)               253

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1129 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen (E 152) ................................................... 253

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1109 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossen­schafts­revisionsgesetz 1997, das SCE-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Sparkassengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensreorganisationsgesetz, die Insolvenz­ordnung und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Abschluss­prüfungsrechts-Änderungsgesetz 2016 – APRÄG 2016) (1123 d.B.) ........................................................................................... 254

Redner/Rednerinnen:

MMag. DDr. Hubert Fuchs ..................................................................................... ... 254

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 255

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 256

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 259

Dr. Rainer Hable ...................................................................................................... ... 259

Bundesminister Dr. Wolfgang Brandstetter ........................................................ ... 260

Ing. Mag. Werner Groiß .......................................................................................... ... 261

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 265

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 266

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 267

Petra Bayr, MA ........................................................................................................ ... 268

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 268

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Unabhängigkeit von Ab­schlussprüfern – Ablehnung ............  257, 271

Annahme des Gesetzentwurfes in 1123 d.B. ............................................................... 270

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1400/A(E) der Abge­ordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Veröf­fent­lichung aller letztinstanzlicher Urteile (1124 d.B.)   ............................................................................................................................. 271

Redner/Rednerinnen:

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 271

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 272

Dr. Nikolaus Scherak .............................................................................................. ... 272

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 273

Hermann Brückl ...................................................................................................... ... 273

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 274


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 9

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1124 d.B. .................................................... 275

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1584/A(E) der Abge­ordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die raschere Übertragung von Firmenbuch- und Grundbuch-Eintragungen an das BRZ (1125 d.B.) ......................................................................... 275

17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1585/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die kostenlose Zurverfügungstellung von Basis-Informationen aus dem Firmenbuch (1126 d.B.) ................................................................................ 275

Redner/Rednerinnen:

Mag. Nikolaus Alm .................................................................................................. ... 275

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 276

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 276

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 277

Dr. Georg Vetter ...................................................................................................... ... 278

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1125 und 1126 d.B. ........................... 279

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächendeckende Einführung von Eltern-Kind-Kuren (1711/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend: alarmierende Investitionsschwäche erfordert dringendes Gegensteuern! (1712/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Schutz unseres Wassers (1713/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nisthilfen für Wildbienen (1714/A)(E)

Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Trans­parenz der Finanzen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (1715/A)(E)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit pro-TTIP-Propaganda an Schulen (1716/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesserte Anrechnung der Pensionszeiten pro Kind für die Kindererziehungszeit“ (1717/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einheitliche Zugangsrege­lungen für alle Studierenden“ (1718/A)(E)

Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbes­serung der sexuellen Aufklärung und Selbstbestimmung junger Frauen (1719/A)(E)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesver­fas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1720/A)

Tanja Windbüchler-Souschill, Dr. Josef Cap, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung des Friedensprozesses in der Ukraine (1721/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 10

Dr. Rainer Hable, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschieberegime ohne Militär­transportmaschinen (1722/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Gewerbeordnung an veränderte gesell­schaftliche Rahmenbedingungen – Rechtssicherheit für Gastgewerbebetriebe und Nachbarn (1723/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entscheidung des Amtsarztes bei behaupteter Minderjährigkeit im Asylverfahren (1724/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einschreiten gegen die Laufzeit­verlängerung des AKW Krško (1725/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verhinderung von Atomkraft-Förderungen aus Mitteln der EU (1726/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beauftragung einer Expertenkom­mission mit der Untersuchung der seismologischen und geologischen Situation bezüglich des AKW Krško (1727/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderbetreuungsgeld für mehrere Kinder – jedes Kind muss gleich viel wert sein“ (1728/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenter Umgang mit Zutaten- bzw. Wirkstoffen, welche in der Lage sind, die Gesundheit zu gefährden, krebserregend zu wirken oder Allergien auszulösen“ (1729/A)(E)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Transparenter Umgang mit Zutaten- bzw. Wirkstoffen, welche in der Lage sind, die Gesundheit zu gefährden, krebserregend zu wirken oder Allergien auszulösen“ (1730/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend ÖBB-Caterer Henry (9266/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Sachbeschädigung durch Sprayer „Puber“ (9267/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend verbesserte Aufklärung über Kaiserschnittgeburten (9268/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Umgang des KAV mit seinem Pflegepersonal (9269/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Subventionen von Biogasanlagen (9270/J)

Dr. Andreas F. Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Krankenanstaltenverbund Wien (9271/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit betreffend Schulden ausländischer Krankenkassen gegenüber österreichischen Krankenkassen, AUVA, SVA, BSVA und anderen Krankenanstal­ten­trägern (9272/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 11

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Projekte und Maßnahmen im Bereich des „e-Tourismus“ (9273/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Gratis Konzert“ – Inserat des BKA im „Standard“ am 4. Mai 2016 (9274/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Gratis Konzert“ – Inserat des BKA in „Heute“ am 3. Mai 2016 (9275/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Gratis Konzert“ – Inserat des BKA in „Österreich“ am 2. Mai 2016 (9276/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Kulturpass – Aktion „Hunger auf Kunst & Kultur“ (9277/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend das Bruno-Kreisky-Forum in der ÖBB-Montagehalle in Wien-Spittelau (9278/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Steigende Arbeitslosigkeit 2016/2017“ (9279/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Sozialhilfe für EU-Ausländer in Deutschland (9280/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend systematische Vertuschungspolitik seitens des ÖBB-Managements und den Semmering-Skandal (9281/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Einhaltung der Anforderungen des Entschließungsantrags des Nationalrats im Vorfeld der beabsichtigten Unterzeichnung von CETA (9282/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vertrag BK Kern mit ÖBB (9283/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend sinkenden Besuch durch Schulklassen in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen (9284/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend neue Berichtspflichten der StA und versteckte Weisungen (9285/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend zehn Mythen über TTIP im Unterricht (9286/J)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend staatliche Prüfstelle für Assistenz- und Therapiehunde (9287/J)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Die Grüne Krone“ (9288/J)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend akute Sicherheitsgefährdung durch Schienengüterverkehr im Ortskern von Guntramsdorf NÖ (9289/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 12

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Dauerbaustelle Bankenaufsicht (9290/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Frauenförderung im Ministerium (9291/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizistinnen (9292/J)

Erwin Preiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Berichte zu sexuellen Belästigungen durch alkoholisierte Flüchtlinge in Bruckneu­dorf (9293/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Kosten für Dolmetscher (9294/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Kosten für Dolmetscher (9295/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten für Dolmetscher (9296/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Kosten für Dolmetscher (9297/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Kosten für Dolmetscher (9298/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Dolmetscher (9299/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kosten für Dolmetscher (9300/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Kosten für Dolmetscher (9301/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Kosten für Dolmetscher (9302/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Kosten für Dolmetscher (9303/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Kosten für Dolmetscher (9304/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kosten für Dolmetscher (9305/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9306/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Cyberkriminalität – Hacker­angriffe auf Computersysteme des Bundes (9307/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 13

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computer­systeme des Bundes (9308/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Com­puter­systeme des Bundes (9309/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9310/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9311/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Cyber­kriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9312/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computer­systeme des Bundes (9313/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9314/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computer­systeme des Bundes (9315/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9316/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computer­systeme des Bundes (9317/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Cyberkriminalität – Hackerangriffe auf Computersysteme des Bundes (9318/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sachverständige (9319/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Sachverständige (9320/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sachverständige (9321/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Sachverständige (9322/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­ver­teidigung und Sport betreffend Sachverständige (9323/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Sachverständige (9324/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 14

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Sachverständige (9325/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sachverständige (9326/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Sachverständige (9327/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Sachver­ständige (9328/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Sachverständige (9329/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Sachverständige (9330/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sachverständige (9331/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Sprachkurse (9332/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Sprachkurse (9333/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Sprachkurse (9334/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Sprachkurse (9335/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sprachkurse (9336/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­ver­teidigung und Sport betreffend Sprachkurse (9337/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Sprach­kurse (9338/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Sprachkurse (9339/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Sprachkurse (9340/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Sprachkurse (9341/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Sprachkurse (9342/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 15

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Sprachkurse (9343/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Sprachkurse (9344/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Coaching (9345/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Coaching (9346/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Coaching (9347/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Coaching (9348/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Coaching (9349/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Coaching (9350/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Coaching (9351/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Coaching (9352/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Coaching (9353/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Coaching (9354/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Coaching (9355/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung und Frauen betreffend Coaching (9356/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Coaching (9357/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Reduzierung von Spitalsbetten im Bundesland Salzburg (9358/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Pendlerverkehr in Niederösterreich (9359/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend strahlenbelastetes Wildfleisch (9360/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Arbeitslosenquote (9361/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Kontrolle von Gefahrengut-Transporten (9362/J)

Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Glyphosat im Körper“ (9363/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit betreffend Alkoholsucht (9364/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 16

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Österreichisches Asylchaos – kein Ende in Sicht“ (9365/J)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mutmaßliche Ermordung der Maria E. durch den Kenianer Francis N. (9366/J)

 

 


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 17

09.05.28Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich wünsche Ihnen ein schönen guten Morgen und eröffne die 130. Sitzung des National­rates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Muchitsch, Amon, MBA, Johann Höfinger, Ing. Hackl, Mag. Hauser, Barbara Rosenkranz, Themessl und Doppler.

09.05.57Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Der Herr Bundeskanzler hat folgende Mitteilung gemacht:

„Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 18. Mai 2016 (…) den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer, die Bundesministerin für Frauen und Bildung Gabriele Heinisch-Hosek, den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Gerald Klug und die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag (…) Dr. Sonja Hammerschmid zur Bundesministerin für Bildung und Frauen, Landesrat Mag. Jörg Leichtfried zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und (…) Mag. Thomas Drozda zum Bundesminister ohne Portefeuille ernannt.

Weiters hat der Herr Bundespräsident (…) Mag. Muna Duzdar zur Staatssekretärin ernannt und sie dem Bundeskanzler zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben.“

*****

09.07.13Angelobung

 


Präsidentin Doris Bures: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Gerald Klug sowie Mag. Sonja Steßl jeweils das Mandat, welches sie aus Anlass ihrer Ernennung zu Mitgliedern der Bundesregierung beziehungsweise zur Staatssekretärin zurückgelegt haben, erneut zugewiesen wurde.

Damit sind die Abgeordneten Michael Ehmann, Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger und Hannes Fazekas aus dem Nationalrat ausgeschieden.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Schriftführer werden die neuen Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben. Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Buchmayr um die Verlesung der Gelöb­nisformel und den Namensaufruf.

 


9.08.10


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 18

Schriftführer Harry Buchmayr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Buchmayr leisten die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Gerald Klug und Mag. Sonja Steßl ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

 


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße die Abgeordneten sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Ver­tretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter wird durch den Bundes­minis­ter für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Rupprechter vertreten, wobei mir mitgeteilt wurde, dass diese Vertretung nur für den Vormittag gilt.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz wird mittags durch die Bundesministerin für Familie und Jugend Dr. Sophie Karmasin vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird, ORF III wird diese Sitzung live beziehungsweise ab circa 19.45 Uhr zeitversetzt übertragen.

09.09.40Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom Rednerpult der Abge­ordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen, die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten und jene der Zusatzfrage 1 Minute nicht über­steigen. Ich werde Sie wenige Sekunden vor Ende dieser Redezeit auch darauf auf­merksam machen.

Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Spindelberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Bundesminister! Seit ich hier im Hohen Haus bin, wird ständig erklärt, dass wir uns unseren Sozial- und Wohlfahrtstaat und insbesondere unser Pensionssystem nicht mehr leisten können. Durch diese Hiobsbotschaften ist die ganze Bevölkerung mehr als verunsichert, ob sie überhaupt noch eine staatliche Pension bekommt. Nun hat es meines Wissens den sogenannten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 19

Pensionsgipfel gegeben, und dazu hätte ich gerne Folgendes gewusst, in welcher Phase wir uns da befinden.

Meine Frage lautet daher:

212/M

„Wie wird die am Pensionsgipfel vom 29.02.2016 vereinbarte Maßnahme ‚Wieder­ein­gliederung nach langem Krankenstand‘, die einen Teil der Maßnahmen zur Erreichung des Zieles der langfristigen Sicherung des gesetzlichen Pensionssystems durch Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters und der Beschäftigungsquote Älterer darstellt, umgesetzt?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich kann Sie beruhigen, ich kann auch die Österreicherinnen und Österreich beruhigen. Wir haben seit 60 Jahren ein Pensionssystem, und in diesem Pensionssystem hat man immer pünktlich die Pen­sionen für ein Viertel der österreichischen Bevölkerung bezahlen können. Wir haben also den geschichtlichen Beweis erbracht, dass das österreichische umlage­finanzierte Pensionssystem funktioniert.

Wir haben tatsächlich beim Pensionsgipfel am 29. Februar 2016 vereinbart, Anpas­sungen vorzunehmen, es ist uns gelungen, sicherzustellen, dass wir das Prinzip Reha­bilitation vor Pension stärken. Es ist uns auch in der Vergangenheit gelungen, das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche anzupassen, dadurch haben wir Spielräume erarbeitet. Das sind – aus meiner Sicht – die entscheidenden Themen.

Wir haben ganz klar gesagt, dass wir Maßnahmen setzen wollen, wo Menschen, die in Beschäftigung stehen und für längere Zeit erkrankt sind, eine Wiedereingliede­rungs­maßnahme machen können, mit einem Wiedereingliederungsgeld. Das soll im Juli 2016 in Begutachtung gehen und wird freiwillig möglich sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Spindelberger.

 


Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Sie haben gerade gesagt, man sei auf dem richtigen Weg, das faktische an das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzu­gleichen, und wenn ich den Statistiken Glauben schenken darf, ist ja jetzt der Fall eingetreten, dass bei sämtlichen Pensionsneuzugängen, also wenn ich alle Pensions­versicherungsträger subsummiere, bei den Alters- und Invaliditätspensionen 2015 bereits ein sechs Monate höheres Antrittsalter gegeben war als noch 2014 – das entspricht einem faktischen Antrittsalter von 59 Jahren und 8 Monaten, innerhalb eines Jahres dann von 60 Jahren und 2 Monaten. Auf welche Maßnahmen ist das zurückzuführen? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.)

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, es ist so, dass wir eine Reihe von Maßnahmen gesetzt haben, zum Beispiel wurde beim Versicherungsfall der gemin­derten Arbeitsfähigkeit der Tätigkeitsschutz angehoben. Wir haben bei der Korridor­pension die Mindestversicherungszeit angehoben, mit 1.1.2016 ist eine neue, adap­tierte Langzeitversichertenregelung wirksam geworden. Da wurde für Männer das Antrittsalter auf das vollendete 62. Lebensjahr festgesetzt. All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir das faktische Pensionsantrittsalter haben anheben kön­nen.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 20

Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Neubauer.

 


Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesminis­ter! Im Rahmen des Pensionsgipfels hat sich ein Gremium, eine Enquete für Würde im Alter, Altern in Würde eingesetzt. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass es zahlreiche Maßnahmen braucht, um dieses Altern in Würde auch umzusetzen. Insgesamt würde die Umsetzung etwa 18 Millionen € kosten.

Deshalb meine Frage an Sie: Werden Sie an der Umsetzung dieser von der Enquete ausgearbeiteten Forderungen arbeiten beziehungsweise haben Sie auch schon Ge­spräche mit Ihrem Kollegen Schelling geführt, damit er die Gelder für diese Umset­zung, Altern in Würde, auch zur Verfügung stellt?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, das Thema Altern in Würde ist eine Querschnittsmaterie, die die Bundesländer betrifft, die auch im hohen Ausmaß das Gesundheitsministerium betrifft. In meinem Zusammenhang geht es da um die Frage: Wie können wir den Pflegefonds entwickeln? Wie können wir die Pflegeleistungen anbieten? Was kann man auch betreffend Rehabilitationsmaßnahmen tun? Wie kann man Menschen auch absichern, die Menschen im Alter pflegen?

Da hat es eine Reihe von Maßnahmen gegeben. Wir haben derzeit ganz intensive Diskussionen im Rahmen des Finanzausgleiches, wie wir den Pflegefonds fortsetzen wollen. Es geht auch darum, wie wir die Situation für Menschen, die eine Pflege­geldleistung bekommen, verbessern können. Alle diese Fragen sind sozusagen bereits auf dem Tablett, und es gibt dazu umfassende Diskussionen im Rahmen der Finanz­aus­gleichsgespräche.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 2. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Wöginger. – Bitte.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage beschäftigt sich mit der Mindestsicherung. Sie sind ja seit Wochen beziehungsweise Monaten in Verhandlungen mit den Bundesländern. Es geht dabei um die Neuauflage einer Vereinbarung mit den Bundesländern, einer sogenannten Artikel 15a-Vereinbarung. Wir haben da eine durchaus eigenartige Konstellation, auch durch Konzentrationsregierungen, auch was zum Beispiel mein Heimatbundesland Oberösterreich anbelangt. Es gibt dort einen SPÖ-Sozialreferenten und es gibt eine Mehrheit von ÖVP und FPÖ im Landtag.

Daher meine Frage:

208/M

„Welche Landeshauptleute und Landesfinanzreferenten haben aufgrund der mit Ihnen geführten Gespräche dem Erstentwurf des Sozialministeriums für eine neue Art. 15a-Vereinbarung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung ausdrücklich zugestimmt?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, wir verhandeln im Sozialministerium mit den zuständigen Vertretern der Landesregierungen. Ich kenne nicht jede österreichische Landesver­fassung, aber im Regelfall sind laut der Landesverfassung die Sozialreferenten zuständig. Wir haben Verhandlungsrunden, auch schon mein Vorgänger, mit den Sozial­referentinnen und -referenten geführt, und da hat es eine Zustimmung von 8


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 21

Bundesländern, nämlich Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Oberöster­reich, Wien und Burgenland, gegeben. Alle – und da hat es 9 Zustimmungen gegeben – Bundesländer haben klar gesagt, wir wollen die Artikel 15a-Vereinbarung über die Mindestsicherung fortführen. Und ich denke, das ist ein gutes Signal, das davon auch ausgegangen ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Wöginger.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Minister, ja, das ist unbestritten, dass die Artikel-15a-Vereinbarung fortgesetzt werden soll. Es geht um den Inhalt, wie diese Artikel-15a-Vereinbarung ausgestattet ist. Da gibt es eben einige Punkte, wo es Einigungen gibt, zum Beispiel eine stärkere Umstellung auf Sachleistungen, auch eine verbesserte Datenlage oder eine Art Wiedereinsteiger-Bonus für Menschen, denen man in den Job zurückhilft.

Aber es gibt natürlich auch Bereiche, wo wir noch unterschiedliche Meinungen haben, so zum Beispiel auch, dass man eine Begrenzung bei der Ausbezahlung der Mindest­sicherung einführt. Vergangenen Dienstag wurde von Professor Mazal, einem aner­kannten Arbeits- und Sozialrechtler, ein Gutachten vorgestellt, und er selber hat vor laufender Kamera auch bestätigt, dass es möglich ist, den Geldbetrag bei der Min­destsicherung zu begrenzen, zum Beispiel mit 1 500 €. Seitens meiner Fraktion gibt es ja diesbezüglich Vorschläge.

Wie stehen Sie dazu?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, man muss darüber reden, was die Funktion der Mindest­sicherung ist: Die erste Funktion der Mindestsicherung – diesbezüglich bin ich mir jedenfalls mit acht Sozialreferenten einig – ist, den Menschen Obdach zu geben, Obdachlosigkeit zu verhindern.

Die zweite Funktion von Mindestsicherung ist es, den Menschen, insbesondere den Kindern, Nahrung zu geben.

Die dritte Funktion von Mindestsicherung ist, dass man die Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Mitte der Gesellschaft holt. Das war früher mit der Sozialhilfe nicht der Fall. Mit der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Artikel 15a-Vereinbarung hat man gesagt: Wir wollen euch in die Mitte der Gesellschaft holen! Wir wollen, dass ihr arbeitet! Wir wollen, wenn ihr nicht unserer Kultur angehört, dass ihr euch integriert! Und wir haben diese Zielsetzungen in der jetzigen Verhandlung verstärkt und vertieft. – Das ist die dritte Funktion der Mindestsicherung, die noch verstärkt werden soll.

Die vierte Funktion der Mindestsicherung – da bin ich mir mit den Österreicherinnen und Österreichern einig – ist, dass wir Slums in Österreich verhindern wollen. Und wer das will, muss jetzt dafür eintreten, dass diese Artikel-15a-Vereinbarung verlängert wird. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Brückl.

 


Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister, jetzt haben Sie erläutert, wozu die Mindestsicherung dienen soll: Sie soll die Menschen vor Armut bewahren, sie soll die Menschen in die Mitte der Gesellschaft rücken und sie soll eine kurzfristige Hilfe sein, um Notsituationen überbrücken zu können.

Aber die Mindestsicherung darf ja kein arbeitsloses Dauereinkommen darstellen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 22

Sie sagen jetzt, dass Sie keine Obergrenze wollen, dass es keine Kürzungen geben soll. Sie wollen einen Vorschlag im Hinblick auf die Situation ab dem siebenten Kind.

Meine Frage, Herr Bundesminister: Wie wollen Sie dann diesem Trend entgegen­wir­ken, dass einerseits Bedarfsorientierte Mindestsicherung weiterhin wie ein Magnet auf sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge wirkt, beziehungsweise wie wollen Sie verhindern, dass hier Anreize geschaffen werden, dass Menschen sich lieber in die Mindest­sicherung anstatt in die Arbeit begeben?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter! Erstens: Ich sehe diesen Trend nicht.

Zweitens: Ich sehe viele Menschen, die in der Mindestsicherung sind, die gerne arbei­ten gehen würden. Wir haben auch das Problem, dass viele Personengruppen, die möglicherweise auch Probleme haben, in den Unternehmen nicht genommen werden. Daher geht es darum, Arbeitsmöglichkeiten für diese Zielgruppe zu schaffen. Das ist wichtig.

Wenn wir uns die Mindestsicherungsbezieher ansehen, dann sehen wir, dass zwei Drittel aller Mindestsicherungsbezieher sogenannte „Aufstocker“ sind. Das heißt, diese Menschen haben einen Arbeitsplatz, aber sie verdienen zu wenig auf diesem Arbeits­platz, daher erhalten sie eine Mindestsicherung, damit sie nicht unter die Armutsgrenze fallen. Die größte Zahl der Mindestsicherungsbezieher im arbeitsfähigen Alter haben also an sich eine Beschäftigung.

Und die durchschnittliche Dauer des Bezuges einer Mindestsicherung – die durch­schnittliche Dauer! – ist acht Monate. Das bedeutet, dass die Mindestsicherung eigent­lich die Funktion, die wir uns erwartet haben, auch gut erfüllt.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 3. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben jetzt gerade in der Beantwortung zur Mindestsicherung gesagt, dass viele Menschen einen Arbeitsplatz haben möchten.

Wir wissen, dass der Arbeitsmarkt seit vielen Jahren angespannt ist. Die Arbeits­losigkeit steigt, sie steigt aber auch überproportional bei Ausländern. Wir haben da ein, wie ich sagen würde, nicht ganz kleines Problem, wir haben nämlich jetzt das zu­sätz­liche Problem, dass schon sehr viele Ausländer hier im Land sind, die arbeitslos sind: 138 000 Arbeitskräfte sind entsendete beziehungsweise überlassene Arbeitskräfte, und das ist eine ganz große Zahl. Zudem drängen die Asylberechtigten jetzt natürlich immer mehr auf den Arbeitsmarkt. Es bekommen jetzt immer mehr Personen eine Asylberechtigung, wobei wir wissen, dass 70 Prozent minderqualifiziert sind, aber auch diese werden in einen Bereich drängen, wo es eben keine Arbeitsplätze gibt, und wenn wir uns die Statistiken anschauen, dann wissen wir, dass jemand umso eher in die Arbeitslosigkeit fällt, je weniger Ausbildung er hat.

Das heißt: Das sind enorme Herausforderungen für den Arbeitsmarkt.

Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang stelle ich jetzt die Frage:

205/M

„Was unternehmen Sie gegen die explodierende Ausländerarbeitslosigkeit in Österreich?“

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 23

Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete! Erstens: Es gibt keine explodierende Ausländerarbeits­losigkeit in Österreich! Aber es stimmt: Wir haben Druck auf alle Bereiche, was die Arbeitslosigkeit betrifft. Das ist ganz sicher so. Es handelt sich hiebei aber nicht um eine explosionsartige Entwicklung, sondern um eine ständige Entwicklung auf dem gesamten Arbeitsmarkt. – Wir haben natürlich zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich geschaffen, und zwar gar nicht so wenige. Es drängen aber sehr, sehr viele Menschen aus dem Inland auf den österreichischen Arbeitsmarkt, und auch Menschen aus dem Ausland.

Ich habe alle Instrumente des Arbeitsmarktservice, wie etwa Ausbildung oder richtiges Matching der Personen, zur Verfügung, und diese Instrumente werden natürlich für alle Personengruppen angewandt. Da geht es um Ausbildung, um Spracherwerb, auch um die Frage, wie man diese Menschen in einem Arbeitsprozess unterstützen kann. Und es geht auch um Lehrlingsausbildung. All diese Maßnahmen werden angewendet.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben ein Stichwort gesagt, nämlich dass es um Ausbildung geht.

Es gibt beziehungsweise gab vom AMS das sogenannte Fachkräftestipendium, das ursprünglich genau für minderqualifizierte Arbeitskräfte geschaffen wurde, und dieses wurde auch sehr gut angenommen. Genau diese Gruppe ist nämlich von Arbeitslosig­keit überproportional betroffen. Dieses Fachkräftestipendium wurde jetzt vom AMS sozusagen aufgrund der finanziellen Möglichkeiten eingestellt, weil es eben so stark in Anspruch genommen wurde.

Ich weiß, dass Sie – Sie haben das auch schon im Ausschuss gesagt – nicht wirklich ins AMS eingreifen können! Das AMS teilt selber ein. Aber werden Sie sich überlegen, auch gesetzliche Maßnahmen zu schaffen, dass genau diese Bereiche, nämlich diese Qualifizierung von ganz minder Qualifizierten, vom AMS weiter beziehungsweise stärker gefördert werden, anstatt dass solche Programme abgeschafft werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, ich setze mich für alle Maßnahmen ein, um da mehr zu tun. Ich halte es auch für wichtig, dass man Menschen, die noch im Beruf stehen, auch Chancen zur Ausbildung gibt. Im Hinblick darauf muss man die Frage stellen: Was substituiert das AMS, und wo nehmen Unternehmen ihre Verantwortung wahr, um diesen Menschen auch Ausbildung zukommen zu lassen? Auch da braucht es Anstrengungen. Aber ich halte es auch für richtig, dass das AMS wiederum Schritte in diese Richtung setzt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Schellhorn.

 


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Geschätzter Herr Minister, Sie sind ja Praktiker, wie wir seit gestern wissen. Insofern erwähne ich jetzt die Stichworte „Jugend­arbeitslosigkeit“ und „Lehrlinge“. Auf der einen Seite haben wir zum Beispiel im Bezirk Pongau 300 offene Lehrstellen und nur 30 Lehrstellensuchende. Auf der anderen Seite gibt es in ganz Österreich an die 6 000 unbegleitete Jugendliche, die vor allem dementsprechend in den Lehrlingsmarkt integriert werden könnten.

Wie schauen Ihre Maßnahmen aus, dass man vor allem im Lehrlingsbereich auch die unbegleiteten Jugendlichen integrieren kann? Haben Sie spezielle Vorschläge? Wie schaut Ihr Maßnahmenkatalog aus?

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 24

Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, ich halte den Ansatz für sehr wichtig, dass man unbe­gleitete Jugendliche, die in Österreich um Asyl angesucht haben, ganz besonders integriert und sich um diese Personengruppe entsprechend kümmert. Ich bin sehr froh, wenn es Unternehmen gibt, die diesen Jugendlichen auch eine Ausbildung zukommen lassen.

Der erste Schritt, den die Bundesregierung gesetzt hat, ist, dass wir gerade für diese Zielgruppe die Deutschkenntnisse in den Vordergrund stellen. – Das ist der erste Schritt. Diesbezüglich haben wir vor 14 Tagen auch eine klare Festlegung getroffen.

Der zweite Schritt ist, dass man diese Zielgruppe für eine Lehrlingsausbildung zulässt. Dazu braucht es zahlreiche Maßnahmen.

Ein dritter Schritt wird die Diskussion der Frage – auch hier im Parlament – sein, wie wir mit dem Ausbildungspflichtgesetz umgehen und auch für diese Zielgruppe nach­drücklich sagen: Wir wollen euch weg von der Straße haben! Wir wollen, dass ihr euch in Österreich integriert! – Unter diesem Aspekt sind die Lehrlingsausbildung und die Teilnahme in einem Betrieb eine wichtige Maßnahme, die ich unterstützen werde.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Vogl.

 


Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, einer aktuellen Studie zufolge glauben 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung, dass Zugewan­derte mehr Sozialleistungen erhalten, als sie zur Finanzierung der Leistungen beitragen. Die Meinung, AusländerInnen seien NettoempfängerInnen von Sozialleis­tungen, ist Österreich im Europavergleich am stärksten ausgeprägt.

Eine Analyse, die von Ihrem Ressort gemeinsam mit dem Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung durchgeführt wurde, geht dieser Frage nach und zeigt, wieviel an sozialstaatlichen Leistungen AusländerInnen im Vergleich zu Öster­reicherInnen erhalten und wieviel sie an Sozialbeiträgen zahlen.

Können Sie mir sagen, ob diese immer wieder strapazierten Aussagen den Tatsachen entsprechen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, es ist leider so, dass in der öffentlichen Diskussion immer etwas anderes symbolisiert oder gezeigt wird, als der Realität entspricht. Der Realität entspricht, dass AusländerInnen mehr in das österreichische Sozialsystem einzahlen, als sie an Geldleistungen herausbekommen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wie bitte? – Abg. Stefan: Jetzt müssen Sie aber selbst schmunzeln, Herr Minister!) Ausländerinnen und Ausländer zahlen mehr ins österreichische Sozialsystem hinein, als sie hinausbekommen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das nehmen Sie aber selbst nicht ernst!)

Das bedeutet: Während ÖsterreicherInnen um 7,1 Milliarden € mehr an Geldleistungen bekommen, als sie einzahlen, dreht sich dieses Verhältnis bei Ausländern um. Diese zahlen um 1,6 Milliarden mehr ein, als sie insgesamt an Geldleistungen zurückbe­kommen.

Ich glaube, ganz entscheidend ist, dass es, unabhängig von der Staatsbürgerschaft, Lebensphasen gibt, in denen Menschen überwiegend Nettozahler sind, nämlich zum Beispiel in der Erwerbsphase, und andere Lebensphasen, in denen sie auf Sozialleis­tungen angewiesen sind.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 25

Wir gehen mit Menschen gleich um, und das halte ich für ganz wichtig. Wir behandeln die Menschen, die in Österreich leben, nach gleichen Regeln hinsichtlich ihres Beitrags zur Finanzierung des Sozialstaates.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Nachbaur.

 


Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Es wurde gerade über die hohe Arbeitslosigkeit unter Ausländern ge­sprochen. Ich interessiere mich aber besonders auch für die hohe Arbeitslosigkeit der Inländer. Wir haben ja eine Rekordarbeitslosigkeit, wie Sie sicherlich wissen, und entgegen dem Trend aller anderen EU-Staaten wird sie auch 2017 weiterhin ansteigen. Ein riesiges Problem ist natürlich, dass der Wirtschaftsstandort Österreich unattraktiv geworden ist, und es ist auch so, dass nur Unternehmer tatsächlich wertschöpfende Arbeitsplätze schaffen können.

Wir müssen jetzt also dringend bei einem Bürokratieabbau ansetzen. Es herrscht eine unerträglich gewordene Regulierungswut. Dazu habe ich auch eine schriftliche Anfrage an Sie, Herr Minister, gestellt, nämlich, wie Sie sich vorstellen, diesen wiehernden Amtsschimmel, insbesondere im Hinblick auf teils weltfremde Arbeitsinspektoren, abzubauen.

Meine konkrete Frage lautet: Welche Vereinfachungen und Erleichterungen für Unter­nehmer werden Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums innerhalb der nächsten Monate umsetzen, damit die Wirtschaft nicht länger durch Vorschriften und Bürokratie gelähmt wird und damit endlich Wachstum und Beschäftigung wieder in Schwung kommen? Das müsste ja gerade für Sie als Sozialminister von besonders großem Interesse sein!

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, meiner Überzeugung nach ist es tatsächlich ganz entscheidend, jene Menschen zu stärken, die die Wertschöpfung schaffen, nämlich die Arbeiter, Angestellten und Beamten in Österreich. Diese schaffen mit ihrer Arbeit Wertschöpfung, und es ist ganz entscheidend, diese zu stärken.

Wenn es entsprechende bürokratische Maßnahmen gibt, dann muss man diese durchaus angehen. Ich bin aber sehr vorsichtig mit dem „Kofferbegriff“. Ich wähle bewusst die Bezeichnung „Kofferbegriff“, denn keiner kennt den Inhalt von Bürokratie­abbau. – Sagen Sie, was Sie damit meinen! Dann können wir darüber reden und uns damit sachlich auseinandersetzen. Ich verwahre mich aber dagegen, dass man gene­rell Arbeitsinspektoren beschimpft und sie als weltfremd bezeichnet! Darunter sind nämlich sehr viele Personen, die anderen Menschen das Leben retten. Es sind oft die Arbeitsinspektoren, die sich darum kümmern, dass die Gerüste kontrolliert werden und dass auf Baustellen gute Arbeit geleistet wird, und ich danke der österreichischen Industrie und den österreichischen Betrieben, die das verstanden haben und das Service der Arbeitsinspektionen sehr gerne wahrnehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 4. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Mag. Schatz. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister, Sie haben es selbst heute schon gesagt: Derzeit sind in Österreich mehr Menschen als je zuvor in Beschäftigung, allerdings sehr viele auch unfreiwillig in Teilzeitbeschäftigung. Sie können vom Einkommen ihrer Arbeit nicht leben. Über 420 000 Menschen suchen Arbeit, sind also erwerbsarbeitslos.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 26

Auf der anderen Seite arbeiten die Leute in Österreich länger als in vielen anderen europäischen Staaten, im Schnitt über 42,5 Stunden. Viele dieser Mehrstunden werden nicht durch Zeitausgleich oder finanziell abgegolten.

Auch die große Zahl der All-In-Verträge hat in den letzten Jahren zu einem Anstieg der tatsächlichen Arbeitszeit geführt.

Meine Frage an Sie lautet deshalb:

215/M

„Welche Schritte planen Sie, um eine gerechtere Verteilung der Arbeit auf die Men­schen, die Arbeit brauchen, zu erreichen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, es ist tatsächlich so, dass wir wirklich die längste Wochenarbeitszeiten in der Europäischen Union.

Es gibt verschiedene Ansätze der Arbeitszeitumverteilung. Ich glaube, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen, wie wir die Work-Life-Balance neu gestalten und gerade auch im Dienstleistungssektor die Frage der Work-Life-Balance besser in den Griff bekommen können. Neben den allgemeinen Formen von Arbeitszeitverkürzung geht es, wie ich glaube, um das Thema, Freizeitoptionen in den Betrieben zu ent­wickeln, beziehungsweise um die Frage, was wir mit der sechsten Urlaubswoche tun können.

Wir müssen uns auch Gedanken über lebensphasenspezifische Arbeitszeitpolitik machen. Auch diese Fragen sind ein wichtiger Teil der Debatte. Im Bereich der Arbeits­marktpolitik ermöglichen Instrumente wie zum Beispiel Bildungskarenz oder Bildungs­teilzeit auch Auszeiten, die das Arbeitskräftevolumen reduzieren, und ich denke, in dieser Hinsicht muss man mehr tun.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Das klingt recht gut, war aber noch nicht so ganz konkret.

Der Arbeitsmarktklimaindex sagt, dass die Leute definitiv kürzer arbeiten wollen. 34 Stunden wären ein gutes Maß. Sie haben selbst gesagt, dass der ÖGB diesen Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung in der Vergangenheit auch immer wieder aufge­griffen hat. Die sechste Urlaubswoche ist ein Stichwort.

Gott sei Dank, wie ich jetzt einmal sage, kam aber im vergangenen Jahr wirklich auch noch stärker die Forderung nach einer Kürzung der Normalarbeitszeit. – Sie sind ein gewerkschaftsnaher SPÖ-Minister: Wie gehen Sie damit um, dass diese Regierung in der Vergangenheit kontinuierlich Maßnahmen gesetzt hat, die zu einer faktischen Aus­dehnung der tatsächlichen Arbeitszeit geführt haben und noch führen werden, dass Sie aber jetzt gleichzeitig doch eine eventuelle Unterstützung der Arbeitszeitverkürzung ankündigen? Wie gehen Sie mit diesen vielen unterschiedlichen Richtungen um?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, ich kann mich an keine Maßnahme erinnern, die zu einer Ausweitung der Arbeitszeit insgesamt geführt hat, wenn man davon absieht, dass man das Prinzip, gesund in Pension zu gehen, beachtet. Das hat tatsächlich zu einer Erhöhung des Arbeitskräfteaufkommens geführt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 27

Insgesamt geht es um eine Verringerung beziehungsweise eine Einhaltung der Arbeitszeit. Entsprechende Maßnahmen sind gesetzt worden. Das kann man auch feststellen, wenn man etwa an die Diskussionen rund um die Ärztearbeitszeit denkt.

Wir haben uns zum Beispiel auch die All-In-Verträge kritisch angesehen und ent­sprechende Maßnahmen getroffen, um entsprechende Grundlagen zu schaffen. – Diesbezüglich hat es also viele Maßnahmen gegeben,

Es ist tatsächlich so, dass viele Menschen vor lauter Arbeit keine Zeit zum Atmen finden, und daher ist es wichtig, dass auch das Thema der sehr langen Arbeitszeit anzugehen ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 5. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Mag. Loacker. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich komme jetzt vom Arbeitszeitverkürzungsplaneten der Kollegin Schatz, wo die Arbeitszeit von Ärzten auf arbeitslose Hilfsarbeiter umverteilt wird, zurück ins wirkliche Leben.

Die Pensionsdebatte begleitet Sie in Ihrem Amt, seitdem Sie es innehaben, und die Ersatzraten der Pensionisten geben wesentliche Auskunft darüber, wie viel Einkom­men zur Verfügung steht, um den Ruhestand zu bewältigen. Das Sozialministerium weist die Nettoersatzrate mit 79 Prozent aus, und wenn die Regierung weiterhin daran scheitert, die steigende Lebenserwartung auch im Pensionssystem abzubilden, dann heißt das, dass die Menschen immer länger in Pension sein werden und sich somit schon rein finanziell auch die Ersatzrate irgendwie nach unten bewegen muss.

Meine Frage lautet:

207/M

„Wie hoch waren die Nettoersatzraten in der Pensionsversicherung für Pensions­neu­zugänge des Jahres 2015?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen Zahlen aus dem Jahr 2015 nicht nennen, weil diese noch nicht vorliegen. Ich kann Ihnen aber jene aus dem Jahr 2014 nennen: Die Nettoersatzrate für Arbeiter und Angestellte bei Bezug einer Direktpension lag bei 79 Prozent, wobei Männer einen Wert von 81,5 Prozent aufweisen und Frauen einen Wert von 77,2 Prozent.

Die Ersatzrate bei den Alterspensionen liegt bei 80,6 Prozent, wobei auch da Männer mit 84,9 Prozent einen höheren Wert haben als Frauen mit 78,2 Prozent. Anders sieht es bei der Invaliditätspension aus, dort liegt die durchschnittliche Ersatzrate bei 74,5 Prozent, wieder mit dem Ergebnis, dass Männer 76 Prozent Ersatzrate haben und Frauen 71,9 Prozent.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Auf der Homepage des Ministeriums gibt es aber auch eine Tabelle, aus der hervorgeht, dass die Ersatzrate derzeit bei 44 Prozent liege und sich bis 2060 auf 34 Prozent zurückentwickle.

Wie erklären Sie sich die unterschiedlichen Zahlen in Ihrem eigenen Ministerium? Und wie sehen Sie die notwendigen Maßnahmen aus diesem absehbaren Rückgang der Ersatzrate?

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 28

Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Ich kann diese Zahlen nicht bestätigen. Es geht darum, dass es verschie­dene Untersuchungen und auch unterschiedliche Modelle gibt, wie man diese Zahlen berechnet. In einem Pensionsreport der Europäischen Kommission erzielt Österreich nach deren Berechnungsart eine Ersatzrate von 85,1 Prozent im Jahr 2013. Darin wird für das Jahr 2053 – also 40 Jahre später – mit einer Nettoersatzrate von 86,1 Prozent gerechnet. Wenn Sie sich die Geschichte ansehen, werden Sie feststellen, dass wir dieses Pensionssystem seit 1957 haben und dass es sich immer positiv für die Men­schen entwickelt hat.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 6. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Dietrich. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Herr Minister! In Österreich haben wir ein System, in dem es Personen gibt, die, obwohl sie ein Leben lang hart gearbeitet haben, zum Beispiel als Friseurin oder als Verkäuferin, am Ende des Tages eine sehr niedrige Pension haben, oft gerade knapp über dem Richtsatz für die Ausgleichszulage. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sehr wenig in das Sozialsystem eingebracht haben, die aber mit dieser geringen Eigen­leistung dank der Ausgleichszulage doch zu einer höheren Pension kommen und aufgrund dessen, dass sie Ausgleichszulagenbezieher sind, viele Vergünstigungen haben –Rundfunkgebührenbefreiung, Rezeptgebührenbefreiung und vieles andere mehr.

Am Ende des Tages haben also jene, die wenig dazu beigetragen haben, in Summe vielleicht sogar mehr als jemand, der sich seine Pension selbst gezahlt hat.

Aus diesem Grund stelle ich folgende Frage:

211/M

„Haben Sie vor, das Pensionssystem im Sinne von Fairness dahin gehend zu verän­dern, dass Personen, die trotz einer jahrelangen Eigenleistung und Eigenverantwor­tung nur im niedrigen Pensionsbereich angesiedelt sind, einen Vorteil gegenüber denen haben, die nichts eingezahlt haben?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete! Erstens: Wenn jemand in das österreichische Pensions­system nichts einbezahlt, bekommt er auch keine Pension – das ist ganz wichtig. Wir haben viele Kriterien, die die Pensionshöhe regeln. Wir haben mit der Einführung des allgemeinen Pensionskontos auch sehr genau darauf geschaut, dass jeder, der ein Jahr lang einzahlt, eine Pension von 1,78 Prozent seiner Bemessungsgrundlage be­kommt. Das heißt, wir haben dieses System sehr transparent und sehr klar umgestellt. Das Problem, das Sie beschreiben, ist ein Problem der viel zu niedrigen Löhne und vor allem ein Problem von Frauen, die in die Falle von Teilzeitbeschäftigung geraten.

Auch da brauchen wir in Zukunft Maßnahmen, die Altersarmut tatsächlich verhindern. Das Instrument, das Altersarmut derzeit verhindert, ist die Ausgleichszulage. Wir haben im Zuge des Pensionsgipfels auch Überlegungen angestellt, die Ausgleichs­zulage für Personengruppen, die lange teilzeitbeschäftigt waren, auf 1 000 € zu erhöhen.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 29

Abgeordneter.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Kollegin hat gerade die Frage nach einem fairen Pensionssystem gestellt. Es bestehen in der Bevölkerung mittlerweile auch Sorgen betreffend eine Zweiklassenmedizin und in weiterer Folge auch eine Zweiklassenernährung – das betrifft dich als Sozialminister, der du auch für Ernährung zuständig bist –, nämlich super-gestreichelte Super-bio-Nahrung für die reichere Bevölkerung und No-name-Fastfood für die breite Masse.

Gutes und gesundes Essen muss nicht teuer sein: Wie wäre es nach deinem Dafür­halten, wenn wir das längst vertagte Qualitätsgütesiegelgesetz umsetzen, damit wir der breiten Bevölkerung faire, regionale österreichische Nahrung anbieten können?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Ihr seid zwei Jahre zu spät dran! Das war meine Aufgabe im Gesundheits­bereich, das liegt zwei Jahre zurück. Ich kann nur sagen: Dafür ist die Gesundheits­ministerin zuständig. Ich sage aber ganz deutlich: Gesunde Ernährung ist immer gut und wichtig. Ich habe sehr viel dafür getan, dass man in Österreich gesunde Ernährung besser an die Frau/an den Mann bringt.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur 7. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Königsberger-Ludwig. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist das letzte soziale Sicherungsnetz in Österreich. Neben der Absicherung von Menschen in sehr schwierigen Lebenssitua­tionen ist die BMS vor allem auch dazu da, Menschen wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, weil – und davon sind wir überzeugt – Erwerbsarbeit und Erwerbseinkom­men die beste Absicherung gegen Armut sind.

Meine Frage lautet daher:

213/M

„Wie kann es angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen gelingen, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung künftig noch stärker als bisher als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt wirken kann?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist tatsächlich ein Erfolg. Wir haben viele Dinge geschafft, wenn auch nicht alles. Daher ist mir diese Auseinandersetzung um die Bedarfsorientierte Mindestsicherung so wichtig. Wir haben in dem Zeitraum 113 000 Arbeitsaufnahmen von Personen, die eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung brauchen, geschafft. Ich halte das für den richtigen Schritt. Wir haben diese Elemente jetzt in der Diskussion mit den Landessozialreferenten gestärkt, nämlich hinsichtlich der Frage, wie man Arbeitsmarktintegration verbessern kann.

Da geht es auch um die Pflicht zur Arbeit, und da geht es auch darum, dass man Menschen, die nicht arbeitswillig sind, die Mindestsicherung wegnimmt, dass man sich mit ihnen auch auseinandersetzt. Wir haben unter anderem auch den EinsteigerInnen-Bonus geplant, der es ermöglicht, dass es attraktiv ist, wieder arbeiten zu gehen. Es geht auch darum, Lehrabschlüsse nachzuholen, auch über das 18. Lebensjahr hinaus, und wir haben mit den Ländern einige Modellprojekte mit Hilfestellungen zum Arbeits­einstieg für BMS-BezieherInnen vereinbart.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 30

Insgesamt hat das AMS für Maßnahmen für BMS-BezieherInnen im Jahr 2015 145 Mil­lionen € ausgegeben. Ich halte das für einen wichtigen Schritt.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Wiederholt wurde in den vergan­genen Jahren unter anderem auch seitens des Rechnungshofes festgestellt, dass die Datenlage im Bereich der Bedarfsorientierten Mindestsicherung stark verbesserungs­würdig ist, weil die Vergleichbarkeit und auch die Verwendbarkeit der Daten einfach sehr problematisch ist. Welche Fortschritte sind mit der neuen Artikel-15a-Verein­barung in diesem Bereich zu erwarten?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, das ist ein wichtiges Thema. Der Rechnungshof hat recht. Wir haben im Rahmen der Artikel-15a-Vereinbarung eine eigene Unterarbeits­gruppe zum Thema Statistik eingerichtet, und sie hat auch ein Ergebnis gebracht, an dem auch Mitarbeiter des Rechnungshofes mitgewirkt haben. Planmäßig soll die Statistik der Bedarfsorientierte Mindestsicherung ab dem Jahr 2017 umgestellt werden.

Da geht es darum, dass man in Hinkunft Einzeldaten an die Statistik Austria über­mittelt, sodass man bessere Informationen zu den Bezieherinnen und Beziehern hat. Da geht es um Daten wie Staatsbürgerschaft, Voll- oder Teilzeitbezug oder Einkom­mensdaten. Es geht auch darum, dass in Zukunft Register- und Verwaltungsdaten ver­knüpft werden können, und es soll darüber hinaus die jährliche BMS-Statistik früher vorliegen. Damit können wir besser steuern, besser zu den Zielen kommen und den Menschen besser helfen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur 8. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Mag. Aubauer. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Herr Minister! Es geht in meiner Anfrage um ein ernstes Thema. Wir erleben eine dramatische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Immer mehr Menschen können aufgrund psychischer Erkrankungen ihren Job nicht mehr ausüben. Bereits 64 Prozent aller Anträge auf Invaliditätspension erfolgen aufgrund psychischer Erkrankungen. Da braucht es Hilfe: mehr Früherkennung, eine bessere Betreuung und dann auch einen sanfteren Wiedereinstieg in den Job, Teil-Arbeitsfähigkeit – Maß­nahmen, wie sie ja am Pensionsgipfel am 29. Februar schon vereinbart wurden.

Herr Minister, wann rechnen Sie damit? Wann legen Sie einen Gesetzentwurf dazu vor –auch zur Reform der Invaliditätspension?

*****

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 209/M, hat folgenden Wortlaut:

„Bis wann werden Sie einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der wichtigsten Ergebnisse des Pensionsgipfels Ende Februar zur verbesserten Anrechnung von Kindererzie­hungszeiten und der Reform des Rehabgeldes mit Teil-Arbeitsfähigkeit ausarbeiten?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, die Wiedereingliederung nach langem Krankenstand


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 31

wurde tatsächlich vereinbart. Dieses Thema ist mir wichtig. Das braucht auch eine gute Diskussion. Ich habe vor, jedenfalls bis spätestens Juli 2016 zu diesem Thema einen Gesetzentwurf in Begutachtung zu schicken. Was die Pensionsreform im engeren Sinne betrifft, gehe ich davon aus, dass wir das im Herbst 2016 diskutieren und ab­schließen können.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Beim Pensionsgipfel wurden ja auch wichtige Verbesserungen für Frauen vereinbart, und zwar eine bessere und pensions­begründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten, nämlich für Frauen, die ab 1955 geboren wurden. Da geht es um Frauen, die Österreich mit aufgebaut haben. Manche von ihnen, viele von ihnen würden dadurch einen eigenen Pensionsanspruch erwerben. Könnte man diese Maßnahme aufgrund der Dringlichkeit herauslösen und schon früher verwirklichen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, diese Felder brauchen eine gute Diskussion, und die Ergebnisse daraus müssen auch akzeptiert und umgesetzt werden können. Ich habe vor, dass wir im Zusammenhang mit Kindererziehungszeiten auch im Zusammenhang mit dem neuen Allgemeinen Pensionsgesetz alle Versicherungszeiten in den Blick nehmen. Damit ergeben sich positive Veränderungen für die Zielgruppe. Mein Ziel ist es auch, dass Menschen Eigenpensionen haben, dass sie selbständig sind und einen eigenen Schutz haben. Den Herbst werden wir jedenfalls noch für die interne Dis­kussion brauchen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 9. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Wurm. – Bitte.

 


Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Minister, ein Thema, das Österreich seit einigen Wochen sehr stark beschäftigt, ist folgendes: Es gibt offensichtlich konkrete Pläne und Vorhaben von Banken, für Bankomatabhebungen Gebühren einzuheben.

Deshalb meine Frage:

206/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie gegen die Einführung der Bankomatgebühren?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter! Erstens halte ich diese erfundenen Zusatzgebühren für nicht statthaft. Ich habe sehr klar und deutlich gesagt, dass Konsumentinnen und Kon­su­menten einen Vertrag mit ihrer Bank haben, der besagt, dass sie die Kosten der Behebung im Zusammenhang mit der Kontoführungsgebühr bereits bezahlen. Das ist natürlich unterschiedlich, jeder hat einen anderen Vertrag, aber ich habe als Konsumentenschutzminister darauf hingewiesen, dass Verträge einzuhalten sind. Bei Verträgen gibt es immer zwei Partner, und das haben sich diese beiden Partner auszu­machen.

Zuzulassen, dass zusätzliche Gebühren erfunden werden und dann gesagt wird, das sei etwas Neues, dazu war ich nicht bereit. Ich bin sehr froh darüber, dass die Bundesregierung insgesamt sehr klar gesagt hat: Liebe Banken, das ist nicht im Interesse der Kundinnen und Kunden, und da schauen wir sehr genau drauf! Auch mein Kollege Schelling hat sehr schnell reagiert und mit den Banken Klartext ge-


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sprochen. Ich werde weiter Klartext sprechen und alle Instrumente nutzen, um die Position der Kundinnen und Kunden zu stärken.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Das gilt, wenn ich Sie richtig verstehe, für bestehende Vereinbarungen mit Banken. Was ist aber bei neuen Verträgen, wenn man zum Beispiel die Bank wechselt und ein neues Konto eröffnet? Kann da die Gefahr bestehen, dass dann in diesem Fall die Bank rechtliche Möglichkeiten hat, Bankomat­gebühren einzuheben? Können Sie garantieren, dass in Österreich in den nächsten Wochen und Monaten diese Bankomatgebühren nicht doch über die Hintertür einge­führt werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, ich kann nicht garantieren, dass Personen mit Banken Verträge mit einem anderen Inhalt abschließen. Das könnten auch Unternehmen sein. Da gibt es so etwas wie Vertragsfreiheit. Aber was es nicht geben kann, ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten über den Tisch gezogen werden. Sie haben in diesem Haus vor drei Wochen das Verbraucherzahlungskontogesetz beschlossen, und darin haben wir die Gebühren für Basiskonten festgehalten. Damit haben wir Maß­nahmen gesetzt, dass sich Kundinnen und Kunden auf eine Basis einigen können und bei der Kontoführung Höchstbeträge haben. Wir werden dieses Feld auch noch stärken, aber von unserer Seite ist da schon einiges getan geworden.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Lueger.

 


Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Die Bankomatgebühren haben uns ja schon im letzten Konsumentenausschuss und auch schon davor beschäftigt. Wir wissen aber auch, dass die Schwierigkeit darin besteht, dass ja die Bankomaten nicht immer im Eigentum der Banken sind. Das macht ja diese Diskussion dann so schwierig. Es gibt ja noch zwei große Firmen – First Data und Euronet –, die zusätzlich Bankomaten betreiben, wobei dann natürlich auch Gebühren anfallen. Soweit ich informiert bin, ist Österreich eines der letzten Länder innerhalb der EU, in dem das nicht so ganz klar geregelt ist. Es gibt ja auch innerhalb von Österreich Banken – und ich glaube, das ist auch der Grund, warum Herr Kollege Wurm das so stark vorantreibt –, wie etwa die Raiffeisen-Landesbank Tirol, die Bankomatgebühren einheben.

Daher noch einmal die Frage an Sie: Welche Maßnahmen setzen Sie, damit die Ein­führung der Bankomatgebühr nicht kommt?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Ich habe es schon gesagt: Mir geht es darum, ganz klar darauf hinzuweisen, dass das erstens mit den Kundinnen und Kunden zu vereinbaren ist.

Zweitens haben wir uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, wie wir kartellrechtlich gegen diese Maßnahmen vorgehen können. Das werden wir alles prüfen.

Drittens haben wir wie immer den VKI beauftragt, mit Verbandsklagen zu reagieren, wenn zulasten von Konsumentinnen und Konsumenten einseitig Verträge verändert oder gebrochen werden. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass die Kammern für Arbeiter und Angestellte einen Bankenrechner zur Verfügung stellen. Es ist sinnvoll, da einmal die Konditionen zu vergleichen. Wir haben auch ermöglicht, dass es einen leich­teren Umstieg gibt.


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Insgesamt ist mir aber Folgendes wichtig – ich sage das sehr deutlich –: Als ich das erste Bankkonto eröffnet habe, habe ich keine Bankgebühren bezahlt. Das war 1975, und da sind mir gegenüber am Schalter noch Menschen gesessen. Die Bankdirektoren haben seit damals erklärt, es müsse kostengünstiger werden, und haben alles an Automaten ausgelagert. Die Banken können sich das leisten, und daher brauchen sie diese Kosten nicht auf die Konsumenten abzuwälzen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Fichtinger.

 


Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! In den vergan­genen Jahren waren ja die Zinsen sehr niedrig. Welchen finanziellen Vorteil haben jetzt KonsumentInnen oder KundInnen, wenn sie einen Wohnkredit in Anspruch nehmen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Ich bin nicht der zuständige Minister fürs Kreditwesen, aber es ist natürlich so, dass das auch Auswirkungen auf die Wohnsituation hat, wenn es bessere Kon­ditionen auf dem Zinsenmarkt gibt, dass die Konsumentenkredite dadurch auch güns­tiger werden und dass es leistbarer wird, zu Wohnraum zu kommen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 10. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Mag. Schwentner. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Minister! Wie Sie wissen, ist mir der Pflegebereich ein großes Anliegen. Die letzten Zahlen weisen darauf hin, dass es beim Pflegegeld zu einem Rückgang gekom­men ist. Das ist nicht zuletzt der Reduktion beziehungsweise dem erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 geschuldet. Wir wissen trotzdem, dass gerade im Pflege­bereich große Herausforderungen auf uns zukommen.

Wir wissen, dass 80 Prozent der Pflegeleistungen durch pflegende Angehörige geleis­tet werden, dass die 24-Stunden-Betreuung eine enden wollende Lösung ist, die quasi gewährleistet, dass wir diese Herausforderungen meistern. Es steht im Zuge des Finanz­ausgleiches die Neugestaltung des Pflegefonds vor der Tür.

Meine Frage lautet daher:

216/M

„Das Finanzministerium schlägt im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen einen Kostendämpfungspfad für die Pflege vor. – Was werden Sie unternehmen, um zu verhindern, dass es in der Folge des Finanzausgleiches zu weiteren Hürden im Zugang zum Pflegegeld kommt?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, das muss man trennen. Erstens: Das Pflegegeld ist eine Bundesleistung, sie hat im Finanzausgleich keine Relevanz; das ist durch das Bundesfinanzgesetz auch abgesichert. So wie wir das gestern beschlossen haben, ist das auch für die kommenden Jahre gesichert. Wir haben ganz klar gesagt, das ist der Beitrag.

Im Zuge des Bundesfinanzausgleiches gibt es eine Diskussion: Wie hoch ist der Beitrag der Länder zur Finanzierung dieses Pflegegeldes, also das Äquivalent, das wir dafür bekommen, dass wir auch die Landespflegegeldkosten übernommen haben? – Das ist finanzausgleichsabhängig. Da gibt es Diskussionen.


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Was den vom Bundesministerium für Finanzen angedachten Ausgabenpfad betrifft, trifft das nur auf Sachleistungen zu. Da hat sich die Bundesregierung klar dazu be­kannt, dass wir den Pflegefonds auch über das Jahr 2018 hinaus fortsetzen werden. Das ist derzeit Gegenstand einer intensiven Diskussion im Rahmen der Finanzaus­gleichsverhandlungen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Schwentner.

 


Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Im Zusammenhang mit dem Pflegefonds kann man sagen, das war durchaus ein Erfolgsprojekt, aber es gibt viele Dinge, die gerade im Pflegefonds nachjustiert werden sollten. Wir wissen, dass es bei der Tarifgestaltung, beim Personalschlüssel, auch darin, dass es zwischen stationärer Pflege und der Pflege und Betreuung zu Hause große Lücken im Bedarf gibt, gerade in der mobilen Pflege oder teilstationären Pflege, Herausforderungen gibt.

Mich würde interessieren: Was sind da für Sie die größten Herausforderungen bezie­hungsweise was wollen Sie ändern, um an diesen Schrauben effizient zu drehen und auch zu gewährleisten, dass zwischen Eisenstadt und Bregenz der Pflegebereich annähernd vergleichbar ist?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, da ist es mir schon wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir den Pflegefonds deshalb geschaffen und auch aus einer Bankenabgabe heraus finanziert haben; diese ist in die Pflege gegangen. Das ist mir auch ganz wichtig.

Wir haben natürlich im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen und auch der Vereinbarungen zwischen den Bundesländern Interesse daran, dass wir gleiche Qualitäten in ganz Österreich haben. Das diskutieren wir. Ich hätte gerne ein Trans­parentmachen von Qualitäten. Da ist auch der Pflegeschlüssel ein Thema. Da geht es auch darum, wie wir Qualität über Hausbesuche organisieren können. Da geht es auch darum, wie wir Angehörigengespräche dazubekommen können. Da geht es um viele Maßnahmen, wie wir die Qualität in der Pflege stärken können. Das ist eine intensive Diskussion in der Arbeitsgruppe Pflege im Rahmen der Finanzausgleichsver­hand­lungen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 11. Anfrage, jener des Herrn Abgeord­neten Hechtl. – Bitte.

 


Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ist mit 1. Mai 2011 in Kraft getreten. Die Statistiken über die Beanstandungen zeigen, dass rechtskräftig circa 6,3 Millionen € an Strafen verhängt worden sind. Da bedeutet, dass Unterentlohnung, besonders in eini­gen Branchen, nicht selten beziehungsweise sehr oft anzutreffen ist. Abgesehen davon ist Lohn- und Sozialdumping unfair und beeinflusst nachteilig den wirtschaftlichen Wettbewerb in Österreich und auch den Sozialstaat beziehungsweise das Sozialsys­tem.

Meine Frage lautet daher:

214/M

„Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die neuesten gesetzlichen Maßnahmen im Rahmen der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping?“

Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 35

Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter, ich denke, dass wir gestern das Lohn- und Sozial­dumping-Bekämpfungsgesetz in einer weiteren Form beschlossen haben, wo wir mehr Klarheit entwickelt haben, wo wir manche Bestimmungen auch in das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz zusammengefasst haben. Es geht darum, dass wir erstens sicherstellen: Lohn- und Sozialdumping geht nicht durch. Das schadet unserer Wirtschaft. Da gibt es geeignete Kontrollen. Meiner Meinung ist es ganz wichtig, dass wir in diesem Zusammenhang einen risikoorientierten Kontrollplan ge­mein­sam mit dem Finanzministerium zu erarbeiten haben. Das ist für mich ein ganz zentraler Aspekt.

Es geht darum, dass wir die Auftraggeberhaftung ausdehnen, dass klar gesagt wird, wer an „schwindlige“ – ich sage das jetzt bewusst so – Unternehmen Aufträge vergibt, die sich nicht an die österreichischen Sozialstandards halten, und dann haftet auch der Auftraggeber dafür. Das ist ein ganz zentraler Punkt, den wir dabei umsetzen.

Ich denke, dass wir die zentralen Ansprüche – Entgelt, Urlaub, Arbeitszeit – auch am Standort Österreich sichern: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort soll umgesetzt werden. Ich werde mich am heutigen Tag noch mit zehn anderen Sozialministern in Wien treffen, wir werden die Weiterentwicklung von Entsendericht­linien, von Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping in Österreich intensiv dis­kutieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hechtl.

 


Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Herr Bundesminister, das Arbeitsrecht ist ja gerade im stetigen Wandel, nimmt natürlich Einfluss auf die wirtschaftliche Situation, aber auch auf die gesellschaftliche Situation und bedarf immer wieder Anpassungen und Modifizierungen. Im Regierungsprogramm sind einige Maßnahmen oder Vorhaben vorgesehen, um das Arbeitsrecht den Gegebenheiten anzupassen.

Meine Frage daher: Welche Vorhaben sind seitens des Sozialministeriums im legistischen Wege für das Jahr 2016 geplant?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Abgeordneter! Eine Menge. Wir haben vor, das Hausgehilfen- und das Hausangestelltengesetz an die Arbeitszeitrichtlinie der EU anzupassen. Da geht es darum, dass wir die Schutzbestimmungen für Hausangestellte, die in Drittstaaten ange­worben werden, verbessern. Da geht es auch darum, die Kontrolle durch die Arbeits­inspektion umzusetzen. Wir werden im Arbeitszeitrecht die Umsetzung der EU-Arbeits­zeitrichtlinie für die Binnenschifffahrt haben. Wir werden das Landarbeitsgesetz angehen müssen, um auch verschiedene Novellen des allgemeinen Arbeitsrechts anzupassen.

Ein Dauerbrenner ist das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, das Bau­arbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, wo es um eine Reihe von Verbes­serungen geht. Und wenn Sie wollen und das Parlament auch dazu bereit ist, würde ich gerne die Entgeltfortzahlung bei Krankheit im Fall von Wiedererkrankung und Arbeitsunfall hier gemeinsam diskutieren und modernisieren. (Unruhe im Sitzungssaal.)

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich würde Sie ersuchen, den Lärmpegel ein wenig zu senken.

Wir haben noch eine Anfrage, nämlich die 12. Anfrage, jene des Herrn Abgeordneten Dr. Huainigg. – Bitte, Herr


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 36

Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Minister! Rollstühle, Krücken oder orthopädische Schuhe sind wichtige Hilfsmittel. Betroffene müssen aber oft von einem zum anderen laufen, bis diese genehmigt werden.

Meine Frage lautet:

210/M

„Wann wollen Sie eine einzige Anlaufstelle im Sinne eines one-stop-service für die Genehmigung von Hilfsmitteln und Heilbehelfen umsetzen, damit die Betroffenen nicht von einem Amt zum nächsten im Kreis geschickt werden?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das ist tatsächlich ein wichtiges Thema. Wir haben bereits im Bereich der österreichischen Sozialversicherung vereinbart, dass wir dieses One-Stop-Service im Rahmen der Krankenversicherung, der Pensionsver­sicherung umgesetzt haben. Die Gebietskrankenkassen organisieren für die Ver­sicherten die Maßnahmen, wenn es um Heilbehelfe und Hilfsmittel geht. Insgesamt 98 Prozent der Vergaben von Heilbehelfen und Hilfsmitteln findet dort statten.

Ich habe mit den Ländern und dem Sozialministeriumservice darüber gesprochen, dass wir auch wollen, dass auch die restlichen 2 Prozent über diese eine Stelle abge­wickelt werden.

Da gibt es bereits eine Zustimmung vonseiten der Bundesländer. Und wir wollen auch im Sozialministeriumservice sicherstellen, dass es da einen einzigen Ansprechpartner gibt.

Es haben bereits erste Gespräche mit dem Hauptverband der Sozialversiche­rungs­träger stattgefunden. Mir ist es wichtig, dass es einen Ansprechpartner gibt und die Finanzströme im Hintergrund abgebildet werden, und wir wollen die Zuständigkeiten für unterschiedliche Leistungen auch bereinigen. Ich erwarte mir noch in diesem Jahr eine Lösung.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Huainigg.

 


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Eine andere wichtige Unterstüt­zung für behinderte Menschen für ein selbstbestimmtes Leben ist persönliche Assis­tenz. Der Bund sorgt für die persönliche Assistenz am Arbeitsplatz, aber im Freizeit­bereich gibt es unterschiedliche Regelungen. Man muss aber auch aus dem Bett kommen und zur Arbeit gebracht werden, damit man dann arbeiten kann.

Meine Frage ist: Werden Sie sich im Rahmen des Finanzausgleiches für eine ganz­heitliche persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen einsetzen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Die Antwort ist klipp und klar: Ja. Ich halte es für wichtig, dass man die Menschen auch bei persönlicher Assistenz unterstützt. Die unterschiedliche Zustän­digkeit zwischen Ländern und dem Bund ist natürlich in der Praxis ein Problem. Aber mir geht es darum, Menschen, die diese persönliche Assistenz benötigen, zu unter­stützen. Wir haben da eine Vielzahl von Leistungen. Ich unterstütze diese Maßnahmen im Rahmen des Finanzausgleiches.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Jarmer.

 



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Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprach­dolmetscher): Herr Minister, ich möchte an die Frage meines Kollegen Huainigg anschließen. Menschen mit Behinderungen beziehungsweise chronisch kranke Men­schen brauchen einen gleichberechtigten Alltag, ein gleichberechtigtes Leben in unse­rer Gesellschaft.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und verschiedene Bedürfnisse und somit auch verschiedene Hilfsmittel: persönliche Assistenz, Beihilfen, Gebärdensprachdolmet­scherInnen et cetera, et cetera. Das Ziel ist es, dass das natürlich ermöglicht wird.

Meine Frage bezieht sich auf die Finanzierung: Gibt es einen Plan, den Inklusionsfonds voranzutreiben? Und: Wie viel Euro möchten Sie und werden Sie hineinstecken, damit diese Leistungen auch abgedeckt werden können?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Frau Abgeordnete, der Inklusionsfonds ist aus meiner Sicht ein durchaus spannendes Instrument, um die unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen den Ländern und dem Bund zu klären. Wir stoßen da auch an die Grenzen unseres Systems, weil wir sowohl Bund- als auch Länderverantwortung haben.

Vom Sozialministeriumservice wurden im Jahr 2015 in 1 550 Fällen Zuwendungen an Menschen mit Behinderungen gewährt. Dabei wurden rund 3 Millionen € aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen aufgewendet. Wir wollen diese Instrumente auch haben und stärken. Wir bringen von unserer Seite den Inklusions­fonds in die Artikel-15a-Vereinbarungen ein. Das ist derzeit ergebnisoffen. Aber ich würde mich freuen, wenn wir da zu einem Ergebnis kämen. Versprechen traue ich es mich nicht.

 


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. Und danke vielmals, Herr Bundesminister Stöger.

Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, erkläre ich nun die Fragestunde für beendet. (Allgemeiner Beifall.)

10.15.22Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 9266/J bis 9365/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie:

Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Gebrauchsmustergesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Musterschutzgesetz 1990 und das Patentamtsgebüh­rengesetz geändert werden (1144 d.B.)

Unterrichtsausschuss:

Schulrechtsänderungsgesetz 2016 (1146 d.B.)


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Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Signatur- und Vertrauensdienstegesetz erlassen wird und das E-Government-Gesetz, das Außerstreitgesetz, das Bankwesengesetz, das Beam­ten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Bundesverwal­tungsgerichtsgesetz, das Europäische-Bürgerinitiative-Gesetz, das Gerichtsorganisa­tionsge­setz, das Gesundheitstelematikgesetz 2012, die Gewerbeordnung 1994, das KommAustria-Gesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Sachver­ständigen- und Dolmetschergesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Teilzeit­nutzungsgesetz 2011, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Versicherungs­vertragsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Wirtschaftskam­merge­setz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, das Ziviltechnikergesetz 1993 und das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert werden (1145 d.B.)

*****

10.15.35Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Doris Bures: Der FPÖ-Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäfts­ordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 9366/J der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mutmaßliche Ermordung der Maria E. durch den Kenianer Francis N. dringlich zu behandeln. 

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass die Abgeordneten Strache und Mag. Stefan beantragt haben, dem Verfassungs­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 65/A der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXV. Gesetzge­bungs­periode des Nationalrates vorzeitig beendet wird, eine Frist bis zum 14. Juni 2016 zu setzen. 

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 5, 6 bis 8, 9 bis 12 sowie 16 und 17 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Dann gehen wir in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ


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und ÖVP je 128, Freiheitliche 119, Grüne 100 sowie NEOS und STRONACH je 52 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 26 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.18.191. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantritts des Herrn Bundeskanzlers und der neuen Mitglieder der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer sehr herzlich in unserer Mitte. (Anhaltender allgemeiner Beifall. – Bundespräsident Fischer erhebt sich von seinem Platz in der Loge.)

Im Anschluss an diese Erklärungen wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten auch eine Debatte darüber stattfinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nutze diese Gelegenheit, den scheiden­den Mitgliedern der Bundesregierung ein herzliches und aufrichtiges Wort des Dankes und der Anerkennung für ihre langjährige Tätigkeit im Dienste der Republik Österreich auszusprechen. Sie alle haben in Ihren jeweiligen Funktionen in den letzten Jahren auch die Arbeit dieses Hauses eng begleitet: bei der Gesetzgebung, bei der parla­mentarischen Kontrolle oder auch in Angelegenheiten der Europäischen Union.

Als Präsidentin dieses Hauses danke ich Ihnen, allen voran natürlich dem ausge­schiedenen Bundeskanzler Werner Faymann, für die gute Zusammenarbeit in diesen schwierigen und krisenbehafteten Jahren. Einige von Ihnen bleiben ja in einer anderen Funktion im Haus, und wir haben heute Morgen bereits die Angelobung als Abgeord­nete vorgenommen; andere gehen neue Wege. Ich wünsche Ihnen allen von ganzem Herzen alles Gute und viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem neuen Bundeskanzler und der ge­samten Bundesregierung wünsche ich viel Erfolg bei der Bewältigung der kommenden Herausforderungen, und ich bin mir sicher, dass wir die gute und konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem österreichischen Nationalrat in bewährter Weise fortführen werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

In diesem Sinne erteile ich nun Herrn Bundeskanzler Mag. Kern zur Abgabe der Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.)

 


10.21.21

Bundeskanzler Mag. Christian Kern: Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Nationalrates! Sehr geehrte Vertreter des Hohen Hauses! Ich möchte die Gelegenheit nützen und Ihnen in den nächsten Minuten erklären, was mein Politikverständnis ist und wohin wir gemeinsam unser Land meiner Meinung nach führen müssen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 40

Ich habe in den vergangenen Tagen eine Reihe von Gesprächen geführt, mit Men­schen, die bereits im politischen System engagiert sind, aber auch mit einer Vielzahl von Bürgern. Was ich in diesen Gesprächen mitbekommen habe, ist ein Gefühl, das Sie wahrscheinlich auch kennen und das für Sie kein unbekanntes ist. Es ist der Eindruck eines Stillstands, der entstanden ist, und es ist ein Bedürfnis, dass durch unser Land wieder ein Ruck geht, um die Dinge grundlegend zu verändern.

Ich habe in den letzten Tagen viel Zuspruch bekommen, und es ist mir nicht ent­gangen, welche Art von Erwartungshaltung entstanden ist. Meine Frau hat mir heute in der Früh beim Frühstück gezeigt, dass allein die Übertragung der Pressekonferenz vom Dienstag auf Facebook fast eine Million Menschen geliket und geteilt haben, und ich kann Ihnen sagen, es hat mich sehr gefreut, es macht mich sehr nachdenklich; ich habe den Eindruck gewonnen, das waren nicht nur meine Familienmitglieder und die Freunde von den ÖBB. Daraus entsteht eine Verpflichtung, das ist völlig logisch. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Abg. Strolz.)

Ich möchte aber auch deshalb mit der Erwartungshaltung beginnen, weil es mir bewusst ist, dass wir in einem Land leben, das durch eine Vielzahl von Institutionen geprägt ist, das durch Lobbys geprägt ist, das durch Interessenlagen geprägt ist, das auch durch einen deutlichen Föderalismus geprägt ist, und mir ist natürlich klar, dass es hier darum geht, einen Stein an die Spitze zu rollen, unter schwierigen Umständen, auf Basis einer schwierigen Herausforderung, und dass uns das alles nicht sehr leichtfallen wird.

Es ist auch logisch, dass uns nicht alles wird gelingen können, dass es Enttäuschun­gen geben wird, dass es vielleicht auch da oder dort Frust geben wird. Was ich Ihnen aber versprechen kann, ist, dass wir mit jeder Faser unseres Wollens, dass wir mit unserer gesamten Leidenschaft und mit jeder Minute unseres Denkens versuchen werden, die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen. Wenn wir scheitern, dann werden die richtigen Motive der Grund sein, so viel kann ich Ihnen versprechen.

Das Zweite, was ich erfahren habe, ist eine bemerkenswerte Entwicklung, mit der Sie als Politiker – ich bin ja, wenn man es so will, eher so etwas wie ein frisch gefangener Politiker – natürlich schon länger konfrontiert sind: eine unglaubliche Kurzatmigkeit, ein Gewitter an Terminen, an Verpflichtungen, an Interviewanfragen, an Gesprächsnot­wen­digkeiten, die vorliegen. Die Konsequenz dieses Rhythmus ist eine Kurzatmigkeit, die bemerkenswert ist, und ich möchte in diesem Zusammenhang Folgendes fest­halten: Ich halte das naturgemäß für eine sehr schlechte Entwicklung und bin der Auf­fassung, dass man sich dieser Entwicklung, so gut es geht, wird entziehen können müssen.

Ich habe mein Berufsleben ja selbst als Journalist begonnen, wie Sie wissen, und ich weiß, dass es natürlich auch von dieser Seite viele Gesprächsbedürfnisse gibt, aber ich halte es für sinnvoll, nicht jedem Mikrofon gegenüber eine Wortspende abzugeben, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich dieses Land eine politische Führung, die sich keine Zeit zum Nachdenken nimmt, nicht leisten kann. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Ich will hier am zweiten Tag meiner Amtsperiode auch gar nicht den Eindruck hinter­lassen und machen, dass wir bereits alle Probleme gelöst haben oder dass wir wissen, wie wir alle Probleme präzise lösen werden, und ich denke, Sie sollten jenen, die Ihnen das vorspielen, deutlich misstrauen.

Was ich auch glaube, ist allerdings, dass wir eine deutlich akzentuiertere Politik werden betreiben müssen. Politik wird in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach als so eine Art Hunderennen wahrgenommen. Da geht es darum, wer gewonnen hat, wer sich in den Umfragen durchgesetzt hat, wer sich einen kleinen Vorteil verschafft hat, wer mit einem


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Siegerlächeln vom Schlachtfeld geht; aber über all diese Fragestellungen ist zu oft der politische Inhalt verloren gegangen.

Politischer Inhalt wurde durch taktischen Opportunismus ersetzt, und ich denke, genau das ist es, womit wir brechen müssen. Wir brauchen eine klarere Akzentuierung, wir müssen klarmachen, wofür wir stehen, denn eines habe ich auch verstanden: Men­schen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Wir werden oft genug Kompromisse machen müssen, das ist ja selbstverständlich, aber ich denke, wir sollten unser Denken nicht mit dem Kompromiss beginnen. Auch unübersehbar ist, und ich habe es eingangs ja bereits erwähnt: Wir haben in Österreich ein Bild des Stillstands, das da entstanden ist. Wenn man sich das im Detail anschaut, dann muss man sagen, das spiegelt ja eigentlich gar nicht die Realitäten wider, denn allein die Arbeitstage, die Sie hier im Parlament verbracht haben, und die Tagesord­nung und die Beschlüsse, die Sie gefasst haben, zeigen ja, dass das in vielen Details so eigentlich gar nicht stimmt. Das Problem ist aber, dass bei dieser Kombination von pragmatischen Lösungsversuchen – da oder dort vielleicht auch sehr flachen prag-matischen Lösungsversuchen – und einem Rhetorikgewitter, das ständig auf Sie, auf uns einprasselt, eines verloren gegangen ist: das Verständnis davon, wohin wir unser Land führen wollen.

Es ist vieles unklar geworden – und das ist das, was wir, glaube ich, alle spüren. Die Zukunftsbilder sind verloren gegangen. Es ist nicht mehr klar, was unsere Orientierung ist, es ist nicht mehr klar, wohin wir das Land führen wollen, es ist nicht mehr klar, wie unsere Zukunft gestaltet werden soll.

In dieses geistige Vakuum, in die Ritzen dieses Vakuums, dieses Gebäudes kriecht natürlich umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe. Ich bin davon überzeugt, dass wir Visionen brauchen und den Mut dazu haben sollten, und zwar nicht unbedingt nur aus einem bestimmten Politikverständnis heraus, sondern weil das schlicht und einfach eine taktische Notwendigkeit ist. Im Jahr 2016 bedeutet keine Visionen zu haben, dass derjenige, der keine Visionen hat, tatsächlich einen Arzt braucht. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Für unser Weltbild, für unsere Haltungen wollen wir argumentieren, und da werden wir auch die Auseinandersetzung suchen. Wir wollen die Köpfe und die Herzen nicht dem billigen Populismus überlassen, wir wollen zeigen, dass wir eine positive Alternative haben. Ab heute läuft der Countdown in dieser Auseinandersetzung um die Herzen der Menschen in unserem Land.

Fritz Stern, der große Historiker – er ist gestern verstorben, ich glaube, er war im 90. Lebensjahr –, hat eine große Formulierung gewählt, er hat gesagt: Menschen haben Ängste, aber es macht keinen Sinn, sie in diesen Ängsten zu bestärken. – Genau das ist ein Zugang, den ich hier auch vertreten möchte, weil es mir darum geht, ganz persönlich darum geht, Probleme zu lösen, die realen Ursachen für diese Ängste zu bekämpfen, ihnen aber ein positives Politikbild und ein positives Weltbild gegen­überzustellen. Wir wollen die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und die Ängste der Menschen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Wir wollen eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberstellen. Wir wollen eine Politik der Weltoffenheit der geistigen Verengung gegenüberstellen, und wir wollen eine Politik der Heimatverbundenheit und des Patriotismus dem Chauvinismus und der Hetze gegen Minderheiten gegenüberstellen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)


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Ich will in einer Gesellschaft leben, in der alle Kinder faire und möglichst gleiche Chancen haben, in der du nicht schon zum Verlierer gestempelt bist, weil du im falschen Stadtteil aufwächst, weil du einen falschen Vornamen hast oder weil deine Eltern nicht in der Lage sind, dich ausreichend zu fördern. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich will in einem Land leben, in dem nicht nur eine kleine Minderheit von der Wohl­standsentwicklung profitiert und alle anderen schauen müssen, wo sie bleiben, wie sie auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt zurechtkommen, und sich nicht auf die Solidarität der Gesellschaft und auf ein System und Netz der sozialen Sicherheit verlassen können. Ich will in einem Land leben, in dem Politik und Zivilgesellschaft Hand in Hand gehen, in dem wir stolz sind auf Menschen, die nicht fragen, was es ihnen nützt, sondern sich für die Gemeinschaft engagieren, insbesondere auch für Men­schen, die weniger privilegiert sind als wir.

Ich will in einer Gesellschaft leben, die mit Respekt vor der Menschenwürde versucht, die Frage der Flüchtlingsthematik zu lösen. Ich möchte gleichzeitig, dass wir dabei nicht vergessen, dass wir soziale Sicherheit, dass wir die öffentliche Sicherheit, aber letztendlich auch ein notwendiges Maß an Ordnung sicherzustellen haben. Ich denke, dass genau dieses Politikfeld das ungeeignetste ist, um mit Symbolpolitik zu agieren. Hier sollten wir alle miteinander versuchen, unsere Emotionen zu zügeln und an vernünftigen Lösungen zu arbeiten.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders beim scheidenden Bundeskanzler Werner Faymann bedanken. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Er hat Österreich in den vergangenen acht Jahren in schwierigen Zeiten geführt. Ich weiß, was er dafür aufgegeben hat, ich weiß, wie viel es ihm bedeutet hat, und die Art und Weise, wie er sein Amt niedergelegt hat, sollte uns allen Respekt abringen. (Abg. Kickl: Ein bisschen heuchlerisch ist das schon!) Ich möchte diese Gelegenheit auch nützen, mich bei den scheidenden Regierungsmitgliedern für ihre Arbeit für unser Land zu bedanken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich weiß, dass es üblich ist, dass man bei einer Regierungserklärung über sehr viele Politikfelder spricht, viele Dinge streift, die erarbeitet worden sind; üblicherweise ist es ja so, dass eine solche Regierungserklärung nach der Verhandlung eines Arbeits­übereinkommens stattfindet. Ich möchte das bei dieser Gelegenheit aber nicht tun, wiewohl ich weiß, wie wichtig es ist, Themenfelder wie Frauenpolitik, Europapolitik und eine Reihe von anderen hier zu erörtern. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir die Gelegenheit haben werden, das in diesem Haus noch ausführlich zu tun.

Ich möchte zum Kernpunkt dessen, was jetzt kurzfristig notwendig ist, kommen. Zu­nächst einmal haben wir uns mit der Frage des Vertrauensverlusts und mit dem Stillstand in unserem Land auseinanderzusetzen. Wir sehen, dass die Arbeitslosigkeit steigt, wir sehen, dass die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sich in sehr engen Grenzen hält, wir haben auch erlebt, dass die Konsumnachfrage und die Kaufkraft der Menschen in diesem Land in den letzten Jahren gelitten hat, wir haben eine Periode von mehr als fünf Jahren an Reallohnverlusten erlebt. Das ist ein Thema, dem wir uns widmen müssen – und wir müssen das mit aller Konsequenz tun.

Der entscheidende Hebel, da erwarte ich mir einen Beitrag von Ihnen allen, ist, dass wir versuchen, die Stimmung im Land wieder zu drehen, denn eines kann ich Ihnen – aus der Wirtschaft kommend – sagen: Die größte Wachstumsbremse ist am Ende des Tages die schlechte Laune. Das Problem, das damit verbunden ist, ist klar: Kein Wirt­schaftswachstum bedeutet noch mehr Beschäftigungslosigkeit, noch höhere Schul­den. – Das können wir uns einfach nicht leisten!


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Deshalb ist mein Vorschlag, insbesondere an unseren Partner in der Regierung, dass wir gemeinsam ein Projekt entwickeln, das man vielleicht mit dem Wort New Deal beschreiben könnte. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Wenn Sie in der Historie zurückschauen, dann sehen Sie, dass dieser New Deal mehrere Elemente hatte, ein ganz entscheidendes ist aber gewesen, dass es darum geht, kurzfristig die Investitionsbereitschaft der privaten Investoren, Unternehmer und Unternehmerinnen zu stärken. Es ist vor diesem Hintergrund für uns ganz wesentlich, dass wir nicht nur die Bereitschaft formulieren, die Wirtschaft zu stimulieren, sondern dass wir auch von den Unternehmen erwarten, dass sie ihre soziale Verantwortung wahrnehmen. Jobs, Jobs, Jobs!, ist natürlich eine wichtige Formel, aber für uns ist min­destens ebenso wichtig, dass daraus Jobs resultieren, von denen die Menschen in unserem Land auch tatsächlich leben können. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Wir können uns aber – und das ist in der Situation, in der wir heute leben, in Europa eingebettet, logisch – nicht darauf verlassen, dass wir alle Probleme im Alleingang lösen. Es wird eine der wichtigsten Stoßrichtungen unserer Bemühungen sein, die Spielräume für öffentliche Investitionen wieder zurückzugewinnen. Wir wissen, dass das natürlich nur im europäischen Raum geht. Wir brauchen diese öffentlichen Inves­titionen, wir brauchen diese Spielräume für Investitionen, die in Wachstum und in die Umweltaktivität, in den Umweltschutz gehen. Wir werden uns dafür verwenden und diese Diskussionen mit aller Konsequenz auf die europäische Ebene tragen.

Wir brauchen aber nicht nur einen kurzfristigen Plan, bei dem die Wirtschaft im Mittel­punkt stehen muss – und wenn ich von Wirtschaft rede, dann ist es eine Selbst­verständlichkeit, dass nicht nur die Unternehmen gemeint sind, sondern mindestens im selben Ausmaß die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die ja die Leistungen jeden Tag erbringen –; wir müssen uns vor Augen führen, dass wir nicht nur kurzfristig denken dürfen, sondern einen Gestaltungsanspruch gegenüber unserer Gesellschaft und gegenüber dem Wirtschaftssystem auch in einer mittelfristigen Perspektive wahr­nehmen müssen.

Ich will einen Plan für Österreich 2025 entwickeln, der auf der Idee beruht, aktiv Wirtschaft zu gestalten und einen Rahmen zu schaffen, in dem sich die Wirtschaft in unserem Land entwickeln kann. Dabei halte ich zwei Dinge für ganz entscheidend: Der erste Punkt ist, dass es uns besser gelingt, auf Basis von klar definierten Zukunfts­bildern öffentliche und private Investitionen miteinander zu vernetzen. Das ist ganz ent­scheidend. Wir brauchen den Markt so weit wie möglich, und wir brauchen den Staat so weit wie nötig.

Wir wissen natürlich, dass diese Idee vom freien Unternehmertum, das auf Genialität basierend Produkte entwickelt, die quasi wie von Zauberhand entstehen, eine Illusion ist. Wir haben das am Paradebeispiel des Apple iPhones erlebt, Sie kennen die Ge­schichte vielleicht. Steve Jobs war ein genialer Unternehmer, ein großartiger Kopf, der am Ende verstanden hat, wie die Punkte sich zu verbinden haben. Er hat aber letztendlich alles, was dieses Telefon ausmacht, dem Umstand zu verdanken, dass es von staatlichen Stellen, von öffentlicher Hand gefördert und mitentwickelt worden ist – egal, ob das das Display ist, ob das das Spracherkennungssystem oder das GPS-System ist. Das sind Anwendungen, die aus der Grundlagenforschung entstanden sind, die die öffentliche Hand finanziert hat, die öffentliche Institutionen vorangetrieben haben und die schlussendlich der Steuerzahler wesentlich mitfinanziert hat.

Am Ende geht es darum, solche Modelle zu entwickeln, klar zu sagen, in welche Richtung wir wollen, wohin wir unsere Energie richten wollen und wie wir die Wirtschaft in unserem Land verändern wollen.


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Ich kann Ihnen sagen, ich habe vor Kurzem die Gelegenheit gehabt, mich in Kalifornien im Silicon Valley mit einer Reihe von Unternehmern zu unterhalten. Es gibt in Europa Erfolgsbeispiele, die man dem gegenüberstellen kann, wir brauchen uns da nicht zu fürchten, wir brauchen keine Angst zu haben, wir haben das Potenzial, ähnliche Er­folgs­geschichten zu schreiben. Bei dieser Reise in das Silicon Valley, in den zehn Tagen, die wir dort mit unseren Partnern verbracht haben, ist ein einziges Mal der Name eines europäischen Unternehmens genannt worden, das war die Firma Herren­knecht. Man muss wissen, das ist ein deutsches Unternehmen, das Tunnelbau­maschi­nen produziert, mit österreichischen Zulieferern und österreichischen Kunden.

Diese Geschichte sollte uns zuversichtlich machen, denn dahinter steckt ja etwas ganz anderes, nämlich dass wir in Europa, dass wir in Österreich in bestimmten Sektoren unglaubliche Stärken haben, und diese Stärken zu stärken muss unser Ziel sein. Das ist zum Beispiel der Maschinenbau, das ist der Automotive-Sektor, das ist die Energietechnik, wo wir eine Basis haben, eine Position der Stärke, die wir konsequent ausbauen müssen. Es geht um die Vernetzung von öffentlichen und privaten Inves­titionen, es geht um die Verbindung von Unternehmen, die in die Grundlagenforschung gehen, es geht um Unternehmen, die diese letztlich anwenden. Wir müssen unsere Hochschulen darauf abstimmen, wir müssen den gesamten politischen Rahmen darauf abstimmen.

Neben diesem Bekenntnis zum Design unserer Wirtschaft im Sinne der Menschen, die hier leben, und vor allem im Sinne der Steigerung der Beschäftigung geht es mir noch um einen zweiten Punkt. Wenn wir uns die großen internationalen Entwicklungen an­schauen – und wir wissen, die treibenden Kräfte sind Globalisierung und Internationa­lisierung und natürlich auch in hohem Maße die Digitalisierung –, dann sehen wir, dass wir uns diesen Entwicklungen gar nicht entziehen können. Wir stehen jetzt an der Stelle, uns zu fragen, ob wir warten wollen, bis diese Entwicklungen wie eine Dampf­walze auf uns zukommen, oder ob es uns darum geht, diesen Ball aufzunehmen und rechtzeitig die Voraussetzungen zu schaffen, damit Österreich in diesem Kontext erfolgreich agieren kann.

Was ich meine, ist Folgendes: Diese Entwicklungen – Digitalisierung und Globalisie­rung – werden unsere gesamte Arbeitswelt massiv verändern, die Wertschöpfungs­kette in der Wirtschaft verändern, und letztendlich bedeutet das, dass wir in Zukunft in traditionellen Industrien, in traditionellen Dienstleistungssektoren mit signifikant weniger Arbeitskraft auskommen werden.

Das bedeutet für uns aber, dass wir uns Fragen zu stellen haben, die sehr ins Grundsätzliche und Wesentliche gehen, nämlich: Wie wollen wir Arbeit verteilen? Wie wollen wir schlussendlich unsere sozialen Sicherungssysteme finanzieren, deren Finan­zierung wir auf eine wesentlich breitere Basis stellen werden müssen? Und es geht auch um die Frage, wie wir unsere Bildungssysteme daran ausrichten, denn eines ist völlig klar: Bildungspolitik wird in Zukunft die beste Sozial- und die beste Arbeits­marktpolitik sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Ich habe versucht, in ein paar Minuten ein paar Fragestellungen zu skizzieren, die bei Weitem nicht erschöpfend sind. Und es gibt natürlich eine Vielzahl von interessanten Fragestellungen, die politische Antworten erfordern.

Mein Verständnis ist, dass wir hier nicht über fertige Konzepte reden, über Dogmen und Doktrinen reden. Mein Verständnis ist, dass es eine offene politische Diskussion geben muss, zu der ich Sie persönlich einladen möchte. Ich möchte insbesondere in den nächsten Wochen auch die Gelegenheit vertiefen, mit Ihnen persönliche Ge­spräche zu führen über Ihr Bild, über Ihre Sicht, über die Dinge, die wir gemeinsam


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anpacken müssen. Wir werden das tun, allerdings aus einer Position heraus, die ein positives Weltbild zeichnet. Ich glaube, es geht darum, positive Politik zu machen und nicht Verzweiflung und Ängste zu bedienen.

Ich bin davon überzeugt – das ist jedenfalls mein Zugang, den ich in einer unglaub­lichen Intensität erlebt habe –, dass es in diesem Land gar keine Politikverdrossenheit gibt. Aber es gibt natürlich eine große Distanz zu dieser Kapselpolitik, die sich von den Menschen und den tatsächlichen Interessenlagen, Sorgen und Notwendigkeiten mittlerweile deutlich entfernt hat. Und wenn ich das sage, dann meine ich keineswegs nur die Regierungspolitik, sondern dann meine ich im höchsten Ausmaß auch die Ver­antwortung der Opposition für diesen Zustand.

Die Politik muss raus zu den Menschen, und wir müssen die Menschen zu aktivieren versuchen, um sie in diesen Dialog aufzunehmen. Das steht für mich fest. Ich bin davon überzeugt, dass unsere größte Intention, unser größtes Drängen sein muss, Menschen zu zeigen, dass es sich lohnt, sich wieder zu engagieren, denn am Ende des Tages ist es selten so, dass einzelne Personen – auch nicht hier auf dieser Regierungsbank – die Geschichte bewegen können, den großen Unterschied machen. Am Ende ist es das Engagement einer Vielzahl von Einzelnen, das die Geschichte prägt.

In dem Sinn würde ich mir einen konstruktiven Dialog mit Ihnen hier im Hohen Haus wünschen, aber auch, dass es uns gelingt, Menschen dazu zu bewegen, sich wieder politisch zu engagieren. – Danke. (Lang anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Beifall bei Abgeordneten von Grünen, NEOS und Team Stronach.)

10.42


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundeskanzler, für Ihre Ausführungen.

Ich erteile nun dem Herrn Vizekanzler das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler Dr. Mitter­lehner. (Abg. Kickl: Kommt jetzt der Hauptteil? – Abg. Belakowitsch-Jenewein: Jetzt werden die Hülsen mit Leben erfüllt! – Abg. Hübner: Sie waren beeindruckt, Herr Vizekanzler, wie man sieht!)

 


10.43.45

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Bundespräsident! Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Regierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe die Rede gehört: Ich will! Ich glaube, unsere Seite will auch (Beifall bei ÖVP und SPÖ), und wenn wir gemeinsam die Probleme angehen, sollten sich Anspruch und Wirklichkeit miteinander verbinden. Auf gute Zusammenarbeit! Wir gehen die Sache an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich auf ein paar Inhalte und auch Prinzipien aus meiner Sicht der Politik eingehe, es nicht verabsäumen, neben dem Willkommensgruß an den neuen Bundeskanzler auch Dankesworte an das scheidende Team, aber auch an Bundeskanzler Werner Faymann zu richten. Er hat in einer ganz schwierigen Zeit mit intensivem Einsatz Österreich vertreten. Er hat uns vor allem auch auf internationaler Ebene würdig und intensiv vertreten und mit uns, trotz mancher Unterschiede, gut zusammengearbeitet. Ich darf mich bei ihm, aber auch bei seinem Team dafür bedanken und ihm alles Gute wünschen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin auch nicht derjenige, der da steht und vor lauter Selbstgeißelung, weil alles so schlecht war, sozusagen den Schlussstrich unter die Vergangenheit zieht. Das wäre ungerecht, auch gegenüber dem scheidenden


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Team. Es ist nicht so, dass Werner Faymann ein Einzelunternehmer war, der Öster­reich geführt hat, und wir uns jetzt umdrehen und sagen, war nicht gut, sondern ich, wir, Sie, andere, auch die Opposition waren Teil dieser Politik und auch des Bildes, das wir bei Zuseherinnen und Zusehern abgegeben haben.

Wenn wir Selbstkritik üben, dann ist diese angebracht und eine durchaus bittere, aber von diesem bitteren Kuchen der Selbstkritik kann sich, je nachdem, der eine oder andere durchaus ein Stück abschneiden. Das bleibt Ihnen allen in der Überlegung überlassen. Wir werden unseren Teil davon aufnehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn über die letzten Jahre gesagt wird – das hat der neue Bundeskanzler auch angesprochen –, es habe den Anschein, dass überall nur Stillstand war, möchte ich doch – das regt vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken an – ein paar Punkte erwähnen, die Ihnen vielleicht in der Kurzlebigkeit der Politik und auch den Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern entgangen sind.

Ich darf darauf hinweisen, dass wir seit dem Jahr 2009 die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten haben, die wir noch nicht überwunden haben und in der die österreichische Bundesregierung Maßnahmen gesetzt hat, die Sie teilweise noch in Erinnerung haben: Verschrottungsprämie, Sanierungsscheck, Bauinvestitionen – das ist der eine Teil. Aber auf der anderen Seite haben wir genau diejenigen, die heute die Zukunfts­sicherheit einfordern, in die Gegenwart gerettet. Ich meine damit einige durchaus große Unternehmen. Der Staat hat nicht nur die Kurzarbeit finanziert, sondern hat auch Haftungen, die wir jetzt noch haben, in Milliardenhöhe übernommen, um diese Zeit der Krise überstehen zu können. Das war im Sinne von Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern, aber auch im Sinne der Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit und soll hier auch erwähnt werden, denn es ist nicht unmaßgeblich. Die 12 Milliarden €, die wir da entsprechend investiert haben, haben wir leider nicht durch Refinanzierung im Sinne von Erholung der Konjunktur wieder ins Budget bekommen. Das schleppen wir heute noch immer mit.

Zweiter Teil: Mancher hat den Eindruck, wir lernten nie aus Krisen. Es wird Ihnen vielleicht entgangen sein, aber beispielsweise im Energiebereich haben wir basierend auf den Erfahrungen der Erdgaskrise 2009 das System umgestellt. Wir haben den sogenannten Reverse Flow eingerichtet, aber auch die Speicherkapazitäten erhöht. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass die Probleme in der Ukraine deswegen bewältigt werden konnten, weil wir die Versorgung vom Westen Richtung Osten herstellen konnten. Also die EU ist durchaus in der Lage, nicht wir allein, Probleme auch gemein­sam zu lösen.

Wir haben die HETA-Problematik, die wir alle geerbt haben, auch Werner Faymann und wir als Team, aus der Hypo-Alpe-Adria-Entwicklung, in ruhiges Fahrwasser ge­bracht. Nicht, dass kein Schaden für Österreich entstanden wäre, aber wir haben den Schaden so minimal wie möglich gehalten, und der Finanzminister hat die gesamte HETA-Problematik nun zu einem Ende gebracht – und das in einem ruhigen Fahr­wasser. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen Folgendes, weil so manches Mal der Eindruck entsteht, die Politik ist machtversessen, die Politik möchte jeden Posten bis ganz nach oben nach Parteibüchern besetzen. (Ruf: So ist es!) – Sie sagen, so ist es, ich sage Ihnen: Wir haben die ÖBIB neu gestaltet. Ist Ihnen in diesem Zusammenhang eigentlich aufge­fallen, dass seitdem ohne jede Diskussion die Personalbesetzungen stattgefunden haben?

Heute steht in der Zeitung, Herr Löscher wird der neue Vorsitzende im OMV-Aufsichts­rat. Also ehrlich: Ich weiß nicht, welches Parteibuch er hat – rot, schwarz, blau, sonst


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etwas. Es ist mir egal! (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) Das einzig Entscheidende ist, ob er die internationale Qualifikation hat – und die hat er in erhöhtem Ausmaß. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich kann Ihnen auch sagen, im Verbund habe ich noch nie nach dem Parteibuch gefragt; das wäre auch blöd gewesen, wenn ich Susanne Riess-Passer für den Auf­sichtsrat nominiere, denn sie hat, glaube ich, nicht unser Parteibuch. Das war auch nicht die Frage, sondern die Frage war die Kompetenz; und bei anderen ist es genauso.

Daher, meine Damen und Herren, glauben Sie nicht alles, wenn jemand sagt, man brauche ein Parteibuch, um irgendwo Erfolg zu haben! Man schafft es selbst zur Präsidentin des Obersten Gerichtshofes ohne Parteibuch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, last but not least noch zwei Punkte: Steuerreform: Ich weiß, wir werden für die Steuerreform nie gelobt werden; vom Einzelnen sowieso nicht, der schaut sich auf der Internetseite des Finanzministeriums an, wie viel er davon profitiert, und sagt dann: Für mich bringt es nichts! Die Wirtschaftsforscher haben uns aber bestätigt, es war eine wichtige, es war eine richtige Reform. Wir haben mittlerweile auch wieder aufgeholt, was das Wachstum anbelangt.

Vielleicht das Wichtigste überhaupt – und da ist Werner Faymann schon auch zu danken, weil wir intern ziemlich intensive Auseinandersetzungen gehabt haben – ist: Wir haben bemerkt, bei aller Hilfsbereitschaft, bei aller Humanität, dass wir im Bereich der Flüchtlingspolitik ungeregelt und ohne Kontrollen dieses Problem allein nicht schultern können, und wir haben die internationale Solidarität erzwungen. Das ist meines Erachtens eine große Leistung, weil Europa jetzt gemeinsam vorgeht, um dieses Problem zu lösen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, die objektiven Daten sind gar nicht schlecht. Das Wachstum ist gut, wir haben ein Jahr nach dem anderen einen Exportrekord, dem Land geht es gut oder nicht so schlecht, dennoch möchte auch ich nicht verhehlen, was der Bundeskanzler angesprochen hat: Die Stimmung ist schlecht. Die Stimmung ist aus mehreren Gründen schlecht (Abg. Kickl: Stillstand, hat er gesagt, der Kanzler!) – Stillstand, was Sie wollen, Herr Kickl, Sie werden es ja dann selbst verbal illustrieren –; Stillstand deswegen, weil es natürlich da und dort auch eine überzogene Erwartungs­haltung in einer Krisensituation gibt, weil aber auf der anderen Seite auch die Büro­kratie überbordend ist. Ich sehe es selbst so. Die Freiheit des Unternehmers ist nicht mehr gegeben.

Gerade gestern hat mir wieder jemand geschrieben, der Most erzeugt: Das darf nicht wahr sein, die mit 1,2 Millimetern vorgeschriebene Schriftgröße auf der Flasche habe ich nicht eingehalten, sondern sie ist nur 1 Millimeter groß, und jetzt muss ich 600 € Strafe zahlen! Wem schreibt er es? – Mir! Ich bin nicht verantwortlich dafür, aber für das System. Daher müssen wir bei dem System gemeinsam ansetzen, denn diesem Mann ist es wurscht, ob die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung der EU dafür maßgeblich ist. – Ein kleines, aber ein eigentlich symptomatisches Beispiel.

Wir haben aber darüber hinaus – und das würde ich als Thema etwas größer sehen – eine Zukunfts-, eine Verdrängungsangst. Der eine oder andere hat irgendwo begriffen, dass die Probleme internationale Dimension haben. Die Flüchtlinge, die kommen ja nicht beispielsweise von der Steiermark zu uns, sondern aus Libyen, Syrien; das wis­sen wir. (Zwischenruf bei den Grünen.) – Na ja, manche in der Ukraine tun ja so, als ob ein Flüchtling, wenn er in Polen ist, ein echter Flüchtling wäre, oder in der Westukraine. Also auch da muss man einmal diskutieren, was jetzt wirklich was ist; aber das ist eine andere Diskussion.


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Ich komme wieder zurück zum Gesamtthema, und das Gesamtthema ist aus meiner Sicht: Es gibt so etwas wie eine Zukunftsangst, man fürchtet um den Arbeitsplatz und anderes mehr.

Und damit komme ich zu einem dritten Thema: Viele, vor allem die Journalisten, haben den Eindruck, um die Chancen der nächsten Generation zu sichern, um auch die Zukunft abzusichern, gehen wir die Reformen zu wenig intensiv an. Meine Damen und Herren, da wird etwas dran sein, und da ist etwas dran. Ich habe schon genug Refor­men selbst verhandelt, aber ich sage Ihnen auch, mir ist noch keine Reform unter­gekommen, wo es dann nicht am Schluss der Angelegenheit mehr Forderungen und mehr Kosten gegeben hat. Jetzt frage ich Sie: Ist das eine entsprechende Zukunfts­orientierung? Ist das die Absicherung der Systeme für die jüngere Generation? – Ich würde es bezweifeln. Daher: Auch bei diesem Ansatz gibt es einiges zu tun, um wirklich das Richtige in die Wege zu leiten.

Ich mache es genauso wie der neue Bundeskanzler, möchte Ihnen nicht alle Felder der Politik beleuchten. Einiges steht im Regierungsprogramm, aber das ist vielleicht in diesem Zusammenhang gar nicht so maßgeblich. Ich glaube, wir müssen zwei Punkte inhaltlich bewegen: Das eine ist – und ich glaube, da sind wir uns alle, zumindest wir, einig –, dass wir, was New Deal, oder wie immer wir es bezeichnen, die Zukunfts­wett­bewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft anbelangt, einiges in die Wege leiten müssen. Das fängt bei Entbürokratisierung und Deregulierung an und hört natürlich bei Flexibilisie­rung und anderen vergleichbaren Instrumenten auf. Und da sind wir schon im Detail­problem. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt, den wir nur andeutungsweise erwähnt, nicht wirklich angesprochen haben, ist die Wettbewerbsfähigkeit der Systeme. Wenn wir ein Wirtschaftssystem haben, wo Gesundheitssystem, Arbeitsmarkt, Pensionssystem und vieles mehr dran­hängen, müssen wir beides so entwickeln, dass es wettbewerbsfähig ist und dass es Zukunftsangst – weil meine Pension nicht gesichert ist, weil ich nicht die richtige Bil­dung oder die wissenschaftliche Ausstattung habe – nicht mehr gibt. Daher: Wir sind uns einig, wir müssen in diesem Bereich investieren.

Damit ich das tun kann, brauche ich aber eines; der Bundeskanzler hat das erwähnt mit den Worten: Engagement muss belohnt werden. – Klingt kurz, ist einfach, ist aber die entscheidende Größe für das Land, denn wir haben jetzt schon eine Entwicklung gehabt, dass der eine oder andere die Transferleistung als Erstes in den Mittelpunkt rückt und nicht das Leistungseinkommen durch Arbeit. Daher: Diesem alten Prinzip, wir müssen zuerst einmal erarbeiten und leisten, dann können wir verteilen, dem müssen wir Rechnung tragen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Ich sage Ihnen auch, der Anspruch in der Praxis, das wird der Elchtest auch für uns in der kommenden Tätigkeit. Wenn wir uns jetzt anschauen, was wir in der Politik vielleicht ändern sollten, dann, glaube ich, ist es die Art der Politik. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Hören Sie zu, denn das trifft nicht nur uns, vielleicht auch die Opposition!

Der erste Punkt trifft eher uns: Wir waren über Jahre gewohnt, dass wir eine Politik Rich­tung Ergebnisorientierung gemacht haben. In Wahlkämpfen haben wir versprochen und nachher dann versucht, alle in Watte zu packen, nach dem Motto: Der Staat tut für dich. Was war das Ergebnis? – Alle haben auch vom Staat gefordert und tun es heute noch.

Ich sage Ihnen – ich habe vorhin davon gesprochen –, ich verfüge nicht über Per­sonen, aber Personen glauben bei jeder Angelegenheit, die es irgendwo gibt, sie müssen, obwohl gar nicht zuständig, zum Politiker sagen: Passen Sie auf, ich brauche den Heimplatz, ich brauche die Förderung, ich brauche das und das! Eher die umge-


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kehrte Variante erleben wir. Das ist zwar ein Zeichen von Vertrauen, aber nicht ein Zeichen von entsprechender Zuordnung, wer im Land für etwas wirklich verantwortlich ist.

Eine Kollegin aus der Schweiz, die das mitverfolgt hat, hat mir gesagt: Bei uns ist das anders, da respektiert man die Grenze zwischen Verwaltung und Politik! Auch daran können wir von der anderen Seite, glaube ich, arbeiten.

Was wir aber tun müssen, siehe Thema Flüchtlinge: aus Betroffenen Beteiligte machen. Alles, was wir tun, sind ja nur Appelle. So wird uns das nicht gelingen im Bereich der Integration. Wir werden es dann schaffen, wenn wir Integration als Chance gemeinsam mit den Betrieben erleben und erarbeiten. Und das kommt nicht von selbst, daher: aus Betroffenen Beteiligte machen – ein Schlüsselsatz.

Zweiter Punkt: die Erwartungshaltung brechen. Das klingt so einfach. Wissen Sie, was ich damit meine? – Wir haben bis jetzt immer ein Prinzip gehabt: Im Regierungs­programm steht etwas, und wenn wir das einfordern: Bitte, machen wir endlich die Flexibilisierung!, dann kommt die andere Seite und sagt: Dafür brauchen wir aber die sechste Urlaubswoche oder etwas anderes für uns! – Damit mich jetzt niemand falsch versteht: Wir machen es wahrscheinlich genauso. Das kann aber in Zukunft nicht der ausschlaggebende Grund dafür sein, was wir tun. Das ist ein schwerer Anspruch, den ich da stelle. Es geht nicht darum, etwas zu tun, was eine Klientel verlangt, sondern wir müssen das tun, was für das Land richtig ist! Dies in der Praxis zu leben ist ein schwerer Anspruch – wir werden sehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Meine Damen und Herren! Last but not least brauchen wir einen anderen Umgang in der Politik, ein anderes Miteinander. Und glauben Sie nicht, dass ich jetzt die Rollen Regierung und Opposition verwechsle. Ich weiß, was meine Aufgabe ist. Aber ist es die Aufgabe der Opposition, nur pauschal zu kritisieren und zu sagen: Das ist nix, das wird nix!? (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Na, warten Sie einmal ab! Ich würde es eher so sehen, wie es Frau Glawischnig gestern – ich habe nur den kurzen Ausschnitt gehört – am „Runden Tisch“ gesagt hat: Schauen wir doch da und dort bei einem Thema, ob wir uns nicht auch konstruktiv einbringen können! – Und das finde ich richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lugar: Wir haben Tausende Anträge, die von Ihnen schubladisiert werden! So schaut es aus!)

Das heißt aber für unsere Seite auch, dass wir – Kollege Strolz sagt es nicht zu Unrecht sehr oft – seitens der Regierung uns auch anschauen müssen, was es da an Vorschlägen gibt. Dieses respektvolle Miteinander wird wahrscheinlich in einem ande­ren Ton erfolgen müssen – nicht, dass der eine dem anderen ständig nur vorwirft, son­dern, dass er ihm wenigstens zuhört. (Beifall des Abg. Öllinger.) Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden und einver­standen nicht umgesetzt – aber zuhören wäre einmal der erste Faktor. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Das gilt selbstverständlich auch für uns. Wenn wir beide sagen, wir gehen miteinander anders um, dann ist das, glaube ich, irgendwo nachvollziehbar, denn wenn wir uns kritisieren, wird uns die Bevölkerung nicht abnehmen, dass wir etwas lösen. Wenn aber nur wir beide das tun, dann wird es nicht unbedingt stimmig sein, wenn die beiden anderen Teile der Regierungsparteien das nicht auch so leben. Daher ist der Anspruch, das jetzt einmal in die Praxis zu bringen, sonst wird es schwierig, was Glaubwürdigkeit und Stimmigkeit anlangt. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, jetzt wird der eine oder andere sagen: Wunderbar, er sagt auch, er will! – Ja, das haben Sie teilweise schon gehört, aber was macht mich so sicher, dass es diesmal wirklich klappen könnte, denn garantieren kann man nie?


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Erstens: der Druck. Der Druck ist stärker – ich habe auch begriffen, dass wir da und dort nicht mehr die Zustimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern finden –, und Druck ist immer gut, um Lösungen zustande zu bringen.

Das Zweite, das ich in diesem Zusammenhang als sehr positiv sehe, ist, dass wir die feste Absicht haben und diese auch dokumentiert haben.

Das Dritte, das vielleicht noch besser ist, ist das Momentum, das eventuell einen neuen Schwung herbeiführt, und dieses Momentum bringt natürlich ein Neuer mit, der neue Bundeskanzler.

Es ist so, meine Damen und Herren: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Ich habe es selbst erlebt, Hermann Hesse hat nicht Unrecht. (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.) – Passen Sie auf, dass Ihnen das Lachen nicht stecken bleibt! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Sie werden es nicht glauben, aber ich sehe das ausschließlich positiv, weil wir damit das eine oder andere, das festgemacht zu sein scheint, vielleicht bewegen können. Wenn ich sage, jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, dann sollten Sie, die Journalisten, die Zuseherinnen und Zuseher, eines wissen: Zauber heißt nicht Zauberkunststück! Da ist ein gravierender Unterschied.

Daher: Geben Sie uns die Chance, geben Sie uns auch eine bestimmte Zeit, ein paar Wochen, und Sie werden sehen, wir werden uns das gemeinsam erarbeiten! In diesem Sinne: auf gute Zusammenarbeit! (Anhaltender Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Wöginger: Bravo! Sehr gut!)

11.01


Präsident Karlheinz Kopf: Ich danke Ihnen, Herr Vizekanzler, und dem Herrn Bundeskanzler für die Erklärungen.

Wir gehen nun in die Debatte über diese Erklärungen ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Strache. – Bitte.

 


11.02.39

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kern! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wir haben heute im Rahmen Ihrer Erklärung doch einiges gehört, ich mag Sie, Herr Bundeskanzler Kern, mit Ihrer neuen Mannschaft hier im Hohen Haus auch willkommen heißen, aber es ist, glaube ich, schon auch richtig, darauf hinzuweisen, dass diese Regierung seit drei Jahren Verantwortung trägt und wir hier im Hohen Haus nicht dafür da sind, dass bei Problemen innerhalb der Parteien, nämlich der Regierungsparteien, wir dann hier eine Selbsthilfegruppe darstellen.

Ich sage das in dieser Deutlichkeit, denn in den letzten drei Jahren ist massiver Schaden angerichtet worden: Rekordarbeitslosigkeit, höchste Schuldensituation der Zweiten Republik, höchste Steuerbelastung der Zweiten Republik, eine unverantwort­liche Willkommenskultur im letzten Sommer bis in den Februar dieses Jahres hinein, wozu man mit Fug und Recht sagen kann, dass der überwiegende Teil, der rechts­widrig, mittels Gesetzesbruch, hereingelassen wurde, keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention sind, und das verursacht Kosten in Milliardenhöhe. Auch die ÖBB – damals war Faymann noch Bundeskanzler, und Sie waren in der Direktion – haben da letztlich mitgeholfen.

Das ist all das, was die Bevölkerung an Last zu tragen hat, in unterschiedlichsten Bereichen. Da kann man doch nicht hergehen und sagen: Bitte, gebt mir noch eine Chance! Chancen hat es in den letzten Jahren zuhauf gegeben, das sind inhaltliche und positionelle, positionstechnische Fehlentwicklungen, die so nachhaltig sind, dass


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Handlungsbedarf gegeben ist. Die Situation ist nicht so, dass man in aller Ruhe auf den nächsten der zahllosen Neubeginne warten könnte.

Sie haben den Zauber des Neuen angesprochen, Herr Vizekanzler: Ja, den haben Sie mit dem „Django-Effekt“ auch durchaus erlebt, wenn Sie das vielleicht auf den Punkt bringen wollten, aber dieser Zauber war relativ rasch weg! (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.) Ich glaube, dass die Situation viel zu ernst ist, um sich auf so einen Zauber sozusagen zu besinnen.

Es wurde heute gesagt, Politikverdrossenheit gibt es nicht. – Das stimmt, es gibt sie nicht. Es gibt zu Recht einen massiven Ärger gegenüber diesen beiden Regierungs­parteien, die in so vielen Bereichen versagt haben, die nicht bereit sind, Probleme anzu­erkennen, nicht bereit sind, die richtigen Lösungsansätze in Angriff zu nehmen, die dann aber, wenn man richtige Lösungsansätze im Interesse der Bevölkerung vor­schlägt, das als Hetze diffamieren und von Spaltung reden, in Wirklichkeit aber selbst die Spalter in dieser Gesellschaft sind. Da hat natürlich die Bevölkerung kein Ver­ständ­nis mehr, ob solcher politischen Prozesse und Entwicklungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurde heute auch vom respektvollen Umgang mit der Opposition gesprochen: Ja wo ist denn dieser respektvolle Umgang, wenn wir erleben müssen, dass über tausend Anträge in den Ausschüssen liegen und nicht behandelt werden, weil diese Regierung nicht bereit ist, sie zuzulassen? – Das ist kein respektvoller Umgang!

Wie können wir die ganze Entwicklung, die zum heutigen Tag, zu dieser Regierungs­umbildung geführt hat, beurteilen? – Na ja, wir haben auch eine Parteigeschichte, keine Frage, ich erinnere an Knittelfeld. Was wir am vergangenen 1. Mai am Rat­hausplatz erlebt haben, war so etwas wie das Knittelfeld der SPÖ. Der Parteichef und Bundeskanzler wurde ausgepfiffen, weil er nach einem Dreivierteljahr katastrophaler Willkommenspolitik endlich zur Vernunft gekommen ist und korrigierend eingegriffen hat. Offenbar hat dann der linke Flügel gesagt, so könne es nicht weitergehen, und alles darangesetzt, ihn abzumontieren. Man kann es auch als Putsch in der eigenen Partei bezeichnen, der da stattgefunden hat.

Dann allerdings sagt Herr Zeiler, das war schon länger in Vorbereitung, das war eine längerfristige Vorbereitung. – Das sind dann schon Ereignisse, angesichts deren man festhalten muss: Man liebt oftmals den Verrat, aber nicht den Verräter. Natürlich gibt es da ein Chaos, das angerichtet worden ist; das ist in Ihrer Partei entstanden, und damit müssen auch Sie fertig werden. Es kann nicht sein, dass die österreichische Bevöl­kerung aufgrund Ihres eigenen Chaos weiterhin in Mitleidenschaft gezogen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Bewertung der Neuaufstellung: Herr Bundeskanzler Kern, Sie haben sich noch keiner demokratischen Wahl gestellt, außer innerhalb des SPÖ-Vorstands. Sie sind noch bei keiner Wahl angetreten, haben daher auch noch keine direkte Legitimation durch die Bevölkerung, das muss man schon auch festhalten, und Sie hatten auch schon von Beginn an etwas Startschwierigkeiten, denn einige Ihrer Wunschkandidaten für ein Ministeramt haben ja abgesagt. (Abg. Schieder: Sie sind aber auch nicht der Wahlsieger!) Das ist die Realität, und das ist nicht unbedingt eine Aufbruchstimmung. (Abg. Schieder: Sie sind der Loser vom letzten Herbst!) – Das ist mir schon klar, dass Herr Schieder uns jetzt sozusagen die große Aufbruchstimmung mit auf den Weg geben will, aber ich glaube, dass manche schon den Eindruck haben, dass das eher ein Himmelfahrtskommando ist.

Schauen wir uns an, was da in den letzten Jahren so passiert ist! – Ein einziger Minister vonseiten der SPÖ ist seit der letzten Nationalratswahl übrig geblieben, der noch hier auf der Regierungsbank sitzt, und das ist Herr Stöger. Neun Minister wurden ausgetauscht, drei Staatssekretäre wurden ausgetauscht, der Bundeskanzler wurde


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ausgetauscht. Das ist Chaos bei BZÖ, was wir da in den letzten drei Jahren erlebt haben. Unglaublich! (Beifall bei der FPÖ.) Und Sie stellen sich jetzt hin als staats­politisch verantwortliche Kraft?! – Das glaubt Ihnen niemand mehr, und genau darum geht es.

Wir begrüßen heute eine neue Regierungsmannschaft, zum x-ten Mal begrüßen wir neue Minister. Wie oft noch? Das sind nur neue Gesichter mit einem alten Programm, das ist ein neuer Schlauch, durch den weiterhin alter Wein fließt. Wenn man die neuen Minister und die Frau Staatssekretärin heute bewerten soll, dann werde ich jetzt nicht so viel dazu beitragen, denn jeder Einzelne hat seine Arbeit in Zukunft zu belegen und zu beweisen, aber natürlich muss man Frau Staatssekretärin Muna Duzdar insofern kritisch bewerten, als sie Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesell­schaft ist und da oder dort durchaus sehr einseitige Positionen im israelisch-arabischen Konflikt vertritt, die sehr kritisch zu hinterfragen sind.

Man muss auch sehr kritisch hinterfragen, wie das mit der Einladung einer Terroristin, nämlich von Leila Khaled, nach Wien wirklich war. Sie hat in ihrem Interview gesagt, dass sie von der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft eingeladen worden ist. Frau Staatssekretärin Duzdar hat später versucht, das anders darzustellen.

Natürlich ist es auch interessant, wenn sie wie in der Vergangenheit gemeinsame Auftritte mit der linksextremen Antiimperialistischen Aktion hat, die durchaus Aktivisten sind, die dem linken Antisemitismus zuzuordnen sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist etwas, das ich sehr kritisch betrachte und beobachten werde, denn gerade in diesen Bereichen darf es nicht sein, dass man wegschaut. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Nationalratspräsidentin Bures ist jetzt nicht im Saal, aber sie hat einmal durchaus Interessantes gesagt – ich zitiere sie –, am 20. Dezember 2014 … (Abg. Heinzl: Sie spalten die Gesellschaft!) – Sie haben selbst eine Kern-Spaltung erlebt. Die Frage ist: Wann kommt es zur Kern-Schmelze in der SPÖ. – So viel zum Thema Spaltung.

Frau Präsidentin Bures hat am 20. Dezember 2014 via ORF-„Mittagsjournal“ aus­richten lassen, dass Politik nicht Ihre Stärke sei, Herr Bundeskanzler Kern.

„Kern selbst wisse auch, ,dass er ein guter Bahnmanager ist und das andere nicht so gut könnte‘.“ – Ich zitiere nur Frau Nationalratspräsidentin Bures. „Die Spekulationen über seinen Wechsel an die SPÖ-Spitze seien ihm auch ,immer sehr unangenehm‘, so Bures (…)“.

Das sind Bewertungen, die nicht ich getroffen habe, sondern die aus der SPÖ ge­kommen sind, und das ist schon etwas, das Sie selbst einmal hinterfragen sollten.

Ehrlich gesagt muss man, weil sie auch immer wieder bewertet werden, auch die Managementqualitäten durchaus kritisch hinterfragen. Heute ist alles so kritiklos in diesem Land, die Journalisten haben den neuen Heilsbringer, wenn man so will, ja fast kritiklos empfangen – so wie damals Werner Faymann, der am Anfang als der „Austro-Obama“ zu verkaufen versucht wurde. Dann hat es aber nicht lange gedauert, bis man am Ende sogar noch Gusenbauer nachgeweint hat. Ich hoffe nicht, dass wir einmal in die Situation kommen, Werner Faymann nachweinen zu müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Also da kann man durchaus von Schnelllebigkeit sprechen, wie wir in der Vergan­gen­heit auch erlebt haben, und wenn man die Managementqualitäten bewertet, nämlich innerhalb eines staatlichen Verbunds, dann muss man schon auch kritisch sein.

Als Sie, Herr Bundeskanzler Kern, 2010 den ÖBB-Chefposten angetreten haben, lag der Zuschussbedarf der ÖBB bei 3,75 Milliarden €, in der Zwischenzeit ist er auf über 5 Milliarden € gestiegen. – Da muss man schon auch kritisch hinterfragen: Wo war die


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konkrete Optimierung des Betriebs und die finanzielle Sanierung? Das ist schon etwas, das man auch kritisch hinterfragen muss. In geschützten Bereichen, wo dann die staatlichen Subventionszuschüsse folgen, ist es nämlich immer etwas anderes, als Manager tätig zu sein, als in der Privatwirtschaft, wo man dann auch ganz anderen Reglements unterworfen ist. So gesehen ist es natürlich auch wichtig, das offen an­zu­sprechen.

Wir haben heute ja vieles an Analyse gehört. Wir haben vom New Deal gehört, über den gesprochen wurde – das ist ein Lieblingswort der Sozialdemokratie; schon unter Vranitzky in den neunziger Jahren hat man das erlebt –, aber ich sage, das ist oftmals lediglich more of the same, wie wir in der Folge oft erlebt haben. Viele, viele Luftblasen mit wenig Inhalt! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage, man hat schon den Eindruck, dass es eine nachhaltige Kursänderung braucht, die ich bis dato nicht erkennen kann. Die Kursänderung wird notwendig sein. Grund­sätzlich sage ich aber auch, es wäre eigentlich notwendig, die Lähmung, den Stillstand, den wir seit drei Jahren erleben, die eklatanten Missstände und Fehlentwicklungen, die wir erleben, einzugestehen; so, wie Sie gesagt haben, Herr Mitterlehner: selbstreflektiv. Das ist schon Ihre Verantwortung, auf die wir hingewiesen haben. In Wirklichkeit sollten demokratische Neuwahlen erfolgen. Das wäre das Gebot der Stunde. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bürger sollten entscheiden, welchen Zukunftsweg sie inhaltlich für richtig halten, aber mir ist schon klar, dass das nicht der Fall sein wird. Diese Regierung wird natürlich versuchen, sich weiter reinzuhängen, so lange wie möglich weiterzumachen – bis halt dann vielleicht recht rasch wieder die alten Urstände zutage treten und man vielleicht wirklich nicht mehr weiterkommt. Das ist leider zu befürchten.

Zum Abschluss: Ja, wir haben massivste Probleme, und wir werden es nur schaffen, wenn wir den Standort Österreich wieder attraktiv machen. Dazu müssen wir aber unterschiedlichste Modelle andenken. Wir müssen überlegen: Was macht die Schweiz in so vielen Bereichen besser als wir Österreicher? Welche Initiativen gibt es, damit sich wieder internationale, globale Konzerne und Betriebe ansiedeln? Welche Steuer­erleichterungen kann man anbieten, damit große Konzerne wieder nach Österreich kommen, um Arbeitsplätze hier im Land zu schaffen, und nicht abwandern? Wie können wir die Steuerhöchstbelastung runterfahren, die Steuerquote, die heute bei 45 Prozent liegt, auf unter 40 Prozent senken und neue Belastungen wie eine Regis­trierkassenverpflichtung und andere Unsinnigkeiten, die die Unternehmen natürlich in eine schwierige Situation bringen, verhindern? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir müssen die Lohnnebenkosten senken. Wir müssen daran denken, dass die Unter­nehmen ja investieren wollen, aber nicht können, weil es eine Kreditklemme gibt. Sie haben heute das Wollen angesprochen. – Das Wollen ist ja da, die Menschen wollen investieren, sie wollen auch Häuser bauen, sie bekommen nur teilweise aufgrund von Basel-II- und Basel-III-Kriterien keine Kredite mehr. Das heißt, wir müssen uns über­legen, wie wir dem entgegenwirken können, damit Investition in diesem Land auch wieder möglich ist. Es sind viele unterschiedliche Bereiche, über die man offen wird diskutieren müssen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

In den letzten Jahren habe ich nicht erlebt, dass Sie bereit gewesen sind, die Höchst­steu­erquote zu senken. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.) – Sie haben eine Tarifumschichtung gemacht, die kalte Progression frisst das in kürzes­ter Zeit auf, das war ja keine wirkliche Steuersenkung.

Das ist auch der Punkt: Sie glauben immer, Sie können den Leuten etwas einreden. – Die spüren ja, dass das nicht wirklich nachhaltig war. (Beifall bei der FPÖ.) Sie tun immer so, als würden die Menschen Sie nicht verstehen. Die Menschen spüren, was


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real bei ihnen ankommt und was nicht. Ich glaube, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen und nicht immer den Fehler machen: Die Menschen haben uns und unsere tolle Politik nicht verstanden! – Nein, sie verstehen das sehr wohl, und sie sind in vielen Bereichen nicht einverstanden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.15


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Herr Klubobmann Mag. Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.15.42

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Besucherrängen! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die neu auf der Regierungsbank sind, als auch die, die schon länger auf der Regierungsbank Platz nehmen! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich den ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern ganz herzlich danken, allen voran Bundes­kanzler Werner Faymann, der gemeinsam mit seinem Team und seinen Mitstreite­rin­nen und Mitstreitern, genauso wie auch mit uns hier im Parlament, das Land in ganz schwierigen Zeiten zu führen hatte. Finanzkrise, Wirtschaftskrise – er musste ver­suchen, dass Österreich gut durch diese Zeiten kommt. In diesem Sinne ein aufrich­tiges Dankeschön für diese Arbeit! Lassen Sie mich meine Wertschätzung dafür ausdrücken! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens möchte ich alle Neuen ganz herzlich willkommen heißen, vor allem jene, die von ganz außen kommen. Ihnen sind das System Politik und das Hohe Haus meistens nur aus dem Fernsehen bekannt, und wenn man dann hier Platz nimmt, sieht man, wie es wirklich ist: manches enttäuschend, manches vielleicht auch begeisternder als im Fernsehen, aber so ist es.

Zu Herrn Strache: Das ist wirklich old school, was Sie heute hier abgeliefert haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Sie stehen so etwas von im Winkerl und sind übrig geblieben und haben nicht verstanden, was der neue Geist ist, dass es mir wirklich fast schon leid tut, wie Sie sich da heute ins Eck gestellt haben. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Politikverdrossenheit kommt genau davon: dass man, noch bevor man irgend­jemanden und irgendwelche Konzepte gesehen hat, schon vorher weiß, was alles schlecht ist und wie man tun soll. Bei ernst gemeinter Politik geht es auch um Kon­zepte, um Ideen, um Lösungen, um das schwere Ringen um unterschiedliche Lösun­gen. Dazu haben Sie noch nie einen Beitrag geleistet. Das haben wir gewusst, Sie haben aber heute auch noch einmal eindrucksvoll bewiesen, dass Sie vollkommen inhaltsleer sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Strache: Eine Realitäts­verweigerung sondergleichen!)

In den 70er-Jahren hat Bruno Kreisky plakatieren lassen: Leistung, Arbeit, Sicherheit. Wie damals ist es auch heute so, dass Leistung ein entscheidender Punkt ist, um unsere Gesellschaft zu gestalten, dass Arbeit an der Gesellschaft, aber auch Arbeit für die Gesellschaft und die Menschen ein entscheidender Punkt ist und dass Sicherheit im Sinne von materieller Sicherheit, im Sinne von innerer und äußerer Sicherheit, aber auch im Sinne von sozialer Sicherheit die entscheidenden Fragen sind.

Ich habe deshalb diesen Dreiklang gewählt, weil sich gerade in Zeiten der globalen Krisen diese Fragen stellen und wir hier auch die Antworten und Lösungen auf die Zukunftsherausforderungen suchen müssen. Arbeit, Beschäftigung, Wachstum, Inves­titionen, Standortsicherheit gerade in Zeiten einer globalisierten Wirtschaft sind ent­scheidende Punkte. Ebenso sind Bildung, Forschung, Wissenschaft und all diese Be-


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reiche der Treibstoff für so eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, weil das Know-how, das Wissen, die Talente, die Neugier unserer Gesellschaft genau die Chance für Österreich sind, sich ganz vorne in der Weltwirtschaft und in Europa zu positionieren.

Gleichzeitig haben wir auch die Herausforderungen wie den Klimawandel, die Verän­derung der fundamentalen Lebensgrundsätze für unsere Gesellschaft zu meistern. Das Wetter ist nur ein Ansatz, wie wir sehen, wie sich vieles verändern wird. Das ist nicht nur, wenn ich so sagen darf, ein grünes Thema, jetzt nicht im parteipolitischen, son­dern im gesellschaftspolitischen Sinne, sondern das ist auch ein wirtschaftspolitisches Thema, denn eine Ökonomie wie die österreichische, die zu einem Großteil vom Fremdenverkehr lebt, wird sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen müssen. Genauso sehen wir, dass auch globale Krisen nicht mehr haltmachen vor der Insel der Seligen, sondern Österreich von diesen Themen genauso betroffen ist und eingeholt wird.

Die Politik hat, wie ich es schon gesagt habe, Lösungen auf diese wichtigen Fragen zu suchen. Und die Sozialdemokratie ist für mich noch immer jene gesellschaftliche Bewegung, die Verunsicherung, die Fragestellungen umwandelt in Hoffnungen, die Ängste umwandelt in ein zukunftsorientiertes Leitbild und die auch die globale Mega-Idee, dass es eine gleiche, gerechte und faire Gesellschaft auf unserem ganzen Kontinent geben kann, nicht nur in ihrem Herzen trägt, sondern auch weiterhin in ihrer Politik umsetzen will. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht zwar jetzt um eine neue Regierungsarbeit, aber es geht auch um eine neue parlamentarische Arbeit, es geht um ein Miteinander im Parlament (Bundeskanzler Kern spricht mit Bundesminister Stöger) – und es geht auch ums Zuhören! (Beifall bei der FPÖ) –, und in diesem Zusammenhang muss ich sagen: Wir haben hier im Parla­ment vieles umgesetzt: die Steuerreform, das Rederecht für Staatspersonen wie Ban Ki-moon und internationale Größen, die Möglichkeit, dass es den Untersuchungs­ausschuss als Recht der Minderheit hier im Haus gibt, wo sich jetzt herausstellt, dass es richtig war, das so zu machen, weil dadurch die Aufklärung vieler Fragen gut gemacht wird.

Wir werden heute hier auch einen Antrag einbringen, unterstützt von sehr vielen Par­teien. Ich hoffe, es wird am Schluss ein einstimmiger Antrag sein. Dieser Antrag kriti­siert, dass gerade eben in der Türkei massenweise Abgeordnete ihre Immunität ver­lieren und vom Erdoğan-Regime vor Gericht gestellt werden nur deshalb, weil sie ihre Arbeit als Abgeordnete machen. Und das werden wir auch hier im österreichischen Parlament mit einem Antrag bekämpfen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und Grünen. – Abg. Strache: … Sanktionen!)

Das ist auch ein Auftrag an die österreichische Außenpolitik! Ich darf bitten, das weiter­zuleiten.

Es geht aber auch um einen neuen Stil der Zusammenarbeit. Das Parlament ist jener Ort, wo unterschiedliche Meinungen herrschen, wo die scharfe inhaltliche Zuspitzung genauso leben muss wie am Schluss der Kompromiss und die gemeinsame Lösung, durch die man dann gemeinsam Beschlüsse fasst. Denken darf nicht mit dem Kom­promiss beginnen, es muss uns aber gelingen, dass in Österreich eine neue Wert­schätzung Platz greift, dass der Diskurs und die Diskussionskultur endlich etabliert werden. Eine andere Meinung zu haben, zu äußern und demgemäß zu argumentieren ist nicht Streit, sondern ist das Ringen um die gemeinsame Lösung. Und einen Kom­promiss am Schluss zu finden, ist nicht ein Umfallen, sondern ist das, was wir alle tun müssen, nämlich unser Land weiter gestalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Wir wollen konstruktiv arbeiten und Österreich nach vorne bringen. Wir haben einen neuen Bundeskanzler, der sich heute hier eindrucksvoll vorgestellt hat. Wir haben neue Regierungsmitglieder, und es positiv, nach vorne blickend auch der Mut zu Neuem zu haben. Christian Kern hat es ja bewiesen: Mut, Haltung und Innovationskraft.

Thomas Drozda, unser neuer Kulturminister, ist ein Kunst- und Kultur-Profi. Er bringt aber auch ökonomisches Know-how mit. Er ist damit jemand, der auch Fragen, die Verfassung und Staatswesen mit sich bringen, hervorragend meistern wird.

Sonja Hammerschmid, die ganz, wenn ich das so sagen darf, von außen kommt, wird als Expertin aus der Praxis, aber auch als Netzwerkerin vielleicht uns, die schon länger in der Politik sind, die Augen öffnen, wie wir das spannende Thema Bildung weiter­ent­wickeln können.

Jörg Leichtfried bringt europäische und regionalpolitische Erfahrung genau für seine neue Aufgabe mit und wird, glaube ich, zum Zukunftsthema Infrastruktur in unserem Land Entscheidendes beitragen.

Staatssekretärin Muna Duzdar, die hier nicht so zu betrachten ist, wie Kollege Strache es darzustellen versucht hat, der gleich wieder mit Anschüttungen vorgegangen ist, die noch dazu erstunken und erlogen und vollkommen falsch sind, wo Sie sich, Herr Strache, ein bissl zusammenreißen sollten … (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Klubobmann Schieder, ich muss Sie bitten, das zurückzunehmen, ansonsten muss ich Ihnen einen Ordnungsruf dafür erteilen.

 


Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (fortsetzend): Ich formuliere es anders und nehme es zurück: Es ist völlig falsch und unrichtig, was Kollege Strache hier gesagt hat. Das wird aber auch an anderer Stelle geklärt werden. Ich fürchte, dass der Aus­druck absichtlich so verwendet worden ist.

Ich möchte aber auch eines dazu sagen: Für uns Sozialdemokraten – und das gilt auch für die Mitglieder auf der Regierungsbank – ist nicht Religion ein Identifikations­merk­mal, das ist eine Privatsache, die hat man oder hat man nicht, jeder, wie er will. Für uns Sozialdemokraten sind die Inhalte, das Stehen für ein Gesellschaftsbild das ent­scheidende Identifizierende. Daher ist es auch nicht okay, wenn man Leute auf irgendetwas reduziert, was noch dazu gar nicht stimmt. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.) Und ich finde es sehr unfair, dass das hier gestern gemacht worden ist.

Öffnen Sie einmal Ihre Ohren! Dann werden Sie hoffentlich merken, wie sehr Migra­tions­hintergrund und langjähriger Familienhintergrund in Oberösterreich sprachlich gleich klingen. Nämlich: Bei den beiden Regierungsmitgliedern, die Duzdar und Drozda heißen und jetzt nebeneinander sitzen, merkt man, auch schon vom Klang her, dass da der große Unterschied nicht leicht erkennbar ist.

Vor allem an die neuen Mitglieder sei noch gerichtet: In der Regierung zu sein, wird viel Anstrengung erfordern, wird viel Zeit in Anspruch nehmen, auch viele Nächte, wird viel Stress und viel Ärger mit sich bringen. Alles das ist eine große Herausforderung. Aber das Schöne an dieser Aufgabe ist, dass man an der Gestaltung unseres Landes, an der Zukunft unseres Landes und an der Gestaltung und Nutzung der Chancen unseres Landes für unser Land und unsere Leute arbeiten kann.

Das ist etwas Schönes, und darauf können Sie sich schon jetzt freuen. Aber noch wichtiger ist es, dass wir die Zukunftsfragen für unser Land gut beantworten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

11.26



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 57

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


11.26.38

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ein herzliches Willkommen auch an die neuen Mitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich möchte beginnen mit dem gestrigen Tag und dem vorgestrigen Tag und möchte sagen: Ich habe mit sehr großer Neugier und Interesse mitverfolgt, was die persönliche Motivlage von Ihnen, Herr Bundeskanzler, war, diese Funktion jetzt zu übernehmen, denn es ist doch eine sehr schwierige Situation, um die es jetzt geht. Das ist keine Frage! Und ich möchte darüber hinaus sagen, dass ich Ihnen meinen Respekt aussprechen möchte dafür, dass Sie auch eine ganz wichtige und richtige Frage angesprochen haben, und zwar den politischen Stil. Ich halte das für wirklich relevant.

Glauben Sie uns, auch wir leiden manchmal unter ritualisierten Abläufen, denen kann man sich oft nicht verschließen. Ja, auch wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, mit Sicherheit, aber es war einfach in den letzten Jahren nicht sehr leicht, etwas zu ändern, vor allem in einem Parlament, wo viele Vorschläge, viele gute Ideen von der Opposition, auch von uns Grünen, in keiner Weise ernsthaft aufgegriffen worden sind, wo viel vertagt worden ist, wo de facto die Regierung mit fixfertigen Vorlagen ins Haus gekommen ist, in einer Art Friss-oder-stirb-Mentalität, wo man auch, selbst wenn es unsinnige Kompromisse waren, sehr große Schwierigkeiten hatte, hier noch etwas zum Positiven zu verändern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Aber ich finde es wichtig, dass Sie es gemacht haben, richtig, wie Sie es gemacht haben, und ich hoffe, dass es vielleicht eine Chance gibt, diesen Stil von Dauerstreit, Blockade und gegenseitigen Abwertungen einmal aufzubrechen und einen neuen Stil zu versuchen.

Umso bedauerlicher habe ich jetzt die Rede von Herrn Klubobmann Strache emp­funden. (Zwischenruf des Abg. Strache.) Ich empfinde es als massive Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die sich in eine Regierungsfunktion begeben haben, ihnen nicht einmal eine einzige Minute zugehört zu haben. Da ist eine Rektorin … (Abg. Strache: Die Österreicher leiden seit Jahren! Die stehen im Mittelpunkt!) Sie haben Ihre Redezeit gehabt. (Abg. Strache: Seit Jahren leiden die Österreicher unter diesem Wahnsinn!) Ich finde es unglaublich respektlos – das ist wie vor dem Anpfiff eines Spieles, wo du gerade einmal die Spielaufstellung gehört hast –, schon jetzt zu wissen, dass die Mannschaft verloren hat. Dafür ist die Situation zu ernst! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Das Spiel geht schon drei Jahre! Seit drei Jahren leiden die Österreicher darunter!)

Das, was ich hier verspürt habe, ist, dass es Ihnen Freude macht, etwas zu zerstören und etwas herunterzumachen. (Abg. Strache: Das ist die grüne Anbiederung an das rot-schwarze System!) Sie sollten auch ein bisschen Interesse daran haben, dass bei der Bevölkerung Politik positiver ankommt und dass auch wirklich Lösungen gefunden werden. Ich glaube, Sie freuen sich, wenn es den Leuten schlechter geht. (Abg. Kickl: Unglaublich!) Das ist, glaube ich, für die momentane Situation die völlig falsche Antwort. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Haider: Das ist eine bösartige Unterstellung – eine sehr bösartige Unterstellung!)

Ich bin seit 2009 Bundessprecherin der Grünen und Klubobfrau. Wir haben in diesen Jahren wirklich sehr schwierige Situationen gehabt. Wir haben allerdings auch eine Regierung erlebt, die von Klausur zu Klausur gegangen ist. Trotz Handlungsdruck, den es spätestens seit der Finanzmarktkrise, dann seit der Wirtschaftskrise und nach­folgend auch aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt gegeben hat, hat man den


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Ernst der Lage einfach nicht erkannt, wo es notwendig gewesen wäre, sehr viel radikaler in eine Modernisierung und ein Miteinander hineinzugehen.

Wir haben auch tatsächlich alte Probleme nicht gelöst, allen voran die Situation an den Schulen, in den Kindergärten, an den Universitäten, also im ganzen Bildungsbereich, aber wir haben darüber hinaus in neuen Bereichen einfach auch international etwas verloren. Das ist sicher eine sehr große Herausforderung, und umso wichtiger ist es, dass man hier versucht, konstruktiver miteinander zu arbeiten. Das ist unser, das ist mein Wille!

Ich möchte nun gerne ein paar Themenbereiche aufgreifen und auch ein paar Aspekte in die Diskussion einbringen, die uns und mir sehr wichtig sind und die, glaube ich, auch noch Aufmerksamkeit verdienen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben von Menschen gesprochen, die Sorgen haben, die Ängste haben, die befürchten, dass es ihren Kindern einmal schlechter geht. Das ist sicher ein neues Gefühl. Aber da geht es nicht nur um Arbeitslosigkeit und den Arbeits­markt. Das ist absolut relevant, überhaupt keine Frage, das ist mittlerweile auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Umgerechnet werden wir alle im Schnitt alle drei Jahre für mehrere Tage, für etwa 100 Tage arbeitslos. Und das ist schon eine Erfah­rung, die sich in eine Gesellschaft einprägt.

Aber es geht in der sozialen Frage auch noch um eine ganz andere Thematik, nämlich darum, wieder mehr Sicherheit und dadurch auch mehr Freiheit und auch mehr Selbst­bewusstsein zu bekommen. Das Leben läuft einfach nicht mehr so ab, dass man soziale Sicherheit vom Ende der Berufsausbildung bis zur Pension hat. Es gibt unglaublich viele Brüche, es gibt unglaublich viele schwierige Situationen, beispiels­weise in der Phase der Familiengründung, wo man sich in Österreich, vor allem in den Städten, wirklich schwer tut – und zwar vor allem dann, wenn man ein zweites Kind bekommen möchte –, eine adäquate Wohnung zu finden.

Es ist unglaublich schwierig, nach einer Ausbildung eine adäquate Arbeit zu finden, damit meine ich, nicht zunächst einmal prekär zu arbeiten oder ein Berufspraktikum nach dem anderen zu machen. Es ist auch sehr schwierig – und das ist in jedem Bun­desland unterschiedlich –, die Frage zu lösen: Wie gehe ich damit um, dass meine Eltern pflegebedürftig werden? Das ist ja de facto ein Lotteriespiel, ob das in Ober­kärnten oder in Wien ist. Da ist ein großer Unterschied vorhanden. Und da mehr Sicherheit und dadurch auch mehr Freiheit und mehr Eigenständigkeit für Menschen zu schaffen, ist eine große sozialpolitische Herausforderung. Das geht jetzt ein bisschen über den Arbeitsmarkt hinaus, aber das wollte ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, auch mitgeben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich freue mich, dass die frei werdenden Frauenpositionen auch wieder mit Frauen besetzt worden sind. Ich sage das ausdrücklich, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass es in dieser Republik viel zu wenig Positionen gibt, die tatsächlich von Frauen ausgefüllt werden.

Ich freue mich auch besonders mit Ihnen auf die Zusammenarbeit. Und bitte, auch wenn Sie andere Politikbereiche zu bearbeiten haben – das richtet sich aber auch an die Männer in der Regierung –: Vergessen Sie nicht, dass die Situation der Frauen in Österreich nach wie vor extrem unbefriedigend ist! Es ist die Gruppe, die am meisten in prekären Beschäftigungen und in Teilzeit arbeitet, die mit einen wahnsinnigen Druck sowohl zu Hause als auch im Beruf leben muss. Und da verdient auch für die nächsten Jahre – weil Sie sagen, Sie wollen bis 2025 ein Programm machen – die Verbesserung der Situation der Frauen in Österreich ganz besondere Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)


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Herr Bundeskanzler, Sie haben zu meiner Freude auch etwas ausführlicher die Frage Bildung und Ausbildung in Österreich angeschnitten. Ich würde mir wünschen – wir von den Grünen würden uns wünschen, unser Bildungssprecher würde sich wünschen –, dass es bei der Bildungsreform nicht wieder heißt: Zurück zum Start! Wir haben schon so oft monatelange Prozesse erlebt, obwohl eigentlich die Probleme sehr klar sichtbar waren. Da wünschen wir uns wirklich mehr Tempo. Das wird eine der Nagelproben, auch der Schlüsselfragen sein.

Da geht es um Qualität, um die individuelle Förderung, und zwar ab dem Kindergarten und der Volksschule. Ich hoffe, dass Sie da die Hürden überwinden können, den Streit um die Neue Mittelschule oder um die AHS. Es geht da um die individuell beste För­derung für jedes Kind. Und die Kinder sind sehr unterschiedlich. Gerade im Volks­schulalter gibt es bis zu zwei Jahre Entwicklungsunterschied, daher kann man nicht alle über einen Kamm scheren. Und da kann nicht das Zeugnis in der vierten Klasse Volksschule das wichtigste Zeugnis im Leben eines Menschen sein. Ich hoffe, dass da relativ schnell eine Lösung gefunden wird. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten von SPÖ und NEOS.)

Es wurde auch das Beispiel „Jobs, Jobs, Jobs!“ angesprochen. Ich hoffe, dass es auch ein neues Verständnis für die Situation der Universitäten gibt. Das ist schon eine Situation, die man ändern müsste. Gestern hat der Finanzminister gesagt, er sei nicht bereit, die strukturelle Lücke im Bildungsbudget zu schließen, solange es keine Reformen gibt. Das ist nachvollziehbar, aber es ist, glaube ich, die falsche Haltung. Es geht jetzt darum, wirklich die richtigen Lösungen zu finden.

Zum Beispiel geht es insbesondere im Hochschulsektor darum – und das ist genau das, was Sie gesagt haben –, die Grundlagenforschung und das Wissen, das dort ver­mit­telt wird, nicht ausschließlich für ökonomische Zwecke zu nutzen, sondern es muss da auch einen ganz wichtigen gesellschaftlichen Impuls geben. Es ist wichtig, dass diese Sichtweise auch wieder einkehrt, und da zähle ich sehr auf Sie, Herr Bundes­kanzler.

Zum Abschluss ist noch eine europäische Herausforderung anzusprechen. Ich möchte den heutigen Tag nicht verstreichen lassen, ohne darauf eingegangen zu sein. Es geht dabei um die Fragen: Wie stellen wir uns in den nächsten zehn Jahren die wirt­schaft­lichen Rahmenbedingungen vor? Im Moment geht es im Rahmen der Verhandlungen zwischen den USA, Kanada und der Europäischen Union um massive Umwälzungen, wie die zukünftigen wirtschaftlichen Strukturen in Europa, aber auch in den USA ge­baut werden, ob sie zusammengelegt werden, ob die Standards vereinheitlicht werden.

Wir haben da große Sorge, weil im Moment die Ergebnisse dieser Verhandlungen in eine vollkommen falsche Richtung laufen, nämlich in Richtung einer Nivellierung nach unten. Wir stellen uns aber Europa als einen Raum mit hohen Standards vor, die First Mover Advantages haben, die auch weltweit in vielen Bereichen führend sein können, ob das in der Umwelttechnologie ist, ob das im Klimaschutz ist, ob das beim Ausstieg aus Öl und Gas ist, ob das beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist. Ich nehme an, Ihr New Deal kann in diesem Zusammenhang nur ein Green New Deal sein.

In diesem Zusammenhang haben wir die Sorge, dass die momentane Aufsetzung von TTIP, aber auch von CETA uns mit den Sonderklagsrechten für Konzerne bereits Ent­scheidungen aufzwingt, die uns die Freiheit für eine positive Entwicklung nehmen. Vor diesem Hintergrund bringe ich heute – es ist ja eine Generaldebatte – folgenden An­trag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 60

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend: TTIP stoppen und CETA ablehnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wird aufgefordert, auf europäischer Ebene

CETA abzulehnen und sich dafür einzusetzen, dass es keinesfalls zu einer vorläufigen Anwendung dieses Abkommen kommt und

sich dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen mit den USA zum TTIP-Abkommen unverzüglich gestoppt werden.“

*****

Also unsere Kooperationsbereitschaft ist vorhanden. Sie haben, Herr Bundeskanzler, sehr hohe Erwartungen geweckt, das ist jetzt natürlich einzulösen. Viel Zeit ist dafür nicht vorhanden, muss man ehrlicherweise sagen.

Das ist sicher die letzte Chance, eine zweite gibt es wahrscheinlich nicht. In diesem Sinne: Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.36


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Klubobfrau Glawischnig-Piesczek einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Ver­handlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde betreffend TTIP stoppen und CETA ablehnen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantritts des Herrn Bundeskanzlers und der neuen Mitglieder der Bundes­regierung

Begründung

Seit Juli 2013 verhandelt die Europäische Kommission mit der USA hinter verschlos­senen Türen ein "Transatlantisches Handels- und Investitionspartner­schaftsabkom­men" (TTIP). Ein Leak von TTIP-Verhandlungsunterlagen zeigt nun, dass die Befürch­tungen der TTIP-GegnerInnen mehr als berechtigt sind. So steht die Aufweichung des EU-VerbraucherInnenschutzes bei Lebensmitteln ebenso zur Verhandlung, wie eine weitere Öffnung des europäischen Marktes für US-amerikanische Lebensmittel im Abtausch für Exporte der europäischen Automobilindustrie. Auch beharren die USA weiter auf Schiedsgerichte (ISDS). Die Verhandlungen gehen in eine komplett falsche Richtung. Daher kann am Ende auch kein gutes Ergebnis stehen, weshalb die Verhandlungen müssen abgebrochen werden."


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 61

Während TTIP noch im Verhandlungsstadium ist, ist CETA - das EU-Kanada-Han­delsabkommen - bereits abgeschlossen und steht vor der Ratifikation. CETA, das als Blaupause für TTIP gilt, enthält nicht nur Sonderklagsechte für ausländische Konzerne ,sondern stellt einen Angriff auf hohe Standards in sensiblen Bereichen wie Gentechnikgesetzgebung, Lebensmittelsicherheit oder KonsumentInnenschutz dar und höhlt demokratische Entscheidungsspielräume von der europäischen Ebene bis hin zu den Ländern und Gemeinden aus. So ist das in der EU geltende Vorsorgeprinzip in CETA nicht verankert. Das bringt KonsumentInnenschutz, Gesundheitsvorsorge und Gentechnikfreiheit in Europa ins Wanken.

Sobald der CETA-Vertragstext in alle EU-Amtssprachen übersetzt ist, wird die Euro­päische Kommission diesen dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Zustim­mung vorgelegen. Durch dieses für Juni 2016 geplante Einleiten des Ratifikationspro­zesses von CETA soll auch die vorläufige Anwendung des Vertrags beschlossen werden. Mit der vorläufigen Anwendung treten jene Teile des Abkommens, für die es ausschließliche EU-Kompetenz gibt, jedenfalls in Kraft noch bevor CETA von den nationalen Parlamenten ratifiziert worden wäre. Die vorläufige Anwendung von CETA unter Umgehung der nationalen Parlamente ist verfassungsrechtlich und demokratie­politisch untragbar.

Nach den TTIP-Leaks und dem vorliegenden CETA-Vertrag müssen von der Bundes­regierung Konsequenzen gezogen werden. Sie muss auf europäischer Ebene einen Verhandlungsstopp von TTIP herbeiführen und CETA – inklusive der geplanten vor­läufigen Anwendung – ablehnen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wird aufgefordert, auf europäischer Ebene

CETA abzulehnen und sich dafür einzusetzen, dass es keinesfalls zu einer vorläufigen Anwendung dieses Abkommens kommt und

sich dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen mit den USA zum TTIP-Abkommen unverzüglich gestoppt werden.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Klubobmann Dr. Lopatka. – Bitte.

 


11.36.46

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Sehr geehrte neue Regierungsmit­glie­der! Herr Bundeskanzler Mag. Kern! Frau Bundesministerin Dr. Hammerschmid! Herr Bundesminister Mag. Drozda! Herr Bundesminister Mag. Leichtfried! Frau Staatssekre­tärin Mag. Duzdar! Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie kennen wir schon. (Heiterkeit auf der Regierungsbank. – Abg. Schieder: Mitterlehner!)

Meine Damen und Herren! „Kanzler kommen und gehen“ – unsere Zeitung bleibt! (All­gemeine Heiterkeit.) Das konnten wir letzte Woche in einer auflagenstarken öster­reichischen Zeitung lesen. Es ist aber für unsere Republik nicht entscheidend, ob eine Tageszeitung bleibt. Das Entscheidende für unser Land ist, ob diese Regierung mit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 62

den neuen Regierungsmitgliedern rasch gute Lösungen für die Probleme bringt, denn die Herausforderungen sind uns geblieben.

Ich darf Sie, die neuen Regierungsmitglieder, namens meiner Fraktion sehr herzlich hier im Hohen Haus begrüßen und Ihnen versichern, dass die Form der Zusammen­arbeit, wie sie vom Vizekanzler angesprochen worden ist, selbstverständlich von uns voll unterstützt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Heiterkeit auf der Regierungsbank. – Abg. Kogler: Für das Protokoll: Heiterkeit auf der Regie­rungsbank!)

Meine Äußerungen von letzter Woche waren in die Vergangenheit gerichtet, wir wer­den uns, vor allem ich werde mich aber ab jetzt mit der Zukunft beschäftigen, meine Damen und Herren! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Ich bedanke mich besonders bei Peter Pilz für die freundliche Aufnahme. (Abg. Kogler: Was heißt das: Handy statt Telefonzelle?) – Ich habe mich nie in einer Tele­fon­zelle gesehen (allgemeine Heiterkeit) und glaube, dass eine Telefonzelle im Zeitalter von Mobiltelefonen ein uraltes Bild ist, Kollege Kogler. (Abg. Pilz – ein Handy in die Höhe haltend –: Das ist ein Handy!) Wie gesagt, der Blick sollte in die Zukunft gerichtet sein.

Wir stehen jetzt mitten in der Arbeit. Wir haben in Wirklichkeit keine Zeit zu verlieren und auch keine Zeit für eine Atempause. Gott sei Dank hat gestern der Finanzminister eine Lösung bei HETA präsentieren können. Einen riesigen Berg haben wir da abzuarbeiten. Aber das ist nur einer von mehreren. Denken Sie auch an die Flücht­lingskrise, wo die Bundesregierung lange gerungen hat. Wir haben am Ende mit Bundeskanzler Faymann eine Obergrenze von 37 500 Flüchtlingen festgelegt, die wir pro Jahr aufnehmen. Diese Obergrenze haben wir noch nicht erreicht. Ich war sehr froh, vom neuen Bundeskanzler zu hören, dass er diese festgelegte Linie auch mit unterstützen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lugar.)

Denn: Das erwarten sich die Menschen von uns! Österreich kann nicht eine euro­päische Aufgabe allein lösen. Bei all dem, was wir unserer Tradition auch schuldig sind, was wir für Flüchtlinge seit dem Zweiten Weltkrieg gemacht haben, müssen wir auch an unsere Bürgerinnen und Bürger denken. Und wir müssen hier eine gute Zu­sammenarbeit finden zwischen der Regierung und dem Parlament.

Ich für meinen Teil will hier auch stärker die Opposition einbinden. Wir sollten diesen neuen Stil, der vom Bundeskanzler angesprochen worden ist, ernst nehmen und nicht als ÖVP und SPÖ – zum Beispiel bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten – irgendetwas im stillen Kämmerlein machen, sondern sehr transparent das Verfahren abführen und dann frei die Abgeordneten entscheiden lassen, wer in Zukunft diese wichtige Aufgabe in der Republik wahrnimmt, meine Damen und Herren. Das halte ich für wesentlich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Steinbichler.)

„Es war eine würdige Rede,“ mit der sich Bundeskanzler Werner Faymann letzten Montag von der aktiven Politik verabschiedet hat, so urteilte die renommierte „Neue Zürcher Zeitung“ in ihrer Berichterstattung über den politischen Abschied von Werner Faymann. – Ja, Werner Faymann ist gegangen, die Herausforderungen sind geblie­ben. Und in diesen bitteren Tagen nach der schweren Wahlniederlage des SPÖ-Kandi­daten und unseres Kandidaten bei der Bundespräsidentschaftswahl war es Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der mit seinem Team diesen stabilen Übergang jetzt zur neuen Regierungsspitze garantiert hat. Ich sehe Österreich auch in solchen Übergangs­phasen durchaus als stark und stabil.


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Stark und stabil wird Österreich auch noch nächsten Sonntag bleiben. Wen immer die Österreicherinnen und Österreicher zum Bundespräsidenten wählen, ob Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer, unsere Landsleute werden eine richtige Entschei­dung treffen und wir werden einen starken und guten Bundespräsidenten haben. Und je mehr nächsten Sonntag zur Wahl gehen, umso mehr wird dieser Bundespräsident gestärkt sein.

Daher rufe ich Ihnen von dieser Stelle aus zu: Gehen Sie zur Wahl! Nehmen Sie am Sonntag an der Bundespräsidentschaftswahl teil! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

Meine Damen und Herren, die Republik hat sich schon in den letzten Jahren drama­tisch verändert, und sie wird sich auch kommenden Sonntag verändern. Erstmals wird kein Bundespräsident aus dem Lager einer Regierungspartei an der Spitze unseres Staates stehen. Und der neue Bundespräsident und der neue Bundeskanzler werden Österreich im Ausland ein anderes Gesicht geben. Und wir hier im Parlament haben dann zwei wahlfreie Jahre vor uns, und die sollten wir zu großen, wichtigen Reformen nutzen.

Europaweit hat es tektonische Verschiebungen in der Politiklandschaft gegeben, und diese Flüchtlingskrise nach der Finanzkrise fordert uns und ist noch lange nicht ausge­standen. Auch bei uns sind Dschihadismus, Terror und Gewalt angekommen. Die Bundesregierung muss darauf die entsprechenden richtigen Antworten geben. Will­kommenskultur ohne Grenzsicherung geht nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Toleranz gegen Intolerante geht nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir brauchen eine Bundesregierung, die auch Entschlossenheit und Stärke zeigt, wenn es um Reformen geht. Österreich hat ein hervorragendes Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem, das wissen wir. Wenn wir dieses hervorragende Sozial-, Pensions- und Gesundheitssystem sichern wollen, dann müssen wir jetzt zu Reformen bereit sein! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und dazu gehört auch die Mindestsicherung. Die ÖVP hat hiezu ein Maßnahmenpaket erstellt, weil die Mindestsicherung jetzt unter völlig anderen Voraussetzungen zu sehen ist als in der Zeit, als wir sie eingeführt haben. Diejenigen, die jetzt in die Mindestsiche­rung kommen, sind vor allem Menschen, die bei uns angekommen sind und auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, sofort hier ihr Auslangen zu finden. Das ist der große Unterschied zu der Zeit ihrer Einführung, als der ganz, ganz große Teil Menschen waren, die über Jahre hinweg in Österreich für unser Gemeinwesen, aber natürlich auch für unser Sozialwesen, für unsere Steuern Beiträge geleistet haben. Da bin ich schon dafür, dass man neben einer Deckelung auch darüber diskutiert, ob es fair und gerecht ist, dass jene, die noch keine Möglichkeit hatten, einen Beitrag zu leisten, genauso unterstützt werden wie jene, die hier in Österreich über Jahre und Jahrzehnte einen Beitrag geleistet haben. Ich glaube, eine Differenzierung ist da gerechtfertigt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das dänische Modell sollten wir uns durchaus ansehen. Und wir müssen auch eines sagen: Die Menschen, die tagtäglich hart arbeiten und nicht viel verdienen können, die sollten sich gerecht behandelt und fair behandelt fühlen im Vergleich zu jenen, die aus sozialen Sicherungsnetzen leben müssen. Auch hier muss die richtige Balance gefun­den werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das ist auch der Grund, warum wir für diese Deckelung eintreten.

Herr Bundeskanzler Kern, Sie haben mit Ihren ersten öffentlichen Äußerungen durch­aus Feststellungen getroffen, die ich bemerkenswert finde. Sie haben am Dienstag in


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Ihrer kritischen Analyse gesagt: „Unternehmen haben das Vertrauen in den Standort verloren und reduzieren ihre Investitionen, um damit zuverlässig die Krise für die nächsten Jahre weiter zu perpetuieren.“ – Herr Bundeskanzler, das haben wir von­seiten der ÖVP schon wiederholt betont – wir haben nicht immer Beifall erhalten –, und wir haben uns immer für die Erfordernisse des Standortes eingesetzt und wir haben uns für die Wirtschaft eingesetzt, weil wir wissen: Ohne eine funktionierende Wirtschaft keine Arbeitsplätze und kein Wohlstand!

Daher bin ich froh darüber, dass Sie da unsere Ansichten teilen. Wir werden aber dann an dem gemessen werden, was wir gemeinsam umsetzen. Wir brauchen in Österreich Eigentumsfreundlichkeit, wir brauchen eine Entbürokratisierung für die Unternehmer und wir müssen auch weiterhin alles tun, um gerade für die Unternehmer die Abgaben- und Steuerlast zu senken. Wenn Sie da unser Partner sind, freuen wir uns sehr, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, ich würde es für gut befinden, wenn diese neue Bundesregierung mit dem neuen Bundeskanzler sehr rasch einen großen österreichischen Standortkonvent einberufen würde und die besten Unternehmer aus der Privatwirtschaft an einen Tisch holen könnte, um dann aus dem heraus ein Standortpaket zu entwickeln, damit die Österreicher, damit unsere Unternehmer wieder optimistisch in die Zukunft blicken können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das könnte der Start für eine Reihe von Leuchtturmprojekten sein, um diesem Frust, den Sie angesprochen haben, dann tatsächlich den Garaus zu machen.

Ein letzter Punkt, den ich noch anspreche möchte: Wir müssen gemeinsam Öster­reichs Interessen stark in der Europäischen Union vertreten. Aber wir müssen auch stärker hier in Österreich unseren Mitbürgern sagen, dass Österreich auch eine starke Europäische Union braucht, meine Damen und Herren. Auch das ist wichtig! (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Daher sage ich zum Schluss kommend: Aus meiner Sicht ist Österreich stabil und stark. Und Österreich wird stabil und stark bleiben, wenn wir die Bereitschaft zu Refor­men haben, wenn wir auch den Mut haben, dort Grenzen zu setzen, wo Grenzen notwendig sind, wie in der Migrationsfrage. Und Österreich wird stark bleiben, wenn wir vor allem, wenn es um den Wirtschaftsstandort geht, mit einem notwendigen Weitblick an die Aufgaben herangehen.

Das sind unsere gemeinsamen Aufgaben. Wir werden sie gemeinsam lösen. Diese Bundesregierung ist mit diesen neuen Regierungsmitgliedern sicherlich gestärkt. Alles Gute der neuen Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz zu Wort. – Bitte.

 


11.49.35

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Bundes­regierung! Vor allem herzlich willkommen im Parlament an die neuen Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die heute mit großem Interesse hier ins Hohe Haus hereinhorchen!

Herr Bundeskanzler, Ihre Rede hat mir sehr gefallen. Ich finde, da ist sehr viel Zuversicht drinnen, da schwingt auch sehr viel Entschlossenheit mit. Ich denke, beides wird Österreich brauchen. Es erinnert mich ein bisschen an unsere Anfänge: Es ist das Prinzip Hoffnung. Es ist der Zauber des Anfangs, der die Menschen auch begeistert. Ich habe natürlich auch vernommen, dass die Begeisterung groß ist. Ich habe auch mit meiner Frau gesprochen, Herr Bundeskanzler. Sie hat gestern, als sie Ihnen zuge-


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schaut hat, gesagt: Das ist mein neuer Held! – Heute in der Früh hat sie gesagt, sie wollte mich nur ärgern. Das war wichtig für mich. (Heiterkeit.)

Aber natürlich ist so etwas wie viel Hoffnung im Raum. Und, Herr Bundeskanzler, das beschreibt auch ein bisschen den Zustand: Die Sehnsucht nach Neuem ist unendlich groß, die Sehnsucht nach Veränderung ist groß – und die bedienen Sie im Moment. Sie wissen auch, dass am Ende des Tages nicht das Erzählte reicht, sondern das Erreichte zählt. Daran werden Sie gemessen werden. Das heißt, Sie müssen liefern. Das ist wichtig: Sie müssen liefern.

Und ich habe jetzt zweimal gehört, von Ihnen und vom Herrn Vizekanzler: Ich will. – Ich habe von Ihnen beiden nicht gehört, was Sie wollen. Sie werden aber noch genügend Gelegenheit haben, das nachzureichen, was Sie wollen. Also ich will da nicht unge­duldig sein. Wir müssen aber, wenn wir jetzt nüchtern auf diesen Hype draufschauen, auch die eine oder andere Skepsis anmelden. Den Hype gab es auch bei Herrn Gras­ser, den gab es bei Josef Pröll, den gab es auch beim Beginn von Herrn Mitterlehner, von Herrn Schelling. Das heißt, wir kennen die Hypes – auch die NEOS haben einen Hype hinter sich –, und die Frage ist: Kann man dann auch liefern? Kann man halten?

Wir wissen, wie schwierig der Weg ist. Wir sind mit knapp 5 Prozent in dieses Haus ge­kommen, haben uns jetzt in den zweieinhalb Jahren auf gut 7 Prozent hochgearbeitet. Also den Hype zu halten, wird nicht möglich sein, sondern Sie müssen liefern – und ich denke auch, dass jene, die einen Messias suchen, besser in einem Gotteshaus aufge­hoben sind als in einer Bundesregierung.

Wenn ich das Phänomen Kern bisher vermesse, Herr Bundeskanzler, dann funktio­nieren Sie bisher eigentlich über die Analyse. Das ist gut so, aber das kann natürlich nur der erste Teil sein. Sie werden in drei Monaten nicht mehr über die Analyse alleine funktionieren, sondern Sie müssen Lösungen bringen. Allerdings – und das ist wich­tig –: Wenn man Veränderung in die Welt bringen will, dann muss man einen klaren Blick für den Status quo haben – denn wenn man den Status quo negiert, dann kann man keine Veränderung bringen. Insofern schätze ich Ihre analytische Fähigkeit.

Dann werden Sie natürlich auch feststellen, dass wir auch an einem Wendepunkt der österreichischen Geschichte sind. Ich verhehle nicht, dass ich eben glaube – und das ist keine Geringschätzung der Personen, ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute, allen neuen Ministern und auch den Regierungsmitgliedern insgesamt –, dass diese Konstellation, diese Bundesregierung, diese große Koalition falsch für Österreich ist. Ich denke, dass sie eben nicht diese Veränderung bringen kann, und deswegen bin ich auch sehr skeptisch bei diesem Neuanfang.

Wir hatten 2008 schon Plakate, auf denen es geheißen hat: „Genug gestritten“. Das war von Herrn Faymann. Wir haben viele Versuche von Neustarts gehabt. Ich habe einige herausgeschrieben:

2013: „Vertrauensvolle Arbeit und nicht Konfrontation“. – Das war der Wunsch von Herrn Spindelegger.

2014: „Ich bin ein Befürworter des Miteinander. Ich glaube, es muss in der neuen Regierung mehr Gemeinsamkeit geben.“ – Das war Mitterlehner.

Faymann, 2014: „Jawohl, wir ändern den Stil in Richtung einer wahrnehmbar team­orientierten Mannschaft.“

Also solche Bekundungen gab es viele, und deswegen erlauben Sie mir auch, dass ich einfach ehrlich bin und sage, ich bin da skeptisch. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und ich glaube auch, dass Sie hier mit viel Hoffnung hereinkommen – und das Prinzip Hoffnung alleine zählt auch schon viel. Aber ich halte die Konstellation dieser


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 66

großen Koalition einfach für falsch, weil Sie miteinander nicht mehr können und weil Sie miteinander auch nicht mehr wollen, habe ich oft den Eindruck – und das wird unter vier Augen auch oft bestätigt. (Beifall bei den NEOS.)

Dennoch, ich lasse mich – und das werden wir auch sehen, Herr Bundeskanzler – gerne eines Besseren belehren. Aber ich wollte auch ausschildern, warum wir NEOS auch für Neuwahlen sind und das in dieser Situation für die bessere Maßnahme ge­halten hätten.

Wenn ich also von Ihnen zweimal gehört habe: Ja, ich will!, aber das Was – was Sie wollen – noch nicht gehört habe, dann darf ich Ihnen einiges an Was mit auf den Weg geben, denn wir haben dringende inhaltliche Anliegen und auch einige Quick Wins: Herr Bundeskanzler – Sie kommen aus dem Management –, Quick Wins könnte es zum Beispiel in der Bildung geben.

Sonja Hammerschmid, wir kennen uns aus früheren Kontexten, und ich finde die Besetzung dieses Ressorts mit dir sehr spannend. Ein Quick Win wäre in der Bildung im Bereich der Schwerpunktschulen, wo wirklich immense Probleme bestehen. Ein Drittel, mindestens ein Drittel der Absolventen geht direkt in Richtung AMS – also lebenslang AMS! Das ist eine verlorene Generation, ohne Aussicht, ein Eigenheim zu erwerben, ohne Ausblick, eine Familie gelingend aufzubauen, weil sie ja nicht gerade lesen können, nicht ordentlich schreiben können. Und das müssen wir ändern!

Wir haben 175 Millionen € für Teamteaching in den Neuen Mittelschulen in die Hand genommen. Und Teamteaching kann sinnvoll sein, aber es kann auch Sprachförde­rung sinnvoller sein, es kann sinnvoller sein, einen Schulpsychologen, einen Sozial­arbeiter, eine Sozialarbeiterin zu holen. Wir sollten es den Schulen als Expertenorgani­sationen – den Schulleitungen, Schulgemeinschaftsausschüssen – in die Hand geben, wie sie mit diesen 175 Millionen € umgehen. Keine Bevormundung, sondern wenn wir verantwortungsvolle Pädagoginnen und Pädagogen wollen, dann müssen wir ihnen auch Verantwortung geben! – Also das können wir noch vor dem Sommer machen.

Auch im Wirtschaftsbereich, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler: Arbeitszeitflexi­bilisierung! Wir haben eine Gesetzeslage, von der wir wissen, dass sie mit der Realität nichts zu tun hat, dass es sowohl im Industriebereich als auch im Dienstleistungs­bereich, in den digitalisierten Bereichen völlig neben den Schuhen ist, diese Beschrän­kung auf die zehn Stunden zu haben, wo es heißt: Jetzt musst du nach Hause gehen, und ich gestehe dir nicht zu, dass du morgen zwei Stunden später kommst und mit deinem Kind noch zum Arzt gehst oder von mir aus Sport betreibst, was auch immer. – Das ist eine Bevormundung, die falsch ist! Sie wissen das, Sie haben diesen Punkt sogar im Regierungsprogramm, aber bisher geht es nicht, weil eben die Gewerkschaft sagt, ich will ein Gegengeschäft mit der Wirtschaftskammer machen, und die Wirtschaftskammer sagt, ich bin aber zu dem Gegengeschäft nicht bereit. Und dann ist das Parlament hier gelähmt!

Da habe ich natürlich Sorge! Auch da können Sie sich beweisen, Herr Bundeskanzler,. Das können wir noch vor dem Sommer machen: Arbeitszeitflexibilisierung!

Es ist nicht okay, dass dieses Parlament immer wieder von einer Sozialpartnerschaft blockiert wird – die historisch gesehen natürlich große Verdienste hat –, dass dieses Parlament immer wieder von „Fürsten der Finsternis“, von Landesfürsten blockiert wird: Wenn wir eine Transparenzdatenbank in die Welt bringen, dann wird sie von Landesfürsten nicht befüllt! Wir werden immer wieder von Mustern des rot-schwarzen Machtkartells blockiert.

Auch deswegen, Herr Bundeskanzler, gestehen Sie mir zu, dass ich eine Rest-Skepsis natürlich auch gegenüber Ihrer Person habe. Sie sind ein Kind der rot-schwarzen


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Koalition, Sie sind ein Kind des Machtkartells. All Ihre Führungsfunktionen bisher haben Sie über das rote Parteibuch bekommen. Sie haben dort aber – das gestehe ich zu – gute Jobs gemacht, jedenfalls zuletzt bei den ÖBB.

Aber wenn Sie sagen, das Schauspiel der Machtversessenheit muss ein Ende haben, dann richtet sich das ganz stark auch an Sie selbst, denn: Dann hören wir mit der parteipolitischen Bestellung in allen Energieversorgungsunternehmen in jedem einzel­nen Bundesland auf! Dann hören wir mit der parteipolitischen Bestellung bei den Bun­desbahnen, in den Schuldirektionen auf! Dann schaffen wir, wie wir NEOS es vorgeschlagen haben, die Freundeskreise im ORF ab, denn auch dort herrscht der parteipolitische Würgegriff! – Das heißt, da können Sie beweisen, dass Sie es ernst meinen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Neubauer und Lausch.)

Abschließend: Ich will auch, Herr Bundeskanzler. Sie haben Gewissheit, dass Sie, wenn Sie das Prinzip Hoffnung so weitertragen und auch tatsächlich mit Leben erfüllen kön­nen – und das wird sich innerhalb weniger Monate weisen –, in uns NEOS einen sehr willigen Partner haben werden.

Und das ist auch mein Appell: Nutzen Sie das Parlament! Ich habe mir jetzt einige Parlamente in zahlreichen Ländern Europas angeschaut, und es besteht zwischen Parlament und Regierung in vielen Ländern eine ganz andere Zusammenarbeit, als es in Österreich gehandhabt wird. (Abg. Pendl hat Bundeskanzler Kern die Hand gereicht und kehrt nunmehr zu seinem Sitzplatz zurück.) – Ja, Herr Pendl, auch Ihren Beitrag würde ich mir bei dieser neuen Gestaltung des Zusammenlebens wünschen. Schaffen Sie dieses Ritual ab, dass jeder Vorschlag, der von der Opposition kommt, automatisch durch Vertagung oder Ablehnung verlocht wird! Dann wäre schon viel geschehen für diese Republik.

Alles Gute Ihnen, den Neuen in diesem Amt! (Beifall bei den NEOS.)

11.59


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar zu Wort. – Bitte.

 


11.59.42

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, Herr Bundeskanzler, vieles von dem, was Sie heute gesagt haben, kann ich unter­streichen.

Die Analyse, die Sie heute gebracht haben, ist treffend. Sie haben die Problemfelder aufgezeigt, Sie haben uns erzählt, was alles in der Vergangenheit schief gelaufen ist. Sie haben leider nicht allzu viele Worte dafür verwendet, uns zu erklären, was Sie besser machen wollen. Und wenn Sie gesagt haben, was Sie wollen, dann haben Sie es immer in der Ich-Form getan. Das heißt, Sie haben immer gesagt: Ich will, ich will, ich will. Ich habe mitgezählt, bei 20-mal habe ich aufgehört mitzuzählen. Sie haben aber nie gesagt: Wir wollen.

Ich glaube, dass dies das Problem ist, das diese Regierung auch in der Vergangenheit hatte, nämlich dass immer die einen wollten und die anderen wollten, aber gemeinsam wollte man nichts.

Wenn man sich die Problemanalyse anschaut, muss man sagen: Wir haben von allen Finanzministern – zumindest seit ich im Hohen Haus bin – immer eine gute Problem­analyse abgeliefert bekommen. Bei jeder Budgetrede, ob das Herr Pröll war, Frau Fekter, Herr Spindelegger oder auch Herr Schelling, haben alle immer wieder gesagt, Schulden sind unsozial, wir müssen von den Schulden weg. Und was geschieht? –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 68

Jedes Jahr werden neue Schulden gemacht. Das heißt, das Problem zu kennen ist noch nicht einmal die halbe Miete.

Sie haben heute gesagt, dass Sie die Probleme verstanden haben, aber was mir gefehlt hat, war das Bekenntnis zu gemeinsamen Lösungen. Jetzt kann ich mir natür­lich vorstellen, dass es Bereiche gibt, in denen es sehr, sehr schwierig ist. Wir haben in der Vergangenheit immer erlebt, dass die ÖVP, wenn sie einsparen wollte, reflexartig die ÖBB und die Arbeitnehmer oder die Sozialsysteme auf dem Kieker gehabt hat. Wenn aber die SPÖ einsparen wollte, dann waren es die Beamten oder eben die Bauern, die bei der ÖVP auf der Liste stehen, die diese nicht vergraulen will. Und das ist das Problem. Das heißt, es gibt ein riesiges Spannungsfeld in dieser Regierung zwischen dem, was die einen wollen, und dem, was die anderen wollen. Und das, was man gemeinsam will, ist aus meiner Sicht ganz schwer unterentwickelt. Da könnte man ansetzen.

Sie haben gesagt, Sie wollen konstruktive Vorschläge von der Opposition, und jetzt kommt so ein Vorschlag: Es gibt eine Sache, in der Sie sich beide höchst wahr­scheinlich einig sein werden, in der es auch ganz wenig Widerstände gibt – weder von der Gewerkschaft, ganz im Gegenteil, noch von der Arbeiterkammer, den Bünden, wie sie alle heißen, noch von den Ländern. Da kommt kein Widerstand. Da gibt es nur von einer Seite Widerstand, von den Grünen und Grüninnen und manchen Linkslinken, aber sonst gibt es keinen Widerstand. Wissen Sie, was das ist? – Das ist die Lösung dieser Flüchtlingsproblematik. Hier könnten Sie zeigen, dass Sie regieren können.

Wenn Sie sagen, die Menschen haben das Vertrauen in die Regierung verloren, dann haben sie es deshalb verloren, weil wir auf der einen Seite eine Regierung hatten, die sich monatelang darüber gestritten hat, ob wir einen Zaun oder eine Tür mit Seiten­teilen wollen, oder ob es jetzt Obergrenze oder Richtwert heißen soll. Monatelang! Im Fernsehen kamen die Bilder, wie eine Horde von jungen Flüchtlingen, alles Männer, die Polizei einfach zur Seite geschoben hat. Und das ist das Problem. Das heißt, bei diesen Bildern wurde den Menschen draußen klar: Diese Regierung ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, wofür die Regierung eigentlich da wäre, nämlich für Recht und Ordnung.

Viele sagen, wir haben eine Steuerquote von über 40 Prozent. Das stimmt ja nicht. Wenn sie alles rechnen, auch die Mehrwertsteuer, die sonstigen Steuern und Abga­ben, die sie auf das Versteuerte nochmal draufzahlen, dann ist es weit mehr als die Hälfte dessen, was sie verdienen, das sie dem Staat geben. Da erwarten sich die Menschen natürlich eine Gegenleistung. Natürlich erwarten sich die Menschen eine Gegenleistung, und wenn sie dann eine Regierung bekommen, die sich Monate um Begrifflichkeiten streitet und die wichtigen Dinge eben nicht tut, dann geht das Vertrauen verloren.

Ich kann Ihnen sagen, als Staatsbürger wünsche ich mir, dass Sie erfolgreich sind, Herr Kern. Ich wünsche es mir aus tiefstem Herzen, denn wir haben ein riesiges Prob­lem. Wir haben jetzt eine Flüchtlingslawine, durch die nicht nur über 100 000 Men­schen hier sind, wobei wir keine Ahnung haben, was wir mit denen machen. Es gibt keine Wohnungen, es gibt keine Arbeit und es gibt keine Idee, wie wir das stemmen können. Zusätzlich haben wir nach offiziellen Zahlen 92 000 Illegale im Land – nach offiziellen Zahlen! Die Dunkelziffer sieht viel größer aus, da sprechen wir von 200 000 bis 250 000 – und niemand tut etwas.

Deshalb – wenn Sie von mir einen Rat wollen –: Kümmern Sie sich gemeinsam um dieses Problem! Wenn Sie dieses Problem gelöst haben, dann kommt das Vertrauen auch wieder zurück. Wissen Sie warum? – Wenn man eine marode Firma hat und einen neuen Chef bestellt, dann will man auch gleich sichtbare Ergebnisse. Hier könn-


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ten Sie, bevor Sie die großen Baustellen wie Pensionen oder Arbeitsmarkt angehen, schnell für die Bevölkerung Ergebnisse liefern, damit das Vertrauen zurückkommt. Dann fällt die Arbeit auch leichter.

Wenn Sie das aber nicht tun, wenn Sie sich zuerst die großen sozialistischen Vorha­ben aufs Tapet holen, dann werden Sie, das kann ich Ihnen prophezeien, Schiffbruch erleiden.

Ergreifen Sie deshalb die Gelegenheit, machen Sie das, was man von Ihnen erwartet, lösen Sie die Probleme, und vor allem die Probleme, die augenscheinlich sind! Wenn die Menschen den Fernseher aufdrehen und von Vergewaltigungen und Sonstigem hören, dann haben sie Angst. Da Sie ihnen mehr als 50 Prozent ihres Geldes wegneh­men, haben Sie verdammt nochmal die Pflicht, sich dieser Probleme anzunehmen. Das ist Ihre Pflicht! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Wenn Sie das nicht verstanden haben, dann können Sie so viel Optimismus verbreiten wie Sie wollen, dann werden Sie Schiffbruch erleiden.

Ich kann Ihnen nur sagen, ich wünsche mir, dass Sie erfolgreich sind, auch wenn das für die Opposition nicht so gut aussieht, denn dann werden Sie auch in den Umfragen wieder besser dastehen. Aber als Staatsbürger und angesichts dessen, was wir zu erwarten haben, wenn Sie nicht reagieren, wünsche ich mir, und das aus tiefstem Herzen, dass Sie erfolgreich sind. (Beifall beim Team Stronach.)

12.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr. Hammerschmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


12.06.12

Bundesministerin für Bildung und Frauen Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Regierungsmitglieder! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich wurde gebeten, heute hier kurz zu formulieren und ein Statement abzugeben, was ich sehr, sehr gerne mache.

Ich möchte mit einem Satz des Herrn Bundeskanzlers beginnen, da er eigentlich das Wesentliche für mein Ressort bereits zusammenfasst: Ich will in einem Land leben, in dem alle Kinder dieselben Chancen haben, unabhängig davon, wo sie wohnen und wer ihre Eltern sind. – Der Satz spricht für sich. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Moser.)

Über die Bildung definiert sich die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, über die Bildung, sehr geehrte Damen und Herren, definiert sich der Erfolg unserer Wirtschaft und natürlich auch eine erfolgreiche Zukunft für das Land Österreich. Deshalb müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass wir das beste Bildungssystem für unser Land gestalten.

Ich komme aus der Wissenschaft, Sie haben es vielleicht vernommen, ich handle gerne faktenbasiert, indikatoren- und kennzahlenbasiert als Grundlage für die Weiter­entwicklung des Systems, und das will ich auch in der Folge tun: Ich möchte evidenz­basierte Bildungspolitik betreiben.

Ich möchte aber auch mein Wort an die Pädagoginnen und Pädagogen richten, denn ohne sie werden wir diese Rechnung nicht machen. Wir brauchen motivierte Päda­goginnen und Pädagogen, die mit Leidenschaft ihren Beruf ausüben, mit Leidenschaft unterrichten und unsere Kinder fördern, denn es geht um die Talente, es geht um die Neigungen unserer Kinder, die gilt es besonders zu entwickeln. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Wie gesagt, wir haben keine Rohstoffe, wir brauchen kluge Köpfe, wir brauchen hervor­ragende Ideen, wir brauchen Produkte, Verfahren, Dienstleistungen, die unserer Wirtschaft helfen. Diese klugen Köpfe gilt es zu entwickeln.

Ich habe mit dem Herrn Vizekanzler in der Vergangenheit in unterschiedlichen Funk­tionen hervorragend zusammengearbeitet. Sie wissen vielleicht, ich komme ursächlich aus der Wirtschaft, habe ihn aber auch als Partner im Austria Wirtschaftsservice gehabt und zuletzt als Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität und als Präsi­dentin der Universitätenkonferenz. Ich erwarte mir, dass wir diese gemeinsame Ge­staltung beim Thema Bildungspolitik weiter fortführen, auch im Sinne dieses Landes.

Mein Ziel ist es nämlich, ein Bildungssystem zu entwickeln, in dem alle die Chance auf die beste Bildung haben. Daran möchte ich von diesem Tage an wirklich arbeiten und dafür all meine Kraft investieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam zu gestalten, denn Bildungspolitik ist die effizien­teste Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

12.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Kickl zu Wort. – Bitte.

 


12.09.22

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich darf kurz zusammenfassen, was der wesentliche Inhalt der Rede des neuen Bundeskanzlers nach immerhin einem Jahr Vorbereitungszeit gewesen ist:

Es gibt einen Stillstand, wir brauchen einen Plan, wir müssen aktiv gestalten und wir versprechen, dass wir die Versprechen diesmal einhalten werden.

Das ist im Wesentlichen die Zusammenfassung der Erklärung, die wir heute von Herrn Kern gehört haben, und da ist wahrscheinlich nicht umsonst in diesem Zusammenhang auch schon der Begriff Vakuum strapaziert worden. Das ist in der Tat ein Vakuum, auf das wir da jetzt gestoßen sind, obwohl wir uns konkrete Antworten erwartet haben.

Dieses Vakuum, meine sehr geehrten Damen und Herren, soll jetzt der konkrete Inhalt dieses gefühlten hundertsten Neustarts sein – ein Neustart und noch ein Neustart und noch ein Neustart. Und von Neustart zu Neustart kommen wir drauf, dass Sie eigent­lich nicht die großen Probleme in diesem Land lösen – das war Ihr Versprechen schon bei Faymann I. Nein, es ist ganz anders, Sie sind selbst das große Problem in diesem Land. Darauf kommen immer mehr Menschen in der Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe manchmal den Eindruck, dass diese Regierungsbank die Auslage einer Art – ich möchte es fast so nennen – politischer Gegengesellschaft zur österreichischen Bevölkerung ist. Das ist sozusagen die politische Elite, die es verlernt hat, auf das noch Rücksicht zu nehmen, was tatsächlich die Interessenslage der eigenen Bevölkerung betrifft. Das ist ein Paralleluniversum. Da geht man her und redet von Dingen, die ganz, ganz weit weg sind von dem, was die Menschen wirklich betrifft. Sie haben mir heute in keinem Bereich den Eindruck vermittelt, dass Sie in der Lage sind, diese Lücke auch nur einen Millimeter kleiner zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von A wie Arbeitsmarkt, über E wie EU, bis Z wie Zuwanderung: Was kümmert es die Eliten, wo die einfache Bevölkerung der Schuh drückt? – So gesehen ist es zwar sehr schön und sehr wichtig, dass Sie in Silicon Valley schon unterwegs gewesen sind, aber der nächste Ausflug, den Sie


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machen sollten, wäre einmal eine Rundfahrt mit der U6. Das wäre dann schon ein Beitrag dazu, in der Wirklichkeit in Österreich im Jahr 2016 anzukommen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ist jetzt? – 22 Wechsel haben wir hinter uns seit Faymann I. Mit dem Kanzler sind es 23. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Was ist jetzt? – Nun, in diesem Land hat sich nicht allzu viel geändert: Massenarbeitslosigkeit, die Zahl geht immer weiter nach oben; Kaufkraftverlust, der Wert der Löhne geht immer weiter nach unten; ein Sicherheitsdesaster, dessen brutalster Ausdruck der Eisenstangenmord am Brunnenmarkt gewesen ist; eine Wirtschaftsfeindlichkeit und ein bürokratischer Wust, der seinesgleichen sucht; eine Flüchtlingswelle, zu der ich Ihnen sage, dass die Folgen für das Sozial-, das Gesundheits- und das Bildungssystem in diesem Land noch wie der sprichwörtliche Germteig aufgehen werden. Sie wissen noch gar nicht, was da alles noch auf Sie zukommen wird.

All das sind keine Entwicklungen, die über Nacht gekommen sind, sondern sie beglei­ten Ihre Regierungstätigkeit schon seit vielen, vielen Jahren. Und in dieser Situation gehen Sie dann her und verlangen einen Vertrauensvorschuss. Gebt ihm noch eine Chance!, das ist jetzt das Motto.

Wissen Sie was, Herr Bundeskanzler Kern? – Ich mache Ihnen einen ganz anderen Vorschlag: Geben Sie der österreichischen Bevölkerung einen Vertrauensvorschuss, geben Sie der österreichischen Bevölkerung eine Chance, machen Sie Neuwahlen! Gehen Sie mit Ihren neuen Gesichtern hinein in Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ.) Gehen Sie mit Ihrem Programm hinein in Neuwahlen, auch wenn es offenbar noch nicht vorhanden ist. Aber das wäre ein Vertrauensvorschuss gegenüber der eigenen Bevölkerung.

Und ob es manche in der SPÖ glauben oder nicht: Auch durch Wahlen kann man Bundeskanzler werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es braucht keine Intrige ein Jahr lang in den ÖBB von ehemaligen Presseangestellten, von Pressesekretären durchgeführt, wo man sich dann noch herstellt und dem, den man bei der Tür hinausgetreten hat, hinterherheuchelt. Auch das ist eine seltsame Form … (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Heinzl: Hallo! Was ist denn mit dir?! – Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, dieselbe Chance wie bei Herrn Klubobmann Schieder: Zurücknahme oder Ordnungsruf?

 


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Dann nehme ich lieber den Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

12.14.10 *****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Mit großem Bedauern, dass Sie keine Einsicht zeigen, Herr Abgeordneter Kickl, erteile ich diesen Ordnungsruf. Aber ich bedauere das wirklich sehr, Sie wissen, dass wir solche Vorwürfe in diesem Haus nicht verwenden.

*****

 


12.14.30

Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): Es geht, auch wenn manche das vielleicht nicht glauben, also auch mit Wahlen, dass man Bundeskanzler wird. So ist es. (Zwi­schenruf des Abg. Jarolim.) Aber wahrscheinlich ist das für diese Form des versnob­ten Sozialismus, der jetzt wieder auf uns zukommt, die etwas zu komplizierte Variante.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 72

Ich habe mich dann sehr gewundert, dass Sie bei Ihrer Antrittspressekonferenz Ihren Vorgängern vorgeworfen haben, dass sie sozusagen nur am Machterhalt interessiert gewesen wären, dass sie sozusagen machtversessen sind und dass das eines der großen Probleme ist. – Na ja, für mich schaut das, was Sie da machen, ähnlich aus. Entkleiden wir das Ganze einmal von dem Pathos, den Sie da hineingelegt haben: In Wirklichkeit waren das, was Sie heute geliefert haben, doch Durchhalteparolen eines Systems, das längst politisch ausgedient hat. Ich habe nichts anderes als Machterhalt und Machtstreben herausgehört.

Das muss man sich einmal ein bisschen genauer anschauen, wie das in dieser Re­publik abläuft: Ihnen geht es darum, den roten Kanzler zu stellen. Das ist die zentrale Aufgabe. Der Kanzler muss ein Roter sein. Und wenn das nicht so ist, dann gibt es Ungemach aus dem Ausland, das kennen wir. Wenn die selbst nicht draufkommen, dann wird es von dort schon inszeniert.

Dann brauchen wir einen roten Parlamentspräsidenten, das ist wichtig. Ob dieser Sie dann für politisch geeignet hält, spielt keine Rolle, Hauptsache rot.

Und dann bräuchten wir natürlich auch noch einen roten Bundespräsidenten, aber da ist Ihnen vor ein paar Wochen etwas passiert. Da hat der Wähler eine ganz andere Entscheidung in Österreich getroffen. – Also schwenken Sie ein wenig um: Na, wenn es kein Roter ist, dann muss es ein Linker sein. Und dann sind wir bei Herrn Van der Bellen, dann gibt es die Wahlempfehlung für Herrn Van der Bellen. Hauptsache, ein Linker sitzt in der Hofburg. Egal, Alexander Van der Bellen alias Zick-Zack-Sascha be­kommt dann die Wahlempfehlung. Hauptsache, ein Linker sitzt da drinnen. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Da schließt sich dann der Kreis, und aus Dankbarkeit – und so funktioniert das politi­sche System – kommt dann Frau Glawischnig heraus und gibt Ihnen einen Vertrauens­vorschuss. Da greifen die Räder dann wieder ineinander, und so funktioniert das in dieser Republik. (Beifall bei der FPÖ.)

In Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es kein Macht-Dreieck, sondern ein Macht-Viereck, denn was wir ganz gerne vergessen: Jetzt haben wir den roten Bundeskanzler, die rote Nationalratspräsidentin, vielleicht – wenn es nach Ihren Überlegungen geht, die Bevölkerung wird Ihnen ohnehin einen Strich durch die Rech­nung machen – gäbe es noch einen linken Bundespräsidenten. Und dann haben wir ja auch noch den ORF. Ach ja, der ist doch auch rot-grün! Dann stellen sich noch irgendwelche Leute her und reden vom Angstbild einer blauen Republik. – Also das entlarvt sich ja wohl von selbst, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass am kommenden Wochenende dafür gesorgt wird, dass nicht alles in diesem Land rot und grün und links ist. Denn Sie werden in den nächsten Tagen mit einem Bauchladen an Versprechen daherkommen, so wie es diesen Bauchladen schon bei Ihren Vorgängern und Vorvorgängern gegeben hat. Und ich denke, dass es sehr notwendig ist, dass wir dann einen Bundespräsidenten haben, der darauf achtet, ob diese Versprechen eingehalten werden und der es einer Regie­rung nicht so einfach macht, wieder ein paar Köpfe auszutauschen und zu sagen, für all das, was vorher war, sind wir nicht verantwortlich. Das ist auch eine Methode. Aber diese Methode heißt in Wirklichkeit Flucht aus der Verantwortung. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundeskanzler hat in seiner Antritts­presse­konferenz und, ich glaube, auch heute gesagt, dass er die Stimmung im Land


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drehen will. Mir wäre etwas anderes lieber: Mir wäre es lieber, wenn das Land die Stimmung in der Regierung drehen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

12.18


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Dr. Cap gelangt als nächster Redner zu Wort. – Bitte.

 


12.18.33

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Sie waren schon mal besser, Herr Kickl! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bravoruf bei der SPÖ.)

Da spricht eine gewisse Ratlosigkeit, und je lauter Sie applaudieren, desto ratloser sind Sie; das ist mir nämlich schon aufgefallen. Heute haben wir neue Phonstärken bei Ihnen herausgehört. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das ist die Wahrheit!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Diese Nummer geht auch nicht mehr auf. Herbert Ratlos kommt heraus und sagt: Ich bin ein Opfer, ich werde verfolgt, oder noch besser, er fühlt sich verfolgt. Das muss er dann in der Fraktion klären, da kann ich nicht mehr mitdiskutieren. Aber mit dieser Nummer kommen Sie nicht mehr durch, denn nach den beiden Wortmeldungen, sowohl des Bundeskanzlers wie des Vizekanzlers, waren Sie heute gefordert, dass Sie dazu inhaltlich Stellung beziehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nur mit einer Wirklichkeitsprojektion, die Sie gerne hätten, die aber nicht die Wirk­lichkeit ist, werden Sie auf Dauer nicht durchkommen. Ich finde es mutig, dass Sie Neuwahlen fordern. Wieso glauben Sie, dass Sie deswegen gewählt werden, jetzt nach dieser Vorstellung? – Ich kann mir schwer vorstellen, dass das wirklich so sein würde. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Was wäre heute … (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja billig!) – Nicht billig!

Normalerweise sagt man „Elchtest“ dazu, ob er da auf den wirklichen Inhalt eingeht. Heute konnte man die Grenzen populistischer Rhetorik und populistischer Argumen­tation sehen. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Und es war kein Elch, das war ein Hauskatzerl, das von einer Straßenseite zur anderen hinübergewechselt ist. Das hat genügt, damit dieser Test danebengegangen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wissen Sie, was ich mir erwartet hätte? – Ich hätte mir erwartet, dass Sie etwas zum Arbeitsmarkt sagen, und nicht, dass Sie sagen: Leute, fürchtet euch! (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) – Biblisch?! Wie sogar Sie auf biblisch kommen, weiß ich nicht, aber zu sagen: Fürchtet euch!, das ist zu wenig. Sie müssen sagen, was die Probleme des Arbeitsmarktes sind. Das sind nicht nur die Digitalisierung und Globalisierung. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist der Arbeitsmarkt in der EU, das sind die Wan­derungen. Was fällt Ihnen dazu ein? (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Danke für den Zwischenruf, mir wäre das nicht eingefallen. – Ihnen fällt ein dickes, fettes Nichts ein.

Der zweite Punkt ist leistbares Wohnen. (Ruf bei der FPÖ: Das ist Kabarett!) – Nein, nein, das Lachen wird Ihnen dann am Schluss noch vergehen, denn für den Schluss habe ich mir etwas für Sie aufgehoben. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zurück zum leistbaren Wohnen: Das ist zum Beispiel etwas, von dem ich sage, dass es die Menschen interessiert. Da schauen Menschen zu (Zwischenruf des Abg. Kickl), die wissen wollen, ob wir hier im Haus imstande sind, diesem Appell, dass wir jetzt an diese Fragen herangehen und sie auch lösen, ernsthaft folgen. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Kickl.) Und das sind die Auswirkungen der Finanz-, Euro-, EU- und Griechenland-Krise, die daraus resultierende ökonomische Schieflage und auch all


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das, was mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, die zu diesen Wanderungen führen, zusammenhängt. (Abg. Kickl: Jetzt aber!) Was ist die Antwort? Was ist Ihre Antwort auf der europäischen Ebene? (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ja, genau! Also ob Marine Le Pen eine Antwort auf diese ganzen Probleme ist, wage ich zu bezweifeln. Das wage ich zu bezweifeln, sie ist es sicher nicht. (Ruf bei der FPÖ: Schulz aber auch nicht! – Abg. Strache: Schulz ist wesentlicher Teil des Prob­lems!) Daher ist meine Frage folgende: Was ist Ihre Antwort dazu?

Ich könnte das jetzt fortsetzen. Die Frau Ministerin nimmt zur Bildungsreform Stellung, und das war Ihnen kein einziges Wort wert. Sie haben nichts zur Bildungsreform gesagt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und ich muss Ihnen Folgendes sagen: Leider kommt für Sie die Bildungsreform zu spät, Herr Kollege Kickl! Leider kommt sie für Sie zu spät! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Ich kann noch einiges allein zu der Debatte, dass sich die Menschen in diesem Land sicher fühlen und ein besseres Leben haben wollen, hinzufügen. Und dazu gehören die Bildungschancen, das Wohnen, der Arbeitsmarkt und auch das Pensionssystem, die Sicherheit der Altersversorgung. Wenn Sie einmal nach Amerika schauen, dann sehen Sie, was der gute Sanders dort fordert; das sind lauter Dinge, die in Österreich selbstverständlich sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kickl und Walter Rosenkranz.) Wir haben in Österreich etwas zu verteidigen; wir hätten in Österreich etwas zu verlie­ren, ob das die Pensionen oder das Gesundheitssystem sind. (Abg. Kickl: Ja, die Macht!)

Angenommen, Ihnen wird jetzt irgendwie schlecht – nicht wegen der Rede, sondern weil es ein anstrengender Tag war –, dann gehen Sie ins Spital. Sie werden dort versorgt. Sie halten die e-card hin, und es ist super. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Kickl. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) In den USA und in anderen Ländern sind, wenn Sie eine Krankheit haben, Obdachlosigkeit, Armut und Altersarmut damit verbunden. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Manche haben gar keine Versiche­rung, keine Krankenversicherung und keine Pensionsversicherung. Das sind Leistun­gen, auf die wir aufbauen und die diese Regierung nicht nur verteidigen, sondern auch zukunftsfit machen soll. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was mir noch ein besonderes Anliegen ist? – Mir ist es wichtig, dass wir hier keinen Wettbewerb des Runterredens und des Schlechtredens haben. (Abg. Kickl: Dann setzen Sie sich nieder!) Das zu machen, finde ich schade. Das hat dieses Land mit den vielen fleißigen Menschen, die tagtäglich zur Arbeit gehen, wirklich nicht verdient. Das haben die Pensionisten, die schon gearbeitet haben, und die Jugend­lichen, um deren Zukunft es geht, nicht verdient. Schlechtreden bedeutet, Sie glauben nicht an Österreich. Ich glaube an Österreich! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Willi.)

Ich glaube an Österreich, Österreich ist soziale Gerechtigkeit, aber auch die unterneh­merische Gesellschaft. Ja, es sind auch die Förderungen in bäuerlichen Bereichen und natürlich Landschaftsschutz, Tourismus sowie Förderungen für das Unternehmerische. Jetzt könnten Sie aber langsam applaudieren, jetzt tue ich mir gerade etwas an. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Natürlich ist das ein Teil, aber damit muss auch die Basis der sozialen Gerechtigkeit garantiert sein. Wir brauchen keine neoliberale Dschungelgesellschaft, sondern ein Weitergehen – und das ist der Garant, davon sind wir alle zutiefst überzeugt. Jetzt können auch Sie (in Richtung FPÖ) applaudieren, weil es nicht schlecht wäre, wenn Sie da mitmachen würden, sodass wir hier gemeinsam vorgehen und gemeinsam für


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Österreich kämpfen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS sowie des Abg. Willi. – Abg. Wöginger: War in Ordnung, Josef! – Heiterkeit.)

12.24


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


12.25.00

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Auch von meiner Seite wünsche ich ein herzliches Willkommen, natürlich vor allem der neuen Unterrichtsministerin. Als Bildungssprecher der Grünen freue ich mich auf die Zusammenarbeit, habe aber natürlich ein paar Erwartungen an Sie, Frau Ministerin. Ich bin mir aber sicher, wenn wir dieses Klima, das da jetzt beschworen wird und in den letzten Tagen beschworen wurde, aufrechterhalten, dann haben wir eine Chance, dass wir zu besseren Ergebnissen als in der Vergangenheit kommen.

Herr Kickl, in Bezug auf diese neue Regierung geht es um keinen Vertrauensvorschuss (Zwischenruf bei der FPÖ), sondern um den normalen menschlichen Umgang mit­einander, also dass man Menschen, die neu in der Regierung sind, nicht von vorn­herein heruntermacht, wie das beispielswiese Ihr Parteiobmann getan hat. Das sind Selbstverständlichkeiten, und so starten wir Grüne in eine Zusammenarbeit mit der Regierung, weil wir Ergebnisse wollen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kickl: Sie kennen ja die Vergangenheit im Verbund!)

Die Menschen wählen uns als Politikerinnen und Politiker, damit wir zu Ergebnissen kommen, und nicht, damit wir hier wadelbeißend Unmöglichkeiten formulieren und uns Unmöglichkeiten an den Kopf werfen. Wenn ich es ausspreche, muss mir der Herr Präsident einen Ordnungsruf erteilen. (Abg. Kickl: Welche Unmöglichkeiten?!)

Wir gehen das also konstruktiv an, und ich glaube, heute haben wir hier durchaus eine Debatte erlebt, die Hoffnung gibt, die jedenfalls mir als Bildungspolitiker Hoffnung gibt. Wir sollten uns alle im Klaren darüber sein, dass wir hier Teil des Ganzen sind. Karlheinz Töchterle kann es Ihnen bestätigen, Partei kommt aus dem Lateinischen von pars, partis. Wir sind alle nur ein Teil der Gesellschaft, und wir sind aufgerufen, das Gemeinsame zu suchen – und darum bemühen wir uns. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Frau Ministerin, ich als Bildungspolitiker will Sie jetzt nicht gleich mit der To-do-Liste, die ansteht, erschrecken, aber ich weiß – und Sie wissen das sicher auch –, diese To-do-Liste ist lang. Ein Teil davon ist die Bildungsreform, die als angebliche Einigung für den 17. November – das war vor über einem halben Jahr – versprochen worden ist. Jetzt haben wir ein halbes Jahr Suche der Regierungsparteien nach dieser Einigung erlebt. Ich glaube, wir müssen jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen; und das deuten zumindest die Gespräche, die ich mit Teilen der ÖVP, mit Teilen der SPÖ immer wieder führen konnte, an: Der Wille ist ja da.

Jetzt noch einmal Zeit vergehen zu lassen – es tut mir leid: Diese Zeit haben wir nicht. Wir brauchen erste Ergebnisse, und zwar vor dem Sommer, Frau Ministerin. Es gibt Bereiche aus dieser Punktation vom 17. November, die man vorziehen kann. Ich hoffe und erwarte mir, dass wir relativ frühzeitig Gespräche führen können und dass wir uns dann darüber einigen können, was unbedingt notwendig ist.

Wir brauchen keinen kompletten Neustart mehr. Die Basis, so würde ich meinen, wären diese Vereinbarungen; wir sollten uns dann darüber einigen, was da wirklich vereinbart worden ist, aber damit haben wir einmal ein Papier. Machen wir da weiter! Denken wir daran, dass wir eine Gesellschaft haben, die sich in den letzten Jahr­zehn-


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ten dramatisch verändert hat! Denken wir daran, dass sich die Schule eben nicht im notwendigen Maße verändert hat! (Bundesminister Schelling: Zumindest die Lehrer nicht!)

Machen wir diesen New Deal! Der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen, der Herr Vizekanzler hat es angesprochen: Der beste New Deal ist jener – und in den USA war es in den dreißiger Jahren übrigens auch so –, der berücksichtigt, dass die Infrastruktur auch soziale Absicherung bedeutet; und die beste soziale Absicherung ist eine gute Ausbildung. Das haben wir heute auch schon gehört. Wir sind gerne mit dabei.

Ich wünsche Ihnen im Sinne Österreichs alles Gute dabei. Wir sind an Ihrer Seite, wenn es zu entsprechenden Reformen kommt. Wir werden diese aber in den kom­menden Wochen und Monaten auch entsprechend einfordern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.29


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


12.29.21

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler Kern, vorweg spreche ich Ihnen, Ihrem neuen Team und der gesamten Regierung die besten Glückwünsche, viel Erfolg und eine glückliche Hand bei der Herausforderung im Inter­esse unseres Landes, die Chance und die Notwendigkeit zu nutzen, um dieses unser Österreich wieder stark zu machen, aus.

Sie haben nämlich vorgestern in Ihrer Pressekonferenz die Probleme der Unter­neh­men, die Probleme der Arbeitnehmer, die Problematik, dass Lehrlinge nicht sinnerfas­send lesen können, festgehalten; und ich ergänze: Österreichs Landwirtschaft hat eine Marktkrise, und Teile davon haben eine Naturkatastrophe zu bewältigen, die einem Super-GAU gleicht.

Sie haben auch klargemacht, dass von jetzt an eine neue, eine positive Zusam­men­arbeit unter Ihrer Führung gilt. Dies freut mich, wohl wissend, dass wir alle dazu einen Beitrag zu leisten haben.

Sie sind ein Kommunikationsprofi, und diese Fähigkeiten werden Sie auch brauchen, denn es gibt ein schönes Dichterwort: „Was du sagst, verweht im Wind. Nur was du tust, schlägt Wurzeln.“ Dankbarkeit – und das haben Vorgänger von Ihnen erleben müs­sen – ist keine Kategorie in der Politik. Das hat man in diesen Tagen wieder gnadenlos erlebt. Es gab eine Künstlerinitiative für Ostermayer; kaum war der neue Minister da, den ich genauso herzlich begrüße, war Ostermayer in den Medien ver­gessen. Und nicht alles war schlecht unter Bundeskanzler Faymann, obwohl ihn manche Medien, die ihn bisher so quasi auf Händen getragen haben, bereits verges­sen haben. Daher danke ich dafür, dass heute auch Bundeskanzler Faymann gedankt wurde, denn nicht alles unter ihm war schlecht, und viele Länder in Europa wären froh gewesen, hätten sie die Wirtschafts- und Finanzkrise so positiv erledigen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Ihnen spreche ich Respekt aus, denn wenn jemand wie Sie einen Topjob verlässt und heute aufgrund des Termindrucks und der momentanen Situation selbst angekündigt hat: Willkommen in der Realität!, dann stellt sich die Frage, warum er das macht. Da muss tatsächliches Engagement dahinterstehen. Ihre Aussage, Österreich wieder zukunftsfit zu machen, ist und war klar. Ein New Deal, wie er ange­kündigt wurde, ist eine positive Trendwende, und Stimmung macht 50 Prozent der Kon-


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junktur aus. Davon reden wir immer. Ich halte es daher für schade, wenn eine be­stimmte Oppositionspartei heute nur Negatives von sich gibt.

Meine Damen und Herren, vielleicht war es auch ein schöner Zufall oder ein positives Timing, dass der Herr Bundesminister für Finanzen gestern den HETA-Abschluss ver­künden konnte. Ein Grund vorsichtiger Freude, hat eine Zeitung geschrieben. Ich hoffe, dass es auch wirklich so ist. Ich ersuche Sie, Herr Bundeskanzler, darum – und das ist eine große Bitte, aber auch eine Forderung unserer Landwirtschaft –, unsere Bauern und Bäuerinnen nicht zu vergessen. Ich danke meinem Kollegen Josef Cap, dass er das stellvertretend für die Regierung gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind nämlich diejenigen, die 365 Tage im Jahr in der Früh und am Abend sowie jeden Sonn- und Feiertag in der Tierbetreuung ihre Leistung zu erbringen haben, die nicht die Möglichkeit haben, sich ein schönes Wochenende zu wünschen und sich dann zurückzuziehen. Das sind jene, die jeden Tag beste Lebensmittel in hervorra­gender Qualität auf unseren Tisch bringen. Das sind jene, die das Gesicht des Landes prägen, durch ihren Einsatz das Land bewirtschaften und damit wesentlich zum Erscheinungsbild dieses Landes beitragen.

Das sind diejenigen, die in weiterer Folge auch das Fundament des erfolgreichen Landschaftstourismus darstellen. Es ist aber auch jene Berufsgruppe, die am meisten unter dem Klimaproblem zu leiden hat, und sie sind gerade in diesen Tagen – und ich bedanke mich nochmals für den gestrigen Beschluss – durchaus unterstützt worden, weil sowohl die Regelung der zukünftigen Ernteversicherung als auch die Ausweitung des Katastrophenfonds wichtige Punkte sind. Das sind aber auch jene, die am meisten unter Sanktionen gegen Russland, dem Preisverfall bei Milch und Schweinen sowie in vielen anderen Bereichen zu leiden haben.

Meine Damen und Herren, dazu kommen auch – und das sollte man auch wissen –Tausende Beschäftigte aus den vor- und nachgelagerten Bereichen, die unter der schwierigen Marktkrise der bäuerlichen Betriebe zu leiden haben. Daher ersuche ich dringend um mehr Verständnis für diese Berufsgruppe. Ich darf daher meinen Vor­schlag wiederholen, ein Quartal der Pflicht zur Zahlung der Sozialversicherung aus­zusetzen. Das fällt nicht direkt zulasten des Budgets, wäre aus der Rücklage machbar, erfordert keine Abwicklungs-, Erhebungs- oder Überprüfungskosten, sondern wäre eine direkte Hilfe. Die bäuerlichen Familien brauchen es aufs Dringendste, damit sie wieder eine Chance für die Zukunft sehen, und es käme direkt den bäuerlichen Familien zugute, denn auch die bäuerlichen Familien brauchen so wie alle anderen Berufsgruppen eine positive Zukunft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.35


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Gamon. – Bitte.

 


12.35.06

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Bundesregierung! Auch ich heiße die neuen Mitglieder der Bundesregierung und insbesondere die neue Bildungs­ministerin Hammerschmid willkommen.

Ich freue mich sehr, dass Sie diese Aufgabe bekommen haben. Ich kenne Sie aus dem Wissenschaftsbereich als sehr engagierte Kämpferin für die politische, wirtschaftliche und faktenbasierte Vernunft und auch als engagierte Kämpferin für die Wissenschaft und Forschung. Ich freue mich in diesem Fall wirklich auf die neuen Zeiten mit Ihnen in der Regierung.


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Wie Sie aus der Wissenschaft wissen, ist das ein chronisch unterfinanzierter Bereich, der nahe dem strukturellen Untergang ist. Es gibt wenig Wertschätzung für die Propo­nenten in diesem Bereich. Das betrifft zum Beispiel auch die sinkenden Bewilligungs­quoten der Forschungsgelder beim FWF. Das war auch ein Thema der Rede des Herrn Bundeskanzlers.

In der Bildung ist das recht ähnlich. Wir haben in diesem Bereich immer mit diesem sogenannten strukturellen Budgetloch zu kämpfen. Sie liegt im Best-of der Budget­katastrophen nahe bei den Pensionen und hat ähnlich negative Vorzeichen. Warum ist das so? – Das ist so, weil sich in diesem Bereich mit einer Vehemenz an die alten Pfründe geklammert wird, die schon beeindruckend ist.

Ich glaube auch, dass da der Herr Finanzminister mit seiner Einstellung im Gegensatz zu Frau Kollegin Glawischnig schon recht hat, dass es sehr wichtig ist, darauf zu pochen, dass sich in der Schulverwaltung etwas ändert, bevor man sagt, dass man mehr Geld reinsteckt. Darin steckt mehr als nur ein Funke Wahrheit. (Abg. Brosz: Gegen mehr Geld für die Bildung?!) – Gegen mehr Geld für die teure Verwaltung! Ich traue mich jetzt einmal zu sagen: Da sind wir uns auch mit den Grünen manchmal einig. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brosz.) Es braucht mehr Geld für die Bildung, aber nicht für die Verwaltung in der Bildung. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

Die großen Kostentreiber, nämlich die Schulverwaltung und den Föderalismus, haben wir in dieser Bildungsreform nicht angegriffen. Der Rechnungshof fordert in diesem Bereich schon längst eine umfassende Strukturbereinigung, und dazu sind wir nicht gekommen. Die Landesfürsten halten ihre Hand da nämlich sehr schützend über die Schüler in ihren Landesschulen, damit ihnen die pädagogischen Konzepte des 21. Jahrhunderts ja nicht zu nahe kommen, wenn sie es nicht wollen – außer natürlich in Vorarlberg, muss man dazusagen.

Was machen wir dagegen? – Im Moment noch recht wenig. Ich hoffe, dass der Herr Bundeskanzler und die Frau Bildungsministerin die Zügel in die Hand nehmen werden und das Narrativ in dieser Geschichte ändern. Und da wollen wir mitmachen. Wir wollen mitgestalten und haben auch genügend Vorschläge, was das Thema betrifft. Wir glauben, es braucht autonome Schulen, es braucht selbstbestimmte Direktorinnen und Direktoren, die auch Personal- und Finanzhoheit haben, damit sie auch aus den Schülerinnen und Schülern emanzipierte, kritische und mündige Bürgerinnen und Bürger für unsere Gesellschaft machen können. Wir wollen da mitgestalten und freuen uns auch schon auf die positive Zusammenarbeit. Ich glaube, dass wir sagen können: Die Bildungspolitik in diesem Sinne ist tot, aber lang lebe die Bildungspolitik, und zwar eine neue.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nutzen, um ein paar Worte zur neuen Frauenministerin zu sagen, weil ich nicht möchte, dass dieses Thema hier außer Acht gelassen wird. Ich möchte auch der ehemaligen Frauenministerin Heinisch-Hosek für ihre Zusammenarbeit in diesem Bereich danken. Ich weiß, dass Sie sehr engagiert sind und dass das für Sie ein Herzensthema war. Ich glaube, in diesem Bereich haben wir noch viel zu tun, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Ministerin.

Ich habe gestern gelesen, dass Ihre erste Ansage war, dass Sie gern mehr Pippi Lang­strumpfs und weniger Barbies hätten. Ich habe das ganz interessant gefunden. Das ist nicht meine Auffassung von Frauenpolitik, denn ich glaube, es muss uns eigentlich wurscht sein, was die Frauen sein wollen – egal, ob sie Pippi Langstrumpf, Barbie, Ronja Räubertochter oder Arya Stark sein wollen. Das ist mir eigentlich völlig egal. Ich glaube, wir müssen allen Frauen in Österreich die Möglichkeit geben, emanzipiert ein


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selbstbestimmtes Leben zu führen und sich ihre Träume zu verwirklichen. Da müssen wir noch einige Hürden abbauen, da müssen wir einiges zur Verfügung stellen, und es gibt auch in anderen Bereichen in der Frauenpolitik noch sehr viel zu tun. (Abg. Matznetter: Mehr Frauen bei den NEOS!)

Es gibt Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt Probleme, was die Kinderbetreuung betrifft. Wir müssen da zu einer echten Partnerschaftlichkeit kommen, sodass das im 21. Jahrhundert nicht noch immer nur ein Thema für die Frauen in Österreich ist. Das kann eigentlich nicht mehr so sein. Ich glaube, Frauen brauchen Freiheit in Österreich, und wir müssen die Maßnahmen, die Rahmenbedingungen setzen, damit sie diese Freiheit auch ausleben können – und das ist meiner Auffassung nach Frauenpolitik.

Ich freue mich auf viele Pippis, Barbies, wie auch immer, denn wir wissen ja nicht, was aus ihnen wird. Es könnte ja sein, dass Pippi heiratet, Kinder bekommt und lange zu Hause bleibt, nicht wieder in den Job hineinkommt und dann ziemlich unzufrieden ist, dass sie eine geringe Pension hat und vielleicht eine Ausgleichszulage beziehen muss. Barbie hingegen wird vielleicht Finanzvorständin in einem internationalen Konzern, kämpft für den Feminismus in Vorstandsetagen, hat eine partnerschaftliche Aufteilung mit ihrem Partner, fifty-fifty in der Kindererziehung und ist eigentlich ganz happy.

Ich glaube, dahin müssen wir kommen: weniger Vorurteile, mehr Freiheit. (Beifall bei den NEOS.)

12.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.40.23

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich will – diese Aussage ist heute von der Regierungsbank aus oft gemacht worden. Ich habe es so oft gehört, dass ich mir schon überlegt habe, ob ich nicht ein Aufgebot bestellen und zwei Ringe für die eingetragene Partnerschaft besorgen soll, Herr Bundeskanzler. Aber da Sie gesagt haben, dass Ihre Frau heute mit Ihnen gefrühstückt hat, habe ich das dann unterlas­sen. – Spaß beiseite!

Meine Damen und Herren, ich will auch – ich will auch, dass diese Regierung gut arbeitet, gut arbeitet für Österreich und für die österreichischen Bürgerinnen und Bür­ger, denn die haben das verdient. Dieses Trauerspiel – das hat der Herr Bundeskanzler ja auch bei seiner ersten Pressekonferenz gesagt – muss ein Ende haben. Ich nehme ihm ab, dass er den Willen dazu hat, eine Veränderung in die Regierungsarbeit zu brin­gen und zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher, zum Wohle der Steuer­zahlerinnen und Steuerzahler zu arbeiten, wofür er auch vom Steuerzahler bezahlt wird.

Ich glaube, es waren sehr ehrliche Worte, die der Herr Bundeskanzler an uns gerichtet hat, und ich nehme ihm das auch ab. Ich werde aber nicht vergessen, was Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt haben, und werde Sie gegebenenfalls auch daran erinnern. Die Erwartungen in Sie sind sehr groß, und das nicht ohne Grund. Das Vertrauen, das Ihnen jetzt im Voraus entgegengebracht wird, müssen Sie sich verdienen. Sie müssen schauen, dass Sie es besser machen.

Sie haben von Jobs gesprochen. Jobs für Menschen müssen so sein – der Herr Vizekanzler hat das auch angesprochen –, dass die Menschen davon leben können. Es kann nicht sein, dass jene, die nicht arbeiten, besser leben als jene, die arbeiten und Steuer zahlen.

Ich sage das nicht ohne Grund: Sie wissen, vor einigen Tagen ist in den Medien – sicher etwas intensiv – ein Schreiben des Roten Kreuzes in Oberösterreich kursiert,


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dass hier eine Flüchtlingsfamilie 5 118,10 € im Monat an Unterstützung erhält. Meine Damen und Herren, 5 118,10 € an Unterstützung für eine Familie, das heißt netto. Schauen wir uns das Gehalt eines Nationalratsabgeordneten an, der verdient brutto etwas mehr als 8 500 €, das sind dann netto unter 5 000 €. (Abg. Scherak: Du verdienst zu wenig oder was?)

Das habe ich damit nicht gesagt. Es geht darum, dass jemand fürs Nichtstun 5 118 € bekommt und es viele Menschen gibt, die auch viele Kinder haben, die aber arbeiten gehen und mit einem Bruchteil davon durchkommen müssen. Da läuft etwas falsch im Staate Österreich!

Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, da müssen Sie anpacken! Das wäre ein klares Signal. (Beifall beim Team Stronach.)

Es ist ja auch gesagt worden, dass Engagement belohnt werden muss. Ich glaube, das wäre der richtige Weg, dass man jene Menschen, die diesen Staat erhalten, für diesen Staat arbeiten, hier ihre Arbeitskraft, ihre Energie einbringen, hier Steuern zahlen, damit der Staat funktioniert, belohnt und nicht jene, die das nicht tun.

Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die neuen Minister eingehen, und zwar auf jene, mit denen ich in meinen Bereichen – das sind Verkehr, Beamtenwesen, Exekutive, Verfassung und so weiter – zu tun habe.

Ich möchte daher nur ganz kurz auf die Frau Bildungsministerin eingehen, die hier ehrliche Worte gefunden und gesagt hat: Ja, Bildung ist der Schlüssel. – Davon bin ich auch überzeugt, aber wir müssen da sehr, sehr viel nachholen, was versäumt worden ist, und dafür wünsche ich Ihnen, Frau Bundesminister, alles Gute. Toi, toi, toi! Wir werden Sie dabei gerne unterstützen.

Vom Herrn Bundeskanzler ist auch angesprochen worden, dass wir von der Opposition mitarbeiten sollen. Das tun wir gerne. Herr Bundeskanzler! Ich bin seit siebeneinhalb Jahren im Nationalrat, davor war ich fünf Jahre im Bundesrat, also insgesamt 12,5 Jahre in diesem Hohen Haus, und ich habe hier schon sehr viele Anträge eingebracht und habe immer wieder dieselbe Taktik der Regierungsparteien erlebt, nämlich dass man alles vertagt hat oder dass man das dann selbst eingebracht und meine Anträge abge­lehnt hat.

Ich lade Sie ein – das mache ich ja schon seit Langem; wir von der Opposition haben sehr viele gute Anträge, die der Regierung helfen würden, ihre Arbeit gut zu machen –: Bitte greifen Sie unsere Anträge auf! Sagen Sie das hier nicht nur als leere Floskel! Das Angebot steht. Sie haben auch gesehen, das Team Stronach hat seine Redner zu diesem Punkt hier als Pro-Redner gemeldet, das heißt, wir wollen der Regierung eine Chance geben und äußern uns positiv, für sie. Das hat damit zu tun, dass wir mit der neuen Regierung die Hoffnung verbinden, dass sich etwas bessert, dass der Volks­wille, der Bürgerwille umgesetzt wird.

Wir sind ja die Bürgervertreter, wir sind von den Menschen draußen direkt gewählt – anders als die Regierung –, und der Bürgerwille soll hier zum Ausdruck kommen. Das ist das Wichtige. Ich glaube, es wäre ein richtiger Schritt, Politik und Bürgerinteresse einmal ins richtige Licht zu rücken. Dazu lade ich Sie ein. Ich habe die Einladung schon mehrfach ausgesprochen, nehmen Sie sie an, ich helfe Ihnen gerne!

Ich möchte jetzt auf den neuen Verkehrsminister zu sprechen kommen. Ich wünsche Ihnen, Herr Verkehrsminister, alles Gute! Wir werden öfter miteinander zu tun haben – das können Ihre Vorgänger auch bestätigen. Ich bin in diesem Bereich sehr emsig.

Es freut mich sehr, dass wir in Oberösterreich im Zusammenhang mit diesem heillosen „Luft-100er“ jetzt endlich einen Schritt vorwärtsgekommen sind. Nachdem ich mit


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entsprechenden Anfragen agiert habe, ist jetzt dieser „Luft-100er“ nicht mehr laufend vorgeschrieben, sondern wird zeitweise ausgesetzt. Ich habe es selbst erlebt. Ich habe dazu auch schon sehr positive Meldungen aus der Bevölkerung bekommen. Also es tut sich etwas, wenn man auf die Opposition hört. (Abg. Brunner: … Kinder, die Asthma haben!)

Herr Minister! Ich habe sehr viele gute Ideen in vielen Bereichen, ich habe viele Anträge eingebracht, nehmen Sie diese auf! Ich lade Sie ein, arbeiten wir zusammen! Machen wir etwas Positives für die Bevölkerung und für den Steuerzahler!

Zum Schluss möchte ich mich an Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar wenden. Frau Staatssekretärin, Sie werden vermutlich, wenn Sie die Agenden Ihrer Vorgängerin übernehmen, für den Beamtenbereich zuständig sein. Ich bin auch in diesem Bereich immer sehr aktiv.

Die Exekutive hat ein sehr schlechtes Dienstsystem – die Sonja lacht schon, sie weiß es –, das die Beamten sehr schlecht stellt, als Hilfskräfte der Gerichte einstuft, weshalb sie entsprechend schlecht bezahlt werden.

Die vielen Überstunden gehen an die Substanz, greifen die Gesundheit der Beamten an. Wir müssen miteinander darüber sprechen, wir müssen darüber verhandeln. Ich lade Sie ein, greifen Sie meine Vorschläge auf, ein eigenes Exekutivdienstgesetz oder ein gutes Dienstrecht für die Exekutive wäre vielleicht der Schlüssel, dass wir aus­geruhte, motivierte Exekutivbeamte haben, die für unsere Sicherheit sorgen.

Ich lade Sie ein, ich reiche Ihnen die Hand. Ich hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten.

Alles Gute der Regierung! Nehmen Sie meine Worte ernst und nehmen Sie unser Angebot wahr, dann werden wir gut für die Österreicherinnen und Österreicher, für die Steuerzahler arbeiten. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Mag. Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


12.48.17

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Hohes Haus! Es gibt so Momente im Leben – wenn man sich auch schon länger mit Dingen beschäftigt, so kommt man doch immer wieder zum Nachdenken. Und so ist es mir auch vor Kurzem ergangen, als ich mich mit der Personenverkehr-Chefin der Schweizer Bahn – nicht der österreichischen, sondern der Schweizer Bahn – über das Thema Technik, Verkehrspolitik und alles Drum und Dran unterhalten habe. Sie hat gemeint: Das Problem in diesen Fragen ist immer, dass man zu technisch denkt. Aber eine Tür, die perfekt schließt, bringt noch niemanden dazu, in einen Zug einzusteigen.

Ich glaube, dass dies ein wesentliches Prinzip von Verkehrspolitik ist: Es geht in der Verkehrspolitik nicht um die Technik – die Technik ist ein Hilfsmittel –, sondern um den Menschen. Und ich habe vor, den Menschen ins Zentrum der Verkehrspolitik zu stellen, weil das die einzige Art und Weise ist, die meines Erachtens erfolgreich ist, ge­schätzte Damen und Herren! Wenn man das tut, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass Verkehrspolitik nicht bedeutet, Güter und Personen von A nach B zu bringen, und damit hat es sich. Verkehrspolitik bedeutet, darüber nachzudenken, welche Auswirkun­gen das, was da geschieht, hat.

Wenn man das macht, erkennt man, dass Verkehrspolitik auch Auswirkungen auf sehr, sehr viele andere Politikfelder hat. Ohne mich jetzt einmischen zu wollen, aber Ver-


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kehrs­politik hat eindeutig Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik, die Energiepolitik, die Arbeitsmarktpolitik und auf sehr viele andere Politikfelder. Das stellt man fest, wenn man den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Das klingt jetzt sehr theoretisch, was heißt das in der Praxis? – In der Praxis heißt das, dass Verkehrspolitik darüber entscheidet, ob Menschen am Abend schlafen können oder nicht, weil entweder Lärm ist oder nicht. Verkehrspolitik bedeutet, dass Menschen gute Luft zur Verfügung haben, die sie einatmen, oder schlechte Luft. Verkehrspolitik bedeutet aber auch: Werden mehr fossile Energien oder werden erneuerbare Energien verbraucht? Das sind Fragen, die man in der Verkehrspolitik mitberücksichtigen muss. Verkehrspolitik bedeutet auch: Sind Menschen in der Lage, günstig und schnell ihren Arbeitsplatz zu erreichen, oder nicht? – Das ist ebenfalls Verkehrspolitik.

Die Antwort, geschätzte Damen und Herren, die ich darauf geben will, ist: ökologische Verkehrspolitik. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Team Stronach.)

Die Hauptwaffe – verzeihen Sie mir diesen martialischen Ausdruck, der aber ange­bracht ist – für ökologische Verkehrspolitik ist öffentlicher Verkehr. Öffentlicher Verkehr ist die Antwort auf viele Probleme, die Verkehr insgesamt bewirkt. Die große Herausforderung ist, Menschen dazu zu bringen, öffentlichen Verkehr anzunehmen. Das funktioniert nicht, nur weil es logisch ist. Es steigt niemand in den Zug – manche vielleicht, aber nicht die große Masse –, weil er sich denkt, es ist besser.

Züge, öffentliche Verkehrsmittel werden dann angenommen, wenn das Angebot passt, und da gibt es einige Kriterien, die stimmen müssen. Das ist einerseits das Tempo – das Tempo ist wichtig. Die Vertaktung ist wichtig, die Attraktivität, eine gewisse Cool­ness, die dieses Verkehrsmittel hat, ist wichtig. Der Preis ist wichtig. Das sind Dinge, die wir erreichen müssen, daran müssen wir gerade im Personenverkehr arbeiten.

Aber es gibt auch den Güterverkehr, und auch im Güterverkehr gibt es Dinge, die angegangen werden müssen. Wir haben in Österreich eine hervorragende Export­industrie, wir haben sehr, sehr viele Betriebe, die absolute Top-Produkte herstellen und bewegen wollen, und da muss man dann auch eine gewisse Flexibilität haben, und man muss über den Preis im Güterverkehr diskutieren, der natürlich gerade in der Wirtschaft eine große Herausforderung ist.

Das wäre der erste Punkt, geschätzte Damen und Herren, der mir wichtig ist, aber man muss schon auch noch etwas anderes bedenken: Es wird nie gelingen, den gesamten Verkehr von der Straße wegzubringen, das ist illusorisch. Wir werden immer Straßen­verkehr haben. Jetzt kann man darüber nachdenken: Gelingt es, das in Richtung Elektromobilität zu bringen? – Ja, das wird wahrscheinlich möglich sein, aber nicht so schnell und nicht zur Gänze.

Aber ein Problem werden wir nie los werden: Die Straßen sind meines Erachtens immer noch zu unsicher! Wir haben in Österreich ungefähr – nageln Sie mich nicht auf die genaue Zahl fest – doppelt so viele Verkehrstote wie in Schweden. Geschätzte Damen und Herren! Das wird der zweite Schwerpunkt sein, denn jeder Verkehrs­tote/jede Verkehrstote ist einer/eine zu viel in Österreich.

Es geht in meinem Bereich aber nicht nur um Verkehr, sondern auch um Innovation und Technologie, und da haben wir eine Situation, die unglaublich interessant ist und die meines Erachtens nicht wirklich so wahrgenommen wird. Es hat sich in den letzten Jahren in Europa, in Österreich eine wirkliche Revolution abgespielt: Wir leben inzwi­schen in einem digitalisierten Österreich. Es ist nichts mehr so, wie es früher war, und wir waren und sind da teilweise sehr erfolgreich.


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Die Gegend Österreichs, die ich am besten kenne, die Obersteiermark, ist ein gutes Beispiel dafür. Die Obersteiermark ist derzeit das metallurgische Kompetenzzentrum Europas. Das ist nicht zufällig passiert, das ist passiert, weil politische Voraussetzun­gen geschaffen wurden, weil Menschen sich angestrengt haben, weil nachgedacht wurde, weil erfolgreiche Unternehmer tätig waren, und das hat dazu geführt, dass diese Gegend derzeit beispielsweise eine der höchsten Exportquoten Österreichs hat, dass dort Weltmarktführer gerade im metallurgischen Bereich sind. Der Grund dafür war es, nicht auf Masse, sondern auf Innovation zu setzen, auf Nachdenken, auf Hirn­schmalz, wie wir Steirer und Steirerinnen manchmal sagen. Das war unglaublich wichtig, da muss man weitermachen, und es ist wichtig, denke ich, dafür Anreize zu schaffen und Investitionen zu tätigen.

Aber es gibt noch eine zweite Seite dieser Entwicklung, und diese zweite Seite konnte ich vor Kurzem bei der Voest in Leoben im neuen Drahtwerk sehr gut sehen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozusagen an der vordersten Front sind hervorragend ausgebildete Facharbeiter und Facharbeiterinnen. Dahinter sitzen Ingenieure und Ingenieurinnen, und in der dritten Reihe sind Diplomingenieure und Diplomingenieurin­nen – die sind notwendig, um Industrie 4.0 auch wirklich machen zu können.

Aber was ist mit den Menschen, die diese Ausbildung nicht haben? Was ist mit den Menschen, die nicht in der Lage sind, mit diesen Technologien umzugehen? Das ist etwas, was man immer mit bedenken muss. Wir müssen die Menschen für diese Herausforderung teilweise fit machen, aber andererseits auch dafür sorgen, dass die, die das nicht können, auch alle Lebenschancen haben. Das ist schwierig, aber das ist genauso eine große Herausforderung, die zu bewältigen ist, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir dürfen in dieser Situation nicht nur an den Arbeitsmarkt denken. Schauen Sie sich das an (ein Smartphone in die Höhe haltend) – das ist heute schon angesprochen wor­den. Ich in meinem Alter kann so halbwegs damit umgehen. Mein Opa kann das nicht, der wird jetzt 90 Jahre alt und hat ein klassisches Pensionistentelefon, wie man das so sagt. (Heiterkeit.)

Mein Sohn sieht das nicht mehr als Telefon. Das Telefonieren ist schon egal, man macht alles Mögliche andere damit. Das ist eine Situation, die man auch immer im Kopf haben muss: Es wird immer eine Generation von Menschen geben, die mit den neuesten Entwicklungen, gerade in diesem Bereich, nicht mithalten kann. Wir müssen daher überlegen, wie wir damit umgehen, sodass die die gleichen Lebenschancen haben. Was ist, wenn es nur noch Online-Banking gibt? Was ist dann? (Abg. Moser: Das ist ja beim Finanzamt schon ein Problem!) Das ist eine Situation, um die man sich auch als Staat, als Republik kümmern muss. Man muss dafür sorgen, dass diese Menschen nicht alleingelassen werden. (Beifall der Abg. Aubauer.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte meine Redezeit nicht überstrapazieren, deshalb komme ich zum Ende. Sie wissen, die meisten wissen, dass ich sehr lange Abgeordneter war, und gerade im Bereich Verkehr und Technologie habe ich die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht so sehr falsche und richtige Vorschläge gibt, sondern einfach andere Vorschläge.

Ich möchte Ihnen das Angebot machen, über diese Dinge sehr intensiv zu diskutieren, andere Vorschläge anzuhören, zuzuhören, teilweise auch umzusetzen, denn ich denke, das ist die beste Art und Weise, Parlamentarismus zu leben. Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre gute Zusammenarbeit. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

12.57



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 84

Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. – Bitte.

 


12.57.17

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Unser neuer Herr Bundeskanzler hat uns zuerst gesagt, welch beachtliche Reaktion er auf seine Auftritte in Fernsehen, YouTube, Facebook gehabt hat; von einer Million war die Rede. Einige, die da nachrecherchiert haben, haben mir mittlerweile mitgeteilt, dass sie eigentlich nur 12 000 Likes von gestern auf oe24 finden, 600 beziehungsweise knapp über 1 000 Likes auf einer anderen Facebook-Seite, 3 500 Aufrufe in der Situation … (Zwischenruf der Abg. Brunner.) – Was ist denn bei den Grünen momentan los? Haben Sie die Zuhörkultur vergessen, die Sie zuerst gepredigt haben? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

3 500 Aufrufe der ersten Pressekonferenz, 700 Aufrufe auf YouTube von „ZIB 2“. – Die eine Million sehe ich nicht!

Aber mir ist auch der Rechnungshofbericht 2014/13 über die Tätigkeit des nunmehrigen Herrn Bundeskanzlers beim Verbund in die Hände gefallen. Nur ein kurzes Zitat daraus über die Tätigkeit im Vorstand während seiner Zeit:

„Die ab 2007 jährlich aufgetretenen Planabweichungen, die sich ab 2009 stark erhöhten, ließen auf grobe Planungsfehler durch permanente Fehleinschätzung der Entwicklungen (…) schließen.“ – Soweit der Rechnungshof zur Vorstandstätigkeit. (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, es ist wichtig, dass wir die Stimmung in Österreich heben (Zwischenruf des Abg. Krainer), Zukunft schaffen und Hoffnung geben, auch für Kinder. Damit leite ich bereits über zur Frage der Bildungspolitik.

Ja, Kollege Matznetter darf dann auch zum Rednerpult und zum Mikrofon kommen. (Abg. Schieder: Das ist aber nicht der Matznetter! – Abg. Darmann: Krainer! – Wie­tere Zwischenrufe.) – Krainer? (Abg. Darmann: Der ist gerade geflüchtet, der Krainer!) Wo ist er denn? Der macht Zwischenrufe, obwohl er gar nicht hier ist? – Das ist ein Wunder. (Abg. Schieder: Jetzt bin ich aber verwirrt! – Heiterkeit.) – Kollege Schieder ist verwirrt. (Abg. Steinhauser: Nicht nur er!) Ja, das steht ihm auch zu, auch dem Kollegen Steinhauser steht das zu.

Zur Bildungspolitik: Herr Bundeskanzler Kern hat schon erkannt, dass es gerade in Wien mit dem öffentlichen Schulsystem nicht zum Besten bestellt ist. Verantwortungs­volle Eltern müssen immer öfter, so wie er, auf Privatschulen für ihre Kinder umsteigen. So hat auch er ein Kind in eine Privatschule gegeben, was ich nicht werte, sondern als notwendig ansehe, weil unser Bildungssystem gerade in den Ballungszentren, speziell in Wien, versagt hat und darunter wahrscheinlich leider auch mittlerweile die Schulen im ländlichen Raum leiden werden.

Ich habe aus der Vita der Frau Unterrichtsministerin … – Aha, die ist auch verschwun­den. Also wenn ich noch lange reden, dann ist dort hinten auf der Regierungsbank überhaupt niemand mehr übrig. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe.)

In der Vita der Frau Unterrichtsministerin steht, dass sie an einer ländlichen Haupt­schule gelernt hat, in einer Oberstufenform maturiert hat und dann ihre Exzellenz als Wissenschafterin erworben hat. Eine klassische gute Schullaufbahn. Und sie hat gesagt, sie verdankt das den guten Lehrerinnen und Lehrern, die sie in diesen Schulen gehabt hat. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ja, ich glaube, man kann von dieser Unterrichtsministerin einiges erwarten, allerdings nicht von uns, dass wir ihr eine Schonzeit geben, dass wir ihr 100 Tage geben oder


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sonst irgendwas zum Einarbeiten. Denn wenn die Jugend als Zukunftsthema auch vom Herrn Bundeskanzler erkannt wurde – er hat es so formuliert: Bildungspolitik ist die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik –, dann wird man sich hier keine Einarbeitungs­zeit gönnen können, wenn es noch dazu solche Schlagzeilen gibt wie: „Mathematik-Matura sorgt für Empörung!“

Hier sind Zukunftschancen unserer Kinder auf Weichen gestellt worden, hier hat man abrupt gebremst, eine zwölf- beziehungsweise acht-, beziehungsweise vierjährige – je nachdem, wie man die Schulstufen zusammenrechnet – Bildungslaufbahn wurde hier aus heiterem Himmel mit einem Nicht genügend belohnt.

Der Direktor des Bundesgymnasiums Zehnergasse in Wiener Neustadt schreibt in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ aufgrund dieses Ergebnisses – ich zitiere –: „Die Mathe-Matura war ein Witz. Ich bin stinksauer, weil hier mit unserer Jugend expe­rimentiert wird.“

Da kann ich nur eines sagen: Ja, unsere Jugendlichen in Österreich, unsere Kinder sind zu schade, als dass sie als Versuchskaninchen für eine verfehlte SPÖ-Bildungs­politik herhalten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann und darf hier in diesem Bereich nicht so weitergehen. Wenn von Versuchs­kaninchen und Experimenten gesprochen wird, dann muss ich sagen: Die Frau Bun­desministerin – sie ist noch immer nicht da – hat in ihrem wissenschaftlichen Leben das Experimentieren sicher gelernt, und das musste sie auch und das ist auch wichtig. Aber bei unseren Kindern haben Experimente absolut nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das muss von heute auf morgen gestoppt werden.

Kollege Walser hat in seiner vornehmen Zurückhaltung gemeint, er habe eine lange To-do-Liste, aber diese wolle er der Ministerin jetzt gar nicht mitgeben. Es wäre aber wichtig gewesen, zu sagen, was im Bildungsbereich tatsächlich verändert werden muss.

Es ist eindeutig falsch, was da passiert, dass man Kindern nach Ende ihrer Schul­laufbahn mit einer derart anscheinend überzogenen Mathematik-Matura das Leben schwer macht. Es kommen laufend, nahezu minütlich die Beispiele herein, 33 Prozent Durchfallsquote, 50 Prozent, zwei Drittel Durchfallsquote. Das darf es einfach nicht geben! Da hat das bisherige Zentralmaturasystem versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben aber aus meinem Bereich, aus dem Bereich der Kulturpolitik, auch noch einen anderen Bundesminister. Herr Drozda ist als Manager im Kulturbereich sehr erfolgreich gewesen, die Vereinigten Bühnen Wien haben eine hohe Auslastung. Das spricht für sein wirtschaftliches, aber auch für sein qualitatives Angebot. Er wird sich aber in diesem Bereich um mehr kümmern müssen.

Ich möchte an eines erinnern: Bundesminister Ostermayer hat eigentlich die Baustelle des Hauses der Geschichte Österreich hier hinterlassen mit allen Fragen, nämlich der Auseinandersetzung zwischen der Österreichischen Nationalbibliothek und dem Kunsthistorischen Museum, wo es das Gezerre um die Räumlichkeiten gibt, Sammlung alter Musikinstrumente und so weiter. Herr Bundesminister, auch da gibt es keine Zeit, zu warten.

Frau Glawischnig – das ist auch eine, die sich jetzt während meiner Rede schon verabschiedet hat, also ich könnte lange weitersprechen, vielleicht gibt es dann endlich Neuwahlen, weil wir nicht mehr beschlussfähig sind (Beifall bei der FPÖ) – hat gemeint, man muss allen eine Chance geben, denn das ist eine neue Fußballauf­stel­lung. Da kann sie sich unter Umständen bei ihrem Ehemann, der durchaus ein Fußballprofi ist, erkundigen: Es ist keine Neuaufstellung einer Mannschaft vor einem


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neuen Spiel. Es ist dasselbe Spiel, wo kurz vor der Schlussminute ein paar Spieler ausgewechselt werden, aber es ist dasselbe Spiel. Und wenn es nach den Grünen geht, schießt sich Österreich ein Eigentor nach dem anderen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Brunner.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 


13.05.04

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler ist leider nicht mehr da. Herr Kollege Rosenkranz, sind Sie noch da? – Ja, willkommen! (Abg. Walter Rosenkranz: Willkommenskultur!) Bei aller persönlichen Wertschätzung, Herr Kollege Rosenkranz, aber wenn alle, die Sie ansprechen wollen, den Saal verlassen haben, vielleicht gehen Sie dann ein wenig in sich und fragen sich, ob das mit Ihrer Rede zu tun gehabt hat. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es tut mir sehr leid, dass Sie, aber auch die Vorredner Ihrer Partei es nicht wert gefunden haben, auf die wichtigen Pflöcke einzugehen, die der Herr Bundeskanzler heute in seiner Erklärung eingeschlagen hat, die wichtigen Themen, die er ange­sprochen hat. Und da können Sie sich auch durchaus mit betroffen fühlen. Wenn er zum Beispiel davon spricht, dass es wichtig ist, in diesem Land die Hoffnung und nicht die Ängste zu stärken, dann denke ich mir, das wäre etwas, wo Ihre Partei einmal durchaus in eine Nachdenkphase eintreten könnte. (Abg. Zanger: Der größte Hoffnungsträger!)

Ich verstehe schon, dass Ihnen das nicht so sehr gefällt, denn genau davon leben Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Freiheitlichen, dass Sie die Ängste schüren und die Hoffnung minimieren. Aber da sind jetzt neue Zeiten angebrochen, und das ist ein sehr gutes Signal und ein sehr gutes Zeichen.

Der Herr Bundeskanzler hat Pflöcke eingeschlagen in dem Bereich, dass wir uns mit der politischen Kultur in unserem Land auseinandersetzen sollen, dass die Stimmung im Land nicht so gut ist, wie sie sein sollte, und dass wir daran arbeiten müssen und arbeiten wollen. Wobei ich auch bei denen bin, die sagen, dass in den letzten Jahren in diesem Land viel gearbeitet worden ist, viel Wichtiges weitergebracht worden ist und dass wir in den letzten Jahren – im Vergleich dazu, wie andere Länder dastehen – gut durch die Krise gekommen sind. Trotzdem ist es natürlich wichtig, mit dem ent­sprechenden Optimismus nach vorne zu schauen, und natürlich ist es so, dass hier ein Innovationsschub dringend notwendig ist, was die politische Kultur betrifft. Denn warum ist es denn so, dass viel weitergegangen ist, aber die Stimmung eben nicht ent­sprechend mitgegangen ist?

Da haben Sie, Herr Bundeskanzler, mit Ihren ersten Erklärungen auch schon einen wichtigen Prozess ausgelöst, eine – Sie haben es angesprochen – Erwartungshaltung ist da, jawohl, eine wirklich positive Erwartungshaltung, ich würde sogar sagen, in weiten Kreisen der Bevölkerung ein wirklicher Vertrauensvorschuss für Sie, den Sie sich mit Ihren ersten Erklärungen und Auftritten auch wirklich erarbeitet haben. Das habe ich vor allem bei jungen Menschen wahrgenommen, und das ist eine große Chance, die Sie für sich, für Ihr Team und für uns alle hier auftun.

Sie haben, was aus meiner Sicht besonders wichtig ist, den Bereich der Bildung sehr stark ins Zentrum gerückt. Es geht um den Wirtschaftsstandort, den wichtigen Hebel für Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik, aber natürlich ganz wichtig auch um Bildung als den Sockel für gute Lebenschancen für das einzelne Kind, für jedes Kind. Es ist


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unsere Verantwortung, dass wir auf diesem Weg weitergehen und möglichst schnell weiterkommen, denn jedes einzelne Kind hat sich das verdient.

Sie haben das angesprochen, die Bildungschancen sind heute viel zu stark abhängig davon, in welchem Stadtteil, wie Sie sagen, man aufwächst, in welchem Bundesland man aufwächst, würde ich hinzufügen, welchen Vornamen man hat und wie die Brieftasche der Eltern ausschaut. Und daran, sehr geehrte Frau Bundesministerin, werden wir gemeinsam arbeiten und den Weg fortsetzen, der unter Ihrer Vorgängerin auch eingeschlagen worden ist, um in großen, schnellen Schritten möglichst so weiter­zukommen, dass das einzelne Kind das auch spürt. Wir alle wissen: Strukturen sind wichtig, Veränderungen bei Strukturen und Kompetenzen sind enorm wichtig, aber die Reform muss so sein, dass das einzelne Kind, die Eltern spüren, dass wirklich etwas weitergegangen ist und sich verbessert hat, was die Chancen für ihr Kind betrifft.

Herr Bundeskanzler, Sie übernehmen diese wichtige Aufgabe in keiner leichten Zeit. Es warten sehr große Herausforderungen auf Sie. Sie haben die Kraft, Sie haben die Kompetenz, Sie haben ein gutes Team. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team sehr viel Erfolg und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


13.10.04

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler mit den Mitgliedern der Bundesregierung, vor allem mit den neuen! Meine Damen und Herren! Herr Minister Leichtfried, ich freue mich auf Sie als Minister! Sie bringen zwei Voraus­setzungen mit. Das eine, Sie waren viele Jahre in Brüssel, damit ist Ihnen eine euro­päischere Sicht auf die Dinge vertraut. Ich halte das für wichtig.

Sie haben sich in Sachen Lärmschutz, in Sachen Luftqualität sehr engagiert, und das haben wir sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen. Im BMVIT gibt es ja einiges an Arbeit für Sie, Stichwort: Dieselskandal. Ich vertraue da auf Ihr weiteres Vorgehen.

Und das Zweite: Sie haben Sympathien für eine flächendeckende Lkw-Maut. Es ver­steht in Österreich niemand, wieso die Bahn, der umweltfreundliche Verkehrsträger, für jeden Kilometer Schienenmaut bezahlen muss, der Lkw, der die großen Straßenschä­den verursacht, aber nicht, nämlich nur auf 3 Prozent des Straßennetzes. Das ist nicht einsichtig.

Ab heute, Herr Minister, sind Sie derjenige, der die Zukunft der Mobilität entscheidend beeinflusst. Sie haben also viele Hebel in der Hand. Und Sie sind auch derjenige, der, zusammen mit dem Finanzminister, am meisten tun kann für eine bessere Klimabilanz in Österreich, weil immerhin ein Drittel aller Treibhausgase aus dem Verkehr kommen, und da ist der Flugverkehr noch gar nicht mitgerechnet.

Es geht also um die entscheidende Frage: In welche Richtung stellen Sie die Weichen? Geht es tendenziell weiter wie bisher – oder geht es in Richtung einer umweltfreund­lichen Mobilität?

Da gibt es drei Eckpunkte. Eckpunkt eins: Klimabilanz verbessern durch eine umwelt­freundliche Verkehrspolitik, zweitens: weniger Abhängigkeit von Öl und drittens: Kos­tenwahrheit im Verkehr.

Ich blende zurück zum Thema Abhängigkeit vom Öl. Wir zahlen jedes Jahr 13 Milliar­den € für Ölimporte. Die verhunzen uns die Klimabilanz und machen uns von Ländern abhängig, die extrem instabil sind. Da auf heimische Energie, auf umweltfreundliche Mobilität zu setzen, ist ein Gebot der Stunde. – Ihre Rede hat gezeigt, dass Sie das


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genauso sehen. Und das finde ich gut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, die notwendige Verkehrswende geht von den Städten aus. Die Städter – und das haben Sie richtig erkannt – wollen auch nachts ruhig schlafen, wollen gute Luft sowie ausreichend Lebensraum in der Stadt haben, der ihnen heute von den vielen Autos, die irgendwo herumstehen, weggenommen wird.

Und die Städter und Städterinnen sind die Ersten, die bereit sind, zugunsten von mehr Lebensqualität in ihrem Lebensumfeld, der Stadt, eine andere Mobilität zu nutzen. Die Erfolge etwa des 365-€-Tickets in Wien und in Vorarlberg oder auch die Erfolge beim Ausbau der S-Bahnen, der Regionalbahnen, der regionalen Buskonzepte zeigen, wenn man – das haben Sie erwähnt – das Angebot richtig legt, dann nehmen es die Menschen an. In diese Richtung muss es gehen, meine Damen  und Herren.

Schließen darf ich mit etwas, das ich Ihnen mitgebracht habe. Damit Sie immer an: Vorrang für umweltfreundliche Mobilität! denken, habe ich Ihnen ein Exemplar davon mitgebracht. Ich wünsche mir, dass Sie ein guter Lokführer werden, denn das ist das Symbol für das wichtigste Elektrofahrzeug in Österreich, das ist die Bahn. Mögen Sie immer daran denken: Diese umweltfreundliche Mobilität muss Vorrang haben! Das ist die wichtigste Vorrangregel im Verkehr: Vorrang für den öffentlichen Verkehr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher übergebe ich Ihnen jetzt diese Lok. Ich wünsche Ihnen, dass Sie ein guter Lokführer sein werden, der die Weichen in die richtige Richtung stellt. Sie haben uns dabei als Partner. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Willi überreicht Bundesminister Leichtfried eine rote Miniatur-Lok mit der Aufschrift „ÖBB“.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

 


13.14.38

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vielleicht eingangs gleich zu den Ausführungen des Kollegen Willi. Ja, ich glaube, öffentlicher Verkehr ist wichtig, aber genauso wichtig ist die Verkehrswirtschaft. Und der Herr Minister hat ja eine Kooperation mit der Verkehrswirtschaft angekündigt, immerhin 36 000 Betriebe in diesem Lande.

Und da bin ich schon bei der wirklich wichtigen Frage: Wie schaffen wir es, dass es den Menschen in unserem Land wieder besser geht? Darauf gibt es eine sehr klare Antwort, für die wir ausnahmsweise nicht unseren eigenen Bundespräsidenten zitieren müssen, sondern einen ehemaligen US-Präsidenten: „It’s the economy, stupid“. Es geht um die Wirtschaft, weil nur die Wirtschaft alles am Laufen hält. Und die Wirtschaft sind wir alle, die Unternehmer, die Landwirte, die Selbständigen, die Arbeitnehmer, die Freiberufler.

Die Wiederaufbaugeneration der fünfziger und sechziger Jahre in Österreich war durch die soziale Marktwirtschaft mit dem Versprechen „Wohlstand für alle“ geprägt. Als Grundsatz meiner Großeltern und Eltern stand damals im Raum, es soll uns und unseren Enkeln einmal besser gehen.

Zum ersten Mal seit dem Jahr 1972 stellt sich dies nun für viele Österreicherinnen und Österreicher anders dar. Heute geht es den Menschen darum, den Status quo zu erhalten. Dass es der Enkelgeneration einmal besser gehen wird, daran glaubt heute nur mehr ein Drittel. Also sind alle ein wenig pessimistisch und nicht mehr so zuver­sichtlich.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 89

Aber was brauchen wir, um diese Zukunftsangst zu ändern? – Wir brauchen eben eine starke Wirtschaft, denn es sind die Unternehmer und die unternehmerischen Men­schen und die fleißigen Arbeitnehmer in diesem Land, durch die das entsteht, was man eine gesunde Wirtschaft nennt, also ganz konkret das, dass jeder genug Geld in der Tasche hat, damit er und seine Familie in Wohlstand leben können.

Und es sind die Arbeitgeber in diesem Land, die den Menschen Arbeit geben. Es sind 300 000 mittelständische Unternehmer, die zwei Drittel dieser Arbeitsplätze sichern, jährlich hunderttausend junge Menschen ausbilden und 60 Prozent der gesamten Wertschöpfung erwirtschaften, trotz allem – ja, trotz allem. Wenn man heute in Öster­reich Unternehmer wird, dann braucht es vor allem eines, nämlich eine hohe Leidens­fähigkeit. Die Bürokraten haben den Selbständigen zum Feindbild Nummer eins erklärt, schikanieren ihn mit Verhinderungen, Vorschriften und Verboten und ignorieren dabei völlig, dass sie damit das ganze Land blockieren. Und durch diese Blockierer und Brem­ser sind wir auch in den internationalen Rankings zurückgefallen.

Wenn das stimmt, was man über Sie, Herr Bundeskanzler, hört und liest, dann gibt es jetzt eine einmalige Chance, die Karten neu zu mischen. Der neue Bundeskanzler hat Managementerfahrung und Unternehmergeist. Denn er ist einer – und das liest man oft und hört man oft –, der die Dinge anpackt. Und wenn das wirklich so ist, dann weiß er ganz genau, worum es jetzt geht: Alle Kraft der Wirtschaft! Wenn das nämlich so ist, wie man hört, Herr Bundeskanzler, dann sollten Sie die Wirtschaft nicht nur über die Gewerkschafter und über die Konzerne, sondern auch über die kleinen und mittel­ständischen Unternehmer verstehen, und verstanden haben, dass diese nicht der Klassenfeind sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Und wenn das so ist, wie man hört, dann tun Sie alles dafür, dass Steuern, Abgaben und Lohnkosten massiv gesenkt werden und Unternehmer sich für ihren Gewinn nicht schämen müssen, weil Steuern nämlich nur aus Gewinn kommen. Und wenn das so ist, dann kämpfen wir dafür, dass Behörden, Ämter und Sozialversicherungen alles tun, um die Unternehmer nicht weiter zu schikanieren. Und wenn wir wirklich alle das tun, was unsere Wirtschaft stark macht, dann fördern wir, dass die Menschen lieber von ihrer Arbeit als von staatlichen Hilfen leben und arbeiten können – und vor allem wann und solange sie wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler, Sie sollen ein Mann von beherzter Tatkraft sein. So kennen Sie auch die Menschen bei den ÖBB. Und ich denke, so sollen Sie auch die Menschen in diesem Lande kennenlernen, und wir sollten heute hier gemeinsam mit der Umsetzung unserer Vorstellungen beginnen. Und wenn dem so ist, dann richte ich den Appell auch an die Kollegen der SPÖ – mir ist heute schon aufgefallen, dass beim Thema Arbeitszeit­flexibilisierung keiner geklatscht hat –, es wäre schon an der Zeit, dass ihr euch auch ein wenig öffnet und bewegt (Beifall bei der ÖVP – Abg. Katzian: Ich sage dir dann noch etwas!), denn nur gemeinsam können wir es schaffen, dass wir hier wieder die Förderung der Selbständigen und der selbständig handelnden Menschen in diesem Lande angehen. Deshalb: Alle Kraft der Wirtschaft! (Beifall bei der ÖVP.)

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pock. – Bitte.

 


13.20.05

Abgeordneter Michael Pock (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst ein herzliches Willkommen an die neuen Regierungsmitglieder! Als NEOS-Verkehrssprecher möchte ich insbesondere Minister Leichtfried begrüßen und möchte auch das Angebot der Kooperation anneh­men, wobei ich schon zwei Dinge vorwegschicken muss. Es ist ja nicht so, dass es


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 90

bisher keine Anzeichen von Kooperation gegeben hätte; es hat keine Anzeichen von Stabilität gegeben und meiner Meinung nach eine große Angst vor Umfragewerten.

Ich erinnere mich: Der damalige Verkehrsminister Stöger hat sowohl Kollegen Willi als auch mich eingeladen zu Feedback-Gesprächen. Die haben genau einmal stattgefun­den, dann war der Minister weg. Der ehemalige Minister Klug – nur kurzzeitig Ver­kehrs­minister – war der erste Minister, der mich angerufen hat, um über ein Gesetz zu debattieren. – Es waren Anzeichen da.

Was es geben muss, ist, wie ich meine, der geeinte Wille der konstruktiven Kräfte im Parlament und der gesamten Bundesregierung, damit man mehrere Schritte nachei­nan­der geht und auch in die Umsetzung kommt.

Ich möchte daher auch konkret auf die beiden Punkte eingehen, die Sie, Herr Minister Leichtfried, jetzt angesprochen haben, nämlich die ökologische Verkehrspolitik und die Frage der Innovation.

Die ökologische Verkehrspolitik ist gerade im Zeichen der Klimakonferenz von Paris nicht nur als Trend und als Vision zu verstehen, sondern es ist tatsächlich schon bald dringend notwendig, sie umzusetzen. Und der erste Schritt, der von Umweltminister Rupprechter angekündigt wurde, war, dass man einmal tabulos die möglichen Maßnahmen bespricht, ob das jetzt die Abschaffung von Privilegien und Subventio­nierungen ist, ob das eine Neubewertung des Straßenverkehrs ist oder ob das auch ganz neu gedachte Zugänge sein sollen. – Ich werde Sie daran messen, ob wir einmal alles auf den Tisch legen und dann darüber diskutieren, wo es auch eine breitere Mehrheit als die ausschließliche Regierungsmehrheit im Nationalrat gibt.

Auch wenn man alte Muster durchbrechen muss: Die Welt wird in der Verkehrspolitik in 20 oder 30 Jahren anders ausschauen als heute, und die internationalen Verpflich­tungen, die wir jetzt schon eingegangen sind, werden uns dazu zwingen, dass auch in Österreich die Welt in 20 oder 30 Jahren anders ausschauen wird.

Ich möchte aber, da gibt es ja jetzt witzigerweise sogar eine Doppelkompetenz in der Bundesregierung, auch das Beispiel ÖBB mitgeben. Es wurden ja vonseiten des Klubobmannes Lopatka die ÖBB an sich kritisiert, die ÖBB sind aber das Werkzeug der Politik. Deswegen sehe ich da kein Versagen in den ÖBB, wenn die ÖBB-Infrastruktur neue Bauprojekte umsetzt, wo es den Auftrag der Bundesregierung gibt, oder Dienstleistungen in der Mobilität bereitstellt, wo es einen Auftrag dazu gibt. Sie ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen.

Ich möchte schon zu bedenken geben, dass es tatsächlich Werkzeuge gibt, die auch zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können. Der Fernbusverkehr, wo es derzeit sehr kurzfristig gedachte Konzessionsvergaben gibt, ist eine Möglichkeit, durch die es in Deutschland viele neue Arbeitsplätze gegeben hat – natürlich mit ArbeitnehmerIn­nen­schutz und allem Drum und Dran.

Der Bereich von mehr Wettbewerb und tatsächlich öffentlichen Ausschreibungen für alle Teile des Schienennetzes wären eine Möglichkeit, mehr Bahnunternehmen nach Österreich zu bekommen. In Europa stehen die Zeichen auf Grün, in Österreich ist die Ampel noch auf Rot geschaltet.

Im Telekom-Bereich stehen wir aufgrund der Aufhebung einiger regulatorischer Bescheide vor einem Kahlschlag des Wettbewerbs. Wo wir derzeit knapp 70 Unternehmen am Markt haben, könnten in Zukunft von diesen 70 Unternehmen nur drei Unternehmen überleben.

All diese Maßnahmen kosten uns als Republik nichts, aber sie würden durch mehr Wettbewerb und ein gewisses Ausmaß an Deregulierung auch deutlich mehr Arbeits­plätze schaffen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 91

Ein letzter Punkt – meine Redezeit neigt sich bereits dem Ende zu –: Ich möchte schon auch Langfristigkeit in der Planung sehen. Wenn ein Ressort jetzt Budgetmittel zur Verfügung gestellt bekommt, bedeutet das nicht, dass man daran festhalten muss. Die ÖBB-Infrastruktur AG hat derzeit schon 15 Milliarden € Schulden, und mit den derzeit bestehenden Plänen wachsen diese bis 2021 auf 30 Milliarden € an.

Ich würde Sie bitten zu schauen: Was braucht Ihr Ressort, was brauchen andere Res­sorts dringlicher? – Mehr Bildung und weniger Beton braucht die Republik. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Ing. Dietrich zu Wort. – Bitte.

 


13.24.58

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! „Wir haben das Potential, (…) Erfolgsgeschichten zu schreiben.“ – Diese Worte des Herrn Bundeskanzlers finde ich äußerst positiv, und ich glaube, niemand in diesem Raum würde diese Meinung nicht teilen. Jawohl, die Österreicher sind ein Volk von fleißigen Menschen, von ehrlichen Menschen, Menschen, die sich Tag für Tag einsetzen, damit sie den Lebensunterhalt finanzieren können, damit sie für ihre Familie sorgen können, und auch Menschen, die es oft trotz Arbeit sehr, sehr schwer im Leben haben.

Aber wir haben und wir hätten dieses Potenzial, Erfolgsgeschichten zu schreiben! – Wir haben es in der Vergangenheit bewiesen, Österreich hat tolle Persönlichkeiten hervorgebracht: Unternehmer, die Weltruf erlangt haben, Nobelpreisträger. Wir haben dieses Potenzial in der Vergangenheit viel, viel besser ausschöpfen können als in den letzten Jahren, nämlich in den Jahren des Stillstands, in denen sich in Österreich ganz, ganz wenig getan hat und wo viele Unternehmer die Lust verloren haben, in diesen Wirtschaftsstandort zu investieren.

Meine geschätzten Damen und Herren, die Fakten sprechen eine ganz klare Sprache: Es gab im April 424 697 Arbeitslose; Menschen, die wahrscheinlich gerne gearbeitet hätten, die sich gefreut hätten, einen Job zu finden und die trotzdem wenig Chancen haben. – Das heißt, Herr Bundeskanzler, Sie haben vollkommen recht: Hier besteht größter Handlungsbedarf.

Was mir auch gefallen hat, denn das habe ich in den letzten Jahren von der Regie­rungsbank noch nie gehört, war, dass Sie als Regierungsmitglied gesagt haben, dass die Menschen in den letzten fünf Jahren einen Reallohnverlust hatten. Jeder Einzelne hat es in seiner Brieftasche gespürt, dass er immer weniger Kaufkraft hatte, aber es hat sich niemand getraut, dieses heikle Thema anzusprechen. Es gibt mir Hoffnung, wenn seitens der Regierung zuerst einmal eine klare Analyse erfolgt, damit wir dann eben Schritte setzen können, um das System zu verbessern. (Beifall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren, wo sollten wir ansetzen? – Da gibt es eine Vielzahl von Punkten, wo man ansetzen muss; ich möchte nur einige Punkte erwäh­nen.

Ein Punkt, der mir auch gefällt, denn auch das habe ich seitens der Regierungsbank stark vermisst, ist, dass man begriffen hat: Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Das heißt, wir brauchen ein unternehmerfreundliches Umfeld, wir müssen alles tun, dass junge Menschen bereit sind, selbständig zu werden. Wir müssen die Wirtschaft stärken


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und motivieren, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen, denn das ist einer der Schlüssel unseres Wohlstandes.

Und auch da meine Bitte an die Regierungsbank: Bitte überlegen Sie noch einmal diese Kriminalisierung der Unternehmer, die in den letzten Jahren stattgefunden hat – Stichwort Registrierkassenpflicht – und was wir unseren Wirten zugemutet haben, was wir den Kleinunternehmern zugemutet haben! Ich habe die große Befürchtung, und es wird Ihnen allen so gehen, wenn Sie mit Unternehmern, Selbständigen, mit Kleinst­unternehmern reden, dass die sagen: Ich will nicht mehr, ich höre auf! Ich suche mir einen Job, ich will so nicht weitertun! Und dann werden auch noch diese Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. – Haben wir doch den Mut, für kleine Unternehmer Locke­rungen zu schaffen, dass sie wirklich in der Selbständigkeit bleiben können. (Beifall beim Team Stronach.)

Was noch ein ganz wichtiger Punkt ist: Bürokratieabbau. – Wir reden immer davon, auch das ist ein dermaßen überstrapazierter Terminus; handeln wir doch endlich! Neh­men wir Praktiker, nicht nur immer Experten! Ich glaube, jeder, der einmal ein Projekt durchziehen wollte, weiß, wie hinderlich Experten sind. Nehmen wir Praktiker, die sich das ganze System anschauen, durchfilzen und auf ein Normalmaß reduzieren, auf ein Maß, das für die Wirtschaft, für die Umwelt verträglich ist.

Meine geschätzten Damen und Herren, auch eine Staatsreform müssen wir ins Auge fassen. Können wir uns den Föderalismus in dieser Form leisten? Diese Frage müssen wir uns stellen und damit müssen wir uns auch beschäftigen.

Ich freue mich, dass der ehemaliger Herr Landesrat Leichtfried aus der Steiermark auf der Ministerbank Platz genommen hat, weil er den ländlichen Raum kennt und als Infrastrukturminister dafür Sorge tragen kann, dass dieser ländliche Raum auch wirklich am Leben erhalten bleibt, denn der ländliche Raum braucht eine Lebensader. Und man wird jetzt sehen, wie groß das Verständnis für den ländlichen Raum ist, wenn es bei den Finanzausgleichverhandlungen darum gehen wird, was man kleinen Gemeinden gibt, wie man auf kleine Gemeinden im Verhältnis zu großen Städten schaut.

In Summe gesehen gibt es ein riesiges Betätigungsfeld, auch in der Bildungspolitik, wo Eltern und Kinder im Moment wirklich sehr stark gefordert sind, sehr stark leiden, wenn ich das Stichwort Zentralmatura erwähnen darf, wo aus heiterem Himmel 60, 70 Prozent plötzlich nicht mehr entsprechen. Wenn Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren in diesem Gegenstand sehr gut waren und plötzlich mit einem Nicht genügend konfrontiert sind, dann stimmt doch das System nicht! Da wurde schlecht vorbereitet. Meine geschätzten Damen und Herren, nehmen wir uns dieser Thematik an und schauen wir endlich, dass wir diese Zentralmatura auf einem Niveau stattfinden lassen – mit Unterstützung der Schüler, mit Unterstützung der Lehrer –, damit das schaffbar und machbar ist! (Beifall beim Team Stronach.)

Zu allerletzt: Neubeginn. – Die große Frage ist, ob er gelingen wird. Er wird nur gelin­gen, wenn die ÖVP ihre Linie, die sie nämlich bisher gefahren ist – Regierung und Opposition in einem zu sein: in der Regierung mitstimmen, vom Rednerpult aus das Gegenteil fordern und behaupten – endlich verändert, wenn sich die ÖVP zur Regie­rung bekennt und auch die Beschlüsse mitträgt, ohne dass hier im Plenum dann seitens der ÖVP alles wieder zerschossen und kleingeredet wird.

Ich würde mir diesen Neustart für Österreich wünschen, weil ich glaube, die Menschen haben es verdient, eine Regierung zu haben, die gut arbeitet, die im Sinne der Men­schen arbeitet. Wir als Opposition werden darauf schauen, dass das auch der Fall ist. Wir werden uns einbringen, und zwar im Sinne der Bevölkerung konstruktiv einbringen. Und ich wünsche mir vor allem, dass jenes Potenzial, das dieses Land hat, auch


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genutzt wird, sodass wir gemeinsam Erfolgsgeschichten schreiben können. – In die­sem Sinne: Glück auf! (Beifall beim Team Stronach.)

13.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Mag. Drozda zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.32.57

Bundesminister ohne Portefeuille Mag. Thomas Drozda: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Dies ist für mich mein Debüt hier. Ich kenne dieses Haus aus meiner früheren Tätigkeit als Berater von Bun­deskanzler Vranitzky und von Bundeskanzler Klima, und ich freue mich sehr und ich fühle mich wirklich ausgezeichnet, in dieser Funktion hier sein zu dürfen und nehme diese Aufgabe mit großer Demut und mit großem Respekt an.

Als mich Christian Kern letzte Woche gefragt hat, ob ich mir die Übernahme dieser Funktionen vorstellen kann, habe ich mir überlegt, was mich dafür qualifiziert und was ich beitragen kann – denn das ist, glaube ich, die entscheidende Frage, die man sich stellen sollte. Und aufgrund der Tatsache, dass ich einerseits Politikerfahrung in zwei Kabinetten habe, das Bundeskanzleramt als erstklassiges Haus mit Top-Beamtinnen und -Beamten gut kenne, aber insbesondere in den letzten 15 bis 20 Jahren in Kulturbetrieben Erfahrungen gesammelt habe, habe ich mich entschlossen, dieses Angebot anzunehmen und diesem Ruf zu folgen und freue mich auch sehr darüber.

Ich bin für den Bereich Koordinierung zuständig. Ich würde das eher als den Teil der Pflicht meiner zukünftigen Aufgabe sehen – die Kür ist die Kunst –, und in diesem Pflichtteil geht es darum, eine gute Zusammenarbeit in der Regierung zu finden, und ich habe heute aus der Diskussion auch mitgenommen, dass – so war mein Eindruck – es von allen Seiten Bereitschaft zu dieser guten Zusammenarbeit gibt. Auf der anderen Seite freue ich mich auch sehr über die wohlwollende Aufnahme, die viele von Ihnen uns entgegengebracht haben und diese positive Resonanz betreffend unsere Bestellung. Das gibt mir nämlich auch die Hoffnung, dass uns auch dieser zweite Teil des Räderwerks, nämlich der parlamentarische Teil, unterstützen wird.

Die Frau Präsidentin des Nationalrats hat mich vorgestern darauf hingewiesen, dass wir es mit einem selbstbewussten Parlament zu tun haben. Ich finde das gut und richtig, finde auch diese Arbeitsteilung zwischen Legislative und Exekutive gut und wichtig und freue mich auf die Zusammenarbeit, die über die Ausschüsse – Verfas­sungs- und Kulturausschuss, in dem auch die Kunst behandelt wird – sicher hinaus­gehen wird. Darüber hinaus freue ich mich, auch einige bekannte Gesichter zu sehen, die mich in meinen unterschiedlichen Funktionen begleitet haben.

Was die Kunst und Kultur betrifft, muss ich sagen, bin ich jetzt beim Teil der Kür. Es macht mich überaus glücklich, diese Funktion bekleiden zu können. Österreich ist – und ich war in den letzten Jahren sehr viel im Ausland – im Ausland in allererster Linie und völlig zu Recht als die Kunst- und Kulturnation bekannt, und es würde den Rahmen jedwedes Statements sprengen, diese Leistungen in der Fülle und in der Ge­samt­heit, wie sie tagtäglich von den Kulturschaffenden erbracht werden, zu nennen. – Ich freue mich sehr über diese Aufgabe.

Diese Aufgabe hat natürlich auch mit Ressourcen zu tun, sie hat mit Finanzen zu tun, sie hat mit Personalentscheidungen zu tun, und auf der anderen Seite hat sie damit zu tun, mit Künstlern im Dialog zu sein, auf Augenhöhe mit ihnen zu diskutieren und sich auch für das zu interessieren, was sie abseits ihrer Kunst zu sagen haben. All das interessiert mich persönlich, all das ist seit geraumer Zeit meine Leidenschaft.


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Ich möchte noch ein Wort zur Kultur sagen, weil das damit zu tun hat, wie man miteinander umgeht, und da habe ich heute in der Diskussion über weite Distanzen gesehen, dass dieser Umgang sehr in Ordnung ist. Ich muss nur leider auch fest­stel­len, dass ich gleichfalls erlebt habe, wie eine Kollegin, die noch nicht einmal die Mög­lichkeit hatte, sich zu Wort zu melden, hier angegriffen wurde. Ich muss sagen: Das hat für mich mit Kultur zu tun, und ich finde das absolut nicht in Ordnung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Ich möchte mich nochmals sehr herzlich für dieses Grundvertrauen bedanken; Christian Kern hat das schon angesprochen. Die Erwartungshaltung ist riesig. Ich habe hier die berühmte Funktion des Bohrens dicker Bretter zu übernehmen. Das tue ich gerne! Dem unterziehe ich mich sehr gerne und hoffe sehr auf Ihre Unterstützung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek zu Wort. – Bitte.

 


13.38.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren hier und vor den Fernsehgeräten! Wir wurden jetzt immer wieder aufgefordert, der neu zusammen­gestellten Regierung doch eine Chance zu geben. Das würden wir gerne, wenn da nicht die oft zitierten Missstände wären, und die Missstände sind ja nicht neu, die sind schon länger da.

Lieber Herr Verkehrsminister, ich bin nicht so weit, meine Rede mit einem Zitat zu beginnen, dass beispielsweise jetzt die ehemalige Ministerin Heinisch-Hosek die logi­sche Nachfolgerin im Verkehrsressort wäre, weil das nur den Kompetenzmangel der Ministerpartie zeigen würde. Das war Ihr Zitat – aber jetzt ist er ohnehin nicht da, das macht aber nichts. Das war das Zitat des damaligen SPÖ-Funktionärs in Richtung FPÖ. – Jetzt heißt es auf einmal: Eine neue Art, eine neue Kultur möge einziehen. Gut, dann lassen wir sie einziehen!

Herr Leichtfried hat gesagt, es geht um den Menschen, und der Mensch steht im Mittelpunkt. Ich hoffe, dass er das auch so meint, wie er es sagt. Aber wenn er es so meint mit der Mobilität, wenn er es so meint mit dem Verkehr, mit dem Individual­verkehr, dann soll er sich bitte als Erstes einmal ein Beispiel an seinem Vorgänger in der Steiermark nehmen. Es war nämlich Landesrat Kurzmann, der es in Graz mit seiner äußerst schwierigen Umweltsituation mit Feinstaub und Ähnlichem geschafft hat, ohne die von den Grünen geforderten autofreien Zonen und Ähnlichem, ohne dieses ganze Zeug, vernünftige Verhältnisse zu schaffen, anerkannt von allen, von der Wirtschaft, von den Arbeitnehmervertretern und so weiter.

Lieber Herr Verkehrsminister! Dort können Sie sich also eine Anleihe nehmen, wenn der Mensch im Mittelpunkt stehen soll. Ich unterstütze Sie sehr, wenn Sie sagen, Sie sind für den öffentlichen Verkehr. Das Ganze muss aber leistbar sein, und wir werden es wahrscheinlich nicht schaffen, vor allem nicht vom Bund aus – da sind ja auch wieder die Länder dabei –, wirklich in jedes Tal eine Bahn zu bringen. Es wäre gut, wenn es ginge, wir werden es uns aber wahrscheinlich nicht leisten können. Wir brauchen dann auch immer wieder Autobusse, und bei den Autobussen wissen wir, die haben Abgase und alles das, was angeblich die Menschen so behindert und so beeinträchtigt.

Herr Bundesminister, Sie können aber schon etwas machen, das wirklich in Ihrer Kom­petenz liegt, und zwar ein Österreich-Ticket. Das hat bis jetzt kein Verkehrsminister


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 95

geschafft. Schaffen Sie ein Österreich-Ticket vom Burgenland bis nach Vorarlberg, von den nördlichsten Spitzen Niederösterreichs bis nach Kärnten, machen Sie nicht nur ein Österreich-Ticket, das verkehrsmittelübergreifend ist, sondern eines, das vor allem auch internettauglich ist!

Ich weiß schon und höre immer, dass es die Länderverbünde sind, die sich wehren. Nur: Von den neun Verkehrsverbünden habe ich bis jetzt fünf gefragt, und die waren es nicht. Angeblich waren es die ÖBB, die sich dagegen gesperrt haben. Sie sind der oberste Herr der ÖBB; es wird also jetzt ein Leichtes sein, das durchzusetzen, wenn Sie es ernst meinen. Wir werden Sie daran messen, ob Sie das auch wirklich ernst meinen und ob Sie es wirklich gemacht haben.

Ich pflichte Ihnen auch voll bei, Herr Verkehrsminister, wenn Sie sagen: Sicherheit ist wichtig. Vor allem geht es dabei um die Verringerung der Zahl der Verkehrstoten. Ich hoffe nur, Sie gehen dabei nicht wieder in die grüne Richtung mit weiteren Reduktionen der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten. Wie nieder sollen die denn noch werden? Der Ansatz sollte eher sein, sich einmal mit den Autoherstellern zusammenzusetzen und die Technologie zu verbessern. Dort wäre einiges zu holen, dort ist einiges zu holen, und das ist wesentlich besser, als bei der Geschwindigkeit anzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir zu meinem Lieblingsthema, zur Eisenbahn, zu den ÖBB: Die hat 40 000 Mitarbeiter, denen man wirklich für ihre Kraft und für ihren Einsatz danken muss. Wenn es ab und zu, das ist wirklich nur ganz selten, Probleme gibt, dann sind die wirklich hausgemacht. Sie haben gesagt, Sicherheit ist für Sie wichtig, und Sicher­heit bedeutet in dem Zusammenhang, dass dieser unnötige schaffnerlose Null-zu-Null-Betrieb endlich abgestellt gehört, und zwar nicht mit irgendeiner kleinen Verordnung, über die sich die Gewerkschaft freut, das Management aber de facto davon ausgehen kann, dass das Ganze nichts wert ist und weiterhin Null zu Null betrieben wird.

Sicherheit heißt für mich auch, dass in einem Zug, in einer Lokomotive die Achsen eingebaut sind, die eingebaut gehören, und dass das Management, wenn Fehler passieren, nicht versucht, das Ganze zu vertuschen. Das ist unerträglich!

Kommen wir noch einmal auf die Ausbildung zu sprechen: Die Triebfahrzeugführer gehören ordentlich ausgebildet, nicht mit einem AMS-Damen-Schnellsiedekurs, von dem dann ohnehin die Hälfte der Damen wieder abspringt. Es braucht eine gute, seriöse, langandauernde Ausbildung, die die Leute auch wirklich dazu ermächtigt, das zu tun, was sie tun sollen.

Zur Infrastruktur: Das ist zwar etwas, das nicht die ÖBB bezahlen, sondern wir alle als Steuerzahler. Es ist also unsere Infrastruktur, und auf der fährt gelegentlich umher, man weiß nicht genau wann, was Gott und die Welt verboten haben. Auf der Straße kann man sich so etwas überhaupt nicht vorstellen, da gibt es die regelmäßigen Kon­trollen durch die Exekutive, und jeder Lkw, der nicht dem Stand der Technik und den Gesetzen entspricht, wird von der Straße heruntergeholt. In der Infrastruktur, auf der Schiene gibt es das zwar auch – wir hätten die Technik, wir haben sie in Österreich, die ÖBB haben sie, aber sie wird nicht angewandt. An jeder großen Grenzstelle und an den wichtigen Knotenpunkten gehören solche Kontrollpunkte installiert, damit nicht irgendwelche Züge umherfahren können, die unsere Infrastruktur kaputt machen, die wir dann wieder, und zwar wir Steuerzahler, um teures Geld reparieren müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dazu gehört auch, dass wir eine Unfallverhütungsstelle haben, die den Namen auch verdient. Schauen Sie sich bitte an, wo die damit im Bereich der Eisenbahn sind, was bei 2013, bei den wichtigen Sachen, wie beispielsweise dem Semmering – und den kennt Herr Bundeskanzler Kern ganz genau –, passiert ist. Da hat er sich ja heftig um


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 96

Vertuschung bemüht. Es geht darum, dass das auch wirklich ordentlich angeschaut wird und die schuldigen Leute entsprechend bestraft werden, denn sonst, lieber Herr Verkehrsminister, kann es schon passieren, dass der Rote Riese, den wir jetzt als Bundeskanzler haben, wie in der Astronomie zu einem Weißen Zwerg verglüht, und das wollen wir nicht. Wir wollen ordentliche Verhältnisse für uns Österreicher!

Deshalb bringe ich auch noch einen Antrag ein, und zwar den Entschließungsantrag der Abgeordneten Strache, Deimek und weiterer Abgeordneter betreffend Nein zu TTIP und CETA.

Da freut sich der Herr Bundeskanzler wahrscheinlich ganz besonders.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, werden aufge­fordert, auf europäischer Ebene im Sinne der Wahrung der Interessen und des Schutzes der österreichischen Bevölkerung Position gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu beziehen und beiden eine klare Absage zu erteilen."

*****

Herr Verkehrsminister, Sie haben alle Chancen! Nützen Sie sie! Sie werden sie brauchen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten KO Strache, DI Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend NEIN ZU TTIP UND CETA

eingebracht im Zuge der Debatte über Tagesordnungspunkt 1, Erklärungen des Bun­deskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates, in der 130. Sitzung des Nationalrates in der XXV.GP am 19.5.2016

Das nun fertig verhandelte und vorliegende Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada namens „CETA“, das als Blaupause für das noch weit umstrittenere Vertragswerk mit den USA „TTIP“ dient, könnte binnen kurzer Zeit – vielleicht schon im Juni 2016 – vorläufig in Kraft treten, ohne dass die nationalen Parlamente zuvor grünes Licht gegeben haben.

Die für die Verhandlungen zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sowie alle anderen verantwortlichen Mitglieder der Kommission haben klargestellt, dass sie für den Abschluss des Freihandelsvertrags TTIP - praktisch ohne "wenn und aber" – sind, da dieser hunderttausende – manchmal hört man sogar "Millionen" – Arbeitsplätze schaffen und sichern würde.

Kritische Stimmen über die Unhaltbarkeit dieser Behauptungen, die Nachteile dieses Abkommens für die europäische Wirtschaft, die Ökologie, insbesondere die Regio­nalität und die Kleinstrukturierung der Landwirtschaft, werden ebenso wie die dro­henden schweren Schäden für Demokratie und Selbstbestimmung der Europäischen Völker (Schiedsgerichte und dergleichen) beiseitegeschoben.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 97

Die nächste und 14. TTIP-Verhandlungsrunde findet im Juli in Brüssel statt. Bis dahin sollen so viele konsolidierte Texte wie möglich fertig sein und so wenig wie möglich offene Themen, meinte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im  Zuge des EU-Handelsrats in Brüssel am 13.5.2016. Nachverhandlungen hinsichtlich des für die österreichischen und europäischen Interessen ebenso schädlichen CETA-Freihandels­abkommens mit Kanada lehnt Kommissarin Malmström überhaupt kategorisch ab.

Beide Abkommen bedeuten ein Absacken der heimischen Lebensmittelqualität sowie einen Todesstoß für die österreichischen Bauern. Österreich wird nicht mehr der „Feinkostladen“ Europas sein. Weiters drohen durch diese Abkommen Gefahren in vielen Bereichen, wie für den heimischen Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umwelt­schutz.

Das Ende des Vorsorgeprinzips sowie die indiskutable Einrichtung von Schiedsge­richten, die es amerikanischen und kanadischen Konzernen ermöglichen würden, gegen vitale Interessen unseres Landes und unserer heimischen Bevölkerung vorzu­ge­hen, sind weitere, klar abzulehnende Punkte.

Abgesehen von faktisch belegten Risiken und Gefahren in den beiden Abkommen ist auch der Willensbildungsprozess rund um diese Abkommen aus demokratiepolitischer Sicht inakzeptabel und der Widerstand in der österreichischen Bevölkerung – verständ­licherweise – inzwischen groß.

Das Gebot der Stunde muss es daher sein, dem vorliegenden fertigen CETA-Vertrags­text eine klare Absage zu erteilen und die weiteren Verhandlungen zu TTIP endlich zu stoppen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, werden aufgefordert, auf Europäischer Ebene im Sinne der Wahrung der Interessen und des Schutzes der österreichischen Bevölkerung Position gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA zu beziehen und beiden eine klare Absage zu erteilen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


13.46.50

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrtes neues, teilweise altes Team der Bundesregierung! Als Erstes möchte ich mich ganz herzlich bei jenen bedanken, die heute nicht mehr hier sind, nämlich beim ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann, der in schwierigen Zeiten acht Jahre lang mit sicherer Hand das Land geführt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich auch noch beim Regierungskoordinator, Kulturminister Josef Ostermayer, bedanken, der immer dann zur Stelle war, wenn es um kniffelige Aufgaben gegangen ist. Ich erinnere nur an die Ortstafelfrage. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fekter.)

Auch in der Kultur, und dieses Amt wird ja der neue Kulturminister übernehmen, hat sich Kollege Ostermayer einen guten Ruf erarbeitet.


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Doch nun zu meinem Hauptaufgabengebiet, zu den Frauen, und das ist die Hälfte der Menschheit. (Abg. Schwentner: Mehr!) In dem Zusammenhang zu meiner Lieb­lingsministerin, zu Kollegin Heinisch-Hosek: Sie hat ja nur – unter Anführungszeichen – „die Reihen“ gewechselt, die Seiten nicht, aber die Reihen; genauso wie Kollegin Sonja Steßl und Kollege Gerald Klug, die ich hier einfach auch ganz herzlich begrüßen möchte, all diejenigen also, die jetzt bei uns Platz genommen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mutig in die neuen Zeiten – das wollen wir nicht nur, weil jetzt auch die Bundeshymne die Frauen und die Töchter erwähnt, sondern grundsätzlich wollen wir mutig in die neuen Zeiten schreiten, und ich bin überzeugt, dass mit der neuen Frauenministerin – wir müssen ja das Bundesministeriengesetz erst ändern –, dass mit Sabine Oberhauser die Arbeit, die erfolgreich von Gabriele Heinisch-Hosek begonnen wurde, weitergeführt wird.

Ich erinnere nur an Jobs, Jobs, Jobs – das haben wir heute schon gehört –, aber vor allem an Jobs, von denen man leben kann. Da müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen, damit die Gleichbehandlung der Geschlechter, die Angleichung zwi­schen Männer- und Frauenlöhnen weitergeht, damit die Einkommensberichte verbessert werden. In dem Kontext brauchen wir die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, damit sich da die Schere schließt.

Ein weiterer Punkt, ein wichtiger Punkt für die Frauen ist die Frauengesundheit. Wir haben da viele Berührungspunkte auch über Parteigrenzen hinweg: Brustkrebsfrüh­erkennung, hier haben wir gut zusammengearbeitet; die Frage des Fortpflanzungs­medizingesetzes. Was machen wir mit der Verhütung für junge Frauen? Soll die nicht gratis werden? Und, und, und – da fallen mir noch viele Themen ein, die wir gemein­sam in gemeinsamer Arbeit in Angriff nehmen werden.

Frauen sind bekannt für das Schmieden von Netzwerken. Herr Bundeskanzler, Sie sind bekannt als großer Netzwerker. Frauen sind nicht bekannt für Seilschaften, Frauen sind bekannt für Netzwerke. Und wir stellen unsere Netzwerke für Sie mit zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Fekter und Pfurtscheller.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ja heute auch schon von Visionen gesprochen worden. Von Visionen! Die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte der Familie für die Männer – das ist meine Vision, und Halbe-Halbe ist das Ziel.

Glück auf und alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pfurtscheller und Wöginger.)

13.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wolfgang Zinggl. – Bitte.

 


13.50.45

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir auch in der Kulturpolitik ein neues Gesicht. Ich freue mich, wir kennen einander ja schon sehr lange. An mir wird es nicht liegen, ich hoffe, wir werden gut zusammenarbeiten. (Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Na ja, bei Ihnen wird es wahrscheinlich anders ausschauen, das werden wir noch sehen. Aber ehrlich gestanden, ich bin mir nicht ganz sicher, in welche Richtung ich mich jetzt freuen soll. Die Beendigung des Stillstands – da bin ich sofort dabei. Aber dann lese ich gestern in den Interviews gleich einmal, dass bisher ohnehin alles in Ordnung war und dass Sie den Kurs in der Kulturpolitik so ungefähr weiter fortsetzen wollen.


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Mag sein, dass 40 Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich unbedingt sagen mussten, dass sie mit der Politik des ehemaligen Ministers einverstanden waren. Ich würde sagen, ich würde mindestens 39 finden, die das anders sehen, aber das ist jetzt nicht das Problem. Eines hat Ostermayer jedenfalls meiner Meinung nach genauso wie seine beiden VorgängerInnen verabsäumt, nämlich grundsätzliche Fragestellungen anzugehen und Grundsätzliches zu verändern.

Seit Jahrzehnten konzentriert sich die österreichische Kulturpolitik fast ausschließlich auf die Finanzierung und die Absicherung von Bundesmuseen und Bundestheatern, und zwar egal, was dort geschieht. Da können Finanzdebakel sein, da können Verfahren wegen Untreue, wegen Steuerhinterziehung sein, da kann es Probleme mit der Vergabe, überzogene Prämien geben. Das Maximale, das geschieht, wenn es ganz, ganz schlimm ist, ist, dass die Spitzenmanager ausgetauscht werden, Manager, die genau dafür sehr, sehr viel Geld bekommen, dass sie eine große Verantwortung haben. Dann wird das Defizit, der Verlust mit Steuermitteln abgedeckt, und alles geht weiter wie bisher. (Abg. Walter Rosenkranz: Sollen wir das Volkstheater zusperren?)

Gleichzeitig krachen aber sehr viele andere Kultureinrichtungen und wissen nicht, wie sie es machen sollen, dass sie die nötige Inflationsabgeltung irgendwie durch Eigen­leistung aufbringen können. Das ist kein Beitrag zur Vielfalt, die Schere geht nämlich seit Jahren immer weiter auseinander. Immer mehr Geld für die bundeseigenen Institutionen, immer weniger für alles andere.

Ich wünsche mir seit Langem – und ich bin nicht der Einzige – eine Veränderung dieser Grundsätze in der Kulturpolitik. Ich bin mir jetzt nur nicht sicher, ob Sie, Herr Minister, der richtige Mann dafür sind. Dafür sind Sie zu lang Part of the Game.

Ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, ob das überhaupt geht. Wir haben gestern den Finanzrahmen für die nächsten Jahre beschlossen, und dieser Finanzrahmen sieht für die Kultur mit 0,5 Prozent des Gesamtaufkommens den niedrigsten Stand seit eh und je vor. Ich weiß nicht, wie man mit dem Geld große Schritte machen kann, aber ich bin jetzt nicht der Spaßverderber, ganz im Gegenteil, ich bin für jede Form zu haben und ich gebe erst am Schluss die Hoffnung auf. Da sind wir noch lange nicht soweit. Irgendwie schaffen Sie es vielleicht doch. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.

 


13.54.17

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere jene, die neu in ihre Funktionen bestellt wurden! Ich möchte mit einem Satz beginnen, der viel Hoffnung in sich birgt. Es ist nämlich in den ersten beiden Reden, sowohl des Bundeskanzlers als auch des Vizekanzlers, die ich als sehr gut bewerte, klar zum Ausdruck gekommen, dass das gemeinsame Wollen im Vordergrund steht, für die Menschen in diesem Lande zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das, denke ich, ist der wichtige Auftakt am heutigen Plenartag, dass das in den Vor­der­grund gestellt wird. Ich bin wirklich durchaus beeindruckt, dass Teile der Opposition mit dieser neuen Situation auch sehr konstruktiv umgehen, auch hier die Punkte in den Vordergrund stellen, wo man sagt: Ja, da können wir zusammenarbeiten.

Was aber Kollege Strache gemacht hat, ist, von vornherein zu sagen, wir wollen nicht und mit uns geht es sicher nicht. Das muss man auch einmal der Bevölkerung vermitteln, und das geht ja auch die ganze Zeit so dahin. Kollege Strache stellt sich hier her und kritisiert den Schuldenstand der Republik Österreich. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Soll er ihn loben?) Hat er vergessen, dass wir bereits über 5 Milliarden € für


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das Hypo-Desaster bezahlt haben, das die Freiheitlichen in Kärnten eigentlich verur­sacht haben? Hat er das vergessen? (Beifall bei ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Darmann.) – Herr Kollege Darmann, du musst ruhig sein, du bist überall gesessen, in Kärnten, da, beim BZÖ, bei der FPÖ, und jetzt gehst wieder nach Kärnten. Eher ruhig sein in diesem Zusammenhang, würde ich sagen. Eher ruhig sein! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen.)

Das Zweite: Es wird die Flüchtlingspolitik kritisiert. Meine Damen und Herren, das ist gerade so wichtig für die Bevölkerung, die diese Debatte auch mitverfolgt. Wir haben vor wenigen Wochen das strengste Asylgesetz, das es in Europa gibt, hier in diesem Hause beschlossen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Und jetzt ist alles gut?) Wir haben im Jänner ein Staatsschutzgesetz beschlossen, das eine lange Vorbereitungs­zeit hatte und für die Sicherheit und auch für den Schutz der Menschen in diesem Lande sehr wichtig ist. Und wir haben gestern die Entwicklungsbeihilfe um 150 Mil­lionen € aufgestockt, weil es ja heißt, es soll vor Ort geholfen werden. Wer hat nicht mitgestimmt, meine Damen und Herren? (Ruf bei der ÖVP: Die FPÖ!) – Die Freiheit­liche Partei hat nicht mitgestimmt; das muss man einmal sagen. Und dieses Verhalten werden wir Ihnen vorhalten, meine Damen und Herren von der FPÖ. Alles kritisieren, aber dann nicht dabei sein, wenn von dieser Regierung und auch hier im Parlament wichtige Beschlüsse für die Menschen und für dieses Land gefasst werden, diese Vorgangsweise weisen wir entschieden zurück. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Keine Frage, meine Damen und Herren, es gibt viele Herausforderungen, die wir in diesem Land zu bewältigen haben, das wissen wir, aber wir haben einen hohen Wohlstand in diesem Land und wir haben eines der besten Sozial- und Gesund­heits­systeme der Welt, die wir für die nächsten Generationen nachhaltig sichern müssen.

Es wurde in den letzten Jahren auch viel gemacht. Es ist einfach nicht richtig, dass nichts getan wurde. Wir sind ganz gut durch die Krise gekommen, wir haben im Arbeitsmarkt- und Standortbereich viele Dinge gemeinsam beschlossen, wir haben die größte Steuerentlastung beschlossen, meine Damen und Herren, und auch eine bessere Unterstützung für die Familien bei den Transferleistungen und auch was den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft, um nur einige Beispiele zu nennen.

Was aber nicht funktioniert hat – und, Herr Bundeskanzler, das ist etwas, von dem ich denke, dass die Regierungsspitze es ändern muss und sollte –, ist die Kommunikation nach außen, die Vermarktung dieser Errungenschaften, die wir gemeinsam zustande gebracht haben, dass man sich auch gemeinsam hinstellt und das der Bevölkerung auch im positiven Sinne erklärt. (Abg. Walter Rosenkranz: Wieder ein paar Inserate!) Das, denke ich, ist schon ein wichtiger Ansatz für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wo liegen die großen Herausforderungen? – Sie liegen in der Flüchtlingspolitik. Ich glaube, wir haben hier einen sehr guten Weg gemeinsam eingeschlagen. Sie liegen in der Zukunftsgestaltung der Standort-, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus?

Da würde ich Ihnen einen Rat mitgeben, Herr Bundeskanzler, wenn ich das darf: Wenn wir in der letzten Zeit etwas zustande gebracht haben, dann haben wir es zustande gebracht, wenn wir auch Parlamentarier in die Verhandlungen mit einbezogen haben. (Abg. Schwentner: Ja, genau!)

Das halte ich für einen ganz wesentlichen Ansatz in diesem Bereich. Und wir haben da auch einige gute Dinge zustande gebracht, die heute auch schon angesprochen wurden, und zwar in die Richtung, wie man den Standort verbessern und absichern kann.


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Es geht uns um die soziale Sicherheit und um die soziale Gerechtigkeit in diesem Land, meine Damen und Herren. Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie darum, dass Sie auch durchaus als Mittler zwischen Bund und Ländern fungieren, was die Thematik Mindestsicherung anbelangt. Wir haben einige Punkte, wo wir beisammen sind, und wir haben Punkte, die wir noch klären müssen, nämlich auch dahin gehend, dass wir sie der Bevölkerung erklären können müssen. Ja, wir bekennen uns zu einer sozialen Absicherung für die Menschen, die diese Unterstützung brauchen. Wir müssen es aber auch den Menschen erklären können, die jeden Tag in der Früh aufstehen und einer Arbeit nachgehen, dass das in einer Ausgewogenheit funktioniert, wie hoch wir diese Mindestsicherung letzten Endes gestalten. Herr Bundeskanzler, ich traue es Ihnen zu, dass Sie hier auch in Ihrer Fraktion und vor allem auch innerhalb der Bundesländer zu einer gemeinsamen guten Lösung für dieses Land und vor allem für die Menschen, die hier wohnen, leben und arbeiten, kommen.

In diesem Sinne: Gehen wir es an! Auf eine gute Zukunft unserer schönen Republik Österreich! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Alm zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.00.27

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Sehr geehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Ja, Kollege Wöginger, das war jetzt nicht unbedingt ein neuer Stil. Es ist schon okay, wenn man die FPÖ ein bisschen maßregelt, und die FPÖ hat keine Not, von mir verteidigt zu werden, aber dann haben Sie ausgeholt und das Ganze auf das alte Niveau gebracht, das wir gewohnt waren. Und um damit zu schließen, dass ohnehin alles in Ordnung ist: Sie haben nur ein Kommunikationsproblem. (Ruf bei der ÖVP – in Anspielung auf die rot-weiß gestreifte Krawatte des Redners –: Kohl-Wähler!) – Ich sage ja, eine Stimme für Khol am Sonntag ist eine vergebene Stimme.

Kultur ist ein weiter Begriff für mich. Ich gehöre nicht zu denen, deren Kulturbegriff beim Burgtheater beginnt und bei der künstlerischen Leitung, der Buchhaltungs­abteilung dieser Institution wieder endet. Um es so zu sagen: „It’s too late, the damage is done.“ Für mich zählen ja auch „Why SL Beezy“ und der Eurovision Song Contest zu unserer Kultur, fairerweise auch Schlager, Musicals, und sogar die Vereinigten Bühnen Wiens zählen dazu.

Mit Thomas Drozda wird in diesem Sinn ein erfahrener Manager im rötlichen Sub­ventionsdickicht Minister, und das ist natürlich gut für die Freunde des Dickichts. Lassen Sie sich bitte nicht in eine Petition „hineintheatern“!

Über Geschmack soll man ja nicht streiten, aber im Bereich von Kunst und Kultur muss man über Geschmack streiten. Kulturpolitik muss Schwerpunkte setzen, denn so weiterzumachen wie immer mit immer weniger Mitteln ist natürlich keine gute Strategie. Uns fehlen seit Jahren genau diese Mittel. Bei der Kulturpolitik stellt sich im Grunde seit Jahren die Frage, ob man bei den großen Institutionen, den kleinen Institutionen, der Kunstförderung, der Laienkultur oder der Kunstvermittlung kürzt und den Sparstift ansetzt. Mit den wenigen restlichen Mitteln, die ohnehin schon nicht vorhanden sind, muss man die Buchführung im Burgtheater ausgleichen, muss man Signature Awards von Ministern neu einführen und muss man ein Haus der Geschichte finanzieren.

Die Frage ist: Wo sät man, um später dieses Dickicht zu sehen? – NEOS mag ja bekanntlich Bäume, mit dem Unterholz haben wir aber trotzdem unsere Probleme. Sie sehen schon: Als Vorsitzender des Kulturausschusses beschäftige ich mich ein bisschen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 102

mit und bringe Verständnis auf für die vital auflebende NLP-Kultur, aber nur in einer sehr laienhaften Art und Weise.

Daneben gibt es natürlich auch Kulturfelder, die überhaupt keiner Förderung bedürfen. Das ist für viele im Raum wahrscheinlich überhaupt etwas von großem Neuigkeitswert. Nicht alles braucht öffentliches Geld, um überhaupt zu funktionieren. Der progressive Bereich beziehungsweise der disruptive Bereich funktioniert, ohne dass über Jahrzehnte hinweg stabil staatlich ausfinanzierte Institutionen etwas hervorbringen müssten. Alternativkultur, Klubkultur beziehungsweise Kunst generell lebt ja auch von den Freiräumen. Daneben gibt es so etwas wie Volkskunst, Unterhaltung, die ganz ohne die öffentliche Hand und ganz ohne diese Freiräume auskommt, die eingeräumt werden müssten.

Otto Pendl würde an dieser Stelle wahrscheinlich den Künstlerinnen und Künstlern danken. Ich finde das vermessen. Ich finde, dass hier kein Dank an die Politik notwendig ist, und wir sollten uns vielleicht auch davon verabschieden, so zu tun, als wäre das der Fall.

Herr Minister, wir vertrauen darauf, dass Sie in Zukunft die richtigen Schwerpunkte setzen. Dafür müssten Sie sich vielleicht 90 Karat oder 180 Grad gegenüber Ihrer bisherigen Karrierepolitik wenden. Ohne das wird es nicht gehen.

Sie sind aber nicht nur Kulturminister, Sie sind ja auch Medienminister. Daher habe ich die Hoffnung, dass Sie Medienpolitik auch stärker als Kulturpolitik und nicht als Machtpolitik begreifen. Dazu müssen Sie auch tradierte Praktiken überwinden und eine weitere 180-Grad-Wende ausführen. Das Problem ist nur, wenn man sich zweimal um 180 Grad dreht, schaut man vielleicht wieder in die gleiche Richtung, und das wäre die Richtung der Wiener SPÖ. Ich würde Sie bitten, diese zu überwinden.

Mein Tipp, frei nach Thom Yorke: „Avoid all eye contact, do not react, shoot the messengers.

Medienpolitik bedeutet nicht Steuermittel für die Boulevard-Berichterstattung, Medien­politik bedeutet auch nicht, ein öffentlich rechtliches Medienhaus als vermeintlichen Machthebel über Pflichtgebühren zu finanzieren. Medienpolitik ist in Österreich ökono­misch und politisch verzerrt. Das wissen Sie. Ihre Aufgabe ist es, einen Systemwechsel herbeizuführen oder zumindest einzuleiten.

Das beinhaltet unter anderem, aber nicht nur, eine gremiale Neuordnung und Ent­politisierung des ORF, einen Umbau des ORF zu einem Public-Value-Medienhaus, das sich nicht über Pflichtgebühren finanziert, eine zeitgemäße Eigentümerstruktur der Wiener Zeitung, eine Reduktion des Inseratenvolumens der öffentlichen Hand um, sagen wir einmal, mindestens 95 Prozent und schlussendlich eine Medienförderung neu, die über den Weg einer Public-Value-Inhalteförderung funktioniert.

Wie das alles im Detail funktioniert, habe ich Ihnen auf knapp 20 Seiten zusam­mengetippt. Das gebe ich Ihnen gleich. In diesem Sinne: „Burn the witch, we know where you live.“ Viel Erfolg, Herr Minister!

Auch Ihnen, Herr Nationalratspräsident Hofer, viel Erfolg! Ich wünsche, dass Sie sich am Sonntag ein bisschen verbessern, vom dritten Platz auf den zweiten Platz, aber dabei lassen wir es dann auch gut sein. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Alm überreicht Bundesminister Drozda ein Schrift­stück.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 



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14.06.10

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehgeräten! Der Herr Bun­deskanzler ist momentan nicht im Saal, ich möchte ihm aber für die Zukunft alles Gute wünschen.

Er hat in seiner Rede gesagt, er will gemeinsam das Land führen, und das war eigent­lich wohltuend, wenn man weiß, wie bisher mit Ideen und Vorschlägen der Opposition umgegangen wurde. Der Herr Bundeskanzler möchte (Zwischenruf des Abg. Rädler) – Herr Kollege Rädler, wir sind schon bei einem neuen Punkt der Tagesordnung, du bist noch bei gestern – mit Mut, Zuversicht und mit Erfolg in der Zukunft punkten. Ich glaube, das wünschen wir ihm persönlich und der gesamten Mannschaft.

Als Oberösterreicher darf ich anmerken, was mich besonders freut: Man kann natürlich nicht genug Oberösterreicher in einer Regierungsmannschaft haben. (Abg. Hagen: Vorarlberger wäre auch nicht schlecht!) Das ist ein gutes Omen. Ich darf aber hier an dieser Stelle auch dem scheidenden Kanzler gratulieren. Was ich besonders geschätzt habe, war, dass er sich in dieser schwierigen Frage Asyl und Flüchtlingspolitik zwar etwas spät, aber doch getraut hat, den Kurs um 180 Grad zu ändern – was notwendig war –, und ich glaube, man sollte auch über die Erfolge sprechen, und ich wünsche ihm weiterhin alles Gute.

Ich wünsche dieser neuen Mannschaft diesen langen Atem, den der neue Kanzler Kern angesprochen hat. Die Bevölkerung hat nämlich Sehnsucht. Die Bevölkerung hat Sehnsucht nach Berechenbarkeit, die Bevölkerung hat Sehnsucht nach Sicherheit, nach Stabilität. Ich glaube, wenn es gelingt, dass wir das mit diesem neuen Schwung, mit dieser neuen Lokomotive vermitteln können, dann sehe ich durchaus Chancen für sehr gute – wie angesprochen wurde – kommende zwei Jahre.

Ich darf vielleicht auch ein positives Beispiel nennen. Verteidigungsminister Doskozil hat in seiner kurzen Ministerzeit bewiesen, dass, wenn man mit Herz und Handschlag­qualität Politik macht, etwas zu ändern ist. Ich habe dir damals in der Säulenhalle gesagt, du wirst bei vielen Blasmusikkonzerten auf die Bühne geholt und für deine schnelle Entscheidung sehr geschätzt werden, die du im Sinne dieses Landes getroffen hast. Das betrifft nicht nur die Sicherung der Kasernenstandorte, was in Richtung Sicherheit geht, sondern du hast verstanden, welcher wertvolle Dienst und welche wertvolle Leistung bei der Militärmusik erbracht werden, was dort für die vielen Blaskapellen landauf, landab erreicht wurde, dass die Musikerinnen und Musiker – neben den Landesmusikschulen – dort die Möglichkeit haben, ihr Können zu verfei­nern. Ich glaube, das ist das wesentliche Beispiel, dass, wenn man will, etwas möglich ist. Ich gratuliere dir. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Peter Wurm: Da hat sie einmal etwas geschafft, die Regierung!)

Wir dürfen natürlich nicht vergessen, lieber Peter Wurm, dass in diesem Lande – und es ist schon interessant, wenn Kollegen, die zum Teil 30 Jahre hier im Haus sind, hinausgehen und Zustände bejammern, dass jetzt endlich etwas getan werden muss, das ist ja wirklich erwähnenswert – die Aufbaugeneration, die sich Sachen wirklich vom Mund abgespart und mit viel Handarbeit dieses Österreich so toll aufgebaut hat, bei den Pensionen ganz schlecht dasteht. Wir haben nicht nur über 900 000 Pensionisten, die sich mit weniger als 1 000 € Pension keinen Wohlstand leisten können, sondern dieses Geld fehlt auch der regionalen Wirtschaft. Dieses Geld wird  regional investiert, genauso wie jenes Geld, das wir den Familien nicht geben.

Frau Bildungsminister, ich wünsche Ihnen angesichts Ihres Elans und Ihres Wunsches für die Zukunft alles Gute, aber es gibt Handlungsbedarf. Sie haben richtigerweise


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gesagt, es ist kein Rohstoff, Sie haben aber das Wichtigste vergessen: die Familien und die Kinder, die wichtigste Zelle, die kleinste Zelle im Staat. In der Bildung haben wir folgende Situation, wir haben es gehört: Bei 70 Mathematikarbeiten sind 40 durch­gefallen. Man muss den Unterrichtsstoff überdenken, ihn praktisch anpassen. Es hat keinen Sinn, dass wir den Schülern Formeln beibringen, dass wir sie mit Formeln quälen – ich sehe das bei meinen älteren Enkerln –, die sie nie im Leben brauchen, wenn sie nicht Mathematikprofessoren werden. Es wäre gut, wenn sie zumindest wieder einmal kopfrechnen könnten, das große Einmaleins, damit sie nicht bei jeder Rechnung das Handy herausnehmen müssen und sagen: Das habe ich gleich – 8 mal 8 ist 64.

Das wollte ich bewusst so herunterbrechen, denn ich denke, Bildung beginnt bei der Geburt. Es ist die beste Grundlage für die Bildung, gut ausgebildete, gut erzogene Kinder zu haben, die in einer warmen, guten familiären Stube aufwachsen und dann für das Leben vorbereitet diesen Bildungsweg beschreiten. Ich denke, das ist ganz wesentlich.

Ich wollte dem Herrn Kanzler noch etwas sagen, ich werde es ihm dann auch noch persönlich sagen; natürlich hat er den ländlichen Raum in der Fülle der Themen heute nicht so erwähnt. Kollege Auer hat es versucht, hat auch die Probleme, die durch die Agrarpolitik entstanden sind, dargestellt. Dort besteht großer Handlungsbedarf. Der ländliche Raum mit seinen Gemeinden, der ländliche Raum mit seiner Bevölkerung ist eine gewaltige Investitionskraft. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) – Na, Herr Kollege Krainer, komm halt einmal mit nach Oberösterreich! Ich zeige dir diese 400 Gemein­den, was da draußen läuft, welche wertvollen Klein- und Mittelbetriebe es da gibt, und, was das Wichtigste ist, diese Ernährungssouveränität, damit wir unsere Bevölkerung weiterhin mit regionaler, guter Nahrung versorgen können. Das ist gut für die Gesund­heit, das ist gut für unser Klima, das ist gut für unsere Zukunft – das Wesentlichste überhaupt – und für die Arbeitsplätze. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nur noch eines sagen: Wenn es ge­lingt – und die McKinsey-Studie besagt es, wir haben ein Potenzial von 35 Milliar­den € –, dieses wirklich zukunftsvolle Land auf die richtige Schiene zu bringen – das darf ich bei einem ehemaligen ÖBB-Chef sagen –, dann bin ich davon überzeugt, dass es gelingen könnte, dass wir dieses Österreich als Musterland in ganz Europa, vielleicht als Musterland und als Vorbild für die ganze Welt positionieren können, in dieser, sage ich einmal, entwurzelten Zeit, in dieser Zeit der Suche der Bevölkerung nach Planbarkeit und nach Verlässlichkeit.

Ich denke, diese Chancen sind da. Wir werden das, wo es geht, wirklich unterstützen. Ich wünsche für die Zukunft alles, alles Gute. (Beifall beim Team Stronach.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


14.13.10

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Abgeordnete! Auch für mich ist es ein Debüt, und ich freue mich sehr, hier heute vor Ihnen sprechen zu dürfen, und danke Ihnen schon jetzt im Voraus für den Vertrauensvorschuss.

Bundeskanzler Christian Kern hat mich vor wenigen Tagen gefragt, ob ich für das Amt der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt zur Verfügung stehe, und ich habe mit Ja geantwortet. Ich habe Ja gesagt, weil ich mich in seinem Team des Aufbruchs einbrin-


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gen möchte, mit Engagement und Herz und vor allem auch mit großem Respekt vor den bevorstehenden Aufgaben.

Wie Sie sich vorstellen können, habe ich in den letzten Tagen sehr viele Glückwünsche erhalten. Am meisten hat es mich gefreut, dass mir meine Volksschullehrerin und meine AHS-Lehrerin gratuliert haben, denn es ist der Unterstützung meiner tollen österreichischen Lehrerinnen zu verdanken, dass ich als Migrantenkind in meiner Schule so erfolgreich sein konnte. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Ich muss Ihnen sagen, dass ich eigentlich durch die mediale Berichterstattung der letzten Tage daran erinnert wurde, dass ich einen Migrationshintergrund habe. Ich muss, ehrlich gesagt, gestehen, dass ich mich gar nicht mehr so wahrgenommen habe, denn ich empfinde mich als Wienerin, als Österreicherin, als Europäerin und Weltbürgerin. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Ich nehme mich so wahr, ohne aber jemals auch auf meine palästinensisch-arabischen Wurzeln zu vergessen. Ich nehme aber auch immer wieder wahr – vor allem in letzter Zeit –, dass im Zusammenhang mit Migration eine stark negative Stimmung in unse­rem Land herrscht. Das stimmt mich oftmals nachdenklich und ist auch bedrückend für mich. Diese negativen Gefühle und Haltungen werden befeuert durch politische Kräfte, die das Trennende vor das Gemeinsame stellen.

Lassen Sie mich eines klarstellen: Ich verstehe sehr gut, warum viele Angst haben, zornig sind und manchmal auch Gefühle der Resignation empfinden. Ich kann es nachvollziehen, aber ich will hier ganz klar sagen: Ich will gegen die Angst arbeiten, und ich stehe für eine Politik, die Angst nimmt und Angst nicht nährt, für eine Politik, die etwas will, etwas macht und etwas tut. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Ich bin im Bundeskanzleramt mit einer Reihe von Aufgaben betraut: öffentlichem Dienst, Verwaltung, Digitalisierung, Diversität, Miteinander der Volksgruppen und Reli­gionen. Das sind große Aufgaben, auf die ich mich sehr freue und auf die ich mich be­reits intensiv vorbereite. Ich werde auch dafür zuständig sein, Bundeskanzler Christian Kern zu unterstützen und zu vertreten, und ich werde auch eigene Akzente setzen, Akzente, die integrativ wirken, die Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Alters, Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung und Identität unterstützen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich werde Akzente setzen, die Hoffnung machen und die für Aufbruch stehen. Dafür hat mich der Herr Bundeskanzler geholt, und das erwartet man sich zu Recht von uns Politikerinnen und Politikern. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich klare Meinungen und Positionen vertrete, und ich habe meine Grundsätze. Ich weiß von der demo­kratischen Verantwortung, Mehrheiten zu finden, zu erstreiten und gemeinsam zu vertreten. Ich freue mich daher auf einen regen Austausch mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, und ich danke Ihnen auch für Ihren Vertrauensvorschuss. – Ich danke Ihnen vielmals. (Lang anhaltender Beifall bei SPÖ und Grünen sowie Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


14.18.47

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich möchte Sie


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ganz besonders ansprechen, weil ich Ihre Worte sehr berührend gefunden habe, und ich wünsche Ihnen alles Gute und Erfolg in der Bundesregierung. Ich bin mir sicher, unabhängig von Religion und Herkunft werden Sie eine Bereicherung für diese Bundesregierung sein. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Team Stronach.)

Herr Bundeskanzler, wenn jemand neu kommt, dann ist für die Opposition immer die Frage, wie wir diesem neuen Bundeskanzler, diesem neuen Minister begegnen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Die Ankündigung eines Neustarts hätte mir nicht genügt, den Neustart hatten wir schon mehrmals. Wir brauchen einen radikalen Bruch im Handeln und in der Politik, und Ihre ersten Worte lassen zumindest hoffen, dass Sie diesen Bruch mit dem Bisherigen herbeiführen wollen.

Sie haben zwei Dinge angesprochen, die wir richtig finden. Sie haben zum einen formuliert, dass die Gerechtigkeitsfrage für Sie zentral sein wird. Genau das ist der entscheidende Punkt. Wir haben in Österreich eine Situation, in der wir das siebente Jahr einer Wirtschaftskrise erleben. Wir erleben Menschen, die verunsichert sind. Wir erleben Menschen, die das Gefühl haben, dass sich ihre Lebensumstände zum Negativen verändern. Wir erleben erstmals eine Generation, die das Gefühl hat, dass es ihnen schlechter gehen könnte als ihren Eltern.

Arbeitsdruck, drohende Arbeitslosigkeit, die Frage: Verdiene ich genug?, Kinderbetreu­ung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie – all das sind große Fragen, die sich viele stellen. Daher ist es richtig, dass Sie Arbeitsplätze und Arbeitswelt in den Mittelpunkt stellen, denn diese Fragen müssen beantwortet werden. Wenn wir sie nicht beantwor­ten und keine Antworten bieten, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es in Österreich, in unserer Gesellschaft, eine explosive Stimmung gibt, die Frust auslöst und die natürlich auch dazu führt, dass wenig Solidarität in dieser Gesellschaft vorhan­den ist.

Der zweite Punkt, der mir sehr gut gefallen hat, ist, dass Sie die Zukunft in den Mittel­punkt stellen und gesagt haben, Sie wollen nicht nur in kurzen wahltaktischen Perio­den, sondern zumindest bis ins Jahr 2025 denken. Das finde ich richtig, denn wahltak­tische Überlegungen spielen zwar immer eine Rolle, aber lösen keine Probleme. Die großen Fragen brauchen längere Zeiträume und größere Zusammenhänge.

Wenn Sie an 2025 denken, dann denken Sie auch an 2050, denn bis dahin müssen wir die Klimaziele erreichen! Das ist die größte Zukunftsfrage oder zumindest eine der größten Zukunftsfragen, die sich stellen. Gerade weil Sie aus dem Infrastrukturbereich kommen, setzen wir natürlich große Hoffnung in Sie, denn Sie wissen, dass Sie in Fragen der Infrastruktur mittelfristig die richtigen Entscheidungen treffen müssen, damit Sie längerfristig erfolgreich sind. Genau das wird die entscheidende Frage bei der Erreichung der Klimaziele sein. Treffen wir in den nächsten fünf Jahren die richtigen Entscheidungen, damit wir dann die Klimaziele erreichen und erfolgreich sind! (Beifall bei den Grünen.)

Dritter Punkt: Sie haben einen neuen Stil angekündigt. Das finde ich auch ganz zentral, denn als Opposition kann man sich natürlich zurücklehnen, wenn die Regierung schwächelt, und sich freuen, dass man mehr oder weniger ohne viel Aufwand den einen oder anderen Wahlerfolg einfahren kann. Was man aber bemerkt hat, ist, dass der Verlust des Vertrauens in die Regierung mit dem Verlust des Vertrauens in die Demokratie einhergeht. Das ist etwas, was uns alle nachdenklich machen muss, denn Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Daher ist es zentral, dass das Vertrauen in die Politik und in die handelnden Akteure wieder steigt.

Natürlich hat dieser Vertrauensverlust gegenüber der Politik auch sehr stark mit dem Stil zu tun. Ich bin froh, dass Kollege Lopatka, der ja gleich ein bisschen in Ihre Rich-


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tung gestichelt und geätzt hat, heute gesagt hat, das sei Vergangenheit und er gehe jetzt in Richtung Zukunft. Das ist ein Signal, das, glaube ich, zeigt, dass diese Old-School-Politik, in der man sich gegenseitig medial heruntermacht, ausgedient hat. Ich kann Kollegen Lopatka beruhigen, wenn er sich als Oppositionspolitiker verabschiedet: Die Grünen werden die Oppositionsarbeit weiterführen, und wenn er große Sehnsucht nach Opposition hat, gibt es ja nach den Wahlen die Möglichkeit, die Rollen zu tauschen. (Beifall bei den Grünen.)

Der letzte Punkt betrifft Kanzleramtsminister Drozda, der leider schon weg ist. Er ist nicht nur Kulturminister, er ist auch für Verfassung zuständig, und da möchte ich zwei Sätze zu seinem Vorgänger sagen. Ich habe Bundesminister Ostermayer immer ge­schätzt, weil er ein starker Verhandlungspartner war und mit ihm Verhandlungen professionell möglich waren. Ich hoffe, dass das auch mit dem neuen Minister möglich ist. Es ist ja nicht alles, was Minister Ostermayer begonnen hat, beendet. Ein ganz großer Brocken, der uns ein Anliegen und noch zu verhandeln ist – und auch im Parlament verhandelt werden wird –, ist die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, damit wir in eine moderne Verwaltung einsteigen und Österreich ein Stückchen weiter­entwickeln. Ich hoffe, dass die mit Minister Ostermayer begonnenen Gespräche mit Herrn Minister Drozda weitergeführt werden können.

Da heute der Tag ist, an dem man sagt: Es ist mit den öden Politikritualen vorbei, wollen auch wir heute ein ödes Politikritual nicht an den Tag legen, nämlich den permanenten Ruf nach Neuwahlen. Aus diesem Grund, Herr Bundeskanzler, wollen wir Ihnen die 100 Tage geben, damit Sie zeigen können, dass Sie das, was Sie angekündigt haben, auch ernst meinen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Katzian zu Wort. – Bitte.

 


14.24.40

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Christian Kern, du hast in deiner neuen Funktion einen tollen Einstieg hinter dir. Du hast sehr viel Hoffnung vermittelt, eine Aufbruchsstimmung ist allenthalben spürbar, und die Erwartungen, die du geweckt hast, sind sehr groß. Darauf hast du heute auch Bezug genommen.

Du hast ein Bild von einer Gesellschaft gezeichnet, bei dem ich mir beim Zuhören gedacht habe: Das ist die Gesellschaft, in der ich gerne leben möchte – eine Gesell­schaft, in der zum Beispiel alte Menschen keine Angst haben müssen, nicht mehr medizinisch versorgt zu werden. Mein Vater hat gestern eine ziemlich heftige Opera­tion gehabt und gut überstanden – toi, toi, toi! –: Er hat im Alter von 81 Jahren eine neue Vene bekommen. Meine Mutter bekommt in einigen Wochen ein neues Knie – mit 79 Jahren. Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der das für alle möglich ist und nicht von der Geldbörse oder der Herkunft abhängt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der Menschen, die erfolgreich sind, auch gut verdienen, und Unternehmen, die innovativ sind, gute Gewinne machen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der aber gleichzeitig jene, die besonders viel und immer mehr haben, einen Beitrag zur Finanzierung der Gesellschaft und dieser gesellschaftlichen Aufgaben leisten. Und ich wünsche mir eine Gesellschaft, die auch


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die Armen und diejenigen, die es nicht geschafft haben, so auffängt, dass sie nicht ins Nichts abgedrängt werden – sei es durch die Mindestsicherung oder wichtige andere Maßnahmen, die wir politisch setzen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin auch in einem Arbeiterhaushalt aufgewachsen, in dem es ein zentrales Ziel war, dass es den Kindern besser gehen soll, und ich wünsche mir das auch für meine Kinder. Die Gesellschaft, die du skizziert hast, ist eine, die, glaube ich, auch für meine Kinder gut passt, und wenn ich einmal Enkel haben werde, auch für diese.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin als Gewerkschafter vor allem angetreten, um die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vertreten. Deren Erwartungshaltung ist ganz klar: Es gilt, alle Schritte zu setzen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, alle Schritte zu setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, von denen man leben kann, von denen man gut leben kann.

Das heißt, wir müssen auch über das Prekariat und darüber diskutieren, dass wir an vorletzter Stelle in Europa sind, was Teilzeit betrifft. 28 Prozent der Jobs sind Teil­zeitjobs. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir Arbeit anders und neu verteilen. Es kann nicht sein, dass einige in unserer Arbeitswelt so viel arbeiten, dass sie immer kränker werden, ungesund leben und auf lange Sicht auf der Strecke bleiben, während andere – und das sind hauptsächlich Frauen – kurze Arbeitszeiten haben und viel arbeiten, in Tätigkeiten, für die sie nichts bezahlt bekommen.

Diese ungleiche Arbeits- und Einkommensverteilung in der Gesellschaft müssen wir aufbrechen. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn man das möchte, wenn man das wirklich will, ist auch ein fairer Deal möglich, um das zustande zu bringen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Gestatten Sie mir einen Satz zur Flexibilisierung, denn da gibt es verschiedene Zugän­ge. Da gibt es die einen, die mantraartig verbreiten: Diese zehn Stunden! Das ist alles eine Katastrophe! Da muss man etwas tun! – Dann gibt es die anderen in der Wirt­schaft und bei den Arbeitnehmern, die sich hinsetzen, analysieren und verhandeln. Ich bin sehr dafür, dass wir all diese Themen faktenbasiert diskutieren.

In wenigen Wochen werden wir im Bereich des Handels – nach zweijähriger intensiver Tätigkeit – einen völlig neuen Kollektivvertrag haben, mit großen Veränderungen auch betreffend die Arbeitszeitgestaltung. Wir werden im Bereich der Metallindustrie – da sind wir ganz weit, Rainer Wimmer könnte da viele Details erzählen – zu einem großen Durchbruch hinsichtlich der Flexibilisierung kommen. Also wer behauptet, das gäbe es nicht, der lebt auf dem Mond oder will die Fakten nicht sehen.

Ich wünsche dir, ich wünsche dem Team alles erdenklich Gute. Ich freue mich, dass ich an dieser Gesellschaft, die du gezeichnet hast, mitarbeiten darf. Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


14.29.53

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Nach der Rede des Kollegen Katzian könnte die Euphorie angesichts der beeindruckenden Worte der Regierungsspitze schnell wieder verfliegen, wenn da der Beton angemischt wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber gut, ich möchte mich nun auf die Frau Staats­sekretärin beziehen, deren Begrüßungsworte mich sehr beeindruckt haben.


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Ich möchte darauf zurückkommen, was Sie gesagt haben, nämlich dass Sie sich nicht als Migrantin verstehen, sondern erst durch diesen Prozess daran erinnert worden sind. Umso mehr bedaure ich es, wie klischeehaft Sie mit dem Label der Diversität in Ihr Staatssekretariat gesetzt worden sind. Ich finde es auch bedauerlich, wenn gut erzogene Leute, die hier im Hause sind, nicht einmal einen Anstandsapplaus zustande bringen, wenn sich eine neue Staatssekretärin vorstellt. Das hätte ich mir von Ihnen erwartet, denn wenn die Staatssekretärin sagt, sie verstehe sich als Österreicherin und vergesse dabei nicht ihre palästinensischen Wurzeln, dann weiß ich, dass in diesen Reihen auch Österreicherinnen und Österreicher sitzen, die sudetendeutsche, Gottscheer und Südtiroler Wurzeln haben, die sie auch nicht vergessen. Das gleiche Recht steht anderen auch zu. (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Zu Ihrer Funktion als Beamtenstaatssekretärin: Sie kommen aus Wien und kennen sich daher mit Beamtenprivilegien gut aus. Ich glaube, da gibt es Einiges, was es aufzuräumen gilt: bezahlte Mittagspausen, wenn der Feiertag auf einen Samstag fällt, kann man dafür einen Tag unter der Woche freinehmen. Es gibt ein Pensionsrecht, das ungerecht ist: Das Pensionskonto gilt im ASVG ab 1955 und für die Beamten erst ab 1976. Und wir haben ein Berufsunfähigkeitsrecht im Angestelltenbereich, das mit den Dienstunfähigkeitsregelungen im Beamtenbereich nicht vergleichbar ist. Das gehört angeglichen; solche althergebrachten Privilegien versteht die Bevölkerung nicht.

Da sehe ich ein großes Handlungsfeld für Sie, Frau Staatssekretärin, und bringe im Hinblick darauf folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reha­bilitation vor Pension für Beamtinnen und Beamte

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regie­rungs­vorlage zuzuleiten, die eine umfangreiche Reform der Ruhestandsversetzungen aufgrund Dienstunfähigkeit vorsieht, wobei insbesondere eine Angleichung an die Regelungen zur Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension im Allgemeinen Sozialver­siche­rungsgesetz angestrebt werden soll, um auch im Beamtendienstrecht den Grund­satz ,Rehabilitation vor Pension‘ umzusetzen. Ziel soll dabei auch eine schnel­lere Harmonisierung der Beamtenpensionssysteme mit der gesetzlichen Pensionsver­sicherung herbeizuführen.“

*****

Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg. (Beifall bei den NEOS.)

14.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen betreffend Rehabilitation vor Pension für Beamtinnen und Beamte


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eingebracht im Zuge der Debatte über die Erklärungen des Bundeskanzlers und Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantritts des Herrn Bundeskanzlers und der neuen Mitglieder der Bundes­regierung - TOP 1

Der Pensionsgipfel der Bundesregierung am 29. Februar 2016 konnte keinen Beitrag dazu leisten, die finanzielle Stabilität des gesetzlichen Pensionssystems zu sichern oder dem Phänomen der ausufernden dienstunfähigkeitsbedingten Ruhestands­verset­zungen wesentlich entgegenzuwirken. Zwar wurde ein Bekenntnis zum Grundatz „Reha­bilitation vor Pension“ festgeschrieben, jedoch fehlen wirkungsvolle Maßnahmen um diesem Bekenntnis Rechnung zu tragen, obwohl wörtlich ein „erheblicher Hand­lungs­bedarf“ festgestellt wird.

Laut Beamtenpensionsmonitoring waren 23,6% aller Pensionierungen im öffentlichen Dienst aufgrund von Dienstunfähigkeit notwendig. Dieser Wert weist entweder auf gesundheitlich unzumutbare Arbeitsbedingungen in den betroffenen Bereichen in Österreich hin, oder zeugt schlicht von der eklatanten Ungleichbehandlung von Beam­ten im Vergleich zu ASVG-Versicherten, wenn es um die Feststellung einer Dienst­unfähigkeit bzw. Invalidität und um die weiteren rechtlichen Möglichkeiten geht.

Beamte gelten als dienstunfähig, wenn

sie ihre dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen können

und im Wirkungsbereich der jeweiligen Dienstbehörde

kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann.

Falls ein Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, darf dieser gem. § 14 Abs. 5 nur mit der Zustimmung des Beamten angenommen werden und bei Zustimmung auch nur für längstens zwölf Monate. Dies stellt eine ungerechtfertigte Besserstellung im Vergleich zu ASVG-Versicherten dar, für die die Bestimmungen zur Invaliditäts- oder Berufs­unfähigkeitspension gem. § 254 ff. ASVG gelten. Dort gilt ein_e Arbeitnehmer_in als invalide, „wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustan­des auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähig­keiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist.“

Außerdem ist seit 1.1.2014 eine Novelle des ASVG in Kraft, die vorsieht, dass für unter 50-Jährige keine unbefristete Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen mehr ge­währt werden sollen. Stattdessen werden Maßnahmen zur beruflichen und medizini­schen Rehabilitation gesetzt. Solche Bestimmungen fehlen im Beamtendienstrecht gänzlich. Auch hier stellt sich die Frage, worin die Ungleichbehandlung von Beamten im Vergleich zu ASVG-Versicherten gegründet ist. Denn der Grundgedanke der Refor­men der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension liegt darin, Menschen länger im Erwerbsprozess zu halten, um auch das Pensionsantrittsalter zu erhöhen und Arbeit­nehmer_innen die Möglichkeit zur Selbsterhaltungsfähigkeit zu geben bzw. zu lassen. Auch die langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems ist ins Kalkül zu ziehen. Gerade der Beamtenpensionsbereich reißt trotz sinkender Beamtenzahlen ein großes Loch in das Bundesbudget - auch deswegen, weil großzügige Ruhestandsregelungen Anreize für ein früheres Aufgeben der Erwerbstätigkeit setzen.

Gerade die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Ruhestandsversetzungen aufgrund von Dienstunfähigkeit entziehen jegliche Verantwortung den einzelnen Dienststellen. Gleichzeitig verfügt das Bundeskanzleramt - wie alle Ministerien - gegenwärtig über keinerlei Steuerung, aber auch Verbesserung der Situation. Vor allem wenn es darum geht, von Dienstunfähigkeit bedrohten Beamten Alternativarbeitsplätze zu vermitteln zeigt sich eine unbrauchbare Starrheit. Das Denken in Dienststellen ist im Sinne einer


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Angleichung an die Regelungen der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension nicht brauchbar und eine Vermittlung von Alternativarbeitsplätzen muss deshalb auf einer übergeordneten Ebene - auch über Ministeriumsgrenzen hinweg - funktionieren.

Eine weitere Regelung, deren Handhabung und Auslegung aufgrund mehrerer VwGH-Urteile in Frage gestellt ist, ist die Notwendigkeit von ärztlichen und berufskundlichen Gutachten gem. § 14 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz. Hier wird den Dienst­behörden teilweise Spielraum gegeben, ob solche Gutachten überhaupt notwendig sind. Es bedarf deshalb einer rechtlichen Klarstellung, insbesondere auch im Hinblick auf eine Angleichung an Regelungen des ASVG. Denn nur durch entsprechende fachärztliche und berufskundliche Gutachten kann auch festgestellt werden, welche Tätigkeiten für von Dienstunfähigkeit bedrohte Beamte noch auszuüben sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, die eine umfangreiche Reform der Ruhestandsversetzungen aufgrund Dienstunfähigkeit vorsieht, wobei insbesondere eine Angleichung an die Regelungen zur Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension im Allgemeinen Sozialver­sicherungsgesetz angestrebt werden soll, um auch im Beamtendienstrecht den Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ umzusetzen. Ziel soll dabei auch eine schnel­lere Harmonisierung der Beamtenpensionssysteme mit der gesetzlichen Pensionsver­sicherung herbeizuführen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Schittenhelm ist nächste Rednerin. – Bitte.

 


14.32.41

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung, Bundes­ministerin, Bundesminister! Ich kann mich heute nur den guten Wünschen meiner Vorrednerinnen und Vorredner anschließen und hoffe sehr, dass die Skeptikerinnen und Skeptiker, die Zweifler, die wir schon gehört haben, unrecht behalten und tat­sächlich heute ein Turbo für die Republik im Sinne der Bevölkerung aus diesem Haus hinausgeht.

Wir wissen natürlich alle, dass es mit dem Austausch von Personen in diesen Spitzen­positionen der Republik allein nicht getan ist. Es geht vielmehr um eine raschere und effizientere Problemlösungskapazität. Die Bürgerinnen und Bürger erwar­ten sich auch bei unterschiedlichen Positionen ein starkes Miteinander der Regierung, um eine entsprechende positive Entwicklung rasch vorantreiben zu können – aber das hat ja der neue Bundeskanzler Kern heute schon als ein Hauptanliegen artikuliert.

Unser Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner hat es auf den Punkt gebracht, er hat gesagt: Es gibt keine ÖVP-Bundesregierung, es gibt keine SPÖ-Bundesregierung, es gibt eine Bundesregierung. Genau das ist es, was die Bevölkerung auch will, und ich gehe davon aus, dass wir das in den nächsten Monaten auch zustande bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Persönlich möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich auch ganz herzlich bei der ausgeschiedenen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek – sie ist jetzt leider nicht da – für die wirklich sehr, sehr gute Zusammenarbeit zu bedanken. Auch wenn wir verschiedene Zugänge zu den verschiedensten Themenbereichen hatten, wir hatten eine gemeinsame Zielsetzung: Verbesserungen für die Lebens- und Arbeitswelten der Frauen vor allem im Gleichbehandlungs- und Gleichberechtigungsbereich. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei ihr bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Tamandl.)

Viele haben jetzt gesagt: Mein Gott, wir Frauen sind jetzt bei der Gesundheit! Ich kann diese Konstellation nur begrüßen und sehe auch einen unmittelbaren Zusammenhang wie zuvor bei Bildung und Frauen: das Frauenrecht auf Gesundheit, vor allem in der Problemlösung der Vorsorge für Frauen, in der Gendermedizin. Ich finde, dass das sehr, sehr gut zusammenpasst.

Vor allem im Bereich der Gendermedizin – schade, dass die Frau Gesundheits­minis­terin nicht mehr da ist, die Frauenministerin – kommt es ja immer wieder vor – und ich hatte das erst vorige Woche im Bekanntenkreis –, dass Frauen an Herzinfarkt sterben, weil er nicht erkannt wird. Die Symptome werden nicht erkannt. Frauen haben andere Symptome als Männer. Hier fehlt es ganz einfach an der gendermäßigen Aufklärung und Schulung et cetera. Es braucht in der Gendermedizin ganz einfach verstärkte Forschung und Ausbildung, um rechtzeitig entsprechende Maßnahmen setzen zu kön­nen.

Ein weiterer Punkt, der in der Vergangenheit leider nicht zu einer Lösung geführt werden konnte, ist die von uns geforderte anonymisierte Abtreibungsstatistik, die ich nach wie vor einfordere, nicht um hier anzuprangern oder zu kontrollieren – nein! –, um zu analysieren, warum und wieso, und zu helfen. Das ist uns ein Anliegen, und ich hoffe sehr, dass die neue Frauen- und gleichzeitig Gesundheitsministerin in ihrer gesamten Verantwortung dieses Thema aufgreift und entsprechend fokussiert.

Wichtig ist – und war natürlich immer – die Einkommenssituation der Frauen. Da weiß ich, dass hier Frau Frauenministerin Oberhauser als ehemalige Gewerkschafterin ent­sprechende Schritte setzen wird.

Ein Weiteres, mit dem wir heute alle konfrontiert sind, ist die Gewalt, nicht nur jene, die wir an Frauen erkennen, sondern generell: die Gewalt und die Unsicherheit der Mädchen, auch jene der Buben, und der Frauen, wie wir sie heute erleben. Das sind nicht mehr nur Geschichten in irgendwelchen Medien, sondern sie passieren vor der Haustür. Auch ich habe das in meiner Umgebung miterleben müssen. Daher appelliere ich an Frauenministerin Oberhauser und auch an Bildungsministerin Hammerschmid, wirklich alles zu tun und bereits Kinder im Kindergarten, in den Schulen entsprechend aufzuklären, welche Maßnahmen sie persönlich setzen können, um sich zu schützen.

Gleichzeitig brauchen wir ein verstärktes Integrieren jener Kinder und Jugendlichen, damit sie unsere Kultur, unsere Werthaltung nicht nur kennenlernen, sondern auch leben. Das wird – auch für die Zukunft – ganz wichtig und wesentlich sein. Sie brauchen die Selbstverständlichkeit unserer Kultur direkt auch in ihren Familien.

Es muss auch in Zukunft für unsere Kinder und Jugendlichen, für die Frauen und Mädchen möglich sein, ohne Angst im öffentlichen Raum unterwegs zu sein. Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen!

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, meine Damen und Herren, ist Cybermobbing. Seit Jänner dieses Jahres ist Cybermobbing auch strafrechtlich zu verfolgen. Wir brauchen den Schutz der Kinder auch in der Schule. Ich weiß das von Schulen, wo Kinder bereits von Cybermobbing betroffen sind. Sie ziehen sich zurück, sie haben


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keine Ansprechpartner, Eltern merken das oft gar nicht. Es braucht eine spezielle Schulung auch für die Pädagoginnen und Pädagogen, um den Kindern den Mut zu geben, das auch zu erzählen, und vor allem den Eltern zu sagen: Nehmt alle Warnhin­weise wahr, die eure Kinder als Signal aussenden, wenn sie sich zurückziehen! Das bedeutet eine Anstrengung der Aufklärung bei den Schülerinnen und Schülern, bei den Pädagoginnen und Pädagogen und vor allem auch bei den Eltern. Die Sensibilisierung der Eltern sehe ich als einen ganz wesentlichen Faktor an.

Meine geschätzten Damen und Herren, Sie wissen ganz genau: Das ist nur ein Bruchteil der Themenfelder, die ich jetzt aufgezählt habe. Es liegt sehr viel Arbeit nicht nur vor der Regierungsmannschaft, sondern auch vor uns. Ich hoffe sehr, dass wir heute nicht nur den Startschuss geben, sondern wirklich in eine gute, erfolgreiche Zukunft gehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


14.38.16

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Liebe Regierungsmitgliederinnen, liebes Regierungsmitglied! – Ich glaube, die Männer sind schon weg. (Abg. Zanger: Oh weh! Die Steirer sind wieder da! – Heiterkeit.)

Ich will gar nicht auf die Defizite der österreichischen Frauenpolitik eingehen, denn im Moment geht das Ganze wie in einem Schneckentempo voran, und ich glaube, dass ich in Zukunft sehr viel darüber reden muss. Wäre die österreichische Frauenpolitik für die Regierungsparteien wichtig, dann hätte es wahrscheinlich schon längst – heute schon – ein eigenständiges Frauenministerium gegeben. Aber das gibt es immer noch nicht.

Fakt ist, dass seit längerer Zeit das Frauenministerium immer wieder an andere Be­reiche angehängt wird. Zum Beispiel war es unter der blau-schwarzen Regierung, unter Herbert Haupt, im Sozialministerium, im Jahr 2003 war es einmal im Gesund­heitsministerium, durch die Kollegin Heinisch-Hosek ist es ins Unterrichtsministerium umgesiedelt worden, und jetzt ist es wieder im Gesundheitsministerium gelandet.

Gut, dass Johanna Dohnal dieses Pingpongspiel mit dem Frauenministerium nicht mit ansehen muss, denn das hätte sie sicher als sehr schrecklich empfunden.

Ich könnte genug rote Frauen zitieren, die immer wieder auf die Wichtigkeit und die Bedeutung eines eigenständigen Frauenministeriums hingewiesen haben. Gerade deswegen ist es aus meiner Sicht unverständlich, dass es immer noch kein eigen­ständiges Frauenministerium gibt. Man hätte so viele Chancen gehabt, das umzu­setzen, aber es ist de facto bis heute immer noch nicht geschehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es sehr wohl Frauen gibt, die sich das wünschen. Wir stehen dafür zur Verfügung: Wenn Sie es nicht alleine schaffen, dann werden wir es gemeinsam schaffen.

Ich will meine Rede auch dazu nutzen, aus aktuellem Anlass ein Thema anzu­sprechen, weil die Zeit im Moment drängt – Herr Klubobmann Schieder hat am Vormittag schon darauf Bezug genommen –: Morgen wird im türkischen Parlament die Immunität der HDP-Abgeordneten aufgehoben.

Damit verabschiedet das türkische Parlament nicht nur ein Gesetz, sondern es verabschiedet sich auch vom Friedensprozess, es verabschiedet sich auch von den Menschenrechten und es verabschiedet sich auch von den Werten der Demokratie. Und das soll ein Land sein, das sich als EU-Beitrittskandidat zur Verfügung stellt! (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Das ist erst der Anfang einer humanitären Katastrophe, die wir wahrscheinlich momen­tan in diesem Raum gar nicht so wahrnehmen wollen.

Wissen Sie, warum Menschen flüchten? Menschen flüchten, weil sie keine Hoffnung haben – man hat ihnen die Hoffnung auf ein menschenwürdiges und friedliches Zusammenleben weggenommen. Aufgrund dieser Hoffnungslosigkeit sind Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich bitte euch alle, werte Kolleginnen und Kollegen: Leisten wir unseren Beitrag zur Friedenspolitik, leisten wir unseren Beitrag zu den gewählten Parlamentariern, die im Moment den Parlamentarismus verteidigen und somit ja auch eine Diktatur verhindern! (Beifall bei Grünen und FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Leisten wir unseren Beitrag zu einem menschenwürdigen Zusammenleben, damit niemand seine Heimat verlassen muss! Ermöglichen wir den Menschen, dass sie in ihrer Heimat bleiben können!

Gerade deswegen ist es wichtig, an der Friedenspolitik anzudocken und bei der Frie­denspolitik anzufangen. Nur eine effektive Friedenspolitik kann Kriege verhindern, nur eine effektive Friedenspolitik kann die Flüchtlingszahlen reduzieren.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Peter Pilz, Mag. Christoph Vavrik, Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend die geplante Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten im türkischen Parlament

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für eine umfassende Achtung aller Grund- und Menschenrechte, inklusive der politi­schen Rechte der Opposition, sowie für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einzusetzen. Weiters soll auf eine Deeskalation der Gewalt in den kurdischen Gebieten in der Türkei und auf eine rasche Rückkehr zum Friedensprozess hingewirkt werden.“

*****

Danke sehr. (Beifall bei Grünen, SPÖ, NEOS und Team Stronach sowie bei Abge­ord­neten der ÖVP.)

14.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schieder, Lopatka, Pilz, Vavrik, Lugar, Yilmaz, Pfurtscheller, Aslan, Kolleginnen und Kollegen

betreffend der geplanten Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten im türki­schen Parlament,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 115

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß §19 Abs. 2 GOG in der 130. Sitzung des Nationalrates am 19.5. 2016.

Mit großer Besorgnis verfolgt der Österreichische Nationalrat die anstehende Abstim­mung in der Türkei zur Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abge­ordneten. Uneingeschränkte Oppositionsarbeit ist ein integraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie, die Opposition durch den Immunitätsverlust zum Schweigen zu bringen, ist nicht der richtige Weg zur Lösung von Problemen.

Von der Aufhebung der Immunität sind alle Parteien, insbesondere jedoch die pro-kurdischen Abgeordneten der HDP betroffen. Dadurch könnte der Konflikt mit der kurdischen Bevölkerung weiter angeheizt werden, anstatt Stabilität und Frieden in der Region zu forcieren. Dabei wäre Stabilität in den kurdischen Gebieten sowohl für die inner-türkische als auch für die regionale Stabilisierung entscheidend.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für eine umfassende Achtung aller Grund- und Menschenrechte, inklusive der politi­schen Rechte der Opposition, sowie für die Wahrung  der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einzusetzen. Weiters soll auf eine Deeskalation der Gewalt in den kurdi­schen Gebieten in der Türkei und auf eine rasche Rückkehr zum Friedensprozess hingewirkt werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

 


14.44.04

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren der Bundesregierung! Herr Bundeskanzler, du hast die Wichtigkeit und die Bonität des Wirtschafts- und Industriestandortes Österreich angesprochen.

Jawohl, die Zahlen sprechen für sich. Fast 19 Prozent des gesamten BIP werden in der Industrie erwirtschaftet. Wir haben ganz große Exporterfolge, wir haben jährlich enor­me Steigerungsraten. Wir haben eine hohe Produktivität. Wir haben topqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die letztendlich den Erfolg dieser Unternehmen ausmachen. Wir haben fast zwei Millionen Beschäftigte direkt und indirekt in der Industrie. Wir haben eine sehr hohe Wettbewerbsfähigkeit und sind in Wirklichkeit sehr erfolgreich.

Darum macht es mich ab und zu ein bisschen traurig, wenn man Stimmungsbilder von Spitzenvertretern der Wirtschaft bekommt, in denen dieser erfolgreiche Wirtschafts­standort krankgejammert wird. Ich glaube, wir sollten diese Trendwende, diesen posi­tiven Spirit, den wir in den letzten Tagen verspüren, zum Anlass nehmen, um ein­fach mehr auf das stolz zu sein, was wir erreicht haben. Wir sollten stolz sein, dass wir in Österreich eine sehr gute Industrie und gute Arbeitsplätze vorfinden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es sind heute mehrere Themen angesprochen worden. Lassen Sie mich nur noch eines ansprechen, von dem unsere Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer besonders betroffen sind. Digitalisierung, Industrie 4.0, ist ein


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ganz wesentliches Thema. Ich möchte es auf den Punkt bringen: Jawohl, wir werden in Zukunft mit immer weniger Menschen mehr produzieren können, meine sehr ge­schätzten Damen und Herren.

Da braucht es Antworten. Da müssen wir auch über zukünftige Formen der Mitbe­stimmung sprechen, das heißt, ob wir mit der betrieblichen Mitbestimmung, die wir momentan festgeschrieben haben, auskommen – ich glaube es nicht. Wir müssen über die Finanzierung der sozialen Systeme sprechen. Wenn wir momentan nur über Kopfquoten finanzieren und zukünftig aber weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer einen Arbeitsplatz vorfinden, somit diese Finanzierungsbasis schmäler wird, müssen wir darüber reden, wer unser soziales System aufrechterhalten soll.

Ein Thema ist heute auch schon von meinem Freund Katzian angesprochen worden: In Österreich werden noch immer 300 Millionen Überstunden geleistet. 300 Millionen! Auf der einen Seite arbeiten Männer und Frauen, bis sie fast tot umfallen – sie brauchen dann Behandlungen, um wieder gerade stehen zu können. Auf der anderen Seite gibt es mehr als 400 000 Menschen ohne Arbeit.

Das ist ein Weg, Kolleginnen und Kollegen, der so nicht weitergeführt werden kann. Wir müssen die Arbeit auf mehr Menschen aufteilen. Das wird eine sehr große Herausforderung werden. Ich weiß schon, dass, sobald Arbeitszeitverkürzung auch nur genannt wird, schon alle Glocken schrillen, aber ich glaube, es wird kein Weg daran vorbeiführen, meine Damen und Herren.

Da Kollege Haubner von der Flexibilisierung gesprochen hat, darf ich von dieser Stelle aus sagen: Wir sind schon weiter, als manche Damen und Herren vielleicht annehmen. Es wird in den nächsten Tagen ein Modell präsentiert werden, auf das wir stolz sind. Wir werden gemeinsam mit den Sozialpartnern in der Wirtschaft für die Metallindustrie einen Lösungsvorschlag unterbreiten.

Gelungen ist es dieses Mal vor allem, weil wir die Arbeitsnehmerinnen und Arbeit­nehmer mitnehmen können, denn der Herr Vizekanzler meinte vorhin, es war bisher immer möglich, ein bisschen abzutauschen. Wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Angestellten geben, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dann müssen sie auf der anderen Seite auch ein bisschen was bekommen. Genau so funktioniert es auch in diesem Modell.

Herr Haubner wird die Ohren anlegen, wenn er dieses neue Modell sieht. Ich werde es ihm wahrscheinlich im Privatissimum gleich einmal erklären, denn offiziell wird es erst in den nächsten Wochen vorgestellt.

Meine Damen und Herren, die Digitalisierung wird eine große Herausforderung – aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Wir sehen darin eine riesige Chance. Wir werden die Herausforderung als Chance begreifen. Der Bundesregierung, Herr Bundeskanzler, dir und deiner Mannschaft, wünsche ich alles Gute. Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam für Österreich etwas weiterkriegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort. – Bitte.

 


14.49.06

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Bundeskanzler, heute ist viel von Aufbruch die Rede. Und wenn von Aufbruch die Rede ist und man diesen tatsächlich umsetzen will, dann braucht es eine moderne, zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 117

Eine der zentralen Säulen einer modernen, zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik ist die Stärkung der Innovationskraft. Die Stärkung der Innovationskraft wird aber nur möglich sein, wenn wir auch dafür sorgen, dass Universitäten und Wissenschaft, Grundlagenforschung und umsetzungsorientierte Forschung gestärkt werden.

Dazu wird es den vollen Einsatz brauchen und – was ganz wichtig ist – das Bewusst­sein für die Wichtigkeit dieser Bereiche, das Bewusstsein und das Ernstnehmen der Anliegen der Universitäten, der Forschungseinrichtungen und selbstverständlich auch der Unternehmen.

Der Maßstab dafür, Herr Bundeskanzler und werte Mitglieder der Bundesregierung, wird natürlich sein, wie die Ressourcen-Fokussierungen vorgenommen werden, wie die Budgets ausgestattet sein werden und ob wir uns à la longue tatsächlich zum Ziel des Innovation Leader bewegen. Die Herausforderung wird sein, auf der jetzigen Spur nicht zurückzufallen, sondern auf die Überholspur zu kommen.

Eine der großen Herausforderungen wird der digitale Wandel – die Digitalisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft – sein. Dieser wird nicht zu Unrecht digitale Revolution genannt. Er bietet Chancen, birgt aber enorme Herausforderungen. Es wird große Verän­derungen auf dem Arbeitsmarkt geben. Es wird selbstverständlich große Verän­derungen in der Wirtschaft, der Wettbewerbssituation und nicht zuletzt auch in der Gesellschaft geben.

Wenn man von Rahmenbedingungen spricht, dann muss man davon reden, dass wir eine sehr gute Infrastruktur brauchen – Stichwort leistungsfähige Breitbandnetze. Wir werden sehr gute Rahmenbedingungen für Investitionen brauchen – für die privaten Investitionen, die Investitionen der Unternehmungen und die der öffentlichen Hand –, und Bildung und Forschung müssen gestärkt werden.

Wenn wir vom digitalen Wandel sprechen, Frau Bildungsministerin, sprechen wir nicht nur von der Ermächtigung der Schülerinnen und Schüler, sondern durchaus auch von der Weiterqualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer in diesem Bereich.

Selbstverständlich wird es auch ein großes Thema sein, die Datensicherheit in dieser Form voranzutreiben und nicht nur für die großen Leitbetriebe, die wir haben – das ist gut so –, sondern auch ganz speziell für Start-ups und für klein- und mittelständische Unternehmungen optimale Rahmenbedingungen herzustellen, sie diesbezüglich zu unterstützen.

Die vereinzelten Ansatzpunkte, die es momentan gibt, wie die Plattform bezie­hungs­weise auch die Pilotfabrik, sind das eine, aber was wir brauchen, Herr Bundeskanzler und auch Frau Staatssekretärin, ist einerseits ein klares Commitment und andererseits eine digitale Strategie 2025. Daran müssen wir konsequent arbeiten.

Ich als Vorsitzende des Ausschusses für Forschung, Innovation und Technologie freue mich in diesem Kontext auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl zu Wort. – Bitte.

 


14.53.22

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmannschaft! Insbesondere den neuen Regierungsmitgliedern ein herzliches Willkommen!

Herr Bundeskanzler, Sie verbindet mit dem Kanzleramtsminister – zu dem ich dann ganz besonders meine Stellungnahme abgeben möchte, weil ich als Verfassungs-


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sprecher der Österreichischen Volkspartei mit dem für Verfassung zuständigen Regie­rungsmitglied viel zu tun haben werde und zu tun haben möchte – die Zeit beim ehemaligen Bundeskanzler Vranitzky, eine Zeit in einem Kabinett, wo Sie, glaube ich, einerseits die Erdung einer Partei und andererseits die Verantwortung für das Land erlebt haben.

Das habe ich in Ihrer Rede auch intensiv vernommen, dass Ihnen zwar bewusst ist, dass Sie von einer Partei nominiert wurden und dadurch das Amt des Bundeskanzlers erhalten haben, aber dass zu einer Gesinnungsethik für die Rolle der Bundesregierung und für das Vorstehen in der Bundesregierung ganz wesentlich die Verantwor­tungs­ethik gehört.

Daher glaube ich, dass wir einen ganz richtigen Weg gehen, wo die Herausfor­de­rungen so groß sind, wie Sie sie skizziert haben – Migration, Flüchtlingskrise, Wirt­schaftskrise, Finanzkrise –, und wo es nur den Weg nach vorne gibt, ohne nach hinten zu schauen.

Daher ist das, was Minister Stöger heute in der Fragestunde gesagt hat, nicht ausreichend, nämlich zu sagen, dass ein Pensionssystem alleine dadurch richtig ist, weil es in der Vergangenheit richtig war. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das genügt nicht. Es gilt, den Blick in die Zukunft zu richten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Minister Drozda soll auf die Frage, ob er gerne Politiker werden möchte, geantwortet haben, dass Politiker zu sein höchste Exponiertheit bei einem Sozial­prestige gleich null bedeute. Meine Damen und Herren, dass er heute trotzdem Teil der Bundesregierung ist, ist ihm hoch anzurechnen.

Wer immer sich heute der Politik verpflichtet fühlt, dem können wir dankbar sein. In Zeiten wie diesen ist es wichtig, nicht auf sich selbst zu schauen, sondern Verant­wortung für das Land wahrzunehmen. Daher bedanke ich mich beim neuen Kanzler­amtsminister dafür, dass er sich zur Verfügung gestellt hat, und wünsche ihm für seine Aufgabe alles Gute. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Regierungsprogramm ist im Bereich der Verfassung einiges offen. Ich wünsche mir dabei nicht nur die gute Zusammenarbeit mit einem neuen Bundesminister für Verfassung, sondern ich wünsche mir auch viel Zusammenarbeit mit der Opposition, denn es ist das Ureigenste bei Verfassungsfragen, dass wir alle zusammenstehen müssen, dass wir eine Verantwortung vom ganzen Haus brauchen und nicht nur eine Verantwortung der Regierung.

Wie Kollege Strolz gesagt hat, geht es nicht nur darum, Wünsche an die Regierung zu richten. Umgekehrt von uns als Regierungspartei an die Opposition: Nehmen Sie auch die Wünsche für das Land an! Machen wir gemeinsam das, was für dieses Land wichtig ist! Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger. Wenn wir hier alle einen Pakt schließen, dann ist das das, was die Bevölkerung erwartet. Daher bitte ich Sie als Opposition, bei den notwendigen Verfassungsänderungen mitzuwirken.

Frau Mag. Duzdar möchte ich meinen Respekt aussprechen, meinen Respekt für ihre Biographie, meinen Respekt für die Leistung, die sie in ihrem Leben erbracht hat. Sie kann aus meiner Sicht ein Beispiel für jene Verantwortung sein, die wir als Regierungspartei gegenüber der Bevölkerung haben.

Wenn ich richtig gelesen habe, hatten Sie in der Volksschule Probleme. Und Sie haben dann Lehrer gehabt, die an Sie geglaubt haben, die Sie sozusagen an der Hand genommen und weitergeführt haben. Danach haben Sie selbst Ihr Heft in die Hand genommen und sind bis zur Rechtsanwältin aufgestiegen, haben mit Ihrer Leistung Ihren Weg gemacht, ohne Hilfe von anderen.


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Aber man braucht zuerst oft Hilfe von jemanden, damit man ein Stück des Weges gehen kann. Wenn wir als Regierungspartei der österreichischen Bevölkerung diese Hilfe geben, dann braucht niemand mehr Angst zu haben, dann kann jeder darauf vertrauen, dass er zu Spitzenleistungen fähig ist, dass jeder in die Lage kommt, Spitzenleistungen in der Wirtschaft, in der Arbeitswelt und für die Republik insgesamt zu erbringen.

In diesem Sinne Glück auf für alle und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Angerer, wollen Sie mit Ihrer Rede noch beginnen? Ich müsste Sie in einer Minute unterbrechen. (Abg. Angerer: Danke, nein!)

Dann unterbreche ich nun die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 1, damit die Verhandlung einer Dringlichen Anfrage um 15 Uhr beginnen kann.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

 


Präsidentin Doris Bures (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

15.00.08Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die mutmaßliche Ermordung der Maria E. durch den Kenianer Francis N. (9366/J)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 9366/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verle­sung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Mit der mutmaßlichen Ermordung der Maria E. hat die in Österreich grassierende Kriminalität einen Höhepunkt erreicht. Der Fall des Francis N. zeigt exemplarisch die Hilflosigkeit eines „Rechtsstaates“, der nicht mehr in der Lage ist seine Bürger zu beschützen.

Am 5.5.2016 berichtete u.a. der Kurier über den Fall:   

Acht Jahre lang verärgerte ein Kenianer die Menschen am Brunnenmarkt. Jetzt wurde er wegen Mordes verhaftet.

Der 21-jährige Kenianer, der in der Nacht zum Mittwoch am Brunnenmarkt in Wien Ottakring ohne ersichtlichen Grund eine 54-jährige Passantin mit einer Eisenstange erschlagen haben soll, war polizeibekannt. Am Tag vor der Tat wurde er in der Poli­zeiinspektion Brunnengasse zu mehreren Strafverfahren vernommen, die gegen ihn laufen. Darunter Körperverletzung, Suchtgifthandel, Diebstahl und Sachbeschädigung.


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Der Mann wurde Donnerstag nach langer Vernehmung an die Justiz überstellt. Er sei nicht kooperativ gewesen, und konnte oder wollte sich nicht an die Tat erinnern, erklärte Polizeisprecher Christoph Pölzl.

Die Frage nach dem "Warum" beschäftigt viele Menschen. Wie konnte es sein, dass ein Kenianer im Jahr 2008 als Tourist einreist, und seither als höchst auffälliger Ob­dachloser ein ganzes Grätzl terrorisiert? Warum wurde er nicht schon längst abgeschoben? Haben die Behörden versagt? Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus forderte jedenfalls eine restriktive Law&Order-Politik nach New Yorker Vorbild. Der KURIER recherchierte bei den verantwortlichen Stellen die Hintergründe. Francis N. war ein "Dauerkunde" der Polizeiinspektion Brunnengasse. Wenn er zugekifft und schattenboxend durch die Straße zog, provozierte der Passanten. Wiederholt kam es zu kleineren Straftaten. Oft musste er auch von den Beamten per Gerichtsauftrag gesucht werden, um ihm ein amtliches Schriftstück bezüglich eines Strafverfahrens zu übergeben. Ein Haftbefehl war aber nie dabei. Polizeisprecher Pölzl: "Dadurch, dass unsere Beamten zwar dauernd mit dem Mann gesehen wurden, er aber auf freiem Fuß blieb, hatten die Menschen den falschen Eindruck, die Beamten wollten nichts unternehmen." Die Beamten versuchten sogar, den Mann bei einer Sozialeinrichtung unterzubringen. damit wäre er von der Straße weg gewesen. Doch die Bemühungen scheiterten.

Dem Vernehmen nach war der Kenianer 18 mal angezeigt. Einmal musste er auch eine Haftstrafe absitzen. Sprecherin Nina Bussek von der Staatsanwaltschaft Wien will die einzelnen Fälle nicht kommentieren. Sie weist aber darauf hin, dass es sich um einen "jungen Erwachsenen" handle, bei dem Sonderbestimmungen bezüglich der U-Haft gelten. Außerdem sei der Mann immer nur durch Kleinkriminalität aufgefallen. Beispielsweise jener kolportierte Fall, wo er schon einmal mit einer Eisenstange ein Opfer attackiert haben soll. Das endete nur mit einer leichten Verletzung, was eben keine U-Haft ermöglicht.

BM Brandstetter erklärte am Mittwoch im parlamentarischen Justizausschuss zur Bluttat in Ottakring: "Wenn man sich die Begleitumstände näher ansieht, dann packt einen der Zorn." Nun gelte es, "Schwachstellen im System aufzudecken und ergeb­nisoffen über allfälligen Handlungsbedarf - auch um den Preis neuer Regelungen - zu diskutieren". Der Fall zeige, "dass es in unserem System offensichtlich Probleme gibt, für die keine Behörde zuständig ist".

Auch der „Falter“ fand in seiner Ausgabe 19/16 deutliche Worte: „Wer diesen Fall analysiert und in den Akten liest, erkennt, dass es hier um sehr viel mehr geht als um einen grausamen Mord. Es geht um die Kapitulation der Justiz vor einem nachweislich gefährlichen Kriminellen. Es geht um die wachsende Frustration der Polizei, die Kriminelle nicht mehr einsperren oder aus dem Land schaffen kann“.

Zerknirscht zeigt sich auch der Bezirksvorsteher von Ottakring, Franz Prokop, zumal es sich beim Viertel rund um den Brunnenmarkt um ein multikulturelles Vorzeigeprojekt der rot-grünen Stadtregierung handelt. Besonders bedenklich ist, dass der mutmaß­liche Täter bereits am 2. Juni 2015 einen Mann mit einer Eisenstange verletzt hatte. Obgleich das Opfer eine Rissquetschwunde erlitt, verzichtete die Staatsanwaltschaft auf einen Haftantrag. Dazu passt, dass die Staatsanwaltschaft vom zuständigen Beam­ten der Polizei per mail vom 22. März 2016 um Erteilung eines Arbeitsauftrages ersucht wurde, passiert ist aber nichts. 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bun­des­minister für Justiz folgende


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Dringliche Anfrage

1. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um die ausufernde Kriminalität - vor allem im öffentlichen Raum - zu bekämpfen?

2. Verfügte der mutmaßliche Täter Francis N. zu irgendeiner Zeit über einen gültigen Aufenthaltstitel?

3. Sind zur Altersbestimmung des Beschuldigten medizinische oder ähnliche Unter­suchungen durch einen Sachverständigen durchgeführt worden?

a. Wenn „Ja“: Wann wurden diese durchgeführt?

b. Wenn „Nein“: Ist beabsichtigt diese noch durchzuführen?

c. Wenn „Nein“: Woraus ergibt sich zweifelsfrei das Alter des Beschuldigten?

d. Wenn „Nein“: Warum nicht?

4. Wie alt war der Beschuldigte bei seiner Einreise nach Österreich und wann erfolgte diese?

5. Wann ist der Beschuldigte das erste Mal angezeigt bzw. als Beschuldigter geführt worden?

6. Wie oft suchten die Beamten den Beschuldigten auf, um diesem ein amtliches Schriftstück bezüglich eines Strafverfahrens auszuhändigen?

7. Wurde der Beschuldigte von der Staatsanwaltschaft vorgeladen?

a. Wenn „Ja“: Wie oft, wann bzw. in welchen Jahren und warum?

b. Wenn „Ja“: Wie oft ist er diesen Ladungen nachgekommen?

c. Wenn „Nein“: Warum nicht?

8. Wurde versucht, den Beschuldigten in einer psychiatrischen Einrichtung unter­zubringen?

a. Wenn „Ja“: Wie oft und in welchen Jahren?

b. Wenn „Ja“: Wie oft und in welchen Jahren wurde er dort aufgenommen?

c. Wenn „Nein“: Warum nicht?

9. Wie oft und wann wurde der Beschuldigte seit seiner Einreise nach Österreich wegen der Begehung einer Straftat angezeigt?

10. Wurden Verfahren gegen den Beschuldigten vom Staatsanwalt, somit vor Erhe­bung einer Anklage, diversionell erledigt?

a. Wenn „Ja“: Wie viele Verfahren und bezüglich welcher Delikte (bitte um Aufschlüs­selung nach Jahren)?

11. Wurde der Beschuldigte vor dem gegenständlichen Fall in Österreich angeklagt?

a. Wenn „Ja“: Wie oft, in welchen Jahren und wegen der Begehung welcher Delikte?

b. Wenn „Ja“: Wie viele der Verfahren wurden bezüglich welcher Delikte vom Gericht diversionell erledigt?

c. Wie viele der Verfahren endeten mit einer Verurteilung?

d. Wenn „Ja“: Wie vielen der Verfahren wurde ein Gerichtssachverständiger (zB. ein Psychiater) beigezogen?

12. Hinsichtlich welcher Delikte wird derzeit gegen den Beschuldigten ermittelt?


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13. Warum wurde die Attacke vom 2. Juni 2015, die der Beschuldigte ebenfalls mit einer Eisenstange durchgeführt hat und bei welcher das Opfer „nur“ eine Verletzung davongetragen hat, nur als ein Fall von Kleinkriminalität qualifiziert?

14. Hat die Staatsanwaltschaft zu irgendeinem Zeitpunkt einen Antrag auf Verhängung der U-Haft über den Beschuldigten gestellt?

a. Wenn „Ja“: Wann und aufgrund des dringenden Tatverdachts hinsichtlich welchen Delikts bzw. welcher Delikte?

b. Wenn „Ja“: Wann und wie oft hat das Gericht die U-Haft über den Beschuldigten verhängt?

15. Hat der vor dem gegenständlichen Fall gegen den Beschuldigten ermittelnde Staatsanwalt die Setzung von Maßnahmen unterlassen, zu denen er gesetzlich verpflichtet gewesen wäre?

a. Wenn „Ja“: Welche?

b. Wenn „Ja“: Hat er sich dadurch strafbar gemacht?

16. Wird wegen der Unterlassung des Setzens gebotener Maßnahmen gegen den vor dem gegenständlichen Fall gegen den Beschuldigten ermittelnden Staatsanwalt nun ein Ermittlungsverfahren geführt?

a. Wenn „Ja“: Hinsichtlich welcher Delikte wird ermittelt?

b. Wenn „Nein“: Warum nicht?

17. Hat tatsächlich ein Polizist am 22. März 2016 oder an einem anderen Tag eine Nachricht mit dem sinngemäßen Inhalt „Sehr geehrte Frau Staatsanwältin! Ich ersuche um einen Arbeitsauftrag! [hinsichtlich des Kenianers, weil dieser wegen räuberischen Diebstahls und anderer Delikte dringend verdächtig war]“ an die Staatsanwaltschaft übermittelt und um die Stellung eines Antrags auf Verhängung der U-Haft über den nunmehr Beschuldigten gebeten bzw. zu dieser geraten?

a. Wenn „Ja“: Lässt sich den Akten für diesen Zeitpunkt ein Haftgrund (zB. Flucht­gefahr oder Tatbegehungsgefahr) entnehmen?

b. Wenn „Ja“: Welche Maßnahmen wurden daraufhin von der Staatsanwaltschaft gesetzt?

c. Wenn „Ja“: Wurde der Beschuldigte wieder auf freien Fuß gesetzt?

d. Wenn „Nein“: Warum ist dies dann mehreren übereinstimmenden Medienberichten zu entnehmen?

18. Welche Umstände schließen bei einem verurteilten Serientäter, der nach seiner Verurteilung wieder straffällig geworden ist und daher unter anderem des räuberischen Diebstahls, der gefährlichen Drohung, des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der Körperverletzung dringend tatverdächtig ist und der über keinen festen Aufenthalt, kein Einkommen und keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, das Vorliegen von Haftgründen (iSd § 173 StPO), insbesondere jenen der Flucht- und Verdunkelungs­gefahr aus?

19. Ist Österreich, vor dem Hintergrund, dass der Begriff des Privatlebens (Art 8 EMRK) nach der Judikatur des EGMR die körperliche und seelische Integrität einer Person umfasst und die Staaten eine positive Verpflichtung trifft, eine Verletzung der­selben durch andere zu verhindern, wenn die öffentliche Hand davon wusste oder wissen musste, seinen sich aus der EMRK ergebenden Verpflichtungen nachgekom­men?


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a. Wenn „Ja“: Woraus ergibt sich das?

20. Sehen Sie Reformbedarf im Bereich des JGG, insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen betreffend junge Erwachsene?

21. Beabsichtigen Sie bei ausländischen Straftätern den Verlust der Aufenthalts­berech­tigung und die Abschiebung als Nebenstrafe einzuführen?

22. Welche Normen dienen der Hintanhaltung einer allfälligen Untätigkeit eines Staatsanwaltes?

23. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um eine wiederholte Untätig­keit der Staatsanwaltschaft zu verhindern?

24. Werden Sie aufgrund des mutmaßlichen Mordes und seiner Begleitumstände Reformen in Ihrem Ressort durchführen?

a. Wenn „Ja“: Wo genau orten Sie Defizite, und welche Bereiche werden Sie refor­mieren?

b. Wenn „Nein“: Warum nicht?

25. Werden Sie aufgrund des mutmaßlichen Mordes und seiner Begleitumstände gemeinsam mit anderen Ministern Reformen durchführen?

a. Wenn „Ja“: Mit welchen Ministern?

b. Wenn „Ja“: Wo genau orten Sie Defizite und welche Bereiche werden Sie mit den anderen Ministern reformieren?

c. Wenn „Nein“: Warum nicht?

26. Werden Sie die Schnittstellen Polizei-Staatsanwaltschaft und Polizei-psychiatrische Einrichtungen verbessern?

27. Warum wird der „Sicherheitsmonitor“ nicht öffentlich gemacht?

In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR dringlich zu behandeln und dem Erstfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Zur Begründung der Dringlichen Anfrage erteile ich Herrn Klubobmann Strache das Wort. Ihre Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.00.40

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Justizminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Wir erleben seit geraumer Zeit immer wieder Beschwichtigungsversuche, wenn es um die Sicherheitsentwicklung in unserem Land geht, und wir müssen feststellen, dass die Sicherheit in vielen Bereichen leider Gottes nicht auf der Höhe der Zeit ist, um es einmal so zu nennen, und dass wir zum Teil eine durchaus katastrophale Situation erleben und wirklich ein Sicherheitsproblem in einigen Bereichen haben, ob das Einbrüche betrifft, ob das sexuelle Übergriffe betrifft oder letztlich noch dramatischere Straftaten wie die beson­ders grausame Ermordung einer Wienerin, wobei ich den Angehörigen auch von hier aus noch einmal mein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck bringen möchte.


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Wenn man die Hintergrundgeschichte dieser konkreten Tat beleuchtet, dann werden doch einige Fragen aufgeworfen, dann denkt man sich eigentlich: Das kann doch nicht sein, dass die Politik, der Rechtsstaat, die Justiz da so dramatisch versagt haben! Die Geschichte kennt man: Ein Kenianer hat sich offensichtlich jahrelang illegal in Öster­reich aufgehalten, dieser soll als Minderjähriger mit einem Tourismusvisum gekommen sein – wo man sich ja auch die Frage stellt, was damals im Umgang damit falsch lief –, in Folge wurde ein Asylantrag gestellt, der dann auch rechtskräftig abgelehnt wurde. Dann wurde trotz des illegalen Aufenthalts keine Rückführung, keine Abschiebung vorgenommen, und man war auch nach 18 Straftaten offensichtlich nicht in der Lage, den Herrn in Haft zu nehmen und zurückzuführen. Wir haben viele Begründungen gehört, warum das so der Fall gewesen ist, und das wirft schon viele Fragen auf, weil es ein völliges Scheitern des Systems offenkundig macht und wahrscheinlich auch nur die Spitze eines Eisbergs darstellt, wo Handlungsbedarf gegeben ist.

Tatsache ist, dass wir heute eine Kriminalitätsentwicklung haben, wo wir leider aufgrund der Zahlen erkennen müssen, dass die Kriminalität explodiert, dass aber auch die Ausländerkriminalität bei uns in Österreich massiv gestiegen ist, dass wir im letzten Jahr eine ungeordnete Zuwanderung erlebt haben, die zum Teil ebenfalls dafür verantwortlich ist, und dass gerade einmal ein Drittel der abgewiesenen Asylwerber entweder freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden. Allein seit dem Jahr 2000 – das wissen wir heute aufgrund der Zahlen – haben sich an die 200 000 Einwanderer einen illegalen Aufenthalt in Österreich erkämpft. Das ist eine unglaublich hohe Zahl; man glaubt es am Anfang gar nicht, wenn man sich nicht intensiv damit auseinan­dersetzt.

Ende April hat Franz Lang, der Direktor des Bundeskriminalamts, erklärt, dass der sprunghafte Anstieg der sogenannten Kleinstkriminalität eine Folge der Massenzuwan­derung der letzten Monate ist. Unter Kleinstkriminalität fallen Raufereien, Körperverlet­zun­gen, kleine Messerstechereien, Diebstähle, aber auch der Drogenhandel – also das sind sogenannte Kleinstdelikte, damit man auch ein bisschen einordnen kann, was da unter den Begriff von Kleinstdelikten fällt.

Lang sagte – ich zitiere –: „Bei der Kleinstkriminalität sehen wir ganz deutlich, dass seitens der Täter und der Opfer jene Personen eine große Rolle spielen, die im Zuge der Migration in den vergangenen Monaten zu uns gekommen sind.“

Wir alle kennen aus den tagtäglichen Meldungen der diversen Tageszeitungen auch die Hotspots, vor allem im städtischen Bereich in Wien – ob das der Praterstern ist, ob das bei der Reichsbrücke ist, im Drogenhandel, U6 und viele andere Hotspots. Man hat heute wirklich Angst, sich als Bürger in diesem öffentlichen Raum zu bewegen, und ist wirklich oftmals mit Situationen konfrontiert, wo man irgendwie auch den Glauben an den Rechtsstaat verliert und fragt: Warum wird da nichts getan? Warum schaut man da weg, und warum werden wir Bürger in vielen Bereichen allein- und im Stich gelassen? Ich sage, da ist Handlungsbedarf gegeben! (Beifall bei der FPÖ.)

Aus den Rohdaten des Sicherheitsmonitors, der alle polizeilich erfassten Delikte umfasst, ist ersichtlich, dass die Kleinkriminalität in Österreich ansteigt und auch, wer verantwortlich ist; das geht aus den Zahlen klar hervor. Ich zitiere Innenminister Sobotka, der gesagt hat: „Die Kriminalitätsdelikte steigen – unter Asylwerbern, auch im Übergriff gegenüber unserer Bevölkerung.“

Seit 2001 – so lange gibt es inzwischen methodisch unmittelbar vergleichbare Krimi­nalstatistiken – stieg die Zahl der österreichischen Tatverdächtigen von 156 720 auf 157 777 im Jahr 2015 an, und jene der ausländischen Tatverdächtigen hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt, nämlich von fast 47 256 auf über 92 804.


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Immer wieder erreichen uns ja Meldungen solcher Straftaten, die auch in die Medien kommen – und vonseiten der Exekutive gibt es da durchaus Anmerkungen, dass neben einer Straftat, die von den Medien aufgegriffen wird, auch viele sozusagen im Dunkeln bleiben und nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken und die Zahl der Straf­taten wesentlich höher ist. Vor wenigen Wochen haben drei afghanische Asylwerber eine Studentin am Praterstern auf brutalste Art und Weise vergewaltigt. Wir erleben dann auch, dass Fragen aufgeworfen werden; das war in der Berichterstattung eben­falls erkennbar, wo gesagt worden ist: Na ja, das sind minderjährige Täter, die sind gar nicht strafmündig, und wir können auch in Zukunft solche Straftäter nicht abschieben oder rückführen!

Da fehlt dann natürlich völlig das Verständnis, wenn solche Sachen letztlich auch in der Öffentlichkeit auftauchen und die österreichische Bevölkerung erkennen muss, dass man entweder bis dato offenbar nicht ausreichend sichergestellt hat, mittels Gesetzen, damit es da auch zu entsprechenden Konsequenzen kommt, oder man das nicht will, aus welchen Gründen auch immer. Da ist massiver Handlungsbedarf gegeben! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

Der mutmaßliche Mörder von Ottakring, der 2008 eben als 13-Jähriger mit einem Touris­tenvisum eingereist ist, hat in Folge unzählige Delikte begangen: Körperver­letzungsdelikte, Suchtgifthandel, Diebstahl, Sachbeschädigung, dann soll offenbar auch die Exekutive attackiert worden sein, und viele weitere Bereiche, die dann die Justiz beschäftigt haben. Er hätte längst abgeschoben werden müssen, und dann hört man, dass es keine Heimreise- oder Rückreisezertifikate gegeben hat, weil Kenia diese angeblich nicht ausgestellt hat, wobei aber der Botschafter wieder etwas ganz anderes sagt, nämlich: Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, das zu handhaben!

Da muss man schon nachfragen: Woran liegt es? Wenn es diese Zertifikate nicht gibt, dann muss ich auch fragen, warum dann nicht der Außenminister entsprechend mit diesen Ländern verhandelt. Andere Länder tun das, andere Länder verhandeln mit den betreffenden Ländern, wenn das nicht der Fall ist, und setzen eben entsprechend Druckmittel ein. Es gibt Förderungen vonseiten der Europäischen Union, auch in diesem Bereich, und da muss man klar und deutlich sagen: Entweder seid ihr bereit, eure Kriminellen zurückzunehmen, oder wir stellen gewisse Förderungen für Aufbau und Strukturarbeiten in diesen Ländern ein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, dass dies sehr wohl von Erfolg gekrönt wäre, wenn man das ernsthaft und nachhaltig angeht. Es stellt sich die Frage: Was ist da wirklich der Hintergrund?, denn auch das ist ja in Wirklichkeit bis dato ungeklärt. Man hat unterschiedliche Begrün­dungen gehört, warum das nicht funktioniert: bürokratische Hemmnisse, die es da gegeben haben soll, und dass letztlich, wie gesagt, kein Rückübernahmeabkommen gegeben gewesen sein soll, wie zumindest Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck erklärt hat.

Das gehört einfach abgestellt, und da möchte ich konkret wissen, wie man das in Zukunft vermeiden wird, denn ich höre auch von pakistanischen Gesprächspartnern aus der Botschaft die Aussage: Ja, man muss halt mit uns reden, wir wären ja bereit, das sicherzustellen! Auch dort gibt es einige Fälle, die aufliegen, und da höre ich immer vonseiten der Botschaftsvertreter: An uns liegt es nicht, wir sind bereit! – Ich glaube also, das muss vonseiten der Regierungsvertreter doch irgendwie mit einer anderen Hartnäckigkeit betrieben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Falle eines negativen Asylbescheids wäre natürlich auch Handlungsbedarf gege­ben. Es kann nicht sein, dass man nach einem negativen Asylbescheid, der rechts­kräftig ist, wegschaut, die Menschen in die Illegalität abtauchen und man einfach untätig bleibt. Das ist fahrlässig! Das ist grob fahrlässig und führt natürlich auch zu


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dramatischen Sicherheitsdefiziten. Ich sage: Da muss man alles tun, um die recht­lichen Möglichkeiten entweder zu optimieren oder auszuschöpfen, aber da muss auch der Wille da sein!

Bis dato habe ich in den letzten Jahren immer erlebt, dass von unserer Seite mehrfach auf diese Probleme hingewiesen wurde, das aber dann wieder so dargestellt worden ist, als würden wir uns an Einzelfällen aufhängen. Wenn ich mir die Zahlen anschaue: Das sind bei Gott keine Einzelfälle, im Gegenteil! Das ist eine massive Fehlent­wicklung, die sich eingeschlichen hat, wo man vor Jahren schon hätte gegensteuern müssen, aber spätestens jetzt.

Machen wir uns nichts vor: Selbst bei Rückschiebungen nach dem Dublin-Abkom­men – also in das EU-Land, über das der illegale Einwanderer nach Österreich einge­reist ist – tut sich Österreich heute schwer. Das heißt, man tut sich bei aufrechten Gesetzen schwer, und es warnt der UN-Flüchtlingshochkommissar vor Abschiebungen nach Ungarn oder Slowenien, da diese Länder diese Menschen dann eventuell nach Serbien abschieben würden. Da fragt man sich: Bitte, was geht da vor, wenn solche Gesetze vorhanden sind und man dann alles verunmöglicht? Dann darf man sich auch nicht wundern, dass man sich selbst ad absurdum führt, wenn nicht einmal Abschiebungen im Sinne der vorgegebenen Gesetze erfolgen. (Beifall bei der FPÖ.)

In der Folge bildet sich natürlich auch ein Rückstau an abgelehnten Asylwerbern, sofern sie dann nicht einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, wie das im Vorjahr 4 596 Mal geschehen ist. Dem stehen dann 24 017 angebliche Flüchtlinge gegenüber, deren Asylanträge abgelehnt worden sind. Freiwillig sind davon im vergangenen Jahr nur 759 über das Rücksiedlungsprogramm in ihre Heimat zurückgekehrt, weitere 5 087 abgelehnte Asylwerber – sprich: keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention – reisten freiwillig aus, 3 278 unfreiwillig in Begleitung der Exekutive. Da wird ja jetzt dankenswerterweise vom Verteidigungsminister zumindest die Überlegung geprüft, ob es nicht gescheit wäre, in Zukunft, so wie andere EU-Länder das machen, die Ab­schiebungen gemeinsam mit dem Bundesheer, vielleicht auch mit einer Trans­port­maschine, effizienter und vielleicht kostengünstiger zu gestalten, damit man das nicht in Maschinen der zivilen Luftfahrt machen muss, wo dann natürlich andere Passagiere oftmals Szenen erleben, weil die Abzuschiebenden sich entsprechend benehmen, um eben eine Abschiebung zu verhindern. Da muss man sich natürlich Gedanken machen.

Insgesamt hat also gerade ein Drittel der rechtskräftig abgelehnten Asylwerber – sprich: keine Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention – im Jahr 2015 Österreich verlassen, und 15 000 leben de facto illegal in Österreich. Das zeigt, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist, und da ist Handlungsbedarf gegeben.

Eine 2014 erschienene Studie der Universität Wien weist nach, dass diese Kluft in Österreichs Abschiebepolitik seit Jahren üblich ist. Zwei Drittel der jährlich Abzu­schiebenden werden stillschweigend bei uns illegal toleriert. Seit dem Jahr 2000 haben sich so rund 200 000 Personen einen illegalen Aufenthalt erkämpft, wie dies eben auch in dem Fall des mordverdächtigen Kenianers geschehen ist, wo man weggeschaut hat, und das ist wirklich ungeheuerlich.

Ich sage: Dieses Gefährdungspotenzial ist real, und das erlebt ja auch die Bevöl­ke­rung, weil dann eben natürlich oftmals kriminelle Strukturen entstehen – wie Banden­kriege, die öffentlich ausgetragen werden, wo Leute in den öffentlichen Verkehrsmitteln damit konfrontiert werden und Angst haben –, und da muss man natürlich eingestehen, dass dies zum Teil auch eine falsche Asyl- und Zuwanderungspolitik verursacht hat und dass man die Probleme zum Teil auch ignoriert hat.

Ich denke, dass diese Probleme jetzt rasch angegangen werden müssen, und diejenigen Personen, die keinen aufrechten Aufenthaltstitel haben, mit allen gesetz-


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lichen Maßnahmen, die wir notfalls eben auch optimieren müssen, konsequent in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden müssen. Das erwartet die österreichische Bevölkerung von uns, und das ist auch notwendig. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, ein Argument nur, weil gesagt worden ist, 2008 sei der damals unbegleitete Minderjährige aus Kenia mit einem Touristenvisum eingereist: Wenn dem so war, wie das zumindest in den Raum gestellt worden ist, dann hätte Kenia ihn eigentlich so oder so zurücknehmen müssen. Da muss also auch hinterfragt werden: Was stimmt da jetzt in der gesamten Thematik zu diesem Fall?

Das Problem der Rücknahme haben wir aber nicht nur mit Kenia, sondern durchaus auch mit vielen anderen Ländern. Menschen sind von diesen Ländern aufgebrochen, haben unter dem Deckmantel des Asyls dann einen Antrag gestellt, der am Ende eben rechtskräftig abgelehnt wird, und wir haben dann Probleme. Deshalb ist eben jetzt das Außenamt gefordert, diesbezüglich mit den Ländern entsprechende Schritte über den Verhandlungsweg sicherzustellen – andere Länder haben das gemacht: Auf der Ebene der Europäischen Union gibt es Länder wie Frankreich oder Spanien, die mit Kenia oder auch anderen Ländern, mit denen wir Schwierigkeiten haben, längst diese Ver­handlungen geführt haben und Ergebnisse erzielt haben.

Wie gesagt gibt es bereits Probleme bei der Rückführung von Asylwerbern gemäß dem Schengen- und Dublin-Abkommen in andere EU-Länder – auch das gehört endlich abgestellt. Das kann ja nicht sein! Ich meine: Nimmt sich die Europäische Union selbst noch ernst, ja oder nein? – Das ist die Frage, denn: Wozu gibt man sich diese Gesetze, wenn man sie dann selbst wieder unterläuft? Das passt einfach nicht zusammen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Koalition hat sich zu sehr auf das Funktionieren dieser Abkommen verlassen und diese dann mit Aufweichungen des Asylgesetzes auch noch selbst torpediert. Das muss man ebenfalls kritisch anmerken.

Jetzt erst wird in der Kriminalitätsstatistik sukzessive abgebildet, was die öster­reichische Bevölkerung aus leidvoller Erfahrung – denn das sind die oft direkt Betroffenen – schon lange spürt und auch weiß und wovor wir immer wieder eindring­lich gewarnt haben. Aus der Beantwortung einer Anfrage, die unsere beiden Abgeord­neten Kumpitsch und Darmann gestellt haben, geht hervor, dass es in Österreich im Jahr 2015 zu 3 368 Polizeieinsätzen in und im Umfeld von Asylheimen und Transit­unterkünften gekommen ist. Von 1. Jänner bis 16. März 2016 gab es 1 676 weitere Einsätze der Exekutive in diesem Umfeld. In Summe sind das 4 970 Einsätze – das sind circa 11 Polizeieinsätze täglich. Diese Zahlen belegen, dass da natürlich ein Sicherheitsrisiko gegeben ist, das man nicht wegdiskutieren kann.

Wir brauchen daher jetzt wirklich konkrete Schritte, nämlich kürzere Asylverfahren, kon­sequente Rückführungen und Abschiebungen und vor allen Dingen auch ein härteres Vorgehen gegen kriminelle Asylwerber. Es kann nicht sein, dass Personen, die einen Asylantrag stellen, dann Straftäter werden und rechtskräftig verurteilt werden, am Ende auch noch den Asyltitel erhalten. Da muss wirklich etwas verändert werden! (Beifall bei der FPÖ.) Das versteht kein normal denkender Mensch, dass so etwas in unserem Land überhaupt möglich sein kann.

Ich sage: Das sind alles notwendige Maßnahmen – bis hin zu einer Haft, solange die Abschiebung nicht stattfinden kann. Die Schweiz macht das, und das ist auch notwendig, das machen auch andere Länder. Meiner Meinung nach sind das alles Maßnahmen, die sich die österreichische Bevölkerung – zumindest ein Großteil der Bevölkerung – wünscht und die man auch von einer österreichischen Bundesregierung erwartet. Letztlich haben wir die Verantwortung, in diesen Bereichen die ent­sprechen­den Schritte zu setzen.


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Ich hoffe, dass die von uns eingebrachten Anträge endlich auch ernsthaft behandelt werden und dann hier im Hohen Haus Zustimmung erhalten und dass man vonseiten der Regierungsvertreter gegensteuert, auch Sie, Herr Justizminister: Ich habe ja auch wahrnehmen können, dass Sie da selbst aufgrund des einen konkreten Falls – es wird viele andere geben, aber aufgrund des einen konkreten Falls – sehr verärgert reagiert haben, weil da einiges durchgerutscht ist und man offenbar auch vonseiten der Justizverantwortlichen nicht gerade verantwortungsvoll vorgegangen ist.

Ich ersuche daher, es nicht an dem Einzelfall aufzuhängen, sondern an der Gesamt­situation, dass wir viele solche Situationsbilder haben, und ich hoffe, dass da wirklich von Ihrer Seite gegengesteuert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

15.19


Präsidentin Doris Bures: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.19.28

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Präsidentin! Ich möchte eigentlich an den Satz des Herrn Klubobmanns Strache anknüpfen, den er zuletzt gesagt hat, nämlich dass es da nicht nur darum geht, den Einzelfall in jede Richtung exakt zu überprüfen, sondern vor allem auch darum, zu überlegen, welche Kon­sequenzen man denn daraus für die Zukunft ziehen muss.

Es ist auch so, dass die Kritik, die hier geäußert wurde und die für mich völlig nachvoll­ziehbar ist, zwei Ebenen betrifft, die man natürlich gerade in meiner Funktion unter­scheiden muss. Ich habe dafür zu sorgen und bin auch dafür verantwortlich, dass in meinem Kompetenzbereich alles, was geschieht, auf gesetzlicher Grundlage geschieht und dass die Gesetze eingehalten werden. Die andere Ebene haben Sie auch ange­sprochen, Herr Klubobmann: Ob man nicht auch legistisch Änderungen vornehmen sollte, ist eine politische Frage und geht natürlich weit darüber hinaus.

Überhaupt scheint dieser Fall, der mich wirklich sehr betroffen gemacht hat, aus meiner Sicht symptomatisch zu sein. Insofern haben Sie recht, Herr Klubobmann. Ich habe von Anfang an das Gefühl gehabt, dass dieses furchtbare Verbrechen sympto­matisch etwas aufzeigt, dem wir besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Ich habe diese Einschätzung durch viele Briefe, die ich bekommen habe, bestätigt gefunden. Ich möchte nur einen kurzen Auszug aus einem Brief einer Opferschutzeinrichtung vorlesen, weil ich mich damit voll identifizieren kann:

Der Mord am Brunnenmarkt – heißt es in dem Brief dieser Opferschutz­einrichtungs­initiative – hat uns sehr betroffen gemacht. Wir trauern als BürgerInnen und als Einrich­tung um das Opfer, und unser tiefes Beileid gilt der Familie und den Hinterbliebenen. – Dem möchte ich mich an dieser Stelle auch ausdrücklich anschließen.

Weiter heißt es: Das Problem, das sich hier offenbart hat, nämlich dass bei Gewal­ttaten oft zu lange zugewartet und auf sie nicht adäquat reagiert wird, kennen wir aus unserer täglichen Praxis leider nur zu gut. Auch bei wiederholter Gewalt und erhöhtem Risiko ist es häufige Praxis, auf freiem Fuß ohne strafrechtliche Sicherungsmaß­nahmen und auch ohne psychosoziale Begleitmaßnahmen anzuzeigen. Wir sind sehr, sehr besorgt darüber. Bei der derzeitigen Praxis ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu weiteren Gewalttaten und Eskalationen kommen kann – auch in Fällen, bei denen das Gewaltproblem den Behörden vorher bekannt war.

Abschließend heißt es dann in diesem Schreiben: Es besteht dringender Handlungs­bedarf. – Zitatende.


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Ja, ich schließe mich dem an. Diese Schreiben kommen von Menschen, die wissen, wovon sie reden, die tagtäglich damit konfrontiert sind. Für mich war klar, dass man nicht nur genau und wirklich in jede Richtung überprüfen muss, was in diesem furcht­baren Fall geschehen oder auch nicht geschehen ist, welche Behörden allenfalls auch welches Fehlverhalten gesetzt haben können.

Mir wurde auch sehr bald klar, dass es um ein symptomatisches Problem geht, nämlich um einen Fall, der deutlich macht, dass wir Schwierigkeiten an den Schnittschnellen von Behördenzuständigkeiten haben. Ich sage Ihnen ganz offen: Nach knapp zwei­einhalb Jahren in dieser Funktion gibt es einen Satz, den ich nicht mehr hören kann; das ist der Satz: Ich bin nicht zuständig. (Allgemeiner Beifall.)

Wir im Justizressort kümmern uns auch um Bereiche, die bei uns einfach deutlich werden, auch wenn sie nicht unsere klassische Kernkompetenz betreffen. Opferschutz ist sehr wichtig, das ist so ein Fall. Wir machen das, wir geben auch sehr viel dafür aus, weil die Opfer natürlich einmal bei uns entsprechende Unterstützung brauchen; diese sollen sie auch bekommen – selbstverständlich auch in diesem Fall.

Das Entscheidende ist aus meiner Sicht aber, dass man wirklich klar sieht, dass es im Bereich der Behördenzuständigkeiten wahrscheinlich Änderungen braucht. Daher war für mich klar, dass wir eine Sonderkommission brauchen, die völlig unabhängig agieren kann. Der Vorsitzende der Sonderkommission musste für mich klarerweise ein unab­hängiger Richter sein. Ich habe ihm nur zwei Vorgaben gemacht: Das Erste war, dass natürlich auch Vertreter der betroffenen Ressorts, also Innenministerium und Justiz­minis­terium, dabei sein müssen. Das Zweite war mir auch wichtig: Es muss auch die Volksanwaltschaft vertreten sein.

Nach dem Artikel, in dem dieser Fall entsprechend medial aufbereitet wurde, war eine meiner ersten Reaktionen, dass ich persönlich Kontakt mit Volksanwältin Dr. Brinek aufgenommen habe, die für die Kontrolle im Bereich der Staatsanwaltschaften zuständig ist, ich habe auch persönlich mit Volksanwalt Dr. Fichtenbauer Kontakt aufgenommen – persönlich, nicht über den Amtsweg, das dauert mir viel zu lange. Ich habe persönlich mit der Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien Kontakt aufgenommen, weil ich wissen wollte, inwieweit dieser Medienbericht tatsächlich richtig ist. Es hat sich herausgestellt – ich komme noch dazu –, dass da schon noch einiges ergänzt werden müsste.

Mir war wichtig, dass ein unabhängiger Richter – konkret ist es der Vizepräsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen, Mag. Helfried Haas – daran geht, einerseits sicherzustellen, dass es eine objektive Überprüfung gibt, und andererseits auch Exper­ten heranzieht, die uns sagen können, welche Konsequenzen – auch legistisch – wir daraus ziehen müssen.

Heute, nach meiner Rückkehr von einer Dienstreise nach Russland, habe ich über die Medien wahrgenommen, dass der Vorsitzende bereits einiges unternommen hat, dass er auch bereits die Frage gestellt hat, ob man nicht neue Institutionen braucht. – Mir gefällt das. Es ist sehr gut, dass er jetzt schon sehr aktiv und auch sehr effizient agiert hat. Ich bin überzeugt, dass wir dem, was bei der Sonderkommission an Ergebnissen herauskommt, auch besonderes Augenmerk schenken werden müssen.

Ich habe das auch zum Anlass genommen, diesen Problembereich, um den es ja eigentlich geht, auch noch bei der anstehenden Reform des Maßnahmenvoll­zugs­rechts mit zu berücksichtigen. Ein Entwurf aus meinem Haus liegt auf meinem Schreibtisch. Ich bin nicht sicher, ob nicht da oder dort auch noch weitere Regelungen sinnvoll wären. Das könnte man allenfalls schon einbauen.


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Ich muss schon eines sagen – aber wem sage ich das? –: Reformen in Bereichen, die mehrere Zuständigkeitsbereiche betreffen, sind schon sehr schwierig. Da braucht es Zusammenarbeit über die Ministerien, über die einzelnen Zuständigkeiten hinaus.

Mir war und ist auch klar, dass es in Zukunft eine intensivere Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Justiz auf allen Ebenen braucht. Wir haben das in die Wege geleitet, Kollege Sobotka und ich. Das ist eine Art Schulterschluss zwischen Polizei und Justiz auf allen Ebenen. Wir wollen wirklich neue Wege gehen, und es ist auch notwendig.

Ja, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung hat gelitten. Da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen. Ja, es gibt Rohdaten aus dem Innenministerium, auf die man reagieren muss. Das ist keine Frage.

Ich habe auch schon einmal gesagt, dass sich natürlich immer dann, wenn der Migrationsdruck größer ist als die Integrationsmöglichkeit, leider auch mehr Kriminalität ergibt. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Ja, das ist so. Dem muss man eben mit entsprechenden Maßnahmen begegnen, indem man einerseits den Migrationsdruck dämpft und andererseits dadurch auch die Integrationsmöglichkeiten erhöht. Das ist genau das, was die Bundesregierung ja ohnehin geplant hat.

In meinem Bereich ist es aber auch wichtig, dass wir wirklich die Konsequenzen ziehen, die notwendig sind. Ich habe das Gefühl – und das ist das, was so betroffen macht –, dass es in diesem Fall um jemanden ging, für den sich praktisch niemand so richtig zuständig gefühlt hat.

Eines muss man natürlich auch berücksichtigen, und ich sehe das auch: Der Beruf des Polizisten und des Justizwachebeamten ist bei Gott nicht immer ein angenehmer. Ich kann mir gut vorstellen, dass man in vielen Bereichen auch an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit gelangt. Ich sehe auch das Problem, das entsteht, wenn die Motivation der Exekutivbeamten leidet – auch wegen Überforderung, auch, weil einfach so vieles letztlich auf ihren Schultern lastet. Ich sehe es auch bei der Justizwache, und ich erkenne das auch an. Ich versuche auch, das zu verbessern. Ich glaube wirklich, dass wir da gemeinsam Anstrengungen unternehmen müssen, um auch den Exe­kutivbeamten wieder das Gefühl zu geben, dass sie eine entsprechende Unterstützung haben, wenn sie sie brauchen. Auch das ist für mich kein Thema und keine Frage. Auch das müssen wir im Auge behalten.

Daher kann ich zu diesem furchtbaren Verbrechen an sich nur sagen, dass es eine lückenlose und transparente Aufklärung in jeder Beziehung geben wird.

Die Fragen, die im Rahmen der Dringlichen Anfrage gestellt wurden, werde ich jetzt auch beantworten – auch in den Bereichen, in denen sie meine Zuständigkeit natürlich übersteigen. Sie wissen das: Abschiebungen nach fremdenpolizeilichen Vorschriften liegen nicht in meiner Zuständigkeit. Ich bin nur für die Übernahme von Personen, die sich bereits hier in Österreich in Haft befinden, zur Strafvollstreckung in ihre Heimat­länder zuständig. Da haben wir jetzt eine Initiative gestartet, für die ich aber auch wieder die Sicherheitsbehörden und allenfalls auch andere Ressorts brauche. Das geschieht auch.

Ich denke aber, wesentlich ist, dass ich Ihnen jetzt diese Fragen, soweit ich es eben kann, konkret beantworte. Eine Antwort werden Sie auf Ihre vielen Fragen sicher nicht hören, nämlich die Antwort: Ich bin nicht zuständig. Das werden Sie sicher nicht hören.

Ich gehe davon aus, dass Sie auch eine schriftliche Anfrage an das Innenministerium stellen werden, weil es ohnehin einige Punkte gibt, über die ich einfach nichts sagen kann, weil wir das Aktenmaterial nicht haben. Es ist auch klar, dass im Rahmen dieser Sonderkommission alles an Unterlagen aufliegen wird, und dann werden wir auch die


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Kommunikation zwischen den Behörden transparent machen und genau überprüfen können.

Herr Klubobmann, Sie haben das zu Recht kritisiert: Wie gibt es das, dass einerseits ein Gefahrenpotenzial so lange unerkannt bleibt oder aber vielleicht erkannt wird, ohne dass es aber die entsprechende Reaktion darauf gibt? Braucht es vielleicht tatsächlich neue legistische Grundlagen, damit man diesem Gefahrenpotenzial auch rechtzeitig begegnen kann? Da sind sicherlich auch die Gesundheitsbehörden gefordert, das muss man auch ganz offen sagen.

Ich habe unmittelbar danach auch sehr konstruktive persönliche Gespräche mit Kolle­gin Oberhauser geführt. Ich habe auch ein sehr konstruktives Gespräch mit Stadträtin Wehsely in Wien geführt, weil ja auch die Landesbehörden gefragt sind.

Das war alles sehr konstruktiv, weil allen klar ist: Wir haben es hier mit einem Problem zu tun. Es muss uns über mehrere Ministerien oder Behörden hinweg gemeinsam ein Anliegen sein, auf entsprechendes Gefährdungspotenzial so zu reagieren, dass solche furchtbaren Fälle in Zukunft nach menschlichem Ermessen möglichst ausgeschlossen werden können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und Team Stronach.)

Zur Frage 2, was den Aufenthaltstitel betrifft:

Nach meinen Informationen gab es nie einen gültigen Aufenthaltstitel, allenfalls im Rahmen der Gültigkeit dieses Touristenvisums.

Nach allem, was ich weiß, erfolgte die Einreise 2008. Damals müsste der Betreffende zwölf Jahre alt gewesen sein, da war er also noch sehr, sehr jung.

Die ersten Auffälligkeiten ergaben sich im Bereich der Justiz im Jahre 2010, damals war er 16 Jahre alt, wobei sich die Altersfeststellung des Beschuldigten eindeutig aus unbedenklichen Urkunden ergibt. Das heißt, es war daher nicht notwendig, das auch nur infrage zu stellen. Das ist auch verständlich, wenn die Einreise seinerzeit mit einem Touristenvisum erfolgte.

Also, wie gesagt: Alter bei der Einreise nach meinen Informationen zwölf Jahre, aber auch das ist eine Frage, die das Innenministerium kompetenzmäßig sicherlich besser beantworten kann; erstmalige Auffälligkeit bei staatsanwaltschaftlichen Behörden war, wie erwähnt, am 9. Oktober 2010, also im Alter von 16 Jahren muss das dann ge­wesen sein.

Dann kam es eben zu mehreren Aufenthaltsermittlungen. Dazu kann ich nur sagen, dass es selbstverständlich diese alten anhängigen Verfahren, die vergleichsweise gerin­gere Delikte betroffen haben, genauso noch gibt, daher kann ich zum jetzigen Zeitpunkt im Detail zu den anhängigen Ermittlungsverfahren nicht so genau Stellung nehmen. Wir müssten dazu wirklich die Akten entsprechend analysieren. Das wird im Rahmen der Sonderkommission geschehen, und dann wissen wir es genauer.

Deshalb sind die Fragen momentan so schwer zu beantworten: Wann ist welche Ladung erfolgt? Warum oder wann wurde dieser Ladung nicht entsprochen? Welche Konsequenzen hatte das? – Das ist einfach nur aus den Akten nachvollziehbar, und die stehen mir in der kurzen Zeit nicht zur Gänze zur Verfügung.

Laut den Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen, wurde kein gerichtliches Unter­brin­gungsverfahren nach dem Unterbringungsgesetz eingeleitet. Das ist auch ein wich­tiger Punkt, denn an sich gibt es ja das Unterbringungsgesetz, das es auch auf Veran­las­sung der Polizei ermöglicht, dass jemand in der psychiatrischen Anstalt untergebracht wird. Das ist nie erfolgt. Ich kann nicht sagen, warum. Das ist ja auch etwas, das man hinterfragen und überprüfen muss. Das betrifft natürlich auch andere Ressorts, im konkreten Fall das Innenministerium und allenfalls auch das Gesundheitsministerium.


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Ich möchte in diesem Zusammenhang schon erwähnt haben, dass auch Frau Kollegin Oberhauser zu mir gesagt hat, dass sie das Gefühl hat, dass man sich beim Unter­bringungsgesetz vielleicht da oder dort Änderungen überlegen müsste. Vielleicht – und das ist jetzt mein Gefühl – war man in den letzten Jahren etwas zu optimistisch, was die Möglichkeit der Behandlung von psychischen Auffälligkeiten betrifft. Vielleicht war man da einfach zu optimistisch und hat dadurch vielleicht auch Einrichtungen nicht mehr in der Form, die wir im Prinzip ja noch haben, in Anspruch genommen. Das Unter­bringungsgesetz würde es ermöglichen, dass jemand bei psychischer Auffäl­ligkeit, wenn die Sicherheitsbehörden in ihm Gefahrenpotenzial erkennen, auch psychiatrisch behandelt werden kann.

Diversion gab es keine.

Zur Frage einer Anklage in Österreich:

Es gab seit 2010 acht Strafanträge – keine Anklagen, es waren also nie Verbrechen dabei – wegen diverser Vergehen, die er als Jugendlicher oder junger Erwachsener begangen hatte. Vier dieser Strafanträge führten zu Verurteilungen. Über die weiteren vier Strafanträge wurde noch nicht abgeurteilt, diese Verfahren sind noch offen. Freisprechende Erkenntnisse liegen nicht vor, diversionelle Erledigungen, wie erwähnt, auch nicht.

Es wurde diesen Verfahren auch nie ein Gerichtssachverständiger beigezogen. Auch das ist ein zentrale Frage: War die psychische Auffälligkeit erkennbar oder nicht? Falls ja: Wer hätte sie erkennen müssen?

Derzeit wird wegen der alten Delikte ermittelt, die noch anhängig waren. Das waren eine leichte Körperverletzung und eine Sachbeschädigung. Natürlich wird auch wegen des Verbrechens des Mordes ermittelt.

Zur Frage 13:

Das ist auch eine ganz zentrale Frage. Am 2. Juni 2015 kam es zu dieser leichten Körperverletzung, die auch nur als leichte Körperverletzung von der Polizei angezeigt wurde. Tatmittel war allerdings schon eine Eisenstange, aber die Folgen waren eben so, dass sich nur eine leichte Körperverletzung ergeben hat. Das ist dann natürlich eine Sache für den Bezirksanwalt und hat schon von der Anzeige her nicht den Auffälligkeitswert, den es vielleicht hätte haben sollen.

Es gab in zwei Fällen Anträge auf Verhängung der Untersuchungshaft durch die Staatsanwaltschaft. In beiden Fällen wurde die Untersuchungshaft auch antragsgemäß verhängt. Jetzt gibt es natürlich wieder Untersuchungshaft, das ist klar. Der Beschul­digte befindet sich in Untersuchungshaft.

Ich habe natürlich auch im Rahmen dieser Sonderkommission von Anfang an die Ab­sicht gehabt, dass man eine allfällige Verantwortlichkeit der mit diesem Fall beschäf­tigten Institutionen und Personen genauer überprüft. Mir ist wichtig, dass man sich vor allem auch die Kommunikation zwischen Polizeibeamten und Staatsanwaltschaft genau anschaut.

Dazu kann ich an dieser Stelle aber schon eines sagen: Die Wiedergabe in dem Medium war insofern nicht ganz vollständig, als es auf dieses eine E-Mail von der Polizei an die Staatsanwaltschaft auch ein Antwortmail gegeben hat. Das heißt, es war nicht so, dass da überhaupt keine Reaktion erfolgt wäre. Ob insgesamt die Vorgangs­weise, die Verhaltensweise der betroffenen Organwalter richtig war oder nicht, soll eben genau diese Sonderkommission klären, und zwar absolut und in jede Richtung. Dann wird man sehen, was es wirklich war: War es eine Art Multiorganversagen oder


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ein Systemfehler? – Ich halte derzeit eher Letzteres für das Wahrscheinlichere, aber ich will dem nicht vorgreifen. Wir werden sehen, was da letztlich herauskommt.

Es wird in jede Richtung ermittelt. Das heißt, es wäre jetzt nicht sinnvoll, konkrete Fragen zu beantworten: Gegen wen wird konkret ermittelt, mit welchen Methoden? – Ich kann nur sagen – und das kann ich Ihnen wirklich versprechen –: Meine einzige Vorgabe für die Sonderkommission ist, dass in jede Richtung schonungslos ermittelt werden soll. Es braucht wirklich eine entsprechende Aufklärung, und die Bevölkerung hat ein Recht darauf, genau zu erfahren, was im Zusammenhang mit diesem Ver­brechen geschehen oder eben nicht geschehen ist.

Die Fragen hinsichtlich der Untersuchungshaft und warum in so einem Fall nicht öfter die Untersuchungshaft beantragt und verhängt wurde, betreffen eigentlich Fragen der Rechtsgrundlagen der Untersuchungshaft. Wir haben natürlich schon entsprechende rechtliche Vorgaben. Wenn ich mir das im Detail ansehe, dann muss ich schon sagen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Informa­tionslage konkret verabsäumt hätte, Untersuchungshaft zu beantragen. Wie gesagt, die letzte Auffälligkeit vor diesem furchtbaren Verbrechen war nicht so geartet, dass man aus der Sicht der Staatsanwaltschaft einen Haftgrund hätte annehmen können. Das wurde in diesem Fall im Juni 2015 auch von der Polizei nicht angeregt.

Zu den Fragen 19, 20 und folgende:

Nun, auch dazu kann ich sagen (Abg. Lugar: Was ist mit 17?), dass eine seriöse Ant­wort auf diese durchaus berechtigten Fragen, die sich natürlich auf mögliche Schwach­stellen des Systems beziehen, eigentlich erst möglich ist, wenn wir die Ergebnisse der Sonderkommission haben.

Was die Frage 21 betrifft:

Das ist wieder genauso eine Frage an der Schnittstelle zweier Kompetenzen. Es ist auch jetzt so, dass es bei Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens die Möglichkeit gibt, jemanden allein deshalb auszuweisen – natürlich. Es ist daher die Frage: Braucht es im strafrechtlichen Bereich zusätzliche Regelungen oder nicht? Im Prinzip müsste das nämlich jetzt auch schon möglich sein, es funktioniert nur in der Praxis oft nicht; das ist völlig richtig, aber das ist letztlich wieder eine Frage, die das Innenministerium betrifft. Ich sehe das durchaus offen, aber ich will Doppelgleisigkeiten vermeiden. Natürlich sollte nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer schweren Straftat eine Ausweisung möglich sein, das ist eigentlich jetzt schon so – man sollte nur sicherstellen, dass es praktisch funktioniert. Da bin ich ganz bei Ihnen.

Die Fragen 22 und 23 nehmen eigentlich vorweg, was erst geklärt werden soll:

Da wird von einer Untätigkeit eines Staatsanwalts ausgegangen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich nicht sagen, ob das wirklich vorliegt oder nicht. Ich weiß es schlicht und einfach nicht. Ich glaube, jetzt ist einfach die Zeit für eine sachliche Untersuchung ohne voreilige Schuldzuweisungen; das ist der entscheidende Punkt. (Abg. Lugar: Es geht aber um die Normen! Es geht um die Normen! Lesen Sie den Satz!) – Ja, ja, aber ich habe schon darauf hingewiesen, dass die mediale Berichterstattung zumindest in einem wesentlichen Punkt unvollständig ist, nämlich in Bezug auf die Kommunikation zwischen Polizei und Justiz, konkret Staatsanwaltschaft. Das muss man sich schon genau anschauen, bevor man voreilige Schuldzuweisungen vornimmt. Darum kann es jetzt aber nicht gehen.

Es geht wirklich darum, unabhängig vom Einzelfall, wie hier auch schon völlig zu Recht gesagt worden ist, gemeinsam zu überlegen, wie man das hier deutlich gewordene Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung durch sinnvolle Maßnahmen, allenfalls


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wahr­scheinlich auch legistische Maßnahmen, entsprechend reduzieren kann. Das ist der Punkt, darum geht es. Wir haben überhaupt, wie Sie alle wissen, im strafrecht­lichen Bereich und vor allem im Strafvollzugsbereich entsprechenden Reformbedarf.

Ich möchte auch sagen, dass da schon viele Dinge mit hineinspielen. Ich habe die finalen Arbeiten am Maßnahmenvollzugsgesetz nicht zufällig erwähnt. Wir brauchen wieder mehr Gerichtspsychiater. Wir brauchen auch eine bessere Honorierung der Sachverständigen in diesem Bereich. Da bitte ich dann aber auch um Ihre Unter­stützung, wenn es um solche Dinge geht, wenn es etwa darum geht, etwas, das ich schon seit Langem versuche, wirklich durchzusetzen und umzusetzen, damit man die bestmögliche Unterstützung auch von dieser Seite bekommt. Derzeit sind die Gerichts­psychiater durchaus im Recht, wenn sie sagen, dass einfach ihre Honorarsätze dem, was die leisten und verantworten müssen, nicht gerecht werden. Ich sehe das auch so. Bis jetzt war es aus budgetären Gründen nicht möglich, da entsprechend nachzu­ziehen.

Es geht auch um ein vernünftiges System der Krankenversorgung der Insassen von Strafanstalten. Auch das ist noch nicht erledigt. Es sollte im Prinzip selbstverständlich so sein wie beim ASVG-System – nicht anders, keine Sonderregelungen. Wir haben das aber bisher nicht geschafft, weil es, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit schon gesagt haben, in diesem Bereich, der natürlich nicht sehr populär ist, wahnsinnig schwierig ist, die nötige Unterstützung zu bekommen.

Auch dieser Fall macht jedoch deutlich, dass man da einfach über die Grenzen der einzelnen Ministerien hinausdenken muss, dass man einfach sehen muss, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, mit dem wir konfrontiert sind, und da braucht es wirklich Zusammenarbeit. Es gibt Situationen, in denen einem bewusst wird, gerade auch als Minister, wie schwer es ist, bürokratische Hürden zu überwinden, wie schwer es ist, veraltete Strukturen zu überwinden. Das ist heute auch schon mehrfach grund­sätzlich erwähnt worden, und das ist auch so.

Ich habe früher meinen Studenten oft gesagt, ich stelle mir vor, wie die Verwal­tungs­struktur Österreichs aussähe, wenn man sie auf dem Reißbrett völlig neu erfinden könnte. Das ist ein faszinierender Gedanke. Ich habe dann immer gesagt: Ich weiß nicht, was herauskommen würde, aber eines weiß ich: Das, was wir haben, käme nicht heraus, weil das viel zu schwerfällig und viel zu mühsam ist. Da muss man wirklich sagen, da braucht es in Wirklichkeit auch einfach einen Ruck quer durch alle Ressorts, wie heute schon angesprochen worden ist, um die nötigen Veränderungen so rasch durchzuführen, wie es einfach notwendig ist.

Wenn systemimmanente Reformen zu schwierig werden, dann braucht es system­transzendente Ansätze, Ansätze von außen, und da tun sich Quereinsteiger natur­gemäß sogar leichter. Daher kann ich nur sagen: Das, was hier als Systemfehler deutlich wird, ist auch ein Grund für die umfassenden Reformen, die wir gestartet haben. Ich kann nur noch einmal darum bitten, dass wir auch die entsprechende politische Unterstützung für das bekommen, was da notwendig ist.

Abschließend möchte ich zu allen anderen Fragen nur sagen, dass einfach seriö­serweise die Ergebnisse der Sonderkommission abzuwarten sind, dass es die engere Kooperation mit dem Innenressort auf allen Ebenen geben wird, dass es aus meiner Sicht – auch keine Frage – mehr Unterstützung für die Exekutivbeamten geben muss und dass wir natürlich auch den Sicherheitsmonitor brauchen, der im Bereich des Innenministeriums erstellt wird, der aus Daten besteht, die zwar noch nicht wirklich eine verlässliche Datenbasis darstellen, der aber sehr wohl ein wichtiger Indikator dafür ist, dass es in bestimmten Bereichen bedenkliche Entwicklungen gibt, auf die man reagieren muss.


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Das beachten wir natürlich in enger Abstimmung mit dem Innenministerium, weil wir eines gemeinsam wollen: möglichst rasch reagieren und gegensteuern. Ja, wir haben Handlungsbedarf, wir reagieren entsprechend, und ich bitte dort, wo ich auch Ihre Unterstützung brauchen werde, schon jetzt um diese und werde sie dann auch einfordern. Wir brauchen eine konstruktive Mitarbeit aller betroffenen Ressorts, ein konstruktives Miteinander. Das wäre für mich so wichtig, dass man aufhört, immer nur bis zum eigenen Tellerrand zu schauen, dass man wirklich im Interesse des Landes eine Kooperation schafft, die auch eine große Reform tatsächlich so bewältigen kann, wie es notwendig ist.

Das wäre mein Ziel, und ich bitte da auch um Ihre Unterstützung – ohne diese wird es nicht gehen. Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS.)

15.46


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundesminister.

Ankündigung eines Antrages auf nochmalige Verlängerung des Untersuchungsausschusses

 


Präsidentin Doris Bures: Bevor wir in die Debatte einsteigen, möchte ich noch bekannt geben, dass die Einsetzungsminderheit des Hypo-Untersuchungsausschusses gemäß § 53 Abs. 6 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsaus­schüsse einen Antrag auf nochmalige Verlängerung des genannten Untersuchungs­aus­schusses bis 10. Oktober 2016 eingebracht hat.

Die Abstimmung des gegenständlichen Antrages erfolgt gemäß § 53 Abs. 6 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse am Ende dieser Sitzung.

*****

Damit steigen wir in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. Maximale Rede­zeit: 10 Minuten, freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


15.47.47

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsident! Meine Her­ren Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Brandstetter, Sie haben die Anfrage jetzt wirklich sehr ausführlich beantwortet. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken – auch dafür, dass Sie davon gesprochen haben, dass sich hier offensichtlich herauskristallisiert, dass es nicht ein einzelnes Multiorganversagen war, sondern dass da offensichtlich schon ein Systemfehler dahintersteht.

Auch abgesehen von diesem Einzelfall muss man nämlich ehrlicherweise sagen, dass wir generell einen massiven Anstieg an Kriminalität haben. Erst heute Nacht gab es wieder ganz in der Nähe dieses Tatortes, also auch im 16. Bezirk, bei der U-Bahn-Station Thaliastraße, eine Rauferei, im Zuge derer ein Würstelstand kaputtgemacht wurde. Es gab eine Messerstecherei, 30 schwarzafrikanische Drogendealer sind auf zwei Türken gestoßen, und es gab eine Schlägerei.

Da sieht man schon, dass die Kriminalität ansteigt, dass auch die Aggressionen massiv ansteigen. Das ist überhaupt eines der zentralen Probleme, die ich hier in diesem Bereich sehe. Wir erleben derzeit im öffentlichen Raum, auf unseren Straßen ein Aus-


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leben von Aggressionen, eine völlige Unbeherrschtheit, und das in einem Ausmaß, wie wir es eigentlich in der Vergangenheit so in dieser Art nicht gewohnt waren.

Sie haben auch gesagt, Sie verstehen ja, dass die Polizei frustriert ist. – Ja, das verstehe ich auch. Wenn man mit vielen Polizeibeamten spricht, die einem erzählen, dass sie sich beispielsweise wirklich plagen, dass sie Drogendealer, dass sie Ein­brecher dingfest machen, dass dann aber bei Gericht vonseiten der Staatsanwaltschaft praktisch nichts geschieht, dass es abgelegt wird, dann kann man den Frust der Polizeibeamten verstehen, die dann sagen: Und zwei Tage später lacht er mir wieder ins Gesicht! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Hagen.)

Man muss schon sagen: Ja, da kann man langsam verstehen, dass die Polizei frustriert ist. Herr Bundesminister, ich bin auch sehr froh, dass Sie diese Soko ein­gesetzt haben, denn ich habe gerade bei der OStA in Wien das Gefühl, dass manches Mal schon auch eine falsch verstandene Ideologie dahintersteckt, dass man gerade ausländische Straftäter, dass man vor allem Drogendealer nicht so scharf angehen will, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf.

Dieses Gefühl wird man als Staatsbürger einfach nicht los, wird man auch nicht los, wenn man mit Beamten spricht. Wenn man sich diese Gegend im 16. Bezirk rund um den Gürtelbereich bis hinauf zum Brunnenmarkt, zum Yppenplatz anschaut, dann sieht man, dass das ein sogenannter Hotspot ist – und es gibt mehrere solcher Hotspots in Wien –, in den in den letzten Jahren sehr viel investiert wurde, um daraus ein sogenanntes hippes Viertel zu machen, doch dieser Versuch ist eigentlich, wie man an der dort jetzt explodierenden Kriminalität sieht, ein bisschen schiefgegangen. Es gibt in dem Grätzel nicht nur Drogenkriminalität, Einbruch oder Raub, es gibt auch Schutzgelderpressungen. Das ist der Polizei alles bekannt, und trotzdem werden diese Zustände nicht abgestellt.

Viele Bürger, die dort wohnen, sind verzweifelt. Diese Menschen sind wirklich nicht FPÖ-affin, das möchte ich schon einmal dazusagen, weil es ja immer gerne so dargestellt wird, dass die Freiheitlichen die Bösen sind, die da wieder verhetzen. Diese Menschen haben gar nichts mit der FPÖ am Hut und sagen mir sogar am Telefon oder schreiben mir in einem E-Mail, sie würden die FPÖ nicht wählen, aber sie fühlen sich dort nicht mehr wohl, sie fühlen sich dort nicht mehr zu Hause, sie trauen sich nicht mehr, ihre Kinder in der Nacht über den Brunnenmarkt gehen zu lassen.

Ein erwachsener Mann hat mich vor wenigen Wochen angerufen und hat mir gesagt, er ist Vater von zwei kleinen Kindern, er ist nicht ängstlich, aber er hat ein ungutes Gefühl gehabt, als er um 2 Uhr in der Früh in der Thaliastraße in den Nachtautobus umsteigen musste. Das heißt, da ist schon Feuer am Dach, und ich glaube, es ist dringend notwendig, da einmal ein Umdenken herbeizuführen, vor allem auch in der Staatsanwaltschaft.

Daher ist es gut, dass es auch eine Soko gibt, die dann vielleicht auch ein bisschen über diesen Fall hinaus Wirkung zeigen wird. Es kann ja nicht sein, dass die Polizei auf der Straße ihren Kopf hinhält, dass die Polizei arbeitet und dass bei der Staats­anwaltschaft alles niedergelegt wird. Das ist der Boden, der Frust nährt, und auf der anderen Seite hat die Bevölkerung das Gefühl: Egal, was wir tun, egal, wo wir anrufen, ob wir bei der Polizei anrufen, ob wir beim Magistrat anrufen, es ist vollkommen egal, da kommt die Polizei vorbei, aber es ändert sich nichts! – Dieser Satz: Es ändert sich eh nichts, ich hab schon so oft überall angerufen, ich weiß schon nicht mehr, was ich noch machen soll!, spiegelt den Frust in der Bevölkerung wider, Herr Bundesminister, und das ist ein Satz, der uns allen zu denken geben sollte und uns zeigen sollte, dass wir eine solche Situation nicht haben wollen. Es kann ja keiner wollen, dass wir in Kriminalität leben! (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich glaube, gerade hinsichtlich dieser Kriminalitätsproblematik – Klubobmann Strache hat es heute schon angesprochen – muss man erwähnen, dass wir wissen, dass natürlich rund um die Asylwerberheime ein massiver Anstieg an Kriminalität zu ver­zeichnen ist. Noch ein Beispiel aus Ottakring, allerdings an einer ganz anderen Stelle: In der Gegend um ein ehemaliges Altenheim sind, seit es dort Asylwerber gibt, über 700 Polizeieinsätze zu verzeichnen. Das ist schon eine eindeutige, deutliche Sprache.

Da muss man auch hinschauen dürfen und da darf es keine ideologischen Scheuklap­pen geben. Jene, die unter dem Titel Asylwerber hier herkommen, die hier Schutz suchen und sich eben nicht an die Gesetze halten und hier nur kriminelle Taten im Hinterkopf haben, haben in Österreich nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ, bei Abge­ordneten der ÖVP sowie des Abg. Hagen.)

Herr Bundesminister, in diesem Sinne noch einmal danke für die Soko, und ich bitte Sie wirklich, dass das ohne Scheuklappen genau analysiert wird, dass hingeschaut wird und dass auch einmal die ideologische Ausrichtung der OStA in Wien ein bisschen überprüft wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

15.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


15.54.11

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die gesamte Vorgeschichte und den gesamten Ablauf dieser Handlungen anschaut, versteht wirklich niemand, wie es passieren konnte, dass im April eine Frau durch einen amtsbekannten Gewalttäter getötet wurde. Es gebührt den Hinterbliebenen sicherlich unsere Anteilnahme, weil es ja offenkundig ist, dass die Dinge im staatlichen Bereich, im amtlichen Bereich in vielerlei Hinsicht nicht zusammengepasst haben und daher eine massive Verletzung zumindest des Amtsverständnisses, wenn nicht sogar gesetzlicher Grundlagen erfolgt ist.

Es waren gegen die Person, die seit acht Jahren in Österreich war, vier Strafverfahren anhängig, es sind 18 Strafanzeigen erfolgt, die Person wurde bereits 26 Mal zur Staatsanwaltschaft geladen, eine zweimonatige Jugendhaftstrafe war verhängt wor­den, und seit 2014 ist sie illegal in Österreich aufhältig gewesen. Die Person konnte von einem Teil der amtlichen Behörden nicht gefunden werden, war aber bei einem anderen ununterbrochen präsent, weil eben am Brunnenmarkt diese Vorfälle stattge­fun­den haben.

Wenn der Minister hier gesagt hat, dass ihn der Zorn packt, wenn er sich die Details näher anschaut, dann kann man auch im Zusammenhang mit den heutigen Ausfüh­rungen nur dafür danken, dass diese Sonderkommission eingesetzt wurde. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) – Danke.

Es ist schade, dass es dieser Kommission bedurfte oder bedarf, aber ich denke, dass wir aus dem Ergebnis sicherlich das Bestmögliche machen können. Weil jetzt so im Raum steht, es gäbe Personen, die eher duldsam gegenüber strafrechtlichen Hand­lungen sind, und andere, die das weniger sind, eine Feststellung: Ich glaube, niemand hier im Haus will haben, dass strafrechtliche Handlungen gesetzt werden – durch wen auch immer, ob das Inländer oder Ausländer sind, ob das Asylwerber, Asylanten oder andere hier aufhältige Menschen sind.

Auch dazu gibt es eine klare Rechtslage, bis hin zum Asylgesetz, das uns ganz eindeutig weist, wer Anspruch auf Asyl hat; und wer keinen Anspruch hat, der hat dann eben keinen Anspruch, mit den entsprechenden Konsequenzen. Wenn strafbare Hand-


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lungen begangen werden – und das sind ja meistens eher massive Handlungen, etwa die gerade genannten am Praterstern und sonstige Dinge –, dann sind Aufenthalts­verbote zu verhängen, Abschiebungen durchzuführen und all die notwendigen Konse­quenzen einfach zu setzen.

In diesem Zusammenhang gibt es, wie wir alle wissen, Problemlagen, insbesondere dort, wo sich Staaten weigern, jemanden zurückzunehmen. Im gegenständlichen Fall wäre das mit Nigeria sicherlich nicht der Fall gewesen, weil ja alles dokumentiert war, auch durch dieses Einreisevisum. Da muss man – wahrscheinlich wir alle gemeinsam wie auch immer unterstützend – schauen, dass wir mit den einzelnen Staaten Abschie­bungsübereinkommen durchsetzen. Deutschland hat es ja im ganzen nordafrikani­schen Raum, in Marokko, Algerien, Tunesien, geschafft. Das sollten wir auch tun, sowohl im Rahmen der EU als auch für uns allein in bilateralen Gesprächen, weil wir ja gerade aus dieser Region in letzter Zeit vor allem in der Suchtmittelszene sehr viele Zugewanderte feststellen, die insbesondere im Bereich des Gürtels und des Prater­sterns handeln.

Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Folgendes muss ich dazu schon sagen, weil wir ja immer wieder versuchen, Situationen und Problemen auch entsprechend zu begegnen, wenn man sie erkennt: Die Situation ist jetzt eine etwas andere als noch vor einem Jahr oder vor zwei Jahren. Das betrifft aber nicht nur Österreich, sondern das ist europaweit so; die Thematik ist global. Es gibt diese Bewegungen, und wir müssen mit diesen Bewegungen auch in unserem Staat entsprechend umgehen. Der Rechtsstaat hat scharfe Waffen, und die sollte er auch einsetzen.

Wir haben daher im Rahmen der Strafrechtsreform Diskussionen geführt, wie man die sexuelle Selbstbestimmung – das ist ja genau das Thema seit Silvester – der Frauen, der Menschen stärken kann. Wie kann man sexuellen Belästigungen vorbeugen? Wie kann man diese auch strafrechtlich bewehren, damit auch entsprechende Abwehr schaffen und zeigen, dass der Staat das eben nicht will, dass man in die Sphäre eines Menschen eindringt, geschweige denn auch noch jemandem Gewalt antut.

Da hätte ich mir erwartet – wir haben damals lange diskutiert –, dass wir eine einstim­mige Beschlussfassung bei der StGB-Novelle zustande bringen. Warum die Kolle­ginnen und Kollegen von der FPÖ da nicht zugestimmt haben, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, warum das bei § 17 Suchtmittelgesetz so ist. Wir wissen, dass es in vielen Bereichen – das ist angesprochen worden – echte Problemlagen mit Suchtmittel­händ­lern gibt. Wir haben § 17 Suchtmittelgesetz vorgeschlagen, haben ihn mittlerweile be­schlos­sen, und er wird mit 1. Juni in Kraft treten. Da wird eine ganz massive Verbes­serung in diesem Bereich erkennbar sein.

Es ist der Polizei wieder möglich – das ist das, was Sie, Frau Kollegin, vorhin ange­schnitten haben –, dass sie Untersuchungshaft verhängt, auch bei kleinen Mengen, auch beim ersten Mal, wenn das im öffentlichen Raum stattfindet – und das findet alles im öffentlichen Raum statt, was ja Ärgernis erregt –, und damit werden wir vielleicht nicht alle Probleme beseitigen, aber eine deutliche Verbesserung herbeiführen.

Warum Sie hier nicht mitgestimmt haben, habe ich nicht verstanden, weil wir uns eigentlich alle sehr bemüht haben, da eine hundertprozentige Zustimmung zu bekom­men. Wenn man im Nachhinein über diese Dinge jammert, wo wir uns im Vorhinein eigentlich bemüht haben, Lösungen zu finden, dann muss man sich schon gefallen lassen, dass man sagt, Sie sind dann vielleicht nicht ganz Bestandteil der Lösung, sondern vielleicht auch des Problems. Ich will das jetzt nicht polemisch sagen – es ist auch nicht notwendig, weil die Diskussion bis dato auch sehr sachlich verlaufen ist –, aber ich will Sie einladen, dass wir uns in Zukunft vielleicht in dem einen oder anderen Bereich – und wir haben gerade im Justizausschuss eigentlich ein sehr gutes Verhält-


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nis und sprechen die Dinge auch sehr offen an – zu Dingen durchringen, die einfach sachlich geboten sind und die man auch ohne großartigem Lärm und ohne großartige Schuldzuweisungen leicht machen könnte.

Hier ein Appell an die Sachlichkeit; auch im Sinne der Ausführungen des Herrn Bundesministers möchte ich das verstanden wissen und auch als Einladung für eine gute, gemeinsame zukünftige Lösung in derartigen Angelegenheiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

16.01


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


16.01.18

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Mein tiefstes Mitgefühl gilt der Familie, den Angehörigen und den Freunden nach diesem tragischen Vorfall am Brunnenmarkt. Ich verstehe die Sorgen und die Trauer der Betroffenen. Ich verstehe die Fragestellungen, die sich auch mir aufdrängen: Hätte man die Tat verhindern können? Was ist vorher konkret passiert? Hat es Fehler gegeben? Doch mit Wut lassen sich die Fragen nicht beantworten.

Herr Bundesminister! Du hast in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahrt und hast sofort eine Untersuchungskommission eingesetzt, die Soko Brunnenmarkt. Diese wird nun unter richterlichem Vorsitz prüfen, ob es im Vorfeld zu dieser Bluttat behördliche Versäumnisse gegeben hat. Danke für deine rasche Reaktion!

Unsere Erwartungshaltung hier im Hohen Haus ist, dass die Soko völlig unabhängig arbeitet und die Thematik ergebnisoffen diskutiert wird. Ich habe da großes Vertrauen in die detaillierte Aufarbeitung, und ich erwarte mir Aufschluss über konkrete mögliche Handlungsoptionen, natürlich auch gesetzlicher Natur, so sie dort aufgezeigt werden.

Herr Bundesminister! In der Beantwortung der Dringlichen Anfrage hast du wieder einmal gezeigt, dass du nicht nur ein ausgezeichneter Jurist und Strafrechtsexperte bist, sondern dass du auch ein lösungsorientierter Minister bist, der die Aufarbeitung ohne alle Tabus in den Raum gestellt hat und gleichzeitig eine ganzheitliche Sicht dargestellt hat. Es gilt nun, die Schnittstellen zwischen Justiz, Polizei und auch ande­ren Bereichen wie den Gesundheitsbehörden genau zu durchleuchten. Das Ziel muss klar sein: Straffällige dürfen im Sicherheitsnetz der Behörden nicht durchrutschen. Sie müssen festgemacht werden.

Wir brauchen daher eine noch bessere Vernetzung. Der Informationsfluss zwischen den Behörden muss ungehindert und direkt sein. Es gilt hier, technische Möglichkeiten, die es nunmehr gibt, in dieser modernen Zeit auch zu verwenden. Wir haben durch diesen Anlassfall in der wahrscheinlich folgenden gesetzlichen Veränderungsphase die Möglichkeit, auch Chancen zu nutzen.

Danke für den Satz, ein „Ich bin nicht zuständig“ darf es in Zukunft nicht geben. – Ich glaube, das sagt alles. Wir müssen der Polizei, der Kripo, alle geeigneten Mittel in die Hand geben, damit sie sowohl die Straftaten entsprechend gut erfassen kann, aber auch bezüglich der Täter die richtigen Maßnahmen veranlassen kann.

Meine Damen und Herren, jede Straftat ist eine zu viel. Um qualifiziert dagegen vor­gehen zu können, muss ganzheitlich gedacht und auch gehandelt werden. Wir haben auch gestern diskutiert, dass Innenminister Sobotka und unser Justizminister zum Thema „Mehr Sicherheit für Österreich“ ein ganzes Bündel an Maßnahmen geschnürt haben: Schubhaft schon bei erstinstanzlicher Verurteilung von Fremden; sofortige DNA-Abnahme bei Beschuldigten und Verdächtigen bei allen Sexualdelikten und nicht


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wie bisher nur bei Vorsatztaten ab einer Strafdrohung von einem Jahr, und eine Meldeverpflichtung für Verdächtige bei allen Sexualdelikten.

Meine Damen und Herren, das ist ganz wichtig für die Sicherheit und den Schutz insbesondere der Frauen in Österreich.

Unsere Antwort muss folgende sein: Wir alle als verantwortungsvolle Politiker in Österreich haben die Pflicht und Schuldigkeit, zu reagieren und mitzuwirken, dass die Handlungsempfehlungen der Sonderkommission und die konkreten Vorschläge, die ich mir erwarte, raschestmöglich in den gesetzlichen Rahmen gegossen und Verbes­serungen geschaffen werden. Allfällige Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit müssen aufgearbeitet werden und dieser angehören.

Wir haben im letzten Nationalratsplenum gemeinsam die Verschärfung des Suchtmit­tel­gesetzes beschlossen, die Strafdrohung angehoben und den Suchtmittelmissbrauch im öffentlichen Raum stärker unter Strafe gestellt. Das ist unsere neue verbesserte Waffe gegen Drogendealer und gegen diese Gefahren rund um die U6-Stationen und auch um Gegenden wie den Brunnenmarkt. Ganz klar: Wir haben gehandelt. Problem erkannt, rasche Koordinierung mit dem BMI und die Lösung auch gesetzlich umge­setzt.

Zur angesprochenen Änderung im Jugendgerichtsgesetz in der Dringlichen Anfrage lassen Sie mich noch kurz Folgendes sagen: Strafrecht gilt gleichermaßen für alle, für Ausländer und für Inländer. Bei schweren Taten landen auch Jugendliche und junge Erwachsene gleich in Untersuchungshaft. Nichtdestotrotz haben wir insgesamt mit den Anpassungen im Jugendgerichtsgesetz Jugendlichen in Österreich bessere Chancen eingeräumt, bessere Chancen insbesondere auf Resozialisierung. Dazu stehe ich, meine Damen und Herren, und ich halte es auch insgesamt für den richtigen Weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Fehlern muss man lernen, egal, wo sie passieren. Wir hier im Hohen Haus, wir haben es selbst in der Hand, zu gestalten. Arbeiten wir unter Hochdruck an den Lösungen und an den Verbesserungen für uns alle – auch wir sind Bürger dieses Landes –, aber vor allem für unsere Bürgerinnen und Bürger. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


16.06.54

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, auch die Medienberichterstattung hat gezeigt, dass der Mord am Brun­nenmarkt niemanden kaltgelassen hat. Ich glaube, das hat zwei Gründe. Der erste Gedanke, der einem kommt, ist: Hätte man das verhindern können? Und der zweite Gedanke ist, es hätte jeden treffen können. – Und das ist wohl das, was diesen Fall auch so dramatisch macht, wiewohl natürlich jede Straftat und jeder Mord für sich ein Drama ist.

Herr Justizminister, Sie haben meiner Meinung nach ganz richtig reagiert. Sie haben nicht gemauert, sondern Sie haben gesagt, wir schauen uns diesen Fall an, nämlich genau auf die Frage hin: Wäre das verhinderbar gewesen? Sie haben diese Sonder­kommission eingerichtet, und ich glaube schon, dass es einige Fragen gibt, die dieser Fall aufwirft und denen nachgegangen werden muss.

Der erste Punkt ist die Untersuchungshaft. Sie haben das sehr schön gesagt, Unter­suchungshaft kann nicht willkürlich verhängt werden, sondern folgt genauen gesetz­lichen Vorgaben. Es muss einen Untersuchungshaftgrund geben, die Untersuchungs­haft


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muss verhältnismäßig sein. Untersuchungshaftgrund Tatwiederholungsgefahr, Tatbe­ge­hungsgefahr – ich halte mich zurück mit einer Beurteilung, ich kenne die Aktenlage nicht; aber die Frage drängt sich natürlich schon auf – ist zumindest nicht auszu­schließen. (Abg. Walter Rosenkranz: Fluchtgefahr!) – Möglicherweise Fluchtgefahr. Es hat keinen festen Wohnsitz gegeben.

Der zweite Punkt: die Verhältnismäßigkeit. Na ja, selbst die Gewerbsmäßigkeit neu, mehrere Vortaten, wäre möglicherweise anwendbar gewesen. Ich sage es bewusst vorsichtig, weil ich den Akt nicht kenne; dann wäre möglicherweise Untersuchungshaft denkbar gewesen. Es ist zu klären, warum es nicht dazu gekommen ist. Möglicher­weise haben die Gesetze das nicht zugelassen. Aber es ist richtig, hinzuschauen, ob hier möglicherweise auch eine Fehleinschätzung vorliegt oder ob ex lege gehandelt wurde.

Der nächste Punkt ist – und den finde ich fast noch relevanter, weil ich dort auch eine Problematik sehe –: Warum ist diese Person, die möglicherweise – es liegt einiges nahe – auch psychisch krank war, nicht in einer psychiatrischen Abteilung unterge­bracht worden? Das wäre eigentlich der logische Weg, wenn man sagt, die Vortaten reichen nicht für eine Untersuchungshaft aus, aber es gibt Anhaltspunkte, dass hier eine massive Erkrankung vorliegt. Warum wurde diese Person nicht untergebracht?

Ich finde das deswegen eine wichtige Frage, weil wir schon immer wieder auch im Zusammenhang mit dem Maßnahmenvollzug hören, dass ein Problem im Maß­nahmenvollzug ist, dass die Unterbringung im Vorfeld nicht funktioniert und dann Personen Straftaten setzen, die sie möglicherweise nicht gesetzt hätten, wenn vorher psychiatrisch reagiert worden wäre. Da haben Sie recht, das ist auch eine Frage der psychiatrischen Versorgung und das ist natürlich auch eine Frage, die im Gesundheits­ministerium zu beantworten ist.

Natürlich ist dieser Fall wieder etwas schwieriger gelagert, weil möglicherweise eine psychiatrische Versorgung nicht möglich war, weil der Betroffen nicht willens war, sich in eine psychiatrische Versorgung zu begeben. Ob die Gründe für eine Unterbringung gegeben waren, das müsste wieder genau von dieser Kommission geprüft werden. Das ist natürlich eine Gratwanderung.

Aus guten Gründen hat man das alte Unterbringungsgesetz reformiert. Da hat schon ein grob störendes Verhalten ausgereicht, um psychiatrisch zwangseingewiesen zu werden. Wir kennen ja auch die anderen Extremfälle: Gustl Mollath in Deutschland. Das war ein Skandal sozusagen von der anderen Seite, wo jemand in der Psychiatrie gelandet ist, und man jetzt sagt, das war ein Justizirrtum.

Aber es gibt natürlich auch die andere Seite, und das ist möglicherweise ein Fall, wo man sagt: Jemand hätte psychiatrisch versorgt werden müssen, auch gegen seinen Willen, um etwas Schlimmeres zu verhindern. Das Gesetz gibt ja auch grundsätzlich die Möglichkeit dazu, nämlich dann, wenn eben eine Gefährdung von Leben und Gesundheit anderer Personen vorliegt.

In diesem Zusammenhang würde mich schon interessieren, ob diese Option aktiv geprüft wurde, das heißt, ob dieser Francis N. jemals einem Arzt, einem Amtsarzt oder einer psychiatrischen Abteilung zur Untersuchung vorgeführt wurde. Dann wäre die Frage: Wie ist diese Untersuchung ausgegangen, warum ist sie so ausgegangen? Das finde ich einen ganz wichtigen Punkt, weil dort möglicherweise eine Fehlerquelle liegt, warum diese Person in der Situation nicht psychiatrisch aufgenommen worden ist. Denn ich befürchte fast, dass diese Person, Francis N., nie einem Arzt vorgeführt wurde – aus einem ganz einfachen Grund, nämlich dass diese Person mit Sicherheit eine schwierige Person war, die nicht kooperiert hat. Er hat sozusagen in diesem Hauseingang gelebt, was natürlich für die betroffenen Polizisten und Sozialarbeiter


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schwierig war. Wir wissen, dass er verwahrlost war, dass er offensichtlich voller Urin war; das heißt, dass da möglicherweise eine gewisse Scheu besteht, aktiv zu werden, ist ein Problem, dass hier gegeben war. (Abg. Hübner: Aber …! … ärztliche Versor­gung!)

Aber der entscheidende Punkt ist, das kann und darf kein Grund sein, dass jemand nicht einem Arzt vorgeführt wird, der prüft, ob diese Person möglicherweise, weil es ja auch Vortaten gibt, eine Gefahr für Leib und Leben beziehungsweise Gesundheit anderer Personen darstellt. Ich glaube, dass dort eine Fehlerquelle liegt, wo man hinschauen muss, wo man sich auch überlegen muss, ob das System funktioniert hat, ob die Schnittstellen funktioniert haben – Sie haben es völlig richtig angesprochen – und ob das Gesetz in seinem Gestaltungsspielraum passt.

Das soll kein Schnellschuss sein, aber dieser Fall muss Anlass sein, darüber nach­zudenken, denn wir alle tragen als Politikerinnen und Politiker Verantwortung, die Legislative, aber auch die Exekutive – damit meine ich jetzt Sie als Minister, aber auch die ausführenden Organe wie die Polizei –, hier sorgfältig vorzugehen. Wir sind für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zuständig. Wir müssen die richtigen Schlüsse aus so einem Fall ziehen, wenn Fehler passiert sind, oder aber auch über Geset­zesänderungen nachdenken, wenn da und dort Lücken bestehen.

Ich bin froh darüber, dass Sie diesen Weg gehen, dass Sie sagen, wir schauen uns das schonungslos auf Basis der Aktenlage an. Ich sage noch einmal dazu: Ich will mir kein Urteil anmaßen. Ich will aber – das verlange ich, und das machen Sie auch –, dass der Fall geprüft und genau hingeschaut wird, und dass man dann auch – und das wird auch im Parlament zu tun sein – aktiv eine Debatte darüber führt, welche Konsequenzen daraus allenfalls legistisch zu ziehen sind.

Insofern möchte ich mich bedanken, dass Sie diesen Schritt setzen. Ich glaube, hier gibt es eine breite Einigkeit zwischen Opposition, Regierungsparteien und Regierung, dass wir hier Verantwortung tragen und auch reagieren müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


16.14.22

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte mich zu Beginn bei den Kollegen der FPÖ bedanken, dass wir diese Debatte so sachlich führen. Ich war mir nicht ganz sicher, muss ich sagen, aber ich glaube, dass alles, was Herr Klubobmann Strache angesprochen hat, erstens einmal sehr sachlich war und er auch die Probleme, die wir ganz offensichtlich im Zusammenhang mit diesem Fall haben, und die ja der Bundesminister, wofür ich mich auch bedanke, mit dieser Sonderkommission versucht aufzuklären, angesprochen hat.

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass wir hier auch die entsprechenden Schlüsse ziehen, und dass wir uns anschauen müssen, was es für Schlüsse braucht, ob die gesetzlichen Regelungen ausreichen, ob es – und das vermute ich momentan, aber ich kann es natürlich auch nicht beurteilen, sondern nur von außen betrachten – nicht zu einem umfassenden Behördenversagen gekommen ist oder ob es, wie Sie es ange­sprochen haben, Herr Justizminister, ein Versagen war, ich glaube, was Sie gesagt haben war: ein Multiorganversagen.

Die Frage ist – und das ist der einzige Grund, weswegen ich nicht verstehe, wieso wir das Thema jetzt hier diskutieren –, wieso wir nicht auf die Ergebnisse der Sonderkom­mission gewartet haben. Wir können alle, wenn man sich die Dringliche Anfrage anschaut, eigentlich vermuten, dass die Antworten noch nicht da sind, weil die Dinge


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erst vom Justizministerium überprüft werden müssen. Wenn wir diese Ergebnisse haben, werden wir eben gemeinsam schauen, was zu tun ist.

Sie stellen im Wesentlichen auch sehr sinnvolle und wichtige Fragen, was die positiven Verpflichtungen aus der Menschenrechtskonvention für Österreich betrifft und was wir tun müssen. In diesem Zusammenhang ist es, so glaube ich, sehr klar, dass wir diesen Verpflichtungen grundsätzlich nachkommen. Das, was wir nach der Menschenrechts­konvention schützen müssen, ist das Recht auf Leben. Und das schützt man dadurch, dass man entsprechende Strafrechtsnormen hat, dass man eine Polizei hat, dass man eine Justiz hat, dass man auch eine Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Behörden hat. In diesem Fall ist eben die Frage, ob diese Zusammenarbeit funktioniert hat.

Wenn wir uns anschauen, was es denn konkret – Kollege Steinhauser hat es auch schon ein wenig angesprochen – für Möglichkeiten nach dem österreichischen Recht gibt, um solche Fälle zu vermeiden beziehungsweise um Fälle, wo schon etwas passiert ist, entsprechend zu ahnden, dann glaube ich, zumindest was die momentane Faktenlage angeht, dass wir mit den bestehenden rechtlichen Möglichkeiten in erster Linie das Auslangen gefunden hätten.

Der erste Punkt ist die Frage des Unterbringungsgesetzes. Wir haben das zu Recht auch geändert, weil die ursprüngliche Gesetzeslage doch etwas vage war und sehr viel zugelassen hat. Ich glaube, soweit man das in dem Fall aus der medialen Berichterstattung mitbekommen hat, dass da doch klar das Unterbringungsgesetz greifen hätte müssen, weil die psychische Erkrankung, so wie es jetzt dargestellt wird, sehr offensichtlich war, weil die Gefährdung, sei es der eigenen Gesundheit oder eben auch einer anderen Person, von anderen Personen auch sehr offensichtlich war.

Da ist einfach die Frage, wieso da nichts geschehen ist, wieso der Betreffende nicht einem Arzt vorgeführt wurde und wieso nicht entsprechend den bestehenden gesetz­lichen Grundlagen gehandelt wurde.

Es gab kurz danach einen Artikel im „Kurier“ von einem Gerichtsgutachter, der gesagt hat: Ja, da sehen wir eines der wesentlichen Probleme – Sie haben es auch schon angesprochen –, die Frage der Gutachtertätigkeit. Wir haben das schon öfters im Justizausschuss besprochen. Ich halte das auch für ein wesentliches Problem, weil es sehr offensichtlich war, dass es ein Problem gibt, und dass ein Gutachter wohl, wenn man es sich von außen anschaut, zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass eine psychische Erkrankung und dass auch eine Gefährdung vorliegt.

Das ist eine Frage der Honorierung, wie Sie richtig angesprochen haben. Das ist eine Frage der Evaluierung dieser Gutachter. Der erwähnte Gutachter hat selbst gesagt, man sieht wieder das Problem der Fließbandgutachten. Wir haben schon öfters diskutiert, dass es sehr, sehr wenige Gutachter in Österreich gibt, die sehr, sehr viele Gutachten machen. Die Honorierung ist mit auch der Grund, dass sehr wenige überhaupt Gutachten machen wollen und dann die Qualität teilweise darunter leidet.

Also ich glaube, dass wir mit dem momentanen Unterbringungsgesetz das Auslangen gefunden hätten. Deswegen will ich auch nur Folgendes mitgeben: Ich will davor warnen, dass wir hier einen Schnellschuss beim Unterbringungsrecht machen, weil man sagen muss, dass das Unterbringungsgesetz doch eines der invasivsten Gesetze ist, die wir haben, weil man jemanden, ohne dass er noch eine Straftat begangen hat, auch zwangsweise behandelt. Ich halte es für wichtig, dass wir das haben. Ich glaube nur, dass man da ganz massiv aufpassen muss, was man machen kann und was man machen darf.


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Die zweite Variante, die wohl auch möglich gewesen wäre, ist die Frage der Unter­suchungshaft. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen. Kollege Rosenkranz hat vorhin „Fluchtgefahr“ dazwischengerufen. Kollege Steinhauser hat die Frage der Wiederbe­gehung … (Abg. Walter Rosenkranz: …, das ist die Vollständigkeit der Fluchtgründe! Es gibt mehrere!) Selbstverständlich! Wir kennen auch die Verdunkelungsgefahr. – Ich hätte also in erster Linie einfach die Möglichkeit der Wiederbegehung einer Straftat gesehen. Da waren schon so viele Vorstrafen da, es wurden schon Vorstraftaten be­gan­gen.

Ich glaube, dass wir da auch wahrscheinlich das Auslangen gefunden hätten. Sie wis­sen ja, wie ich grundsätzlich zur U-Haft stehe – Sie haben da ja auch einen Zugang –, dass wir sagen, wir müssen schauen, dass wir nicht zu viele Menschen in die Untersuchungshaft bringen, weil da immer auch eine Gefahr besteht. Aber in diesem Zusammenhang, so glaube ich, wäre es sehr oft sehr klar gewesen, dass das ein typischer Fall für die Verhängung der Untersuchungshaft gewesen wäre.

Darüber hinaus gibt es natürlich die Tatsache, wenn dann jemand ein Delikt begeht und wir ein entsprechendes Urteil gehabt hätten. Da stellt sich die Frage, die Sie auch mit der Reform des Maßnahmenvollzugs angesprochen haben, wie wir es dort schaf­fen, auch Regelungen mit dieser Reform zustande zu bringen, dass wir auch in dem Fall mit psychisch Kranken, die schon eine Straftat begangen haben, entsprechend umgehen können.

Das heißt, ich glaube, wir haben grundsätzlich die rechtlichen Möglichkeiten, wir haben die rechtlichen Gegebenheiten und die Frage ist eben – und das wird diese Sonder­kommission lückenlos aufklären –, wo das Systemversagen liegt, einerseits in der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz, andererseits ist es auch eine Frage der Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden, weil diese beim Unterbringungsrecht natürlich eine ganz wesentliche Rolle spielen, denn es braucht einen Arzt, der die entsprechenden Voraussetzungen feststellt, damit es zu einer Unterbringung kommen kann.

In der Anfrage wird weiters gefragt, welche Maßnahmen gesetzt wurden, welche Reformvorschläge da sind. Wir haben gestern in der Aktuellen Stunde schon darüber diskutiert, wo explizit Möglichkeiten geschaffen werden sollen – über die wir noch weiter diskutieren werden –, damit wir es schaffen, dass jemand, der sich im Asylverfahren befindet und straffällig geworden ist, wenn er nicht in U-Haft genommen werden kann, in Schubhaft genommen wird. Da bin ich, muss ich sagen, skeptisch, aber ich glaube, dass wir das diskutieren sollten, wie ich auch gestern schon gesagt habe; auch über die Frage der Belehrung, die ebenfalls in den Raum gestellt wurde. Die Frage der Abspeicherung von Daten bei Sexualstraftaten und noch geringeren Straftaten halte ich auch für etwas, das wir diskutieren müssen, weil es nicht sein kann, dass solche Taten geschehen, nur weil ein höheres Strafausmaß angenommen wird und wir so etwas nicht schon früher entsprechend angehen.

Kollege Jarolim hat etwas Richtiges angesprochen, nämlich die Frage des Sexualstraf­rechts, das wir verschärft haben. Ich verstehe es auch nicht, wieso die Freiheitlichen damals nicht mitgestimmt haben. Kollege Darmann war gestern auch bei dem Aktionsplan sehr kritisch, was ja angesprochen wurde. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir alle gemeinsam uns sachlich überlegen, welche Herausforderungen es da gibt und ob wir mit dem, was von Innenministerium und Justizministerium vorgeschlagen wurde, entsprechende Verbesserungen zustande bringen können. (Abg. Darmann: Es gehört nur gehandelt, nicht nur darüber gesprochen!) – Es ist richtig, das gehandelt gehört, aber wir müssen bei entsprechenden gesetzlichen Regelungen trotzdem im Vorhinein darüber sprechen. (Abg. Darmann: Wir reden schon seit zwei Jahren darüber!)


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Ja, Kollege Darmann, Sie reden schon sehr lange darüber (Zwischenruf bei der SPÖ), es reden auch viele andere schon sehr lange darüber, und gerade beim Sexual­strafrecht glaube ich, dass es ganz wichtig gewesen wäre, weil genau die Fälle von Köln, die wir ja leider miterleben mussten, nach deutschem Recht nicht strafbar waren. Die Deutschen haben jetzt nachgezogen, denn nach österreichischem Recht, das wir hier beschlossen haben, wäre es eben strafbar gewesen. Ich glaube auch, dass man immer schlauer werden kann und dass man nachher sagen kann, es ist gut, dass wir diese Maßnahme gesetzt haben. Ich glaube, dass das in Österreich jedenfalls ganz massiv weiterhilft.

Ein letzter Punkt, über den wir, wie ich glaube, ganz intensiv diskutieren müssen, sind – auch das hat Klubobmann Strache angesprochen – die Rückführungsabkom­men mit Staaten, die momentan ihre Bürger nicht zurücknehmen. Mir geht es da gar nicht darum, ob jemand straffällig geworden ist oder nicht. Ich denke, dass es, wenn jemand nach Österreich kommt und hier keinen entsprechenden Aufenthaltstitel hat, weil kein Asylgrund vorliegt, weil kein Schutzgrund vorliegt, klar sein muss, dass diese Staaten ihre Staatsbürger zurücknehmen.

Da haben wir sehr wenige Hebel, sehr wenige Möglichkeiten, Druck auszuüben. Ich bin überzeugt davon – das haben sowohl die Freiheitlichen als auch wir als auch der Außenminister schon angesprochen –, dass wir da über die Entwicklungszusam­men­arbeit, über die Hilfsgelder reden müssen. (Abg. Hübner: Wenn wir darüber reden, stimmen sie dagegen! Zweimal …, einmal im Ausschuss, einmal …!) – Wir haben überhaupt nicht dagegen gestimmt; es gibt einen eigenen Antrag von uns, Herr Kollege Hübner.

Herr Kollege Hübner, es kommt immer auch darauf an, was Sie konkret reinschreiben, denn eine Sache, über die man auch diskutieren muss … (Ruf bei der FPÖ: Ihr Antrag ist abgelehnt worden von den Regierungsfraktionen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ach so, die Regierungsfraktionen; wir haben es im Menschenrechtsausschuss schon entsprechend diskutiert. Der Außenminister hat klar gesagt, dass er ent­sprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene setzen wird. Ich denke, da werden wir trotzdem – und das ist immer schwierig – differenzieren müssen.

Ich bin überzeugt davon, dass wir Menschen, die keinen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich haben, unabhängig davon, ob sie straffällig geworden sind oder nicht, in ihre Heimatländer zurückbringen müssen. Dazu braucht es eben die entsprechenden Abkommen, dazu braucht es auch die Heimreisezertifikate. (Zwischenruf des Abg. Hübner.) Man kann der Darstellung in den Medien glauben oder nicht; dass das alles nicht so einfach ist, wie man es sich vorstellt, kann ich mir auch vorstellen.

Ich meine, dass wir da ansetzen müssen, dass wir hier gemeinsam ganz klar sein müssen. Der Außenminister hat angekündigt, dass er diesbezüglich etwas machen wird. Ich hoffe, dass die Freiheitlichen dann dabei sind, ich nehme es stark an, weil das eine Maßnahme ist, wie wir eben Menschen, die ohne Schutzrecht in Österreich sind, wieder in ihre Heimatländer zurückbringen können. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Pfurtscheller.)

16.24


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


16.24.38

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ärgerlich ist für mich, dass wir immer erst dann über diese Themen sprechen, wenn etwas passiert ist, Herr Bundesminister. Ich möchte da schon ein wenig weiter ausholen. Sie wissen, dass ich immer wieder darauf aufmerksam ge-


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macht habe, dass die Polizei zu wenige Mittel hat, dass die Möglichkeiten der Polizisten sehr beschränkt sind und dann bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften dementsprechend – sagen wir einmal so – sehr, sehr lasch entschieden wird; das habe ich hier von diesem Rednerpult aus schon oft gesagt.

In diesem Fall bewahrheitet sich das leider und hat eine fatale Auswirkung. Ich glaube, dass es nicht unbedingt so weit hätte kommen müssen. Ich möchte wiederholen – Kollegin Belakowitsch hat das vorhin angesprochen –, was aus Polizeikreisen immer wieder zu hören ist: dass Menschen, die eingeliefert werden, innerhalb kurzer Zeit wieder auf freiem Fuß beziehungsweise wieder unterwegs sind.

Dieses Argument kann ich nur unterstützen, ich höre von meinen Polizeikollegen laufend, dass es bei der UbG-Einlieferung – da sind nicht Sie zuständig, ich weiß, da müssten jetzt drei Minister sitzen – oft der Fall ist, dass diese offensichtlich Geisteskranken in das entsprechende Krankenhaus eingeliefert werden und nach zwei Stunden wieder im Zug oder im Bus zum ehemaligen Tatort – sagen wir einmal so – sitzen, wieder dorthin zurückkehren. Das Ganze wiederholt sich dann. Ich weiß von Fällen, in denen sich das drei-, viermal am Tag wiederholt hat.

Die Rettungskräfte – das habe ich hier auch schon einmal in einer Rede gesagt – sind mit solchen Menschen, die immer wieder eingeliefert und nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind, teilweise so belastet, dass beispielsweise bei einem schweren Verkehrsunfall ein Patient mit offenem Schlüsselbeinbruch warten musste, weil kein Rettungsfahrzeug zur Verfügung stand. Also das sind die Zustände, die tatsächlich herrschen, Herr Minister. Das sind keine Worthülsen, das sind Tatsachen, das kann ich Ihnen sogar beweisen.

Ich höre auch immer wieder von den Exekutivbeamten, dass oft Straftäter eingeliefert werden, dann kurz in Haft genommen werden, ein paar Stunden oder einen Tag später sind sie wieder auf freiem Fuß, und am nächsten Tag, wenn der Kollege wieder im Dienst ist, winken sie ihm von der anderen Straßenseite zu und sagen: Haha, ihr könnts mich …, ich bin schon wieder da! – Das sind natürlich keine Maßnahmen, die ja eigentlich, wie man sagt, präventiv oder abschreckend wirken sollten, sodass diese Menschen die Tat bereuen oder zumindest nicht mehr straffällig werden. Das ist ein großes Problem, und es kann nur der Gesetzgeber beziehungsweise derjenige, der die Gesetze vollzieht, erreichen, dass solche Fälle nicht mehr vorkommen.

Da appelliere ich an Sie, Herr Minister – und Sie rennen bei mir offene Türen ein, wenn Sie da von mir noch mehr Informationen haben wollen –, dass hier endlich ent­sprechend Recht gesprochen wird, wie es die Gesetze vorgeben, denn ich habe oft die Erfahrung gemacht – und das höre ich auch von Polizeikollegen –, dass von auslän­dischen Straftätern, wenn man sie fragt, ob sie sich in ihrem Heimatland auch so aufführen können, die Antwort kommt: Nein, nein, dort darf ich das natürlich nicht tun, denn dort habe ich entsprechende Konsequenzen zu erwarten! Da ist die Polizei nicht so human wie bei uns. Das ist für mich schon bedenklich.

Ich bin auf dem Land aufgewachsen, wo der Polizist beziehungsweise damals noch der Gendarm Autorität ausgestrahlt hat und man gewusst hat, wenn man mit dem Polizisten oder Gendarmen in Konflikt kommt, dann hat man ein massives Problem. Heute schreckt das gar nicht mehr ab, heute nimmt man das gar nicht mehr zur Kenntnis. Es gibt Urteile, bei denen ich als Polizist mich frage, ob ich – ich will jetzt dieses Wort nicht verwenden, sonst bekomme ich einen Ordnungsruf – schon noch im richtigen Film bin, denn das ist nicht mehr verständlich. Es gibt viele Vorgänge, die ich jetzt auch in der Politik schon mitbekommen habe, und ich muss mich einfach nur über diese Urteile, über diese Rechtsprechungen wundern.


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Für mich haben sich aber aufgrund dieser Dringlichen Anfrage einige Fragen aufgetan; da steht drinnen – und Sie haben es bestätigt, Herr Minister –, dass dieser Kenia­ner 2008 als 12-Jähriger mit einem Touristenvisum eingereist ist. Jetzt frage ich mich: Ist er alleine gekommen? Ist er mit irgendwelchen Verwandten gekommen? Ist er alleine hiergeblieben? Was waren die Gründe? Ist er überhaupt zur Schule gegangen, denn er wäre ja zu diesem Zeitpunkt noch schulpflichtig gewesen? Ist er unterge­taucht? Wer hat sich um ihn gekümmert? Warum ist der auf diese Bahn gekommen?

Diese Fragen muss man sich natürlich auch stellen, das zu erheben wäre in diesem Zusammenhang vielleicht auch interessant, damit man einmal sieht, wo im System etwas falsch gelaufen ist und wo im System sich die großen Probleme mit diesem Menschen aufgetan haben.

Sie wissen, Herr Minister – Kollege Strache hat es angesprochen und Sie haben das dann aufgenommen –, hinsichtlich der Abschiebungsmöglichkeiten haben wir große Probleme; Sie haben es ja auch angesprochen. Das ist aber auch klar, denn Herr Außenminister Kurz hat im Menschenrechtsausschuss gesagt, dass wir seit 14 Jahren mit Marokko über ein Rücknahmeabkommen verhandeln, dass wir in Libyen nicht einmal einen Ansprechpartner haben und in Algerien große Probleme und so weiter.

Da wundert es mich aber schon, dass Deutschland in so kurzer Zeit mit Algerien und Marokko entsprechende Abkommen abschließen konnte. Also da kann ich schon ein Versagen in der Außenpolitik des Herrn Außenministers feststellen, denn: Wieso kann es Deutschland, und wieso können wir es nicht? Diese Frage darf man sich berechtig­terweise stellen, wenn schon so lange verhandelt wird. Was hat Deutschland da besser gemacht? Vielleicht sollte man sich dort einmal informieren. Ich weiß auch, dass die Schweiz diesbezüglich sehr gute Abkommen und sehr gute Regeln hat.

Ich glaube, wir sollten ein Signal an unsere Zuwanderer setzen, damit sie sich, wenn sie nach Österreich kommen, entsprechend benehmen, entsprechend aufführen und integrieren.

Wir haben heute das ganz tolle Beispiel der neuen Staatssekretärin gehört, die als Flüchtlingskind aus Palästina gekommen ist, die sich hier wirklich angepasst hat, integriert hat, eine tolle Karriere gemacht hat. – Genau das sollte der Zugang sein und nicht, dass man die Drogenkarriere macht oder dass man hier die Gesetze mit Füßen treten und tun kann, was man will. Dieses Signal sollten wir setzen.

Es gibt genug Beispiele, ich will jetzt nicht alle wiederholen, aber ich habe heute eine Gratiszeitung aufgeschlagen (eine Ausgabe der Tageszeitung „ÖSTERREICH“ in die Höhe haltend) und gelesen: „Drogenbande nach Samurai-Attacke gesprengt“ – in der U6, wir erinnern uns, das war ein großer Fall. Wie sich dann das Opfer, das vermeintliche Opfer, das niedergestochen worden ist, im Spital aufgeführt hat, das ist dort normal, und das ist das Problem. Wir müssen den Zuwanderern erklären, dass wir hier in Österreich, in Mitteleuropa entsprechende Gesetze haben, entsprechende Benimmregeln haben.

Ich verstehe es ja irgendwie, wenn man weiß, wo die herkommen und dass dort die Mentalität ganz anders ist, dass dort andere Regeln gelten, aber das muss man ihnen beibringen. Und wenn sie das nicht annehmen, dann haben sie sofort wieder zurückzukehren, egal, ob dort Krieg herrscht oder Ähnliches. Wer sich nicht benimmt in Österreich, der hat hier nichts zu suchen, das muss man ganz klar sagen. (Beifall der Abg. Schenk sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube, da sind wir als Politiker und die Politik gefordert, diese Signale zu setzen und das auch durchzusetzen, und da gibt es ausreichend Möglichkeiten, mit Ländern zu verhandeln. Wir haben Möglichkeiten, das ist heute schon angesprochen worden,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 148

finanziell Druck auf die Länder auszuüben, dass sie diese Menschen wieder zurück­nehmen.

Also: Wer herkommt, muss sich anpassen, benehmen – das ist das Um und Auf –, und wenn nicht: Zurück in die Heimat! – Danke. (Beifall der Abg. Schenk.)

16.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


16.33.09

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister Brandstetter ist halt einer, der in Theorie und Praxis mit dem Strafrecht und den entsprechenden Verfahrensordnungen auf Du und Du ist, und wenn er so etwas liest, wie es da medial auf einmal hochgekocht ist, dann muss er wissen, da riecht etwas unangenehm; und er ist halt einer, der da gerne in die Offensive geht und wissen möchte, was los ist, damit er sich nicht nachher in irgendeiner Form einer Schelte aussetzt. Daher auch mein und unser Respekt, dass Sie da gehandelt haben und diesen Dingen auf den Grund gehen wollen und auch hinsichtlich Ihrer Anfra­gebeantwortung in diesem Rahmen.

Was hat sich abgespielt? – Brunnenmarkt, das ist ein Synonym für die verfehlte Sicherheitspolitik in ganz Wien. Wenn es im „Kurier“ vom 23. Jänner 2016 einen Artikel mit dem Titel „Ärger über boomende Drogenszene in Ottakring“, „Bewohner und Geschäftsleute klagen über mehr Dealer“ gibt und eine Journalistin, die dort vor Ort ist, aus eigener Wahrnehmung all das, was immer vermutet wird, bestätigt, wie schaut dann die Reaktion aus? – Der Bezirksvorsteher sagt, das sei ein ernstes Problem. (Abg. Jarolim: Das Suchtmittelgesetz wurde geändert, so schaut die Reaktion aus!) – Dazu komme ich noch, Kollege Jarolim; ich möchte von dir momentan noch ein bisschen mehr intellektuelle Redlichkeit einfordern, weil ich dich kenne. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Eben, Kollege Matznetter, nur abwarten! (Abg. Matznetter: … mitstimmen! – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Kollege Scherak hat zunächst den sachlichen Stil dieser Debatte hervorgehoben, und Sie sind es jetzt, der sie durch Ihre Zwischenrufe wieder ins Unsachliche ziehen möchte. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)

Interessant, da sieht man es wieder! Geht es Ihnen zu sachlich zu, Kollege Matznetter? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Ich werde es Ihnen erklären, wenn Sie eines haben: ein bisschen Geduld (Ruf bei der FPÖ: Zuhören!), und eines können: zuhören. Das wäre vielleicht gut. (Beifall bei der FPÖ.) Es tut mir leid, dass ich jetzt einen ÖVP-Minister loben kann und kein anderer da ist. Seien Sie nicht eifersüchtig, das gehört auch zur neuen Kultur in der Bundesregierung! (Abg. Jarolim: Wer fängt denn jetzt an mit der Diskussion? Wäre überhaupt nicht notwendig!)

Jetzt sage ich eines: Wir sind am Brunnenmarkt, Kollege Jarolim – ich meine, natürlich sind wir im Parlament, damit Sie nicht glauben, dass ich jetzt intellektuell unredlich bin –, und ich lese Ihnen etwas vor:  „Die FPÖ (…) fordert eine dauernde Polizei-Prä­senz an den Brennpunkten. (…) Die Grünen wiederum betrachten ‚mehr Law-and-Order‘ als nicht zielführend: ‚Da verlagert sich die Szene nur an einen anderen Ort. Wir sind unter anderem für mehr Sozialarbeiter‘, sagt Joachim Kovacs.“ – Wir sind für mehr Law and Order.

Jetzt komme ich zum konkreten Fall: Es ist sehr tragisch, dass eine dreifache Mutter, eine vierfache Oma und Ehefrau so tragisch zu Tode gekommen ist und ermordet wurde. Es wurde bis jetzt vieles über Kriminalität, über die Aufforderungen gesagt, ich bleibe nur bei einem Punkt: Dieser Täter hatte ein Visum C, ein sogenanntes Touris-


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tenvisum. Es wird von der Vertretungsbehörde – im konkreten Fall muss es bei der Botschaft in Nairobi gewesen sein – für einen Minderjährigen für 90 Tage ausgestellt. Und es wird nicht leichtfertig hergegeben.

Da müssen Dokumente beigebracht werden, in erster Linie ein gültiges Reise­doku­ment, weiters eine Versicherung; eine Krankenversicherung über einen Wert von 30 000 € muss in Österreich nachgewiesen werden. Es muss die Unterkunft nachge­wiesen werden. Es muss nachgewiesen werden, wer diese Person überhaupt einge­laden hat. Es muss eine Verpflichtungserklärung abgegeben werden, notariell oder gerichtlich beglaubigt, von einer Person im Inland, die über ein entsprechendes Einkom­men verfügt, um für diese minderjährige Person zu sorgen. Und nach 90 Tagen ist dieses Visum nicht mehr verlängerbar, das ist Gesetz. Das heißt, bei jedem Aufgriff – bei jedem! – nach diesen 90 Tagen, nachdem dieses Visum abgelaufen war, hätte die Fremdenpolizei mit einem Ausweisungsverfahren aktiv werden müssen. Es ist ganz schlicht und einfach so. (Beifall bei der FPÖ.)

Da hätte man auch herausgefunden, wer die finanziellen Mittel hat, um einen Rückflug zu bezahlen. Und wenn alle diese Dokumente im Original vorliegen, dann hat eine Vertretungsbehörde – im konkreten Fall jene in Kenia – in Wirklichkeit keine Chance, das abzulehnen. Sie haben eine Verpflichtung, diese Person wieder zurückzunehmen.

Bei Personen, die keine Dokumente haben, bei denen das nicht nachweisbar ist, da ist es unter Umständen schwierig, darum sagen wir ja: Die Kontrollen an den Grenzen müssen gesichert sein, damit nicht Personen ohne gültige Reisedokumente einreisen können wie vor wenigen Stunden am Brenner: Einige sind über die Grenze gekommen, sind von der Bevölkerung fotografiert worden, sind nicht kontrolliert worden, und auf Anfrage bei der Polizei wurde gesagt: Das ist ein Übereinkommen zwischen Österreich und Italien, wir kontrollieren jetzt nicht. (Abg. Darmann: Das ist ein Skandal!) Das, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, natürlich sind Sie – obwohl Sie vorhin gesagt haben, es dürfe nicht mehr sein, dass jemand nicht kompetent ist – in diesem Fall zu einem Teil nicht kompetent, weil logischerweise der Innenminister gefordert ist. Ich hoffe, dass die blau-gelbe niederösterreichische Achse zwischen Ihnen und dem Innenministerium, dem Innenminister funktioniert, dass da tatsächlich etwas Sinnvolles gemacht wird. Die Anträge, die jetzt in diesem Paket drinnen sind, liegen seitens der Freiheitlichen schon seit Jahr und Tag in den entsprechenden Ausschüssen, aber sie werden offensichtlich von anderen blockiert.

Jetzt zur Frage, warum die FPÖ irgendwo dagegenstimmt: Sie dürften nie anwesend gewesen sein, wenn zum Beispiel Kollege Stefan das im Ausschuss oder hier erklärt hat. Bei der Gewerbsmäßigkeit wollten wir die alte Regelung haben, weil wir sie nicht nur für die Suchtgiftkriminalität geregelt haben wollten, sondern generell für alle Formen der Kriminalität, sodass man nicht permanent nachschärfen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sehen ja, dass das, was Sie vorhaben, nur Flickwerk ist, und für Flickwerk geben wir unsere Zustimmung mit Sicherheit nicht, nur damit Sie uns dann vielleicht – intel­lektuell unredlich – irgendwas vorhalten können. Das funktioniert auch bei den Bürgern nicht mehr, das schaffen Sie nicht.

Meine Damen und Herren! Die Situation ist die, die wir seit Jahr und Tag vorfinden: Das Wegschauen ist immer Thema gewesen, und da hilft auch nicht mehr die Frage, ob man den irgendwann einmal behandeln soll, sondern nur die sinnvolle Möglichkeit, die das Gesetz jetzt schon gibt und auf der meiner Meinung nach der Schwerpunkt liegt: Was wird mit einem Touristen gemacht, dessen Recht auf einen Aufenthalt in Österreich nach 90 Tagen gesetzlich und unwiederbringlich einfach erloschen ist? –


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Der Staat reagiert acht Jahre lang nicht. Das muss doch falsch sein, das werden doch selbst Sie von der SPÖ und den Grünen erkennen! (Beifall bei der FPÖ.)

16.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Yilmaz. – Bitte.

 


16.40.21

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist etwas Furchtbares in meinem Heimat­bezirk Ottakring passiert: Beim Yppenplatz wurde eine Frau erschlagen. Jetzt stellen wir uns nicht nur hier die Frage, sondern auch in der Bevölkerung: Hätte es vermieden werden können? – Einige Gedanken vielleicht dazu.

Erstens: das Justizministerium. Der mutmaßliche Täter ist amtsbekannt, und er dürfte psychisch krank sein. Gegen ihn laufen mehrere Verfahren, unter anderem wegen räuberischem Diebstahl, Körperverletzung, Widerstand und gefährlicher Drohung. Es liegen 18 Strafanzeigen vor. Die Staatsanwaltschaft hat aber keinen Haftbefehl erlas­sen. Auch nicht, obwohl Francis N. bereits im Juni 2015 angezeigt wurde, einem Passanten ohne ersichtlichen Grund mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen zu haben. Von der Staatsanwaltschaft wurde weder ein Gerichtspsychiater bestellt noch eine Festnahme angeordnet. Auch kein Amtsarzt oder Sachwalter wurde konsultiert. Das ist unverständlich. Da tut man sich wirklich schwer, zu verstehen, wie das geschehen konnte.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mich meinen VorrednerInnen anschließen und mich auch bei Ihnen für Ihr rasches Handeln bedanken. Sie sind ein Sachpolitiker und machen keine Symbolpolitik. Ich erhoffe mir von dieser Sonderkommission wirklich eine echte, transparente Aufklärung, wo da unser System versagt hat, damit es nicht zu einer Wiederholung kommt.

Zweitens: das Innenministerium. Sehr geehrte Damen und Herren, die SPÖ ist die stärkste politische Partei in Ottakring. Sicherheit im öffentlichen Raum hat für uns oberste Priorität. Die Polizistinnen und Polizisten sind eigentlich überfordert. Laut Innenministerium sollte es in Ottakring um 104 Polizistinnen und Polizisten mehr geben. Das hat das Innenministerium versprochen; bis jetzt noch nicht eingelöst.

Auch für Abschiebungen ist das Innenministerium zuständig. Im Sommer 2015 hat es einen Antrag auf ein Heimreisezertifikat für den späteren Täter gestellt, um eine Abschiebung durchführen zu können. Bis heute ist aber keine Antwort seitens der kenianischen Botschaft eingelangt.

Drittens: das Außenministerium. Es gibt kein Rückführungsabkommen mit Kenia, dem Herkunftsland des Täters. Warum eigentlich nicht? Das haben wir auch im Menschen­rechtsausschuss – meine Kolleginnen und Kollegen haben das erwähnt – ausführlich mit dem Außenminister besprochen und diskutiert. Es ist keine leichte Angelegenheit, wenn es in vielen Ländern nicht einmal ein Gegenüber gibt, mit dem man verhandeln kann. Ich weiß, das ist nicht so leicht, aber nichtsdestotrotz: Das Außenministerium trägt die Verantwortung für diese Abkommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Brunnenmarkt und seine Umgebung hat sich zu einem der attraktivsten Grätzeln in Wien gemausert. Dazu haben wir Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten viel beigetragen, und ich hoffe, dass dieses schöne Grätzel wieder von Angst befreit wird. Daran müssen wir alle gemeinsam, die Bevöl­kerung, Politikerinnen und Politiker, Polizistinnen und Polizisten, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte meine Rede mit den Worten unseres Justizministers schließen, der in seinen Ausführungen gesagt hat: Wir müssen die sachliche Untersuchung abwarten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 151

Ziel muss es sein, unabhängig vom Einzelfall, das Gefährdungspotenzial für die Men­schen in diesem Land zu reduzieren. Wir sind es auch dem Opfer schuldig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte.

 


16.45.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fassungslosigkeit der Menschen ist groß angesichts des Mordes am Brunnenmarkt, angesichts der Vergewaltigungen am Praterstern, der Vergewaltigung in Graz und, und, und. Und unser Mitgefühl gilt den Opfern, den Hinterbliebenen, den Familien, den Angehörigen.

Die Menschen sind zu Recht entsetzt und auch zornig. Sie fragen sich: Wie gibt es das? Wie gibt es das, dass dieser junge Mann aus Kenia anscheinend seit fünf Jahren keinen Aufenthaltstitel hat? Wie gibt es das, dass er anscheinend bereits öfter straf­fällig geworden ist und nicht in Haft ist? Und: Wie gibt es das, dass er offensichtlich psychisch krank und nicht in Behandlung ist?

Ich meine, dass die Menschen zu Recht diese Fragen stellen. Es ist schon vom Justizminister richtig erörtert worden, und auch die Konsequenz ist richtig gewesen, nämlich dass Brandstetter eine Sonderkommission unter richterlichem Vorsitz einge­setzt hat, um erstens aufzuklären, um zweitens die Dinge transparent darzulegen und um drittens auch zu klären, ob es Fehler im System gibt.

Ich halte das wirklich für sehr wichtig, denn wir müssen aus diesen Fehlern lernen – nicht, dass man sagt, der Fall ist tragisch, aber im Endeffekt verläuft dann alles im Sande. Ich finde, das ist die Basis, um diesen Fall aufzuklären.

Es geht aber um mehr. Es geht einfach darum, dass durch diese Vorfälle bei den Menschen eine enorme Unsicherheit vorhanden ist, dass auch viel Angst unter den Menschen ist. Ich werde von vielen, insbesondere Frauen, auch angesprochen – ich nehme an, dass es auch Ihnen so geht –, die sagen, sie haben Angst, wenn sie nicht nur spät in der Nacht, sondern auch untertags am Westbahnhof gehen oder über den Praterstern gehen oder sich in anderen Gegenden befinden. Nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land sagen mir das die Leute, und wir müssen da mehr auf die Menschen hören. Das ist heute am Vormittag auch in der Regierungserklärung gesagt worden, vom Bundeskanzler und auch vom Vizekanzler, dass wir offen diese Fragen diskutieren und gemeinsam versuchen müssen, da Lösungen zu erzielen.

Ich finde, das ist eine Grundvoraussetzung, denn das emotionale Unsicherheitsgefühl ist enorm groß, und das, obwohl die Kriminalität sinkt und gleichzeitig die Aufklä­rungs­quote steigt. (Abg. Bösch: Das stimmt nicht! Der Innenminister hat das korrigiert!) Aber – auch das wurde diskutiert – gleichzeitig steigt die Kriminalität durch Fremde und auch durch Ausländer. (Abg. Darmann: Der Innenminister hat es zuge­geben, dass die Zahlen nicht stimmen!) Und genau das muss offen diskutiert werden, ohne irgend­welche Vorwürfe, ohne dass Sie gleich wieder in ein Geheul verfallen. Es geht ja darum, dass man die Dinge offen anspricht, denn es birgt gesellschafts­politischen Sprengstoff, wenn man nicht offen über diese Dinge redet. Viele Menschen, die bei uns Schutz suchen und die zu Recht auch Schutz bekommen, im humanitären Sinn, werden da ja mit in einen Topf geworfen, indem dann gesagt wird: Alle Ausländer sind schlecht! Und genau das darf nicht passieren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Der humanitäre Ansatz ist, dass wir sagen: Menschen, die aus Kriegsgebieten kom­men – die zu Recht hier sind und die auch bereit sind, sich zu integrieren – sollen hier Schutz erfahren. Aber – es ist schlimm genug, wenn Inländer derartige Straftaten voll­bringen, aber bei Asylwerbern ist es natürlich schon so –: Wenn die Straftaten begehen und sich nicht an Regeln in unserem Land halten oder unsere Kultur nicht akzeptieren, zum Beispiel Menschenrechte, Rechte der Frauen, dann haben sie hier nichts verloren und müssen in ihre Heimat zurückgebracht werden. Auch das muss offen angesprochen werden. (Abg. Hübner: Das gehört aber gemacht!)

Daher muss es unser Ziel sein: Österreich war immer ein sicheres Land, und Öster­reich muss ein sicheres Land bleiben! Es kann nicht sein, dass Frauen, dass Kinder, alte Menschen und auch andere Angst haben und sich fürchten müssen in unserem Land.

Eine der Antworten ist neben der Sonderkommission auch der Aktionsplan „Sicheres Österreich“, den der Justizminister und der Innenminister gemeinsam vorgestellt haben – wir haben das gestern ja auch hier diskutiert –, der auf fünf Säulen beruht: zum einen auf der Prävention. Das heißt, dass es eine erhöhte Polizeipräsenz bei den Hotspots oder auch in Ballungszentren gibt.

Der zweite Punkt: ein höherer Kontrolldruck. Das heißt, dass es Schwerpunktkontrollen dort gibt, wo sich eine derartige Szene abspielt. Da braucht die Polizei Unterstützung, denn es ist schon richtig: So, wie Sie es gesagt haben, wird auch mir von Polizisten erzählt, was sie tagtäglich erleben und welchen Frust sie haben. Wir müssen in Wahrheit der Polizei dankbar sein für die Arbeit, die sie in einer so schwierigen Situation leistet.

Der dritte Punkt: die Ermittlung, genauere Überprüfung von Legitimationsurkunden.

Vierter Punkt: Verfahren. Es muss die Justiz, wie es geplant ist, die Polizei bei der Aus­landsverbringung unterstützen, damit Straftäter in ihrer Heimat die Strafe verbüßen.

Und als fünfter Punkt: die Auslandsverbringung.

Ich finde, bei der Kritik am Außenminister macht man es sich zu einfach, wenn man sagt: Der ist schuld, weil es das nicht gibt. Faktum ist, dass es Abkommen mit Ländern gibt, und obwohl es Abkommen gibt, nehmen die dann ihre Staatsangehörigen aus fadenscheinigen Gründen nicht zurück. Oder, wie der Botschafter von Kenia gesagt hat: Ich hätte eh das Zertifikat ausgestellt, hättet ihr gefragt! – Das Innenministerium hat sich aber darum bemüht.

Das heißt, es ist wichtig, ein derartiges Abkommen zu haben, das bedeutet aber nicht unbedingt einen Automatismus, dass es funktioniert. Aber jedenfalls muss man es machen, denn kein Fremder, auch wenn er ein Flüchtling ist, kann eine Aufnahme in Österreich erwarten, wenn er sich nicht an unsere Gesetze hält. Weder Mörder noch Vergewaltiger noch andere Gauner haben etwas in unserem Land verloren! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


16.51.02

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sofern ich das richtig verstanden habe, ist der Tatverdächtige im Alter von 12, 13 Jahren nach Wien gekommen, jedenfalls als sehr, sehr junger Mann. Wir müssen also davon ausgehen, dass er nicht vollkommen verwirrt, verwahrlost und gewaltbereit nach Österreich gekommen ist und sich dann nach Ottakring begeben hat, sondern als Tourist eingereist ist und dann in Wien auf


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der Straße in diesen Zustand gekommen ist. Er ist in Wien verwahrlost, er ist in Wien auf der Straße gelandet, und er hat jahrelang so leben können, ohne dass irgendje­mand etwas getan hat.

Ich stimme da eigentlich allen meiner Vorrednerinnen und Vorredner zu, dass wir eine sehr genaue Erklärung brauchen, warum da alles, was wir für solche Fälle vorgesehen haben, versagt hat. Und ich glaube nicht, dass es der einzige Fall dieser Art in den Wiener Straßen ist. Es ist halt der einzige Fall, in dem das so weit eskaliert ist, dass ein Todesopfer zu beklagen ist.

So. – Jetzt schlagen die Freiheitlichen vor, man müsste sich die Visa genauer an­schauen. Ja, erwarten Sie allen Ernstes, dass im Visum eines zwölfjährigen oder dreizehnjährigen Kenianers, der weder verwahrlost noch verwirrt ist noch eine Eisen­stange mit sich führt (Ruf bei der FPÖ: Der ist ja nicht allein gekommen!), drinsteht: Na, um Gottes willen, ja nicht nach Wien, weil –!, sondern … (Abg. Walter Rosenkranz: Nach 90 Tagen ist Schluss, steht in dem Visum drinnen, Kollege Pilz!)

Kollege Rosenkranz, da haben Sie dann recht. Das ist dann genau der Punkt, wo die Behörden einsetzen müssen und wo uns der Minister schon etwas mehr Antworten als den Hinweis auf Systemversagen geben könnte. Aber warten wir den Bericht einmal ab.

Das heißt, an einem bestimmten Punkt hat es offensichtlich keine Prävention, keine psychische Betreuung und so weiter gegeben. Das gilt übrigens nicht nur für den verwirrten und offensichtlich gewaltbereiten Obdachlosen in Ottakring, sondern das gilt auf ganz andere Art auch für tschetschenische junge Männer, Jugendliche, die aus dem Kriegsgebiet nach Österreich, meist nach Wien, kommen, schwerst traumatisiert sind. Es gibt wenige Gruppen, die schwerer traumatisiert nach Österreich kommen als tschetschenische Jugendliche. Es muss dort wirklich besonders schlimm sein. Ich erspare mir jetzt alles Weitere über Tschetschenien; Sie wissen das.

Auch bei diesen Jugendlichen, die wir dann später in schwerst gewalttätigen Banden zum Teil in Wien wiederfinden, zeigt sich eines: kein Angebot für Trauma-Behandlung, kein Angebot für Betreuung! Das zieht sich von den tschetschenischen Jugendlichen bis zu dem jungen Kenianer, der in völlig anderem Zustand nach Österreich gekom­men sein muss. Bei uns gab es dann offensichtlich keine Betreuung, keine Aufmerk­samkeit, kein Einschreiten der Behörden.

Und dann kommt irgendwer da im Saal – das hat mich etwas gewundert – auf die Idee, man hätte eine Untersuchungshaft verhängen müssen. – Entschuldigen, wofür eine Untersuchungshaft? Und was hätte denn das gebracht, wenn die zuständigen Stellen gar keine andere Möglichkeit gehabt hätten, als den Mann nach relativ kurzer Zeit wieder unverändert aus der Untersuchungshaft zu entlassen? Außer Sie plädieren für das amerikanische System: eins, zwei, drei, und man bleibt drinnen! Aber das kann ja wohl nicht die Lösung sein. Alle von uns, die rechtsstaatlich denken, werden auch nicht derartige Vorschläge machen.

So. – Hier reden wir immer noch über Systemversagen und Versagen einzelner Behör­den, und ich bin gespannt auf die Antworten, die von der Untersuchungskommission kommen. Ich bin auch erst dann bereit, wenn sie vorliegen, darüber zu diskutieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Dafür ist es jetzt zu früh.

Aber in einem Fall sprechen wir nicht von Systemversagen, sondern eindeutig von Ministerversagen, und das betrifft die Frage der Rückschiebungs- und der Rücknah­meabkommen. Da brauche ich kein System zu analysieren, um feststellen zu können, dass der Außenminister bis heute – und da ist er nicht der Einzige, auch seine Vorgänger – kein einziges taugliches Rückführungsabkommen zustande gebracht hat.


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Es muss etwas mit der Amtstätigkeit und der Amtsauffassung des jetzigen Außen­ministers zu tun haben, dass offensichtlich diese Rückführungsabkommen nicht ganz oben, sondern sehr weit unten auf der Prioritätenliste sind. Na ja, klar, beim Verhan­deln von Rückführungsabkommen mit afrikanischen und anderen Staaten gibt es keine großen Fototermine. Vielleicht muss man solche Verhandlungen um Fototermine arran­gieren, damit sie unser Außenminister ernst nimmt. Vielleicht muss es mit Inse­raten verbunden sein, damit er ernsthaft derartige Abkommen verhandelt. (Beifall bei den Grünen.)

Aber irgendwie müssen wir einen in dieser Frage völlig versagenden Außenminister dazu bringen, die Interessen der Republik Österreich endlich zu vertreten. Wir haben das Recht, dass Menschen, die aus guten Gründen nicht in der Republik Österreich bleiben können, in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Und ich verlange vom Außenminister dieser Republik, das endlich auf einer starken rechtsstaatlichen Grundlage ernst zu nehmen und einmal auf ein, zwei Fototermine zu verzichten, einmal diese Ein-Minuten-Termine bei den Großen dieser Welt zu canceln und dafür ein paar Stunden in die Verhandlung dieser Abkommen zu investieren.

Herr Justizminister, ich bin sehr gespannt auf den Bericht, aber noch gespannter bin ich darauf, wann endlich der Außenminister seine Hausaufgaben macht. Ich wünsche ihm auch dabei alles Gute. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte.

 


16.58.17

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Heute geht es fast ein bisschen wider Erwarten nicht um die Beugung von Statistiken. Den Fall noch einmal aufzurollen können wir uns, glaube ich, an dieser Stelle auch sparen. Das haben viele Kollegen vor mir schon in aller Deutlichkeit gemacht. Die Frage daraus ist natürlich: Welche Konsequenzen ziehen wir als Parlament daraus? Welche Maßnahmen setzen wir?

Eine Sonderkommission wurde eingerichtet. Das ist auch gut so. Das begrüßen wir, wie wir schon festgestellt haben. Wir müssen jetzt natürlich warten, welche Ergebnisse diese Sonderkommission liefern wird. Und es ist auch ein bisschen zu früh, über vorweggenommene Ergebnisse heute hier zu diskutieren, auch wenn das der Versuch war. Ich konzentriere mich daher auf einen verbleibenden Punkt, einen Aspekt, der jetzt vom Kollegen Pilz auch kurz angesprochen wurde, im Rest meiner Wortmeldung.

Wir müssen uns zunächst einmal mit der gefühlten Kriminalität weiter auseinan­derset­zen. Subjektives Sicherheitsgefühl kennt ja keine Statistik. Es ist unsere Aufgabe, dass wir das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates herstellen, die Sicherheit der Bürgerin­nen und Bürger zu gewährleisten. Und diese Sicherheit wird ja durchaus gewährleistet, und es ist nicht so, dass das nicht der Fall wäre, auch wenn uns das von manchen Seiten suggeriert wird.

Wir können jetzt diesen Fall am Brunnenmarkt, am Yppenplatz, durchaus als Einzelfall heranziehen, um systemische Lücken aufzuzeigen, wir können ihn nicht heranziehen, um zu interpolieren beziehungsweise einen Induktionsschluss zu ziehen und zu sagen, so etwas würde sich generell in irgendeiner Art und Weise verhalten. Aber gut, der Versuch wurde auch nicht wirklich unternommen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt hier ein zweifaches Systemversagen; so ähnlich hat das der Herr Bundes­minister, glaube ich, auch formuliert. Das eine ist: Wer in Österreich sozusagen ohne Papiere lebt, der existiert nicht, der hat keine Rechte, der ist so etwas wie ein Ge-


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spenst hier. Das erste Versagen ist, dass es in Österreich überhaupt möglich ist, in so einem Zustand und außerhalb aller sozialstaatlicher Struktur zu leben; manche verwenden dafür den Begriff illegal – nicht notgedrungen über die ganze Dauer –, den möchte ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden. Der Täter in dem jetzt diskutierten Fall lebt seit vielen Jahren hier, weil es keine Kooperation mit Kenia gibt. Ganz unabhängig davon, wie man jetzt zu Abschiebungen steht, ob man das eher strenger oder lockerer sieht: Wenn ein Bescheid erstellt wird, dann muss der auch in irgendeiner Art und Weise vollzogen werden. Also da gibt es in jedem Fall ein Defizit, ganz unabhängig von der generellen Haltung zu dieser Frage.

Ein Hauptproblem ist eben ein fehlendes funktionierendes Abschieberegime. Allein 2014 hat Österreich 14 604 Ausweiseverfügungen verordnet, aber nur 5 415 Menschen sind tatsächlich freiwillig ausgereist oder abgeschoben worden. Die Frage ist: Was passiert mit den über 9 000 Nicht-Abschiebbaren, die allein 2014 zurückgeblieben sind? – Nichts, weil es nicht möglich ist, etwas über jene zu erfahren, die ohne Aufenthaltstitel hier leben! Sie werden statistisch nicht erhoben. Und was macht Österreich? – Es werden weiter derartige Entscheidungen gefällt, die dann nicht durchgeführt werden können. Das ist sozusagen der eine Punkt, der auch schon ausgeführt wurde.

Der zweite wäre das staatliche Versagen sozusagen in der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz, zumindest punktuell, weil die Verantwortung hin und her geschoben wird, was in vorangegangenen Debattenbeiträgen auch schon zur Genüge erläutert wurde.

Was brauchen wir also? – Wir brauchen in jedem Fall eine engere fallbezogene Zusammenarbeit. Aber wenn das auf nationaler Ebene schon nicht funktioniert, wie soll es dann auf europäischer Ebene funktionieren? Auch da werden hoffentlich die Ergebnisse der Sonderkommission ein wenig Licht ins Dunkel bringen.

Wichtig wäre natürlich auch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeit. Dafür gibt es gute Beispiele, etwa jenes am Praterstern, wo eine NGO mit der Polizei schon seit über 20 Jahren zusammenarbeitet.

Wie stärkt man das subjektive Sicherheitsgefühl? – Einerseits natürlich punktuell sicher auch durch die Sichtbarkeit der Exekutive, dazu gibt es wohl Bemühungen, durch Präventionsarbeit, besonders in der Jugendarbeit, in den Schulen, in Gefängnissen und natürlich durch eine Aufklärung der Bevölkerung, was die Sache betrifft, und kein hysterisches Polarisieren. Was wir in der Prävention und Integration an Arbeit leisten und investieren, sparen wir uns natürlich später in der Kriminalitätsbekämpfung.

Wir haben grundsätzlich ein funktionierendes System der Außerlandesbringung, doch es gibt Gründe dafür, dass es dann doch nicht funktioniert; etwa fehlende Rückfüh­rungszertifikate, mangelnde Kooperation. Das erfordert natürlich auch ein verstärktes Zusammenarbeiten auf europäischer Ebene und natürlich auch des Außenminis­te­riums.

Die ehemalige Innenministerin Mikl-Leitner hat Mitte April als Ziel ausgegeben, bis 2019 50 000 Außerlandesbringungen von Flüchtlingen zu organisieren. Neben der Organisation von Reisedokumenten bei Zahlung des Transports, der Versorgung, der medizinischen Betreuung werden natürlich auch finanzielle Anreize gesetzt. Die Forderung ist ganz klar: dass es auch zur Umsetzung dieser Ankündigung kommt und nicht nur bei der Ankündigung bleibt. Wenn die Länder, die mit uns kooperieren sollten, das nicht tun, muss man leider natürlich auch Druckmittel, wie Kollege Scherak schon ausgeführt hat, einsetzen; etwa die Mittel, die in der Entwicklungszusammenarbeit dafür vorgesehen werden, sozusagen als Schwungmasse in die Verhandlungen mitein­zuführen.


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Schlussendlich frage ich mich nur, warum wir, obwohl doch eine Sonderkommission dafür eingesetzt wird, das heute so dringlich diskutieren müssen. Es bleibt zu bezwei­feln, dass das jetzt den Ausgang der Wahlen am Sonntag maßgeblich beeinflusst. (Beifall bei den NEOS.)

17.05


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


17.05.11

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Dieser tragische Fall, den wir im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage behandeln, wurde von meinen Vorrednern inhaltlich schon ausführlich argumentiert, und der Herr Bundesminister hat in seiner Beantwortung auch ausführlich dazu Stellung genommen und auch auf die Sonderkommission verwiesen. Es gilt wirklich, das Ergebnis dieser Sonderkommission abzuwarten, wenngleich man schon auch feststellen muss, dass hier eine Reihe von Versagen stattgefunden hat, auch was die Integration betrifft, was die Behörden betrifft, was eben diese ganze Problematik betrifft, die leider mit diesem tragischen Mord geendet hat.

Man muss aber in diesem Zusammenhang, glaube ich, den Bogen etwas weiter span­nen und das auch heute schon von einigen Vorrednern angesprochene nicht vorhan­dene Sicherheitsgefühl der Österreicherinnen und Österreicher ansprechen. Das subjektive Sicherheitsgefühl sinkt. Wenn wir uns die Berichte ansehen, Zeitungen lesen, dann erfahren wir tagtäglich von sexuellen Übergriffen, von Vergewaltigungen, Raufereien, Drogenhandel, Bandenbildungen, Bandenkriegen. Das sind Probleme, die evident sind, und die kann man auch nicht wegdiskutieren. Und wenn die NEOS immer wieder versuchen, alles schönzureden und alles so gut zu reden, dass es keine Prob­leme gibt, dass es auch keine Gewalt von Migranten, keine Gewalt von Asylwerbern gibt, dann ist das schlicht und einfach falsch.

Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass der jetzige Innen­minister Sobotka unlängst hier bei seiner Antrittsrede auch bestätigt hat, dass die Kriminalität unter den Asylwerbern steigt. Das hat er auch einer breiten Öffentlichkeit kundgetan, nämlich in einem „ZiB 2“-Interview.

Einige Vorredner haben auch angesprochen oder den Vorwurf erhoben, dass nicht alle Fraktionen bei der Schärfung des Sexualstrafrechts, nämlich beim sogenannten Po-Grapsch-Paragraphen, mitgestimmt hätten. Dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, darf ich Ihnen sagen, dass man da schon unterscheiden muss, von wem diese Gewalt ausgeht. Wir konnten ja nicht damit rechnen, dass massive Ströme von Migran­ten, von Asylwerbern in unser Land kommen, die ein anderes Frauenbild haben, die Frauen als Freiwild sehen und von denen massive Gewalt ausgeht. Das sind zwei Paar Schuhe, das kann man nicht immer vermischen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Man erwartet ja von uns Politikern, und ich erwarte das auch von allen hier im Haus vertretenen Parteien, dass es Vorschläge gibt, wie man das Sicherheitsgefühl heben kann, wie man die Bevölkerung schützen kann, wie man vor allem Frauen vor sexu­ellen Übergriffen schützen kann. Wir haben uns etwas überlegt. Wir haben, auch wenn es von einigen Seiten kritisiert wurde, anlässlich des Internationalen Frauentages eine Pfefferspray-Verteilaktion organisiert, und diese Pfefferspray-Verteilaktion war ein sehr großer Erfolg, sehr, sehr viele Frauen haben davon Gebrauch gemacht. Wir werden diese Aktion demnächst wiederholen. (Beifall beim Team Stronach.)

Auch wenn das lächerlich gemacht wird, darf an dieser Stelle an die Adresse jener gerichtet sein, die das lächerlich machen wollen: Wenn nur eine Frau sich mit einem


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Pfefferspray zum Beispiel schützen kann, dann ist das Ziel erreicht. Das sei ihnen auch hinter die Ohren geschrieben! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Es wird hier auch immer – vor allem vonseiten der Grünen und der NEOS – die Deeskalation der Sprache ganz groß gepredigt. Dazu darf ich schon einmal eine kleine Anmerkung machen: Der Wahlkampf findet ja am Sonntag sein Ende, aber wenn eine Schauspielerin in Wien, Katharina Stemberger, namentlich genannt, bei einer Veran­staltung des grünen Kandidaten Van der Bellen sagt, der Gegenkandidat Hofer müsse mit allen Mitteln verhindert werden, der Kreativität seien keine Grenzen gesetzt – nur nicht kriminell werden, also nicht sehr, ein bisschen kriminell sei hingegen erlaubt –, dann muss ich sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es ist eine Schande, dass so etwas passiert und dass Sie sich davon nicht distanzieren. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Wo ist denn da die Deeskalation der Sprache? – Es wird aufgerufen, kriminelle Hand­lungen zu setzen! Aber das macht ja nichts. Auch Herr Van der Bellen meinte gestern im Fernsehen: Nein, das ist ja nicht ernst gemeint! Jeder, der Frau Stemberger kennt, weiß, dass das nicht ernst gemeint ist! Und wenn irgendjemand anderer etwas sagt, kommen gleich die Faschismuskeule und der Vorwurf der Wiederbetätigung oder was auch immer?! Das macht dann alles nichts? – Das ist ein Messen mit zweierlei Maß! Und das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Von den Grünen, wenn wir schon dabei sind, kommt – außer Blödsinn, sage ich nicht, denn dafür könnte ich einen Ordnungsruf bekommen – nicht viel. Ich warte vielleicht darauf, dass der Vorschlag für ein zentrales Eisenstangenregister kommt, denn der Mann, der die Frau am Yppenplatz umgebracht hat, ist ja schon einmal auffällig gewor­den, er hat schon einmal einen Angriff mit einer Eisenstange gestartet. Kommt der Vorschlag von Ihnen für ein zentrales Eisenstangenregister? – Ich bin gespannt.

Was jedenfalls von den Grünen gekommen ist, in mehrfacher Hinsicht, einmal vom Kollegen Pilz und einmal vom Kollegen Steinhauser, sind Anträge zur Verschärfung des Waffenrechtes. Das Waffenrecht soll verschärft werden. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein Schlag ins Gesicht aller rechtstreuen Waffen­besitzer und aller rechtstreuen Bürger! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Die legalen Schusswaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind nicht delikt­relevant. Verbrechen werden hauptsächlich mit illegal besessenen Waffen und nicht mit legal besessenen Waffen ausgeübt. Es ist wirklich eine Schande, dass Sie die legalen Waffenbesitzer, die rechtstreuen Waffenbesitzer bestrafen, entwaffnen wollen und das Sicherheitsgefühl dadurch noch mehr senken wollen. (Neuerlicher Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Selbstverteidigung ist kein Privileg, Selbstverteidigung ist ein Grundrecht. Selbstvertei­digung muss ein Bedarfsgrund werden und den Rechtsanspruch auf einen Waffenpass begründen – und das für jeden unbescholtenen Bürger, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Das ist gerichtet ganz besonders an die Adresse der Grünen! (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Sie sehen, es gibt wirklich viele Probleme, es sind viele Probleme, die man nicht verschweigen kann, nicht mehr verschweigen kann, die wir angehen müssen. Ich bin zuversichtlich, dass sich einiges ändern wird, dass sich auch am kommenden Sonntag einiges ändern und es eine Richtungsentscheidung in Österreich geben wird. Ich hoffe – ohne eine explizite Wahlempfehlung abzugeben, ich habe schon gewählt –, dass es wirklich eine Änderung gibt und dass wir zukünftig gemeinsam mehr für die Österreicherinnen und Österreicher und vor allem für die Sicherheit der Österreiche­rinnen und Österreicher machen können. – Vielen Dank. (Beifall bei Team Stronach


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und FPÖ sowie des Abg. Franz. – Abg. Walter Rosenkranz: Menschenrechte für Österreicher!)

17.12


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


17.12.41

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundes­minister auf der Regierungsbank! Klubobmann Strache hat es schon angesprochen, es gibt mehr Fälle als diese grausame Tat am Brunnenmarkt; so auch die Vergewaltigung einer 21-jährigen Studentin am Praterstern von drei afghanischen Asylwerbern. Auch das ist eine Tat, die natürlich aufs Schärfste zu verurteilen ist.

Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang Folgendes mitteilen: Diese drei Asylwerber, 16, 17 Jahre alt, sind ja bereits in Haft, sind in Wien inhaftiert. Man denkt, ein Täter, der so eine Tat verübt hat, kommt irgendwann einmal zur Ein­sicht und bereut die Tat. Nichtsdestotrotz hat einer dieser drei Vergewaltiger wenige Tage nach der Tat eine Justizwachebeamtin im Dienst in einem Aufzug in der Justizanstalt attackiert. Sie konnte sich durch Selbstverteidigung wehren, und dabei hat der Täter, der Asylwerber, blaue Flecken abbekommen. Zum Glück, muss man sagen, ist der Kollegin relativ wenig passiert, sie konnte sich gut wehren. Der Täter hatte blaue Flecken, weshalb die Jugendgerichtshilfe sich bemüßigt gefühlt hat, diese Tat, und zwar nicht die Tat des eigentlichen Täters, sondern die Verteidigungshandlung der Beamtin, anzuzeigen.

Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt. Ich hoffe, dass man, da Sie, Herr Bundesminister – wie Sie gesagt haben, und ich glaube Ihnen das auch –, der Frustration bei der Exekutive, bei Polizei und Justizwache, entgegenwirken wollen, dann doch die richtigen Entscheidungen treffen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Was natürlich auch ein bisschen verwundert hat, ist, dass dann durch die Medien gegangen ist, dass ein Komplize, einer dieser drei Asylwerber, Vergewaltigungstäter, an einer Blutkrankheit laboriert, wofür eine medizinische Behandlung vonseiten der Justiz von 24 000 € pro Monat gewährleistet wird. Ich muss Ihnen schon sagen: Das hat in meinem Posteingang zu vielen E-Mails von Bürgern geführt, die dagegen natür­lich protestieren. Eine darf ich Ihnen dann vorlesen, die mir eine Mutter geschrieben hat, denn das ist vielleicht ganz interessant.

Herr Bundesminister, Sie sind ja sehr reformwillig, das haben Sie immer angekündigt, es wäre schon lange einmal an der Zeit, die First-Class-Medizin für die Straftäter in den Justizanstalten zu beenden, in Zeiten wie diesen zu versuchen, Verhandlungen mit der Frau Gesundheitsminister aufzunehmen, um eben diese Spitzenmedizin für Straftäter eventuell hintanzuhalten und diese endlich in die Gebietskrankenkassen zu überfüh­ren. Diese Leistungen, die man in Haft teilweise erhält, sind einem Normalbürger nicht mehr zugänglich, und das löst dann natürlich diese Proteste aus. Ich denke, Nor­malbürgern, Bürgern, die ihre Arbeit leisten und brav ihre Steuern zahlen, werden solche Medikamente von den Krankenkassen meist nicht bewilligt (Beifall bei der FPÖ – Abg. Walter Rosenkranz: Das stimmt! Gerechtigkeitsfrage! Sehr wichtig!), und das löst natürlich schon sehr viel Unmut in der Bevölkerung aus.

Da schreibt mir eine Mutter:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Beim Lesen des Artikels in der „Heute“ am 18.5. konnte ich Traurigkeit und Empörung zugleich spüren. Ich pflege meinen 38-jährigen Sohn seit fünf Jahren zu Hause. Seit einem Unfall befindet sich mein Sohn im Wach­koma, macht aber dennoch Fortschritte. Mein Sohn hat 20 Jahre in das System einge­zahlt und elf Jahre bei den Wiener Linien gearbeitet. Es gibt sehr gute Therapie­mög-


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lich­keiten, aber die Krankenkasse weigert sich, die Kosten zu übernehmen. Ich arbeite rund um die Uhr für meinen Sohn. Und wenn ich dann lese, dass unser Staat für einen Straftäter 24 000 € pro Monat für Therapien aufbringen kann, jedoch 12 000 € Therapiekosten im Jahr für meinen Sohn zu viel sind, dann frage ich mich: Was läuft hier falsch? Was wird hier von langer Hand geplant? Ich fühle mich von der Gesell­schaft, der Regierung und erst Recht von der Judikatur im Stich gelassen. Ich kann nur hoffen, dass ein Bundespräsident Hofer die Möglichkeit hat, einige Dinge zum Guten zu wenden, sodass sich auch bei mir als österreichischem Staatsbürger wieder das Gefühl einstellen kann, nicht im Stich gelassen zu werden. – Zitatende.

(Beifall bei der FPÖ.)

Das war nicht die einzige Mail, sondern unzählige Mails sind an mich ergangen, als medial bekannt wurde, was für den Gesundheitsbereich in den Justizanstalten bezahlt wird und dass das einem Bürger in Österreich normal nicht mehr zugänglich ist.

Herr Bundesminister! Ich bedanke mich im Namen meiner Fraktion für Ihre Aussagen im letzten Justizausschuss, dass Sie eine Sonderkommission einsetzen werden. – Sehr begrüßenswert, sehr löblich, und ich glaube auch, und deshalb habe ich Ihnen auch die E-Mail vorgelesen und mir die Zeit genommen, dass das bei Ihnen fruchtet, dass das wirklich bei Ihnen ankommt.

Herr Bundesminister, das Einzige, das hier noch anzumerken ist, das mich wirklich sehr wundert und mich irgendwie besorgt macht: Ich habe von Ihnen vor wenigen Tagen eine Antwort auf eine parlamentarische Anfrage bekommen. Die lapidare Frage lautete: Wie viele Asylanten, Asylwerber, Konventionsflüchtlinge beziehungsweise subsidiär Schutzberechtigte befinden sich zurzeit in Haft und in welcher Anstalt? – Eine Frage, bezüglich der ich mir schon gedacht habe, da werde ich eine umfassende Antwort bekommen, dann haben wir einmal Klarheit, wie das ausschaut. Die unglaub­liche Antwort vom Bundesministerium beziehungsweise von Ihnen, war, dass Sie das nicht wissen.

Herr Bundesminister, Sie nicken, und ich glaube Ihnen auch, dass Sie diese Frage richtig und ehrlich beantwortet haben, aber das kann es doch bitte nicht sein, Herr Bundesminister, dass man das nicht weiß! Jeder in Haft befindliche Asylwerber hat im Regelfall einen Asylantenausweis, vielleicht auch nicht, wird vielleicht auch erst in Haft erstellt, und dann beginnen schon die Ausführungen zu den Behörden.

Also dass es da keine Aufzeichnungen gibt, verstehe ich nicht, denn das ist meiner Meinung nach kein Problem, außer, dass es ein Mehr an Arbeit bedeutet. Meiner Meinung nach ist das eine Sache des Wollens, Herr Bundesminister: Will man es machen oder will man es nicht machen! Schwierigkeiten und Kosten verursacht so etwas nicht. Aber anscheinend will man das nicht machen.

Genauso muss man sagen, dass es anscheinend – und das kam mir in der letzten Zeit immer häufiger vonseiten der Exekutivbediensteten, sowohl aus der Polizei als auch aus der Justizwache, zu Ohren – sogenannte Maulkörbe für Beamte gibt. Ich will jetzt nicht sagen, von Ihnen, aber aus dem Umkreis des Ministeriums. Das heißt, man darf nichts sagen, man soll die Bevölkerung nicht informieren, die Politiker, und, und, und. Also man soll den Deckmantel des Schweigens über Daten drüberstülpen.

Das dürfte nicht sein. Ich denke, man sollte mit dieser Sache – das haben wir heute schon einige Male gesagt und geklärt –, mit diesen Fällen ehrlich umgehen und nicht die Beamten noch zusätzlich demotivieren, indem man Maulkorberlässe herausgibt.

In diesem Sinne sage ich noch einmal Danke für diese Kommission. Danke für Ihre Arbeit und für Ihre Bemühungen, Herr Bundesminister. Vielleicht können Sie hier noch


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die eine oder andere Frage, die ich hier aufgeworfen habe, beantworten. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


17.21.20

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Kollegen! Meine tiefe Anteilnahme gehört den Familienangehörigen des Opfers. Ich weiß, wovon ich hier rede, denn ich selbst habe mehrere solche Fälle gehabt, wo ich als Polizist zu den Familienan­gehörigen von Opfern gehen und ihnen eine traurige Mitteilung überbringen musste. Das ist nicht sehr angenehm.

Die Familienangehörigen der Opfer sind vor allem zu betreuen. In diesem Bereich haben wir es geschafft, dass psychosoziale Dienste da jetzt tätig sind, die sich in dieser schwierigen Situation um die Familienangehörigen kümmern. Diese Betreuung wurde in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbessert. Wie gesagt, es ist nicht angenehm für einen Polizisten, solche traurigen Mitteilungen zu überbringen, aber es ist leider notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein trauriges Ereignis, um das es hier jetzt geht. Wir gehen aber nicht einfach zur Tagesordnung über, sondern es gibt schon Maßnahmen betreffend dieses Ereignis. So wurde vom Justizminister eine Sonder­kommission eingerichtet, die sehr umfassend tätig ist. Sie bezieht sich auf die Fach­gebiete Psychiatrie, Unterbringung psychisch Kranker, Sozialarbeit, Jugendwohl­fahrt und Opferschutz und beleuchtet auch das Verhältnis zwischen Justiz und Bundes­minis­terium für Inneres.

Wir habe hier mehrere Ebenen zu betrachten. Der Justizminister hat schon bei seinem Statement selbst gesagt, dass hier die einzelnen Ebenen zu betrachten sind. Es wurde auch davon gesprochen, dass hier vielleicht ein Multifunktionsversagen erfolgt ist. Deswegen ist es so wichtig, die einzelnen Ebenen zu betrachten und zu beleuchten. Es freut mich, dass so viele Abteilungen an der Aufarbeitung dieses schrecklichen Verbrechens mitwirken.

Ich möchte, weil es in der Zeitung dementsprechende Meldungen gegeben hat, noch auf andere Punkte eingehen.

Erster Punkt: Es hat, wie „NEWS“ berichtete, die Mutter des Täters Probleme mit ihrem Sohn gehabt, und sie hat um Hilfe beim Jugendamt und auch bei der Polizei gerufen, in dessen Folge diese Person abgemeldet wurde. Ich stelle fest: Ein minderjähriger Bürger wird abgemeldet, und das Jugendamt ist zuständig. Da müssen wir uns als Abgeordnete schon fragen: Wie gehen wir mit solchen Fällen um? Und da bin ich erfreut, dass diese Kommission so umfassend eingerichtet worden ist. Denn es stellt sich schon auch die Frage: Wollen wir, dass Minderjährige, die obdachlos sind, nicht vom Jugendamt dementsprechend betreut werden? Wollen wir, dass schwierige Min­der­jährige in der Obdachlosigkeit sind, verwahrlost in Österreich aufhältig sind?

Es gibt auch noch viele andere Punkte, die da zu beleuchten sind, zum Beispiel die Schnittschnellen. Es sollte – das muss auch gesagt werden – die Zuständigkeit klar geregelt sein. Es darf nicht so sein, dass ein Amt die Aufgabe auf das andere Amt überwälzt, sondern es sollte klar sein, wer die Verpflichtung hat, für Minderjährige tätig zu sein, denn genau in diesem Bereich – und da müssen wir Geld investieren, da braucht es Personal, da braucht es Budgetmittel – können wir in Zukunft so manches hintanhalten, indem die Minderjährigen, die uns auch das eine oder andere Problem bereiten, dementsprechend unterstützt werden.


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Es wäre in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass man über die Frage nachdenkt: Wie gehen wir mit jugendlichen Straftätern um? Wie können wir sie wieder auf einen guten Weg zurückführen? Wollen wir sie wirklich mit den Erwachsenen zusammen­geben?

Es gibt da noch viele offene Fragen, aber meine Zeit reicht nicht, um hier all das anzu­führen. Wie gesagt, wichtig ist, dass wir dieses Thema seriös aufarbeiten. Wir befinden uns da erst am Anfang, es wird sicher noch viele Gespräche dazu geben müssen, und man wird auch noch nachjustieren müssen, welche Maßnahmen noch notwendig sind.

Ich möchte jetzt nur noch auf zwei Sachen replizieren. Das eine ist: Es ist mitgeteilt worden, dass nach Kenia keine Personen zurückgebracht worden sind. Das stimmt so nicht. Es gibt laut FRONTEX sehr wohl Rückführungen nach Kenia. (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Herr Kollege Rosenkranz, das eine ist – und das weißt du ebenfalls –: Es geht auch um minderjährige Straftäter. Sie sind Fremde. Und was machen wir in diesem Fall? Und das andere ist: Wir müssen auch die gesetzlichen Vorgaben beachten. Erst auf­grund dessen können wir entscheiden, welche Möglichkeiten wir ins Auge fassen.

Die Sonderkommission, die jetzt eingerichtet wurde, sollte auch diesen Bereich trans­parent gestalten, denn die Staatsbürger in unserem Land haben das Recht, zu erfah­ren, welche Möglichkeiten wir haben. Das ist für die Opfer und auch für die Familien­angehörigen des Opfers eine wichtige Antwort. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.26


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Mag. Gerstl. – Bitte.

 


17.26.44

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Plessl sehr dankbar, weil er in diese Diskussion noch eine weitere Dimension hinein­gebracht hat, die da lautet: Die Kriminalität steht erst am Ende einer längeren Entwick­lung. Davor gibt es bei Menschen viele Entwicklungen, bei denen man nicht vorher­sehen kann, ob jemand kriminell wird, aber wenn man den Menschen schon vorher helfen kann, dann kann man sehr oft Kriminalität verhindern.

Daher ist es, glaube ich, auch in dieser Diskussion und im Rahmen der Sonderkom­mission ein ganz wichtiger Punkt, dass wir, wenn wir über Kriminalität reden, auch darüber reden, wie man Menschen in schwierigen Situationen helfen kann, wie man verhaltensauffälligen Menschen Unterstützung geben kann. Das heißt: Es ist schon im Bereich der Prävention anzusetzen und nicht erst im Bereich des Strafrechtes. Auch wenn wir das Strafrecht auf jeden Fall brauchen – Stichwort: Sicherheitspolizeigesetz –, lösen können wir damit aber nicht die eigentlichen Probleme. Wir können damit zwar manche Dinge verhindern, aber wir können Menschen damit nicht unmittelbar helfen.

Lassen Sie mich als einen der letzten Redner das jetzt kurz zusammenfassen!

Erstens können wir feststellen: Wir haben jetzt ein Beispiel für einen guten Parlamen­tarismus gezeigt. Dies deshalb, weil wir einen Justizminister hier herinnen haben, der Verantwortung wahrnimmt und nicht nach Zuständigkeit ruft.

Zweitens, weil wir eine Opposition haben, die einen Antrag zu diesem Thema einge­bracht hat und die ein Interesse daran hat, ihn sachlich zu diskutieren und Lösungen zu erwirken. Das ist nicht immer in diesem Hohen Haus der Fall, und daher möchte ich heute auch dankbar dafür sein, dass diese Diskussion jetzt im Großen und Ganzen so sachlich erfolgt ist.


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Jetzt zur Frage: Was ist in diesem konkreten Fall passiert? – Es ist wirklich er­schreckend, dass eine mehrfach vorbestrafte, offensichtlich psychisch kranke Person von den Behörden unseres Landes nicht rechtzeitig angehalten und kontrolliert werden konnte. Und da stellt sich die Frage: Welche Möglichkeiten hätte es im Vorfeld gegeben, um dieses Verbrechen zu verhindern?

Zwei Möglichkeiten wurden diskutiert: einerseits, ob aufseiten des Strafrechtes die Möglichkeit der Untersuchungshaft bestanden hätte. Und da wäre zu klären: Hätte man bei der Berücksichtigung des Sachverhaltes doch vielleicht mit einer schweren Kör­perverletzung argumentieren können – etwas, was ich mir durchaus vorstellen kann –, oder hat eine Anzeige der Polizei nach § 83 Abs. 1 wirklich genügt? Hätte man viel­leicht näher untersuchen können, ob eine schwere Körperverletzung vorgelegen ist?

Eine weitere Möglichkeit, die es in diesem Fall hätte geben können, wäre eine Unter­bringung nach dem Unterbringungsgesetz gewesen. Dieser Fall ist für mich deshalb besonders erschütternd, weil ich von vielen Fällen weiß, in denen das Gegenteil damit bewirkt wurde. Was meine ich damit? – Ich kenne viele Fälle, in denen vor allem demente Personen, alte Personen, die sich in einer schwierigen Situation befunden haben, nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht wurden, dann sediert wurden, deshalb ruhiggestellt wurden, wobei es den Angehörigen nicht wohl zumute gewesen ist.

Also auf der einen Seite haben wir zu viel Ruhigstellung, die nicht unbedingt erfor­der­lich gewesen wäre, und auf der anderen Seite das Nichterkennen, dass eine be­stimmte Kontrolle und vielleicht auch eine Sedierung notwendig gewesen wären. Da aber immer das richtige Gefühl zu haben ist etwas, was an einer Schnittstelle liegt, wo meh­rere Behörden zusammenarbeiten müssen. Und das Fehlen dieser Zusammenarbeit machte es wahrscheinlich auch so schwierig, in diesem Fall richtig vorzugehen.

Daher bitte ich Sie, Herr Justizminister, besonders auf diese Schnittstellen zu achten, denn ich habe den Eindruck gewonnen – und ich habe mir diesen Fall gut ange­schaut –, dass jede Behörde für sich versucht hat, bestmöglich zu agieren. Im Über­gang wurden dann allerdings immer wieder andere Konsequenzen gezogen. Daher halte ich diesen Schnittstellenübergang von Polizei zur Justiz und von den Gesund­heitssachverständigen zur Polizei für so wichtig, wenn es um justizielle Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz geht. Darauf werden wir besonders unser Augenmerk richten müssen, nämlich ob diese Schnittstellen, so wie sie heute nach der Strafpro­zessordnung, nach dem Unterbringungsgesetz vorgesehen sind, auch passen.

Damit komme ich zu meinem letzten Punkt, nämlich dem der Abschiebungen und der Rückführungen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass Österreich Europameister bei den Rückführungen ist. Es gibt kein Land innerhalb der EU, das so viele Rück­führungen vornimmt wie Österreich. Wir haben diese Rückführungen von 2014 auf 2015 auch entsprechend gesteigert. Es finden in diesem Jahr 2016 jede Woche Rück­führungen mit Charterflügen statt.

Dass es immer noch mehr sein könnten – ja, da bin ich bei all denen, die dafür ge­sprochen haben, aber es war mir auch wichtig festzustellen, dass von den österreichi­schen Behörden alles unternommen wird, damit diejenigen, die sich illegal im Land aufhalten und keinen rechtmäßigen Titel haben, rechtzeitig abgeschoben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

17.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 



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17.33.00

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe sehr oft bei Diskussionen, vor allem bei sensiblen Diskussionen, gemeint: Das könnten wir eigentlich auch sachlich diskutieren. Ich stehe nicht an zu sagen, dass heute sachlich diskutiert worden ist. Das sollte man auch sagen.

Herr Bundesminister, danke schön – ich glaube, diese Sonderkommission einzurichten ist die beste Reaktion auf diesen Fall, um den es hier jetzt geht. Aber lassen Sie mich trotzdem zwei, drei Fragen aufwerfen, die mir sehr wichtig erscheinen.

Ich glaube, wir bräuchten diese ganze Diskussion nicht zu führen, mehrere Vorredner haben das schon zum Ausdruck gebracht: Jeder weiß, was ein Touristenvisum ist. Das heißt, nach drei Monaten handelt es sich um einen illegalen Aufenthalt in Österreich. Ich frage mich: Wie war so etwas möglich? – Wir werden es hören. Dann erst stellen sich alle anderen Fragen.

Ich habe es gestern wieder gesagt: Ich habe für so etwas überhaupt kein Verständnis; jede einzelne Straftat ist für mich eine zu viel. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass jemand, der von uns solidarische Hilfe braucht, weil er sein Leben bedroht sieht, dann bei uns eine strafbare Handlung setzt und vielleicht das Leben eines ande­ren bedroht. Das toleriere ich überhaupt nicht! Ich bin ja froh, dass jetzt etwas ge­schieht, aber ich bin auch neugierig, wie diese Diskussion laufen wird. Ich habe gestern auch gesagt, dass wir dieses Programm, das wir uns vorgenommen haben, jetzt gemeinsam abarbeiten.

Fest steht: Das Leben ist das höchste Gut. Herr Minister, auch wir beide haben oft darüber diskutiert. Ich weiß schon, dass das Gesetz dementsprechend angepasst worden ist, trotzdem haben wir noch eine ordentliche Schieflage. Das Auto oder das Brassetl wird in der Gesellschaft höher bewertet als Leib und Leben. Das können wir als Gesetzgeber nicht so hinnehmen, denn – und ich will jetzt nicht unbedingt die Frauen bemühen – jede Person hat ein Leben und eine Gesundheit. Und das muss auf alle Fälle mehr wert sein als jede Sache im Vermögensbereich. Daher sind auch wir hier aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diesem Grundsatz entsprochen wird.

Herr Minister! Natürlich weiß ich so wie jeder andere, dass all diese Punkte, die du richtigerweise angesprochen hast, vom Unterbringungsgesetz bis zum Maßnahmen­vollzug, wichtig sind. Trotzdem kommen wir um die primäre Frage nicht umhin: Wie ist es möglich, dass jemand ohne einen aufrechten Aufenthaltstitel so eine lange Zeit bei uns ist?

Dann stellt sich die Frage – und ich bin einer, der das wirklich genau wissen will; schauen wir es uns dann, wenn der Bericht da ist, an –: Welche „Hoppalas“ sind denn dann nachher passiert?, um jetzt nicht den Stab über irgendjemanden zu brechen. Es können ja nicht alle zuschauen! Alle schauen zu, alle wissen es! Du hast, Herr Minister, richtig gesagt, du wirst nicht zum Ausdruck bringen beziehungsweise sagen: Ich bin nicht zuständig. – So ähnlich hast du es gesagt.

Nach der Klärung dieser Frage müssen wir uns weitere Fragen stellen: Was wollen wir? – Erstens wollen wir keine kriminellen Handlungen. Zweitens wollen wir, dass jeder, der da ist, einen Aufenthaltstitel hat. Klar ist: Alle, die keinen Aufenthaltstitel haben – dieser Punkt ist immer wieder von uns gemeinsam diskutiert worden –, muss man irgendwie außer Landes bringen.

Übrigens, die Diskussion, ob die Zuständigen in Kenia gewollt oder nicht gewollt hät­ten, dass diese Person zurückgeführt wird, brauchen wir nicht zu führen. Da braucht man keine Abschiebung, denn er ist ordentlich ausgereist – ordentlich ausgereist! –,


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mit einem Visum. Da braucht man gar nicht zu diskutieren, sondern muss nur sagen: Bitte schön, er ist zu uns gekommen, da habt ihr ihn wieder. Da muss man sonst überhaupt nichts tun. Aber das sollte man gleich, wenn das Visum abgelaufen ist, machen und nicht erst Jahre später. Aber ich bin der Letzte, der über irgendjemanden den Stab bricht. (Abg. Fekter: … Haftungen dafür!) Aber sauber sollten wir die ganze Geschichte diskutieren.

Herr Minister, wenn wir aufgrund des SOKO-Ergebnisses wissen, wie die ganze Ge­schichte gelaufen ist, dann sollten wir wirklich ohne Berührungsängste, ohne da irgendwelche polemischen Geschichten zu erfinden, ganz einfach auflisten: Wo haben wir Handlungsbedarf? – Eines schwingt ja auch noch mit – ich will das jetzt nicht stra­pazieren, ich verfolge das ja schon seit Jahrzehnten –, nämlich die Frage: Welche Sozialversicherung zahlt was? – Das kennst du ja, das haben wir oft genug mit­einan­der diskutiert. Darüber gab es ja in Wirklichkeit jahrzehntelange Auseinandersetzun­gen. (Bundesminister Brandstetter: Aber jetzt machen wir es!) – Ich freue mich darüber, aber ich sage nur: Darüber haben wir jahrzehntelang diskutiert. Das löst aber leider das Problem nicht.

Ich sage ganz deutlich: Unser gemeinsames Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen. Aber diese Geschichte hätte man sich ersparen sollen oder ersparen können. Doch jetzt müssen wir dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert. Das andere müssen wir so schnell wie möglich reparieren, damit so etwas nicht wieder passiert. Ich bleibe dabei: Das Leben ist unser höchstes Gut.

Herr Minister! Ich hatte seinerzeit Verständnis – und ich weiß noch alles, was ich damals gesagt habe –, als wir das Unterbringungsgesetz beschlossen haben. Ich weiß schon, dass man verhindern wollte, dass man alle abschiebt. Das weiß ich schon. Nur: Rede mit allen Experten, welchen Hindernislauf du hast, um zu erreichen, dass du überhaupt jemanden in so eine Einrichtung bekommst!

Das nächste ungelöste Problem, Herr Minister – und du kennst das aus allen anderen Bereichen –, ist jenes mit den Gutachtern, egal, um welche Gutachter es geht. Da gibt es ein riesiges Problem: Auf der einen Seite ist es so – und da müssen wir so ehrlich sein, das zuzugeben –, dass halt alles seinen Preis hat. Ich glaube, du verstehst, was ich meine. (Zwischenruf des Abg. Auer.)

Auf der anderen Seite müssen wir uns auch überlegen, ob man sich die Gutachter je nach Richtung vom Markt holt und sie für die jeweiligen Anlässe vereidigt. Dann hat man ein größeres Reservoir oder Listen, die man auflegt. Das kann man ja alles machen. Ich glaube, dass wir auf Dauer mit den Amtssachverständigen und all dem, was wir da aus der Vergangenheit kennen, nicht das Auslangen finden werden. Das geht bis dahin: Du kannst ja nicht einmal lesen! – Das wissen wir ja beide. Daher bitte ich auch, da etwas zu tun, weil diese Gutachten in all diesen Fällen, die wir hier diskutieren, in Wirklichkeit eine Rolle spielen.

Ich wünsche mir nur eines: dass wir in diesem Haus, ausgehend von so einem trau­rigen Anlass, die Kraft haben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit so etwas in der Zukunft nicht mehr passiert. Das wird eine interessante Diskussion – interessant jetzt nicht aus Neugier, sondern im sachlich-inhaltlichen Sinn –, die in unterschied­lichen Ausschüssen zu führen sein wird, weil vom Justizausschuss bis zum Innen­ausschuss mehrere betroffen sind.

Aber ich ersuche darum: Versuchen wir, so wie heute – heute ist es auch gelungen, dass wir sachlich diskutieren –, dieses Werk, das ja schon vorgestellt worden ist, in den nächsten Tagen und Wochen auch parlamentarisch auf den Weg zu bringen,


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damit es zu einer positiven Beschlussfassung kommt. Ich lade Sie dazu sehr herzlich ein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


17.40.50

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Zum Mord am Brunnenmarkt: Die heutige Dringliche Anfrage befasst sich mit dem Mord durch einen mehrfach vorbestraften, illegal in Österreich aufhältigen Kenianer an einer 54-jährigen Wienerin. Auch ich bekunde meine Anteil­nahme gegenüber der Familie des Opfers. Aus den bisher vorliegenden Erkenntnissen aus diversen Ermittlungen ist ein deutliches Versagen sowohl der Justiz als auch weiterer Behörden abzuleiten.

Auffallend sind Parallelfälle, wie zum Beispiel der eines in Salzburg wohnhaften türki­schen Staatsbürgers, der trotz mehr als 20 Vorstrafen aufgrund von Gewalt-, Suchtgift- und Eigentumsdelikten nach wie vor sein Unwesen treibt. Bereits im Dezember 2014 stellte ich eine diesbezügliche parlamentarische Anfrage, in welcher ich wissen wollte, warum diesem ausländischen Straftäter bei jeder Gerichtsverhandlung Haftstrafen aus jeweiligen Vorverurteilungen unverständlicherweise und unbegründeterweise nachge­se­hen wurden. Diesem Wiederholungstäter wurde es dadurch ermöglicht, weiterhin Straftaten und Gewaltdelikte zu begehen. In diesem Fall wurde bis dato keine Haft­strafe vollzogen und kein Verfahren zum Entzug des Aufenthaltstitels eingeleitet.

Ähnlich der Fall eines 19-jährigen Lehrlings, welcher von einer Gruppe junger Türken vor einer Disco halb tot geprügelt und dann über eine Mauer geworfen und im schwerst verletzten Zustand seinem Schicksal überlassen wurde. Auch da kam es zu keiner Verurteilung der Täter. Das Opfer hatte die Gerichts- und Anwaltskosten zu be­gleichen – das ist das „Zuckerl“ dazu.

Erst unlängst wurden amtshandelnde Polizisten in Bludenz in einem Railjet der ÖBB von mehreren illegal aufhältigen und zum Teil vorbestraften Afrikanern attackiert und verletzt. Auch in diesem Fall entschied die Staatsanwaltschaft, keine Haft anzuordnen. Ich sehe darin einen Affront gegenüber der Exekutive sowie der Bevölkerung.

Diese Fälle vermitteln ausländischen Straftätern und potenziellen Straftätern einen Freibrief für ihr Treiben. Das Verhalten der Justiz, derartige Straftäter mit Samthand­schuhen anzufassen, scheint System zu haben.

Herr Justizminister, machen Sie von Ihrem Weisungsrecht Gebrauch und wirken Sie mit, Straftäter einem entsprechenden verhaltens- und tatbezogen erforderlichen Verfahren zuzuführen! – Danke. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.43


Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abge­ordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


17.43.55

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich möchte ein paar Dinge präzisieren, und zwar weil davon gesprochen wurde, was mit der Rückführung nach Kenia ist: Ja?, Nein?, Weiß nicht!, Warum nicht?, Kurz tut nichts, tut zu wenig, brauchen wir nicht!

Im konkreten Fall gilt: Es bedarf keiner Rückführung. Es bedarf keiner Rückführung, weil dieser im Jahr 2008 Zwölfjährige ein 90-tägiges Visum C gehabt hat, mit einem gültigen Reisedokument, das er bei der Botschaft vorgezeigt hat, das dort kopiert


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wurde, das dort archiviert wurde, das man im Postweg auch nach Österreich hätte schicken können und so weiter, mit dem er sich legitimiert hat.

Das heißt: Wenn dieser junge Mann, der dem Vernehmen nach seit 2008 in Österreich sein soll, circa bis zum Jahr 2014 minderjährig war und schon damals straffällig wurde, hätte man sich nach den Bestimmungen auch des Jugendgerichtsgesetzes fragen müssen: Wo ist denn da die – unter Anführungszeichen – „Jugendwohlfahrt“ geblie­ben? Wer sind denn die Obsorgeberechtigten in Österreich, in der Heimat? Und wo ist denn, wenn diese nicht mehr auffindbar oder erreichbar sind, das Jugendamt selbst?

Wir haben in Wien eine Magistratsabteilung 11, und diese hätte mit diesem jungen Menschen zur Botschaft gehen können, unter Vorlage des kopierten Reisepasses, unter Vorlage einer Verlustanzeige, ein neues Reisedokument ausstellen lassen können – nicht ein Rückführzertifikat hätte man gebraucht, ein Reisedokument! –, und dann hätte man schauen müssen: Wer ist denn der – unter Anführungszeichen – „wirtschaftliche Pate“ für dieses Kind, der Verpflichtete, der sich verpflichtet hat, für dieses Kind zu sorgen?

Dann hätte man von diesem nämlich, denn er muss das entsprechende Einkommen haben, die Bezahlung des Tickets einfordern können. Beziehungsweise hätte sogar schon bei der Einreise ein Rückreiseflugticket vorliegen müssen – aber sei es, dass das abgelaufen ist: Es hätte eine Person geben müssen, die dieses Ticket bezahlt. Man hätte keine Rückführung über die Botschaft gebraucht, sondern einfach einen Flug buchen und ihn mit dem Reisedokument – mit dem Duplikat, mit dem neu aus­ge­stellten, was auch immer – ins Flugzeug setzen und selbstverständlich die Behörden in Nairobi verständigen müssen, dass ein Minderjähriger reist und dort ankommen wird.

So einfach wäre es gewesen, wenn das ordnungsgemäß im Rahmen der Minder­jährigkeit dieses jungen Mannes – bis ins Jahr 2014; da ist er aber schon behördlich auffällig gewesen – passiert wäre, dass man sich um ihn gekümmert hätte.

Ein anderer Punkt ist der, dass sich Menschen zunehmend darüber beschweren, dass manche Strafen zu gering sind. Ich denke an das Beispiel, als ein Minderjähriger, ein jugendlicher Afghane, eine 72-jährige Frau in der Nähe von Traiskirchen vergewaltigt hat und zu 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das hat die Leute verwundert, ist aber erklärbar: Er ist Jugendlicher, und daher ist die Hälfte der Strafdrohung anzuwenden. Und auch wenn sich die Frage stellt, ob man nachweisen kann, ob er tatsächlich jugendlich ist oder nicht, gilt er im Zweifel eben als Jugendlicher.

Wir glauben, dass es im Hinblick auf diese Auswüchse sinnvoll sein wird, wenn wir im Strafrecht nachschärfen. Herr Bundesminister, auch da gibt es einen konstruktiven Vorschlag vonseiten der Freiheitlichen – der Antrag ist bereits eingebracht und auch dem Justizausschuss zugewiesen worden –: Das Strafrecht kennt besondere Erschwe­rungsgründe. Ein besonderer Erschwerungsgrund ist zum Beispiel die Begehung aus rassistischen, fremdenfeindlichen Motiven. Das ist ein besonderer Erschwerungsgrund, und das ist auch gut und richtig so. Aber wir glauben, dass es eines besonderen Erschwerungsgrundes bedarf, wenn man eine Straftat als Asylwerber, als Asylbe­rechtigter begeht, weil das Begehen als Gast, das Missbrauchen des Gastrechtes aus unserer Sicht auch einen Erschwerungsgrund darstellt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hagen.)


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17.48


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

17.48.18Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich nehme die Verhandlungen über den 1. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.

 


17.48.33

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Minister! Geschätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte mich ja heute bei der Antrittsrede des neuen Herrn Bundeskanzlers nicht zu diesem Thema zu Wort melden, aber da Kollege Wöginger angesichts des Versagens und der Schuld der Regierung rund um das Thema Hypo/HETA wieder die alleinige Schuld dafür in Kärnten zu finden glaubt (Rufe bei der ÖVP: Bei der FPÖ!), muss ich das Thema leider etwas strapazieren (Ruf bei der ÖVP: Bei der FPÖ, Herr Kollege!) – Sie werden schon wieder nervös, Herr Kollege – und vielleicht auf ein paar Punkte hinweisen.

Wenn wir uns die Situation anschauen – und der Herr Finanzminister sagt es uns ja jetzt auch schon seit Jahren, seit mittlerweile zwei Jahren, und er tut nichts dagegen oder hat bis jetzt keine Lösung gefunden –, sehen wir, wir haben in unserem Budget kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Er hat es bis heute aber nicht geschafft, etwas dagegen zu tun, außer neue Belastungen wie die Registrierkas­sen­pflicht einzuführen.

Und dann redet man von einem strukturellen Nulldefizit. Ein strukturelles Nulldefizit – das muss man wissen – ist eine Verschuldung von 0,5 Prozent des BIP pro Jahr, das sind rund 2 Milliarden €. Dazu kommen noch einmal 2 Milliarden € durch die Krise, die Sie verursacht haben, durch die neuen Gäste in unserem Land. 100 000 Personen, die im letzten Jahr ins Land gekommen sind, kosten den Steuerzahler 4 Milliarden €. Jedes Jahr 4 Milliarden € mehr Schulden, das ist Ihr Problem. Und von den 290 Milliar­den € Schulden, die dieses Land heute hat, haben den Großteil Ihre Finanzminister, von der ÖVP vor allem und von der SPÖ, zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt ein paar Eckdaten zum Thema Hypo: Vielleicht ist es Ihnen entgangen, Herr Kollege Wöginger, was beim Hypo-Untersuchungsausschuss herausgekommen ist. Das einzige Dokument, das Kärnten belastet, ist dieses Dokument (ein Landes­gesetzblatt in die Höhe haltend): Das ist das Kärntner Landesholding-Gesetz. Und ich würde mir wünschen, dass alle anderen Dokumente veröffentlicht werden, damit sich die Menschen draußen ein Bild machen können – denn alle anderen Dokumente in diesem Hypo-Untersuchungsausschuss belasten ausschließlich ÖVP – diese primär – und SPÖ. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Wer war der Landeshauptmann?)

Das ist das einzige Dokument! Und dieses Dokument, das Kärntner Landesholding-Gesetz, wurde von allen Parteien im Kärntner Landtag beschlossen. Wir stehen dazu, auch die Freiheitlichen haben mitgestimmt. (Abg. Wöginger: Schauen Sie einmal, dass Kollege Dörfler aus dem Bundesrat kommt! Das ist viel wesentlicher! Was tut der Dörfler noch im Bundesrat? Was macht der Dörfler noch im Bundesrat?) Aber auch die ÖVP hat mitgestimmt, die SPÖ – auch der derzeitige Landeshauptmann – hat mitge­stimmt, und auch die Grünen haben diesem Gesetz zugestimmt. Also veröffentlichen Sie doch bitte diese Dokumente!

Vielleicht noch ein paar Worte zur Verstaatlichung, zum Verstaatlichungsvertrag, den Ihr Kollege, Herr Pröll, abgeschlossen hat: Gewährleistungsverzicht; den Bayern garantieren Sie, 2,6 Milliarden € zurückzubekommen; und dann noch in den Kredit­ver­trag ein Mitspracherecht der Bayern mit hineinverhandeln – das ist ja das Schlimmste, was jemandem passieren kann! Einen solchen Vertrag schließt ja nicht einmal ein


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Häuslbauer ab, wenn er ein Häusl kauft! (Abg. Wöginger: Wer hat den Wahnsinn begonnen?) Ich habe diesen Vertrag, der von Herrn Pröll abgeschlossen worden ist, ja schon als den größten Verlustvertrag der Republik bezeichnet. Und das sind die Ursachen für dieses Desaster. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann zu Frau Fekter – sie sitzt ja noch bei uns –, über die Herr Ditz Folgendes sagt – ich zitiere ihn –: Frau Bundesminister Fekter hat die Bad Bank verhindert. (Abg. Fekter: Na Gott sei Dank, weil das hätt’ uns noch mehr Geld gekostet! Dann hätt’ die Republik die Bad Bank zahlen müssen! Lesen Sie nach …!) Das hat den Staat, den Steuerzahler 6 Milliarden € gekostet. Frau Fekter, wir würden uns wünschen, dass Sie so fair wären und eine Gegenüberstellung dieser widersprüchlichen Aussagen von Ihrem Kollegen, von Ihrem Wirtschaftsexperten, Herrn Dr. Johannes Ditz, der zufällig jetzt am Jakobsweg unterwegs ist, zulassen würden. Das würden wir uns wünschen; dann würden wir sehen, wo die Probleme sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Schade, dass der Herr Bundeskanzler jetzt nicht anwesend ist. Ich hoffe – es wird ihm ja nachgesagt, dass er ein gutes Verhältnis zu Kärnten hat –, dass Kärnten in ihm wenigstens wieder einen Ansprechpartner hat und hier der Föderalismus, von dem er gesprochen hat, auch gelebt wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wöginger – zu dem auf seinen Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Angerer –: „Bin weg – bin schon wieder da!“, „Kindesweglegung“ kann man das auch nennen!)

17.52


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


17.52.51

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Politik muss zukunftsweisende Rahmenbedingungen schaffen. Sie muss sich natürlich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen stellen, um so Stabilität zu bieten und langfristige Planungen zu ermöglichen. Das ist entscheidend, um eine schöpferische Entfaltung zu ermöglichen, und das gilt insbesondere für die Kunst und Kultur.

Gleichzeitig müssen wir aber genügend Platz für Neues bieten, Neues ermöglichen – und da möchte ich an das anschließen, was Kollege Zinggl heute Nachmittag schon angesprochen hat. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als auch darüber zu sprechen, nämlich: Wenn wir junge und zeitgenössische Kunst ermöglichen möchten und fördern möchten, müssen wir ganz sicher auch den Mut haben, die eine oder andere Förderung lang bestehender Projekte zu kürzen, und uns die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist, dass jedes Theater noch im gleichen Ausmaß gefördert wird wie in der Vergangenheit. Nur so wird es uns gelingen, neuen Köpfen die Chance zu geben, sich zu etablieren und so Neues zu schaffen.

Der Kultur- und Kreativbereich leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum Wirtschafts­wachstum, schafft Arbeitsplätze und trägt ganz wesentlich zur Unverwechselbarkeit unserer Gesellschaft bei. Kreative Arbeit muss natürlich auch angemessen vergütet werden – gerechte Entlohnung für kreatives Schaffen. Die Digitalisierung hat natürlich schon längst auch im Kunst- und Kulturbereich Einzug gehalten, da fehlen aber ganz sicher noch die richtigen Antworten – Stichwort: ein modernes Urheberrecht mit einem starken Urhebervertragsrecht. Da gilt es vor allem, das Interesse der Kulturschaf­fenden, aber auch der Konsumenten und Konsumentinnen zu berücksichtigen. Ziel ist es und muss es sein, dass alle an der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts partizipieren können, das Internet mit dem Urheberrecht zu versöhnen und dabei neue, vielfältige, kreative Ausdrucksformen zu ermöglichen und zu fördern. Das muss unser Ziel sein.


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Förderung von Kunst und Kultur verstehe ich aber nicht als eine Art Spende des Staates. Die Förderung von Kunst und Kultur ist eine Investition in die Zukunft, in die Demokratie, in unsere Freiheit. Die Reife und das Selbstbewusstsein einer Demokratie zeigen sich auch darin, wie sie mit Kunst und Kultur umgeht. Gerade deshalb müssen wir immer kritisch hinterfragen, wer gefördert wird und ob die Gelder fair verteilt werden, ob es uns gelingt, damit die Diversität in der Kunst- und Kulturszene zu unter­stützen.

Österreich verfügt aktuell über eine sehr lebendige Musikszene, und zwar in den verschiedensten Bereichen, von Volksmusik bis hin zu klassischer Musik, von Popmusik bis hin zu Schlagern. Die österreichische Musikwirtschaft zu stärken war mir in den vergangenen zwei Jahren ein sehr großes Anliegen – Stichwort: öffentlich-rechtlicher Kulturauftrag des ORF. Es ist mir nach langen Verhandlungen gelungen, den ORF zu einer freiwilligen Quotenregelung zu bringen: Mindestens 15 Prozent öster­reichische Musik auf Ö3 gibt es seit August 2015. Wir müssen aber ganz sicher noch den österreichischen Musikfonds finanziell stärken, und ich kämpfe für ein Musikstandortsicherungsgesetz ähnlich dem Filmstandortgesetz.

Das führt mich auch gleich zum österreichischen Film. Wir können stolz sein auf den österreichischen Film und die Erfolge, die wir dort feiern. Wir haben einiges erreicht, wie zum Beispiel das Film/Fernseh-Abkommen und nach langen Verhandlungen auch die fixe Zusage des ORF, in den kommenden drei Jahren 300 Millionen € in die österreichische Filmwirtschaft zu investieren.

Gleichzeitig erleben wir aber in der österreichischen Filmförderung ein krasses Missverhältnis zwischen den Geschlechtern. Diese Frage wird ganz heiß in der Film­szene, in der österreichischen Filmwirtschaft diskutiert. Nach wie vor gehen fast 80 Prozent der Förderungen an Männer. Ich freue mich schon darauf, wenn ich dir, lieber Herr Bundesminister Drozda, unser neues Modell vorstellen kann, wie wir diese unerträgliche Situation ändern wollen und können.

Es geht aber nicht nur darum, ein breites Spektrum an Kunstschaffenden zu ermög­lichen, sondern auch darum, ein breites Publikum, und hier besonders ein junges Publikum, junge Menschen anzusprechen. Jungen Menschen den Zugang zu Kunst, zu Kultur zu eröffnen, ist meiner Meinung nach von zentraler Bedeutung. Wer als Kind Kontakt zu Kunst und Kultur hatte, hat ein Leben lang eine offene Beziehung dazu. Neben den Bildungseinrichtungen haben da vor allem auch die regionalen Kulturin­itiativen einen besonderen Stellenwert. Sie sind ein wichtiger Motor eines lebendigen kulturellen Alltags, in dem Raum für Dialog und Toleranz geschaffen wird.

Am Dienstagabend konnten wir hier im Parlament Zeuginnen und Zeugen werden, wie man junge Menschen für künstlerisches Schaffen begeistern kann; auch der Herr Bundesminister hat kurz vorbeigeschaut. Die Schauspielerin Hilde Dalik hat gemein­sam mit unbegleiteten Flüchtlingen ein Theaterstück aufgeführt und uns vor Augen geführt, was Kunst alles kann: Brücken schlagen, Bühne bieten, Dialog fördern und Spaß machen. Und auch so kann erfolgreiche Integrationspolitik ausschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Winter. – Bitte.

 


17.58.57

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Ge­schätzte Bundesregierung! Werte Kollegen und Kolleginnen! Als ich vor einigen Tagen damit konfrontiert wurde, dass Herr Kern Bundeskanzler wird, dachte ich mir, jetzt bin


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ich zwar neun Jahre in diesem Gremium, aber eigentlich weiß ich über diesen Men­schen relativ wenig. Ich glaube, ich war nicht die Einzige von den 8,5 Millionen Men­schen in Österreich, die so gedacht hat. Wir wussten wenig über die Vita des Herrn Kern, wir wussten wenig über seine privaten Seiten oder gar darüber, wie er tickt.

Heute bei dieser Rede, die er in der Früh gehalten hat, habe ich mir, muss ich ehrlich gestanden sagen, gedacht: Wow, da ist ein Denker, ein Mensch, der ergebnisoffen diskutiert, unterwegs! Ich habe seine Rede anschließend auf Facebook gepostet, und ich möchte ein Zitat eines Users vorlesen, denn es ist ein Kompliment und bedeutet Vorschusslorbeeren für den neuen Bundeskanzler. Der User schreibt:

Charakter kann man nicht beim Diskonter kaufen, auch gibt es keine Charakterschulen oder Coachings. Die wenigsten wissen damit etwas anzufangen oder können das beschreiben, und dennoch gibt es ihn. – Zitatende.

Der Herr Bundeskanzler hat uns auch erzählt, dass er Journalist war, und im selben Atemzug hat er erwähnt, dass er nicht hinter jedem Mikrofon herlaufen will. Ich denke, wenn man die Machtstruktur kennt und wenn man weiß, dass Medien Menschen und Politiker machen und zerstören können, dann, muss ich sagen, ist das eine sehr gewagte Aussage. Ich hoffe aber nur eines, nämlich dass er kein Schweigekanzler 2.0 wird, denn es wäre schade um seine Ideen und seine Gedanken. (Beifall der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Bei den Problemfeldern, die er aufgezeigt hat und die sich für ihn in unserer Republik ergeben, war zuallererst das Schlagwort: Problem der Geburt im Gegensatz zu Privileg der Geburt. Was mir umgehend dazu eingefallen ist, ist die Milieutheorie. Ich denke, dass da noch sehr viel getan werden muss, um Gerechtigkeit, Gleichheit und eine Wertschätzung aller Menschen zu erreichen. Das ist ein Programm, das sicher vieler Initiativen bedarf.

Jobs schaffen, von denen man leben kann: In diesem Zusammenhang ist mir sofort die NINJA-Generation eingefallen, die vermutlich kein Einkommen, keine Wohnung und keinen Job haben wird. Auch das ist eine Lebensaufgabe, würde ich meinen.

Das Wort stimmungshebend beziehungsweise die Gedanken in der Republik umzu­drehen, um damit das Wachstum zu fördern, das ist ein Gedanke, der aus „Psycho­logie der Massen“ kommt, und ich habe mich gefreut, wie ich das gehört habe.

Besonders erfreut war ich allerdings – und vor meinem geistigen Auge ist Hans-Werner Sinn erschienen –, als der Bundeskanzler sagte: so viel Staat wie nötig und so viel Markt wie möglich. – Natürlich hat er in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass aufgrund der Technologisierung und Industrialisierung in Zukunft weniger Arbeitskräfte benötigt werden und die Arbeit, die vorhanden ist, eben gerecht verteilt werden soll.

Gesagt hat er einen Satz, den ich gerne hinterfragt hätte, aber ich glaube, wir werden sicher noch dahinterkommen. Er meinte in diesem Zusammenhang, es müsse das Wirtschaftssystem umgestellt werden. Was er tatsächlich damit meint, das, glaube ich, ist eine Sache, die uns sehr interessieren sollte.

Es ist ein großes Arbeitsprogramm, das es da gibt und das er sich vorgenommen hat. Ich möchte ein Wort dazu sagen, das ihn daran erinnern soll, wie groß das Arbeitsprogramm ist. Man sagt doch: Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen! – Ich glaube, dass Herr Bundeskanzler Kern ein Mensch ist, der erkannt hat, dass man ein Problem nicht mit den gleichen Denkstrukturen lösen kann, die zur Entstehung dieses Problems geführt haben; das ist ein großer und wichtiger Satz. (Abg. Pirklhuber: Das ist ein Zitat von Einstein, das Sie abgewandelt haben!)


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Ich weiß, wir dürfen hier in diesen Gremien und in diesem Haus nicht mit Worten und mit Namen spielen, aber ich möchte einen ganz kleinen Satz aus Gustave Le Bon, „Psychologie der Massen“, Seite 111, vorlesen, der sich genau auf den Namen unse­res Bundeskanzlers zuspitzt; und zwar steht da:

„In den menschlichen Massen spielt der Führer eine hervorragende Rolle. Sein Wille ist der Kern, um den sich die Anschauungen bilden und ausgleichen. Die Masse ist eine Herde, die sich ohne Hirten nicht zu helfen weiß.“

In diesem Sinne wünsche ich ein gutes Gelingen der zukünftigen Arbeit! – Danke schön. (Beifall der Abgeordneten Bacher und Schabhüttl.)

18.03


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. – Bitte.

 


18.03.59

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Hammerschmid! Frau Staatsekretärin! Sehr geehrter Herr Minister Drozda! Frau Dr. Winter, zu Ihrem Zitat kann ich nur eines sagen: Die Massen dürfen kein dummes Herdenvieh sein, sondern müssen durch Kunst, Kultur und Bildung zu kritischen Bürgern erzogen werden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben gestern den Strategiebericht und das Bundesfinanzrahmengesetz beschlos­sen. In diesem Strategiebericht stehen Ihre zukünftigen Herausforderungen, die Aus­ga­benobergrenzen, die Wirkungsziele und die Schwerpunktmaßnahmen. Jetzt ist mir natürlich bewusst, dass Sie dem selbst auch ein bisschen den Stempel aufdrücken wollen, und dafür wird das Budget Gelegenheit bieten.

Aber derzeit stehen wir beispielsweise im Kunst- und Kulturbereich vor der großen Herausforderung, die Effektivität der Kunstförderung sicherzustellen, die Jugend aus allen gesellschaftlichen Gruppen an Kunst und Kultur heranzuführen und sie dafür zu begeistern. Das erfordert Vielfalt, Innovation und regionale Diversifikation. Aber auch die Chancengleichheit in den Kulturbetrieben muss erhöht werden. Und bei der Vergabe von Fördermitteln, das hat Kollegin Hakel schon angesprochen, sind die Frauen besonders zu berücksichtigen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir haben das im Filmbereich bereits intensiv auf der Tagesordnung, aber das gilt selbstverständlich auch für andere Bereiche, in denen die Frauen nicht den Stellenwert haben, der ihnen eigentlich gebührt.

Eine Förderreform in enger Abstimmung mit den Kulturförderungen der Länder, der Kommunen und der Städte ist dringend geboten. Dazu zählt natürlich, dass sich die Länder endlich dazu entschließen müssen, ihre Förderungen im Kultur- und Kunst­bereich in die Transparenzdatenbank einzuspeisen, denn erst dann haben wir Zahlen und können vergleichen, wo es weiße Löcher gibt, wo wir ineffizient sind und wo doppelt und dreifach gefördert wird. (Ruf bei der FPÖ: Zehnfach!)

Herr Minister, Sie kennen die Kulturinstitutionen der Stadt Wien, Sie kennen aber auch die Bundesbetriebe; das sind zwei gute Voraussetzungen für Ihr Amt. Als Oberöster­reicherin freut es mich, dass Sie auch mit dem Föderalismus gut vertraut sind. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir, gerade was den Förderbereich betrifft, mit den Ländern und Kommunen zu mehr Effektivität kommen.

Die Auszahlungsobergrenzen, die festgelegt wurden, sind natürlich auch mit Schwer­punkten definiert. Die Basisabgeltung der Bundesinstitutionen übernimmt den größten Brocken – verständlich, dafür sind wir primär verantwortlich –, Denkmalschutz und Volkskultur, aber im Strategiebericht steht auch: Museen außerhalb der Bundeskom-


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petenz und Projekte – und das ist wichtig – im Rahmen europäischer und interna­tionaler Kulturprogramme.

Es ist erfreulich, dass die Absicherung des Leopold Museums gelungen ist, dass es Förderschwerpunkte für zeitgenössische Kunst und Mobilität für die Kunstschaffenden gibt.

Um diese Auszahlungsobergrenzen einhalten zu können, sind natürlich Reformen nicht nur im Förderwesen, sondern auch bei der Verwaltung notwendig. Kunst und Kultur leben von der Vielfalt und besonders von den regionalen Angeboten. Es wäre undenk­bar, würde sich alles nur in Wien konzentrieren, wiewohl wir auf unsere Bundesinstitu­tionen sehr stolz sind.

Ich teile die Ansicht der Kollegin Hakel, dass Kunstförderung immer ein großes Stück Investition bedeutet, die Wertschöpfung bringt und Arbeitsplätze schafft. Und es gibt Konsens darüber, dass wir die Jugend gratis in die Museen gehen lassen, dass das von Steuergeld bezahlt wird. Das ist gut investiertes Steuergeld, und ich hoffe, Herr Minister, Sie behalten das auch bei.

Zum Schluss wünsche ich den Neuen alles, alles Gute, eine sehr hohe Toleranz- und Frustschwelle (Heiterkeit auf der Regierungsbank), auf dass Ihnen die Freude an der Arbeit sehr lange erhalten bleibt. Schließlich habe ich heute gehört, dass manche einen Frust über die Vergangenheit hatten. Sie sollen diesen Frust gleich einmal ablegen und mit großer Freude an das Thema herangehen.

Ihnen, Herr Minister Drozda, als Koordinator der Regierung – ich weiß, was das heißt, ich war fünf Jahre lang Koordinatorin der Regierung, gemeinsam mit dem Kollegen Ostermayer, dem ich von hier aus für die gedeihliche Zusammenarbeit, die es ja auch gab, danken möchte und den ich auch als guten Kunst- und Kulturminister kennen­gelernt habe –, wünsche ich nicht allzu große Steine auf dem Weg, auf dem Pfad dieser Regierung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.09


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Mag. Grossmann gelangt als nächste Rednerin zu Wort. – Bitte.

 


18.10.15

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Werte neue Regierungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus den Reden des neuen Bundeskanzlers, der neuen Bildungsministerin, aber auch der Staatssekretärin habe ich herausgehört, dass das Bildungsressort als das Schlüsselressort betrachtet wird. Das ist auch gut so, denn Bildung ist der Schlüssel, um an den Chancen des Lebens teilhaben zu können.

Aus den Biographien der neuen Regierungsmitglieder sieht man, es ist ihnen allesamt hervorragend gelungen, eben diese Chancen zu nützen (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm), um an den Chancen des Lebens durch Bildung teilhaben zu können, unab­hängig vom Geldbörsel und vom Wohnort und von der Herkunft. Und dazu möchte ich Ihnen gleich vorab gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Bildung ist der Schlüssel für persönliche Entfaltung, für Teilhabe an der Gesellschaft und am Wohlstand. Unseren Bildungseinrichtungen, beginnend vom Kindergarten über die Schulen – die Lehrplätze nicht zu vergessen –, bis zu den Erwachsenen­bildungs­einrichtungen wird auch immer mehr abverlangt. Es geht nicht nur um reine Wissens­vermittlung, nicht nur um Vermittlung von wirtschaftlich verwertbaren Kompetenzen, nein, es geht vor allem auch um Persönlichkeitsentwicklung und um die Vermittlung der Regeln eines friedlichen Miteinander. Insofern ist Bildungspolitik tatsächlich die


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beste Arbeitsmarkt-, die beste Sozialpolitik, aber auch die beste Wirtschafts-, Sicher­heits- und Friedenspolitik.

Ich kann nur einmal mehr sagen, dass jeder Euro, jeder Cent, der in Bildung investiert wird, eine Investition in die Zukunft ist, gut angelegtes Geld mit höchster Rendite, während bei der Bildung zu sparen wohl die teuerste Sparform ist. Ich glaube, darüber muss es einen nationalen Konsens geben, damit der neuen, vielversprechenden Bildungsministerin das Schicksal ihrer Vorgängerinnen erspart bleibt, zum einen Jahr für Jahr um die Finanzierung der Gehälter, der Mieten et cetera zittern zu müssen, während ihr zum anderen die notwendige politische Zustimmung zu den erforderlichen Reformen des Systems versagt wird.

Obwohl die Fronten in der Vergangenheit – für die Zukunft scheint sich da erfreulicher­weise eine Aufweichung abzuzeichnen – so verhärtet waren, sind in den letzten Jahren beeindruckende Schritte in Richtung Qualitätsverbesserung des Bildungssystems gesetzt worden. Dafür gilt es, den Ministerinnen Heinisch-Hosek und Schmied zu danken, aber auch den Mitstreiterinnen und Mitstreitern hier im Haus. Die Bildungs­sprecherin der ÖVP, Kollegin Jank, spricht dann auch; auch ihr sei herzlichst gedankt, denn vieles konnten wir erst im Parlament endgültig auf Schiene bringen.

Aber die jeweiligen Ministerinnen können nur so weit und so schnell gehen, wie der Koalitionspartner, wie die Landeshauptleute, wie zuweilen die Opposition bereit sind, mitzugehen. Deshalb lade ich Sie alle ein: Legen wir den Laufschritt ein! Sprinten wir los in eine gedeihliche Zukunft für unsere Jugend, für unser Land! (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Und steigen Sie herunter von der Bremse! – Danke vielmals. Alles Gute dem neuen Team! (Beifall bei der SPÖ.)

18.14


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete Jank gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


18.14.25

Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich eingangs bei Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

In den letzten Wochen ist es uns gelungen, den ersten Teil der Bildungsreform umzu­setzen. Diese Zusammenarbeit hat sich dort bewährt. Zugegeben, die Verhandlungen waren zeitweise zäh, sehr zäh, aber sie waren immer vom beiderseitigen Ringen um eine gemeinsame Lösung geprägt und davon, das beste gemeinsame Ergebnis zu erreichen. Es waren schwierige, aber es waren auch gute Stunden der Zusammen­arbeit.

Das Ergebnis des Schulrechtsänderungspakets ist zufriedenstellend und herzeigbar. Als entscheidend sehe ich, dass es gelungen ist, den Fokus der Schulentwicklung auf den Beginn der Schullaufbahn zu legen, um Defizite erst gar nicht entstehen zu lassen. Die Sprachstartkurse und das Mitnehmen des Wissens um die Stärken der Kinder aus dem Kindergarten in die Volksschule sind zukunftsweisende Maßnahmen. Wir werden das noch zu einem anderen Zeitpunkt, wenn wir nämlich dieses Schul­rechtsänderungspaket im Ausschuss und danach hier im Plenum debattieren, ausführ­lich besprechen können.

Sehr geehrte Frau Ministerin Hammerschmid, Ihnen wünsche ich für Ihre Aufgabe als Bildungsministerin einen guten Start und ein entschlossenes Anpacken. Sie verant­worten – ich bin der Meinung meiner Vorrednerin – das wichtigste Ressort. Sie tragen


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die Verantwortung für unsere Jugend und damit die Verantwortung für die Zukunft unseres Landes.

Schulen sind gleichsam Werkstätten, in denen unterschiedliche und umfassende Befähigungen erworben werden sollen. Schule ist aber, wie alles andere auch, dem ständigen Wandel unterworfen. In der Wirtschaft stehen wir vor entscheidenden Verän­derungen, vor Änderungen, von denen viele sagen, sie werden so einschneidend sein wie seinerzeit die Industrialisierung.

Machen wir den Versuch, nur einige Handlungsfelder, die wir hoffentlich gemeinsam auf- und erarbeiten werden, um diesen Wandel nicht zu verpassen, tatsächlich umsetzen zu können! Ich erlaube mir daher, ein paar Dinge kurz anzureißen:

Ich meine, es geht in der Schule in der Zukunft um neue Lehr- und Lernformen: E-Learning, Flipped Classroom, Big Data, digitale Medien. Es geht um neue Lehr- und Lerninhalte, IKT-Kompetenzen im Hinblick auf Industrie 4.0, aber auch um Ethik, politische Bildung, interkulturelles Lernen. Besonders wichtig – und das haben Sie selbst angesprochen, Frau Ministerin – sind Wirtschafts- und Finanzwissen.

All dies soll in den Stundenplan einfließen. Und damit das passieren kann, wird es notwendig sein, zu schauen, wo wir etwas wegnehmen können – eine der großen Herausforderungen! Die Liste, was alles unterrichtet werden soll, ist lang und gut. Aber es wird wesentliche Veränderungen brauchen, um einen Mix zu finden, der die Zukunft nicht außer Acht lässt, aber das Gute an der Schule der Vergangenheit auch nicht über Bord wirft.

Frau Ministerin, Sie haben bereits ausgeführt, dass Ihnen die Arbeitsbedingungen und die Wertschätzung der Pädagoginnen und Pädagogen besonders wichtig sind. Ja, das höre ich sehr gerne, da wir aus vielen Erfahrungen wissen, dass es weniger um die Schulsysteme geht – ich glaube, Ihre eigene Lebenserfahrung bestätigt das auch –, sondern dass es um das Was in der Schule geht, wie in der Schule vermittelt wird, wie in der Schule die Lehrer so motiviert werden, dass diese Motivation auch auf die Schüler übertragen werden kann.

Ich möchte abschließend auf ein Thema zu sprechen kommen, das mir besonders wichtig ist, und das ist die Autonomie von Schulen. Wenn wir Schule weiterentwickeln wollen, müssen Entscheidungen vor Ort fallen können.

Frau Ministerin, seien Sie mutig, stärken Sie die Entscheidungsfreiheit von Direk­torinnen und Direktoren, von Lehrerinnen und Lehrern! Seien Sie Frontfrau für eine Schulautonomie, die ihrem Namen auch gerecht wird! Mehr Verantwortung bringt mehr selbständiges, mehr eigenverantwortliches Handeln. Entlassen Sie unser Schulsystem Schritt für Schritt in die Autonomie, denn anders, denke ich, wird es nicht gehen! Dann können nämlich auch Leistungen transparent gemacht werden, dann entsteht ein gesunder Wettbewerb der besten Konzepte, dann kann auch die von Herrn Staatssekretär Mahrer initiierte Bildungsstiftung ihre Zwecke bestens erfüllen.

Autonomie bedeutet für mich aber auch finanzielle Autonomie. Es fließt viel Geld in unser Schulsystem. Und es soll so eingesetzt werden, dass an den Schulen best­möglich entschieden werden kann, wo die Schwerpunktsetzung liegen soll, dass dort bestimmt werden kann, in welche Richtung sich eine Schule entwickeln wird, dass also die Bedingungen, wie Schule funktioniert, an der Schule entschieden werden.

Sie haben selbst gesagt, dass es nicht der Schultyp war, sondern dass es die Men­schen in der Schule waren, die es Ihnen ermöglicht haben, Ihren Lebensweg zu gehen. Ich gehe davon aus, dass das auch Ihre Arbeit prägen wird. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

18.20



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 175

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


18.20.23

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmit­glieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Eine moderne öffentliche Infra­struktur beruht im Wesentlichen auf drei Säulen, nämlich auf einem gut ausgebauten, modernen Eisenbahnnetz, schnellem und stabilem Internet und sicheren und leistungs­fähigen Straßen in allen Teilen des Landes. In den letzten Jahren hat Österreich in allen drei Bereichen wahrlich große Fortschritte gemacht.

Zum Ersten betrifft das die Bahn: Der Ausbau der umweltfreundlichen Schiene wurde in den letzten Jahren erfolgreich vorangetrieben, und es wird auch in den kommenden Jahren mit Vehemenz so weitergehen. Es war, da, wie wir wissen, so um die Jahre 2008/ 2009 das österreichische Schienennetz noch zu 80 Prozent aus der Zeit der Monarchie stammte, dieser Investitionsschub wirklich sehr dringend notwendig. Bis zum Jahr 2021 werden fast 14 Milliarden € in den Ausbau der Bahn investiert; und das passiert mit wirklich gutem Grund, denn eine leistungsfähige, moderne Schiene ist das Rückgrat für eine gut funktionierende Infrastruktur und sichert – und vor allem das ist auch sehr, sehr wichtig – Hunderttausende Arbeitsplätze.

Sehr geehrte Damen und Herren, investiert wird dabei nicht nur in die großen Achsen, wie Südbahn, Westbahn und so weiter, sondern auch zahlreiche kleinere Projekte wurden erfolgreich umgesetzt. Über 100 Bahnhöfe wurden in Österreich renoviert, revitalisiert, behindertengerecht gestaltet und modernisiert. Das Ansteigen der Passagierzahlen bei den ÖBB gibt uns da recht. Allein im Vorjahr haben die ÖBB fast über 460 Millionen Fahrgäste befördert, und die Tendenz ist steigend. Österreich ist innerhalb Europas damit Bahnfahrerland Nummer eins.

Der zweitgrößte Modernisierungsschub im Bereich der Infrastruktur ist der Breit­band­ausbau. Dieser ist ein wirtschafts- und standortpolitisches, aber auch gesellschafts­politisches Gebot der Stunde. Nur zur Information: Allein heuer wird der österreichweite Ausbau des Breitbandes durch die Republik mit weiteren 200 Millionen € gefördert, und die Europäische Union verdoppelt diesen Beitrag nochmals. Bereits jetzt ist es ein Faktum: Ein Viertel unseres Wirtschaftswachstums geht auf das Konto des IKT-Bereichs, also auf jenes der Informations- und Kommunikationstechnologien. Auch da ist die Tendenz stark steigend; und in Summe, so rechnen uns die Experten vor, werden durch diese Breitbandmilliarde 84 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Neben der Bahn und dem Breitband ist ein gut ausgebautes Straßennetz die dritte Säule einer funktionierenden öffentlichen Infrastruktur, und da stehen vor allem der Lückenschluss von Straßenabschnitten und das Thema Verkehrssicherheit im Mittelpunkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider – und das ist bitte auch nicht zu ver­schweigen – mussten wir erstmals nach 16 Jahren wieder mehr Tote im Straßen­verkehr beklagen. Die Statistik sagt hierbei aber klar, die Hauptursachen sind das Nichtanlegen des Gurtes sowie die Ablenkung am Steuer. 31 Prozent aller im Straßen­verkehr getöteten Personen kamen 2015 durch die Folge von Ablenkung ums Leben, und bei Fahranfängern ist die Handynutzung am Steuer bereits Unfallursache Nummer eins. Umso wichtiger ist es, dass wir hier im Hohen Haus im letzten Monat beschlossen haben, dass die Nutzung des Mobiltelefons am Steuer, außer als Naviga­tionsgerät mit fixer Halterung, explizit verboten wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Ressort Verkehr und Infrastruktur ist ein großes, aber, wie ich glaube, auch ein besonders spannendes und vielfältiges Themenfeld. Es geht dabei nicht nur darum, Güter und Personen zu befördern, sondern auch – und


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unser Bundesminister, Mag. Leichtfried, hat es heute schon gesagt – darum, eine mo­derne, zukunftsorientierte Gesundheits-, Umweltschutz-, Energie- und Arbeitsmarkt­politik zu machen.

Sehr geehrter Herr Verkehrsminister Mag. Leichtfried, wer deine Biografie kennt, der weiß, dass du dich in deiner Arbeit schon auf allen Ebenen der Politik – eben von der Gemeinde über den Landesbereich bis hin zum EU-Parlament – mit dem Thema Verkehr und Infrastruktur auseinandergesetzt hast. Du verfügst über einen reichen Erfahrungsschatz. Du bist Experte in der Verkehrspolitik, und – und das ist besonders wichtig – du bist im gesamten europäischen Raum wahrlich bestens vernetzt. In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit mit dir als Bundesminister und dem gesamten Verkehrsausschuss zum Wohle möglichst aller Österreicherinnen und Österreicher. In diesem Sinne wünsche ich dir alles Gute. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.25


Präsident Karlheinz Kopf: Als vorläufig letzter Redner in dieser Debatte zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.

 


18.26.08

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglie­der der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Zunächst möchte ich an dieser Stelle meinen Respekt an die neuen Mitglieder der Bundesregierung und an den neuen Bundeskanzler aussprechen; und gleichzeitig möchte ich auch meiner Hoffnung Ausdruck verleihen – nicht nur als Abgeordneter einer Regierungspartei, sondern auch als Staatsbürger, als Unternehmer in diesem Land, als Familienvater –, dass wir hier im Hohen Haus einiges gemeinsam für Öster­reich weiterbringen. Als Verkehrssprecher der Österreichischen Volkspartei möchte ich Sie, Herr Minister für Verkehr, Innovation und Technologie, ganz besonders hier im Hohen Haus begrüßen, mich aber an dieser Stelle auch bei Ihrem Vorgänger für die zwar kurze, aber konstruktive Zusammenarbeit herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundesminister, vorausschicken möchte ich, dass wir in den letzten zweieinhalb Jahren, in denen ich hier tätig sein darf, eigentlich ein sehr konstruktives Gesprächs­klima im Verkehrsausschuss gepflegt haben. Ich hoffe, der – unter Anführungs­zeichen – „Verschleiß“ von jetzt mittlerweile drei Ministern – Sie sind der vierte Minister in diesem Zeitraum – hat nichts damit zu tun, dass wir, die Vertreter der Parlamentsfraktionen im Verkehrsausschuss, irgendwie ungut oder unkollegial wären. Ganz im Gegenteil – ich glaube, ich kann das für uns alle sagen –: Wir sind sehr lösungsorientiert und an der Sache interessiert. Ich glaube daher, dass wir da gemeinsam einiges weiterbringen können.

Herr Bundesminister, Ihr Ministerium ist ein sehr wichtiges. Sie haben ein sehr hohes Budget. Sie verfügen über sehr viel Steuergeld, und da gilt es auch, sehr kreativ damit umzugehen. In der kurzen Zeit kann ich natürlich nicht alle Themen ansprechen, die in diesem Zusammenhang wichtig sind, aber eines möchte ich schon sagen: Es soll kein Match zwischen Schiene und Straße sein, sondern da ist eben Nachdenken gefragt, wie man nachhaltige Mobilität schaffen kann. Ich betone aber, dass sich da kein Match entwickeln soll, sondern ein Miteinander.

Sie haben es auch erwähnt, dass einer Ihrer Schwerpunkte die Verkehrssicherheit sein wird. Da gebe ich Ihnen völlig recht. Es geht um den kontinuierlichen Ausbau der Straßeninfrastruktur, und es geht um den weiteren Ausbau und hohe Investitionen in die Bahninfrastruktur.


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Noch ein Wort zur Straße: Es gibt da auch sehr interessante Entwicklungen für den Forschungsstandort, als Beispiel sei das automatisierte Fahren genannt, wobei gerade in der Steiermark da einiges auf dem Weg ist. Wir haben da gute Projekte auf Straße und Schiene.

Es ist sehr gut – und das wurde auch schon angesprochen –, dass Sie sehr viel Erfah­rung mitbringen, und gerade die europäische Dimension ist in der Verkehrspolitik von entscheidender Bedeutung. Das macht mich durchaus optimistisch, dass wir auch in diesem Bereich gut zusammenarbeiten können. Die Verknüpfung der Verkehrswege ist gerade für ein Land wie Österreich, für den Wirtschaftsstandort sehr wichtig, aber es geht auch darum, dass wir in die Zukunft denken, was beispielsweise den Wettbewerb auf der Schiene betrifft, und auch da wissen Sie – Stichwort: viertes Eisenbahnpaket – sehr gut Bescheid.

Sie wissen sicher auch sehr gut über das Potenzial der Wasserstraße Bescheid. Stichwort: Donauraumstrategie. Ich glaube, auch da können wir gemeinsam viel bewe­gen.

Auch der Luftfahrtstandort muss gesichert sein. Da geht es um sehr viele Arbeitsplätze, vor allem in Wien, aber auch rund um die Regionalflughäfen. Last but not least sei natürlich auch das Thema Breitbandausbau angesprochen. Da müssen wir schauen, dass wir rasch in die Gänge kommen. Das ist gerade für die ländlichen Regionen von entscheidender Bedeutung.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und wünsche Ihnen alles Gute. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Schieder: Apropos in die Gänge kommen: auch Mountain­biken!)

18.30

18.30.27

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend: TTIP stop­pen und CETA ablehnen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend NEIN ZU TTIP UND CETA.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rehabilitation vor Pension für Beamtinnen und Beamte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist wiederum die Minderheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schieder, Dr. Lopatka, Dr. Pilz, Mag. Vavrik, Ing. Lugar, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die geplante Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten im türki­schen Parlament.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 147.)

18.31.542. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2014/3 (III-53/1019 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2015/8 (III-179/1070 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2015/16 (III-219/1069 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Antrag 411/A(E) der Abgeord­neten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung von EU-Fördermitteln, die direkt an Förderungsempfänger ausgezahlt werden (1093 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun kommen wir zu den Punkten 2 bis 5 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 


18.32.59

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! Da wir jetzt knapp über vier Stunden, würde ich sagen – gefühlt waren es sicher zehn –, das eigene Abfeiern der Koalition über uns ergehen lassen mussten, weil Sie ein paar Köpfe in der Regierung ausgetauscht haben, kommen wir jetzt zu vernünftigen Themen. (Abg. Prinz: Ihr hättet keine Dringliche machen müssen!)

Wobei ich es nicht ganz verstehe, warum man sich da so abfeiern muss. Für mich gäbe es dann einen Grund zu feiern, wenn man seine Arbeit anständig erledigt hätte und mit dem Volk feiern könnte (Ruf bei der FPÖ: Können sie ja nicht!), aber es ist nicht meine Sache, was ihr macht. Das ist kein Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben jetzt einige Berichte des Rechnungshofes auf der Tagesordnung. Unter anderem – und damit beginne ich – gibt es einen Antrag von mir auf Prüfung der Mittel der EU-Direktförderungen, also dass der Rechnungshof auch die Möglichkeit hat, die Direktförderungen aus der EU zu prüfen.

Da laufend solche Anträge kommen, die auf Verbesserungen im Zusammenhang mit den Rechnungshofberichten oder die Erweiterung der Prüfkompetenzen et cetera abzielen, muss ich sagen, dass ich wirklich froh und eigentlich auch sehr erfreut bin, dass wir es im Rechnungshofausschuss, der wirklich sehr konstruktiv arbeitet und in dem man auch sehr konstruktiv miteinander umgeht, geschafft haben, dass wir uns einmal in einer Arbeitssitzung zusammengesetzt und überlegt haben, bei welchen von diesen Anträgen und Verbesserungsvorschlägen es sinnvoll ist, sie umzusetzen. Das


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hat auch seitens der Koalition gut funktioniert, insbesondere muss ich den Kollegen Elmar Mayer erwähnen, der da wirklich sehr zugänglich für unsere Argumenten ist.

Wir haben demnächst anlässlich der nächsten Ausschusssitzung in – ich glaube – 14 Tagen die erste Runde. Ich freue mich schon darauf, und ich muss sagen: Kollege Mayer, von mir gibt es an dieser Stelle wirklich ein Lob an dich, denn so einen Umgang ist man nicht in jedem Ausschuss gewohnt. Man sieht, wenn man vernünftig mit Argumenten debattieren oder diskutieren kann, dann ist auch jemand bereit, sich selbst einzubringen, von dem man sonst vermuten würde, dass er alles blockiert. In diesem Fall freue ich mich wirklich. Ich hoffe, dass das alles jetzt nicht nur Vorschusslorbeeren sind, sondern dass da wirklich etwas herauskommt, aber das sehen wir dann ohnehin. Es ist ein erster Schritt am Beginn eines Prozesses, denn es wird sicher nicht bei einer solchen Arbeitssitzung bleiben.

Inhaltlich sind mehrere Berichte in dieser Debatte zu diskutieren. Ich konzentriere mich auf zwei Kapitel. Als Steirer liegt mir selbstverständlich die Ski-WM in Schladming, die der Rechnungshof geprüft hat, ein bisschen am Herzen, und es ist durchaus interessant, was da zutage gekommen ist.

Ich zitiere dazu einen Absatz aus dem Bericht:

„Keiner der Beteiligten an der Vorbereitung und Durchführung der 42. FIS Alpinen Ski Weltmeisterschaft in Schladming 2013 – insbesondere das Land Steiermark, als der mit 152,85 Mio. EUR bedeutendste Finanzmittelgeber – hatte einen Gesamtüberblick über die dafür investierten Mittel von insgesamt 415,78 Mio. EUR“.

Also keiner der Beteiligten hatte einen Überblick über das gesamte Projekt. – Das stimmt mich schon sehr nachdenklich. Ich weiß natürlich, dass all das in der Diskus­sion im steirischen Landtag seitens der Verantwortlichen etwas anders dargestellt worden ist, aber das, was der Rechnungshof da schreibt, ist Faktum.

Des Weiteren hat der Rechnungshof festgestellt, dass weder das Land Steiermark noch das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport ein angemessenes Projektmanagement für die Ausrichtung eingerichtet hat. Sieben Gremien zur Organi­sation und Koordination haben in vielen Bereichen unabhängig voneinander agiert. Da haben ebenfalls wieder der Gesamtüberblick und die Gesamtkoordination gefehlt. Es ist meines Erachtens bei solch großen Veranstaltungen schon dilettantisch, so nebulos an diese Dinge, bei denen es um derartige Summen an Steuergeld geht, heranzu­gehen. Außerdem wurden Projekte gefördert, obwohl sie nicht Bestandteil der Bewer­bung für die Ski-WM 2013 waren, und auch Projekte, für die der Skiverband ohnehin ein Entgelt vom internationalen Skiverband erhalten hat.

Das sollte man sich schon ein bisschen anschauen oder sich zumindest als Erkenntnis mitnehmen, dass man, wenn man in Zukunft solche Projekte angeht, sich anschaut, was da schiefgegangen ist, um es dann besser zu machen.

Folgendes ist meiner Ansicht nach der große Punkt: In der Steiermark wurde zu diesem Zeitpunkt der Sparstift angesetzt. Das geschah auch zu Recht, denn das Land war hoch verschuldet, von 2003 bis 2013 – also innerhalb von zehn Jahren – stieg die Schuldenlast um, ich glaube, 5 Milliarden €, sofern ich mich richtig erinnere. Damals wurde der Sparstift angesetzt, und der eigenen Bevölkerung hat man gesagt, dass man nichts machen kann, weil kein Geld da ist; aber für die Ski-WM hat man genug Geld gehabt und es, ohne nachzuprüfen, wofür es ausgegeben wird, hinausgeschmis­sen.

Der österreichische Skiverband mit Herrn Schröcksnadel hat natürlich auch seine Rolle gespielt hat, das ist schon richtig. Auf der anderen Seite muss ich aber sagen, dass man wissen muss, dass Herr Schröcksnadel durchaus ein – sage ich einmal so –


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profunder Unternehmer ist, der weiß, wie man verhandelt. Da muss man dann auch wissen, wen man mit diesem Herrn an einen Tisch setzt. Da kann man nicht irgendje­manden hinschicken und einfach so Millionenbeträge hinausblättern. Das geht nicht. – Meine Kollegin Steger wird dann noch näher darauf eingehen.

Wie gesagt, es liegt für mich der Punkt darin, dass man damals der Bevölkerung in der Steiermark gesagt hat, man müsse sparen, aber dafür hat man das Geld, ohne zu prüfen, wofür es ausgegeben wird, ausgegeben.

Des Weiteren gibt es noch einen Bericht über den Österreichischen Integrationsfonds. Das ist ein Kapitel, das ich jetzt nur mehr ganz kurz streife. Es handelt sich dabei um einen Fonds zur Integration von Flüchtlingen und Migranten, und dieser Fonds hat sehr, sehr viele Wohnungen besessen. Da wir das Kapitel Liegenschaften und Woh­nungen auch schon in mehreren Bereichen gehabt haben, war es auch da wieder interessant, festzustellen, dass es so läuft wie überall.

Was ist da passiert? – Ich konzentriere mich auf zwei Objekte. Es hat ein Objekt in der Stromstraße und ein Objekt in der Trinkhausstraße gegeben. Es wurden zwei Schätzgutachten für die Stromstraße vorgelegt, das eine mit 3,8 Millionen €, das zweite mit 4,3 Millionen €; also zwei Gutachten für ein Objekt. Und das Interessante dabei ist, dass bei diesem Deal – und anders kann man es nicht bezeichnen – das Objekt dann mit 790 000 € über den Tisch gegangen ist. Es hat also nicht einmal ein Viertel dessen, was das Schätzgutachten hergegeben hat, gekostet.

Das zweite Objekt, Trinkhausstraße: erstes Schätzgutachten: 1,8 Millionen, zweites Schätzgutachten: 2,4 Millionen. Über den Tisch gegangen ist es mit knapp 400 000 €. (Ruf bei der FPÖ: Wer hat es denn gekauft?)

Und dann hat es noch 70 Wohnungen gegeben, die in einem Paket verkauft wurden. Da hat es ein Schätzgutachten für 27 von diesen 70 Wohnungen gegeben, das rund 3 Millionen € ausgemacht hat. Im Paket ist das Ganze über den Tisch gegangen um 867 500 €. 27 Wohnungen: 3 Millionen €, und 70 Wohnungen wurden dann um 870 000 € ver­kauft!

Und wenn man dann in der Zeile herüberliest – das ist im Bericht so schön darge­stellt –, die Spalte „Naheverhältnis Käufer“ ansieht, so steht bei beiden Transaktionen: „ja“. Und das ist das, was nicht sein kann, was aber in jedem Bericht, in dem es um Liegenschaftstransaktionen geht, in dem es um Verkäufe geht, zum Ausdruck kommt: Dort wird offensichtlich in Freunderlwirtschaftsmanier gearbeitet und gehandelt. Es werden zwar Schätzgutachten hereingenommen, aber man gibt das dann unter dem Tisch an einen Freund weiter. Was da eventuell an Rückflüssen, Kick-back oder was weiß ich was fließt, will ich jetzt gar nicht in den Mund nehmen, das sei dahingestellt.

Das bringt mich jetzt noch auf Folgendes: Wenn es den Rechnungshof nicht gäbe, würde das alles unter einem Nebelschleier dahinsiechen. (Abg. Moser: Nein, ich hätte das schon bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, keine Sorge!) Ich bin froh, dass es den Rechnungshof gibt, der solche Sachen aufzeigt und aufdeckt.

Und wenn wir beim Verschleiern und Vernebeln sind, muss ich mich noch über etwas aufregen – nein, aufregen tue ich mich gar nicht mehr –, möchte ich noch etwas aus der gestrigen „ZiB 2“ bringen. In dieser ist Herr Van der Bellen von Armin Wolf mit einem Satz aus seinem eigenen Buch konfrontiert worden, wo er schreibt: „Verschwei­gen, vernebeln oder gegen die eigene Überzeugung reden, kann im politischen Kon­text manchmal vernünftig und strategisch zielführend sein.“

Die logische Frage des Herrn Wolf an Herrn Van der Bellen war darauf: Wann darf ein Politiker lügen? Die Antwort nach einer kurzen Pause: Ganz selten, fast nie! – Also in


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Wirklichkeit: Hin und wieder schon, wenn es passt, wenn es gerade reinpasst. (Abg. Gamon: Was hat das mit dem Rechnungshof zu tun?)

Dazu muss ich sagen: Das ist nicht mein Zugang zu Politik. Ich bin in die Politik ge­gangen, um ehrliche, anständige Politik zu machen. Ich möchte jeden Tag in der Früh aufstehen und mich als Politiker in den Spiegel schauen können.

Es muss nicht immer jeder mit dem, was ich sage, einverstanden sein, aber das, was ich sage, meine ich ehrlich, und das möchte ich auch meinen Wählern vermitteln.

Aber nicht nur ich möchte das meinen Wählern vermitteln, sondern die ganze Freiheit­liche Partei, unter anderen ganz sicher auch unser Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, dem die Bevölkerung am Sonntag unzweifelhaft ihr Vertrauen schenken wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.43


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Elmar Mayer. – Bitte.

 


18.43.50

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Zanger hat es doch nicht ganz lassen können, am Schluss musste er doch – es sei ihm vergönnt – ein bisschen einen Seitenhieb auf den Sonntag hin machen. (Abg. Zanger: Na ja!) Das gehört auch zum politischen Alltag, überhaupt kein Thema.

Wir haben wieder eine sehr knapp bemessene Redezeit, und ich möchte es auch hier von der Rostra aus sagen – ich habe mich wieder maßlos darüber geärgert, ich werde das auch noch intensiver in meinem Klub vortragen –: Es kann nicht sein, dass wir heute sieben oder acht Rechnungshofberichte, mit den Teilberichten insgesamt über 30 (Abg. Moser: Das sind 32!) – 33 ist auch über 30, Frau Kollegin (Abg. Moser: 32!) , in einer solch kurzen Zeit abhandeln müssen, wobei es jeder Bericht wert wäre, für sich hier im Detail beraten zu werden.

Wir versuchen, das, so gut es geht, auch im Rechnungshofausschuss zu machen, aber wir müssen uns da wirklich bei der Arbeit, die wir als Rechnungshofausschuss machen, ernster nehmen und auch bei der Wertschätzung der Arbeit des Rechnungs­hofes. Denn wenn wir so weitermachen, dann fallen viele der Dinge, die jetzt noch kritisch angemerkt wurden, unter den Tisch, aber auch jene Dinge – ich wollte einige Beispiele aufzählen –, an denen man sieht, wie sinnvoll die Arbeit des Rechnungs­hofes ist, wie fruchtbringend die Arbeit des Rechnungshofes in Zusammenarbeit mit den Ministerien ist, wie sehr viele Dinge auch verhindert werden und großer Schaden abgewendet werden kann, insbesondere durch die Querschnittsprüfung und viele andere Dinge.

Ich muss meine Ausführungen jetzt relativ kurz fassen, denn wir haben unsere Rede­zeit solidarisch und fair auf alle Mitglieder des Rechnungshofausschusses aufgeteilt. Jeder wird zu einem bestimmten Teil sprechen.

Ich als Rechnungshofsprecher unserer Fraktion möchte aufgrund dessen, was Kollege Zanger gesagt hat – weil mir das ganz wichtig ist –, noch zwei allgemeine Dinge an­führen.

Erstens – ich meine es tatsächlich ernst, ich habe heute auch mit Kollegen Gahr noch einmal darüber gesprochen, wir wollen uns bereits nach der nächsten Sitzung des Rechnungshofausschusses zusammensetzen und schauen, wie wir das Thema angehen können –: Ich bin der Meinung, es gibt einige Schwachstellen im Bereich der Kontrolltätigkeit. Diese wurden zum Teil in Anträgen der Opposition aufgezeigt, zum


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Teil habe ich sie in der Zwischenzeit, seit ich an dieser Aufgabe mitarbeiten darf, selbst gesehen, erlebt.

Unsere Fraktion macht eigens eine Exkursion zum Europäischen Rechnungshof, weil es auch hier, wie wir gesehen haben, noch Bereiche gibt, die man nachbessern und nachjustieren sollte. Das wollen wir auch tun, wir wollen diese Erfahrungen sammeln und das ernst nehmen, denn eines der wichtigsten Instrumente, die wir als Parlament haben, ist der Rechnungshof. Er ist, wenn wir so wollen, unsere Kontrollabteilung, die uns zuarbeitet, und wenn wir das nicht entsprechend ernst nehmen, dann nehmen wir unsere eigene Arbeit nicht ernst. (Beifall bei den NEOS.)

Daher lade ich wirklich alle ein – ich meine das, was ich jetzt sage, ernst –, ich lade wirklich alle Abgeordneten ein: Überlassen wir das nicht denen da oben, die jetzt dann entscheiden, wer unser neuer Rechnungshofpräsident oder unsere neue -präsidentin wird!

Ich stelle fest, dass wir uns alle sehr wenig darum kümmern und bemühen. Egal, wen ich frage, es heißt: Ich weiß das nicht, es wird schon jemand sein! – Also ich lade alle ein: Wenn wir die Aufgabe des Rechnungshofes ernst nehmen, dann müssen wir uns auch ernsthaft damit auseinandersetzen, wer der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin wird! – Das ist die entscheidende Frage! (Abg. Moser: Darum haben wir ja ein Hearing!)

Und da darf ich durchaus ein Kompliment an den bisherigen Rechnungshofpräsidenten aussprechen, mit dem wir überfraktionell einverstanden sind, und die Arbeit und die Weise, wie sie sich entwickelt hat, loben.

Ich erschrecke immer wieder, wenn ich durch die Reihen gehe und feststelle, dass sich niemand damit beschäftigt. Überlegen Sie einmal für sich selbst: Habe ich mich überhaupt damit auseinandergesetzt?

In der nächsten Plenarsitzung wird die entscheidende Weichenstellung für die nächs­ten zwölf Jahre vorgenommen und festgelegt, wer der Chefprüfer im Rechnungshof ist. Und bisher habe ich festgestellt, dass sich kaum ein Abgeordneter, kaum eine Fraktion darum gekümmert hat. – Das kann nicht sein.

Daher rufe ich alle von dieser Stelle aus dazu auf: Bemühen wir uns gemeinsam darum, dass wir einen Präsidenten oder eine Präsidentin bekommen, mit dem oder mit der wir uns alle identifizieren können, und lassen wir uns das nicht von oben aufs Auge drücken! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist eine Aufforderung an alle. Und wenn wir es ernst meinen, dann könnten wir das, glaube ich, schaffen. Zum Schluss abstimmen darüber müssen wir in der nächs­ten Plenarsitzung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS.)

18.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


18.48.17

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Rechnungshofprä­sident! Meine Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Die Zuschauer zu Hause! Ja, das ist ja eine Sternstunde, Herr Kollege Mayer. Ich bin wirklich froh, dass Sie oder du das ernst nimmst, was wir seit einem halben Jahr anstreben. Ich komme mir ohnehin schon vor wie eine Berufspendlerin: Ich sitze hier und gehe dann während jeder Plenar­sitzung zu dir (in Richtung des Abg. Mayer), frage: Was ist recht, was können wir machen? Dann gehe ich zum Kollegen Gahr – du kannst das ruhig auch bestätigen – und frage ihn immer wieder: Wie gehen wir voran? Was setzen wir gemeinsam um?


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Wie schaffen wir es, da ordentliche Arbeitsbedingungen zu erreichen? Und: Wie schaf­fen wir es, dass der Rechnungshof wieder – wieder! – eine gebührend qualifi­zierte Führung erhält?

Was soll ich denn sonst noch tun? – Ich pendle! Ich pendle auch zwischen den ersten Reihen, ich gehe auch zu den Klubobleuten. Wir werden halt versuchen, diese emanzi­patorischen Ansätze noch weiterzutreiben. Ich bin ein sehr beweglicher Mensch, ich pendle gerne – auch zwischen Linz und Wien.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Herr Präsident, herzlichen Dank für diese 32 Be­richte, die wir jetzt in einer knappen Zwei-Stunden-Einheit, glaube ich, besprechen sollen. Es sind 32 Berichte, ich habe sie gezählt. Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf die Hauptthemenbereiche zu fokussieren, darauf, wo meines Erachtens Sie, meine Damen und Herren, dieses Parlament, dringend gemeinsam gesetzliche Änderungen vornehmen müssen, weil diese Missstände, die der Rechnungshof sehr gut dokumentiert hat und auch ausreichend zu Papier gebracht hat, beseitigt werden müssen.

Was nützt uns denn eine neue Regierungsmannschaft, was nützen uns neue Personen auf der Regierungsbank, wenn es auf uns ankommt, auf unsere Mehrheit, auf unsere Entscheidung, auf unsere Anträge, wenn es darum geht, Missstände abzustellen und für eine sorgfältige Verwendung des Steuergeldes einzutreten, auch gemäß den Vorschlägen des Rechnungshofes, und vor allem auch für eine sorgfältige Verwaltung des Bundesvermögens.

Was war es denn? – Herr Kollege Zanger, Sie haben es ja aufgezählt: 270 Wohnun­gen – Bundesvermögen, Integrationsfonds, angeschafft, damit Menschen integriert werden, damit Flüchtlingen geholfen wird. 2006 ist die Entscheidung gefallen, dass sie verkauft werden sollen. Bis 2011 gab es einen Prozess, in dem diese 270 Wohnungen zu einem durchschnittlichen Preis pro Wohnung von 15 000 € verkauft wurden! Unter dem Strich – nachzulesen im Rechnungshofbericht – ein Mindererlös, ein Verlust für die Republik von 6 Millionen!

Und wer hat den Gewinn? – Der Herr Präsident hat uns im Ausschuss diese verwir­rende Grafik gezeigt (eine Grafik in die Höhe haltend) über das Wesen der Freunderl­wirtschaft im Innenministerium, im Integrationsfonds. Insidergeschäfte – Herr Kollege Zanger, Sie haben es skizziert – sind möglich gewesen, sodass einzelne Erwerber im Anschluss an ihren Kauf das Objekt teilweise mit Hypothekarkrediten belasten konnten, die 3,9 Mal so viel sozusagen an Umfang brachten, wie der Verkaufspreis war. Welche Bank gibt fast ein Vierfaches des Kaufpreises an Kredit für ein Objekt? Das Objekt ist sozusagen um ein Viertel des wahren Wertes gekauft worden.

Die Misswirtschaft, die dort herrschte, ist geradezu himmelschreiend. Und was war es? – Unter den Augen des BMI, teilweise mit Genehmigung des BMI, und die Verantwortlichen sitzen teilweise heute noch auf ihrem Sessel, am selben Sessel. Ja, das ist Republik! Das ist die Misswirtschaft der Republik, und das lassen wir uns nicht mehr länger gefallen. Daher: Konsequenzen!

Konsequenzen: Ich möchte nicht mehr haben, dass praktisch ohne Genehmigung der Fondsbehörde verkauft wird, dass falsche oder mindere Schätzgutachten erstellt werden und dann verkauft wird, dass es keine Ausschreibungen gibt, dass dem Fonds nahestehende Personen dann den Zuschlag erhalten, dass sozusagen die Gutachter aus dem Kreis der Hausverwalter kommen – ist alles hier dokumentiert! Das Kura­torium als solches ist hintergangen worden.

Der Rechnungshof hat immer wieder Empfehlungen abgegeben – das ist ja kein Einzel­vorgang. Diese 270 Wohnungen zum Schnackerlpreis, sage ich jetzt schon, als


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Schnäppchen unter Freunden, die sind ja kein Einzelfall. Ich könnte Ihnen sage und schreibe 50 Rechnungshofberichte herlegen – das wäre ungefähr so hoch (die Red­nerin zeigt die entsprechende Höhe), 50 Rechnungshofberichte, die aufzeigen, wo jedes Mal bei Immobilienverkäufen Mindererlöse zulasten der Republik erzielt worden sind, wo Vermögen verschleudert worden ist. Und daher will ich eine gesetzliche Änderung.

Ich habe wiederholt den Herrn Rechnungshofpräsidenten gefragt, ich weiß ganz genau, es ist § 76 – den Absatz weiß ich nicht genau – des Bundesfinanzgesetzes, ich glaube, so heißt es, und dort könnte man das ganz normale Einmaleins des privaten Immobilienverkaufs verankern: Schätzgutachten von neutralen Persönlichkeiten, Aus­schrei­bungen, Bestbieterprinzip und dann verkaufen. Transparent, nachvollziehbar, mit einem korrekten Erlös! – Das muss gemacht werden! Dazu liegt unser Antrag in die­sem Haus.

Ich pendle ja nicht nur zwischen Ihren Reihen, ich pendle auch zu den Ministerien – schön langsam ist mir ja wirklich nichts mehr zu blöd. Ich habe jetzt immerhin auch Gespräche mit dem Finanzministerium avisiert, in denen wir diese Gesetzesänderung besprechen können und wo wir nach dem nächsten Ausschusstermin vielleicht einmal innerhalb der Fraktionen handelseins werden, dass wir etwas tun. Denn: So kann es nicht weitergehen!

Die Redezeit ist leider zu kurz, ich könnte Ihnen noch weitere Projekte aufzählen, wo der Rechnungshof Missstände festgestellt hat: Beim Funksystem Conrad haben wir denselben Missstand: Gesamtkonzept fehlt, Kostenüberblick fehlt, freihändige Vergabe, das Vergaberecht wird nicht eingehalten, mehr gezahlt als geliefert. – Ich meine, so soll’s nicht weitergehen.

Wir bemühen uns ja immer wieder im Ausschuss – man braucht gute Nerven, gutes Sitzfleisch –, aber irgendwann wird der Geduldsfaden etwas kurz, und dann muss man im Plenum etwas unternehmen. Und daher bin ich heute etwas heftiger.

Zum Schluss möchte ich jetzt noch den Antrag des Kollegen Zanger auf Transparenz bei der Vergabe von EU-Förderungen unterstützen: 1 Milliarde Steuergeld seit dem Jahr 2004 – ohne Kontrolle! Seit dem Jahr 2004 wurde ohne Kontrolle eine Milliarde an Steuergeld an Private vergeben. Was war im Ausschuss? – Die ablehnende Formu­lierung: Wir können Private nicht kontrollieren! – Entschuldigen Sie, das ist Steuergeld, das ist öffentliches Geld, wo kontrolliert werden muss, wieso diese Institution einer bestimmten Person eine Förderung gibt. Was ist denn dabei so investigativ, frage ich mich. Das ist schlichtweg Kontrolle von Steuergeldverwendung.

Daher unsere Unterstützung dieses Antrages. Er war schon Vorschlag im Konvent, er war schon Vorschlag eines ÖVP-Abgeordneten, eines SPÖ-Abgeordneten, aber er ist bis jetzt nicht Vorschlag dieses Hauses. Wieso? Dabei bleibt es: Wieso? Antworten Sie! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Zanger.)

18.55


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


18.56.10

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Fülle an Berichten. Meine KollegInnen, sieben an der Zahl, werden zu den einzelnen Berichten aktiv Stellung beziehen.

Insgesamt versuchen wir, denke ich, Frau Kollegin Moser, die Berichte, die uns vorge­legt werden, möglichst zeitnahe abzuarbeiten. Und hinsichtlich dessen, was die Sit­zungs­tätigkeit betrifft, brauchen wir uns selbst überhaupt keinen Vorwurf zu machen.


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Wir bemühen uns insgesamt, die Qualität und die Effizienz unserer Arbeit maßgeblich zu verbessern, und wir sollten auch in Zukunft daran arbeiten.

Ich darf zum Projekt e-Medikation kurz Stellung beziehen. Ich glaube, das ist ein Projekt, das uns alle betrifft, gerade im Gesundheitsbereich, wo es um Effizienz, um Qualitätsverbesserung geht. Der Rechnungshof hat dieses Projekt e-Medikation geprüft. Im Interesse von Patientensicherheit geht es darum, die Wirksamkeit von in Apotheken abgegebenen Arzneimitteln zu hinterfragen und auf mögliche Wechselwir­kungen und Überdosierungen zu prüfen.

Dieses Projekt stellt einige Anforderungen an uns alle. Die Teilnahme war freiwillig und nur mit Zustimmung des Patienten, und der Ablauf erfolgte nach klaren Spielregeln.

Insgesamt hat sich dieses Projekt – ich glaube, das ist sehr wichtig – über verschie­dene und unterschiedliche Regionen erstreckt, über Wien, den Bereich Floridsdorf/Do­nau­stadt, über Oberösterreich, Wels-Stadt und Wels-Land, und über Tirol, die Bezirke Imst, Landeck und Reutte.

Die Teilnahme insgesamt war nicht zufriedenstellend, hat der Rechnungshof festge­stellt. Es war geplant, dass sich 150 Ärzte daran beteiligen, es waren dann knapp zwei Drittel dabei.

Kritisch hat der Rechnungshof festgestellt, dass bei diesem Projekt die Gesamtkosten von 3,9 Millionen um 24 Prozent überschritten wurden.

Insgesamt gab es aus diesen Befragungen 16 570 Warnungen, wo sich Patienten zurückgemeldet haben und auf Wirkungen und Risiken hingewiesen haben, 110 davon waren schwerwiegende Warnungen, die ganz massive Auswirkungen auf Gesundheits­behandlungen haben können.

Die wissenschaftliche Evaluierung dieses Projektes hat ergeben, dass es da aber auch durchaus positive Aspekte gibt. Es gibt 17 Empfehlungen, 16 richten sich an den Hauptverband und eine an das Gesundheitsministerium.

Was fordert der Rechnungshof? – Der Rechnungshof fordert, es sollten messbare und überprüfbare Ziele definiert werden, es muss mehr Transparenz geben, was die Kosten betrifft und Plan-Ist-Vergleiche, es sollten die Rahmenbedingungen für die Evaluierungen definiert werden, und es bräuchte da von den Projektpartnern, gerade was die Sub- und Leistungsnachweise anlangt, durchaus mehr Transparenz.

Das Projekt e-Medikation haben 70 Prozent der teilnehmenden Ärzte, 90 Prozent der teilnehmenden Apotheker und 85 Prozent der teilnehmenden Patienten positiv bewertet.

Bundesministerin Oberhauser hat zugesagt, dass sämtliche Empfehlungen umgesetzt werden. Es ist gelungen, das Projekt zu vereinfachen, es ist gelungen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, denn gerade beim Projekt e-card ist durchaus gewisses Miss­trauen vorhanden, und jetzt geht es darum, dass wir im Sinne von Patienten­sicherheit dieses Projekt umsetzen und in der Praxis verwirklichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.59


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


19.00.01

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident Moser! Ja, ich fände es wunderbar, Herr Kolle­ge Mayer, wenn wir über das Thema neuer Rechnungshofpräsident auch diskutierten. Ich halte das für extrem wichtig. Ich glaube, es ist aber auch wichtig, in der nächsten


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Periode darüber nachzudenken, wie man so einen Prozess länger gestalten kann, denn es ist eigentlich elend, dass wir über eine so wichtige Funktion erst jetzt einmal reden und uns einfällt: im Übrigen, die zwölfjährige Periode ist jetzt bald vorbei! Und da muss man dem Herrn Präsidenten Moser wirklich gratulieren und danke sagen für die gute Arbeit, die er geleistet hat, und dafür, dass er unermüdlich im Einsatz ist für die wichtige und effiziente Verwendung von Steuergeld. Es ist ja immer wieder eine Freude, ihm auch im Ausschuss zuzuhören, auch was seine messerscharfen Analysen betrifft.

Ich glaube, wenn wir die Berichte lesen, wissen wir ja ohnehin immer alle, wo das Problem liegt, unter anderem im Spendierföderalismus, wie immer man ihn auch nennen möchte. Der Rechnungshof sagt auch, dass die Empfehlungen, die das Zu­sam­menwirken verschiedener Gebietskörperschaften fordern, kaum umgesetzt werden. Das ist eine sehr nüchterne Formulierung dafür, bei allem, was zwischen Ländern, Gemeinden und Bund geschieht, da können wir leider nichts machen. (Präsidentin Bures übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zum Beispiel auch im Bericht „Familienbezogene Leistungen des Bundes und ausge­wählter Länder“, drei unterschiedlicher Länder. Der Rechnungshof hat 117 familienbe­zogene Leistungen ermittelt und dabei strukturelle Parallelitäten festgestellt, aber das zuständige Ministerium hat keine konkreten Maßnahmen gesetzt. Ich glaube, es ist Zeit für eine umfassende Überprüfung sämtlicher Subventionen und Förderungen in allen Gebietskörperschaften. Wir müssen das alles en detail anschauen.

Der Bericht zum Integrationsfonds ist – wie es auch schon angemerkt wurde – wiederum so ein Thema, das ist offensichtlich ein klassisches Hochrisikogebiet. Und solche haben wir in Österreich. Es gibt ganz viele Bereiche, wo immer wieder etwas passiert, wie zum Beispiel Immobilienverkäufe. Es liegt auf der Hand, dass da irgendetwas schieflaufen muss. Das können wir in so vielen Berichten nachlesen. So werden Eigentumswohnungen des Fonds ohne Genehmigung des Ressorts, ohne breite Interessentensuche, ohne ausreichende Bieterverfahren, ohne Prüfung von Schätzgutachten und ohne Vergleichsangebote verkauft, und das mit einem Schaden von 6 Millionen € für den Steuerzahler und die Steuerzahlerin. Das ist ja elend! Zefix!, warum geschieht da nichts? Da muss man auch sagen, die Ministerien wissen, dass man, wenn etwas verkauft wird, vielleicht darauf schauen sollte, weil es naheliegend ist, dass da etwas schieflaufen könnte. Warum machen sie es nicht?

Und die Ski-WM: Das ist wirklich ein wahnsinniger Bericht, das ist eigentlich ein Krimi. Und wie es der Kollege auch schon richtig gesagt hat, keiner der Beteiligten hatte einen Gesamtüberblick über die investierten Mittel. 248 Millionen waren von der öffentlichen Hand. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Keiner der Beteiligten hatte einen Gesamtüberblick über die investierten Mittel! Das ist ja abartig. Entschuldigung! Das kann ja so nicht sein! Das ist ein Wahnsinn!

Oder andere „Highlights“: Die Förderentscheidungen wurden auf Basis von mangelhaft dokumentierten Beurteilungen der WM-Relevanz durch den Bauausschuss unter Leitung des ÖSV getroffen. Der Bauausschuss hatte weder Satzung noch Geschäfts­ordnung.

Ich glaube, es ist auch einmal Zeit, den ÖSV zu prüfen und die Gelder, die er be­kommt, auch einmal zu durchleuchten. Dann könnte man in Zukunft vielleicht etwas unterbinden. Der ÖSV schafft an, das Land wurschtelt herum, und der Bund hält die Taschen offen. So kann es nicht weitergehen!

Die Regierung und die Politik sind den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern verpflich­tet, darauf zu achten, dass das Geld richtig eingesetzt wird. Und da ist der Rech­nungshof unser wichtigstes Instrument, dass wir auch garantieren können, dass wir


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diese Missstände in Zukunft beseitigen können. Und das ist auch der Grund, warum auch wir uns engagieren, dass der nächste Rechnungshofpräsident/die nächste Rech­nungshofpräsidentin diesen Job auch gut werden ausüben können.

Wolfram Proksch, unser Kandidat, ist übrigens hier. Ihm können Sie gerne ein paar Fragen stellen, wenn Sie möchten. Wir beschäftigen uns nämlich schon mit dem Prozess und wollen einen guten nächsten Rechnungshofpräsidenten. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Zanger.)

19.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


19.04.15

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Ich möchte ganz kurz Stellung nehmen zum Bericht des Rechnungshofes über das Pilotprojekt e-Medikation. Dieser hat ja auch tagesaktuelle Bedeutung. Die elektronische Gesund­heits­akte ist im Dezember des Vorjahres für Wien und für die Steiermark gestartet, gestern hat sich das AKH angeschlossen, und Ende dieses Monats, am 25., wird der Pilotbetrieb der e-Medikation in Deutschlandsberg gestartet. Das heißt, das ist eine Datenbank mit Medikamenten und wechselwirkungsrelevanten Arzneimitteln, die dort auch gespeichert werden soll.

Laut Rechnungshofbericht war das Ziel der Überprüfung die Beurteilung der Orga­nisation, der Kosten, der Ergebnisse und der vergaberechtlichen Aspekte des Pilot­projekts e-Medikation. Die Adressaten waren aber der Hauptverband und die ELGA GmbH. Wesentliche Kritikpunkte betreffen die Überschreitung der veran­schlagten Kosten. Es waren insgesamt, glaube ich, fast 25 Prozent auf 3,9 Millionen € und Vergabefehler bei der Entwicklung der Arztsoftware 2011, für die der Haupt­verband aber auch Geldbußen auferlegt bekommen hat, die dann nach einer Klage beim Verwaltungsgerichtshof im Berichtsjahr 2014 wieder zurückgenommen werden mussten.

Die Übernahme der Rechnungshofvorschläge ist an sich sehr erfreulich. In meinem Wahlkreis, in der Donaustadt, ist auch ein Pilotversuch durchgeführt worden, der nicht so von Erfolg gekrönt war, vor allem auch deshalb – es war das Sozialmedizinische Zentrum Ost eingebunden und auch die Apotheken waren involviert –, weil sich sehr wenig Patienten angeschlossen haben und die Teilnahme insgesamt zu gering war.

Der Rechnungshof attestiert aber, dass im Evaluierungszeitraum insgesamt 16 570 War­nungen aufgezeigt werden konnten, darunter 110 schwerwiegende Warnungen vor Dingen, die zum Teil bis zum Tod führen könnten, also sehr starke gesundheitliche Beeinträchtigungen darstellen würden. Insofern kann man, so meine ich, sehr wohl von einem Erfolg dieses Tests sprechen. Ich denke, die e-Medikation wird weiter zügig vorangetrieben. Die Kurskorrekturen durch den Rechnungshof sind berücksichtigt worden. Im Sinne der Sparsamkeit wird das auch umgesetzt. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass dieses Programm greift und man sich nicht nur mit der Angst beschäftigt, die hier auch geschürt wird. Ich bin der Ansicht, dass es wichtig ist, Medikamentenunverträglichkeit durch den Computer aufzuspüren und dadurch Leben retten zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


19.07.48

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Rechnungshof­prä­sident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verhandeln heute –


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 188

meine Vorredner haben es schon erwähnt – eine Reihe von Rechnungshofberichten, von Kapiteln mal nicht zu mitternächtlicher Stunde, das ist ja auch sehr positiv, aber doch eine große Fülle an Berichten mit sehr wichtigen Punkten. Ich danke dem Rechnungshof natürlich wie immer von dieser Stelle aus für die hervorragende Arbeit.

Ich möchte speziell auf einen Punkt eingehen, nämlich auf den Antrag des Kollegen Zanger, der die Prüfkompetenz für EU-Direktförderungen betrifft, die Kontrolllücke, die es da gibt, die es bereits seit 2004 gibt. 2004, jetzt haben wir 2016, die Periode des Rech­nungshofpräsidenten endet heuer Ende Juni. Diese Kontrolllücke wurde aller­dings nicht geschlossen, dies wurde nicht umgesetzt. Vor dem Hintergrund, dass schon im Jahr 2004 im Ausschuss und im Präsidium des Österreich-Konvents Einver­nehmen über die entsprechende Erweiterung der Kompetenzen erzielt worden ist, ist das schon ein starkes Stück. 2004 hat es schon eine Einigung gegeben, haben wir schon darüber gesprochen und diskutiert, aber heute, 2016, ist es noch nicht umge­setzt.

Das ist leider symptomatisch für viele Bereiche, auch was die Kompetenzen und die Aufgaben des Rechnungshofes betrifft. Wir haben auch im letzten Ausschuss und auch am Rande des Ausschusses mit der rührigen Frau Vorsitzenden Dr. Moser einige Punkte erarbeitet und auch Besprechungen abgehalten und sind auch mit den Fraktionsführern der Regierungsparteien, mit dem Hermann Gahr und mit dem Kollegen von der SPÖ, übereingekommen, hier auch einmal ein Treffen zu machen, ein Gespräch zu führen. Es ist jetzt vereinbart, dass am Rande des nächsten Aus­schusses die Punkte eben besprochen und abgearbeitet und, wie ich meine und hoffe, auch einer Lösung zugeführt werden, denn es gibt hier viele Punkte, die im Argen liegen, die den Rechnungshof nicht optimal arbeiten lassen. Und das Beispiel, das ich eingangs erwähnt habe, dass es eben von 2004 bis heute keine Änderung gibt, die Kontrolllücke bei den EU-Direktförderungen nicht geschlossen ist, ist ein Zeichen dafür, dass da eben etwas nicht passt.

Es geht um Sanktionen von Falschaussagen gegenüber dem Rechnungshof. Es geht weiter um die finanziellen Mittel des Rechnungshofes, der ja ausgehungert wird, wie wir es ja schon oft hier auch besprochen haben. Es geht um die Problematik im Par­teien­gesetz, wo der Rechnungshof nicht optimal arbeiten kann. Das Medientranspa­renzgesetz birgt viele Mängel in sich, die den Rechnungshof eigentlich vom verfas­sungsrechtlichen Auftrag abhalten und Prüfkompetenzen binden. Es werden eigentlich Prüfkompetenzen verschwendet, die für andere Prüfungen, für Follow-up-Prüfungen zum Beispiel, wesentlich besser, effektiver eingesetzt werden könnten. Das alles sind offene Punkte, die hier angesprochen werden müssen und die hoffentlich auch einer Lösung zugeführt werden. Denn wenn wir wieder warten, bis der nächste Rechnungs­hofpräsident oder die nächste Rechnungshofpräsidentin in weiteren zwölf Jahren aus dem Amt scheidet, dann wird das viel zu spät sein. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich darf abschließend noch einmal an meine Kollegen appellieren, die ich vorhin schon erwähnt habe. Wir haben hier ein sehr gutes Einvernehmen. Es hat auch Signale in Richtung Bereitschaft gegeben, da etwas umzusetzen. Und ich bin zuversichtlich, was eben diese Sitzung am 1. Juni betrifft. Am 17. Juni haben wir einen zweiten Termin vereinbart. Ich hoffe, dass auch die Zusammenarbeit mit dem nächsten Rechnungshof­präsidenten oder der nächsten Rechnungshofpräsidentin – man muss ja positiv in die Zukunft schauen – gleich gut sein wird, wie sie mit Ihnen war, Herr Dr. Moser.

In diesem Sinne bin ich sehr zuversichtlich, dass wir hier etwas weiterbringen werden, alle Parteien zusammen, denn es geht um das Steuergeld, es geht um das hart verdiente Geld der Österreicherinnen und der Österreicher, der Rechnungshof ist ja auch Anwalt der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir Abgeordnete haben das ebenfalls zu vertreten. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Zanger.)

19.12



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 189

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


19.12.23

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Wir beraten heute auch den Bericht des Rechnungshofes aus dem Jahr 2015, der sich mit der Beschaffung des neuen Truppenfunksystems CONRAD beschäftigt und auch mit den im Zusammenhang mit der Beschaffung vereinbarten Gegengeschäften. Das Verteidigungsministerium schloss im Jahr 2007 einen Kaufvertrag bestehend aus rund 5 000 Funkgeräten um 76 Millionen € ab. Im Zusammenhang mit der Beschaffung schloss das Wirtschafts­ministerium auch eine Gegengeschäftsvereinbarung über 55 Prozent österreichische Wertschöpfung der beschafften Leistung ab.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Rechnungshofbericht liest sich wie eine Aneinanderreihung von Pleiten, Pech und Pannen, um es sehr wohlwollend auszu­drücken.

Eine erste grundlegende Kritik übte der Rechnungshof wegen des Fehlens eines Gesamtkonzeptes für die Funkgeräteausstattung im Bundesheer, weshalb auch die bestehende Vielfalt an unterschiedlichen Funkgerätesystemen im Bundesheer nicht ableitbar war. Das militärische Pflichtenheft – dieser Begriff findet sich im Bericht immer wieder –, dieses Pflichtenheft für die Beschaffung basiert auf Planungs­unterlagen, welche lediglich als Entwurf vorlagen. Aber gerade aus diesen Unterlagen war kein konkreter Bedarf an das System in der Beschaffung ausgeprägt ableitbar. Das heißt, es fehlte eine schlüssige Erklärung, warum genau dieses Funksystem beschafft werden musste. Trotzdem wurde die Beschaffung durchgeführt, und zwar mit einem Gebarungsvolumen von rund 86 Millionen €.

Auch im Vergabeverfahren hat der Rechnungshof Mängel geortet. Nach Ansicht des Rechnungshofes war die Wahl der freihändigen Vergabe im Wettbewerb auf die entsprechenden Rahmenbedingungen zurückzuführen. Kritisch wies er darauf hin, dass die internen Richtlinien des Verteidigungsministeriums, die die Anwendung einer veralteten Vergabenorm vorsahen, Widersprüche zu unionsrechtlichen Vergabeprinzi­pien aufwiesen. Daher empfahl der Rechnungshof, die Anwendung aller unionskonfor­men Vergabenormen anzuordnen.

Auch die Wiederaufnahme eines bereits ausgeschiedenen Bieters in das Vergabever­fahren kritisierte der Rechnungshof, denn damit verstieß das Verteidigungsministerium gegen grundlegende Vergabeprinzipien der Transparenz, Gleichbehandlung und Rechts­sicherheit der Bieter. Gemäß den Bestimmungen in der Angebotseinholung waren dem Verteidigungsministerium innerhalb von sechs Monaten nach Zuschlagserteilung detaillierte Berechnungen der Lebenszykluskosten vorzulegen, und das, obwohl das Ministerium zu diesem Zeitpunkt bereits an den Auftragnehmer gebunden war und die Lebenszykluskosten deutlich höher lagen als die Anschaffungskosten.

Alles in allem ist festzuhalten, dass das Verteidigungsministerium keinen Überblick über den Budgetaufwand für das Funkgerätesystem CONRAD hatte. Die Folgekosten für die Materialerhaltung beziehungsweise für systemrelevante Zusatzbeschaffungen waren nicht ausgewiesen beziehungsweise nicht vollständig erfasst. Nach Erhebungen des Rechnungshofes waren Ausgaben in Höhe von rund 1,3 Millionen € nicht berücksichtigt. Der unmittelbare finanzielle Aufwand stieg unter Hinzurechnung der nicht ausgewiesenen Zusatzbeschaffungskosten für das beschaffte System von 76 Millionen € auf zumindest 85 Millionen € oder um 13 Prozent an.

Abschließend, um auch etwas Positives zu erwähnen, ist zu sagen, dass die verein­barte Wertschöpfung von 55 Prozent durch österreichische Unternehmen nun laut Wirtschaftsministerium sichergestellt ist. Insgesamt hat der Rechnungshof bei dieser


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Prüfung viel zu kritisieren gehabt, aber er hat auch 36 Empfehlungen abgegeben. Ich danke dem Rechnungshof für die geleistete Arbeit und hoffe, dass wir aus diesem Bericht auch entsprechende Lehren ziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


19.16.34

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Rechnungs­hofprä­si­dent! Hohes Haus! Kollege Sieber! Herzlichen Dank einmal, dass Sie uns den Rech­nungshofbericht über die Sache CONRAD vorgelesen haben. Man könnte glauben, ÖVP und SPÖ sind gar nicht in der Bundesregierung vertreten, so trocken lesen Sie das herunter. Man könnte teilweise auch glauben, Sie sprechen da von Pleiten, Pech und Pannen. Ja, Pech war das Wenigste dabei. Das waren Pleiten und Pannen.

Was die Beschaffung dieses Truppenfunksystems CONRAD betrifft, muss ich ehrlich sagen, der Ausschuss ist ja sehr interessant, denn da haben wir einen Bundesminister, den man befragen kann. Und dieser hat auch sehr aufgeregt reagiert, als ich „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gesagt habe. Wir hatten ja sogar einen Untersuchungs­ausschuss, was die Beschaffung des Digitalfunks Tetron bei der Polizei betraf. Ich will das jetzt nicht vergleichen, aber man merkt immer wieder, wenn es um Millionenbe­träge geht – und das ist ja nicht wenig Geld, das Auftragsvolumen war einmal 76 Millio­nen, dann hat es 86 Millionen an Steuergeld gekostet –, dann wird es immer teurer. Man kann ja nicht sagen, das ist ein Taschengeld, sondern das ist ja wirklich gar nicht wenig Steuergeld, um das es hier geht. Da gibt es immer Beschaffungsmängel. Dann gibt es Bieter, die zuerst ausgeschieden werden. Dann wird das wieder zurückge­nommen, und sie bekommen komischerweise den Zuschlag.

Irgendwo sieht man da schon immer Parallelen. Wenn der Bund etwas beschafft, dann hat der Rechnungshof immer sehr viel zu prüfen, und es ist gut so, dass es der Rechnungshof macht. Er kommt auch immer drauf, dass es die eine oder andere Sache gibt, die nicht so gelaufen ist, wie sie hätte laufen sollen, und es läuft immer wieder etwas so, wie es nicht laufen sollte. (Zwischenruf der Abg. Moser.)

Genau, Kollegin Moser, das ist genau die Problematik, mit der wir uns immer beschäf­tigen. Aber, wie gesagt, es ist nur gut, dass im Ausschuss wenigstens die zuständigen Minister da sind.

Das ist natürlich ein Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2015, das ist richtig, aber die Beschaffung hat in den Jahren 2006/2007 begonnen. Wenn Sie das alles so bekritteln, Kollege Sieber, dann gebe ich zu bedenken: Da gab es ja noch einen Bundesminister Platter, ÖVP, sofern ich mich richtig erinnere. Dann sollten Sie ihm einen Brief schreiben oder ihm sagen, wie er da die Beschaffung einmal gestartet hat und wie das dann von anderen Ministern – das gebe ich schon zu, ihr seid ja gemeinsam in der Bundesregierung – weitergeführt wurde. Und da kann man sich dann nicht hier herstellen und das einfach außer Acht lassen und – und das finde ich fast ein bisschen unerträglich; ich bitte, den Ausdruck zu entschuldigen – mehr oder weniger Kindes­weglegung betreiben, so als ob man Bundesminister Platter außer Dienst gar nicht kennen würde. Da muss man schon ehrlich sagen, das ist ja nicht das erste Mal passiert. Bei anderen Anschaffungen beim Bund war es ja ähnlich. Und da ist es ein ähnliches Trauerspiel und kostet den Steuerzahler immer sehr viel Geld.

Die Mängel bei CONRAD – das haben ohnehin auch schon die Kollegin Moser beziehungsweise der Kollege Sieber hier vorgelesen – sind natürlich immer wieder dieselben: Es kostet mehr, es hat Vergabefehler gegeben und dann natürlich, dass man es im Ministerium belässt. – Ich gebe schon zu, es sind dann Zusatzgeschäfte


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beziehungsweise Zusatzleistungen geliefert worden, von denen man aber gar nicht weiß, ob man die gebraucht hat oder ob es nicht besser gewesen wäre, man hätte das an das Finanzministerium zurückfließen lassen. Ich weiß schon, das will man natürlich im Ministerium behalten, daher gibt es ja so etwas.

Diese Gegengeschäftsvereinbarung von 55 Prozent österreichischer Wertschöpfung, also das hat natürlich überhaupt nicht funktioniert. Wenn man sich den Bericht durchliest und ihn genau liest, dann muss man sagen: Das ist das zwar nett und lieb – Papier ist geduldig; man hat das hineingeschrieben, denn das klingt recht schön, ist recht schön –, nur hat man nichts von der österreichischen Wertschöpfung, wenn das dann nicht überprüft wird, wenn das nicht funktioniert, und so weiter und so fort. Also Mängel noch und nöcher.

Und das passiert nicht das erste Mal! Ich sage es wieder: Und täglich grüßt das Murmeltier. – Man kann neuerlich sagen, der Bund hat beschafft, der Bund hat wieder mehr oder weniger Steuergeld versenkt und der Rechnungshof hat geprüft. Ich hoffe nur, dass man daraus für zukünftige Beschaffungen lernt. Mehr kann man nicht sagen.

Herr Rechnungshofpräsident, ich wünsche Ihnen alles, alles Gute! Sie waren ein sehr, sehr guter Präsident. (Abg. Zanger: Vielleicht kommt er noch einmal!) Wir waren mit Ihnen sehr zufrieden, das muss man so sagen. Schade, aber es geht jetzt die Zeit eben zu Ende. Aber Sie können zumindest eines sagen: Sie haben Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin die Latte sehr, sehr hoch gelegt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.21


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster erteile ich Frau Abgeordneter Gusenbauer-Jäger das Wort. – Bitte.

 


19.21.55

Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Hohes Haus! Es zeigt sich immer wieder, dass Immobilienmanagement in profes­sionelle Hände gehört (Abg. Moser: Ja!), wenn man nicht übers Ohr gehauen werden will, und besonders, wenn diese Immobilie der Republik Österreich gehört.

Der Bericht des Rechnungshofes über den Österreichischen Integrationsfonds – Fonds zur Integration von Flüchtlingen und MigrantInnen kritisiert, dass bei den Verkäufen der Eigentumswohnungen zu wenig – viel zu wenig! – lukriert wurde. Es wurden 270 Woh­nungen verkauft, und zwar laut Rechnungshof viel zu billig verkauft. Was der Rech­nungs­hof bei der Gebarung und Geschäftsführung des Integrationsfonds feststellen musste, ist doch bemerkenswert, um nicht zu sagen, fast skandalös. Die Kritik spannt sich über beinahe alle Geschäftsbereiche des Fonds.

Die Fondsaufsicht unterlag zur Zeit der Prüfung dem BMI, ein Zitat aus dem Rech­nungshofbericht lautet folgendermaßen: „Kontrollhandlungen von Seiten der Fondsauf­sicht unterblieben.“ Dabei gab es Verfahrensmängel, Verzicht auf eine Interessenten­suche, Veräußerungen an Käufer mit einem augenfälligen Naheverhältnis zum ÖIF, unklare Preisabschläge, Hypothekarbelastungen der Wohnungen bis zum 3,9-Fachen des Verkaufspreises, nicht nachvollziehbare Gutachten, mangelhafte Bieterverfahren und so weiter.

Der 1960 gegründete ÖIF zog sich im Jahr 2005 aus seinem ursprünglichen Geschäft zurück, nämlich der Bereitstellung von Wohnungen für Flüchtlinge, und diese 270 Woh­nungen wurden verkauft. Wenn wir an die aktuelle Situation und die Flüchtlingsprob­lematik denken: Wir würden diese 270 Wohnungen jetzt sehr wohl gut gebrauchen können! (Abg. Moser: Dringender als …!) Diese wären sehr hilfreich.


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Die Republik wurde da um Millionen geschädigt, und in Zukunft müssen wir schauen, dass wir solche Vorkommnisse nicht mehr zulassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. – Bitte.

 


19.24.25

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Rechnungshof­präsident! Ich war bisher noch nicht oft im Rechnungshofausschuss, und ich hatte das Vergnügen, bei der Debatte zur Ski-WM in Schladming den Ausschuss einmal ken­nenzulernen, hatte auch das Vergnügen (in Richtung des Rechnungshofpräsidenten Moser), Ihre klaren Worte dort zu hören. Ich weiß nicht, ob Sie das immer so machen, da ich noch nicht so oft dort war. Ich weiß nicht, vielleicht war die Ski-WM doch auch ein besonderes Beispiel für etwas, wo man genauer hinschauen sollte.

Infolge dieses und des Sportausschusses, wo ich die Kritik, die auch Sie formuliert haben, wiederholt habe, habe ich dann ein Schreiben vom Skiverband bekommen, in dem mir mitgeteilt wurde, ich möge mich in Zukunft ein bisschen zurückhalten, sonst würde ich geklagt, denn man dürfe nicht sagen, dass die Gelder des Skiverbandes nicht auch zumindest über den Umweg der öffentlichen Förderung kommen.

Haben Sie auch ein Schreiben bekommen? (Rechnungshofpräsident Moser: Ich bin auch aufgefordert worden!) – Ah, Sie sind auch aufgefordert worden! Also der Skiver­band – da sind wir in guter Gesellschaft – fordert offenbar nicht nur Abgeordnete auf, im Parlament zu schweigen, sondern auch den Rechnungshofpräsidenten. Das ist ein besonderer Verband, mit dem wir uns vielleicht noch einmal näher auseinan­dersetzen sollten.

Gehen wir die Geschichte mit Schladming noch einmal durch. – Erfolgreich: ja. Publi­kums­interesse: absolut gegeben. Ich habe das schon mehrfach zelebriert. Die Frage ist dann: Der ÖSV ist der Veranstalter – trägt er ein großes Risiko, wenn er eine Ski-WM in Österreich macht?

Meine Frage war: Könnte es zum Beispiel sein, dass der ORF nicht überträgt? – Die Gefahr ist wahrscheinlich überschaubar, dass der ORF draufkommt, zu sagen: Die sollen in Schladming Ski fahren, wir übertragen nicht! Das ist wahrscheinlich eine eher geringfügige Gefahr. Gegen das Wetter versichert man sich. Die Gefahr, dass in Österreich bei einer Ski-WM keine Zuschauer kommen, ist, glaube ich, wenn man sich die Geschichte anschaut, auch überschaubar. Das heißt, das Risiko des Veranstalters ÖSV ist deutlich eingeschränkt.

Was macht der ÖSV? – Der ÖSV sagt erstens: Wir entscheiden, welches Skigebiet sich für eine Ski-WM bewerben kann; zweitens: Ihr könnt euch dann bewerben, wenn die Bedingungen für die Ski-WM erfüllt sind, und die Bedingungen definieren wir; drittens: Die Dinge, die wir dort haben wollen, müssen öffentlich gefördert werden; wenn sie gefördert werden und das errichtet wird, dann unterstützen wir die Bewer­bung. – So gut, so schön.

Dann kommt allerdings ein Element dazu, nämlich dass es ja nicht so ist, dass man dort nur etwas ausrichtet und keine Einnahmen hat. Wenn dort etliche Hunderttausend Leute in einer Woche kommen, fließt schon etwas Geld, und jetzt reden wir noch gar nicht nur von den Fernsehrechten; diese kommen nämlich auch dazu: Fernsehrechte, Ticketverkauf, Werbung kommen auch dazu. – So.

Das Konstrukt ist so: Der ÖSV geht her und sagt: Alles, was wir investieren müssen, muss investiert werden, dann veranstalten wir. Wir sind der Veranstalter: Alles, was auf der anderen Seite an Einnahmen hereinkommt, kommt zu uns.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 193

Jetzt können wir zumindest noch fragen: Wie viel ist denn das? – Dann sagt der ÖSV: Moment! Privater Verein! Wir haben ja das Risiko, wir sind die Veranstalter. Was wir einnehmen, brauchen wir nicht zu sagen. Es wird ja nicht die Veranstaltung an sich, sondern es werden nur Infrastrukturinvestitionen gefördert, und die haben mit uns ja nichts zu tun.

Dem Rechnungshofbericht entnimmt man dann interessante Details, nämlich dass zumindest der Vertrag zwischen der FIS und den Veranstaltern des Jahres 2011 offengelegt wurde, das war damals Garmisch-Partenkirchen. Garmisch-Partenkirchen hat einen Gewinnanteil von 36 Millionen € bekommen. Was danach war, wissen wir nicht so genau, denn das wurde ja geschwärzt – also was die Deutschen offengelegt haben und was klar war, ist in Österreich geschwärzt worden, dadurch wissen wir nicht, wie viel Schladming abgeworfen hat.

Jetzt kann man sagen: Zwei Jahre später, mehr Publikumsinteresse – es wird vermut­lich nicht weniger gewesen sein. Ich weiß es nicht. Der ÖSV wäre ja aufgefordert, das offenzulegen, das hat er aber nicht getan. Es gab Zeitungsberichte, die auch in der Größenordnung von in etwa 36 Millionen €, 38 Millionen € berichtet haben.

Dann habe ich im Sportausschuss gesagt: Offenbar sind diese Großereignisse eine wichtige Finanzierungsquelle des ÖSV. Ich habe nicht gesagt, es sind öffentliche Gelder, ich habe nur die Umwegkonstruktion kritisiert: dass man die öffentliche Hand für die Investitionen zahlen lässt, aber die Einnahmen selbst lukriert.

Jetzt macht der ÖSV in etwa alle zehn Jahre eine Ski-WM, in dem Abstand in etwa auch Nordische Skiweltmeisterschaften – auch dabei sind Fernsehrechte drinnen. Da kommt zumindest, sagen wir es einmal vorsichtig, ganz schön etwas zusammen, was beim ÖSV hereinkommt. Die Kosten dafür trägt die öffentliche Hand.

Ich nenne das eine Umwegkonstruktion, und wenn sich der ÖSV dagegen wehrt, dass das sozusagen öffentliches Geld ist, das er indirekt bekommt, soll er das tun. Ich sage es auch gerne öffentlich – hier herinnen kann er mich ohnehin nicht klagen. Das ist nicht so klar; wir können es aber auch öffentlich ausdiskutieren. Wenn darüber einmal eine Klage geführt werden soll, können wir das machen. Vielleicht kommen Sie, Herr Rechnungshofpräsident Moser, dann bei Gelegenheit als Zeuge vorbei. Schauen wir einmal, was dann dieses Verfahren ergibt.

Der ÖSV hat sich auch mächtig über die Formulierung aufgeregt, dass ich gesagt habe, wenn man nicht so tut, wie der Schröcksnadel will, dann gibt es halt die Bewer­bung nicht. – Diesbezüglich darf ich jetzt noch auf „NEWS“ vom März 2015 verweisen. Da wird der jetzige Landeshauptmann Schützenhöfer zitiert, und er hat das alles etwas drastischer formuliert als ich. Ich war ja relativ zurückhaltend mit der Formulierung: Wenn man nicht so tut, wie der Schröcksnadel will, dann gibt es halt die Bewerbung nicht.

Herr Landeshauptmann Schützenhöfer, damals noch Landeshauptmann-Stellvertreter, hat damals laut „NEWS“ Folgendes gesagt: „Ich fange mir mit dem Schröcksnadel da nichts mehr an. Ich will“ – Zitat, Frau Präsidentin – „nicht immer der Depperte sein.“ – Das ist vielleicht eine etwas plakativere Formulierung, die da verwendet wird.

Und aus einem Gespräch mit Voves und Schützenhöfer wird berichtet, dass er zum Landeshauptmann gesagt habe, wenn das nicht so passiere, dann werde der Nacht­slalom sofort abgedreht. – Wenn man das jetzt nicht als Erpressung formulieren will, dann ist das wahrscheinlich eher schwer darzustellen, denn der Nachtslalom ist mit 50 000 Besuchern jedes Jahr eines der Riesenevents in Österreich, für Schladming eines der riesigen touristischen Events.


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Ich fasse zusammen: So, wie das der ÖSV anlegt, geht es einfach nicht mehr. Wir waren uns da übrigens, meine ich, ziemlich einig bei der Frage: Muss es transparent gemacht werden? – Ja.

Ich sage auch dazu: Man kann darüber diskutieren, ob es eine Gewinnbeteiligung des ÖSV geben kann. Das ist für mich noch gar nicht der Punkt dabei. Es sind auch Investitionen getätigt worden – wer das Skigebiet in Schladming kennt, auf der Reiteralm –, die durchaus längerfristig gewirkt haben. Wie man jetzt im Winter darüber liest, kommt da nicht nur die österreichischen Nationalmannschaft, sondern es kom­men auch viele internationale Mannschaften auf die Reiteralm, um dort das Trainings­zentrum zu nutzen. – Das alles ist ja okay, man muss es nur transparent machen.

Das, was der ÖSV macht, die Einnahmen und die Gewinne zu privatisieren – nämlich für sich selbst –, die Kosten aber auszulagern und zu sagen: Das zahlt die öffentliche Hand!, das sollte in Zukunft nicht mehr gehen. Deswegen haben wir auch einen Antrag eingebracht, dass die Transparenz für Großveranstaltungen das Förderkriterium sein soll – also ein Event ist nur mehr dann förderbar, wenn auch die Transparenz gewährleistet ist.

Da habe ich dann ein Gegenargument gehört: Ja, dann wird der ÖSV keine Skiwelt­meisterschaft mehr veranstalten. Dieses Drohpotenzial würde ich mir einmal an­schau­en, ob das wirklich so ist. Also wenn es davon abhängt, dass man transparent ist, und dann gibt es das in Österreich nicht mehr, dann, so meine ich, sollte der ÖSV einmal seine Rolle überdenken. So, wie das bislang gehandhabt worden ist, geht es nicht weiter.

Herr Dr. Leistner, wenn Sie das hören: Sie können mir wieder einen Brief schreiben – vielleicht sehen wir uns dann woanders –, aber den Mund werden wir uns hier herinnen vom ÖSV nicht verbieten lassen. (Beifall bei den Grünen.)

19.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hanger. – Bitte.

 


19.31.24

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beschäftige mich in meinem Debattenbeitrag ebenfalls mit der Alpinen Ski-WM 2013 in Schladming, und da möchte ich einleitend einmal ein bisschen Ordnung in die Zahlen bringen, weil da sehr viele Zahlen kursieren: Insgesamt wurden Investitionen in Höhe von 415 Millionen € ausgelöst, was sehr, sehr beachtlich ist – das würde ich mir für meine Region, die Mostviertler Alpen, auch wünschen –; davon waren in etwa 250 Millionen € öffentliche Investitionen, der Rest private Investitionen.

Auch die öffentlichen Investitionen muss man einmal segmentieren: Davon waren über 130 Millionen € klassische Infrastrukturinvestitionen – Abwasserbeseitigung, Wasser­versorgung, Eisenbahninfrastruktur, Gemeindestraßen und vieles mehr. Diese Inves­titionen hätten getätigt werden müssen, auch wenn die Alpine Ski-WM gar nicht statt­gefunden hätte.

Unter dem Titel Qualitätsverbesserung im Tourismus hat es Investitionen in der Höhe von 200 Millionen € in der Region gegeben. Da hat es nur 24 Millionen € öffentlichen Anteil gegeben – also 24 Millionen € haben 200 Millionen € an Gesamtinvestitionen ausgelöst. Da ist es natürlich darum gegangen, die touristische Infrastruktur insgesamt zu verbessern.

Dann bleiben in etwa 90 Millionen €, die man direkt der Ski-WM zuordnen kann, aber natürlich wird ein Kongresszentrum heute auch nachgenutzt, und das hat zu einer


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Verbesserung der Pisteninfrastruktur geführt, die auch heute noch da ist und die natürlich auch heute noch ihre Wirkung entfalten kann.

Insgesamt ist zu sagen, und das ist einfach nicht abzustreiten: Die Alpine Ski-WM in Schladming war eine oder sogar die erfolgreichste Ski-WM der Geschichte, die statt­gefunden hat. (Abg. Zanger: Das sagt ja keiner!) 300 000 Besucher, die Scheinwerfer wurden auf die Region gerichtet – allein der internationale Werbewert rechtfertigt die Kosten, die da entstanden sind. (Abg. Zanger: Das hat ja keiner verurteilt!)

Aus dem Schlussbericht geht hervor, dass sämtliche Teilprojekte innerhalb der Bud­gets abgerechnet worden sind, also offensichtlich auch das Budget- und Kostencon­trolling funktioniert hat.

Der Rechnungshof hat dann noch die Frage aufgeworfen: Na ja, sind denn diese Investitionen auch nachhaltig und hat das einen nachhaltigen touristischen Impuls für die Region gebracht? – Ich möchte da ganz einfach aus der Destinationsstudie der Österreichischen Hoteliervereinigung zitieren:

„Neben den harten Zahlen (Nächtigungen, Ankünfte, Auslastung, Vollbelegstage) konnte vor allem auch bei der Saisonalität (möglichst gleichmäßige Verteilung der Nächtigun­gen über alle Monate des Jahres hinweg) und der Internationalisierung (mehr Märkte, geringere Abhängigkeit von einem großen Einzelmarkt) eine Verbesserung erzielt werden.“ Man ist von Platz 46 auf Platz 11 in der Destinationsstudie vorgerückt. „Mit ein Grund hierfür war mit Sicherheit die Alpine Ski WM von 2013; diese internationale Bühne ermöglichte erst den Zugang zu neuen Märkten, die seither über eine kon­sequente Marktbearbeitung weiter erschlossen werden.“

Ich denke, dass man dem ÖSV für das globale, internationale Engagement danken muss, dass man diese Sportler in die Regionen bringt, denn für diese Regionen sind das Leuchtturmveranstaltungen, die Regionen vorwärts bringen können. Die Alpine Ski-WM 2013 ist der beste Beweis dafür. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.34


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Steger. – Bitte.

 


19.34.23

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Rechnungs­hofpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Doppelförderungen, Mehrfachförde­rungen, Intransparenz, fehlende Kontrollen, und, und, und. – Seit Jahren kritisieren wir das und noch vieles mehr an der österreichischen Sportförderung, und seit Jahren wird das vom jeweiligen Minister, aber auch von Rot-Schwarz insgesamt, die sich ja die österreichischen Sportorganisationen in einem perfekten Proporzsystem untereinander aufteilen, als unbegründet und lächerlich abgetan.

Mit diesem Rechnungshofbericht zur Ski-WM in Schladming – übrigens ein ausge­zeichneter Bericht; vielen Dank für die gute Arbeit! – haben Sie nun auf mehr als 200 Seiten genau das Gegenteil bestätigt bekommen, und es wurde dem Land Steier­mark, dem Bundesministerium, aber vor allem der österreichischen Sportförderung als Ganzes ein vernichtendes Urteil ausgesprochen. (Beifall bei der FPÖ.)

248 Millionen € hat die öffentliche Hand bezahlt, davon das Bundesministerium für Sport 24 Millionen €. Bei solchen Beträgen sollte man doch meinen, dass ein Interesse besteht, genauer zu prüfen, was eigentlich mit dem Geld passiert. Genau das wurde aber von den Verantwortlichen nicht gemacht.


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Jahrelang wiesen sowohl der ehemalige Minister als auch das damalige Landes­haupt­mann-Duo Voves/Schützenhöfer jedwede Kritik von sich und zurück und kritisierten vielmehr die Kritiker, die damit angeblich die Erfolge schlechtreden würden.

Um das noch einmal klarzustellen: War es eine erfolgreiche WM? – Natürlich war es eine erfolgreiche WM, das steht außerhalb jeder Frage, und zwar aus sportlicher Sicht! Unsere Athleten haben dort Großartiges geleistet – umso mehr regt es einen ja auf, dass es überhaupt solche Missstände gegeben hat, die natürlich ein schlechtes Bild auf diese WM werfen. Und natürlich werden die sportlichen Erfolge in den Hintergrund gedrängt, aber daran sind nicht die schuld, die die Missstände ansprechen, sondern daran sind die schuld, die die Missstände verursacht haben! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mayer: Hypo!)

Doch was machen die Verantwortlichen aus der Politik? Haben Sie etwas aus dem Bericht gelernt? – Nein! Nachdem der Rechnungshofbericht herausgekommen ist, hat Ihr Parteikollege, der ehemalige Landeshauptmann Voves ihn als – ich zitiere – „dep­perte Kritik“ bezeichnet. So eine Reaktion muss man sich einmal vorstellen: „depperte Kritik“!

Irgendwie ist schon klar, dass er sich über den Bericht ärgert, wenn dieser eigentlich jedem seiner Kritiker recht gibt und klar und deutlich feststellt, dass jegliche Trans­parenz gefehlt hat, dass niemand einen Gesamtüberblick über die Entwicklung der Kosten hatte – ja, bis heute liegt keine detaillierte Endabrechnung vor! Es hat auch zahlreiche Mängel in der Organisation gegeben: Teilweise haben sieben unterschied­liche Gremien völlig unabhängig voneinander agiert. Auf jeden Fall wurden auch unzählige Steuermillionen ohne jegliche Kontrolle und Überprüfung der Sinnhaftigkeit in Prestigeobjekte gesteckt, die rein gar nichts mit der Sportinfrastruktur zu tun hatten – Stichwort: Skygate, das nicht umsonst im Schladminger Volksmund auch als „Präsi­den­tenzipfel“ bezeichnet wird.

Des Weiteren ist natürlich auch noch sehr interessant, dass auch der neue Sport­minister Doskozil anscheinend überhaupt kein Problem damit hat, dass es den Ver­dacht gibt, dass das Sportministerium Projekte gefördert hat, für die der Österreichi­sche Skiverband als Veranstalter ohnehin Finanzmittel vom Internationalen Skiverband erhalten hat – mein Kollege hat es bereits angesprochen. Das schreibt der Rechnungs­hof auch klar und deutlich in seinem Bericht.

Wenn so etwas in einem Bericht steht, dann kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und das nur zu Kenntnis nehmen. Das ist ein Hinweis, dass es vielleicht Doppelförderung gegeben hat. Und ja, auch ich habe die E-Mail bekommen, in der ich aufgefordert wurde, speziell das nicht anzusprechen, und ich finde das gleichfalls höchst bedenklich.

Wie gesagt, man kann nicht zur Tagesordnung übergehen! Genau da sollte auch der neue Minister hergehen und volle Transparenz vom ÖSV verlangen. Dieser soll seine Verträge offenlegen, und man soll sich eben nicht mit der Ausrede, das seien irgend­welche privaten Verträge, oder mit irgendwelchen geschwärzten Verträgen abspeisen lassen. Wenn der Bund, und das hat auch Kollegin Moser angesprochen, Infrastruktur­projekte fördert und aus öffentlichen Mitteln bezahlt, dann kann man natürlich Bedingungen daran knüpfen. Sie müssen fordern, dass alle Verträge vom ÖSV, die er mit der FIS hat, offengelegt werden. (Beifall bei der FPÖ.) Das gilt jetzt nicht nur vergangenheitsorientiert, sondern auch für die Zukunft, denn die nächsten Veranstal­tungen kommen mit Sicherheit schon bald!

Eines ist auf jeden Fall klar: Mit diesem Rechnungshofbericht kann das Kapitel noch nicht abgeschlossen sein. Wie ich schon gesagt habe: Es gehört dringend vom Minis-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 197

terium aufgearbeitet, wie es zu diesen Missständen gekommen ist. Der ÖSV ist in die Pflicht zu nehmen!

Außerdem gehört auch das Sportförderwesen reformiert, vor allem was die Sportgroß­veranstaltungen anbelangt. Es gehört ein Kriterienkatalog entwickelt, unter welchen Voraussetzungen man überhaupt Förderungen für Infrastrukturprojekte bekommt. Und vor allem darf es nie wieder eine Sportgroßveranstaltung geben, bei der es keine Gesamtkoordinierung und keine Gesamtkostendarstellung gibt, das heißt, alle Ein­nahmen und Ausgaben müssen transparent dargestellt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie schon gesagt – der Herr Rechnungshofpräsident hat es bestätigt –: Ohne Transparenz geht es nicht! Jetzt liegt es vor allem auch am neuen Minister Doskozil, zu zeigen, ob er tatsächlich Reformen angeht oder wieder nur ein Lebensverlängerer des bisherigen Systems ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Greiner. – Bitte.

 


19.40.01

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Rech­nungshofpräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon einiges gesagt worden: Einer der vorliegenden Berichte analysiert die Alpine Ski-WM 2013 in Schlad­ming. Der größte Fördergeber war das Land Steiermark mit 152 Millionen €. Das sind öffentliche Gelder.

Welche Kritikpunkte wurden aufgezeigt? – Ich gehe noch einmal kurz darauf ein: Das ist etwa das nicht geeignete Projektmanagement – zumindest war keines installiert – für die Ausrichtung der gesamten WM, während verschiedene Gremien in verschiede­nen Bereichen organisiert haben. Da hat eine Gesamtkoordinierung gefehlt. Teilweise waren auch die Förderentscheidungen nicht zur Gänze nachvollziehbar, steht im Bericht. Eine ganzheitliche Überprüfung, ob Förderungen teilweise notwendig, wirt­schaftlich und zweckmäßig waren, ist nicht vorgelegen.

Auf einen weiteren Punkt gehe ich noch kurz ein: Es gab auch Kritik an der Förderung von Infrastrukturprojekten rund um dieses Sportereignis. Bei diesem Punkt möchte ich aber schon eines hervorheben: Ich glaube, man muss auch sehr deutlich auf die Nach­haltigkeit solcher Projekte schauen. Worauf beziehe ich mich? – Ich beziehe mich auf die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region. Eine Umsatzsteigerung von 23 Pro­zent ist beachtlich, genauso 55 Prozent mehr beim Cashflow, und bis 2015 haben die Nächtigungen um 24 Prozent zugenommen. (Abg. Zanger: Das ist eh schön!)

Das sind erfreuliche Fakten, und Kollege Brosz hat auch schon angesprochen, dass es sehr wünschenswert ist, dass auch weiterhin internationale Mannschaften da sind, und das wurde dadurch wirklich auch ausgelöst und gefördert.

Kritisiert wurde zu Beginn auch das Mediencenter, aber mittlerweile hat es sich zu einem beliebten Veranstaltungszentrum etabliert. Seit der WM haben dort 450 Kon­gresse stattgefunden, und pro Jahr richtet man in diesem Zentrum 15 Großveran­staltungen aus. Das hat ja Folgewirkungen.

Was ist aber in Zukunft bei der Förderung von derartigen großen sportlichen Veran­stal­tungen zu berücksichtigen? – Ja, unabdingbar sind eine hundertprozentige Entschei­dungstransparenz und eine hundertprozentige Fördertransparenz. Das sind öffentliche Gelder. Warum geht welche Förderung wohin?

Da möchte ich schon betonen, dass Herr Bundesminister Doskozil im Rechnungs­hof­ausschuss bestätigt hat, hinsichtlich der Einrichtung einer Fördertransparenzdatenbank beziehungsweise einer Transparenzdatenbank allgemein seine vollste Unterstützung


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zu geben. Das heißt, man ignoriert den Bericht in keinster Weise. Man nimmt das sehr ernst, und da wird seine Unterstützung auch zu spüren sein.

Klar ist auch, dass es bei einer Beteiligung mehrerer Fördergeber, wie es hier der Fall war, sinnvoll ist, eine zentrale Controllingstelle einzurichten. Es liegt auf der Hand, dass das wirklich an einer Stelle zusammenlaufen soll. Es muss am Ende einen Gesamtüberblick geben, welche Kosten entstanden sind und welche Förderungen gewährt wurden. Damit ist für unsere Bürgerinnen und Bürger sichergestellt, dass die öffentlichen Gelder sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt werden können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Maurer. – Bitte.

 


19.43.35

Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie das bei Debatten zu Rech­nungshofberichten leider so ist, springen wir häufig zwischen den Themen herum. Ich muss jetzt auch einen solchen Sprung machen, und ich bitte Sie, mir gedanklich zu folgen.

Wir wechseln jetzt von den Sportangelegenheiten zu den Universitäten, und zwar zu den Kollektivverträgen, den Anstellungsverhältnissen und den Entlohnungen an den Universitäten; das ist nämlich auch Teil dieses Bandes des Rechnungshofberichts. Dazu muss man sagen, wir behandeln heute einen Bericht von Anfang 2014, also einen Bericht, der über zweieinhalb Jahre alt ist; die Prüfung ist überhaupt aus dem Jahr 2012. Die Inhalte dieser Rechnungshofprüfung sind also gewissermaßen zumin­dest in Teilen verjährt, sie werden sich verändert haben.

Wie bereits von meinen KollegInnen angesprochen wurde, haben wir da einen un­glaub­lichen Stau aufgebaut, und ich kann Ihnen sagen, das ist nicht der älteste Bericht, der im Ausschuss liegt und immer noch der Behandlung hier im Plenum harrt. Wir bräuchten also schon auch eine Beschleunigung des Prozesses.

Aber zurück zu den Universitäten: Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zwei zentrale Aspekte anzusprechen. Das eine sind die Laufbahnstellen; das sind Stellen, bei denen man im Laufe der Karriere an der Universität durch Weiterqualifizierung in eine nächst­höhere Kategorie aufsteigen kann. Diese Stellen sind insbesondere auch zur Förde­rung von Frauen eingerichtet worden, und da hat es jetzt aufgrund einer Anfrage der Kollegin Gamon, die nachgefragt hat, wie es denn mit der Frauenförderung aussieht, quasi eine kleine Follow-up-Prüfung gegeben. Da stellen wir leider fest, dass nach wie vor nur ein Drittel der Laufbahnstellen und auch nur ein Drittel der ProfessorIn­nen­stellen an Frauen gehen.

Da muss man schon sagen: Ich weiß nicht, wie lange wir noch darüber klagen wollen, dass wir die Gleichstellung an den Universitäten nicht schaffen. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, kann das nie erreicht werden. Es braucht also ganz eindeutig größere Anstrengungen der Rektorinnen und Rektoren der Universitäten, in diesem Bereich endlich voranzukommen. Es gibt Universitäten, die die 50 Prozent erreicht haben. Die Akademie der bildenden Künste hat uns vorgezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, also denke ich, dass es auch für die anderen möglich sein muss.

Der zweite Aspekt, den ich noch schnell ansprechen möchte, betrifft die Lektorinnen und Lektoren. Das sind Angestellte, die nur einzelne Lehrveranstaltungen halten. Das sind in erster Linie JungwissenschaftlerInnen, die sehr schlecht bezahlt sind, aber da die Universität keine Infrastruktur für sie zur Verfügung stellen muss, sie befristet


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beschäftigt sind und das maximal Teilzeitarbeitsverhältnisse sind, sind sie natürlich viel billiger und aufgrund der massiven Budgetknappheit an den Universitäten stellen die Universitäten natürlich auch sehr viele Lektorinnen und Lektoren an. Das ist mittelfristig eine extrem kurzsichtige Strategie, weil uns der Nachwuchs wegbricht. Die, die können, gehen ins Ausland, andere müssen ihre Arbeit an der Universität abbrechen und sich andere Jobs suchen, weil sie sich schlicht das Leben nicht leisten können.

Ich glaube, dass das ein sehr nachlässiger Umgang mit Wissenschaft und Forschung in Österreich ist. An dieser Stelle – wir hatten das auch gestern schon bei der Debatte zum Bundesfinanzrahmen – ist die Regierung einmal mehr aufgefordert, die Univer­sitäten auszufinanzieren und damit indirekt auch dazu beizutragen, dass die Jung­wis­senschaftlerInnen besser abgesichert werden und sich die Wissenschaft an unseren Universitäten positiv entwickeln kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gamon.)

19.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.

 


19.47.17

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Maurer hat es schon angesprochen, wir behandeln heute sehr viele Berichte, und auch ich werde einen Sprung machen müssen. Ich möchte mich noch einmal mit dem Bericht des Rech­nungshofes über die Gebarung des Österreichischen Integrationsfonds beschäftigen.

Dieser Fonds, der 1960 gegründet wurde, hatte ja ursprünglich die Zielsetzung, Wohn­raum für Flüchtlinge zu schaffen. Diese Strategie wurde dann im Jahr 2005 abgeän­dert, und man hat sich auf die Organisation von Sprachkursen, auf die Beratung bis hin zur Unterstützung der Flüchtlinge bei der Arbeitssuche konzentriert. Das heißt, es hat einen Strategiewechsel gegeben, und die Folge davon war, dass in den Jahren 2006 bis 2011 die bereits angesprochenen 270 Eigentumswohnungen verkauft wurden. Die neue Stra­tegie und der Verkauf dieser Wohnungen wurden vom Rechnungshof ent­sprechend überprüft. Seit dem Jahr 2011 besitzt der Integrationsfonds keine Wohnun­gen mehr.

Die Kritikpunkte, die heftigen Kritikpunkte, wurden heute bereits mehrfach ange­sprochen und aufgezeigt, ich brauche mich nicht mehr im Detail damit zu beschäftigen. Ich möchte nur eine Zusammenfassung bringen, und die hat Präsident Dr. Moser formu­liert, nämlich dass das Erlöspotenzial nicht entsprechend ausgeschöpft wurde. Der Rechnungshof hat insgesamt 14 Empfehlungen an den Integrationsfonds formu­liert.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich stimme zu, dass solche Vorkommnisse nicht mehr passieren dürfen. Ich darf aber noch auf ein paar Punkte eingehen, und zwar auf die Maßnahmen, die aufgrund dieser Vorkommnisse getroffen wurden: Bereits vor der Prüfung durch den Rechnungshof wurden die Organe des Integrationsfonds entsprechend ausgetauscht und neu besetzt. (Abg. Moser: Nicht alle! Wolf-Maier ist noch im Amt!) Die Überprüfung der Wohnungsverkäufe wurde bereits intern angeordnet, und die Ergebnisse wurden dann auch dem Rechnungshof zur Verfügung gestellt. Es gab auch Strafverfahren, das muss man dazusagen, und man muss auch – unter Anführungs­zeichen – „positiv“ festhalten, dass fast alle Empfehlungen des Rechnungshofes ent­sprechend umgesetzt wurden.

Zusammenfassend, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich auf etwas hinweisen, das mir besonders wichtig ist, nämlich dass es entsprechende Konsequenzen aus solchen Verfahren gibt. Für mich ist es selbstverständlich, dass in Hinkunft für alle Immobiliengeschäfte des Bundes die Bundesimmobiliengesellschaft, die BIG, zustän-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 200

dig ist und über diese Einheit diese Geschäfte entsprechend abzuwickeln sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.50


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schmid. – Bitte.

 


19.50.43

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Zum EU-Finanzmittelrück­fluss: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

Aus einem EU-Finanzmittelrückfluss werden 395 Millionen € ohne Prüfung ausbezahlt. Empfänger dieses Geldrückflusses sind Energieunternehmen sowie Forschungsein­rich­tungen. Aus der Gesamtsumme der nicht konkret geprüften Rückzahlungen ist nicht abzuleiten, welche Energieunternehmen beziehungsweise Forschungseinrich­tun­gen in welcher Höhe begünstigt werden.

Als Prüforgan ist der Bundesrechnungshof anzusprechen. Die Möglichkeit einer Prü­fung durch den Rechnungshof ist derzeit lediglich bei staatsnahen Konzernen bezie­hungs­weise Einrichtungen gegeben, das heißt, Konzerne ohne Staatszugehörigkeit werden einer Prüfung durch den Rechnungshof entzogen.

Der angesprochene Betrag von 395 Millionen € ist in seiner Gesamtheit keine Gering­fügigkeit. Der österreichische EU-Mitgliedsbeitrag wird durch die heimische Wirtschaft sowie die Steuerzahler aufgebracht, sodass Geldrückflüsse in Form einer durch den Staat vergebenen Förderung in Bezug auf deren Verwendung zu prüfen sind. Förder­gelder wurden in der Vergangenheit wiederholt für fragwürdige Projekte ausgegeben. Diese Vorgangsweise ist gerade in Zeiten finanzieller Engpässe des Bundes nicht nachvollziehbar.

Abschließend ist festzustellen, dass Förderungen ohne deren Prüfung nicht widmungs­gemäß verwendet werden können, die Verwaltung der Gelder zusätzlich meist einen hohen Aufwand darstellt, sodass der widmungsgemäßen Verwendung der Förderungs­beträge keine namhaften Summen verbleiben. Dem Antrag einer Erweiterung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofes ist somit zuzustimmen. – Danke.

19.52


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Yilmaz. – Bitte.

 


19.53.01

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Rechnungs­hofpräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Rede betrifft den Teilbericht des Rechnungshofes zur Alpinen Ski-WM 2013.

Ich kann mich der vielen Kritik, die vom Rechnungshof aufgezeigt wurde, und meinen VorrednerInnen anschließen. Natürlich kann man vieles besser machen. Ein Rech­nungshofbericht hat ja immer die Weisheit der Rückschau. Natürlich hat es Koordina­tionsmängel gegeben. Auch ÖSV-Präsident Schröcksnadel hat es an der nötigen Transparenz missen lassen, aber eines kann ich Ihnen auch versichern: Sowohl der ehemalige Sportminister Klug als auch der jetzige Sportminister Doskozil nehmen die Kritikpunkte und die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr ernst. Es wird auch daran gearbeitet, dass solche Mängel nicht mehr entstehen.

Lassen Sie mich aber ein paar Sätze zu den Vorteilen dieser Weltmeisterschaft sagen, die der Region nachhaltig sehr viel gebracht hat!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 201

Es waren im Jahr 2013 300 000 Besucher und Tausende Journalistinnen und Jour­nalis­ten vor Ort und 500 Millionen Menschen weltweit vor den Fernsehgeräten. Auch die Näch­tigungszahlen in der Region haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben entwickelt. Wurden im Winterhalbjahr 2010/2011, vor der WM, noch 1,75 Millionen Näch­tigungen verzeichnet, so liegt der Wert 2014/2015 bei 1,82 Millio­nen. Das ist ein Plus von 10,3 Prozent, sehr geehrte Damen und Herren, und die Tendenz ist steigend.

Im Sommer hat sich die Zahl der Nächtigungen im Zeitraum von 2010 bis 2015 von 1,08 Millionen auf 1,34 Millionen gesteigert. Das ist um ein Viertel mehr als vor der WM, und bitte vergessen wir nicht: Das bedeutet Arbeitsplätze. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


19.55.36

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Frau Präsident! Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Thema E-Medikation: Da waren leider Gottes Planungs­riesen und Umsetzungszwerge am Werk, wie wir dem Rechnungshofbericht entneh­men können. Aus einer guten Intention ist ein relativ flaues Projekt geworden. Das hat mehrere Gründe.

Man will in der Medizin natürlich Sicherheit und Kontrolle haben. Man will niemandem schaden, und man will wissen, ob Medikamente bei Patienten Nebenwirkungen anrichten. Das geht natürlich gut, wenn man diese Verordnungen, die Rezepte zentral erfasst und überall genau weiß, wer welches Medikament bekommt.

Wenn man das allerdings nur in einem kleinen Sektor macht und das nur auf Frei­willigkeit beruhen lässt, dann hat man automatisch schon Planungsfehler drinnen und kann kein valides Ergebnis bekommen, denn man kann eine wirkliche Patienten­sicher­heit im Medikationsbereich nur erzeugen, wenn man lückenlos alle Apotheken, alle Patienten, alle Ordinationen und alle Spitäler einbindet. Das ist eigentlich logisch, und dafür braucht man gar kein Mediziner zu sein. Insofern ist dieses Projekt leider Gottes schiefgegangen, hat aber genug Geld gekostet, nämlich circa 4 Millionen €.

Was wir aber daraus gelernt haben und was nachzulesen ist, auch wenn die Datenlage nicht sehr valide ist, ist, dass die Nebenwirkungsrate sehr, sehr gering ist. Wir haben schwere Nebenwirkungen nur in 0,7 Prozent der Fälle beobachtet.

Woran liegt das? – Erstens einmal daran, dass die Ärzte offenbar sehr genau arbeiten. Zweitens: Natürlich liegt das auch an der EDV, die in den Ordinationen da ist, denn es gibt heute in allen Ordinationen beziehungsweise in fast allen Ordinationen Computer­systeme, die ohnehin eine E-Medikation darstellen und wo die Verordnungen auto­matisch überprüft werden.

Was dazu notwendig ist, damit der Patient keine Überdosis, Fehldosis oder neben­wirkungsreiche Medikation erhält, ist, dass man den Patienten genau befragt, welche Medikamente er sonst noch einnimmt, und dass man auch weiß, welche OTC-Prä­parate der Patient sich immer wieder einmal zulegt, wie zum Beispiel blutgerin­nungs­hemmende Mittel wie Aspirin. Das ist eines der am häufigsten verschriebenen und selbst gekauften Medikamente und wird fast nie hinterfragt. Das ist ganz, ganz wichtig, denn da können echte Komplikationen entstehen.

Das heißt, wenn wir eine gute E-Medikation wollen, dann brauchen wir eine lückenlose Kontrolle, eine lückenlose Umsetzung der ELGA, und dann brauchen wir alle Daten und alle Verordnungen des Patienten bis hin zu Psychopharmaka et cetera. Das heißt,


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wir bekommen dann in gewisser Weise auch einen gläsernen Patienten – ob wir das wirklich wollen, müssen wir uns gut überlegen.

Noch etwas ist aus der E-Medikationsstudie herauszulesen: Wir fallen in der Medizin beziehungsweise in der Verwaltung der Medizin alle einem Glauben an die EDV anheim. Man glaubt heutzutage, mit EDV und Computer ist der Mensch rettbar gewor­den, und zwar lückenlos. – Das ist ein Irrglaube. Wenn wir Sicherheit in der Medizin haben wollen, dann müssen wir auf etwas ganz anderes Wert legen, nämlich auf die Zeit. Der größte Sicherheitsfaktor für die Patienten ist die Zeit, die das medizinische Personal dem betreffenden Patienten widmen kann. Die wird aber paradoxerweise durch die Dokumentationswut und durch die Dokumentationsverpflichtung, der alle medizinischen Berufe heute unterliegen, immer weniger.

Die Zeit wird immer kürzer, immer weniger. Ich erlebe selbst in der Ordination Patienten, die mir von ihren Hausärzten, von den betreuenden Kollegen erzählen, dass der Arzt nur mehr über den Computer mit dem Patienten redet. Das heißt, wir haben also einen Computer zwischen Patient und Arzt. Das ist eine ganz schlechte Entwicklung. Daher möchte ich am Schluss ein Projekt für den Rechnungshof anregen: ob man nicht vielleicht einmal überprüfen oder errechnen könnte, wie viel Zeit in den Ordinationen dem Patienten vom Arzt konkret gewidmet wird.

Ich fürchte nämlich, dass diese Zeit immer weniger wird, und trotzdem reden wir alle immer mehr davon, wie sehr der Patient im Mittelpunkt steht. Ich glaube, wir lügen uns da ein bisschen in den Sack, und wir müssen da umdenken: weg von der totalen „EDV-isierung“ hin zu einer mehr menschenorientierten, zeitbezogenen Medizin. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

19.59

19.59.20

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, erlauben Sie mir, diese Gelegenheit zu nutzen, mich bei einer Kollegin hier im Hohen Haus zu bedanken. Frau Dr. Gradischnik-Schanner versieht in diesen Minuten ihren letzten Dienst hier am Stenographentisch des Hohen Hauses. (Allgemeiner Beifall.)

Frau Dr. Gradischnik-Schanner war über zwei Jahrzehnte lang Leiterin des Steno­graphischen Dienstes dieses Hauses. – Viel ist durch Ihre Feder gegangen. Über vier Jahrzehnte, genau gesagt, 43 Jahre waren Sie hier im Zentrum der Innenpolitik tätig. (Allgemeiner Beifall.)

„Als Stenographen sind wir (…) für alle da“, haben Sie einmal gesagt – das habe ich nachgelesen. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns alle bei Ihnen bedanken und Ihnen alles erdenklich Gute für Ihren Ruhestand wünschen. Alles Liebe und alles Gute! (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

*****

Damit übernehmen jetzt die Kollegen, und wir kommen zur Abstimmung. Ich werde diese Abstimmung über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 203

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-53 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den vorliegenden Bericht III-179 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-219 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Rechnungshofausschusses, seinen Bericht 1093 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

20.02.546. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2014/14 (III-121/1020 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2015/3 (III-152/1021 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht des Rechnungs­hofes Reihe Bund 2015/9 (III-185/1022 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte.

 


20.03.45

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher vor den Fernsehapparaten, auch meinerseits ein herzliches Willkommen! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf den Rech­nungs­hofbericht zum Thema Rettungsgasse.

Die Rettungsgasse wurde, wie wir wissen, vor vier Jahren, 2012, in Österreich auf allen Autobahnen und Schnellstraßen nach deutschem Vorbild eingeführt. Ich halte diesen


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Schritt für vernünftig. Natürlich war es notwendig, dass bei Einführung der Rettungs­gasse die Verkehrsteilnehmer entsprechend informiert werden mussten. Die Einfüh­rungs­kosten lagen damals bei circa 4,6 Millionen €. Unter Umständen hätte man bei entsprechenden Vergleichsofferten den einen oder anderen Euro einsparen können.

Geschätzte Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist es aber auch notwendig, dass es bei der konkreten praktischen Umsetzung der Rettungsgasse einheitliche Lösungen innerhalb der Europäischen Union geben soll. Wir sind letzten Endes Verkehrsteilnehmer nicht nur hier in Österreich, sondern natürlich auch international.

Bereits ab dem Jahr 2012 konnte man feststellen, dass die elektronischen Informa­tions­systeme bei Staus oder auch bei diversen Unfällen immer wieder verbessert wurden – hier natürlich auch auf Grundlage der Verbesserung in den Verkehrsleit­systemen. Ich kann persönlich davon berichten, dass ich von diesen Verbesserungen auch jede Woche selbst einiges an Erfahrungsschatz übernehme, da ich nämlich fast tagtäglich auf den Autobahnen oder Schnellstraßen in unserer Region unterwegs bin – leider auch auf dem sogenannten Hotspot der Autobahnen und Schnellstraßen, das ist die A4 Ost Autobahn. Dabei kann ich feststellen, dass auch die ausländischen Ver­kehrsteilnehmer – egal, ob sie jetzt einen Lkw oder einen Pkw lenken – die Rettungs­gasse schon zu fast 100 Prozent einhalten.

Geschätzte Damen und Herren! Laut Information der Experten der Asfinag gibt es bei den Blaulichtorganisationen eine Zeitersparnis bis zum Einlangen am Unfallort von circa einer Minute. Wenn dadurch auch nur ein Leben gerettet wird, ist das meiner Meinung nach okay. Unter Umständen soll zukünftig auch der Pannenstreifen für den Verkehr freigegeben werden, wenn es zu Unfällen, zu Staus kommt. Auch dann erfüllt die Rettungsgasse eine weitere wichtige Funktion. Verstöße gegen die Rettungsgasse sollten meiner Meinung nach als Vormerkdelikt gelten. Hier wäre teilweise noch Hand­lungsbedarf gegeben.

Geschätzte Damen und Herren, da der Präsident des Rechnungshofes, Herr Dr. Moser, heute zum letzten Mal … (Rufe: Zum vorletzten Mal!) – zum vorletzten Mal – hier im Plenum anwesend ist, wünsche ich ihm alles Gute.

Alles Gute wünsche ich auch unserem neuen Bundeskanzler Christian Kern mit seinem neuen Team bei der Herausforderung der aktuellen, gegenwärtigen und zukünftigen Probleme.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.

 


20.06.55

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Preiner hat schon viel zum Bericht über die Rettungsgasse vorweggenommen, umso kürzer kann ich es gestalten. Ein paar Kritikpunkte möchte ich vielleicht noch unter diesem Aspekt erwähnen: Der Aufgabenumfang der ASFINAG war anfänglich nicht so klar definiert und abgegrenzt, deshalb sind auch Mehrkosten während der Planungsphase entstanden. Print-Schaltungen wurden sowohl von der ASFINAG als auch vom BMVIT beauftragt. Hier hat die Abstimmung gefehlt. Insgesamt kann man sagen: ein paar Punkte, die eben in der Koordination nicht so gemeistert wurden, wie es sein sollte.

Grundsätzlich möchte ich mich aber den Ausführungen meines Vorredners, was die Rettungsgasse betrifft, anschließen. Medial oder auch von manchen Oppositions­parteien wurde sie oft gescholten. Man kann jetzt jovial sagen: Schön langsam klappt es. Sie funktioniert noch nicht immer, aber immer öfter, und sie kommt schön langsam


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in den Köpfen der Autofahrerinnen und Autofahrer an, sodass das Prinzip der Rettungs­gasse mit all ihren Vorteilen durchaus greift. Das Wichtigste dabei ist die Zeitersparnis für die Blaulichtorganisationen, um entsprechend (Abg. Moser: Das stimmt ja nicht!) – das ist nicht zum Lachen, Frau Kollegin Moser – rasch zu den Unfallorten hinzukommen.

Ebenfalls erwähnt wurde – und da kann ich mich auch nur anschließen – die weitere Koordination zur weiteren Harmonisierung auf europäischer Ebene. Auch das wäre ein wichtiges Projekt.

Insgesamt hat es natürlich einige Kritikpunkte gegeben, aber ich denke, wir sind in diesem Bereich auf einem guten Weg. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. – Bitte.

 


20.08.58

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! (Abg. Moser: Jetzt reden Sie wieder zur Rettungsgasse!) – Nein, Frau Kollegin Moser, nicht Rettungsgasse, Gold ist das Thema! – Gold, weil sich – Gott sei Dank – der Rechnungshof die Gold­reserven der Oesterreichischen Nationalbank angeschaut hat, und zwar nicht in der etwas populärwissenschaftlichen Weise, wie man sie in einigen Tageszeitungen lesen und als Zeichnung sehen konnte, in welchen der Prüfer des Rechnungshofes schon fast Dagobert-Duck-ähnlich irgendwo in England durch Archive taucht oder schwimmt. Das Bild dazu ist ja sehr interessant und in diesem Haus schon einmal aufgewärmt worden.

Wir haben – ich erinnere mich – im März 2011 eine Debatte gehabt, in der ich zu einigen Themen bezüglich der Goldreserven Anträge gestellt habe. Damals haben zwei Herrschaften der Koalition – ein gewisser Abgeordneter Schickhofer und ein gewisser Abgeordneter Ikrath – unter anderem das Bild des Dagobert Duck gezeichnet und gesagt: Das ist sowieso alles nur – wir kennen das, wenn es um die Freiheitlichen geht – populärwissenschaftlich, populistisch und hat überhaupt keinen Sinn, ist nicht machbar, und, und, und.

Was haben wir denn kritisiert, was war denn das Böse, das wir uns getraut haben? – Wir haben gesagt: Liebe Oesterreichische Nationalbank, nimm doch bitte das Gold als deine Währungsreserve und nicht als irgendeinen Spielball, sei transparent zu deinen Eigentümern – das sind nämlich wir, die Staatsbürger und Steuerzahler –, sei nicht nur transparent, sondern lagere dort deine Goldreserven, wo du eine vernünftige Lager­strategie hast und – als Zusatzforderung – kauf ein bisserl mehr als du verkaufst oder mach einen Verkaufsstopp oder etwas Ähnliches!

Das war alles nicht möglich, alles galt als Blödsinn, mehrere Jahre hindurch, inklusive bei den zuständigen Finanzministern, die sich offensichtlich nicht um die OeNB – jetzt hätte ich fast etwas gesagt – gekümmert haben, die einfach brav jede Anfrage an die OeNB weitergeleitet haben und alles, was an Anfragebeantwortung zurückgekommen ist, einfach ins Plenum geschaufelt haben.

Es war unerträglich, was da an Antworten gekommen ist, bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Rechnungshof auch einmal eingeschaltet hat. Er hat genau das, was wir jahrelang gefordert haben, einmal geprüft, und siehe da, die OeNB hatte auf internen und externen Papieren – das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! – eine Lagerstrategie in Schmierzettelqualität, Standard: Kalter Krieg. Die Prüfung war 2014 oder 2015. – So, das ist unsere Oesterreichische Nationalbank, der wir unsere


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 206

Währungsreserven anvertrauen, die sonst das Geld und die Währung als solche für uns managt.

Es ist unerträglich für jeden normalen Geschäftsmann. Der Rechnungshof hat das festgestellt. Er hat mehr festgestellt: Dort, wo man ursprünglich uns gegenüber im Finanzausschuss – und auch teilweise gegenüber den Medien – angegeben hatte, wo die Lager seien, waren sie nicht. Die waren ganz woanders.

Die OeNB hat sich wie ein eigener Staat im Staat gebärdet und so gearbeitet – Finanz­minister als Aufsicht: vollkommen egal. Das war denen egal, trotz Doppelbe­setzung rot-schwarz. Jetzt kann man über den Vizegouverneur sagen, was man will. Der neue, Pribil, hat das ein bisserl anders gestaltet, aber Herr Nowotny glaubt ja noch immer, er sei eigentlich der große Macho und könne da tun, was er will.

Da bin ich wirklich froh, dass dieser Bericht wie eine Ohrfeige im Gesicht des Herrn Gouverneur Nowotny war, als festgestellt wurde, welche grauenhaften Zustände in der OeNB gestaltet wurden. (Abg. Moser: Das war vor der Ära Nowotny!) – Nein, nein, das war die ganze Zeit! Liebe Frau Kollegin Moser, ich war im Jahr 2012 mit meinem Mitarbeiter bei Herrn Nowotny. Wir haben uns das angehört. Er hat gesagt: Ich erzähle Ihnen jetzt, wie es wirklich ist, aber Sie dürfen mich nicht erwähnen, denn dann müsste ich wieder sagen, dass das alles nicht wahr ist. Er hat uns eine Geschichte reingedrückt, die gelogen war. – Entschuldigung! Es war von vorne bis hinten die Unwahrheit.

Es war alles nicht anders, bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Rechnungshof dieses Themas angenommen hat. Ich freue mich, dass der Rechnungshof im Endeffekt alles das, was wir in Anfragen und Anträgen gefordert haben, ebenfalls fordert – ganz simple Sachen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie können das, wenn Sie wollen, in einem in sehr trockenem, sachlich-wissen­schaftlichem Stil geschriebenen Buch nachlesen: „Freiheit und Gold – Reale Werte für Österreich“. Es ist die Geschichte, die Skandalgeschichte der Oesterreichischen National­bank, und die – sagen wir es einmal ein bisschen salopp –dazugehörende Untätigkeit der zugehörigen Finanzminister mit den simplen Forderungen, die noch immer dastehen: Transparenz – die wird jetzt Gott sei Dank und hoffentlich anhaltend wirklich durchgesetzt; weiters nicht nur Transparenz, sondern ein Lagerkonzept, das dem Jahr 2016 entspricht, inklusive der dazugehörigen Transporte, nämlich jener von England Richtung Heimat – das ist ja auch böse, wenn man das sagt, oder zumindest war es für Herrn Nowotny böse –; und so etwas Ähnliches wie ein Aufstocken.

Ich freue mich – das muss ich jetzt in Richtung der SPÖ sagen –, dass es auch in der SPÖ kritische Stimmen gegen Herrn Nowotny gegeben hat und man sich bemühte, ihn bei der Vertragsverlängerung ausrutschen zu lassen. Aber er hat leider die Mehrheit gefunden, und darum ist er noch in Amt und Ehren.

Ich danke auf jeden Fall dem Rechnungshof, dass er sich wirklich ordentlich, tatkräftig, systematisch und mit allem, was man dazu an positiven Wörtern finden kann, in dieser Sache eingesetzt hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.15


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.

 


20.15.28

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war zum ersten Mal in einem Rechnungshofausschuss, wo es um Gesundheitsthemen ging, und einigermaßen überrascht, wie unbeeindruckt sich die Ministerin von all diesen


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Berichten abgeputzt hat. Eigentlich hat sie aus all diesen Berichten, die aus meiner Sicht hervorragend aufbereitet und aufgearbeitet und auch von hoher Relevanz sind, nur wenige Kritikpunkte übernommen oder zur Verbesserung in Projektform genutzt.

Ich halte das deswegen für so wichtig, weil ich finde, dass das Gesundheitssystem langsam auch selbst zu einem Intensivpatienten wird und ihm ein Multiorganversagen droht. Schon deshalb wäre es wichtig – auch im Sinne dieses neuen Politikstils – nicht nur immer mit Leerformeln zu reagieren, sondern auch einmal die Vorschläge der Opposition aufzunehmen und gemeinsam an ganz wichtigen Projekten zu arbeiten.

Der Rechnungshof hat auch einige Projekte aufgegriffen, die im Moment sehr wichtig sind, unter anderem das Thema Gendergesundheit. Dabei hat der Rechnungshof fest­gestellt, dass Gendergesundheit im österreichischen Gesundheitswesen nur eine untergeordnete Rolle spielt – ein Kuriosum, das es seit dem Jahr 2000 gibt.

Seit Herr Haupt Sozialminister war, sind Männer- und Frauengesundheit auf zwei Ministerien aufgeteilt, was sich sehr negativ auf das Berichtswesen auswirkt. Es gibt kein konsistentes und zusammenhängendes Berichtswesen über Frauen- und Männer­gesundheit, was sehr wichtig wäre, insbesondere – und das möchte ich auch sagen – für Frauen und Mädchen, die im Gesundheitswesen noch immer keine Gerechtigkeit und Gleichstellung erfahren.

Wir wissen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden bei Frauen immer noch zu wenig gut diagnostiziert; Frauen leiden öfter und länger an Diabetes; der Konsum von Psycho­pharmaka ist bei Frauen wesentlich höher als bei Männern; Frauen leiden in einem wesentlich höheren Ausmaß an Nebenwirkungen von Medikamenten. Erst kürzlich habe ich erfahren, dass das daran liegt, dass Frauen komplexere Versuchsobjekte sind, weil ihre hormonelle Ausstattung schwankend ist. Ich meine, das kann es auch nicht sein! Man weiß das jetzt, und da sollten längst Projekte angeschlossen werden. Nur 3 Prozent aller gewährten Gesundheitsförderungsgelder des BMG gehen in die Gendergesundheit.

Das Thema Brustkrebsvorsorge wurde auch aufgegriffen. Wir wissen alle, dieses Projekt ist erst mit einer hohen Verzögerung angelaufen. Es ist ein eher holpriges Projekt gewesen. Bis vor kurzem konnten wir nicht erfahren, wie gut die Inanspruch­nahme der Frauen im Alter zwischen 45 und 70 Jahren ist. Im Ausschuss wurde gesagt, dass es steigende Teilnehmerzahlen gibt – zwischen 33 und 42 Prozent. Die angepeilten 70 Prozent, die notwendig wären, um zum Beispiel auf das Niveau von Schweden zu kommen, werden aber bei Weitem noch nicht erreicht. Die Frau Ministerin sagt dazu: Machen wir uns nicht schlechter, als wir sind!

Das ist mir auch ein großes Anliegen. Aber ich bin jetzt doch auch schon einige Zeit dabei und beobachte. Mir ist es zu wenig. Ich finde, wir sollten diesen Bericht sehr, sehr ernst nehmen und entsprechend mit der Umsetzung beginnen, sodass speziell Frauen im Gesundheitssystem die Gleichstellung auch erreichen.

Dann auch noch das Thema Ärzteausbildung: Auch da wurde ein wunder Punkt getrof­fen, wie ich finde, obwohl diese Querschnittprüfung schon 2014 in einigen Kranken­häusern stattgefunden hat. Es wurden die rechtlichen und organisatorischen Rahmen­bedingungen, die Ausbildungspraxis und die Qualitätssicherung der Ausbildung zum Allgemeinmediziner und der Facharztausbildung geprüft.

Es wurde festgestellt, dass es in Bezug auf die Zuständigkeiten, die Einteilungen des Turnusdienstes, die Beurteilung einer Ausbildung und der Ausbildungsschritte, die Qualitätssicherungsmaßnahmen und auch bei klar beschriebenen Ausbildungsprozes­sen Mängel gibt.


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Das ist deswegen besonders wichtig, weil es in Österreich ohnehin einen Ärztemangel gibt – speziell in der Allgemeinmedizin –, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die Ausbildung für viele junge beziehungsweise angehende Ärztinnen und Ärzte nicht sehr attraktiv ist. Österreich leidet darunter, dass ein großer Teil der Ärztinnen und Ärzte, die in Österreich sehr teuer ausgebildet werden, abwandern. Bis zu 40 Prozent gehen nach der Ausbildung nach Deutschland und in die Schweiz, weil es dort bessere Rahmenbedingungen gibt.

Obwohl wir dieses Problem kennen und es kein vernachlässigbares ist, wurde bis jetzt nicht evaluiert, warum das so ist. Es fehlt die Datengrundlage, daher fehlen auch die entsprechenden Maßnahmen. Wir finden, dass gerade in diesem Bereich unsere Vorschläge, die wir mehrmals eingebracht haben, sehr wichtig wären und aufgegriffen werden sollten.

Das eine ist, dass Ärzte schon in der Grundausbildung mit der Allgemeinmedizin in Berührung kommen müssen, denn wenn sie nur mit der Facharztausbildung in Berührung kommen, werden sie sich nicht für eine allgemeinmedizinische Ausbildung entscheiden. Das hat sich bereits in dramatischer Weise bewahrheitet. Die Jungärzte, die nach der neuen Ausbildung ausgebildet werden, haben sich zu einem ganz gerin­gen Teil für die Allgemeinmedizin entschieden. In Wien waren es, glaube ich, fünf Per­so­nen, und in Tirol waren es zwei, die sich zum Allgemeinmediziner ausbilden lassen wollen.

Wir sind auch der Meinung, dass die Allgemeinmedizin unbedingt durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin aufgewertet werden muss und dass es sehr wichtig ist, dass die Lehrpraxen nun endgültig ausfinanziert sind, dass klar ist, wie sie finanziert werden sollen, und dass man nicht nur sechs Monate, sondern zumindest ein Jahr in einer Lehrpraxis sein sollte. Ich belasse es bei diesen beiden Beispielen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Schittenhelm.)

20.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


20.22.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Ich möchte noch einige Worte zum Bericht zur Oesterreichischen Nationalbank und zu den dortigen Sozialleistungen verlieren.

Bevor ich aber auf die Sozialleistungen eingehe, noch zu den Pensionen: Die Pen­sionsrückstellungen in der Nationalbank betragen bescheidene 2 Milliarden € für 1 300 Personen oder wie viel auch immer – lassen wir es 1 500 sein –, da bleibt also pro Nase ordentlich etwas liegen. Irgendwelche Schritte zu tätigen, das einzudämmen, was die alten betrifft, gibt es natürlich nicht, nur die neuen Dienstverhältnisse sind in vernünftigem Maße pensionsversichert.

Die Chuzpe ist ja, was die Vertreter der Nationalbank immer sagen: Wir finanzieren uns diese Pensionen selbst. – Die glauben ja wirklich, dass das Geld nicht den Steuerzahlern gehören würde, dass sie sich das Geld selbst erwirtschaftet hätten.

Das geht ihnen wahrscheinlich auch bei den Sozialleistungen so, weil 12 Millionen € im Jahr für Sozialleistungen an die Mitarbeiter ausgegeben werden. Da wird, wie der Rechnungshof festgestellt hat, nicht überprüft, ob es soziale Bedürftigkeit gibt oder nicht. Es werden Wohnungen zu vergünstigen Mieten hergegeben. Da bleiben im Jahr 4 Millionen € im Abstand zum Marktmietzins liegen. Auch da wird nicht geschaut, ob es eine Bedürftigkeit gibt oder nicht. Bei einem Durchschnittseinkommen von 98 000 €


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wäre es aber durchaus angebracht, darauf zu achten, ob so jemand noch eine ver­günstigte, vom Steuerzahler finanzierte Wohnung braucht.

Das muss man am Ende des Tages einfach sagen, weil es ja solche wunderbaren Biotope der Sozialleistungen nicht nur in der Nationalbank gibt, sondern zum Beispiel auch in der Landschaft der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Ich habe eine parlamentarische Anfrage gestellt, um herauszufinden, was denn bei den Krankenkassen und der Pensionsversicherungsanstalt so an Sozialleistungen verge­ben wird. Die Anfrage wurde nicht beantwortet, weil sie zu lang war. (Abg. Schittenhelm: Das ist ein Wahnsinn!)

Man muss sich vor Augen führen, dass es Krankenversicherungsträger gibt, die einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung zahlen. Wenn das nicht die Bankrott­erklärung des Systems ist, dann weiß ich auch nicht mehr! Aber da schauen wir alle zu. Ein Minister kann so eine Anfrage zurückschmeißen und sagen: Das sind leider zu viele Fragen, die Beantwortung von 90 Fragen ist leider zu viel Arbeit für meine Kassen.

Herr Präsident Moser hat noch keinen Nachfolger. Wir spekulieren noch. Ich glaube ja, das kann nur zwei Antworten haben: entweder das Unvermögen der Mehrheits­frak­tionen, sich einer Nachfolgefrage vernünftig zu stellen – Variante eins –, oder Variante zwei, die absichtliche Schädigung des Amtes, indem die Nachfolge nicht vernünftig aufgegleist wird. Leider kenne ich die zwei Parteien inzwischen so gut, dass ich Variante zwei für die wahrscheinlichere halte.

Ihnen, Herr Präsident Dr. Moser, wünsche ich für die Zukunft alles Gute. Ich bin sicher, Ihnen wird nicht fad werden. Sie werden ein vernünftiges Betätigungsfeld finden. (Beifall bei den NEOS.)

20.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schenk zu Wort. – Bitte.

 


20.26.15

Abgeordnete Martina Schenk (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Rechnungshof­präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es stehen hier wieder eine Reihe von Berichten und interessante Kapitel zur Verhandlung. Kollege Loacker hat das schon in sehr launiger und auch treffender Weise ausgeführt, vor allem was die Schmankerln in der Nationalbank betrifft. Da gäbe es, denke ich, auch noch Erklä­rungs- und Redebedarf, nur ist die Zeit dafür leider etwas zu kurz. Aber wir werden heute sicher nicht das letzte Mal darüber diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ich möchte mich den Gesundheitsthemen widmen, den drei Berichten, die vom Rechnungshof vorgelegt wurden, nämlich zum System der Gesundheitsvorsorge, zur Gendergesundheit in Österreich und zur Ärzteausbildung, weil der Gesundheitsbereich ein sehr wichtiger ist und auch näher beleuchtet werden muss.

Kollegin Mückstein hat schon einige Punkte angesprochen. Ich möchte hier nicht unser Gesundheitsprogramm vortragen. Ich möchte nur noch einmal auf die Rede von Kanzler Kern von heute Vormittag zurückkommen, wo er gemeint hat – auch die übrigen Regierungsmitglieder –, dass nun ein neuer Stil kommen soll, die Zusammen­arbeit verbessert werden soll und natürlich auch die Opposition mehr einbezogen werden soll.

Ich hoffe, dass das nicht nur leere Worte sind, sondern dass es tatsächlich stattfindet und dass in weiterer Folge auch der Rechnungshof von dieser Miteinbeziehung betroffen ist. Vielleicht findet die verstärkte Umsetzung der Empfehlungen des Rech-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 210

nungshofes Eingang in diese Arbeitsweise und in diese neuen Vorschläge, von denen wir heute gehört haben.

Zum System der Gesundheitsvorsorge: Der Rechnungshof hat einmal mehr festge­stellt, dass ein sehr geringer Prozentsatz in die Gesundheitsförderung und die Präven­tion geht. Im internationalen Vergleich sind es weniger als 2 Prozent, die für die Prävention aufgewendet werden. Das ist ein sehr geringer Beitrag. Wir wissen ja, dass wir uns, wenn wir mehr in die Prävention investieren würden, dann die Reparatur­kosten sparen würden. Das hat der Rechnungshof nicht zum ersten Mal festgestellt.

Des Weiteren ortet der Rechnungshof auch Mängel im Bereich des Mutter-Kind-Passes – wieder das Stichwort Kompetenzzersplitterung –:

„Die Aufteilung der Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Gesundheits­ressort, Sozialversicherung und Familienlastenausgleichsfonds führte u.a. zu teuren Änderungen im Untersuchungsprogramm, deren Nutzen nicht erwiesen war, heißt es dazu kritisch im Bericht.“

Das ist wiederum ein Beispiel dafür, dass zu viele Köche den Brei verderben, dass es zu einer Kompetenzzersplitterung kommt.

Kompetenzzersplitterung ist auch das Stichwort, das mich zum nächsten Bereich bringt, nämlich zum Bereich Gendergesundheit in Österreich. Kollegin Mückstein ist vorhin schon darauf eingegangen. Sie hat auch schon erwähnt, dass es die Aufteilung gibt, dass die Frauen-, Kinder- und Jugendgesundheit im Gesundheitsministerium und die Männergesundheit im Sozialministerium angesiedelt ist.

Die Ministerin hat uns im Ausschuss zugesagt, dass das geändert werden soll, dass diese Bereiche zusammengefasst werden sollen, allerdings mit dem Vorbehalt der budgetären Machbarkeit. Wir können also gespannt sein und darauf warten, ob das nun kommt oder nicht. Ich würde es schon für sinnvoll halten und würde der Rech­nungs­hofempfehlung folgen.

Ein weiterer Punkt ist die Ärzteausbildung, die natürlich sehr wichtig ist. Vor allem der Ärztemangel im ländlichen Bereich wird zunehmend zum Problem. Es haben sich ja unlängst die Gesundheitsreferenten der Länder getroffen, um diese Problematik zu besprechen und zu Lösungen zu kommen. Das ist natürlich, wie gesagt, ein großes Problem, weil die Ärzteausbildung auch nicht optimal ist.

Der Rechnungshof stellt diesbezüglich auch fest, dass wesentliche Daten fehlen, zum Beispiel Abwanderungsgründe, Zahlen von Absolventen oder Drop-out-Gründe von Turnusärzten. Diese Daten sind eben nicht ausreichend vorhanden. Es ist natürlich ein Problem, wenn wesentliche Daten fehlen.

Wie gesagt, man kann nicht das gesamte Gesundheitssystem an dieser Stelle hier vor­bringen beziehungsweise unsere Vorschläge, unser Gesundheitsprogramm, einbrin­gen.

Aber das sind mehrere sehr gute Berichte. Ich hoffe, dass das in die zukünftige Arbeit auch mit der Gesundheitsministerin Eingang finden wird – einerseits Einbindung der Oppo­sition, ihrer Vorschläge, Programme und Anträge, andererseits, wie erwähnt, die Umset­zung der Empfehlungen des Rechnungshofs. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

20.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hell zu Wort. – Bitte.

 


20.31.17

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! Meine Damen und Herren! Es wurde schon angesprochen, dass wir heute


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 211

Berichte des Rechnungshofes behandeln, deren Prüfung bereits einige Jahre zurück­liegt. Der Rechnungshof überprüfte Ende 2013 das System der Gesundheitsvorsorge in den zuständigen Ministerien, im Hauptverband und in der Gesundheit Österreich GmbH.

Einige Punkte wurden von meiner Vorrednerin bereits angesprochen. Der Prüfzeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2008 bis 2011. Ziel der Überprüfung war die Beurteilung des Ist-Standes der Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsausgaben für die Gesundheitsvorsorge.

Fakten wurden von Vorrednern bereits festgehalten. Ich darf vielleicht noch eine Hauptempfehlung des Rechnungshofes ergänzen. Die Prüfer waren der Meinung, dass die Leistungsabstimmung zwischen den Systempartnern nicht vorhanden war, dass es keine Transparenz und Koordination gegeben und eine gemeinsame Strategie gefehlt hat.

Ein Teil des Prüfberichtes befasst sich auch mit der Überprüfung des Mutter-Kind-Passes, der vor 40 Jahren eingeführt worden ist. Im Jahr 2011, einem der Prüfungs­jahre, wurden 53 Millionen € dafür ausgegeben. Einer der Kritikpunkte der Überprüfung war das Kosten-Nutzen-Verhältnis der einzelnen enthaltenen Untersuchungen. Aber auch die Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung bei den Organisationen wurde negativ beurteilt.

Gerade beim Mutter-Kind-Pass gibt es allerdings mittlerweile eine wesentliche Neuent­wicklung, wie es uns auch die Frau Gesundheitsminister im Ausschuss mitgeteilt hat. Das seit 40 Jahren bestehende Untersuchungsprogramm wird bereits in Abstimmung mit dem Familienministerium modernisiert. Im Mittelpunkt stehen mehr Qualität, ein attraktives Angebot und eine verstärkte Nutzung zur Frühförderung von Kindern.

Meine Damen und Herren, grundsätzlich muss zu diesem Bericht festgehalten werden, dass er vor der aktuellen Gesundheitsreform erstellt wurde. Vonseiten der Frau Bun­desminister wurde bereits im Ausschuss darauf hingewiesen, dass alle Empfehlungen umgesetzt wurden und dass vor allem für die nächsten zehn Jahre rund 150 Millio­nen € zusätzlich für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schittenhelm zu Wort. – Bitte.

 


20.34.36

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Rechnungshofpräsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ganz kurz zu meinem Vorredner: Es sind nicht alle Empfehlungen des Rechnungshofes umgesetzt worden – einiges ja, aber bei weitem nicht alles.

Ich möchte ebenfalls ganz kurz zur Ärzteausbildung Stellung nehmen. Auch dies­bezüglich gibt es einen länger zurückliegenden Bericht, der aber wiederum ganz exzellent und sehr detailliert von den Mitarbeitern des Rechnungshofes erstellt wurde. – Gratulation, Herr Präsident! Dieser Bericht hat wieder einige Einblicke ge­währt, wobei der Rechnungshof im Bereich der Ärzteausbildung eine deutlich positive Entwicklung sieht, die in den letzten Jahren vor sich gegangen ist.

Der Rechnungshof hebt auch sehr positiv hervor, dass seit der Gesetzesnovelle, die im Oktober 2014 im Nationalrat beschlossen worden ist, die Anerkennung von Ausbil­dungsstätten nun auf sieben Jahre befristet ist. Man muss sich ja vorstellen: Bisher waren die Anerkennungen unbefristet, gültig, ohne dass es verpflichtende Evaluierun-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 212

gen, Kontrollen oder Sonstiges gegeben hätte. Diese Neuregelung leistet einen wich­tigen Beitrag in der Qualitätssicherung der Ärzteausbildung in Österreich.

Gleichzeitig wurde vom Rechnungshof aber auch kritisiert, dass es trotz gesetzlicher Regelungen in den letzten fünf Jahren keine Ausbildungskontrolle vor Ort gab. Vonseiten der Österreichischen Ärztekammer wurde den Bundesländern die fehlende Bereitschaft zur Kooperation zugeschoben. Man hat gemeint: Die Bundesländer sind schuld, sie kooperieren nicht, also wie sollen wir das eigentlich bewerkstelligen?

Durch die neue Visitationsrichtlinie, die laut dem Kammeramtsdirektor der Österreichi­schen Ärztekammer, Dr. Stärker, bereits auf gutem Wege ist – sie soll ja bis zum Sommer beschlossen werden –, soll eine einheitliche Vor-Ort-Kontrolle gewährleistet werden können. Ich bin neugierig, ob das gelingt. Diese positive Entwicklung – so sie gelingt – ist natürlich zu begrüßen.

Ein weiterer positiver Aspekt, der eine wichtige Neuerung mit sich bringt, ist die Erstel­lung eines verpflichtenden Ausbildungskonzeptes. Dieses soll ebenfalls bis zum Sommer dieses Jahres fertig sein. Laut Rechnungshof sind dabei ein qualitativ hoch­wertiges Ausbildungskonzept und die Rahmenbedingungen, die gegeben werden müssen, die wichtigsten Faktoren für eine solide und umfassende Ärzteausbildung. Das muss man schon auch einmal sagen.

Es war hoch an der Zeit – so auch der Rechnungshof in seinen Ausführungen –, ein Ausbildungskonzept verpflichtend vorzusehen, insbesondere in Anbetracht der Ergebnisse – das wurde von Kollegin Mückstein auch schon angesprochen – einer österreichweiten Evaluierung der fachärztlichen Ausbildung vom November 2015. Denn: Nur 41 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte gaben an, dass es an ihren Abteilungen, wo sie arbeiten, ein Ausbildungskonzept gibt. Nur 41 Prozent! Was heißt das? – Das heißt, dass mehr als die Hälfte der Befragten ein solches Konzept an ihrer Arbeitsstätte gar nicht vorfinden.

Wir haben bereits dem Empfinden nach einen guten Ausbildungsstandard im Ärzte­bereich. Umso mehr bin ich davon überzeugt, dass mithilfe der Neuregelungen eine weitere, noch verbesserte Ausbildungsmöglichkeit für die Ärzte und Ärztinnen da sein wird. Wesentlich ist auch, dass trotz der positiven Entwicklungen der Rechnungshof in seinem Bericht feststellen muss, dass es erheblichen Handlungsbedarf gibt, um eine qualitätsgesicherte, durchgängig einheitlich strukturierte sowie zeitlich durchgeplante Ausbildung für Ärzte und Ärztinnen zu gewährleisten.

Ich nehme nur einen Punkt heraus, der auch schon erwähnt wurde, nämlich die hohe Drop-out-Rate bei Turnusärzten. Wir bilden aus – das wurde schon von Frau Dr. Mückstein gesagt – und die jungen Ärzte und Ärztinnen gehen nach Deutschland. Man muss sich doch die Frage stellen: Warum? Wir wissen das seit Jahren. Warum werden wir nicht aktiv? Wir brauchen diese jungen qualifizierten Ärzte und Ärztinnen im eigenen Land. Das, glaube ich, sollte auch seitens der Frau Gesundheitsministerin ein erster wirklicher Turbo sein, sich da hineinzuknien und das zu bewerkstelligen.

Ich weiß, dass die Frau Gesundheitsministerin nicht die Allmacht hat, weil wir da die Krankenkassen haben, weil wir da den Hauptverband haben. Aber ich glaube, wir könnten mit diesem heutigen sogenannten Neustart auch in diesem Bereich einiges bewerkstelligen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.38


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lintl zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 213

20.38.50

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Rechnungs­hofpräsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf das Kapitel Gendergesundheit, zu dem meine Vorrednerinnen ja schon detailliert berichtet haben. Fest steht, dass für die Gendergesundheit in Österreich wirklich mehr getan werden muss.

Wissenschaft und Forschung beschäftigen sich intensiv mit den unterschiedlichen Gesundheitsrisiken und -therapien von Frauen und Männern. Im Gegensatz zu diesen wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen strebt aber die Idee des Gender Mainstreaming die Gleichstellung der Geschlechter an.

Die Theorie geht davon aus, dass Geschlechtseigenschaften einer Person durch Kultur und Gesellschaft geprägt sind. Die Geschlechterunterschiede rein nach der Anatomie gesehen sollen angeblich nur vermeintlich sein. Dieser Ansatz rückt das biologische Geschlecht des Menschen in den Hintergrund und widerspricht dadurch klar naturwis­senschaftlichen Erkenntnissen.

Ein besonders geschmackloses Beispiel für diese Gleichmacherei ist der Bildungsplan der Wiener Kindergärten. Da steht zum Punkt Sexualität Folgendes – ich zitiere –:

„Mädchen und Buben erproben im Spiel, was es heißt, männlich oder weiblich zu sein. Sie reproduzieren, variieren und überschreiten Geschlechterzuweisungen (…). Was wir unter Weiblichkeit oder Männlichkeit verstehen, also das soziale Geschlecht“ – Gender – „ist gesellschaftlich konstruiert und nicht biologisch festgeschrieben, es ist erlernt und damit veränderbar.“ Und weiter: „Alle Kinder sollen im Kindergarten ein unbefangenes Verhältnis zu ihrem Körper und seinen Ausdrucksweisen entwickeln können. Ihre Fragen zu Sexualität benötigen klare und situationsangemessene Ant­worten.“

Soweit der Bildungsplan für Kindergärten der Stadt Wien, auf Seite 45.

Da frage ich mich aber schon, wie diese angemessenen Antworten auf die Fragen der Kinder im Kindergartenalter ausschauen können und wer diese Antworten gibt (Abg. Schimanek: Genau!), und ich verwahre mich wirklich strikt dagegen, dass den Müttern und den Vätern das Recht genommen wird, diese Themen mit ihren Kindern selbst zu besprechen und auch zu bestimmen, wann der richtige Zeitpunkt ist. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Dietrich. – Zwischenruf der Abg. Mückstein.)

Wir wollen nicht, dass kleine Mädchen und Buben, die wir in den Kindergarten schicken, im Kindergarten plötzlich hinterfragen müssen, ob sie wirklich Mädchen oder Buben sind. So weit darf das nicht gehen! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Dietrich. – Abg. Mückstein: Was hat das mit Gendergesundheit zu tun? Dazu steht nichts im Bericht!)

Mit diesem Bildungsplan wird unseren Kindern eine Ideologie aufoktroyiert, die der wissenschaftlichen Erkenntnis der unterschiedlichen Bedürfnisse der biologischen Geschlechter klar widerspricht. Die Gendermedizin hat aber Gott sei Dank erkannt, dass nicht jeder Mensch mit der gleichen Behandlung zu therapieren ist und der Erfolg einer Behandlung einerseits vom biologischen Geschlecht, andererseits vom Alter und natürlich auch von der persönlichen Konstitution abhängt. Der Gendermedizin gehört die Zukunft. In Forschung und Lehre des universitären Bereichs ist sie bereits fest etabliert. Jetzt gilt es, sie ebenfalls in Prävention, in Diagnose, in Therapie und auch in der Rehabilitation zu verankern.

Ich fordere, dass in allen gesellschaftlichen Bereichen eine stärkere Rücksichtnahme auf das biologische Geschlecht genommen wird. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeord­neten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dietrich und Franz.) Schluss mit der Zwangs-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 214

doktrin und der Gleichmacherei, vor allem bei Kindern und bei Jugendlichen, die sich nicht dagegen wehren können! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dietrich und Franz.)

20.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Gamon zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


20.42.50

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Eigentlich wollte ich jetzt über die Ärzteausbildung reden (Abg. Zanger: Ja, Ärzteausbildung passt!), aber jetzt muss ich schon noch ein paar Worte zum soeben Gesagten sagen: Es entsetzt mich schon ein wenig, wie man glauben kann, dass man junge Menschen, denen man die Möglichkeit gibt, ihre eigene Identität zu finden, zu irgendetwas zwingt. (Abg. Deimek: … dürfen, aber nicht müssen …!)

Ich glaube, man kann sich gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man sich im eigenen Körper in dem Sinne gezwungen fühlt, weil einem auch von der Gesellschaft ein anderes Geschlecht aufgezwungen wurde, als man es selbst spürt und selbst sein möchte. Ich glaube, wir können uns den Schmerz gar nicht vorstellen, den Jugendliche empfinden (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), wenn sie zum Beispiel als Buben geboren wurden, aber eigentlich Mädchen sind.

Ich glaube, dass wir in der Gesellschaft so weit gekommen sind, dass wir das akzep­tieren können. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen), und ich muss leider sagen: Es ist eigentlich auch eine Form von Gewaltanwendung, wenn man Kinder zwingt, nicht das zu sein, was sie eigentlich sein möchten oder wie sie sich fühlen (Abg. Zanger: Wir sind ohne das Gendern auch groß geworden! Aus dir ist auch was geworden!), und es ist ganz wichtig, da auch einen Punkt zu machen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Katzian: Bitte lasst sie doch ausreden!)

Ich finde es unfassbar, mit welcher Sprache Sie hier vorgehen! Sie zwingen Kinder, Jugendliche zu Lebensschicksalen, die sie für ihr ganzes Leben unglücklich machen werden (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ), die dazu führen werden, dass sie nicht das Leben leben können, das sie leben möchten, dass sie nicht glücklich sein können, dass sie keine Erfüllung im Leben finden können und wahrscheinlich im Erwachs­enenleben vor einem Scherbenhaufen stehen. Das können wir heutzutage – Gott sei Dank, Spaghettimonster sei Dank – verhindern. Ich bin froh darüber, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns hier dazu äußern, dass wir dazu stehen, dass wir so ein System installiert haben. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Mückstein.)

Trotzdem nun zur Ärzteausbildung: Dieser Rechnungshofbericht zeigt eigentlich lusti­ger­weise auch etwas ganz Aktuelles, unter anderem auch, dass die Ärzteausbildung als solches eben genau nicht das Problem des Ärztemangels bekämpft, und das ist interessant, denn eigentlich würde man ja meinen, man könnte daraus etwas heraus­lesen, aber – wie eben auch der Rechnungshof gesagt hat – es ist nicht erkenntlich, aus welchen Gründen junge Ärzte abwandern. Es gibt keine Daten dazu, aber man kann sich schon irgendwie zusammenreimen, was der Grund dafür ist: Das Kassen­system ist relativ unattraktiv; manchmal gibt es auch eine künstliche Verknappung. Man will sich vielleicht nicht in dieses Gängelungssystem der Kassen hineinbewegen und wandert deshalb ab oder wird nicht als Arzt tätig. Das Problem ist aber ganz sicher nicht, dass wir zu wenige ausgebildete Ärzte und Ärztinnen haben.

Deshalb auch ein Appell: Bitte, liebe Landeshauptleute, auch der ÖVP, hört auf, medi­zinische Fakultäten und MedUnis irgendwo hinzubauen, nur weil ihr sie aus Prestige-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 215

gründen braucht. Dieses Geld fehlt dann dem allgemeinen Hochschulbudget; das ist Geld, das allen Universitäten fehlt, und das nur, um dann künstlich zu behaupten: Ja, wir müssen uns die Ärzte halt selber ausbilden! (Zwischenruf der Abg. Lichtenecker.)

Das ist ein unfassbarer Trugschluss. Das wird nur dazu führen, dass wir noch mehr Mediziner, die bei uns zu Ärzten ausgebildet werden, haben, die ins Ausland abwandern oder eben keine Ärztinnen und Ärzte werden. Das wird das Problem nicht lösen, und es wäre wichtig, das einmal zu akzeptieren und auszusprechen. (Beifall bei den NEOS.)

20.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


20.46.20

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Ich möchte nun in meiner dreiminütigen Rede auch auf den Bericht über Gendergesundheit in Österreich eingehen. Ziel der Überprü­fung – das haben wir ja heute schon mehrfach gehört – im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 war die Beurteilung der ressortübergreifenden Aufgabenverteilung betreffend Gendergesundheit.

Der Rechnungshof fokussierte seine Prüfung auf das Bundesministerium für Gesund­heit. Der Prüfungszeitraum umfasst im Wesentlichen die Jahre 2009 bis 2013. Der Rech­nungshof gab insgesamt 13 Empfehlungen an das Bundesministerium für Gesundheit ab. Themen waren zum Beispiel: Suchterkrankungen – insbesondere Rauchen und Alkoholkonsum –, Herz- und Kreislauferkrankungen, das Mammogra­phie-Screening-Programm und das Disease-Management-Programm „Therapie Aktiv“ für Diabetes.

Ich möchte nun näher auf die Suchterkrankungen eingehen. Der Rechnungshof sieht ja in der nationalen Suchtprävention sowie im Alkoholforum die Geschlechtersensibilität noch nicht ausreichend umgesetzt. Des Weiteren kritisierte er den fehlenden Gender­bezug und die unzureichende Realisierung der Vorschläge des Alkoholforums.

Ich möchte jedoch schon positiv hervorheben, dass das Bundesministerium für Gesund­­heit in seiner Stellungnahme angab, die restlichen Empfehlungen des Alkohol­forums umzusetzen. Die Verzögerungen seien auf die alkoholpolitischen Fragestellun­gen der EU zurückzuführen, wo bereits verstärkt über eine künftige EU-Alkoholstrategie disku­tiert wurde.

In Bezug auf Nikotinsucht empfahl der Rechnungshof, verstärkt gendergerechte Maßnahmen zu setzen, da eben der Anteil tabakkonsumierender Frauen sehr stark gestiegen ist. Laut Bundesministerium für Gesundheit seien aber „sowohl die Alkohol- als auch die Tabakprävalenz bei mehreren nationalen Erhebungen stets gender­spe­zifisch erhoben worden“.

Bei der Erarbeitung der nationalen Suchtpräventionsstrategie wird zukünftig der Gen­der­aspekt berücksichtigt werden, und dem Thema Alkoholsucht wird ein angemes­sener Stellenwert eingeräumt werden. Seitens des Bundesministerium für Gesundheit wird auch das „Rauchfrei Telefon“ unterstützt. Zusätzlich werden regelmäßig Kampag­nen durchgeführt beziehungsweise gefördert, um auf der einen Seite die Sucht zu verhindern, auf der anderen Seite aber den Ausstieg aus der Sucht zu unterstützen.

Abschließend soll noch angemerkt werden, dass seit dem Jahr 2011 das Gesund­heitsministerium genderspezifische Gesundheitsvorsorge explizit in seinen Förder­schwer­punkten vorsieht. Ich persönlich sehe das eigentlich auch so, dass Institutionen, Gesetze und Maßnahmen sowohl den Belangen von Frauen als auch denen von Männern gerecht werden müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.49



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 216

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


20.50.03

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Rech­nungshofpräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde mich dem Thema Gendergesundheit widmen, darf aber ganz kurz vielleicht noch vorher auf die Wortmeldung der Kollegin Lintl eingehen.

Ich finde es immer ganz spannend, was die Freiheitliche Partei zum Thema Gender sagt, was sie da alles hineinpackt und hineingeheimnisst. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Manchmal hat man so den Eindruck, der Unterschied zwischen oder das Erkennen dessen, was Grammatik ist und was hinter Gender steckt, ist auch nicht ganz klar: Nicht jedes Binnen-I ist dem Gendern, sondern manchmal einfach nur der Grammatik geschuldet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kitzmüller und Deimek.)

Gehen wir aber zum Thema Gendergesundheit: Den Fokus darauf zu legen, wie sich gesundheitspolitische Maßnahmen auf beide Geschlechter auswirken, ist ja als Teil von Health in All Policies auch Teil des aktuellen Regierungsprogrammes. Daher ist es eigentlich logisch, dass es als Querschnittsmaterie in allen Ministerien aufscheinen sollte, es ist aber ein vergleichsweise junges Fachgebiet und findet leider noch nicht in allen Verwaltungsbereichen Eingang.

Das zeigt sich unter anderem daran, dass es auch im Überprüfungszeitraum 2009 bis 2013 eben keinen einheitlichen Bericht gegeben hat. Zu tun hat das damit, dass die fachliche Betreuung im BMG einerseits und im BMASK andererseits angesiedelt ist. Das ist leider aus meiner Sicht durchaus auch als Zeichen zu werten, dass das Thema Gendergesundheit, Gendermedizin nicht die Aufmerksamkeit hat, die es braucht und auch verdienen würde. Auch auf einen weiteren Punkt ist bereits hingewiesen worden: Nur 3 Prozent der Förderungen im BMG haben einen Genderbezug – durchaus etwas, was erhöht werden könnte.

Dabei haben wir eigentlich das Thema auch im Ziel 2 der zehn Rahmen-Gesund­heitsziele verankert. Das Ziel der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern sollte ja einerseits mit der Implementierung des Brustkrebsscreenings und andererseits mit der Erhöhung der geschlechterspezifischen Transparenz bei Herzinfarkt und Krebs erreicht werden. Das Mammascreening ist – ein bisschen ver­spätet, aber doch – im Jahr 2014 dann ins Laufen gekommen, hat jedoch eines der definierten Ziele, nämlich die Teilnahme der 45- bis 70-jährigen Frauen um 5 Prozent­punkte zu steigern, bis jetzt definitiv noch nicht erreicht. Das haben wir aber ohnehin bereits im letzten Plenum im Rahmen des GÖG-Gesetzes besprochen. Da wird es dann doch hoffentlich erstens die nötigen Evaluierungen und zweitens Verbesserungen geben.

Der Rechnungshof empfiehlt, und da gibt es Übereinstimmungen mit vielen anderen Politikbereichen, einerseits Kompetenzbereinigungen – das heißt Bündelung des The­mas Gendergesundheit in einem Ministerium, sinnvollerweise im BMG –, und natürlich auch, einen Gesamtgenderbericht herauszugeben. Andererseits weist der Rechnungs­hof auch darauf hin, dass es sinnvoll und zweckmäßig ist, Ziele auf der einen Seite klar zu definieren und auf der anderen Seite dann eben zu evaluieren.

Ich glaube, dass es besonders im Bereich Transparenz bei Krankheiten wie Herzinfarkt und Krebs sehr lohnend wäre, genau hinzuschauen und auch mehr in Förderungen und Projekte zu investieren, denn es handelt sich dabei um Erkrankungen, die im Hinblick auf Genderaspekte besonders gut erforscht sind und bei denen es nachgewiesenermaßen zum Teil erhebliche Unterschiede in der Diagnosestellung, aber auch in der Therapie und im Zugang zur Therapie zwischen Männern und Frauen gibt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 217

Zusammenfassend kann ich sagen: Ich wünsche mir generell einen höheren Stellen­wert des Themas Gendergesundheit und natürlich auch einen höheren Förderungs­anteil, selbstverständlich unter Einbeziehung diverser Empfehlungen des Rechnungs­hofes. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mückstein.)

20.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.

 


20.53.50

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Rech­nungs­hof­präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal dem Thema Oesterreichische Nationalbank widmen und dabei auf die Sozialleistungen eingehen.

Nun bin ich ja nicht der Erste und wahrscheinlich auch nicht der Letzte, der hier in diesem Haus dieses Thema thematisiert, denn: Jeder, der es geschafft hat, als Mitar­beiter in die Oesterreichischen Nationalbank einzutreten, hat es eigentlich geschafft, in das Schlaraffenland zu kommen.

Wenn man sich die Privilegien und Leistungen anschaut, die man da bei den Sozial­leistungen hat, dann muss man sagen: Da war man wirklich sehr kreativ. In den letzten Jahren hat der Rechnungshof das ja bereits mehrfach kritisiert, es wurde auch in diesem Bericht kritisiert, aber immer, wenn man etwas abgeschafft hat oder versucht hat, etwas zu reparieren, hat man das wieder durch etwas anderes kompensiert. So hat man zum Beispiel den Bezugsvorschuss von 35 000 € auf 60 000 € zinsenloses Darlehen erhöht. Und, und, und.

Aber wenn ich mir jetzt ansehe, was der Rechnungshof da schreibt, dann sehe ich: Ein Satz sagt da sehr viel aus über dieses Unternehmen. Nämlich: Die Oesterreichische Nationalbank konnte dem Rechnungshof keine „Gesamtübersicht“ zu Sozialleistungen, weder in der Höhe noch in der Leistung, vorlegen.

Das heißt, die wissen nicht einmal selber, welche Sozialleistungen es im Haus über­haupt gibt, oder wollen es – das ist die andere Variante – zumindest nicht herzeigen. Wenn ich mir jetzt diese 21 Sozialleistungen anschaue, dann sehe ich, es sind durchaus welche dabei, die ich mir für alle Familien in Österreich wünschen würde. Leider ist das allerdings unfinanzierbar, aber es wäre natürlich eine schöne familien­politische Maßnahme. Ich habe es mir ungefähr ausgerechnet: Kinderzulage, Zu­schuss zu Kindergarten, zu Hort und so weiter – demnach bekommt dort ein Ange­stellter mit zwei Kindern im Monat rund 1000 €; in Summe ergeben sich pro Mitarbeiter und Jahr im Schnitt rund 11 000 € aus diesem Sozialleistungstopf. Das bekommt aber nicht nur der – unter Anführungszeichen – „einfache Mitarbeiter“ dort, sondern das steht natürlich auch jedem Gouverneur oder jedem Vorstand zur Verfügung. Diese Sozialleistungen sind also schon ein bisschen bedenklich.

Wenn wir uns den Geschäftsbericht angeschaut haben, der vor Kurzem zu uns ins Haus geflattert ist, dann sehen wir, da steht als Ziel und Aufgabe der Oesterreichi­schen Nationalbank: „Die OeNB analysiert und prüft Banken und trägt zur Gewähr­leistung der Finanzmarktstabilität bei.“ (Abg. Auer: Genau! Uns prüfen die …!) – Danke. Perfekt, danke schön! Wir hatten all diese Herren im Hypo-Untersuchungs­ausschuss sitzen, die auf unsere Finanzmarktstabilität aufgepasst haben und die letzten Jahre die Banken geprüft haben; Frau Griss hat es als Multiorganversagen bezeichnet.

Herr Rechnungshofpräsident, ich würde da wirklich ein Betätigungsfeld für Sie sehen, wenn Sie jetzt als Rechnungshofpräsident ausscheiden. Sehen wir uns doch die Herren Direktoren an – den Herrn Nowotny, den Herrn Ittner –: Dieser Job ist auch im


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 218

Vergleich nicht gerade unlukrativ, man verdient zumindest mehr als Herr Präsident Obama. Herr Nowotny ist im Übrigen zufällig SPÖ-Mitglied, zufällig in einem 100-Prozent-Unternehmen des Staates – da ist vor Kurzem Herrn Hundstorfer keiner eingefallen –; der ehemalige Bundeskanzler Faymann ist da angeführt, man verdient also auch mehr als der Bundeskanzler. Herr Kern, ehemaliger ÖBB-Chef, offensichtlich auch SPÖ-Mitglied; ähnlich viel verdient Herr Wrabetz, ORF-Chef – SPÖ-Mitglied, wahrscheinlich auch zufällig.

Also ich würde mir wirklich wünschen – in unserem Sinne und im Sinne der Österreicher –, dass Sie, Herr Rechnungshofpräsident, dort einen Job annehmen würden, denn dann könnte ich mir durchaus vorstellen, dass das mit dem Prüfen der Banken in Zukunft funktioniert und dass vielleicht durchaus das eine oder andere Privileg abgeschafft wird und wir in der Oesterreichischen Nationalbank Normalität bekommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Gerhard Schmid und Franz.)

20.57


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte.

 


20.57.49

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Angerer, ich weiß nicht, warum das so eine parteipolitische Aufzählung und Auseinan­der­setzung werden muss. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich glaube, dass gerade dieser Punkt auch alle Fraktionen im Rechnungshofausschuss geeinigt hat, dass es gewisse Entwicklungen bei der Oesterreichischen Nationalbank gibt, die heutzutage einfach nicht mehr gehen, dass das nicht in Ordnung ist. Das waren extrem emotionale Debatten. (Abg. Deimek: Richtig!)

Ich darf nur bitten, dass wir gerade in dieser Frage die parteipolitischen Debatten einfach weglassen, weil das keinen Sinn macht. Ich könnte jetzt auch eine Reihe von Skandalen aufzählen. So hat es in Kärnten gerade der Kärntner Klubobmann der Freiheitlichen geschafft, beim Nobelitaliener 20 000 € für eine Besprechung auszu­geben, und die mussten dann in weiterer Folge von den Klagenfurter Stadtwerken beglichen werden. Aber das sind meiner Meinung nach alles Dinge, die uns nicht weiter­­bringen. In Wahrheit geht es da um Lösungen bei der Oesterreichischen Natio­nalbank. (Zwischenruf des Abg. Darmann.)

Ja, der Bereich der Sozialleistungen ist etwas, was wir extrem kritisch diskutiert haben – ich habe selten Rechnungshofausschusssitzungen erlebt, die derart emotional waren. Persönlich hat es mich aus zwei Gründen so geärgert: Einerseits, weil man damit natürlich als Nationalbank auch Vertrauen verspielt. Das ist etwas, was auch für eine Institution wie die Nationalbank – die in wenigen Tagen 200 Jahre alt wird und wo es wichtig ist, dass gerade die Bevölkerung und auch der Finanzmarkt das Vertrauen haben – wesentlich ist.

Andererseits ärgert mich besonders, dass es immer wieder auch Rechnungshof­be­richte braucht, damit man tätig wird und man nicht proaktiv in der Lage ist, gewisse Dinge aufzuräumen, und damit macht man in Wahrheit auch all das kaputt, was in der Vergangenheit bereits geschehen ist. So hat sich – Kollege Loacker hat es bereits angesprochen – im Bereich der Pensionsregelung für Neueintretende massiv etwas getan. Es gibt inzwischen das fünfte Dienstrecht, wo man wirklich auch marktübliche Konditionen eingeführt hat; da hat sich sehr viel getan. Man hat im Rahmen des Sonderpensionenbegrenzungsgesetzes auch bis zu 25 Prozent der Pensionszahlun­gen gestrichen und gekürzt. Es hat sich in diesen Bereichen einiges getan, und es ist einfach schade, dass man immer wieder auch als Nationalbank in die Medien kommt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 219

und erst Prüfberichte des Rechnungshofes eine gewisse Bewegung in die Sache bringen. Positiv war, dass auch aufgrund dieser deutlichen und harten Auseinander­setzung im Ausschuss die klare Ankündigung seitens der Nationalbank gekommen ist, dass man gemeinsam mit dem Betriebsrat ehestmöglich an einer Lösung arbeiten und auch die Empfehlungen des Rechnungshofes aufnehmen und prüfen wird. Ich denke, dass das ganz wichtig ist.

Wir werden uns diese Sache genau anschauen. Der Rechnungshof wird uns sicherlich auch im Rahmen einer Follow-up-Überprüfung weiterhin berichten. Wir haben dann hoffentlich das nächste Mal auch die Möglichkeit, zu sagen: Die Pensionsregelungen wurden repariert, die Anstellungsverhältnisse wurden repariert, und auch der Bereich der Sozialleistungen wurde in einer Art und Weise geregelt, dass man nicht mit der Gießkanne arbeitet, sondern diejenigen davon profitieren, die es wirklich brauchen. Die Art und Weise, wie die Sozialleistungen jetzt vergeben werden, funktioniert einfach nicht mehr, und da muss auch die Nationalbank dringend umdenken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

21.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.00.57

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Rechnungshofpräsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich mit einer Untersuchung des Rechnungshofes auseinandersetzen, die das System der Gesund­heitsvorsorge zum Ziel hatte, und einen Schwerpunkt beim Mutter-Kind-Pass setzen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass in Österreich bei den Ausgaben im Gesundheits­bereich ein überdurchschnittlich großer Anteil in den Bereich der Gesundheitsversor­gung fließt; 2011 waren dies immerhin 58,5 Prozent, hingegen sind lediglich 1,9 Pro­zent der öffentlichen Gesundheitsausgaben in die Gesundheitsvorsorge geflossen. Im Vergleich dazu betrug dieser Prozentsatz in Deutschland fast das Doppelte, nämlich 3,7 Prozent.

Der Mutter-Kind-Pass wurde 1974 mit dem Ziel, gesundheitliche Vorsorge für Schwan­gere und Kleinkinder bis zum 62. Lebensmonat zu treffen, eingeführt; das haben wir vorhin schon gehört. Dieses Ziel wurde erreicht, und auch in den Jahren danach wurde das Programm um zusätzliche Untersuchungen erweitert. Im Untersuchungs­zeit­raum 2008 bis 2011 stiegen die Gesamtaufwendungen für den Mutter-Kind-Pass von 51,3 Millionen auf 53,8 Millionen €.

Kritik wurde an der Zersplitterung der Kompetenzen geübt. Die Aufgaben- und Finan­zierungsverantwortung lag nämlich bei drei Institutionen: beim Gesundheitsminis­terium, bei der Sozialversicherung und beim Familienlastenausgleichsfonds. Eben dies führte zu teuren Änderungen im Untersuchungsprogramm, deren Nutzen nicht immer erwiesen war. So verblieb die interne Untersuchung entgegen der Empfehlung eines Expertengremiums im Programm, wodurch jährliche Mehrkosten von 2 Millionen € entstanden. Durch nachträgliche Programmanpassungen für die Jahre 2008 und 2009 fielen weitere 6,5 Millionen € an. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Kritisiert wurde auch, dass es in den vergangen Jahren und Jahrzehnten eigentlich nie zu einer gesamthaften Evaluierung dieses Systems kam. Da setzt auch der Rech­nungshof mit seiner Kritik und mit seinen Empfehlungen an. Die Leistungen des Mutter-Kind-Passes sollten hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Werts überprüft werden. Es sollte ein Qualitätsstandard zur Durchführung dieses Mutter-Kind-Pass-Programms erlassen und auch dessen verbindliche Anwendung sichergestellt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 220

In der Hoffnung, dass diese Punkte umgesetzt werden, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und wünsche einen schönen Abend. (Beifall bei der ÖVP.)

21.03


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


21.03.44

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Herr Rechnungshofpräsident! Hohes Haus! Zum Rechnungshofbericht ein Sweep durch vier kernmedizinische Themen aus der Sicht des Arztes, und zwar zuerst einmal zur Vorsorge: Wie aus dem Bericht ganz klar hervorgeht und wie wir alle schon zur Genüge wissen, tun wir zu wenig zur Vorsorge. Ich könnte jetzt abendfüllend über die Vorsorge sprechen, ich möchte aber ein Thema herausgreifen, nämlich die Darmkrebs­vorsorge.

Das ist ein Programm, das in Österreich seit einigen Jahren ausgeführt wird, das aber leider nur 12 Prozent der Bevölkerung in Anspruch nehmen. Meine Damen und Herren, wir haben pro Jahr 5 000 neue Erkrankungsfälle und 3 000 Tote. Das heißt, das gehört zu den gefährlichsten, tödlichsten und häufigsten Karzinomen. Das Tückische oder das „Gute“ daran ist, dass dieses Karzinom sehr lange keine Beschwerden verursacht. Man kann es aber sehr gut früh entdecken, nämlich mit der Darmspiegelung.

Dieses Programm wird bei Weitem zu wenig in Anspruch genommen. Das einzige Bundesland, in dem das aufgrund der Anstrengung der Sozialversicherung und einer sehr engagierten Gruppe von Ärzten halbwegs gut funktioniert, ist Vorarlberg. Sie haben es geschafft, die Untersuchungsquote auf über 20 Prozent zu heben und haben dementsprechend eine Reduktion der Häufigkeit von Kolonkarzinomen, also der Dickdarmkrebshäufigkeit, und auch eine Kostenersparnis von 15 Millionen € aufzu­weisen.

Ich denke, da sind wir als politisch tätige Menschen, die ja für die Bürger da sind, alle aufgefordert, dieses Programm insgesamt besser zu bewerben und den Leuten auch die Scheu davor zu nehmen. Diese Untersuchung, die Darmspiegelung, kann man heute völlig schmerzfrei durchführen, und die Diagnose ist zugleich die Therapie, denn während der Untersuchung können gleich Vorstufen von Krebs, nämlich Polypen, entfernt werden. Das ist also eine der besten medizinischen Maßnahmen, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt worden sind.

Ich darf Sie alle einladen und ersuchen, das in Ihrem Bekannten-, Freundes- und Parteikreis, in den Gremien et cetera zu verbreiten. Das kann Leben retten. Wir haben nach Berechnungen circa 2 000 Todesfälle pro Jahr zu viel. Wir könnten vermeiden, dass diese Menschen zu früh sterben.

Zweiter Punkt: Pflegefälle im Krankenhaus, Procuratio-Fälle, wie sie speziell in Wien heißen. Ich sage dazu nur einen Satz: Solange wir keine monocolore Finanzierung haben – also keine Finanzierung aus einer Hand – und die Krankenkassen sich nicht bereit erklären, alle Gesundheitskosten zu übernehmen, werden wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen. Solange wir getrennte Töpfe haben – hier die Gesund­heit, hier das Soziale – und die Gelder hin und her geschickt werden beziehungsweise die einen sich nicht um das andere kümmern wollen, wird dieses Problem nicht lösbar sein, trotz aller guten Willenserklärungen, die wir seit vielen Jahren von allen Betei­ligten hören.

Dritter Punkt: Ärzteausbildung. Die Novelle zur Ärzteausbildung 2014 ist uns allen noch in Erinnerung. Im Rechnungshofbericht wurde die Kritik geäußert, dass die Verant­wortung der Ausbildner nicht klar ist. Dem stimme ich zu, das ist so. Die ausbildenden


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Kollegen haben kein klares Konzept oder keine klaren Richtlinien, wie die jungen Kollegen auszubilden sind.

Was aber im Rechnungshofbericht nicht zur Sprache kommt, ist das Gesetz betreffend Ärztearbeitszeit. Das halte ich aus Sicht eines langjährigen Spitaldirektors und Primar­arztes für hoch problematisch. Mit einer sukzessiven Beschränkung der Ärztearbeits­zeit wird die Ärzteausbildung sukzessive schlechter werden, denn für den Arzt, für jeden Facharzt, ist es extrem wichtig, möglichst lange möglichst viele Patienten zu sehen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Wenn die Arbeitszeiten der Ärzte reduziert werden, dann wird die Ausbildungsqualität automatisch schlechter werden. In Wien kommt das Verbot der Überstunden jetzt auch noch dazu; da wird die Anwesen­heitszeit immer mehr reduziert, und dann muss man noch Ausgleichszeiten nehmen, und das noch dazu in jungen Jahren, wenn man ohnehin in der Lage wäre, gut Nacht­dienst machen zu können.

Nur eine Vergleichszahl: In den USA liegt die Ärztearbeitszeit bei maximal 80 Stunden pro Woche. Bei uns soll sie jetzt sukzessive auf 48 Stunden pro Woche gesenkt werden. Um zu erkennen, dass sich das mit der Ausbildungsqualität nicht ausgehen wird, braucht man kein studierter Mediziner zu sein, sondern das wird man leider Gottes am eigenen Leib verspüren.

Ich bin sicher, dass wir dieses Gesetz in absehbarer Zeit anpassen müssen – nämlich auch von der EU her, denn diese aus meiner Sicht unsinnige Verordnung kommt ja aus Brüssel. Wir werden in Österreich mit Sicherheit neue Lösungen finden müssen, Betriebsvereinbarungen et cetera. Das wird sich nicht ausgehen, zumal auch der Ärztemangel schlagend wird.

Noch ein paar Worte zur Gendergesundheit: Ich gebe Kollegin Lintl völlig recht, Gender-Mainstreaming ist ein Unsinn. Das kann man mit dem Wort Unsinn zusam­menfassen. (Abg. Lichtenecker: Keine Ahnung, was …!) Was kein Unsinn ist, ist die Gendergesundheit, wenn ich sie als geschlechtsspezifische Medizin für Männer und Frauen sehe. Es gibt ja schon lange Frauengesundheitsspezialisten, das sind die Gynäkologen. Es gibt Männergesundheitsspezialisten, das sind die Urologen. Es gibt die Internisten, die fächerübergreifend betreuend eingreifen.

Ich darf Ihnen jetzt erklären, warum wir so eine männerspezifische Medizin haben: Das liegt an den Studien der frühen Jahrzehnte. Als in den sechziger und siebziger Jahren die medizinischen Studien wissenschaftlich ausgerollt wurden, hat man rein auf Männer abgestellt, auf freiwillige junge Probanden. Das waren meistens Soldaten oder Sträflinge, die sich freiwillig für Studien zur Verfügung stellten. Da waren keine Frauen dabei. Warum? – Man hatte seitens der Institute und der Pharmaindustrie Angst, dass man Frühschwangerschaften übersieht und es bei Medikamentenversuchen zu Schäden im Embryonalbereich kommt. Das ist der einfache Hintergrund. Das hat nichts mit Chauvinismus der Medizin zu tun, sondern es sind einfach enorme medizi­nische Datenberge mit Daten von Männern da.

Jetzt müssen wir das alles langsam, aber sicher sozusagen „umforschen“, um neue Daten zu gewinnen. Das wird man aber nicht per Genderverordnung machen können, sondern das braucht einfach seine fünf bis zehn Jahre. Dass Frauen in ihrer gesamt­hormonellen Situation komplexer sind, ist bitte auch keine böse chauvinistische Fest­stellung, sondern das ist einfach so, und die Forschung wird deswegen aufwendiger werden. Natürlich müssen wir uns darauf konzentrieren.

Wenn Frauen angeblich schlechter behandelt werden, dann liegt das an der medi­zinischen Datenlage und nicht daran, dass Ärzte oder Ärztinnen Frauen einfach anders sehen, sie anders oder schlechter behandeln wollen. Das liegt an der Datenlage. Das ist einfach ein wissenschaftliches Faktum.


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Wenn man sich da schlaumacht, dann kann man auf sehr viel draufkommen und dann kann man die Debatte entideologisieren und einfach faktenbasiert weiterarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte. (Abg. Moser – auf dem Weg zum Rednerpult in Richtung des Rechnungshof­präsi­denten Moser –: … dürfen die Frauen zuerst!)

 


21.10.05

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Rechnungshof­präsident! Danke, dass Sie mir den Vortritt lassen! 4 Millionen € umsonst ausgegeben für eine nicht eingetretene Zeitersparnis von vier Minuten – das ist in kurzen Worten das Ergebnis der Rechnungshofprüfung zum Thema Rettungsgasse.

Sie alle sind ja wahrscheinlich auch Autofahrerinnen und Autofahrer. Sie alle wissen, dass bei Unfällen auf der Autobahn seit einigen Jahren die Rettungsgasse gesetzlich vorgeschrieben ist. Das war offensichtlich ein Übereinkommen im Koalitionspakt. Und es war der Wunsch der ASFINAG, den Pannenstreifen für einen eventuellen zusätz­lichen Fahrstreifen freizubekommen. Was macht man, wenn man den Pannenstreifen braucht? – Man muss natürlich eine Rettungsgasse organisieren.

Jetzt ist nur die Frage: Wie macht man das? – Das Ministerium, damals unter Ver­kehrs­ministerin Bures, sollte sich ja normalerweise vor allem daran orientieren, wie das andere Länder der EU regeln. In einem Europa des grenzüberschreitenden Verkehrs haben wir ja das Bestreben, ähnliche Regeln zu haben, vor allem wenn es darum geht, Menschenleben zu retten. Anstatt sich einmal kundig zu machen, wie das in anderen Staaten geregelt wird, entwickelte man das System Österreich. Das System Österreich wurde der ASFINAG aufs Auge gedrückt, beziehungsweise wollte die ASFINAG den Pannenstreifen haben, und dann ist eben etwas herausgekommen, das zu einem Wirrwarr auf den Autobahnen geführt hat. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Dieses System hat die Exekutive in den ersten Monaten und Jahren vor schwierige Probleme gestellt.

Bei der Evaluierung, bei der es um die lebensrettende Zeitersparnis ging, hat sich das irgendwie als Blindgänger herausgestellt. Es gibt keine Zeitersparnis, es wurde keine festgestellt. Ich habe als Abgeordnete, die ich damals im Verkehrsausschuss saß und nolens volens mitgestimmt habe, immer gefragt, wo die Studie für diese vier Minuten Ersparnis ist. Immerhin geht es um Leben und Tod. Das Ressort hat gesagt: Es gibt eine Studie. Dann fragt man nach, und sie wird nicht präsentiert. Man fragt auch beim Rechnungshof. Der Bericht des Rechnungshofes wurde erstellt, die Studie war unauffindbar. Dann findet man heraus, dass es offensichtlich irgendein Treffen zwi­schen Rettungsorganisationen in Deutschland gegeben hat, und da gab es so etwas wie ein Gerücht von wegen vier Minuten. Auf Basis dieses Gerüchts wurde in Öster­reich die Rettungsgasse installiert und hat 4 Millionen € gekostet.

Es gab dann auch wieder Vergabefehler bei der Kampagne. An sich würde es ja reichen, wenn das BMVIT kampagnisiert, es musste aber auch die ASFING kampag­nisieren. 4 Millionen € an Autofahrergeld wurde mehr oder weniger die Gasse hinunter­geschwemmt, kann man sagen.

Dazu kommt noch die Schwierigkeit, dass ja auch das Einhalten der Rettungsgasse nicht so einfach ist. Sogar von der Exekutive braucht es eine Entscheidung: Rette ich zuerst den Verwundeten, stehe ich dem Unfallopfer bei, oder strafe ich diejenigen, die die Rettungsgasse nicht bilden? Das war ja relativ schwierig.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 223

Im Ausschuss hat uns ein Vertreter der ASFINAG erklärt, dass wir jetzt nicht nur die Rettungsgasse brauchen. Weil am Pannenstreifen ja jetzt die Autos fahren, brauchen wir Pannenbuchten. Das ist sozusagen das Resultat der Einführung der Rettungs­gasse: nicht nur, dass wir 4 Millionen € für die Kampagne gebraucht haben, sondern jetzt brauchen wir auch noch mehrere Millionen für Pannenbuchten.

Ich bin im Nachhinein der Meinung, dass das alte System ausgereicht hätte, aber jetzt ist schon alles so, wie es leider hier beschlossen worden ist. Wir haben leider auch einen Rechnungshofbericht – entschuldigen Sie das Wort, Herr Präsident! – zu beklagen – den Inhalt, nicht den Bericht als solchen.

Der zweite Punkt, den ich Ihnen noch kurz vor Augen führen möchte, ist auch so ein – unter Anführungszeichen – „Schmankerl“ aus den breiten Sphären des Rechnungs­hofes, nämlich die Nationalbank. Kollege Deimek, der jetzt nicht da ist, hat es schon einmal angesprochen. Jetzt müssen Sie sich vorstellen … (Abg. Kitzmüller: Da ist er!) – Ah, hinter dem Laptop, perfekt, heraus aus dem Versteck!

Sie müssen sich vorstellen, es geht um 15 Millionen € Dividende, die an sich von der Nationalbank in das österreichische Budget fließen könnten. 15 Millionen € jährliche Dividende von der Nationalbank in die Kassen des Finanzministers, sprich: Wir könnten uns mehr leisten.

Im Umfang dieser 15 Millionen € wird oder wurde den Mitarbeitern der Nationalbank jährlich ein Sozialleistungsblumenstrauß – kann ich geradezu sagen –, ein Sozialleis­tungsweihnachtskorb zur Verfügung gestellt, angesichts dessen, dass sie durchschnitt­lich 80 000 € verdienen. Jetzt dürfen Sie sich das einmal vorstellen: Jemand, der 80 000 € verdient, bekommt auf Basis dieser 15 Millionen € das Mittagessen subven­tioniert – statt 7 € bezahlt er 1,40 €, wunderbar! –, die MitarbeiterInnen bekommen zusätzlich Geburtsbeihilfe, Heiratsbeihilfe, Karenzzuschuss, Kinderzulage, Sportplatz­sub­ventionen, Zuschüsse zur Krankenzusatzversicherung im Umfang von 3,8 Millio­nen €, Sterbegeld – auch nicht schlecht: 21 000 € (Abg. Loacker: Da müssen sie aber sterben!) – und Geld für besondere Härtefälle.

So einen reichhaltigen Sozialkorb hat sich nur die Nationalbank geleistet. Jetzt weht hoffentlich einmal ein etwas anderer Wind, denn es ist einfach nicht zu rechtfertigen, dass es einen derartigen Privilegienstadel gibt. Ich hoffe, das gibt keinen Ordnungsruf, Herr Präsident. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Es ist nicht zu rechtfertigen, dass es einen derartigen Privilegienstadel mit derartigen Sozialleistungen gibt, wenn gleich­zeitig viele Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen sind. Wir sollten mit den 15 Millionen € Dividende sinnvollere Ausgaben, sinnvollere Investitionen vornehmen – Frau Kollegin Tamandl, das auch für den Budgetausschuss.

Herr Präsident Dr. Moser, danke für Ihre Arbeit!

Zum Schluss muss ich noch etwas sagen, weil Sie uns ja leider nur mehr drei Mal im Aus­schuss besuchen werden: Wir haben auch vor, dass wir Sie noch würdig ver­abschieden. Uns allen ist jetzt wichtig, dass wir einen sehr guten Nachfolger oder eine sehr gute Nachfolgerin finden. Ich bin allen Fraktionen und der Präsidiale dankbar, dass es zumindest ein öffentliches Hearing gibt, einen Tag, bevor im Hauptausschuss entschieden wird. Das war sozusagen auch Hintergrundarbeit der letzten Monate.

Ich hoffe, dass Sie, Herr Präsident Dr. Moser, auf diese Art und Weise – wie soll man denn sagen? – zumindest einen guten Schlusseindruck von diesem Haus gewinnen. Mehr wäre sicherlich möglich, wenn hier mehr Konsens über Ihre Reformvorschläge herrschen würde. – Sie sind am Wort. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jarolim: Gabi, hast du jetzt den Präsidenten Kopf …!)

21.17



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 224

Präsident Karlheinz Kopf: Liebe Frau Abgeordnete, es obliegt mir, das Wort zu erteilen.

Herr Präsident Dr. Moser. – Bitte.

 


21.17.37

Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Am Beginn der Debatte wurde schon darauf hingewiesen, dass heute 32 Berichte des Rechnungshofes auf der Tagesordnung stehen. Diese Berichte befassen sich mit den Bereichen Gesundheit, Immobilien, Verkehr, öffentliche Unter­neh­mungen, Förderungen, Soziales, Verteidigung, Wissenschaft und Finanzverwal­tung.

Ich möchte mich bei den Mitgliedern des Rechnungshofausschusses auf das Herz­lichste dafür bedanken, dass einige dieser Berichte eingehend im Rechnungshof­ausschuss behandelt worden sind. Ich möchte mich auch beim Plenum bedanken, dass sich 36 Redner zu dem Tagesordnungspunkt gemeldet haben, was auch Ihre Wertschätzung der Arbeit des Rechnungshofes zum Ausdruck bringt. Ich werde diese Wertschätzung natürlich sehr gerne an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungshofes weitergeben.

Die Prüfungen zeigen nicht nur das breite Prüfungsspektrum des Rechnungshofes, sondern zeigen auch auf, dass es das Ziel des Rechnungshofes ist, einen Beitrag für einen nachhaltigen Mitteleinsatz und insbesondere einen Beitrag für eine nachhaltige Aufgabenerfüllung zu leisten.

Wenn man die Prüfungen näher betrachtet, so zeigen sie die Notwendigkeit eines effizienteren Mitteleinsatzes. Sie zeigen den akuten Handlungsbedarf und darüber hinaus auch das Erfordernis grundlegender Strukturreformen, wenn man will, dass öffentliche Mittel tatsächlich bei den Betroffenen ankommen. Derzeit fallen in vielen Bereichen die Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander, das Zusammenwirken mehrerer Akteure erzeugt einen vermeidbaren Verwaltungs­aufwand. Darüber hinaus ist die Aufgabenerfüllung komplex, intransparent und gleich­zeitig ineffizient.

Dass Handlungsbedarf gegeben ist, ist im Rahmen der Debatte auch hervorge­kom­men. Im Förderungsbereich ist das Zusammenwirken mehrerer Akteure wesentlich, und ein Gesamtüberblick über die eingesetzten Mittel von EU-Ebene, Bundesebene, Landesebene beziehungsweise Gemeindeebene fehlt. Das Thema der Ski-WM in Schladming wurde heute bereits angerissen.

Dass auch im Gesundheitsbereich Handlungsbedarf gegeben ist, zeigt die heute auf der Tagesordnung stehende Prüfung zur Gendergesundheit, bei der die Kompetenzen eben auch auf drei Ministerien aufgeteilt sind. Das Gesundheitsministerium ist für Gesundheit, Kinder und Frauen und gleichzeitig für Jugendliche zuständig. Das Sozialministerium ist für die Männergesundheit zuständig, und das Bundeskanzleramt ist für die Koordination im Bereich von Gender-Mainstreaming zuständig.

Wenn Sie sich das Gesundheitsministerium anschauen, sehen Sie, auch da sind wieder die Agenden auf drei Bereiche der Gesundheit Österreich GmbH aufgeteilt: auf das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen, den Fonds Gesundes Österreich und das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen, sodass wiederum eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden muss, nämlich zwischen Gesundheits­ministerium und der Gesundheit Österreich GmbH. Ich glaube, das zeigt auch auf, dass etwas getan werden muss. Darüber hinaus bestand auch in der Gesundheits­vorsorge kein aktueller Überblick über die von Bund, Ländern und Sozialversicherungs­trägern ergriffenen Maßnahmen der Gesundheitsförderung und der Prävention.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 225

Was den Bereich Ärzteausbildung anlangt, wurden bereits Themen angesprochen, es wurde über die Ärzteausbildung diskutiert, aber ein Kernproblem ist auch, dass in zwei Fällen für die Ärzte in dem Zusammenhang der Dienstgeber der Bund ist, gleichzeitig ist aber der Dienstgeber für die für die Ausbildung verantwortlichen Kranken­ver­siche­rungsträger das Land. Das hat dazu geführt, dass Ausbildungsvorgaben der Träger an die Universitätskliniken, die in diesem Fall betroffen sind – beispielsweise die Univer­sitäts­klinik AKH Wien beziehungsweise das LKH Innsbruck –, für die Turnusärzte in der Facharztausbildung gefehlt haben. Darüber hinaus fehlten auch durchgängig einheitliche, nachvollziehbare Ausbildungsprozesse.

Auch nach der Ärzteausbildungsnovelle – es ist sehr gut, dass das Ärztegesetz ent­sprechend geändert worden ist, aber trotzdem – fehlen nach wie vor Maßnahmen wie beispielsweise eine umfassende Evaluierung, Qualitätssicherungsvorgaben für Kranken­anstalten für die neunmonatige Basisausbildung und gleichzeitig auch eine Definition des Ausbildungsverantwortlichen, des Ausbildungskonzepts beziehungs­weise des Ausbildungsplans.

Dass Handlungsbedarf auch im Sozialbereich gegeben ist, zeigt beispielsweise die Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung, wo auch die Ein­heitlichkeit der Entscheidungen zwischen den Pensionsversicherungsträgern nicht sichergestellt ist. Weder die Träger noch der Hauptverband noch das Sozialministerium nahmen systematische Überprüfungen der einheitlichen Vollziehung der Ausgleichs­zulagen wahr. Also auch in dem Punkt sollte man Maßnahmen setzen.

Dass dementsprechend auch im Verteidigungsressort beziehungsweise in den Minis­terien – auch das wurde bereits angesprochen – im Beschaffungswesen Maßnahmen notwendig sind und mehr Transparenz erforderlich ist, zeigt unter anderem auch die Anschaffung von 5 000 Funkgeräten im Landesverteidigungsressort, bei der dem Lan­desverteidigungsressort ein Gesamtüberblick über die vereinbarten Leistungen gefehlt hat und gleichzeitig aus den Planungsgrundlagen kein konkreter Bedarf für die Beschaffungen ableitbar war. Darüber hinaus erfolgten 53 von 61 Zusatz­beschaf­fungen ohne nachvollziehbare Überprüfung der Preisangemessenheit.

Dass bei öffentlichen Unternehmungen Handlungsbedarf gegeben ist, wurde schon im Zusammenhang mit den Goldbeständen der Nationalbank angesprochen, aber dass es auch notwendig wäre, gerade im Pensionsbereich Harmonisierungen durchzuführen, zeigt auch die Prüfung der Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Oesterreichische Nationalbank aufgrund der Nicht­harmonisierung in den Jahren 2010, 2011 und 2013 zur Deckung des Pensions­aufwands 226 Millionen € gewinnmindernd verwenden musste, sodass sich die Gewinnabfuhr an den Bund in dem Zusammenhang um 215,89 Millionen € verringert hat. Und wenn Sie sich die Langzeitprognose für Pensionsleistungen anschauen, so sehen Sie, dass diese auch von 115 Millionen € bis zum Jahr 2023 auf 150 Millionen € ansteigen. Es ist also Handlungsbedarf gegeben.

Es wurden auch die Sozialleistungen angesprochen. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass im Zeitraum von 2009 bis 2013 für Sozialleistungen an Mitar­bei­terinnen und Mitarbeiter der Nationalbank, wenn man die Sozialleistungen im engeren Sinne hernimmt, das für Sozialleistungen bereitgestellte Personal heranzieht, gleich­zeitig die Infrastruktur, den Support und den Ausfall der Mieten durch vergünstigtes Wohnen für pensionierte und aktive Mitarbeiter heranzieht, 80 Millionen € dafür aufge­wendet wurden, und das noch dazu ohne Bedachtnahme auf soziale Kriterien, ohne soziale Staffelungen und ohne darüber einen Gesamtüberblick zu haben.

Noch ein Punkt, der auch zu erwähnen ist: Der Betriebsrat hatte die Möglichkeit, per Betriebsratsbeschluss die Höhe einzelner Positionen beliebig zu verändern. Es wäre


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 226

daher notwendig, die Sozialleistungen im Hinblick auf ihre Angemessenheit und ihre soziale Treffsicherheit zu überprüfen und gleichzeitig eine transparentere, nachvoll­zieh­bare Vergabe unter Einbeziehung der Einkommensverhältnisse der Dienstnehmer sicherzustellen.

Dass im öffentlichen Bereich auch der Compliance mehr Beachtung geschenkt werden sollte, zeigt nicht nur die Prüfung im Zusammenhang mit dem Wiener Stadterwei­terungsfonds, sondern auch mit dem heute angesprochenen Integrationsfonds.

Die heute auf der Tagesordnung stehenden 32 Prüfungsergebnisse bieten Potenzial für einen besseren und effizienteren Mitteleinsatz, und dazu zählt auch, die nachhaltige Finanzierung sicherstellen zu können. Die Empfehlungen in dem Zusammenhang – das möchte ich positiv erwähnen! – werden auch umgesetzt. Wenn Sie sich die Follow-up-Überprüfung anschauen: Von 119 Empfehlungen wurden rund 70 Prozent umge­setzt beziehungsweise befinden sich diese in Umsetzung. Leider zeigen aber die Follow-up-Überprüfungen und auch die anderen auf der Tagesordnung stehenden Prüfungen, dass der Umsetzungsgrad vor allem in jenen Bereichen ausbaufähig ist, wo das Zusammenwirken mehrerer Stellen oder Gebietskörperschaften, Systemum­stellun­gen oder gleichzeitig Kompetenzänderungen erforderlich sind.

Wenn man sich diese Prüfungen anschaut, zeigt sich, dass dringende Notwendigkeit besteht, die Kompetenzzersplitterungen zu beseitigen, Entscheidungsgrundlagen zu vereinfachen und damit die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit zu stärken. Das heißt, das Wollen  das haben wir heute gehört  ist da, das Tun ist jedoch ausständig, und es wäre notwendig – und der Rechnungshof steht dazu als Partner zur Verfü­gung –, auch diese Empfehlung in die Tat umzusetzen, weil dadurch sicherlich ein wesentlicher Beitrag für mehr Generationengerechtigkeit beziehungsweise für einen effizienteren Mitteleinsatz gegeben wäre. Nochmals herzlichen Dank für Ihre Auf­merksamkeit! (Allgemeiner Beifall.)

21.25

21.26.01

 


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Präsident.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt über jeden Ausschussantrag getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-121 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den vorliegenden Bericht III-152 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-185 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte gegebenenfalls um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum einstim­mig angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 227

21.27.059. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 929/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Men­schenrechte und Grundfreiheiten (1128 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1676/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend: Schutz von Menschenrechtsvertei­di­gerinnen und -verteidigern weltweit verstärken (1130 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1677/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain (1131 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1660/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtslage in der Türkei (1132 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zu den Punkten 9 bis 12 der Tages­ordnung. Die Debatte erfolgt unter einem.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


21.27.52

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Wir wissen, dass der Völkermord an den Armeniern bis heute von der türkischen Regierung geleugnet wird. Es war dies der erste Genozid, der ungefähr 300 000 bis 1,5 Millionen Menschen zu Tode gebracht hat. 2007 wurde der armenische Journalist Hrant Dink ermordet. Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wurde im März 2011 zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt, weil er gesagt hat, dass die Türken auf ihrem Boden 30 000 Kurden und 1 Million Armenier getötet haben.

Oder: Die UNO hat schwere Vorwürfe gegen die Türkei erhoben, dass sie in Cizre 100 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt hat. An der türkisch-syrischen Grenze soll es immer wieder Zwischenfälle und Akte der Gewalt geben, es werden Frauen und Kinder erschossen; vor Kurzem wurde etwa ein 15-jähriger Bursch erschossen. Der UNO-Menschenrechtsbeauftragte Zeid Ra’ad al-Hussein vermerkte dazu, dass auch das Militär wegschaut, nichts dagegen tut und damit diese Taten ermöglicht.

Seit dem 16. August 2015 hat die türkische Regierung ungefähr 22 kurdische Städte abgeriegelt, die Menschen sind mit Ausgangssperre belegt worden, es wurde ihnen Wasser, Strom und Nahrung verweigert, und das türkische Militär hat dann Städte bombardiert. Gerade erst am Dienstag hat der UN-Hochkommissar für Menschen­rechte darüber berichtet, dass in der Stadt Cizre die Einsatzkräfte, vor allem auch die Sicherheitskräfte, nichts dagegen getan haben. Amnesty International klagt an, was in der Türkei passiert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 228

Die Menschenrechte in der Türkei hinken hinterher (Beifall bei der FPÖ), vor allem auch, wenn wir uns anhören, was Kollegin Aslan darüber erzählt hat, was jetzt wieder in der Türkei passiert. Meine Damen und Herren, und dann gehen ÖVP, SPÖ und in dem Fall leider auch Grüne unverständlicherweise her und sagen, es soll weiterhin geprüft werden, ob die Türkei nicht doch die Menschenrechte beachtet und man nicht doch weiterhin Gespräche führen soll, was den EU-Beitritt betrifft.

Wie lange wollen Sie sich das noch anhören? Wie lange wollen Sie da noch zu­schauen, meine Damen und Herren? Was wollen Sie prüfen? Wir haben gehört, was passiert. Amnesty International sagt das, die NGOs sagen das. Wir wissen, was dort passiert. Warum wollen Sie sich nicht endlich für eine Politik der klaren Worte ent­scheiden und sagen nicht: Schluss mit den Verhandlungen, Schluss mit den Gesprächen, solange dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden!? (Beifall bei der FPÖ.)

An einen Beitritt der Türkei zur EU sollte man vor allem überhaupt nicht einmal denken, schon gar nicht, wenn wir auch heute noch, was auch noch dazukommt, immer wieder erpresst werden, dass die Türkei uns, wenn Europa, wenn die EU nicht tut, was diese will, noch mehr Flüchtlinge herschickt.

Meine Damen und Herren, wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit gekommen, diese Gespräche abzubrechen und zu sagen: Wir verlangen, dass zuerst einmal die Menschenrechte tatsächlich eingehalten werden!, und nicht ständig zu prüfen, ob es nicht doch gemacht wird, wenn wir wissen, dass es nicht passiert? (Abg. Scherak: Das will ja der Antrag! Das Prozedere auf europäischer Ebene ist halt so!) Wir wissen, dass es nicht passiert, und wenn wir immer noch fragen und schauen und weiterbeob­achten, dann ist das nur ein Hinhalten, eine Verzögerungstaktik.

Meine Damen und Herren, seien Sie mutig und sagen Sie Nein zu diesen Menschen­rechtsverletzungen, die dort immer wieder passieren! (Beifall bei der FPÖ.)

21.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.

 


21.32.03

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Frau Kitzmüller, es ist leider so, dass Sie, glaube ich, nach wie vor nicht ganz verstanden haben, in welche Richtung der Antrag von Kollegen Scherak abzielt. Da er aber selbst auf der Rednerliste ist, denke ich mir, er wird es Ihnen dann selbst noch einmal erklären, so wie auch schon drei Mal im Ausschuss.

Es gibt zwei Aspekte, auf die ich bei diesem Tagesordnungspunkt in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, gerne eingehen möchte. Der erste ist sehr erfreulich: Der Menschenrechtsausschuss war sehr zukunftsorientiert und hat schon eine Woche vor der Regierung eine neue Art der Zusammenarbeit begonnen; dafür möchte ich mich bei allen Menschenrechtssprechern ganz herzlich bedanken. Wir haben einen Antrag von Kollegen Scherak ohne irgendeine Änderung angenommen und zwei andere mit einer kleinen Abänderung. Ich finde, dass das sehr erfreulich ist.

Ich möchte mich auch bei Ihnen noch einmal ganz herzlich für die tollen Anträge bedanken und möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es so weitergeht und dass wir es schaffen werden, vielleicht das nächste Mal auch einen Antrag von Frau Korun anzunehmen und damit vorbildhaft für die weitere Arbeit innerhalb des Parlaments und der Regierung zu sein.

Besonders gefreut habe ich mich über die Unterstützung für den Antrag der Koalitions­parteien zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain. Bahrain ist eines jener


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 229

Länder, die nach dem Arabischen Frühling so ihre Probleme haben. Es wird zwar schon ein bisschen versucht, die Menschenrechte einzuhalten, aber teilweise ist es nur so ein Feigenblatt. Ich weiß, dass sich die Oppositionellen im Königreich Bahrain über unsere Unterstützung, über die Unterstützung des Parlaments freuen werden. Für sie ist das einfach ein wichtiges Zeichen, dass sie gehört werden und dass ihre Aktivitäten beachtet und auch entsprechend gewürdigt werden.

Der weniger erfreuliche Aspekt – Frau Kollegin Kitzmüller ist schon auf das Thema eingegangen – ist die Lage, wie sie sich in der Türkei derzeit beziehungsweise schon seit Längerem darstellt. In letzter Zeit ist sie leider auch noch mehr eskaliert. Dazu hat Kollege Scherak ebenfalls einen Antrag eingebracht, dass die EU im Zuge der Prüfung, die sie sowieso aufgrund der Beitrittsverhandlungen durchführt, genauer auf die Menschenrechtslage hinschauen soll. Das haben wir alle befürwortet, außer eben Kollegin Kitzmüller, weil sie meint, wir sollten überhaupt nicht mehr mit der Türkei reden.

Es hat sich ja in den letzten Tagen leider auch noch ergeben, dass Präsident Erdoğan plant, die Immunität von vielen Abgeordneten aufzuheben, speziell von Abgeordneten der kurdischen Partei HDP, um sie dann gerichtlich verfolgen zu können. Das ist natürlich eine sehr bedenkliche Entwicklung, und es ist uns Gott sei Dank heute gelungen, einen Antrag an den Herrn Minister einzubringen, dass er sich bitte dafür einsetzt, dass die Immunität nicht aufgehoben wird.

Immunität ist für einen Politiker einfach etwas ganz Wichtiges – das wissen wir alle –, und das wäre wirklich ein Zeichen von zunehmender Rechtlosigkeit, wenn das wirklich passieren würde. Da du, Herr Minister Kurz, jetzt anwesend bist, möchte ich dich auch noch einmal ganz persönlich darum bitten, dich dafür einzusetzen, weil ich glaube, dass es da jetzt auf jede Stunde, auf jede Minute ankommt, und wenn die EU da, wie ich hoffe, entsprechenden Druck aufbaut, dann lässt sich das Schlimmste vielleicht noch verhindern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

21.36


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


21.36.41

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger und Bürgerinnen, die uns zu dieser etwas späten Stunde via Fernsehen oder Live­stream folgen! Nachdem heute im Parlament bei der Regierungserklärung sowohl vom Kanzler als auch vom Vizekanzler von einem neuen Stil und von einer kooperativen Vorgehensweise und Zusammenarbeit gesprochen wurde, möchte ich auch als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass sich dieser neue Stil in Zukunft auch darin äußert, dass nicht alle beziehungs­weise die meisten oppositionellen Anträge vertagt werden. Das würde ich mir als Abge­ordnete dieses Hauses wünschen, dass wir ganz im Sinne dieser neuen Zusam­menarbeitskultur Anträge nicht auf die lange Bank schieben.

Das wollte ich am Anfang ansprechen, weil wir auch in der letzten Sitzung des Men­schenrechtsausschusses weit mehr Themen und Anträge behandelt haben, als heute vorliegen. Einige wurden schon wieder vertagt, weshalb wir bei diesem Tagesord­nungs­punkt nur über vier Anträge sprechen können. Angesichts der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, werde ich versuchen, das stakkatoartig zu machen.

Beim ersten Antrag, was den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Men­schenrechtskonvention betrifft, waren wir im Menschenrechtsausschuss zumindest


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mehrheitlich einer Meinung, dass es Sinn macht und dass wir einen gemeinsamen Antrag beschließen, dass die rechtlichen Regelungen, die nach Ansicht des Euro­päischen Gerichtshofes einem Beitritt der EU zur EMRK derzeit noch entgegenstehen, beseitigt werden. Wir waren mehrheitlich der Meinung, dass es sinnvoll ist, dass Bürger und Bürgerinnen auch in Fällen, in denen sie durch EU-Institutionen in ihren Rechten eingeschränkt oder verletzt werden, die Möglichkeit haben, sich auf die Europäische Menschenrechtskonvention zu beziehen und Klagen einzubringen.

Zu Tagesordnungspunkt 10, Antrag betreffend Schutz von Menschenrechts­ver­teidigerinnen und ‑verteidigern weltweit: Das ist auch ein internationales Menschen­rechtsthema, bei dem man nur dafür sein kann, deshalb werde ich mich da nicht sehr lange mit dem Inhalt beschäftigen; vielleicht nur ein Satz dazu: Erfreulicherweise werden bei uns Menschenrechtsverteidiger und ‑verteidigerinnen ja nicht bedroht, nicht eingesperrt, nicht verklagt und auch nicht ermordet. Das ist in vielen anderen Ländern anders. Aus Honduras bekomme ich zum Beispiel immer wieder Alarmrufe, dass Men­schenrechtsaktivisten und ‑aktivistinnen umgebracht werden und bedroht werden. In diesem Sinne danke an die Kollegen und Kolleginnen für den Antrag.

Zu Tagesordnungspunkt 11, Antrag betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage in Bahrain: Darauf hat meine Vorrednerin, Kollegin Pfurtscheller, Bezug genommen, diesen Ausführungen kann ich mich nur vollinhaltlich anschließen.

Was Tagesordnungspunkt 12, Antrag betreffend Menschenrechtslage in der Türkei, anbelangt, haben wir gestern die schockierende Erfahrung gemacht, dass die Immu­nität von sehr vielen Abgeordneten des türkischen Parlaments, unter ihnen die meisten Abgeordnete der prokurdischen HDP, aufgehoben wurde, weshalb sie jetzt strafrecht­lich verfolgt werden können, als besäßen sie keine parlamentarische Immunität. Dass die Meinungsfreiheit, dass die Menschenrechte in der Türkei in den letzten Jahren immer mehr unter die Räder gekommen sind und sich das Ganze sehr stark in Richtung autoritäres System entwickelt, das sind Dinge, die wir alle wissen.

In diesem Sinne begrüße ich es sehr, dass da auch eine Mehrparteieneinigung möglich war, in der wir den Herrn Außenminister und die Bundesregierung bitten, die Men­schen­rechtslage in der Türkei sehr aufmerksam zu verfolgen und bei den aktuellen Gesprächen, was einen potenziellen EU-Beitritt der Türkei betrifft, die Frage der Wah­rung der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit weiterhin mit Nachdruck zu verfolgen und einzufordern, dass diese nicht verhandelbaren Kriterien auch von der türkischen Republik eingehalten werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.41


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


21.41.51

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Justizminister! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Menschenrechte, die Menschwürde gelten überall – für alle, für die großen Länder, für die kleinen Staaten, auf allen Kontinenten, für die national arbeitenden Betriebe, für die internationalen Konzerne, die global tätig sind.

Die Tagesordnungspunkte 11 und 12 beziehen sich auf die Länder Bahrain und Türkei. Beide Staaten zeigten in den letzten Jahren erfolgversprechende Ansätze bei der Umsetzung der Menschenrechte, der Menschwürde, haben sich aber leider nicht weiter­entwickelt, sondern sind steckengeblieben. Es gilt, diese aufzufordern, große Schritte nach vorne zu machen, noch dazu, da bei der Türkei, die sich der EU annähern will, einer Wertegemeinschaft annähern will, möglicherweise ein Assoziie-


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rungs­vertrag im Gespräch ist. So ist die jüngste Entwicklung, auch in der letzten Woche, alles andere als dazu angetan und ist völlig entgegengerichtet, widerspricht jeglichen Grundsätzen, ist auf das Schärfste zu verurteilen. Pressefreiheit, Minder­heitenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie sind unverrückbare Grundpfeiler.

Meine Damen und Herren, Punkt 10 der Tagesordnung betreffend Menschenrechts­aktivisten bezieht sich auf die demokratischen Kräfte, auf Organisationen, auf Parteien, auf Interessenvertretungen, die hier in unserem Land, in Österreich hohe Standards erreicht haben, friedlich erkämpft haben – angefangen beim Achtstundentag und dem gleichen Wahlrecht, um nur zwei wichtige Punkte zu nennen.

Auch in den anderen Staaten haben die Menschenrechtsaktivisten viel erreicht. Aber es bleibt global noch sehr, sehr viel zu tun. Es braucht viele mutige Frauen und Männer. In wesentlichen und detaillierten Punkten, neun an der Zahl, werden die EU, der diplomatische Dienst, die UNO zum verstärkten Schutz der Menschen­rechtsakti­visten aufgefordert.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2017 übernimmt Österreich den OSZE-Vorsitz, eine wichtige Funktion, und soll dabei den Schwerpunkt für den besseren Schutz der Menschenrechtsaktivisten durchsetzen und auch viele Aktivitäten setzen, damit zum Beispiel staatliche Folter, körperliche Misshandlungen, psychische Verletzungen an Menschen so weit minimiert werden wie nur möglich, so klein gehalten werden wie nur möglich. Meine Damen und Herren! Dieser Punkt ist sehr dringend und steht unserem Land sehr gut an, steht der österreichischen Tradition sehr gut an.

Werte Abgeordnete, Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die Zustimmung. Ich bin sehr, sehr froh, wenn diese Punkte positiv beschlossen werden und daraus viele positive Aktivitäten in Europa, aber auch weit darüber hinaus entstehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.45


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


21.45.37

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Meine Herren Bun­desminister! Menschenrechte sind ein wichtiges Thema. Ich möchte hier auf den Antrag des Kollegen Scherak eingehen. Ich glaube, betreffend Türkei müssen wir das gar nicht mehr groß prüfen, Herr Kollege Scherak, denn da ist der Fall klar. Wenn man eine Demokratie hat – und Demokratie heißt, dass das Volk entscheidet –, aber dann gewählte Abgeordnete als Stellvertreter des Volkes von einem – sage ich jetzt einmal – Herrscher dort verfolgt werden, wie es jetzt in der Türkei stattfindet, dann, glaube ich, müssen wir nicht mehr viel prüfen.

Wir hatten ja am Vormittag beziehungsweise am Nachmittag die Diskussion und haben diesen Antrag ja abgestimmt. Morgen wird dieser Antrag in allen Medien sein, dass wir das verurteilen, dass gewählte Mandatare nur aufgrund des politischen Willens, aufgrund einer – ich sage jetzt einmal bewusst nicht Diktatur, aber – diktaturähnlichen Organisation in der Türkei verfolgt werden.

Da muss der Herr Bundesminister … – Wo ist Herr Bundesminister Kurz? Nicht mehr da. – Der Herr Außenminister sollte da klare Worte sprechen, wie er es sonst auch immer tut. Er soll klare Worte in Richtung Türkei, in Richtung EU sprechen, um zu sagen, so geht das nicht. Wenn die Türkei noch als Beitrittskandidat gehandelt wird, ich denke, da müssen wir nicht mehr weiterdiskutieren, dass die hier fehl am Platz sind. Da müssen klare Signale von Österreich ausgesendet werden, klare Signale von der EU ausgesendet werden, dass es so nicht geht, und dass wir die Türkei weder als Beitrittskandidaten noch als europäischen Staat haben wollen. Das muss politisch


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gemacht werden. (Abg. Schmuckenschlager: Das ist schon ein europäischer Staat!) – Ist sie eben nicht. Der Großteil liegt in Asien. Es sind 5 Prozent in Europa, das ist kein europäischer Staat, Herr Kollege. Das wissen wir auch. Ich war unten, ich habe es mir angeschaut. Sie sollten vielleicht auch einmal eine Reise dorthin machen, dann wissen Sie mehr.

Ein klares Signal zu setzen, ist der einzige richtige Schritt, den wir machen können, um der Türkei den Riegel vorzuschieben, um diesen Zuständen Einhalt zu gebieten. Wir müssen einmal an die Rechte der Kurden denken, was da unten abgeht, wie da Menschen aus politischen Gründen, zu politischen Zwecken willkürlich ermordet werden. Ich glaube, dass wir hier als österreichisches Parlament sehr stark auftreten sollten. Und da brauchen wir nicht zu verhandeln, sondern da müssen wir klare Aus­sagen treffen. Das wäre der richtige Schritt. Darum werden wir dem Antrag des Herrn Kollegen Scherak nicht zustimmen, dem Antrag der Regierungsparteien schon.

Aber ich erwarte mir auch, dass die Regierung dann entsprechend auftritt und durch­greift. Dann haben wir ein klares Signal gesetzt, dass diese Zustände da unten so nicht mehr weitergehen können. – Danke. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

21.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


21.49.00

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Pfurtscheller, ich freue mich auch, dass wir als Menschenrechts­aus­schuss mit dem neuen Stil und dem lebendigen Parlamentarismus vorangegangen sind. Es ist schon bezeichnend, wenn nach zweieinhalb Jahren NEOS im Parlament der erste Antrag, der nur von den NEOS kommt, beschlossen wird. Das freut uns. Ich glaube, dass wir auch in den letzten zweieinhalb Jahren ein paar andere gute Anträge eingebracht haben. Insofern: Gut, dass wir das geschafft haben. (Beifall bei den NEOS.)

Ich denke, das Anliegen, das wir hier haben, ist sehr, sehr wichtig. Es ist so, dass sich die Europäische Union in ihren Verträgen verpflichtet hat, dass sie der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt. Es gab dann ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs, der gesagt hat: Das funktioniert momentan nach den Verträgen nicht. Was müsste man tun? – Man müsste die Verträge entsprechend abändern. Seitdem es dieses Gutachten gibt, ist nur leider nichts geschehen, und diese Diskussion ist de facto eingeschlafen.

Deswegen halte ich es für richtig und für äußerst sinnvoll, dass wir als Österreich auf europäischer Ebene hier weiter Druck aufbauen und sagen: So, es ist endlich an der Zeit, dass sich die Europäische Union auch in dem Fall an die eigenen Rechts­grund­lagen hält und es schafft, die Verträge so abzuändern, dass sie der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten kann, um hier auch eine Rechtsschutzlücke zu schließen, dass man als Bürger in Europa auch die Möglichkeit hat, gegen Akte der Europäischen Union, falls diese Menschenrechte verletzen, vorzugehen, da es mo­mentan noch nicht so ist.

Zur Türkei haben wir am Vormittag schon geredet, dazu wurde jetzt auch schon viel gesagt. Die Menschenrechtssituation in der Türkei ist unerträglich. Unliebsame Jour­nalisten werden verfolgt, Demonstrationen werden immer wieder gewaltsam aufgelöst. Die Staatsanwaltschaft und die Richter in der Türkei stehen unter Druck. Genau deswegen ist es sinnvoll, dass wir hier auch klar gegen diese unerträgliche Menschen­rechtssituation vorgehen, die mittlerweile dazu führt, dass die Immunität von Abgeord­neten offensichtlich aufgehoben wird.


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Was ich nur nicht verstehe, Frau Kollegin Kitzmüller, ist, es gibt hier einen Prozess auf europäischer Ebene, wie man die Menschenrechtssituation überprüft. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.) Ich gebe Ihnen recht, dass sie momentan sehr, sehr schlecht ist, aber Sie können ja nicht einfach als Österreich Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union abschließen. Sie können nicht sagen, wir hören jetzt auf, denn das ist immer noch die ganze Europäische Union und dort gibt es einen Prozess, dass wir dorthin kommen, dass wir draufkommen, dass die Menschenrechtssituation nicht einmal mehr den ursprünglichen Kriterien entspricht. Und dann können wir – und darauf zielt der Antrag ja auch ab – klar sagen, so, diese Beitrittsverhandlungen funktionieren nicht mehr. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Ja, Frau Kollegin Kitzmüller, das Prozedere ist so, das habe nicht ich erfunden, das haben nicht Sie erfunden, aber an das muss man sich eben halten, und deswegen ist es ein richtiges Zeichen aus dem österreichischen Parlament, diesbezüglich Druck zu machen.

Das Zweite, das schon sehr bezeichnend ist: Sie stellen sich hier her, genauso wie Kollege Hagen, und reden über Menschenrechte und die Menschenrechtssituation. Wenn wir NEOS dann einen Antrag einbringen, dass man innerhalb Europas die Menschenrechtssituation, die Durchsetzung von Menschenrechten verbessern soll, dass die Europäische Union der EMRK beitreten soll, dann stimmen Sie dagegen und das Team Stronach stimmt dagegen. (Abg. Kitzmüller: Hören Sie ein Mal zu!) Ich halte es für einigermaßen lächerlich, zu versuchen, Menschenrechte zu verteidigen und dann gegen Menschenrechte zu stimmen. Das ist einigermaßen absurd. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Jarolim: Erfrischende Rede mit großem Wahrheitsgehalt! – Abg. Lausch: Der Jarolim hat die Rede geschrieben! Das behaupten wir jetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

21.52


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


21.52.12

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außen­minis­ter! Sehr geehrter Herr Justizminister! Ich beziehe mich auf den Entschließungsantrag betreffend Verbesserung der Menschenrechtssituation in Bahrain.

Ich erinnere mich an einen Besuch des Außenpolitischen Ausschusses im Februar 2015 in Bahrain, an dem ich teilgenommen habe. Die Vertreter der dortigen Regierung haben uns ganz offen gesagt, dass es einfach keinen Dialog mit der Opposition gibt.

Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wird die kritische Menschenrechtslage in Bahrain regelmäßig von einer Gruppe von Staaten angesprochen, der auch Öster­reich angehört. Es ist legitim, wenn unsere Regierung auf Menschenrechtsverlet­zun­gen in anderen Staaten aufmerksam macht, aber unehrlich ist es, wenn man dabei die Situation im eigenen Land verschweigt und die offensichtlichen Probleme, die die islamische Parallelgesellschaft hier macht, bagatellisiert. (Beifall bei der FPÖ.)

In unserem Land haben wir kaum Probleme mit staatlichen Übergriffen. Unsere Polizei leistet beste gesetzeskonforme Arbeit unter widrigsten Umständen. Ein großes Dankeschön wie immer an die Polizei. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Plessl.)

Wir haben aber das Problem, dass sich der Staat für Menschenrechtsverletzungen, die in der Privatsphäre passieren, leider nicht verantwortlich fühlt. Vor allem Frauen und Mädchen sind davon besonders betroffen. Es gibt täglich Berichte von sexuellen Übergriffen auf Frauen und Mädchen durch Migranten beziehungsweise von Tätern aus dem islamischen Kulturkreis, aber nicht nur, Frau Kollegin – und das will ich ge-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 234

rade betonen –, nämlich natürlich auch von Straftätern, die Österreicher sind oder Täter mit anderem ethnischen und religiösen Hintergrund.

Nach unserem westlich-abendländischen Kulturverständnis können sich Frauen und Mädchen frei in der Öffentlichkeit bewegen, ohne in ihrer sexuellen Integrität verletzt zu werden. Aber derzeit sind wir mit einem völlig neuen Phänomen konfrontiert, das der Ansturm islamischer Asylwerber und Migranten mit sich gebracht hat. Junge musli­mische Männer, die jetzt zu uns gekommen sind, missachten in ihrer Tradition, in ihrer Religion die Frauen. Sie zeigen bei uns keinerlei Unrechtsbewusstsein, weil sie es einfach nicht anders kennen. Frauen bewegen sich bei uns freizügig, und diese Männer glauben, dadurch schon einen Freibrief dafür zu haben, dass sie sie sexuell belästigen können oder im schlimmsten Fall vergewaltigen.

Auch der offene Einsatz von Selbstjustiz der sogenannten „Islamischen Sittenwächter“ ist besorgniserregend, denn sie operieren mittlerweile nicht mehr innerhalb ihrer isla­mischen Parallelgesellschaft, sondern in aller Öffentlichkeit – siehe die Vorfälle in der Millennium City! Nicht nur, dass diese muslimischen Männer ihr mittelalterliches Frauen­bild im Österreich von heute ausleben, indem sie ihre Frauen verhüllen und ihre Töchter zwangsverheiraten und unterdrücken, sie wollen diese islamische Lebens­weise der Allgemeinheit aufzwingen, uns Österreichern. Aber das wollen wir nicht, denn Frauen­rechte sind Menschenrechte. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Gerhard Schmid.)

Unsere Bundesregierung ist derzeit nicht in der Lage, den Schutz der Menschenrechte, insbesondere für Frauen und Kinder, zu gewährleisten. Innenminister Sobotka hat gestern in seiner Rede hier im Plenum eingestanden, dass es in Summe einen Anstieg an Kriminalität gibt, dass das vor allem im urbanen Raum stattfindet und unter Asyl­werbern und dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher nicht verbes­sert hat.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein: 

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage für Frauen in Österreich – Schutz vor Verletzung des Privatlebens

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Österreich seiner sich aus der Europäischen Menschrechtskonvention ergebenden Verpflichtung nach­kommt, das Privatleben gemäß Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention, welches nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die körperliche und seelische Integrität einer Person umfasst, wirkungsvoll zu schützen, indem Österreich seine positive Verpflichtung umsetzt, eine Verletzung des Privat­lebens durch andere zu verhindern, wenn diese öffentliche Hand von einer potentiellen diesbezüglichen Gefahr wusste oder wissen musste.“ – (Beifall bei der FPÖ.)

„Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu setzen, welche Menschenrechtsverletzungen, vor allem an Frauen und Mädchen, verhindern und gleichzeitig gewährleisten, dass sich Frauen und Mädchen in der Öffentlichkeit frei bewegen und entfalten können, ohne Gefahr zu laufen, in ihrer sexuellen Integrität verletzt zu werden.“

*****

Ich bitte um Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

21.57



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 235

Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Dr. Lintl eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Lintl, Kitzmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Ver­besserung der Menschenrechtslage für Frauen in Österreich – Schutz vor Verletzung des Privatlebens

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1677/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Men­schen­rechtslage in Bahrain (1131 d.B.) in der 128. Sitzung des Nationalrates am 19.05.2016 (TOP 11)

Tatsache und zu bejahen ist, dass unzählige islamische Staaten wie auch Bahrain Menschenrechte, vor allem jener der Frauen, mit Füßen treten. Auf Menschenrechts­verletzungen in anderen Staaten aufmerksam zu machen und zu thematisieren ist legitim. Verwerflich und unehrlich ist jedoch, wenn man dabei die Situation im eigenen Land geflissentlich verschweigt und die offensichtlichen Probleme mit islamischen Parallelgesellschaften bagatellisiert.

In unserem Land haben wir kaum Probleme mit staatlichen Übergriffen auf Individuen aus der öffentlichen Sphäre, sondern damit, dass Menschenrechtsverletzungen in der Privatsphäre ausgeklammert bleiben und sich der Staat für die Rechtsverletzungen in diesem Bereich leider nicht verantwortlich fühlt. Vor allem Frauen und Mädchen sind durch private und nicht staatliche Täter besonders betroffen.

Das offenbaren vor allem die Berichte von sexuellen Übergriffen auf Frauen und Mädchen durch Migranten bzw. von Tätern aus dem islamischen Kulturkreis, die nahe­zu täglich in den Medien erscheinen. Hinzuzurechnen sind auch die entsprechenden Sexualstraftaten von inländischen Tätern bzw. Tätern mit anderem ethnischen und religiösen Hintergrund. Auch der immer unverblümtere Einsatz von Selbstjustiz der so genannten „Islamischen Sittenwächter“ ist besorgniserregend, welche mittlerweile auch außerhalb der bestehenden islamischen Parallelgesellschaften in der Öffentlichkeit operieren.

Der Begriff des Privatlebens (Art 8 EMRK) umfasst nach der Judikatur des EGMR die körperliche und seelische Integrität einer Person. Die Vertragsstaaten trifft eine positive Verpflichtung, eine Verletzung derselben durch andere zu verhindern, wenn die öffentliche Hand davon wusste oder wissen musste.

Österreich kommt seinen sich aus der EMRK ergebenden Verpflichtungen derzeit nicht nach, da die Bundesregierung derzeit nicht in der Lage ist, den Schutz der Menschen­rechte für Frauen zu gewährleisten, angesichts der stark ansteigenden Zahl von Sexualdelikten, den beängstigenden öffentlichen Auftritten Islamischer Sittenwächter und der damit einhergehenden Verunsicherung von Frauen und Mädchen sich nach unserem westlich-abendländischen Kulturverständnis in der Öffentlichkeit frei bewegen und entfalten zu können, ohne in ihrer sexuellen Integrität verletzt bzw. im schlimmsten Fall vergewaltigt zu werden.

Diese Thematik muss von der Bundesregierung aufgrund des nahenden Sommers, in welchem mit zahlreichen weiteren Flüchtlingen mit islamischem Hintergrund zu rechnen ist, prioritär behandelt werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 236

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Österreich seiner sich aus der EMRK ergebenden Verpflichtung nachkommt, das Privatleben gem. Art. 8 EMRK, welches nach der Judikatur des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschrechte) die körperliche und seelische Integrität einer Person umfasst, wir­kungsvoll zu schützen, indem Österreich seine positive Verpflichtung umsetzt, eine Verletzung des Privatlebens durch andere zu verhindern, wenn die öffentliche Hand von einer potentiellen diesbezüglichen Gefahr wusste oder wissen musste.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu setzen, welche Menschenrechtsverletzungen, vor allem an Frauen und Mädchen, verhindern, und gleichzeitig gewährleisten, dass sich Frauen und Mädchen in der Öffentlichkeit frei bewegen und entfalten können, ohne Gefahr zu laufen in ihrer sexuellen Integrität verletzt zu werden.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


21.57.48

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Diese Tages­ordnungspunkte spannen einen Bogen von den Menschenrechten im Allgemeinen hin zur Menschenrechtslage in Bahrain und in der Türkei. Ich möchte näher auf den Tagesordnungspunkt 9 eingehen, der darauf abzielt, eine Lücke zu schließen, die es hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte durch die Europäische Menschrechts­konvention gibt.

Es kann nämlich bisher nur ein Staat wegen einer Menschenrechtsverletzung geklagt werden, der der EMRK beigetreten ist und der durch ein Gesetz oder durch Verwaltungshandeln die Menschenrechte verletzt. (Abg. Hübner: Welcher Staat ist der EMRK nicht beigetreten?) Nun ist aber die Europäische Union eine supranationale Organisation. Eine Verletzung von Menschenrechten durch direkt anwendbare Richt­linien oder eine Verordnung der Europäischen Union kann deshalb nicht beim Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte bekämpft werden.

Es muss daher unser Ziel sein, diese Lücke zum Rechtsschutz der Menschenrechte durch die EMRK zu schließen. Ein Entwurf eines Beitrittsübereinkommens liegt bereits vor. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass es Widersprüche zu den EU-Gründungsverträgen gibt. Diese Widersprüche gilt es, jetzt auszuräumen, diese Widersprüche sollen möglichst rasch beseitigt werden, damit diese Rechts­schutz­lücke endgültig beseitigt werden kann.

Aus diesem Grund unterstützen wir auch den Antrag des Kollegen Scherak, dass sich unser Außenminister, Sebastian Kurz, auf EU-Ebene verstärkt für die Ausräumung dieser Probleme und den Beitritt der EU zur Europäischen Menschrechtskonvention einsetzt.

Zu den Anträgen in TOP 10, 11 und 12 gilt es allerdings auch besonders hervorzu­heben, dass das Thema Menschenreche auf der Agenda unseres Außenministers Sebastian


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 237

Kurz ganz oben steht. Im Konkreten wurden zum Beispiel bei den letzten Besuchen in Saudi-Arabien oder in Aserbaidschan immer wieder die Menschenrechtsverletzungen thematisiert. Es finden bei Auslandsreisen vor Ort auch immer wieder Treffen mit lokalen Menschenrechtsaktivisten oder Personen aus der Zivilgesellschaft statt, um diese vor Ort zu unterstützen. Auch in Aserbaidschan konnten dadurch schöne Erfolge erzielt werden. (Abg. Hübner: Welche Erfolge, bitte? Welche Erfolge? Welche Erfolge konnten erzielt werden?)

Bei seinen Auslandsreisen setzt sich unser Außenminister auf vielen Ebenen für die unterschiedlichsten Anliegen, insbesondere auch für die Menschenrechte, ein, natür­lich auch für den Abschluss der heute bereits thematisierten Rückführungs­überein­kommen. Österreich verfügt mittlerweile über 22 bilaterale Abkommen und 17 EU-Abkommen, an denen wir beteiligt sind. Die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten eines Großteils der Flüchtlinge steht auch ganz oben auf der Agenda, allerdings muss man da ganz klar auch die EU in die Pflicht nehmen, denn gemeinsam hat man sicherlich eine weit bessere Verhandlungsposition.

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass die Arbeit unseres Außenministers Sebastian Kurz überaus engagiert und erfolgreich ist und auf jeden Fall unsere Unter­stützung und Anerkennung verdient. (Beifall bei der ÖVP.)

22.00


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte. (Ruf: Überrascht worden? – Abg. Kumpitsch – auf dem Weg zum Rednerpult –: Hurtigen Schrittes!)

 


22.01.02

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die NEOS meinen, dass es in der Europäischen Union keinen ausreichenden, lückenlosen Rechtsschutz gibt. Kollege Ofenauer hat das vorhin erläutert.

Zusammengefasst fordern die NEOS die Bundesregierung und den Herrn Außen­minister auf, sich auf der europäischen Ebene verstärkt dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ein Beitritt der Europäi­schen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention möglich wird – wohl wissend, dass ein Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention auch die Anerkennung der Europäischen Union als Staat implizieren würde, denn nur Staaten können grundsätzlich der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Das ist aber wiederum der nächste Schritt weg vom Staatenbund und hin zu einem Bundesstaat à la USA.

Ich meine, dabei sind sie schneller, als es die Polizei erlaubt – ich meine natürlich: der Europäische Gerichtshof. Dieser hat sich nämlich mehrfach dagegen ausgesprochen, dass die Europäische Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt, und führt da einerseits die Unvereinbarkeit des Unionrechts an; andererseits betont er auch die ausschließliche Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes und die Autonomie des EU-Rechts.

Außerdem haben wir in Europa ja gleichzeitig gegenläufige Tendenzen. Die „Presse“ hat im Mai vorigen Jahres in einem Artikel angeführt, dass die Tories in England ihr Wahlversprechen wahrmachen und die Europäische Menschenrechtskonvention in ein nationales Gesetz kleiden wollen. Sie sagen nämlich, Entscheidungen der Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte seien für die britischen Gerichte maximal Empfehlungen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 238

Ich meine, dass der gegenständliche Entschließungsantrag aber auch schon aus einem anderen Grund hinfällig wäre, weil nämlich bereits alle Staaten der Europäi­schen Union der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten sind und im Vertrag von Lissabon nicht nur die Grundrechtecharta die europäische Anerkennung fand, sondern die Staaten sich auch verpflichtet haben, die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind, als Unionsrecht zu übernehmen.

Was bleibt? – Für mich ist unter diesen Umständen der Antrag des Kollegen Scherak nicht mehr als ein Versuch, das drüberschwebende große Ziel, nämlich die Vereinigten Staaten von Europa, über Umwege zu erreichen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scherak: Aber das steht ja schon in den Verträgen!) Es ist in dieser Betrachtung auch nicht verwunderlich, dass gerade Rot, Schwarz, Grün und Pink als glühende, aber vielfach auch sehr kritiklose EU-Befürworter dem Antrag im Ausschuss bereits zugestimmt haben.

Anstelle eines derzeit noch gar nicht möglichen und vielfach auch nicht erwünschten Beitritts der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention wären die Befürworter dieses Antrags gut beraten, sich daran zu erinnern, dass zu jedem Menschenrecht auch eine staatliche Schutzpflicht gehört. Und diese Schutzpflicht darf nicht weiter zulasten der heimischen Bevölkerung vernachlässigt werden (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Hagen und Gerhard Schmid), denn auch unsere Bürger haben ein Recht darauf, vor Übergriffen geschützt zu werden, die ja vielfach Folge der von der Regierung verfehlten Asyl- und Gesellschaftspolitik sind.

Es kann und darf nicht sein, dass Menschen illegal ins Land kommen und sich trotz rechtskräftiger Ausweisung oder versuchter Abschiebung jahrelang illegal weiter bei uns aufhalten und dann auch noch Straftaten begehen. Es darf nicht sein, dass Frauen vergewaltigt oder sexuell belästigt oder – am schlimmsten – einfach brutal mit einer Eisenstange erschlagen werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, setzen Sie Prioritäten! Lassen Sie den heute geäußerten guten Vorsätzen auch Taten folgen und verwenden Sie Ihre Kraft und Ihre Energie vorwiegend für die Menschen in unserem Land!

Wir Freiheitliche werden dem gegenständlichen Antrag nicht zustimmen, weil wir ihn für nicht nötig und auch für nicht zielführend halten. Wir werden ihn dann bei der Abstimmung nicht unterstützen. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Gerhard Schmid– Zwischenruf bei der SPÖ.)

22.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


22.07.04

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sagenhaft, welche argumentativen Bocksprünge die FPÖ hier vollführt. (Abg. Hübner: Warum ist das ein „Bocksprung“?) – Das erkläre ich Ihnen gleich, Herr Kollege.

Auf der einen Seite kritisiert die FPÖ ununterbrochen die Europäische Union, und wenn man dann ein zusätzliches Rechtsschutzinstrument für die Bürgerinnen und Bürger einziehen möchte, damit sie sich gegen allfällige Menschenrechtsverletzungen durch die Organe der EU wehren können, dann ist sie plötzlich dagegen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Scherak.)

Ich weiß nicht, was da vorgeht. Es ist sagenhaft, wie widersprüchlich Sie argumen­tieren (Abg. Steinhauser: Sie kennen sich nicht aus! – Zwischenruf des Abg. Hübner),


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einfach nur, um da Stimmungen hineinzuhauen und den Menschen ihre Rechte vorzuenthalten.

Mit dem Vertrag von Lissabon haben die Mitgliedstaaten ganz klar bekundet, dass die Europäische Union als Ganzes der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten soll, und übrigens auch gleichzeitig bekundet – wenn Sie das jemals gelesen haben, dann wissen Sie sie es –, dass die Europäische Union eben keine Supranation werden soll. – Das steht alles im Primärrecht. Dieser Wille muss natürlich auch umgesetzt werden, und da dürfen formale Hindernisse nicht im Wege stehen.

Das Gutachten – wenn man sich das anschaut, dann sieht man das klar und deutlich – vermittelt ein bisschen den Eindruck, dass der EuGH nicht will, dass da ein höheres Gericht quasi drübergesetzt wird. Das ist aus der Interessenlage her natürlich ver­ständlich, aber für uns ist es nicht verständlich. Wir wollen so ein zusätzliches Rechts­schutzinstrument haben, um den Menschenrechten noch mehr Kraft zu verleihen und sie noch besser durchsetzen zu können.

Ich danke den NEOS, ich danke Ihnen, Kollege Scherak, für diesen gut formulierten Antrag. Nehmen Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, sich da ein Beispiel, das ist konstruktive Oppositionspolitik! Mögen viele weitere Beispiele auch von anderen Fraktionen folgen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Scherak. – Abg. Hübner: Wir warten eh schon auf ein Koalitionsangebot!)

22.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Vavrik. – Bitte.

 


22.09.48

Abgeordneter Mag. Christoph Vavrik (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Im Zusammenhang mit dem Türkei-Flüchtlingsabkommen drängt sich immer dringender die Frage auf, wie es eigentlich um die Menschenrechte in der Türkei bestellt ist, insbesondere vor dem Hintergrund von Berichten über angebliche Rück­schie­bungen von Flüchtlingen bis hin zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze.

Die Antwort ist, dass es nicht gut darum bestellt ist, und vor allem, dass sich die Lage dramatisch verschlechtert. Bereits der Bericht der EU-Kommission vom Novem­ber 2015 ist, was Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit betrifft, vernichtend ausgefallen.

Ich zitiere aus dem Bericht: „Die Unabhängigkeit der Justiz sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung wurden untergraben und Richter und Staatsanwälte waren starkem politischen Druck ausgesetzt. (…) Erhebliche Anstrengungen sind erforderlich, um die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen“.

„In Bezug auf die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit“, schreibt die Kommission weiter, „waren erhebliche Rückschritte zu verzeichnen.“ Die Kommission kritisiert die neuerliche Ausstattung der Exekutive mit weitgehenden Vollmachten ohne richterliche oder parlamentarische Kontrolle. Und die Kommission bemängelt auch die sehr weite Definition von terroristischer Aktivität, wodurch über die „Hintertür“ der sogenannten Beihilfe zu Terrorismus Journalisten, Parlamentarier, Regierungskritiker und sonstige unliebsame Bürger eingesperrt oder verhaftet werden.

Auch andere Institutionen haben das Abdriften der Türkei in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit aufgezeigt. Zwei Beispiele: Reporter ohne Grenzen setzt in seinem Press Freedom Index die Türkei unter 180 Ländern auf Platz 151. Das Inter­essante ist, dass die Türkei vor zehn Jahren noch auf Platz 98 stand; es ist also in die falsche Richtung gegangen. Auch hierzulande hat die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter im März dieses Jahres Alarm geschlagen und in einem Brief


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an Sie, Herr Bundesminister, unter anderem geschrieben – ich zitiere –, „dass vor unseren Augen in einem Nachbarland der Rechtsstaat zu Grabe getragen wird“. – „Zu Grabe getragen“, das sind schon harte Worte.

Der vorläufige Höhepunkt ist jetzt der Versuch Erdoğans, mittels einer kollektiven Aufhebung der parlamentarischen Immunität die Opposition de facto kaltzustellen.

NEOS hat deshalb im Menschenrechtsausschuss diesen Antrag eingebracht, der, Frau Kitzmüller, darauf abzielt – jawohl! –, dass die EU-Kommission zum ersten Mal im Zuge der Erstellung des Länderberichts formell prüft, ob die Türkei die Anforderungen an ein Beitrittsland in Sachen Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Minderheiten­schutz, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit noch erfüllt. (Abg. Hübner: Was soll man da prüfen? Das ist doch evident, da brauche ich keine Prüfung!) – Es braucht eine Prüfung, Herr Kollege Hübner, das ist nicht so evident. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hübner.) Es gibt einen Prozess, und den werden wir einleiten. Und sollte es nicht der Fall sein, dann muss die Europäischen Union die Beitrittsverhandlungen vielleicht abbrechen.

Präsident Erdoğan hat vor zwei Wochen in Bezug auf die Antiterrorgesetze, deren Abänderungen er ja ablehnt, der EU ausgerichtet – ich zitiere –: „Wir gehen unseren Weg, ihr geht euren.“ – Ich persönlich finde es schade, wenn sich die Wege der Türkei und der EU da trennen, aber wenn der Preis für den Beitritt der Türkei die Aufgabe unserer Grundwerte ist, dann ist dieser Preis dezidiert zu hoch. – Danke vielmals. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Aslan.)

22.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich der Herr Bundesminister Kurz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


22.13.34

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unser Ziel im Außenministerium ist es, uns in der Welt für unsere Interessen und für unsere Grundwerte einzusetzen und starkzumachen. Wenn es um unsere Werte geht, dann ist natürlich das Thema Menschenrechte ganz oben auf unserer Agenda. Wir bemühen uns daher, uns für Menschenrechte einzusetzen, sowohl in unserer bilateralen als auch in unserer multilateralen Arbeit im Außen­minis­terium.

Ganz besonders schön ist es natürlich, wenn das eine oder andere Mal ein Erfolg gelingt. Ich denke zum Beispiel an Aserbaidschan, wo wir uns gemeinsam mit vielen Partnern dafür eingesetzt haben, dass unter anderem die Freilassung von Leyla Yunus gelingt, und diese Freilassung war dann auch möglich. Das sind die kleinen, aber schönen Erfolge, die man in dieser Arbeit erleben darf. In anderen Fällen, wie zum Beispiel im Fall Badawi, sind wir seit Langem engagiert, leider Gottes noch ohne den Erfolg, den wir uns wünschen würden.

Multilateral sehe ich vor allem den OSZE-Vorsitz im Jahr 2017 als eine große Chance für uns. Es ist eine Ehre, dass Österreich den Vorsitz der OSZE übernehmen darf. Wir werden als Schwerpunkt das Thema „Europa sicherer machen“ setzen, werden aber natürlich vor allem auf Themen wie den Kampf gegen Radikalisierung und vieles mehr eingehen. Da haben wir selbstverständlich eine ganz große Möglichkeit, uns für die Achtung der Menschenrechte im OSZE-Raum und darüber hinaus einzusetzen.

Inhaltlich sind die Schwerpunkte, die wir in unserer Arbeit in diesem Bereich setzen, wohlbekannt. Es geht vor allem um den Kampf gegen die Todesstrafe und alle anderen


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 241

unmenschlichen Formen der Bestrafung und insbesondere auch um den Einsatz für Minderheiten sowie natürlich für Meinungsfreiheit und den Schutz von Journalisten.

Das ist das richtige Stichwort für die Türkei: Die Situation in der Türkei ist zu Recht von einigen Abgeordneten angesprochen worden, und meine Meinung diesbezüglich ist sehr klar: Eine Zusammenarbeit mit der Türkei kann für uns durchaus Sinn machen, darf aber für uns nie Anlass sein, unsere Grundwerte zu vergessen oder wegzu­schauen, wenn es Fehlentwicklungen in der Türkei gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Aslan.)

Insbesondere was die Flüchtlingsfrage betrifft, darf ich daher noch einmal davor warnen, uns hier auf andere zu verlassen oder in Abhängigkeiten zu begeben. Genau diese Abhängigkeiten sind es nämlich, die dann am Ende des Tages dazu verleiten, großzügiger zu werden, wenn Grundrechte verletzt werden, die uns eigentlich heilig sein sollten. Genau diese Großzügigkeit wird langfristig nicht zu Stabilität und Erfolg in unserer Nachbarschaft beitragen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Scherak und Vavrik.)

Zum letzten Punkt: Ich kann inhaltlich nur voll und ganz unterstützen, was Herr Abge­ordneter Scherak schon ausgeführt hat, und bin mit dem Antrag sehr glücklich. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Aslan, Scherak und Vavrik.)

22.16


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. – Bitte.

 


22.16.51

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Es freut mich sehr, dass der Antrag betreffend Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weltweit verstärken im Ausschuss einstimmig angenommen wurde und heute im Plenum zur Debatte steht. Ohne Einsatz der Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger wäre es um die Menschenrechte in der Welt mit Sicherheit schlecht bestellt, und daher muss es unser aller Anliegen sein, Engagierte für das Menschenrecht in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Wenn man die Bilanz 2015 kritisch betrachtet, so erkennt man sehr schnell, dass sie wiederum nicht positiv ausgefallen ist. Die Diskrepanz zwischen Soll und Haben bei der Umsetzung der Menschenrechte ist gewaltig. Es kommt weltweit immer wieder zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Keine Minute, keine Stunde vergehen, in der nicht Menschenrechtsverletzungen stattfinden.

Ich habe gerade das Jahr 2015 angesprochen. In diesem Jahr gab es eine Resolution der Vereinten Nationen in der Generalversammlung zum Schutz von Menschen­rechts­verteidigerinnen und -verteidigern, eine Resolution, die üblicherweise Konsens findet. – Irrtum: 117 Länder haben zugestimmt, 14 haben die Resolution abgelehnt – darunter Russland, China, Saudi-Arabien, Iran, Syrien, Indien, Vietnam, Südafrika, Nigeria –, 40 Staaten haben sich enthalten.

Was glauben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, welches Argument in der Debatte immer wieder angeführt wurde? – Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger brauchen keinen Schutz! Warum brauchen sie keinen Schutz? – Ganz einfach: Wenn der Rechtsstaat funktioniert, dann sind die Menschenrechte auch ausreichend ge­schützt!

Wir wissen aber, das sind sie nicht, auch Rechtsstaaten brauchen Menschenrechts­verteidigerinnen und -verteidiger. Ich spreche hier die Versammlungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Religionsfreiheit, bis hin zur Freizügigkeit an. Klar ist auch, dass der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 242

Freiraum für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger durch Gesetze immer enger wird; sie werden teilweise sogar als Agenten bezeichnet. Sie werden willkürlich verhaftet, die Rede wird ihnen verboten oder Versammlungen untersagt. Es kommt zu Vergewaltigungen, Folterungen, Ermordungen, bis hin zu Kreuzigungen. Und die Vorwürfe sind immer dieselben.

Der Staat braucht Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, denn sie sind diejenigen, die die Einhaltung der Menschenrechte ständig beobachten und über­prüfen. Österreich nimmt da eine Vorreiterrolle ein, Österreich unterstützt die Arbeit von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern. Aber das ist bei weitem nicht ausreichend. Wir müssen gemeinsam mit den Partnern der EU immer wieder hinwei­sen, sensibilisieren, mahnen und auch Mut zeigen, denn das, was Menschen­rechts­verteidigerinnen und -verteidiger auszeichnet, ist Mut. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.20


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.

 


22.20.38

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte Bezug nehmen auf den Tagesordnungspunkt 11 betreffend Bahrain. Wir alle wissen, dass es leider Gottes im Zuge des Arabischen Frühlings, nämlich im Frühling 2011, zu massiven Menschen­rechtsverletzungen gekommen ist – die Kollegin von der SPÖ hat es soeben angesprochen –, nämlich zu Folter, zum Ins-Gefängnis-Sperren, und das, weil einige Menschen eine Reform in ihrem Land verlangt haben.

Es hat sich dann zwar etwas gebessert, und es haben einige Mittel gegriffen, auch dank der EU, aber auch dank unserer Nation Österreich, da wir damals auch schon auf dieses Menschenrecht aufmerksam gemacht haben. Aber was wir jetzt erleben, ist leider Gottes ein Rückschritt in diesem Land. Es werden nach wie vor Menschen gefoltert, weggesperrt, ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen, et cetera, et cetera.

Geschätzte Damen und Herren! Das ist sehr wohl eine Angelegenheit für unsere Nation Österreich und sehr wohl auch für uns hier im Hohen Haus, dass wir sehr deutlich aufzeigen müssen und mit unserem Außenminister versuchen müssen, die EU dahin zu bewegen, dass wir klare Ziele verfolgen. Wir reden hier nicht von Sachgütern, wir reden auch nicht von Luxusgütern, wir reden alle von Menschen. Und der Mensch muss im Mittelpunkt bleiben, und dem Menschen muss geholfen werden.

Da finde ich beim Herrn Kumpitsch nicht die richtigen Worte, denn: Das, was Sie sagten, geht in die falsche Richtung, lieber Kollege! Kollege Scherak hat gezeigt, wie es geht: Er hat komplett unpopulär einen perfekten Antrag, super ausformuliert, einge­bracht, und der wurde dann im Ausschuss mit uns zusammen, mit ÖVP und SPÖ, beschlossen. Aber wer war dagegen? – Sie!

Das sind Dinge, die man hier wirklich deutlich sagen muss. Wenn man Populismus betreiben will und so herumspringt wie Sie, nämlich von Bahrain in die Türkei und dann wieder in den Nationalstaat Österreich, ja, Freunde, wovon reden wir denn da? Wir haben unsere Verpflichtung, auch den Menschen über die Grenzen hinaus unsere Unterstützung zu erklären und zu helfen. Und diese Hilfe bekommen sie von uns. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

22.23


Präsident Karlheinz Kopf: Vorläufig letzter Redner in dieser Debatte: Herr Abgeord­neter Dr. Troch. – Bitte.

 



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22.23.14

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen in Istanbul ein trauriger Tag in der Geschichte des Parlamentarismus: Knapp einem Viertel der türkischen Abgeordneten soll die Immunität aberkannt werden. Dazu ist zu sagen: Allein 50 Abgeordneten der kurdischen HDP, 51 der sozialdemokratischen CHP, 9 der konservativen MHP und selbst 27 Mandataren der AKP geht es hier auf demokratiepolitisch bedenkliche Weise an den Kragen.

Das Kapitel Demokratie und Parlamentarismus ist ein Thema, wo in der Türkei einiges im Argen liegt. Es wird gewählt. Wenn das Wahlergebnis nicht passt, wird wieder gewählt – bis eben das Wahlergebnis passt. So wird innenpolitisch eine Atmosphäre erzeugt, gewaltsam erzeugt, dass die Menschen Angst bekommen, sich nach einer Art von Stabilität sehnen, die schon mehr mit dem starken Mann zu tun hat.

Demokratiepolitisch sehr bedenklich ist allerdings auch, wie mit Menschenrechten in der Türkei umgegangen wird. Frauenrechte sind ja sowieso Nebensache. Das hat man gesehen an dem Umstand, wie die Polizei am Internationalen Tag der Frau in Istanbul vorgegangen ist: massive Gewaltanwendung gegen Frauen, die politisch ihre Meinung kundgetan haben.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird massiv Schritt für Schritt eingeschränkt. Es gibt zahllose Verfahren gegen politisch aktive Bürger. Und selbst Facebook-Eintra­gungen werden streng bestraft, wie das Beispiel des 17-Jährigen, der Erdoğan als einen Dieb in seinem illegalen Palast bezeichnet hat, bezeichnet hat: Er hat elf Monate dafür bekommen.

Es gibt Polizeieinsätze selbst gegen Zeitungsredaktionen, Besetzungen durch die Polizei, massive Druckausübungen, es wird ein Klima der Gewalt geschaffen. Die Vor­fälle im Gezi-Park sind ja allgemein bekannt: Massenprozesse gegen Beteiligte. Und höchst bedenklich ist auch der Umgang des Regimes Erdoğan mit der Rechtstaat­lichkeit. Es gibt Tendenzen zur Gleichschaltung der Justiz, massenhaft Verwarnungen und Versetzungen und Schauprozesse gegen Militärangehörige, die sich nicht so einfach beugen.

Schlussfolgerung: Nicht wegschauen!, ist heute hier schon gesagt worden. Es gibt natürlich schwerste Bedenken gegen diese Vorgehen. Aber was wir heute hier machen, die Mehrzahl der Fraktionen und Abgeordneten, ist, mit dem Entschließungs­antrag hier eine klare Position zu beziehen. Es ist politisch bedenklich und peinlich, dass die FPÖ hier nicht mitkann, das sagt aber auch einiges aus. Die Mehrzahl der Fraktionen sagt ein klares Nein zu der Art und Weise, wie die türkische Regierung mit dem eigenen Volk umgeht. Und für uns ist es auch ein Ausdruck der Solidarität mit jenen, die in der Türkei für Demokratie und Menschenrechte an vorderster Front kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)

22.26

22.26.10

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt über jeden Ausschussantrag getrennt.

Zunächst Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: die dem Ausschussbericht 1128 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Beitritt der Europä­ischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Wer stimmt dem zu? – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 148.)


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Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: die dem Ausschussbericht 1130 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend: Schutz von Menschenrechtsver­teidigerinnen und -verteidigern weltweit verstärken.

Wer stimmt dem zu? – Das ist einstimmig angenommen. (E 149.)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: die dem Ausschussbericht 1131 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Verbesserung der Menschen­rechts­lage in Bahrain.

Zustimmung von wem? – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 150.)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Lintl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Menschenrechtslage für Frauen in Öster­reich – Schutz vor Verletzung des Privatlebens.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 12:

Zunächst Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Menschenrechte, seinen Bericht 1132 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrags 1660/A(E) zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1132 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Menschenrechtslage in der Türkei.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen. (E 151.)

22.28.2813. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1205/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen (1129 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Jetzt kommen wir zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Erste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


22.28.57

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ist einer der wenigen Oppositionsanträge, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben. Ich möchte dazu aber ein paar inhaltliche Dinge sagen.

Viele von uns – die Grünen, die NEOS – sagen in den letzten zwei Jahren, dass ein­heitliche Integrationsmaßnahmen statt des derzeitigen Fleckerlteppichs notwendig wären. Es gibt viele Maßnahmen, die von den Gemeinden angeboten werden, von NGOs angeboten werden, die teilweise vom Integrationsministerium gefördert werden, teilweise wieder nicht. Es war lange Zeit nicht möglich, einen Überblick zu bekommen, wie viele Deutschkurse es insgesamt gibt. Derzeit ist der Überblick meinen Infor­mationen nach auch sehr unvollständig. Also würde der ursprüngliche Antrag des Kollegen Scherak Sinn machen.

Er würde auch deshalb Sinn machen, weil die Asylverfahren noch immer teilweise jahrelang dauern, was zur Folge hat, dass Menschen nach zwei, drei, vier, im schlimmsten Fall fünf, sechs Jahren am Ende des Asylverfahrens, wenn sie Asyl bekommen, diese ganzen Jahre im Land waren und nicht einmal einen Deutschkurs


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besuchen konnten, weil für sie nach dem jetzigen System keine Deutschkurse vor­gesehen sind.

Im Menschenrechtsausschuss waren die Regierungsfraktionen SPÖ und ÖVP dafür, den ursprünglichen Antrag der NEOS sozusagen inhaltlich zusammenzukürzen und Integrationsmaßnahmen und vor allem Deutschkurse und Orientierungskurse für Menschen im Asylverfahren zu streichen.

Wir sind der Meinung, dass der ursprüngliche Antrag sinnvoller gewesen wäre und auch heute noch sinnvoller wäre, aus dem genannten Grund: weil die Asylverfahren eben nicht so zügig durchgeführt werden. Bis heute ist es so, dass sie teilweise jahrelang dauern.

Ich bitte Sie, sich auch nur für einen Moment vorzustellen: Sie mussten flüchten, Sie gehen in ein fremdes Land, verbringen dort zwei, drei, vier, fünf Jahre im Asylver­fahren, dürfen die Landessprache gar nicht lernen, arbeiten dürfen Sie im Regelfall auch nicht. Dass das nicht unbedingt Sinn macht – auch integrationspolitisch nicht und was das Zusammenleben betrifft –, liegt, denke ich, auf der Hand.

Deshalb werden wir auch dem negativen Ausschussbericht nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass der Antrag in der ursprünglichen Fassung auch heute Sinn machen würde.

Weil wir aber der Meinung sind, dass bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen, die zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und auch den anbietenden NGOs koordiniert werden, wo es einen Überblick über bestehende Integrationsangebote gibt, Sinn machen, werden wir dem Entschließungsantrag, der dann letztendlich im Menschenrechts­ausschuss beschlossen wurde, zustimmen.

Ich möchte abschließend daran erinnern, dass unsere Aufgabe hier nicht nur Anträge zu beschließen ist, sondern auch zu verfolgen, ob diese beschlossenen Anträge wirklich umgesetzt werden. In diesem Sinne möchte ich an den Herrn Integrations­minister appellieren, diesen Antrag wirklich ernst zu nehmen, denn die Menschen sind da, sie sind im Land, und wenn keine Sprachkenntnisse vermittelt werden, wenn keine Orientierungskurse stattfinden, werden sich die Beschwerden bezüglich Zusammen­leben und die Konflikte in den nächsten Monaten und Jahren gezwungenermaßen mehren. Ich denke, das wollen wir alle nicht. Wir wollen ein funktionierendes Zusam­menleben.

In diesem Sinne bitte ich nicht nur um die Annahme des Antrags, sondern das zu­ständige Ministerium auch um die Umsetzung in den nächsten Monaten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.33


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser. – Bitte.

 


22.33.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Herren Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Gedanken zur Migrationspolitik formulieren, weil ich glaube, dass das aktuell das bestimmende politische Thema in Österreich und auch global ist.

Zum einen: Was braucht es und was ist bereits geschehen? – Gestern haben wir einen wichtigen Beschluss gefasst, es wurden 160 Millionen € mehr für die Entwicklungs­zusammenarbeit dotiert. Es wird in verschiedensten Ländern in die Bildung, in die Gesundheit und in ein besseres Investitionsklima investiert. Leider konnte die FPÖ da nicht mitgehen. Und heute haben Sie es geschafft, dass Sie sozusagen die eigene


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Bevölkerung vor der Menschenrechtskonvention schützen – ein interessanter gedank­licher Sprung.

Zum anderen brauchen wir Diplomatie und Hilfe in den Krisenländern. Ich darf hier die verschiedensten Maßnahmen der Außenminister, inklusive Sebastian Kurz, auf UNO-Ebene, auf europäischer Ebene hervorheben. Da braucht es auch noch mehr und immer wieder Anläufe, um die Situation in Krisenländern zu verbessern. Es braucht die Sicherung der Außengrenzen. Auch da wird es notwendig sein, die EU schneller und handlungsfähiger zu gestalten. Und letztendlich werden wir gefordert sein, uns auch ein Stück mehr Solidarität im europäischen Kontext zu erarbeiten.

Wir brauchen ein effizienteres Asylsystem. Wir brauchen schnellere und fairere Ver­fahren, und wir brauchen raschere und konsequentere Abschiebungen, so wie es interessanterweise Peter Pilz von den Grünen heute am Vormittag gefordert hat. Ich darf hier auf die Aktivitäten der Bundesregierung beim Asylgipfel 2016 am 20. Jänner verweisen.

Letztendlich braucht es die Integrationsmaßnahmen vor Ort. Hier darf ich berichten, dass es bereits seit November 2015, angetrieben von Bundesminister Sebastian Kurz, einen 50-Punkte-Plan gibt, in dem es um Sprache und Bildung, Arbeit, Beruf, Rechtsstaat und Werte, Gesundheit, Soziales und vieles andere mehr geht. Ich darf festhalten, dieses Programm ist ein Arbeitsprogramm, und es ist in Arbeit.

Ich darf mich an dieser Stelle wirklich bei allen Damen und Herren, die sich jetzt freiwillig oder hauptamtlich dieser Arbeit widmen, bedanken, weil sie einen großen Beitrag für unsere Gesellschaft und für unseren gesamten Staat leisten, wenn es um Wohlstand und Frieden, wenn es um wirtschaftlichen Erfolg, wenn es um öffentliche Sicherheit und gesellschaftlichen Konsens und letztendlich auch um den sozialen Frieden in unserem Land geht. Und wir, alle Parteien in diesem Haus, wären gut beraten, wenn wir in diesem Sinne an einem Strang ziehen würden. Ich ersuche Sie um Ihre Unterstützung! – Danke schön und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

22.36


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


22.36.49

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir beschließen mit diesem Antrag, der ursprünglich von uns eingebracht wurde, dass der Integrationsminister sich mit den Bundesländern darauf verständigt, eine 15a-Vereinbarung abzuschließen, die bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen vorsieht. Ich halte das für sehr, sehr wichtig. Wir haben momentan viele gute Integra­tions­beispiele in Österreich. Es gibt viele Gemeinden, viele Städte, auch einzelne Bundesländer, die hier einen guten Weg gehen. Ich denke aber, dass ein Fleckerl­teppich nicht sonderlich sinnvoll ist. Es kann nicht davon, in welchem Bundesland ich lande, abhängen, wie die Integrationsmaßnahmen sind und welche angewendet werden.

Ich denke, es ist sinnvoll, wenn wir hier gemeinsame Standards haben, damit wir klar wissen, wie wir entsprechend sinnvolle Maßnahmen setzen können. Vor allem können wir dadurch auch gut von Best-Practice-Beispielen lernen, die in vielen Bundesländern und Gemeinden schon umgesetzt werden. Deshalb ist die Bundeseinheitlichkeit sehr, sehr sinnvoll.

Mein ursprünglicher Antrag ist ein wenig weiter gegangen, nämlich dass in diese Integrationsmaßnahmen auch Asylwerber miteinbezogen werden. Ich glaube, dass wir auch ein großes Augenmerk darauf legen müssen, dass wir bei Flüchtlingen, die nach Österreich kommen und bei denen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sie da-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 247

bleiben, viel, viel früher mit Integrationsmaßnahmen anfangen, dass wir Deutschkurse ab dem ersten Tag anbieten und nicht nur auf freiwilliger Basis, so wie es jetzt geschieht, dass wir über einen früheren Arbeitsmarktzugang nachdenken, dass wir über Kompetenzchecks so früh wie möglich nachdenken.

Der wesentliche Grund dafür ist ein ganz einfacher: Wenn wir Flüchtlinge haben, die drei Jahre im Asylverfahren sind, die in dieser Zeit nicht Deutsch lernen können, weil es keine Möglichkeiten gibt, die keine Chance haben, am Arbeitsmarkt tätig zu sein, und so weiter und so fort, werden wir danach massive Folgekosten haben. Jeder kann sich vorstellen, was geschieht, wenn ich in ein fremdes Land komme, dort drei Jahre untätig herumsitze, die Sprache nicht lerne. Dass das nachhaltig nicht sinnvoll sein wird, ist, denke ich, ganz etwas Logisches. Also auch da sollten wir ansetzen und unsere Bemühungen dahin gehend auch verstärken. (Beifall bei den NEOS.)

22.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Yilmaz. – Bitte.

 


22.38.48

Abgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Ich freue mich auch und danke Kollegem Scherak für die Initiative dieses Antrages. Es ist immens wichtig, dass die Menschen im gesamten Bundesgebiet die gleichen Chancen vorfinden, Kurse, Unterkünfte, Orientierungskurse, dass es zu bundeseinheitlichen Integrationsmaßnahmen und Initiativen kommt, damit die Menschen dort, wo sie hingebracht wurden, aufgeteilt wurden aufgrund der Quote, auch bleiben können und nicht in die Städte strömen, wo diese Angebote, wie wir wissen, vermehrt vorhanden sind.

Meiner Ansicht nach auch wichtig gewesen wäre – wie Kollege Scherak auch gesagt hat – mehr Integration ab Tag 1, nämlich auch für diejenigen, die ihr Asylverfahren abwarten. Jeder Tag, jede Woche ist eine verlorene Zeit, die man manchmal nicht mehr aufholen kann.

Aber das zeigt auch, dass Integration eine Querschnittsmaterie ist. Es geht um Bil­dung, Erwachsenenbildung, es geht um den Wohnbau, es geht um den Arbeitsmarkt, um Soziales. Wir müssen in dieser Thematik genauso querdenken wie in der Frauen­politik. Ich denke, es gibt sehr viele Parallelen zwischen Integration und Frauenpolitik.

Ich danke den MenschenrechtssprecherInnen der vier Fraktionen, die diesen Antrag, diese Initiative zusammengeführt haben, sodass wir das heute beschließen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.

 


22.41.07

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist das Land, in dem Milch und Honig fließen und wo das Geld anscheinend auf den Bäumen wächst – anders ist der Antrag der NEOS nicht zu erklären. Sie fordern in Ihrem Antrag – und ich lese vor – „bundes­einheitliche Integrationsmaßnahmen“. So weit, so gut. Das wäre prinzipiell nicht schlecht, wenn sie für Asylberechtigte wären, weil es sinnvoll ist, wenn es in dem einen Bundesland nicht andere Maßnahmen gäbe als in dem anderen, was zum Beispiel zu einem Zuzug in ein einziges Bundesland führt; wir haben zum Beispiel schon erlebt, dass Asylwerber, Asylberechtigte nach Wien gekommen sind.

Aber ich lese weiter, Sie fordern „bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen“. Darun­ter zu verstehen sind zum Beispiel Deutschkurse oder geeignete Wohnungen für


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Asylwerber – ich wiederhole: Asylwerber. Da sind wir schon beim Punkt: Entweder haben Sie noch immer nicht den Unterschied zwischen einem Asylwerber und einem Asylberechtigten verstanden oder Sie glauben wirklich, dass Österreich unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Um Ihnen noch einmal den Unterschied zu erklären: Ein Asylwerber ist jemand, der nach Österreich kommt, egal aus welchem Land, egal aus welchem Grund, und hier einen Asylantrag stellt – Punkt, mehr auch nicht. Das sagt überhaupt nichts über seine Berechtigung aus. Vielleicht bekommt er sie, vielleicht aber ist auch von Anfang an klar, dass er sie überhaupt nie bekommen wird, weil er zum Beispiel aus dem Kosovo kommt. Genau in diese Leute wollen Sie jetzt Millionen investieren, um sie in ein Land zu integrieren, das sie vielleicht Monate, vielleicht auch Wochen, aber vielleicht auch Tage später wieder verlassen müssen? – Das nenne ich das Gegenteil einer sinnvollen Mittelverwendung der ohnehin schon knappen Ressourcen! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das sorgt übrigens auch dafür, dass das Geld eben nicht bei denen landet, die tatsächlich berechtigt sind, die tatsächlich nach Österreich kommen, weil sie Hilfe brauchen, weil sie Asyl suchen. Sie wollen das Geld lieber nach dem Gießkannen­prin­zip an alle ausschütten, und zum Schluss bleibt dann nichts mehr übrig für diejenigen, die tatsächlich etwas brauchen, weil wir einfach begrenzte Ressourcen haben. Aber bei Asylkosten von rund 600 Millionen € im vergangenen Jahr und prognostizierter 1 Milliarde € in diesem Jahr – wobei es da auch unterschiedliche Prognosen gibt, manche gehen auch von höheren Kosten aus – halte ich diesen Antrag aus finanziellen Gründen eigentlich für absolut unverantwortlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Oder steckt vielleicht doch etwas anderes dahinter, werte Kollegen von den NEOS? Wollen Sie alle Asylwerber integrieren, weil Sie tatsächlich wollen, dass alle hier in Österreich bleiben dürfen? Oder verstehe ich Sie da falsch? Wir hatten 90 000 Asyl­werber im vergangenen Jahr, dieses Jahr bereits 20 000, wobei wieder 90 000 erwartet werden, und da ist der Familiennachzug noch gar nicht miteingerechnet – und Sie wollen tatsächlich, dass sie alle integriert werden, weil sie hier bleiben sollen, oder wie ist dieser Antrag zu verstehen? Werte Kollegen von den NEOS, jemand, der einen negativen Asylbescheid hat, soll Österreich auch wieder verlassen, und das am besten so schnell wie möglich. (Beifall bei der FPÖ.)

Da gebe ich auch dem Kollegen Pilz recht, der gesagt hat, wir sollten lieber schauen, dass das Asylverfahren beschleunigt wird, dass diese Menschen schneller Rechts­sicher­heit haben und auch wissen, ob sie hier bleiben können oder nicht. Wenn sie diese Gewissheit haben, diese Rechtssicherheit, dann sind Integrationsmaßnahmen sinnvoll, dann sind auch bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen sinnvoll. Genau deswegen stimmen wir auch dem Entschließungsantrag des Ausschusses zu, der besagt, dass wir bundeseinheitliche Integrationsmaßnahmen für Asylberechtigte wollen. Diesem Antrag werden wir zustimmen, aber für Asylwerber ist das finanziell einfach nicht tragbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Übrigens wäre dann auch Ihre Forderung, die wir ja auch teilen, nämlich dass die EZA-Zahlungen an die Rückführung gekoppelt werden, absolut sinnlos, wenn Sie von den NEOS laut Ihrem Antrag wollen, dass alle Asylwerber in Österreich integriert werden, denn wen wollen Sie dann überhaupt noch zurückführen? (Abg. Scherak: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wiederhole es noch einmal: In Zeiten, in denen es an allen Ecken und Enden fehlt, in denen wir die höchste Staatsverschuldung der Geschichte haben, in denen gespart wird, bei der Bildung, bei der Sicherheit, bei der Gesundheit, bei der Pflege, und, und, und, sind wir mit Sicherheit nicht bereit, Millionen


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für die Integration von Menschen auszugeben, die das Land in ein paar Wochen, vielleicht in ein paar Monaten wieder verlassen werden. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Scherak und Loacker.)

Werte Kollegen von den NEOS! Wir wollen weder unsere knappen Ressourcen, unsere knappen finanziellen Mittel wie eine Gießkanne an alle ausschütten, noch wollen wir einen Asylantrag zu einem Einwanderungsrecht machen.

Von uns gibt es zu Ihrem Antrag ein klares Nein, zum Entschließungsantrag ein Ja. (Beifall bei der FPÖ.)

22.45


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


22.46.02

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Die Herren Minister! Hohes Haus! Ich kann meiner Vorrednerin schon zustimmen. Ich habe zunächst auch gedacht, okay, das ist eine vernünftige Sache, der Antrag der NEOS, nämlich in dem Punkt, dass man Deutschkurse für Asylwerber – und zwar für Asylberechtigte, also nicht nur für Asylwerber, sondern für Asylberechtigte – machen kann und dafür in den Ländern einheitliche Regeln schafft. Das ist okay. Aber dann habe ich weitergelesen und bezüglich der Artikel-15a-Vereinbarung muss ich Kollegin Steger recht geben. Da geht es nicht nur um Deutschkurse, sondern da geht es um Wohnungen, und zwar für Asylwerber und nicht nur für Asylberechtigte. (Abg. Scherak: Wollen Sie sie auf der Straße schlafen lassen?)

Jetzt müssen wir schon einmal diskutieren, Herr Kollege Scherak! Das Team Stronach ist immer dafür, dass man relativ schnell einmal prüft, ob jemand überhaupt eine Asylberechtigung hat oder ob er keine Asylberechtigung hat. Die Schweiz hat dafür ein 48-Stunden-Verfahren. Nehmen wir das Beispiel von Kollegin Steger mit dem Kosovo: Wir wissen genau, dass es dort zu 99,99 Prozent keinen Asylgrund gibt, genauso wenig in Marokko, genauso wenig in verschiedenen anderen Ländern in Nordafrika, wie wir wissen, woher aber sehr viele Leute kommen. – Die würden Sie alle in einen Deutschkurs schicken? Denen würden Sie allen eine Wohnung geben? Wer finanziert das? NEOS? – Ich glaube, NEOS wird das nicht finanzieren können.

Das ist der Punkt, zu dem es mir einmal aufgestoßen hat. Und deswegen werden wir den Regierungsantrag, in dem ganz klar drinsteht, dass Deutschkurse für Asyl­berechtigte über eine Artikel-15a-Vereinbarung gemeinsam geregelt werden, unter­stützen, nicht aber diese Träume der Linkslinken, dass man alle aufnimmt und dass alle in Österreich bleiben. Wir haben schon von Kollegin Korun gehört, Asylverfahren dauern fünf, sechs Jahre. Na, dann sind wir eh schon beim humanitären Bleiberecht, weil man sagt, dann kann man sie nicht mehr heimschicken. Erinnern Sie sich an den Fall Zogaj, man hat die Abschiebung hinausgezogen bis zum Gehtnichtmehr!

Diese Asylindustrie gibt es genauso in Holland. Ich habe Ihnen immer gesagt, wir brauchen das Schweizer System, das sehr effizient ist, das sehr treffsicher ist und das schnell prüft. Auch Deutschland orientiert sich mittlerweile daran. Das wäre der richtige Weg, dann müssten wir über solche Blödsinnigkeiten nicht nachdenken.

Aber der Regierungsantrag ist in Ordnung. Er ist zwar harmlos, ist aber so, dass man sagt: Wenn jemand asylberechtigt ist, dann soll er auch Deutsch lernen können. Das ist die erste Integrationsmaßnahme, das ist der richtige Weg.

Der zweite Weg ist dann, dass die Menschen, die hier bleiben dürfen, sich auch wirklich integrieren und nicht eine Parallelgesellschaft bilden. Das sollte man auch im


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 250

Auge behalten, dazu habe ich aber noch keinen Antrag von den NEOS gesehen. (Beifall beim Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.49


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Kurz zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


22.49.12

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz: Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Herausforderung an der Integration ist, dass sie ein langer und teilweise beschwerlicher Weg ist, das Schöne an der Integration ist, dass jeder einen Beitrag leisten kann. Die Integration ist, und das haben einige angesprochen, natürlich eine Querschnittsmaterie, wozu die unterschiedlichen Ministerien einen Bei­trag leisten, die Länder und Gemeinden aktiv sind. Natürlich wird es auch in Zukunft in einem föderalen Land immer wieder Unterschiedlichkeiten und gewisse Unterschiede im Zugang vor Ort geben, nichtsdestotrotz ist es sinnvoll und richtig, dass die Integrationsarbeit in Österreich bestmöglich koordiniert ist und das Zusammenspiel bestmöglich funktioniert. Insofern unterstütze ich selbstverständlich die Idee einer Artikel-15a-Vereinbarung zwischen Ländern und Bund.

Die Schwerpunkte – das haben wir im Ausschuss diskutiert – sollen ganz klar natürlich der Spracherwerb als Basis für jede gelungene Integration sein, die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkteinstieg und den Einstieg in das Ehrenamt, um nicht Zaungast am Rand unserer Gesellschaft zu bleiben, sondern einen Beitrag in Österreich zu leisten, und zum Dritten die Wertevermittlung, nicht weil die Menschen, die zu uns kommen, schlecht sind, sondern weil sie aus ganz anderen Kulturkreisen kommen und dadurch natürlich begleitet werden müssen, wenn sie im österreichischen System ankommen sollen.

Ich darf in diesem Zusammenhang ein großes Danke an all die Ehrenamtlichen sagen, die einen großen Beitrag in der Integrationsarbeit leisten. Ich habe erst gestern zum Beispiel insgesamt hundert Freiwillige beim Projekt „Treffpunkt Deutsch“ getroffen, die insgesamt gemeinsam 3 500 Kursplätze zustande gebracht haben. Ohne das Engage­ment der Ehrenamtlichen in Österreich würden wir eine Vielzahl der Integra­tionsleis­tungen, die wir im Angebot haben, so nicht auf den Boden bringen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Streitpunkt der Zielgruppe für Integrationsmaßnahmen vielleicht einen pragma­tischen Vorschlag von meiner Seite: Aus meiner Sicht gibt es drei Gruppen. Es gibt diejenigen, die relativ fix dableiben dürfen, wo wir im Verfahren schon wissen, dass die Anerkennungsquote eine hohe ist. Es gibt diejenigen, bei denen wir es nicht genau wissen, bei denen es sein kann, aber auch nicht. Und es gibt die Gruppe, bei der wir von Anfang an wissen, dass es eine große Chance oder eigentlich eine hundertpro­zentige Chance gibt, dass sie wieder zurückkehren müssen – Stichwort Kosovaren.

Die Kosovaren waren in den ersten drei Monaten im letzten Jahr unsere größte Gruppe an Asylwerbern, obwohl es 0 Prozent Anerkennungsquote gibt. Insofern würde ich ganz pragmatisch vorschlagen, dass man ganz klar unterscheidet, von welcher Gruppe wir sprechen. Sprechen wir von Menschen, die eine hohe Chance auf Anerkennung haben, ist natürlich die Integration von Anfang an absolut sinnvoll, und es ist richtig, schon bei Asylwerbern anzusetzen. Sprechen wir von Menschen, bei denen wir uns sicher sind, dass sie unser Land wieder verlassen müssen, dann ist die Rückstellung so schnell als möglich der beste Weg, damit die Menschen möglichst kurz in Österreich sind und damit es auch ein Signal an alle anderen gibt, dass es sich nicht auszahlt, sich auf den Weg nach Österreich zu machen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 251

Insofern halte ich den Antrag für einen sehr gut formulierten und pragmatischen Antrag, je nachdem, von welcher Gruppe wir sprechen, ist ein anderer Zugang sinnvoll. Am Ende des Tages geht es darum, dass diejenigen, die dableiben dürfen, schnellst­möglich integriert werden und diejenigen, die zurückkehren sollen, das auch schnellst­möglich tun. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

22.52


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Bundesminister.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schönegger. – Bitte.

 


22.53.07

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Herr Bundesminister Kurz, Sie haben das sehr richtig auch schon zu Beginn gesagt, das Thema Integration ist wohl eines der unbestritten schwierigsten, forderndsten und auch arbeitsintensivsten Themen, das uns verantwortliche Politiker, ich glaube, in ganz Europa derzeit beschäftigen muss, wenn uns die Zukunft unseres Kontinents – und da spreche ich nicht nur vom Land Österreich, sondern des gesamten Kontinents – ein Anliegen ist, und das ist auch unsere Verantwortung.

Integration ist ein Thema, das unbestritten nicht von heute auf morgen funktionieren kann, sondern das wird erst auf lange und auf längere Sicht zum Tragen kommen. Um der aktuellen Herausforderung auch in Österreich Rechnung zu tragen und zu begegnen, braucht es – und das ist unbestritten von allen, wie unterschiedlich wir auch sind, es ist trotzdem unbestritten von allen angesprochen worden – ein Kommitment von allen Beteiligten, Bund, Ländern und den hauptbetroffenen Kommunen und Städten Österreichs. Auf diese gemeinsame Vorgehensweise haben sich – und das ist auch zu erwähnen – die Länder bereits im Dezember 2015 im Rahmen der Landesinte­grationsreferenten/-referentinnen-Konferenz geeinigt. Ich denke, wir kommen gut voran, Artikel-15a-Vereinbarungen in allen möglichen Bereichen, die wichtig sind, die notwendig sind, die unbestritten notwendig sind, auch auf den Weg zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dazu gehören auch die 50 Punkte, die mein Kollege Strasser vorhin schon angesprochen hat, die der Bundesminister vorge­schlagen hat. Als Grazer darf ich auch mit Stolz sagen, was für viele Städte in Europa gilt, gilt natürlich besonders auch für Graz. Wir haben in Graz eines geschafft, wir haben, auch mit Unterstützung des Bundesministers und des Bürgermeisters Nagl und des zuständigen Integrationsstadtrates in Graz Hohensinner, eine Integrationsstrategie gefunden und entwickelt, mit der wir treffsicher, mit klaren Vorgaben agieren können. Sprache ist ein wesentlicher Faktor, aber auch das Festschreiben von Rechten und Pflichten im Rahmen eines Integrationsvertrages. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ich denke, das kann ein Best-Practice-Beispiel sein, denn eines ist klar: Falsch verstan­dene Toleranz, insbesondere Auswüchse falsch verstandener politischer Korrektheit bringen uns in dieser Frage überhaupt nicht weiter, sondern behindern unseren Blick auf die Realität. Und das ist anzusprechen, ohne in verbale Wirtshaus­raufereien, wie es manche eher pflegen, abzugleiten, ohne in irgendwelche Träume­reien abzugleiten, sondern mit dem Blick auf die Realität, was notwendig ist, was wir zu tun haben. Wer sich weigert, den Geist der Aufklärung, den Rechtsstaat zu respek­tieren, wer lieber im geistigen Mittelalter verharrt, der hat bei uns nichts verloren. Ich denke, das müssen wir ganz klar kommunizieren und den Menschen, die zu uns kom­men, ganz klar mitteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der heute erste Auftritt des Bundeskanzlers hat gezeigt, das Wort New Deal ist wieder en vogue. Ich nehme an, dass er nicht den


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 252

New Deal der Dreißigerjahre meint, sondern dass er einen New Deal des Jahres 2016 meint. Und zu diesem New Deal des Jahres 2016 gehört eine kluge Integrations­strategie, gehört es, Grenzen zu setzen dort, wo sie notwendig sind, und die Hand auszustrecken dort, wo es auch sinnvoll ist.

In diesem Sinn freue ich mich auf diese zukünftige neue Art der Regierungsarbeit. Dieser neue Stil, Sebastian Kurz ist ein Garant dafür, wird uns als Land, als Republik nach vorne bringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Buchmayer. – Bitte.

 


22.57.24

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich denke, bei der Diskussion im Menschen­rechtsausschuss stellte sich sehr klar heraus, dass die Sprache Deutsch sehr, sehr wichtig für MigrantInnen, für Asylsuchende, für bereits asylberechtigte Migranten und eine Voraussetzung für Integration überhaupt ist, um Zugang zu Bildung zu bekom­men, zu vielen Dingen, die notwendig sind, um sich überhaupt integrieren zu können.

Wie ist die reale Situation? – Derzeit ist ein Deutschkurs im besten Falle bei einem positiv abgeschlossenen Asylverfahren möglich. Da die Asylverfahren in der Realität aber wegen der großen Anzahl an Asylwerbern sehr lange dauern, haben Asylwerber kaum die Möglichkeit, zu einem offiziellen Deutschkurs zu kommen. Dank vieler Frei­williger – NGOs, die Caritas, die Volkshilfe, das Rote Kreuz, Integrationsfonds – finden sehr viele Deutschkurse statt. Die DeutschlehrerInnen, die dort unterrichten, stecken meist selbst Geld in den Unterricht für Kopien, Bleistifte, Notizblöcke und Unterrichts­materialien. Das wird bei Gruppengrößen von bis zu 50 Personen schnell teuer.

In einigen Orten und Städten unterstützen die Gemeinden und die Städte den Unter­richt mit der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten. Vor allem hervorzuheben ist der Österreichische Integrationsfonds, dort können Deutschunterlagen heruntergela­den werden, aber auch circa 100 Seiten auszudrucken kostet letztendlich Geld. Vom Roten Kreuz gibt es ein Büchlein, „Angekommen!“, das in Deutsch, Englisch, Arabisch und Dari aufliegt und die wichtigsten Dinge in Österreich erklärt, vom Gesellschaft­lichen her, von Rechten und Pflichten, bis zum Thema Gesundheit und Bildung. Es sind aber auch 148 Seiten, wenn man es ausdruckt.

Der vorliegende Entschließungsantrag ist schon ein richtiger Weg. Auch wenn Asyl­werberInnen das Land wieder verlassen müssen, sollten sie in der Zeit, in der sie in Österreich sind, die Sprache und Gebräuche verstehen.

Diese Menschen nehmen später ja auch etwas von Österreich mit. Zu monatelangem Nichtstun verdammt zu sein, bringt niemandem etwas. Diese Menschen verzweifeln in so einer Situation. Sie wollen Deutsch lernen, sie wollen ja das Umfeld kennenlernen.

Deshalb richte ich meinen größten Dank und meine Hochachtung an die vielen Frei­willigen, an die vielen NGOs, besonders Caritas, Volkshilfe und das Rote Kreuz, an die Hilfeleistenden in den Gemeinden, verbunden mit der Bitte, auch die Menschen, die diesen Deutschunterricht durchführen, in ihrer Tätigkeit, in den Institutionen finanziell zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 253

23.00.39

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Ministerbank! Zu den bundeseinheitlichen Integrationsmaß­nahmen: Österreich hat sich vorerst nahezu unbegrenzt, nunmehr mit einer Ober­grenze, jährlich abnehmend, zur Aufnahme asylwerbender Personen entschlossen. Ein Ende des Flüchtlingszuzuges ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, sodass die Obergrenze meiner Einschätzung nach nicht einzuhalten sein wird.

Bezug nehmend auf die unterschiedlichen Kulturen, Sprachen sowie Ausbildungs­unter­schiede stellt die Integration asylberechtigter Personen einen wesentlichen Aufgaben­bereich dar. Mit Nachdruck ist darauf zu verweisen, dass Asyl kein Recht auf einen Daueraufenthalt bedeutet.

Integration setzt weiters die Anerkennung der heimischen Kultur und Gesetzeslage unabdingbar voraus. Integration kann lediglich nach den Vorgaben des Bundes in Ausführung der Bundesländer gleichwertig erfolgen. Integration in Landgemeinden wird mangels Infrastruktur sowie Betriebsstandorte lediglich bedingt möglich sein.

Es ist unbedingt erforderlich, umfassende personenbezogene Daten zu erfassen und diese in den Integrationsverlauf einzubinden, wobei eine freie Wahl der Örtlichkeit nicht möglich erscheint. Integration ist nicht zum Nulltarif möglich. Wenn ein von der EU vorgegebener Verteilungsschlüssel durch die Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht um­ge­setzt wurde, tragen Strafzahlungen, wie mittlerweile angedacht, nicht nur zur Integra­tion bei, sondern erhöhen den Aufwand aufnahmewilliger EU-Mitgliedstaaten.

Unbestritten ist, dass Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der Bestand einer Wohneinheit als Grundlage eines Arbeitsplatzes Integration wesentlich fördern. Wenn­gleich die österreichische Bundesregierung aufgefordert ist, entsprechende Maßnah­men zu setzen, stellt sich die Frage einer langjährigen Finanzierung.

Abschließend sei die Frage gestattet: Wer kommt dafür auf: die EU oder der heimische Steuerzahler? Sie dürfen raten. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Lopatka.)

23.03

23.03.22

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 13.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Men­schenrechte, seinen Bericht 1129 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsan­trages 1205/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1129 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend bundeseinheitliche Integrationsmaß­nah­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 152.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 254

23.04.1714. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1109 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossenschafts­revisionsgesetz 1997, das SCE-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Versiche­rungsaufsichtsgesetz 2016, das Sparkassengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensreorganisationsgesetz, die Insolvenzordnung und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Abschlussprüfungs­rechts-Änderungsgesetz 2016 – APRÄG 2016) (1123 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter MMag. DDr. Fuchs. (Unruhe im Sitzungssaal.) – Ich bitte um Aufmerksamkeit.

 


23.04.28

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Justizminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die FPÖ hält die Erhöhung der Qualität und die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Abschlussprüfung für wichtige Ziele. Alle Maßnahmen, die zu mehr Transparenz und Unabhängigkeit des Abschlussprüfers beitragen, betrachten wir als sinnvoll.

Die FPÖ begrüßt, dass es im vorliegenden Gesetzentwurf zu keiner generellen Verlän­gerung der externen Rotation über die 10-jährige Mandatsdauer hinaus auf 20 bezie­hungsweise 24 Jahre gekommen ist. Dieser Zeitraum – quasi ein halbes Abschluss­prüfer­berufsleben – wäre zu lange gewesen.

Viele Punkte der aktuellen EU-rechtlichen Vorgaben sind in Österreich bereits seit vielen Jahren – zum Teil deutlich überschießend – eingeführt. In Österreich bestehen seit über 10 Jahren – ohne diesbezügliche EU-rechtliche Vorgaben – Vorschriften für eine interne Rotation, die in zwei Punkten über die nunmehrigen EU-Vorgaben hinausgehen.

Erster Punkt: Anwendung nicht nur für PIEs, sondern auch für fünffach große Gesell­schaften.

Zweiter Punkt: Rotation nach fünf Jahren und nicht nach sieben Jahren, allerdings derzeit mit einer Cooling-off-Periode von zwei Jahren, die – zumindest für PIEs – aufgrund der EU-Vorgaben auf drei Jahre erhöht werden muss.

Maßgeblich für diese Regelung war, dass die interne Rotation seinerzeit die ebenfalls diskutierte externe Rotation ersetzen sollte. Die historischen Beweggründe treffen jedoch nicht mehr zu, und daher können wir hier auch eine leichtere Regelung einfüh­ren.

Angesichts der nun einzuführenden externen Rotation sollte die bislang in Österreich strenger geregelte personenbezogene interne Rotation daher an die Mindestvorgaben der EU angepasst werden – also eine interne Rotation nach sieben Jahren mit einer dreijährigen Cooling-off-Periode. Der noch einzubringende Abänderungsantrag wird dies sicherstellen.

Zu betonen ist, dass insbesondere die kleinen und mittelgroßen Prüfungsbetriebe mitunter keine Möglichkeit zur internen Rotation haben und daher aus dem Markt gedrängt werden. Eine Verlängerung der internen Rotation begünstigt somit die kleinen und die mittelgroßen Prüfungsbetriebe.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 255

Ein Instrument, das die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers tatsächlich stärken könnte, wäre die Bestellung des Abschlussprüfers vor Beginn des zu prüfenden Geschäftsjahres und nicht – wie derzeit vorgesehen – vor Ablauf des Geschäftsjahres. Dadurch würde der jeweils tätige Abschlussprüfer zum Zeitpunkt der laufenden Prü­fung bereits wissen, ob er für das nächste Jahr bestellt ist oder nicht. Das würde eine mögliche Rücksichtnahme bei der laufenden Prüfungsdurchführung auf eine mögliche Wiederbestellung vermeiden. Dieser Aspekt ist leider nicht im Abänderungsantrag enthalten.

Im Großen und Ganzen sind wir Freiheitliche aber mit dem vorliegenden Gesetz­entwurf in der Fassung des Abänderungsantrages – der den zweiten Teil der Umset­zung EU-rechtlicher Vorgaben nach dem APAG bildet – einverstanden und werden daher dem APRÄG 2016 unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


23.08.35

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ – eine berühmte Zeile aus dem Gedicht „Die Glocke“ von Friedrich Schiller. Ich verwende diese Zeile heute, um den Bogen zu spannen zum modernen Wirtschaftsleben, da passt dieses Zitat ganz gut für große Transaktionen, Zusammenschlüsse von Unternehmen oder für den Abschluss von langjährigen Geschäftsbeziehungen. Die Rolle der Abschlussprüfer zur Unterstützung dafür ist klar: Sie durchleuchten die Unternehmen genau, primär aus bilanzrechtlicher Sicht, dahin gehend ob die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung auch entsprechend eingehalten werden.

Mit dieser Regierungsvorlage zum Abschlussprüfungsrecht werden nun Teile der Abschlussprüfungs-Richtlinie der EU ins nationale Recht umgesetzt, die das Unterneh­mensrecht, das Gesellschaftsrecht und das Genossenschaftsrecht betreffen.

Ziel ist es, die Qualität von Abschlussprüfungen und damit auch das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu steigern. Große Kostenbelastungen und bürokratischer Aufwand für die Unternehmen sollen vermieden werden.

Wie wichtig die Arbeit von Abschlussprüfern und die Qualität ihrer Arbeit sind, hat sich in der letzten Finanzkrise deutlich gezeigt. Mit dem APRÄG 2016 wollen wir nun weiter sicherstellen, dass die Prüfer ihre Arbeit unabhängig und unparteilich machen können, dass aber auch die Anforderungen an sie klarer und vorhersehbarer sind. Auch die Rolle des Prüfungsausschusses in Aufsichtsräten wird klar gestärkt.

Ich hebe folgende zwei Maßnahmen hervor:

Schon bisher durften Abschlussprüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse zur Vermeidung einer Befangenheit für ein Jahr nach Abschluss der Prüfung keine leitende Stellung im geprüften Unternehmen annehmen.

Dieses befristete Tätigkeitsverbot wird nun einerseits auf alle Abschlussprüfer aus­gedehnt, andererseits bei Unternehmen von öffentlichem Interesse auf zwei Jahre verlängert. Zusätzlich sollen zukünftig auch sämtliche an der Prüfung beteiligten Mitar­beiter des Abschlussprüfers vom Verbot umfasst sein, sofern sie selbst zugelassene Wirtschaftsprüfer sind. Ich glaube, das ist eine gute und richtige Maßnahme.

Die Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats für Abschlussprüfer und Prüfungsgesell­schaf­ten von Unternehmen von öffentlichem Interesse, den sogenannten PIEs, wird auf zehn


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 256

Jahre limitiert. Das ist, wie Sie wissen, die externe Rotationspflicht, die wir so fest­gelegt haben. Danach schließt sich eine vierjährige „Abkühlphase“ an. Wir haben mit diesem Limit einen guten und ausbalancierten Weg gefunden. Ich bringe Ihnen auch gerne Argumente, die für eine langfristige Zusammenarbeit von Abschlussprüfern und Unternehmen sprechen. Nach einer europäischen Studie sind Erstprüfungen um etwa 25 Prozent teurer als die Folgeprüfungen.

Bei der Erstprüfung muss sich der Abschlussprüfer mit der Buchführung und dem internen Kontrollsystem der Gesellschaft vertraut machen. Aufseiten des Unterneh­mens fallen Kosten für die Suche nach einem geeigneten Wirtschaftsprüfer an, ebenso gibt es eine verstärkte Bindung von Personalressourcen, denn jedes Mal, wenn der Prüfer erstmals prüft, ist er auch mit ganz grundlegenden Informationen zu versorgen. Empirische Studien belegen zudem, dass mit zunehmender Mandatsdauer die Prü­fungsqualität eher steigt und nicht sinkt. Daher ist es gut, dass wir diesen langen Zeitraum gefunden haben, der diese Vorteile auch entsprechend unterstützt.

Meine Kollege Groiß wird anschließend einen Abänderungsantrag einbringen. Ich freue mich – danke übrigens für die Gespräche! –, dass wir mit diesem Abänderungsantrag, den wir gemeinsam mit der FPÖ und unserem Koalitionspartner gemacht haben, vor allem jene Änderungen noch durchführen können, die kleine Wirtschaftsprüfer­kanz­leien und die KMUs stärken werden. Das ist ein richtiger Schritt im Sinne der Wirtschaft und der Vielfalt für Bewerbungsverfahren.

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns ausdrücklich zu allen Maßnahmen, die zu einer weiteren Verbesserung von Transparenz und Unabhängigkeit in der Wirt­schaftsprüfung beitragen, denn Qualität schafft Glaubwürdigkeit. Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort Österreich, und das bringt uns Schritt für Schritt weiter nach vorne. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

23.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


23.12.49

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Vertrauen und Transparenz sind wesentliche Bausteine für eine gute Entwicklung eines Finanzplatzes und genauso für eine gute Entwicklung großer Unternehmen. Selbstverständlich ist es enorm wichtig, den Bereich der Abschlussprüfungen zu stärken, zu verbessern, die Qualität der Prüfungen zu verbessern und insbesondere auch das Vertrauen in die Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse zu erhöhen.

Das APRÄG lag uns vor, und am Nachmittag ist dazu ein Abänderungsantrag gekom­men. Bislang haben wir in Bezug auf die externe Rotation eine Laufzeit von zehn Jahren bei Unternehmen von öffentlichem Interesse gehabt – mit der Möglichkeit zur Verlängerung auf 20 Jahre beziehungsweise 24 Jahre, wenn es um ein Joint Audit ging – und bei der internen Rotationen fünf Jahre Laufzeit und zwei Jahre Pause.

Was haben wir jetzt aufgrund dieses Abänderungsantrages? – Obwohl wir schon letztes Mal in der Debatte im Plenum darauf hingewiesen haben, dass es dringend notwendig ist, da eine konsequente Verbesserung vorzunehmen, haben wir jetzt noch einmal eine Aufweichung der Regelungen, die im Justizausschuss beschlossen wor­den sind. Jetzt ist die interne Rotation auf sieben Jahre verlängert, mit drei Jahren Pause. Zudem haben wir im Artikel 8, bei der Änderung des BWG, noch einmal eine Aufweichung bei den Fristen und eine einmalige Möglichkeit, dass die Banken auch auf 20 Jahre beziehungsweise 24 Jahre verlängern können.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 257

Beides halten wir für völlig verfehlt. Aus meiner Sicht stellt sich daher die Frage: Was haben Sie aus dem Hypo-Debakel gelernt?, denn hier hätte es jetzt erstmals die Chance gegeben, die Qualität der Wirtschaftsprüfungen zu verbessern und die inter­nen und externen Rotationsfristen anzupassen.

Meiner Ansicht nach ist auch das nicht nachvollziehbar, Frau Kollegin, was Sie zu den Kosten ausgeführt haben. Sie reden von den Kosten der Geprüften, und wenn Sie es genau durchgehen, hält sich das trotzdem im Rahmen. Wir hingegen reden von den Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die durch Mängel in den Prüfungen wieder entstehen können.

Fakt ist also: Die erste Möglichkeit, aus dem Hypo-Debakel zu lernen, wurde Ihrerseits vertan, aber Sie haben noch die Chance, unserem Entschließungsantrag zuzustim­men, den ich hiermit einbringe.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­stellung der Unabhängigkeit von Abschlussprüfern

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen, demzufolge

die Höchstlaufzeit von Prüfungsmandaten für Abschlussprüfer und Prüfungsgesell­schaften von Unternehmen von öffentlichem Interesse mit 6 Jahren begrenzt wird und

die Auswahl der Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften von Unternehmen von öffentlichem Interesse nicht durch die zu prüfenden Gesellschaften selbst, sondern durch eine unabhängige Stelle, etwa die Abschlussprüfer-Aufsichtsbehörde, erfolgt.“

*****

Das sind zwei Punkte, die wir für wesentlich halten, um die Qualität zu stärken, und wir laden Sie ein, diesen Antrag zu unterstützen, um auch tatsächlich zu zeigen und zu beweisen, dass Sie die Lehren aus dem Hypo-Debakel gezogen haben. (Beifall bei den Grünen.)

23.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde betreffend Sicherstellung der Unabhängigkeit von Abschlussprüfern

eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Justizausschusses über die Regie­rungs­vorlage (1109 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unternehmensgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossenschaftsgesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das SCE-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Sparkassengesetz, das Allgemeine Bürger­liche Gesetzbuch, das Unternehmensreorganisationsgesetz, die Insolvenzordnung und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 258

das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Abschlussprüfungsrechts-Ände­rungsgesetz 2016 – APRÄG 2016) (1123 d.B.)

Begründung

Hypo-Debakel sowie andere Banken- und Wirtschaftsskandale haben Österreich deutlich vor Augen geführt, wie wichtig aussagekräftige Jahresabschlüsse von Unter­nehmen sind. In dieser Hinsicht sind qualitativ hochwertige Abschlussprüfungen von besonderer Bedeutung. Sie dienen der Nachvollziehbarkeit und Richtigkeit von Unter­nehmensbilanzen und nehmen dadurch sowohl für die geprüften Unternehmen, als auch für den Finanzmarkt und die Gesellschaft als Ganzes, eine unverzichtbare Kontroll- und Warnfunktion wahr.

Grundbedingung dafür ist die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer von ihren Auftrag­gebern, den zu prüfenden Unternehmen, wie auch die EU-Kommission in ihrem 2010 veröffentlichten Grünbuch schreibt, in dem sie jahrzehntelange Mandatierung als Grundübel der mangelnden Unabhängigkeit der Abschlussprüfer erkennt.

Einer der wichtigen Faktoren zur Sicherstellung dieser Unabhängigkeit ist die externe Rotation der Abschlussprüfer, also die zeitliche Beschränkung der Laufzeit der Abschluss­prüfungsmandate sowie der regelmäßige Wechsel der Abschlussprüfer bzw. der Unternehmen, die Abschlussprüfungen durchführen. In einem ersten Verord­nungs­entwurf hat die EU-Kommission daher eine maximale Laufzeit der Prüfungs­mandate von sechs Jahren vorgesehen. Durch massiven Lobbyismus der Beraterindustrie wurde diese Regelung jedoch aufgeweicht.

Die von der EU tatsächlich verabschiedete Abschlussprüferverordnung (Nr. 537/2014), die Grundlage des o. a. Gesetzes ist, sieht im Regelfall als maximale Obergrenze nun nicht mehr sechs Jahre, sondern zehn Jahre vor, ermöglicht jedoch Mitgliedstaaten davon abzugehen und kürzere Laufzeiten von Abschlussprüfungsmandaten festzu­legen.

Es ist dringend notwendig, dass aus dem Hypo-Debakel die Konsequenzen gezogen werden und der Nationalrat die Gelegenheit einer radikalen Verbesserung der Qualität von Abschlussprüfungen wahrnimmt, in dem der Freiraum der Abschlussprüfer­verord­nung genutzt und kürzere Rotationsfristen für Abschlussprüfer festgesetzt werden.

Die Abgeordneten zum Nationalrat treten damit sichtbar – und damit bewusst auch gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern – für qualitativ hochwertige Abschlussprüfungen, die Stärkung des Finanzplatzes Österreich und die Vermeidung zukünftiger Milliardengräber zu Lasten der Öffentlichkeit, ein.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen, demzufolge

die Höchstlaufzeit von Prüfungsmandaten für Abschlussprüfer und Prüfungsgesell­schaften von Unternehmen von öffentlichem Interesse mit 6 Jahren begrenzt wird und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 259

die Auswahl der Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften von Unternehmen von öffentlichem Interesse nicht durch die zu prüfenden Gesellschaften selbst, sondern durch eine unabhängige Stelle, etwa die Abschlussprüfer-Aufsichtsbehörde, erfolgt.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


23.17.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Aufgrund der mir offensichtlich von der Parlamentsdirektion zugewiesenen kurzen Redezeit, werde ich versuchen, mich auch wirklich sehr kurz zu halten.

Zum letzten Debattenbeitrag: Es ist so, dass wir eine Reihe von verschiedenen Maß­nahmen gesetzt haben – im Strafgesetz, im Unternehmensgesetzbuch und in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen –, die Verbesserungen sicherstellen, sodass sich das, was sich in Kärnten abgespielt hat, eigentlich nicht mehr abspielen sollte.

Die Frage, ob die Sache mit der Rotationsdauer der Prüfer jetzt durch den Abände­rungsantrag verschlechtert wird, kann man klar dahin gehend beantworten, dass der Abänderungsantrag die interne Rotation betrifft und es da in erster Linie darum geht, kleineren Wirtschaftsprüfergesellschaften, die weniger Personal haben, zu ermög­lichen, länger in einer Prüfung zu bleiben, und damit auch deren Existenzfähigkeit zu stüt­zen.

Für die großen Gesellschaften wäre die ursprüngliche Fassung sicher kein Problem gewesen: Die bringen die interne Rotation auch dann, wenn man sie alle drei Jahre wechseln lässt, locker zusammen.

Ich erspare mir jetzt, die anderen Dinge hier noch einmal zu erwähnen. Es geht im Wesentlichen darum, eine Erhöhung der Qualität der Prüfungen selbst zu erreichen. Wir diskutieren ja über die externe Prüferrotation, glaube ich, schon seit zehn Jahren. Wir haben dabei – etwa ich und Kollege Matznetter – auch innerhalb der Partei unter­schiedliche Standpunkte vertreten.

Die Richtlinie wird nunmehr umgesetzt. Wir glauben, dass es eine gute, eine ange­messene Umsetzung ist. Der Abänderungsantrag trägt sicherlich dazu bei, am Markt nicht nur die Großen zum Zug kommen zu lassen, sondern auch den Kleineren zumindest eine Mindestchance zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hable. – Bitte.

 


23.19.21

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­desminister! Es stellt sich die Frage: Was sind manche Unternehmensbilanzen wert? Es stellt sich insbesondere die Frage: Was sind die Testate mancher Abschluss­prüfer wert? Die Testate sind sozusagen das Gütesiegel, die Bestätigung, dass eine Bilanz ordnungsgemäß erstellt worden ist.

Ein besonders krasses Beispiel haben wir im Fall der Hypo Alpe-Adria erlebt: Kriminelle Geschäfte über Jahre hinweg mit dem Zweck, die Bank auszuräumen, das Ganze vertuscht durch jahrelange systematische Bilanzfälschung – und die Wirt­schaftsprüfer, die Abschlussprüfer wollen von all dem nichts bemerkt haben. So haben wir es im Untersuchungsausschuss erfahren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 260

Das ist auch eine der wesentlichen Erkenntnisse, die wir aus diesem Unter­suchungs­ausschuss gewonnen haben: Hätten die Wirtschaftsprüfer ihren Job bei der Hypo Alpe-Adria ordentlich gemacht, dann hätte dieses Desaster, zumindest in dieser Form, so nie stattfinden können.

Was ist das Grundproblem? – Das Grundproblem bei der Abschlussprüfung ist, dass der Prüfling den Prüfer beauftragt und bezahlt. (Abg. Kogler: Genau!) Der Prüfling beauftragt und bezahlt den Prüfer – das ist schon einmal ein Grundproblem, das eine unabhängige Prüfung fast schon von vornherein ausschließt.

Was wäre zu tun? – Es wäre zumindest dafür Sorge zu tragen, dass die Prüfer regel­mäßig ausgetauscht werden, durch möglichst kurze Rotationsfristen. Wir sagen, sechs Jahre reicht allemal.

Was machen Sie, SPÖ und ÖVP, jetzt durch diese Regierungsvorlage? – Bis zu 20 Jahre können dieselben Wirtschaftsprüfer behalten werden! Was soll denn da, bei solch langen Fristen, eine unabhängige Abschlussprüfung garantieren? Das kann nicht funktionieren.

Wenn Sie, SPÖ und ÖVP, dieses Gesetz so verabschieden, dann beweisen Sie einmal mehr, dass es nicht um die Sache geht. Sie beweisen einmal mehr, dass es um die Bedienung von Einzelinteressen geht. Sie beweisen, dass Sie aus Fehlentwicklungen nichts lernen. Sie beweisen, dass Sie aus einem Untersuchungsausschuss auch nichts lernen wollen.

Nach all den schönen Worten, die wir heute am Vormittag hier gehört haben – es wird alles neu, es wird alles sachlich –, hätten Sie hier und jetzt schon die Möglichkeit, zu beweisen, dass Sie das ernst meinen. Es ist Ihre Entscheidung: Sachpolitik oder die altbekannte Klientelpolitik. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


23.22.09

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit diesem vom Bundesministerium für Justiz in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Finanzen erarbeiteten Vorschlag eines Abschlussprüfungsrechts-Änderungsgesetzes werden nun jene Teile der EU-Abschlussprüferrichtlinie rechtzeitig umgesetzt, die das Unternehmens-, Gesell­schafts- und Genossenschaftsrecht betreffen, sowie die Sonderregelungen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Außerdem werden auch Ausführungs­bestim­mungen zur Verordnung getroffen und nationale Wahlrechte zu einzelnen Arti­keln ausgeübt.

Das grundsätzliche Ziel der Richtlinie, in aller Kürze, ist es, die Anforderungen an die Abschlussprüfer klarer und auch strenger zu gestalten, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit noch besser zu gewährleisten, als das bisher der Fall war. Außerdem soll die Rolle des Prüfungsausschusses gestärkt werden. Mit den neuen Bestim­mun­gen wurde eine ausgewogene Lösung gefunden, die zu einer Steigerung der Qualität der Prüfungen führen wird, ohne die Unternehmen mit zu hohen Kosten oder zu viel Bürokratie zu belasten. Ich weiß, man kann immer auch noch mehr tun, mehr wollen, aber ich denke, der Konsens, der hier gefunden wurde, ist schon ein sehr tragfähiger.

Die Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats eines Abschlussprüfers oder einer Gesell­schaft wird bei Unternehmen von öffentlichem Interesse auf zehn Jahre begrenzt, danach schließt eine vierjährige Abkühlphase an. Zusätzlich besteht weiterhin die Pflicht zur internen personenbezogenen Rotation, auch bei besonders großen Unter-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 261

nehmen – auch das ist wichtig. Die Erbringung zusätzlicher Leistungen neben der Prüfung wird bei Unternehmen von öffentlichem Interesse überhaupt verboten, damit der Prüfer eben nicht in die Gefahr der Selbstprüfung gerät. Bestimmte Steuerbera­tungs- und Bewertungsleistungen sollen zusätzlich bleiben, aber nur sofern sie keine Gefahr für die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers darstellen.

Das schon bisher für Abschlussprüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse für ein Jahr nach der Prüfung bestehende Verbot, eine leitende Stellung im geprüften Unter­nehmen anzunehmen, wird einerseits auf alle Abschlussprüfer ausgedehnt, andererseits bei Abschlussprüfungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse auf zwei Jahre ausgedehnt. Das sind schon deutliche Veränderungen. Der in der Ab­schlussprüfungsverordnung für Unternehmen von öffentlichem Interesse vorgesehene zusätzliche Bericht an den Prüfungsausschuss soll auch in besonders großen Gesell­schaften erstattet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man sich daran erinnert, wie lange, wie viele Jahre bei uns schon über diese Thematik diskutiert wird, dann muss man schon sagen: Mit dem vorliegenden Entwurf, der einen ausgewogenen Kompromiss darstellt, den wir nicht zuletzt dem Justizausschuss unter der Führung der Abgeordneten Michaela Steinacker verdanken, die sich da sehr, sehr stark eingebracht und sehr darum bemüht hat (Beifall bei der ÖVP) – ja, das muss man auch einmal sagen –, ist es hier möglich geworden, in einer schwierigen Materie, die jahrelang heftig umstritten war, Konsens zu finden.

Wir haben eine ausgewogene Lösung, die wir vorlegen können. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jarolim.)

23.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Ing. Mag. Groiß ist der nächste Redner. – Bitte.

 


23.25.43

Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir diskutieren über das Abschluss­prüfungsrechts-Änderungsgesetz 2016. Wir haben heute in der Früh bei der Regie­rungserklärung gehört, eine neue Zusammenarbeit soll stattfinden, ein neuer Regie­rungsstil soll zum Tragen kommen. Und heute zu später Stunde, um halb zwölf, haben wir ein Ergebnis dieser neuen Regierungszusammenarbeit.

Wir haben gehört, wir sollen miteinander reden, wir sollen zuhören, wir sollen gemein­sam unsere Anliegen verstehen und wir sollen diese umsetzen. Und genau das haben wir dementsprechend gemacht: Wir haben im Ausschuss eine schon richtig ausge­klügelte Vorlage diskutiert, aber wir haben vernommen – von der Opposition, vom Regierungspartner –, dass noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen (Abg. Kogler… immer absurder!), und wir haben uns der Arbeit angenommen, diese Verbesserungs­arbeiten in einem Abänderungsantrag vorzunehmen. Und diesen Abänderungsantrag, der speziell Verbesserungen für Klein- und Mittelbetriebe einerseits, aber auch für kleine und mittlere Prüfungsgesellschaften andererseits bringt, möchte ich hier ein­bringen.

Ich bringe daher den Abänderungsantrag der Abgeordneten Jarolim, Steinacker, Fuchs, Kolleginnen und Kollegen zum APRÄG 2016, 1109 der Beilagen, ein und möchte ihn im Folgenden in den Grundzügen erläutern.

Zu Artikel 1: In Artikel 1 wird festgelegt, dass die interne Rotation von fünf auf sieben Jahre erhöht wird und danach eine dreijährige Cooling-off-Phase stattfindet.

Zu Artikel 8: Es wird im Bankwesengesetz auf das UGB verwiesen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 262

Und zu Artikel 9: Es wird im Versicherungsaufsichtsgesetz ebenfalls auf das UGB verwiesen.

*****

Damit haben wir eine Rechtslage für alle Gesellschaften, unabhängig davon, ob das ein PIE ist, ob das eine große, fünffach große Gesellschaft ist, ob es eine Bank ist oder ob es eine Versicherung ist.

Damit erreichen wir folgende Vorteile: dass kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch auf dem Markt bestehen bleiben können, dass von ihnen Prüfungen durchgeführt werden können, dass es eine Auswahl an Prüfungsgesellschaften gibt. Das bringt wieder Vorteile für die mittelständischen Unternehmen, die diesen Prüfungspflichten unterliegen. Auch die Fehleranfälligkeit durch die vielen Prüfungswechsel wird – wie statistisch erwiesen – verringert.

Und weil wir heute über die Probleme der Hypo Alpe-Adria diskutiert haben: Dort hatten wir interne Rotationen, die immer kritisiert worden sind. Daher haben wir bei diesem Gesetz die externe Rotation eingeführt, und dementsprechend wird hier … (Abg. Kogler: Ja, genau, auf 20 bis 24 Jahre!) – Eine zehnjährige Frist haben wir! (Abg. Tamandl – in Richtung des Abg. Kogler –: Das ist ja eine Übergangsfrist! … halt lesen!) Man sollte es genau lesen, ja. – Damit erhöhen wir die Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kogler. – Abg. Tamandl: …, sonst sind es zehn Jahre! Und das ist auch gut so!)

Ich bedanke mich bei Kollegen Fuchs für die Initiative, für die interessanten Ge­spräche, die wir diesbezüglich geführt haben. Ich bedanke mich bei den Kollegen Jarolim und Knes, dass wir diese Anregungen aufgenommen haben und gemeinsam in die Form dieses Abänderungsantrags gebracht haben. Ich bedanke mich bei Kollegin Steinacker, mit der wir gemeinsam diese Verhandlungen geführt haben.

Ich bedanke mich im Sinne des Mittelstandes, ich bedanke mich im Sinne der mittel­ständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Abg. Lichtenecker: Der Steuerzahler wird sich bei Ihnen bedanken für diese schlechte Regelung!), ich bedanke mich im Sinne der wirtschaftlichen Unternehmen, und ich bedanke mich für die Allgemeinheit, denn durch die Verbesserung des Gesetzes allgemein, durch die externe Rotation sollen Schäden bestmöglich vermieden werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ sowie Bravoruf des Abg. Lopatka. – Abg. Kogler: Das ist ja gespenstisch!)

23.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Abänderungsantrag wurde an die Mandatare verteilt, er ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Michaela Steinacker, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Wolfgang Knes, Mag. Werner Groiß

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Unter­nehmens­gesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Genossen-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 263

schafts­gesetz, das Genossenschaftsrevisionsgesetz 1997, das SCE-Gesetz, das Bank­wesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Sparkassengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Unternehmensreorganisationsgesetz, die Insolvenzordnung und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Ab­schluss­prüfungsrechts-Änderungsgesetz 2016 – APRÄG 2016) (1109 der Beilagen), in der Fassung des Ausschussberichtes (1123 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Zu Artikel 1 (Änderung des UGB):

1. In Z 36 lautet § 271a Abs. 1 Z 4:

„4. einen Bestätigungsvermerk gemäß § 274 über die Prüfung des Jahresabschlusses der Gesellschaft bereits in sieben Fällen gezeichnet hat; dies gilt nicht nach einer Unterbrechung der Prüfungstätigkeit für zumindest drei aufeinander folgende Geschäftsjahre.“

2. In Z 37 lautet die Novellierungsanordnung „Dem § 271a werden folgende Abs. 5 bis 7 angefügt:“. In Abs. 5 wird die Wendung „bis Abs. 8“ durch die Wendung „und Abs. 7“ ersetzt. § 271a Abs. 8 entfällt.

3. In Z 51 lautet § 906 Abs. 43:

„(43) § 269 Abs. 1a, Abs. 2 und Abs. 5, § 270 Abs. 1, Abs. 1a, Abs. 3 und Abs. 7, § 270a, § 271 Abs. 1 und Abs. 2 mit Ausnahme der Z 3, § 271a Abs.1 erster Satz und Abs. 5 bis 7, § 271c, § 272 Abs. 4, § 273 Abs. 1 und § 275 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I xxx/2016 treten mit 17. Juni 2016 in Kraft. § 271 Abs. 2 Z 3 und Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I xxx/2016 treten mit 1. Oktober 2016 in Kraft. §§ 269 Abs. 2, 271c und 275 Abs. 1 sind erstmals auf die Abschluss­prüfung von Geschäftsjahren anzuwenden, die nach dem 16. Juni 2016 beginnen. § 271a Abs. 1 Z 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I xxx/2016 ist erstmals auf die Abschlussprüfung von Geschäftsjahren anzuwenden, die nach dem 16. Juni 2016 beginnen; wurde vor dessen Anwendbarkeit die Prüfungstätigkeit für zumindest zwei Geschäftsjahre unterbrochen, so ist diese Unterbrechung einer dreijährigen gleichzuhalten.“

Zu Artikel 8 (Änderung des Bankwesengesetzes):

1.  In Z 1 lautet § 43 Abs. 1 zweiter Satz:

„Auf die Jahresabschlüsse, die Konzernabschlüsse, die Lageberichte und die Konzern­lageberichte sowie deren Prüfung und Offenlegung sind die Bestimmungen des dritten Buches des UGB mit Ausnahme der §§ 223 Abs. 6, 224, 226 Abs. 5, 227, 231, 232 Abs. 5, 237 Abs. 1 Z 2 und 5, 238 Abs. 1 Z 13, 240, 246, 249 Abs. 1, 275 Abs. 2, 278, 279 und 280a UGB anzuwenden.“

2. Die Z 9 entfällt.

Zu Artikel 9 (Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016)

1. In Z 7 lautet § 260 Abs. 2a:

„(2a) § 271a Abs. 5 bis 7 UGB ist bei Versicherungs- und Rückversicherungs­unter­nehmen im Sinne des Art. 2 Nr. 13 lit. c der Richtlinie 2006/43/EG sowie Zweignieder­lassungen von Drittland-Versicherungs- und Drittland-Rückversicherungsunternehmen sinngemäß anzuwenden.“

2. In Z 13 entfällt in § 341 Abs. 2 der letzte Satz.


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Begründung

Zu Artikel 1 (Änderung des UGB):

Zu Z 1 und Z 2:

Die bisher geltende Regelung des § 271a Abs. 1 Z 4 UGB statuierte für kapitalmarkt­orientierte Gesellschaften (Gesellschaften von öffentlichem Interesse) und für fünffach große Gesellschaften eine fünfjährige interne Rotationfrist (personenbezogene Prüferrotation).

Die Vorgaben für die interne Rotation des Abschlussprüfers von Unternehmen von öffentlichem Interesse finden sich nunmehr in Art. 17 Abs. 7 Abschlussprüfungs-VO. Danach haben die für die Durchführung einer Abschlussprüfung verantwortlichen Prüfungspartner ihre Teilnahme an der Prüfung spätestens sieben Jahre nach dem Datum ihrer Bestellung zu beenden. Sie können frühestens drei Jahre nach der Beendigung ihrer Teilnahme wieder an der Abschlussprüfung des geprüften Unternehmens mitwirken. Für fünffach große Gesellschaften gibt es keine EU-rechtlichen Vorgaben zur Rotation.

In der Regierungsvorlage wurde die Beibehaltung der fünfjährigen Rotationsfrist für Gesellschaften von öffentlichem Interesse wie auch für fünffach große Gesellschaften vorgeschlagen.

Angesichts der für Gesellschaften von öffentlichem Interesse nach der Abschluss­prüfungs-Verordnung nunmehr erforderlichen zusätzlichen externen Rotation des Abschlussprüfers bzw. der Abschlussprüfungsgesellschaft (Art. 17 Abs. 1 bis Abs. 6 Abschlussprüfungs-VO) und der neuen graduellen Rotationspflicht für das an der Abschlussprüfung beteiligte Führungspersonal (Art. 17 Abs. 7 dritter Unterabs. Ab­schlussprüfungs-VO) soll die interne Rotationspflicht für Gesellschaften von öffent­lichem Interesse wie auch für fünffach große Gesellschaften mit der auch international üblichen Frist von sieben Jahren und einer Cooling-off-Periode von drei Jahren festgelegt werden.

Zu Z 3:

Mit dieser Änderung wird darauf Bedacht genommen, dass der Zeitpunkt des Beginns der behördlichen Tätigkeit der Abschlussprüfer-Aufsichtsbehörde mit dem Abschluss­prüfer-Aufsichtsgesetz (APAG) durch einen Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage des APAG inzwischen auf den 1. Oktober 2016 verlegt wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt kann daher die fehlende Registrierung nach § 52 APAG ein Ausschlussgrund nach § 271 UGB sein.

Zu Artikel 8 (Änderung des Bankwesengesetzes):

Zu Z 1 (Entfall des Verweises auf § 270a UGB)

Da somit auch § 270a UGB für Kreditinstitute anwendbar ist, kann eine Gruppe von Unternehmen, die schon in den nächsten Jahren den Abschlussprüfer wechseln müssten, eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit in Anspruch nehmen.

Zu Z 9 (Entfall von § 103u):

Im Hinblick auf die nunmehrige einheitliche Festsetzung der spätesten internen Rotation bei Abschlussprüfern für Unternehmen von öffentlichem Interesse mit der in Art. 17 Abs. 7 der Abschlussprüfungs-VO festgelegten Frist (durch Wegfall von § 271a Abs. 8 UGB in der Fassung der Regierungsvorlage) entfällt im Gleichklang mit dem Entfall der Übergangsregelung in § 341 Abs. 2 VAG 2016 auch das Übergangsregime des § 103u.


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Zu Artikel 9 (Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016):

Zu Z 1 (§ 260 Abs 2a):

Es erfolgt eine Verweisanpassung durch den Entfall des § 271a Abs. 8 UGB. Damit soll die interne Rotationsfrist für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen sowie Zweigniederlassungen von Drittland-Versicherungs- und Drittland-Rückversiche­ungsunternehmen nach Art. 17 Abs. 7 Abschlussprüfungs-VO sieben Jahre betragen. Auch für Versicherungsunternehmen soll § 270a UGB anwendbar sein, der eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit des Mandats eines Abschlussprüfers für Unter­neh­men vorsieht, für die schon in den nächsten Jahren eine externe Rotation not­wendig wäre.

Zu Z 2 (§ 341 Abs. 2):

Durch die Verlängerung der internen Rotation auf die in der Abschlussprüfungs-VO vorgesehene Frist kann auch die Übergangsbestimmung nicht im Lichte der möglichen sieben Jahre interpretiert werden und ist daher zu streichen.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.

 


23.30.01

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eingangs muss man der Fairness halber festhalten, dass wir aufseiten der SPÖ den Antrag natürlich mittragen und wir bereits im Ausschuss darauf hingewiesen haben, dass es hier Verbesserungsmaßnahmen gibt. Ich möchte das auch anhand eines Beispiels erklären und möchte das vielleicht an Frau Lichtenecker richten.

Ich verstehe Ihre Ängste und Belange, aber man darf nicht die Hypo mit diesen Auf­sichtsrat-Prüfungsunterlagen vermischen, sondern man muss wirklich auch berück­sichtigen, dass wir in Österreich 782 Unternehmen haben, die zu prüfen sind, und 400 Prüfer haben, und wir wollen einfach verstärkt dahin gelangen, dass wir auch die kleineren Prüfungsanstalten, sprich Unternehmen, und auch jene, die kleinere Mandate haben, mehr in diesen Fokus der Prüfung bringen. (Abg. Lichtenecker: Das schaffen Sie aber eher, wenn Sie kürzere Rotationsfristen machen!) – Nein!

Lassen Sie mich bitte noch eines sagen, und das müssen Sie verstehen: Wir haben leider Gottes in Österreich die ganzen Aktiengesellschaften, die an der Börse notieren und all das, und wir haben sage und schreibe genau vier große Player (Abg. Lichtenecker: Genau!), die diese Unternehmen prüfen, weil die Kleinen einfach die Ressourcen noch nicht haben. Und um diese Kleinen eben in Zukunft zu stärken, wollen wir ihnen, auch mit dieser internen Rotation, die Kraft geben und auch den wirtschaftlichen Impuls, damit sie sich dorthin bewegen können und auch weiter. (Abg. Lichtenecker: Wir reden ja von der externen!)

Nein, ich rede schon vom Richtigen! Sie sitzen in keinem Aufsichtsrat drinnen, darum kennen Sie sich nicht aus. Das nächste Problem war natürlich auch … (Abg. Lichtenecker: Herr Kollege, ich bin zwölf Jahre im Aufsichtsrat von einem großen Unternehmen!) – Dann wissen Sie aber, wovon ich rede! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Lichtenecker.) – Na bitte, dann haben Sie aber keine Ahnung, dann haben Sie das nicht verstanden!

Das Problem bei großen Aufsichtsräten war Folgendes: dass die Laufzeit nämlich wirklich über die 20 Jahre gegangen ist, dass die Prüfungsunterlagen nicht mehr ordnungsgemäß und richtig geprüft worden sind und die Unterlagen – und das ist


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 266

nämlich für die Aufsichtsräte immer das größte Problem – zu spät kommen. Ich möchte nur ein Beispiel geben: Wenn die Prüfungsunterlagen am 3. März kommen und der Aufsichtsrat am 4. März tagt, dann erklären Sie mir einmal, wie man in einem Unternehmen mit 48 000 Mitarbeitern diese Prüfungsunterlagen prüfen kann und dann noch im Aufsichtsrat abstimmen soll. Das war genau das Problem.

Das war das Problem, das wir im Ausschuss auch besprochen haben, und darum bin ich auch stolz darauf, nämlich als Ersatzmitglied im Justizausschuss diesen Antrag im Ausschuss eingebracht zu haben. Danke auch an Kollegen Groiß, der den Ball aufgenommen hat, und an Kollegen Jarolim, die das heute letztendlich auch mit den Freiheitlichen verhandelt haben.

Ich bin froh, denn diese Lösung ist sicher besser als jene, die auf dem Tisch gelegen ist, und das müssen wir auch festhalten. Wir reden hier wirklich von Rotations­verfah­ren – von externen, von internen –, aber vor allem von der Steigerung der Qualität der Prüfungsunterlagen und, was mir besonders wichtig ist, von der Stärkung der kleineren Prüfungsmandatare. Das sollte uns allen am Herzen liegen, und deswegen stimmen wir hier auch gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Tamandl zu Wort. – Bitte.

 


23.33.02

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Knes hat es angesprochen, es gibt 400 Wirtschaftsprüfer. Die Wahrheit ist allerdings, es gäbe 2 500 ausgebildete Wirtschaftsprüfer, aber es sind nur 400 ins Qualitätsregister eingetragen. Das zeigt auch schon, dass es für kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht so einfach ist, diese Kriterien zu erfüllen.

Ich bin durchaus der Meinung, dass Probleme wie jene, die bei der Hypo Alpe-Adria bestanden haben, wie wir das im Untersuchungsausschuss auch festgestellt haben, nicht mehr vorkommen dürfen, dass solche Dinge nicht mehr passieren dürfen. Nur glaube ich, man sollte doch bei der Wahrheit bleiben, nämlich was diese zehn Jahre der externen Rotation betrifft. Es handelt sich da um eine Übergangsfrist, nämlich für solche Fälle, in denen die Wirtschaftsjahre Juni 2003 bis Juni 2014 bereits geprüft wor­den sind und das Unternehmen jetzt nicht von heute auf morgen plötzlich, weil das Gesetz anders ist, einen neuen Wirtschaftsprüfer bestellen kann. (Abg. Kogler: Ja, aber 24 Jahre …!) Ich glaube, dass das eine gute Lösung ist. Und für solche, die jetzt ge­prüft werden und wo es diese Prüfungsaufträge nicht gibt, haben wir jetzt diese zehn Jahre.

Viel wichtiger, glaube ich, ist aber ein anderer Punkt. Kollege Hable hat schon recht, wenn er sagt, dass die Testate teilweise nichts wert waren. Das hat aber nichts damit zu tun, Frau Kollegin Lichtenecker, dass sich der Prüfling – Sie haben es eh gesagt – den Prüfer selbst aussucht und das dann auch noch selbst zahlt. – Ja bitte, wer soll denn das zahlen oder wer soll denn den Prüfer aussuchen? Zwischen dem Prüfer oder der Prüfgesellschaft und dem Unternehmen muss schon ein gewisses Vertrauens­verhältnis bestehen. Das haben wir auch bei den Wirtschaftsprüfern von Deloitte gesehen, die sich dann von diesem Prüfungsmandat zurückgezogen haben, weil sie das Vertrauen in das Unternehmen Hypo Alpe-Adria verloren haben.

Ich glaube, wir haben mit dieser Umsetzung dieser EU-Richtlinie schon die Möglichkeit geschaffen, eine qualitätsvolle Prüfung sicherzustellen, und wir versuchen mit dieser ganzen Geschichte auch noch einmal, die Unabhängigkeit der Prüfer herauszu­streichen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 267

Ein zusätzlicher Bericht an den Prüfungsausschuss: Ich erinnere alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses daran, dass es beispielsweise im Aufsichtsrat der Hypo Alpe-Adria die Weisung seitens der Aufsichtsräte und des Aufsichtsratsvorsitzenden gegeben hat, tunlichst nicht über Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften zu sprechen. Das wird künftig wahrscheinlich nicht mehr möglich sein, wenn der Wirt­schafts­prüfer verpflichtet ist, dem Prüfungsausschuss auch einen zusätzlichen Bericht abzuliefern.

Was die Cooling-off-Phase betrifft, bevor jemand in einen Vorstand oder Aufsichtsrat wechselt, erinnere ich nur an Karl-Heinz Moser, der als Seniorpartner und als Chef der CONFIDA seinerzeit noch ohne Cooling-off-Phase plötzlich in den Aufsichtsratsvorsitz gewechselt ist. Und wir wissen da eigentlich, dass das ganz bewusst gemacht wurde, um gewisse Dinge zu verschleiern und zu vertuschen. Also das, sage ich einmal, wer­den wir mit dieser Vorlage jedenfalls nicht mehr erleben, und ich glaube, alle Wirt­schaftsprüfungsgesellschaften sind auch sensibilisiert.

Was ich aber schon sehr begrüßen möchte – und ich habe das am Anfang ange­sprochen –: Nur 400 Prüfer – ich meine, das muss man sich einmal ausrechnen, das sind in etwa 20 Prozent der befähigten Wirtschaftsprüfer – sind in das Qualitätsregister eingetragen. Das bedeutet, dass viele gar nicht die Möglichkeit haben, da mitzuspielen, und dass sich wieder die vier Großen alle diese Prüfaufträge unter den Nagel reißen und dann wahrscheinlich auch noch im Wettbewerb viel billiger anbieten können als die kleineren Wirtschaftsprüfer.

Als Mitarbeiterin einer Wirtschaftsprüfungskanzlei begrüße ich es daher, dass wir jetzt diese interne Rotation mit sieben Jahren haben. Das finde ich gut, denn da können wenigstens die Kleinen auch mitspielen.

Und weil wir die Hypo hier immer als Beispiel nennen und wir uns ja auch verpflichtet und gesagt haben, nach dem Untersuchungsausschuss oder während des Unter­suchungsausschusses wollen wir zumindest Gesetze machen, die sicherstellen, dass so etwas nicht mehr passieren kann, so muss ich sagen: Ich bin der Meinung, diese Gesetzesvorlage trägt dem Rechnung.

Ich kann nur sagen, man kann immer alles kritisieren, aber der neue Stil, den wir uns heute und auch schon gestern auferlegt haben, würde natürlich auch bedeuten, dass man manchmal auch etwas gutheißt, wie beispielsweise die interne Rotation, die auch den kleinen Prüfgesellschaften zugutekommt, denn was die Großen aufgeführt haben, das würden sich die Kleinen nie und nimmer trauen. Das wissen Sie, Herr Hable, genauso gut wie ich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


23.38.20

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Abschlussprüfungsrechts-Ände­rungs­gesetz setzt die europarechtlichen Vorgaben in ausgewogener Weise um. Es ist sicherlich eine Verbesserung der Istsituation, wie Kollege Jarolim ausgeführt hat. Es ist ein Kompromiss, wie der Herr Minister es bezeichnet hat.

Nur: Wir brennen nicht für Kompromisse, wie Sie wissen, deshalb haben wir uns auch um eine optimalere Lösung bemüht. Unsere Verhandler haben hier intensiv Hirn­schmalz investiert und einen Abänderungsantrag ausgearbeitet, der die Situation noch weiter verbessert.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 268

Ich muss aber auch dazusagen, wir müssen dieses Gesetz weiterhin laufend evalu­ieren, um zu prüfen, ob die angestrebten Ziele auch tatsächlich erreicht werden, dass auch dieses gewisse – im übertragenen Sinn – Platzhirschphänomen der Wirtschafts­prüfungskanzleien aufgebrochen wird. Das alles muss überprüft werden, ob diese Rechnung auch aufgeht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen schönen Ausklang dieser langen, an­stren­genden Plenartage. Alles Gute! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte schön.

 


23.39.43

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Abend! Worum es in dieser Novelle geht, das haben, glaube ich, meine Vorred­nerInnen zur Genüge erläutert, inklusive Abänderungsantrag. Ich möchte auf das intendierte übergeordnete Ziel dieser Novelle kommen, nämlich das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken, speziell betreffend Kreditinstitute und Versicherungen.

Ich würde gerne einen Schritt weiter gehen und über das Vertrauen in die Produkte, die diese Firmen anbieten, sprechen, da viele Personen in manche Dinge nicht investieren wollen. Ich denke, dass viele Menschen nicht in gewisse Produkte investieren wollen, wie zum Beispiel in AKWs oder in Erdölförderung, in Produkte, die mit Erdöl betrieben werden, oder auch in Dinge, in denen Kinderarbeit steckt, in Waffen, Zwangspro­stitu­tion, Menschenhandel und vieles andere mehr. Auch was Pensionsfonds bei Versiche­rungen betrifft wollen viele nicht, dass Profit damit gemacht wird, dass beispielsweise Land Grabbing betrieben wird, dass es Monokulturen gibt, dass GMOs produziert werden, dass Regenwald abgeholzt wird und so weiter.

Wir werden – das Justizministerium macht das gerade – bis zum Ende dieses Jahres die sogenannte CSR-Richtlinie der EU in nationales Recht umzusetzen haben, bei der es darum geht, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung als Pflicht für große Unternehmen ab 2017 zu haben, bei der es auch um die Offenlegung von nicht finanziellen Informa­tionen geht.

Ich würde mir wünschen, dass es darüber hinaus noch weiter gehende Transparenz und Klarheit gibt, worin Geld, das ich möglicherweise anlegen kann, wenn ich es hätte, investiert wird, und dass ich dann zum Beispiel gewisse Dinge, wie die zuvor ge­nannten, auch tatsächlich aus meinem Portfolio ausschließen kann.

Diese Novelle, genauso wie die zu erwartende Implementierung der CSR-Richtlinie in nationales Recht sind gute und richtige Schritte in die richtige Richtung.

Ich würde mir noch weiter gehende Schritte wünschen, da ich denke, dass auch die Frage nach ethischer Verantwortung durchaus eine Rolle spielen sollte und Konsu­mentinnen und Konsumenten selbstbestimmt darüber entscheiden sollten, wo sie im Bereich von Kreditinstituten, Banken und Versicherungen ethisch korrekt ihr Geld anlegen oder investieren. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

23.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


23.42.16

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Nationalratspräsident! Ich weiß ja nicht: Soll das jetzt das neue Regieren sein, oder ist es nur die späte Uhrzeit, die dazu führt, dass man solch seltsame Redebeiträge hört?


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 269

Was jetzt an diesem Abänderungsantrag – bleiben wir einmal nur bei diesem – so toll sein soll, wenn jetzt rauskommt, und ich beziehe mich jetzt nur auf die Banken- und Versicherungsbranche, dass die – wenn auch nur einmalig; Frau Kollegin Tamandl hat natürlich recht – auf 20 bis 24 Jahre lange Rotationsfristen kommen können, was genau jetzt daran so toll sein soll, das hat sich mir noch nicht erschlossen.

Sie wissen, in 20 bis 24 Jahren sind sich alle Bankenskandale in Österreich noch aus­gegangen. Da können Sie all die zig Milliarden, die versenkt worden sind, locker unter dieses Zeitdach versammeln. Das ist ja nämlich genau das Problem, dass diese lan­gen Fristen und ein durchaus unheilvolles Zusammenwirken der Geprüften und der Prüfer eine Rolle spielen. Sinn der Rotation ist es ja, diesen Mechanismus zu durch­brechen; das ist ja ganz logisch – zur internen Rotation sage ich jetzt gar nichts.

Erinnern wir uns: Die europäische Ebene hat ja im Vorfeld der Richtlinienentwürfe und der Verordnungsentwürfe immer gemeint, im Grünbuch, dass sechs Jahre Laufzeit der Prüfungsmandate richtig wären – sechs Jahre! –; aber es ist ja dort schon zu Tode lobbyiert worden, das passiert dort ja bekanntermaßen auch.

So, dann haben wir die zehn Jahre Laufzeit, und jetzt diese Ausnahmen – deshalb unser Entschließungsantrag, der auf eine Höchstlaufzeit von Prüfungsmandaten von sechs Jahren abzielt, jedenfalls bei Banken und Versicherungen. Das muss doch das Mindeste sein.

Zum anderen Problem, wie man das lösen könnte, was da immer releviert worden ist, was auch Kollege Hable angesprochen hat: Ja, bitte schön, um das wird bei uns ein Bogen gemacht, wie vom Teufel ums Weihwasserbecken, wenn es darum ginge, dass man einen Pool von Wirtschaftsprüfern hat – in meinem Lieblingsbeispiel eben von Bankprüfern –, aus dem dann gezogen wird, je nach Größe der zu überprüfenden Stelle eben aus einem entsprechend kategorisierten Topf. Das wäre richtig und vernünftig, denn das würde dieses Problem, diese Abhängigkeit, dass der Prüfer vom Geprüften bezahlt wird, schon an der Wurzel packen. – Passiert auch nicht!

Gleichzeitig werden die längsten Rotationsfristen, die es gibt, ausgenutzt. Ich weiß gar nicht, was Sie da noch so großartig verhandeln mussten, wenn ohnehin das dabei herauskommt, was sozusagen die Union vorgibt. Es ist aber offensichtlich – wenn wir schon bei der Regierung sind –, dass so vorgegangen wird, dass ja kein Gold Plating passiert, nur damit wir ja nicht eine Spur besser sind als das, worauf die Union sich schon hat runterlobbyieren lassen – aber seis drum, seis drum!

Wenn wir dann die Berichte – und ich erwähne das heute nicht so großartig – über Hypo und Untersuchungsausschuss hören werden, werden wir uns wieder darüber unterhalten, was wir jetzt alles verbessern müssen. Ich sage Ihnen: Heute wäre dieser Entschließungsantrag genau richtig für dieses Gesetz, das Sie aus unerfindlichen Gründen derart hochjubeln. In Wirklichkeit gehört es sofort in die Novelle geschickt – deshalb dieser Entschließungsantrag; aber wir werden es ja dann wieder hören, was wir nicht alles verbessern sollen und müssen. Seis drum! (Abg. Rädler: Kollege, ein Wort zur Hypo!)

Eines allerdings werden Sie sich noch vorrechnen lassen müssen: Bei der aufgeru­fe­nen Bank ist es nämlich so gewesen, dass die Republik selbst, Herr Justizminister, mit der Prokuratur an der Spitze hergegangen ist, um irgendeinen Versuch zu starten und bei den Bayern noch die Verhandlungsposition zu verbessern, und eine sogenannte – gscheiterweise, Frau Kollegin Fekter, gscheiterweise – Irrtumsanfechtung gestartet hat. (Abg. Tamandl: Ja! Bravo!) – Ja, Anerkennung! (Beifall bei der ÖVP.) Nur, was ist der Inhalt dieser Irrtumsanfechtung? – Dass man im Nachhinein seitens der Republik draufkommt, dass zum Zeitpunkt dieser unseligen Anteilskäufe – reden wir nicht von


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 270

Not – ein 11-Milliarden-Loch existiert hat! So schreiben wir es selbst, als Republik Österreich.

Dann kommen zu Recht – ausnahmsweise zu Recht – Herr Gouverneur Nowotny, die FMA und wie sie alle heißen, und sagen: Hallo, eigentlich können wir nichts dafür! Wir stehen auch dumm da, denn uns wird man vorhalten, dass man das damals alles hätte sehen müssen. – Richtig, ja; von der Notenbank über die FMA, wie sie alle heißen, wie sie alle singen und lachen. In dieser Schuldzuweisungskarussellaktion haben sie alle aber in einem trotzdem recht: Die Wirtschafts- und Bankprüfer kommen immer am allerbesten weg, obwohl sie die größte Verantwortung haben.

Und jetzt frage ich Sie: Ist es mit normalem Menschenverstand erklärbar, dass wir als Republik Österreich ein paar Jahre nach dieser unseligen Aktion feststellen, dass im Jahr 2009 ein 11-Milliarden-Loch – untere Grenze! – in der Bank war? Da haben wir jahrelang Wirtschafts- und Bankprüfer drübergelassen, und die haben nie etwas kapiert, die haben immer nur testiert?! Auf diese reden sich dann im Nachhinein alle aus – Sie an erster Front und alle anderen in der ganzen Reihe hinten nach. Dann wird aber nichts getan, und dann sagt man noch: Sorry, Herr Justizminister, es ist eh alles gut, es ist alles super, wir haben da an anderer Stelle gedreht!

Das Hauptproblem ist diese Art von Abhängigkeit, das Eine-Hand-wäscht-die-andere-Prinzip, das da herrscht.

Sie werden die Phantasie aufbringen – wenn wir das noch öfter und weiter disku­tieren – und sich fragen müssen, wie es sein kann, dass wir Wirtschafts- und Bankprüfer haben, die tatsächlich ein 11-Milliarden-Loch, das Sie haben diagnos­tizieren lassen, nicht erkennen. Diese Frage bleibt unbeantwortet, deshalb können wir dieses Gesetz in Wirklichkeit nicht nur nicht hochjubeln, sondern es gehört sofort und auf der Stelle novelliert. (Beifall bei den Grünen.)

23.48

23.48.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1109 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Steinacker, MMag. DDr. Fuchs, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­ent­wurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Steinacker, MMag. DDr. Fuchs, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Art. 1, 8 und 9 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein dies­bezüg­liches Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 271

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Unabhängigkeit von Abschlussprüfern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

23.50.0515. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1400/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Veröffentlichung aller letztinstanzlicher Urteile (1124 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


23.50.22

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem Antrag geht es um einen Antrag der Neos, den wir unterstützen. Das Anliegen ist relativ schnell auf den Punkt gebracht: Es geht um Transparenz bei gerichtlichen Entscheidungen.

Derzeit ist die Rechtslage so, dass sämtliche höchstgerichtliche Entscheidungen über das Rechtsinformationssystem veröffentlicht werden, das heißt, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes. Nicht veröffentlicht werden Entscheidungen der letztinstanz­lichen Gerichte, wenn sie nicht der Oberste Gerichtshof sind, sondern das Ober­landesgericht. Dadurch entsteht eine Transparenzlücke, die deshalb ein Problem ist, weil zahlreiche Rechtsfragen gar nicht vor dem OGH entschieden werden können, weil es keine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes gibt.

Der Antrag der Neos zielt genau darauf ab, diese Transparenzlücke zu füllen, da natürlich trotzdem diese Urteile wesentlich für jene sind, die mit Urteilen arbeiten und rechtliche Einschätzungen zu treffen haben.

Ich finde, eigentlich ist der Antrag ein bisschen ein Ausreißer, denn die Debatte ist ja viel breiter, diese führen auch die Neos und die Grünen breiter. Wir reden eigentlich heute über Open Data und streiten, ob wir letztinstanzliche Urteile des Oberlandes­gerichts veröffentlichen sollen oder nicht.

Open Data ist eigentlich ein unbestrittenes Prinzip, und wer für Open Data ist, kann eigentlich nicht gegen diesen Antrag sein. Wenn wir im Rahmen des Informations­freiheitsgesetzes Open Data wollen, und das wollen wir hoffentlich, dann sollte sich eigentlich diese Vorfrage erübrigen. Ich finde es trotzdem richtig, dass der Antrag kommt, da wir ja nicht wissen, was bei den Verhandlungen am Ende beim Informa­tionsfreiheitsgesetz herauskommt.

Nur: Bedenken gegen diesen Antrag zu haben und gleichzeitig zu sagen, Open Data sei eine tolle Sache, da sie eben modern ist, das geht sich nicht aus. Also wer für Open Data ist, kann heute nicht dagegen stimmen. Und wer heute dagegen stimmt, der zeigt eigentlich, dass er gegen Open Data ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 272

Wir unterstützen den Antrag der Neos. Wir sind auch beim Informationsfreiheitsgesetz auf einer sehr ähnlichen Linie. Wir werden für Transparenz sorgen und hoffen, dass das Parlament mitzieht. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

23.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ofenauer. – Bitte.

 


23.52.35

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im vorliegenden Antrag geht es um die verpflichtende Veröffentlichung aller letztinstanzlicher Urteile von Gerichten. Bisher werden nur Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes und ausgewählte Entscheidungen anderer Gerichte im RIS, dem Rechtsinformationssystem des Bundes, veröffentlicht. Wir sehen da mehrere Bedenken und können deswegen diesem Antrag nicht zustimmen.

Wie im Antrag ausgeführt, bilden letztinstanzliche Gerichtsentscheidungen oft die Ent­scheidungsgrundlage für erstinstanzliche oder andere Urteile. Deshalb ist es Sinn und Zweck der Veröffentlichung von Urteilen, dass diese eine Leitlinienfunktion für den Rechtsanwender darstellen. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes werden auch genau in diesem Bewusstsein verfasst. Anders ist es allerdings zum Teil bei letztinstanzlichen Entscheidungen von Landesgerichten, Oberlandesgerichten und dem Handelsgericht Wien. Gemäß dem Grundsatz der Unabhängigkeit der Rechtsprechung weichen die Ansichten dieser Gerichte zum Teil voneinander ab, und damit fehlt aber die gewünschte Leitlinienfunktion. – Das ist das eine.

Natürlich ist das Anonymisieren und Bereitstellen von solchen Entscheidungen aber auch ein entsprechender Verwaltungsaufwand. Bei vier Oberlandesgerichten, 18 Lan­desgerichten und dem Handelsgericht Wien sprechen wir von circa 40 000 Entschei­dungen. Um diese Menge zu bewältigen, bräuchte es wesentlich mehr Personal zur Unterstützung der Gerichte bei der Aufbereitung der Urteile. Der OGH hat dafür ein eigenes Evidenzbüro. Darüber hinaus handelt es sich bei den 40.000 Entscheidungen zum Großteil nicht um richtungsweisende Urteile, die für die Rechtsanwendung in diesem Ausmaß wesentlich wären. Wichtige Urteile werden von den Gerichten ohne­dies bereits auch jetzt zur Verfügung gestellt. Aktuell sind im Rechtsinformations­system des Bundes 2 726 Entscheidungen und Rechtssätze des OLG veröffentlicht.

Wir würden mit dieser Maßnahme also ein Mehr an Bürokratie schaffen, bei eher geringerem Nutzen für die Allgemeinheit. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit kann das nicht unser Ziel sein. (Beifall bei der ÖVP.)

23.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

23.54.50

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Kollege Steinhauser hat schon ausgeführt, worauf wir hinauswollen, nämlich dass alle letzt­instanzlichen Urteile veröffentlicht werden.

Wenn ich mir Kollegen Ofenauer anhöre oder auch das, was Kollegin Karl im Aus­schuss gesagt hat, dann schwant mir schon Übles betreffend die Informationsfreiheit und das Informationsfreiheitsgesetz. Denn wenn ich höre, es gibt Urteile, die unter­schiedlich ausfallen, und nur der Oberste Gerichtshof gibt eine klare Leitlinie aus, und das könnte die Bevölkerung verwirren, wenn es unterschiedliche Urteile gibt, dann kann ich mir das weiterdenken. Dann brauchen wir keine Studien mehr zu veröffent­lichen, was im Übrigen ohnehin sehr oft nicht vom Ministerium gemacht wird, denn da


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 273

gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Wir könnten wissenschaftliche Publikationen, die unterschiedlicher Meinung sind, nicht haben wollen, weil die Gefahr besteht, dass wir die Öffentlichkeit verwirren.

Ich glaube, dass das Informationsbedürfnis der Bevölkerung sehr groß ist und dass auch die Bevölkerung als mündiger Bürger selbst entscheiden kann, wie sie mit entsprechenden Informationen umgeht. Ich halte es für ein Gebot der Stunde und für ganz logisch, dass die österreichischen Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, letztinstanzliche Entscheidungen anzuschauen, um zu wissen, was drinsteht, da sie ja auch in vielen Bereichen sehr relevant sind.

Dass in unterschiedlichen Urteilen natürlich unterschiedliche Sichtweisen sein werden, ist klar, aber damit der Bevölkerung die Möglichkeit zu nehmen, sich überhaupt Informationen zu holen, mit dieser Argumentation Transparenz zu verhindern, lässt, wie gesagt, für das Informationsfreiheitsgesetz nichts Schönes erahnen. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

23.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag. Becher ist die nächste Red­nerin. – Bitte.

 


23.56.31

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das RIS bietet für die Rechtsanwender einen sehr wichtigen Dienst. Es ist beim Bundeskanzleramt angesiedelt, es sind dort sieben Personen beschäftigt, zusätzlich noch zwei Halbtagskräfte, und die Texte werden in der Regel am nächsten Tag beziehungsweise auf jeden Fall innerhalb von 10 Tagen reingestellt.

Bei den Gerichten schaut das ein bisschen anders aus, da müssen die Richter selbst die Texte in das System einspeisen, das heißt, die Texte anonymisieren und eingeben. Das ist ein doch wesentlicher Aufwand.

Eine Veröffentlichungspflicht aller Urteile mit den zusätzlichen 18 Landesgerichten und 4 Oberlandesgerichten scheint uns ein sehr hoher bürokratischer Aufwand zu sein, dem ein entsprechender Nutzen für den Rechtsanwender nicht gegenübersteht. Aus dieser heutigen Sicht lehnen wir das ab, wobei aber, wenn sich die Situation verändert, sicherlich weitere Gespräche geführt werden müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brückl. – Bitte.

 


23.57.59

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich braucht man sich im Zusam­menhang mit diesem Antrag nur zwei Fragen zu stellen. Die eine Frage lautet: Braucht es das, ist es notwendig? – Und die zweite Frage lautet: Wie verhält es sich mit dem Aufwand, wie schaut eine Kosten-Nutzen-Rechnung in diesem Bereich aus?

Ich darf einleitend auch noch hinzufügen: Die österreichische Justiz ist, den Bereich der Datenverarbeitung betreffend, sicherlich weltweit eines der führenden Länder. Gerichtliche Entscheidungen werden bei uns durchaus in einem ausreichenden Aus­maß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich erinnere nur an die bereits ange­sprochene Rechtsdatenbank, das angesprochene Rechtsinformationssystem. Ich erin­nere an unzählige Fachzeitschriften, ZVR, Notariatszeitung und so weiter. Ich erinnere


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 274

an Gesetzeskommentare, in denen ebenfalls entsprechende Entscheidungen zitiert sind.

Aber der ganz wichtige Punkt ist, dass wir in Österreich ein Rechtssystem haben, das darauf basiert, dass die Richter – und das ist gut so – frei und unabhängig entscheiden können. Es steht unser System in einem gewissen Gegensatz zum sogenannten angel­sächsischen, zum amerikanischen System, das fallbasierend ist. Das wissen Sie, Herr Kollege Scherak, ja auch. Es heißt in Ihrem Antrag:

„Rechtssprechung und Judikatur entwickeln sich immer entlang von Einzelfällen und einzelnen relevanten Urteilen. Aus diesem Grund sind alle letztinstanzlichen Entscheidungen von allgemeinem Interesse und müssen veröffentlicht werden.“

Das stimmt nur einfach für uns ins Österreich nicht. Wir haben kein fallbasiertes System. Wir haben nicht dieses  Common Law, wie es das im angelsächsischen bezie­hungsweise im amerikanischen Raum gibt, sondern bei uns basiert die Rechtsprechung sozusagen auf Logik und nicht auf Erfahrung. Das ist der ganz entscheidende Unter­schied.

Wir haben die Möglichkeit, Entscheidungen einzusehen. Kollege Ofenauer hat ja als Vorredner bereits die Zahl der Entscheidungen genannt, die Landesgerichte bei uns fällen. Das liegt in einer Größenordnung von 40 000 letztinstanzlichen Entscheidungen. Es wäre also völlig unmöglich, das alles zu veröffentlichen. Der bürokratische Aufwand stünde in keiner Relation zum Nutzen, den es dadurch tatsächlich gäbe.

Alle letztinstanzlichen Entscheidungen zu veröffentlichen, würde ja auch Massen­verfahren und Exekutionsverfahren miteinschließen. Wir wissen, im Jahr gibt es etwa 1,5 Millionen Fahrnisexekutionen beziehungsweise Forderungsexekutionen, die anfal­len. Da will ich gar nicht wissen, wie viele Kostenrekurse zustande kommen, die dann schlussendlich auch letztinstanzlich entschieden werden.

Diese Forderung aufzustellen, ist einfach das Produzieren eines bürokratischen Auf­wandes, der nicht notwendig ist, der auch nicht unserem Rechtssystem entspricht, weil wir in Österreich nicht fallorientiert entscheiden, sondern weil die Rechtssprechungs­organe ganz klar aufgrund des Gesetzes entscheiden. Stichwort: Analogie und so weiter. Es ist ganz klar ein anderes System. Daher ist es so, wie wir es jetzt haben, durchaus auch praktikabel und vernünftig.

Diesen Antrag zu unterstützen, würde daher auch bedeuten, eine erhebliche Bürokratie zu unterstützen, würde bedeuten, Kosten zu verursachen, Aufwand zu verursachen. Das hat gar nichts mit Transparenz zu tun, das möchte ich auch hier betonen. Das hat nichts mit Transparenz zu tun, sondern es geht wirklich darum, auch sparsam und effizient umzugehen. Und das funktioniert.

Zum Schluss kommend ein letzter Satz, Herr Präsident, erlauben Sie mir das: Ich würde mich sehr freuen, wenn das hier heute meine letzte Rede unter Ihrer Präsi­dent­schaft wäre, weil Sie sich hoffentlich – so wünschen wir uns das – in die Hofburg verabschieden. Alles Gute und herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

0.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


0.02.29

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich mache es kurz. Es wurde im Prinzip ohnehin schon alles gesagt, nur nicht von mir.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 275

Vielleicht ganz kurz: Der Antrag hat durchaus einen gewissen Sexappeal. Er ist in dem Punkt interessant, dass man gewisse Urteile veröffentlicht, dass man sich ein bisschen ein Bild in diese Richtung machen kann. Deswegen war ich zuerst lange nahe daran, zu sagen, okay, wir könnten dem doch zustimmen, aber bei genauerem Hinsehen und vor dem Hintergrund der Belastung der Gerichte, die wir jetzt schon im Verwaltungs­bereich haben, bin ich dann zu der Ansicht gelangt, dass der Verwaltungsaufwand doch zu hoch ist. Deswegen, weil das Team Stronach eine Partei ist, die für eine geringe Verwaltung eintritt und dort sparsam umgehen will, können wir dem Antrag leider nicht zustimmen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

0.03

00.03.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1124 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

00.03.5016. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1584/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die raschere Übertragung von Firmenbuch- und Grundbuch-Eintragungen an das BRZ (1125 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1585/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die kostenlose Zurverfügungstellung von Basis-Informationen aus dem Firmenbuch (1126 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte.

 


0.04.26

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Wir haben zwei Anträge hier. Der eine betrifft die schnelle Übertragung von Firmenbuch- und Grundbuch­ein­tragungen an das Bundesrechenzentrum.

Nach den geltenden Bestimmungen ist es ja für manche Unternehmensformen so, dass die Gründung mit der Veröffentlichung im Firmenbuch wirksam wird. Das heißt, wenn diese Übertragung nur einmal am Tag stattfindet, führt das mitunter zu einer unnötigen Verzögerung. Wir wollen schlicht und einfach, dass diese Übertragung mehrmals täglich passiert, schneller passiert, möglicherweise in Echtzeit passiert, dann können Wirtschaftstreibende flexibler gründen und am selben Tag ihre Gesellschaft rechtswirksam errichten.

Jetzt muss man dazusagen: Es ist in der Praxis natürlich keine große Not, diese Eile an den Tag zu legen. Da gibt es ganz andere Nadelöhre in der Firmengründung. Den-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 276

ken wir zum Beispiel an Bankbestätigungen, wenn man eine GmbH in Österreich gründet! Und ich habe doch schon einige gegründet und kann sagen: Es ist mitunter viel, viel mühsamer, die zu bekommen, und das dauert viel, viel länger. Nichtsdesto­trotz gibt es in der EU eine Zielvorgabe für die Unternehmensgründung, die da drei Tage lautet. Davon sind wir ein ganz schönes Stück entfernt, und es lohnt sich, an jeder Schraube zu drehen, um den Prozess etwas schneller zu gestalten.

Der zweite Antrag betrifft die kostenlose Zurverfügungstellung von Basisinformationen aus dem Firmenbuch. Das Firmenbuch soll, wie das Grundbuch auch, jedem die Möglichkeit bieten, die Daten kostenlos einzusehen. Meine Redezeit ist schon einiger­maßen vorbei, deswegen ist die Begründung relativ kurz.

Wir haben das Jahr 2016, wir leben in einer digitalisierten und vernetzten Welt. Diese Daten sind nicht geheim, sie sind maschinenlesbar, sie sollten für jeden auch sehr leicht abrufbar sein. Das ist in anderen Ländern längst Standard, was Sie sehen können, wenn Sie zum Beispiel nach Polen schauen oder in die Schweiz, wo es mit  „zefix.ch“ – jetzt bitte keinen Ordnungsruf, das Verzeichnis heißt tatsächlich so – eine Online-Datenbank gibt, die von jedem weltweit benützt werden kann. So könnte es auch in Österreich sein. (Beifall bei den NEOS.)

0.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.

 


0.06.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist in letzter Zeit, in den letzten Tagen sehr viel von einem „New Deal“ die Rede. „New Deal“ bedeutet zum einen Stärkung der Wirtschaft, zum anderen aber natürlich auch Entlastung von Bürokratie. Wir sind alle aufgerufen, da mitzuhelfen.

Der Wettbewerb wird härter, der internationale Druck für die Unternehmen größer. Daher ist es sinnvoll, dass auch der Staat sich überlegt, die Unternehmen zukunftsfit zu machen und sie zu unterstützten, und daher ist es auch sehr positiv, dass das im Justizbereich passiert: Gebührensenkungen, Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger, auch für die Betriebe, dass man Bereiche sucht, wo das möglich ist, um die Betriebe in der Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Der Antrag der NEOS ist eine gute Idee, aber von der Zeit überholt worden. Das ist alles schon durchgeführt und im letzten Jahr sichergestellt worden. Seit 1. Jänner 2016 ist das Abrufen bestimmter Basisdaten im Firmenbuch, wie es eben die NEOS fordern, kostenlos. Es ist dies sozusagen eine Vorwegnahme einer Richtlinie der Business-Register-Interconnection-Servicerichtlinie, die besagt, dass ab 2017 Kerndaten jeder Firma europaweit kostenlos abzugeben sind.

Daher ist dieser Antrag der NEOS eigentlich obsolet, aber ein wichtiger Beitrag, die Firmen zu unterstützen. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


0.08.31

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich sind ja Überlegungen zur Beschleunigung


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 277

behördlicher Prozesse sehr, sehr positiv zu sehen. Derzeit ist es ja so, dass die Daten entsprechend den Bestimmungen einmal am Tag, um Mitternacht, übertragen werden, also das Grund- und Firmenbuch aktualisiert wird. Damit einher geht auch eine gewisse Form der Rechtssicherheit, der Informationssicherheit und der technischen Sicherheit. In der Praxis gesehen ist es so, dass man oft auch ein paar Stunden hat, um Daten gegebenenfalls noch zu korrigieren. Ich glaube die Korrektheit der Daten entspricht auch der Informationssicherheit. Das ist nicht ganz unpraktisch.

Eine mehrmalige Eingabe der Daten am Tag würde auch den Aufwand erhöhen, und letztlich muss man sich die Frage stellen: Was ist der Aufwand?, und eine Kosten-Nutzen-Rechnung machen. Da würde ich vorschlagen, dass wir einfach bei diesem Problem der einmal täglichen Umstellung bleiben. Das ist bekannt, einfach auch sehr praktisch und kostengünstiger als eine Umstellung des ganzen Systems. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stefan. – Bitte.

 


0.09.52

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Anträge liegen hier vor. Der eine ist, wie schon festgestellt wurde, überholt, also den hätte man wahr­scheinlich auch zurückziehen können (Zwischenruf des Abg. Scherak), denn den Firmenmonitor gibt es. Dort bekommt man die Basisdaten gratis und sofort, sogar auch die Urkunden, die dazu notwendig sind. Sie können es sich ja anschauen, sie bekommen sie sofort. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Nein, es gibt es … (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Scherak.) Natürlich! Ja, es ist überhaupt kein Problem! Sie bekommen sie sofort. Schauen Sie nach! Ich habe es gerade erst wieder getestet. Aber der Antrag ist jedenfalls grundsätzlich sinnvoll, daher kann man nichts dagegen sagen.

Der zweite Antrag fordert, dass die Daten schneller übertragen werden. Das sehe ich insofern differenziert, als ich es einerseits richtig finde, dass Gesellschaftsgründungen schneller stattfinden sollten. Es wäre ein kleiner Beitrag, wenn man das Verzeichnis untertags aktualisieren würde – das stimmt –, weil die Eintragung einen Tag früher sichtbar wäre. Was aber dagegen spricht, ist der Umstand, dass es gerade beim Firmen­buch auch darum geht, festzustellen, wer vertretungsbefugt ist. Da kann man nach derzeitigem Stand sagen: Am Soundsovielten war eine bestimmte Person vertretungsbefugt. Ich muss nicht sagen: Um 10.23 Uhr war diese Person vertretungs­befugt, aber das war um 10.24 Uhr nicht mehr im Firmenbuch ersichtlich. Daher hat man im Sinne der Rechtssicherheit festgehalten, dass es im Firmenbuch eben einen Tagessprung gibt, damit man eindeutige Regelungen hat.

Man wird es technisch wahrscheinlich auch lösen können und es künftig vielleicht anders machen. Dann kann man entsprechende Bestätigungen wirklich minutenweise abgeben. – Derzeit ist es halt nicht so.

Beim Grundbuch sehe ich es weniger ein. Da verstehe ich nicht, warum man es nicht wirklich gleich abgleicht, denn das war früher so, nämlich bis zum Jahr 2012, bis zur völligen Umstellung des Grundbuches auf das digitale Grundbuch. Damals war das auch so, dass man in der Sekunde, in der die Eintragung erfolgt ist, sie auch gesehen hat. Das dass jetzt nicht mehr so ist, finde ich nicht sinnvoll. Da spricht auch nichts dagegen, was Rechtssicherheit bedeutet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 278

Wenn es einen riesigen Datenaufwand bedeutet, einen technischen, wird man den auch lösen können. Daher bin ich insofern etwas differenzierter Meinung. Aber in Summe stimmen wir dagegen, weil unserer Meinung nach die Rechtssicherheit beim Firmen­buch nach derzeitigem Stand jedenfalls zu erhalten ist. (Beifall bei der FPÖ.)

0.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Vetter. – Bitte.

 


0.12.26

Abgeordneter Dr. Georg Vetter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich fange mit dem Argument, das mein Vorredner gebracht hat, an: die Echtzeitüber­tragung. Es geht ja nicht nur um die Übertragung von Firmen, die gerade neu gegrün­det worden sind, sondern es werden ja sämtliche Daten übertragen, unter anderem auch die Vertretungsbefugnis.

Wenn wir das jetzt in Echtzeit übertragen würden – als Praktiker gedacht –, dann müssten wir den Beginn der Vertretungsbefugnis nicht nur mit dem Datum, sondern in Wirklichkeit mit der Uhrzeit bestimmen, denn sonst ist aus dem Firmenbuch nicht herauszusehen, ob jemand am Vormittag oder am Nachmittag vertretungsbefugt gewe­sen ist.

Wenn um 16 Uhr die Übertragung stattfindet und der schon um 12 Uhr unterschrieben hat, dann weiß man aus dem Firmenbuch nicht mehr, ob er um diese Zeit vertre­tungsbefugt war oder nicht. Daher ist es sinnvoll, dass sämtliche Daten um 0.00 Uhr an das Bundesrechenzentrum übertragen werden, weil man ja nur das Datum hat. Wenn man jetzt sagt, man will auch die Uhrzeit hineinnehmen, dann würde das einen unglaublichen bürokratischen Aufwand erfordern, den, glaube ich, auch ihr vermeiden wollt.

Zum zweiten Punkt ja schon viel gesagt worden: zu Basisinformationen. Wenn man wollte, dass sämtliche Informationen, sämtliche Firmenbuchauszüge – Informationen, wie das im nichtamtlichen Bereich heißt – völlig offen sind, dann weiß ich nicht, ob das wirklich sachgerecht ist. Im Umweltbereich zum Beispiel suchen wir alle nach dem Verursacherprinzip, wir suchen überall nach der Kostenwahrheit. Wenn ich einen Tag in der Kanzlei verbringe, dann mache ich ungefähr fünf bis zehn Abrufe im Firmenbuch täglich, und ich weiß nicht, warum der Steuerzahler mir das zahlen sollte.

Also ich finde das völlig richtig, dass hier diejenigen zahlen, die das auch in Anspruch nehmen. Diese ständige Inanspruchnahme des Steuerzahlers, dieses immer weiterge­hende Ausweiten der Gratisgesellschaft scheint mir nicht sachgerecht zu sein. Es scheint mir auch nicht im Sinne der neuen Bundesregierung zu sein, dass hier unbe­dingt Leistungen ausgebaut und ausgebaut werden müssen.

Apropos neue Bundesregierung: Lassen Sie mich die Gelegenheit wahrnehmen und sagen: Ich habe es seit Beginn meiner politischen Karriere für notwendig erachtet, dass es an der Spitze der Bundesregierung einen Wechsel gibt, und ich kann daher dem Koalitionspartner nur gratulieren, dass er diesen Wechsel auch zustande gebracht hat. Ich halte das für richtig. Wenn ich höre, was in öffentlichen Interviews gesagt wird – Stichwort: Zeiler, Androsch und Ähnliches –, dann ist für mich die Analyse, verglichen mit dem, was der Finanzminister bei der letzten Budgetrede gesagt hat, relativ ähnlich: Die Wirtschaft muss stimuliert werden, die Bürokratie muss abgebaut werden, es muss eine Pensionsreform geben, es muss eine Verwaltungsreform geben.

Wenn ich heute höre, was der neue Bundeskanzler gesagt hat – der Stillstand muss überwunden werden; es gibt ein geistiges Vakuum; die Investitionsbereitschaft der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 279

privaten Unternehmen muss gehoben werden; die Wirtschaft muss im Mittelpunkt stehen; die treibenden Kräfte sind Internationalisierung, Globalisierung und Digitalisie­rung, und es bedarf der Vielzahl des Engagements der Einzelnen –, dann sage ich Ihnen: Ich habe einen guten Eindruck und hoffe, dass es nicht in die Richtung der Gratisgesellschaft geht. Denn: Gratiskäse gibt es nur in der Mausefalle. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.16

00.16.10

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt keinen Wunsch der Berichterstatterin auf ein Schlusswort.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1125 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1126 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

00.17.13Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Strache und Mag. Stefan, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstat­tung über den Antrag 65/A der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXV. Gesetzgebungsperiode des National­rates vorzeitig beendet wird, eine Frist bis 14. Juni 2016 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt. (Abg. Schieder: Der Strache ist auch nicht für Neuwahlen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

00.17.44Abstimmung über Antrag auf nochmalige Verlängerung des Hypo-Untersuchungsausschusses

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Einsetzungsminderheit des Hypo-Untersuchungsausschusses gemäß § 53 Abs. 6 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse auf nochmalige Verlängerung des genannten Untersuchungsausschusses bis 10. Oktober 2016.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll130. Sitzung / Seite 280

00.18.19Einlauf

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1711/A(E) bis 1730/A(E) eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 0.18 Uhr ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.18.38Schluss der Sitzung: 0.18 Uhr

 

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